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Erstellt von Redaktion am Samstag 8. April 2023

Die  Suche nach den Ursachen zum Ukraine Krieg ! 

Flag of NATO.svg

Von Helmut W. Ganser

Die Suche nach den Ursachen des Ukraine-Kriegs wird künftige Historiker zur inneren Dynamik Russlands führen, aber auch zur Russlandpolitik westlicher Nato-Staaten.

Angenommen, wir sind im Jahr 2038, und angenommen, Historiker streiten weiterhin über die Ursachen des russischen Krieges gegen die Ukraine. Dann könnte das so aussehen:

Das erste Narrativ konzentriert sich auf die innenpolitische Dynamik in Russland beziehungsweise in der Sowjetunion und betrachtet die russische Aggression als konsequente Folge nationalistischer, kolonialistischer und imperialer Triebkräfte der Moskauer Eliten. Angefangen vom Imperialismus der Zarenzeit schlagen Historiker den Bogen zum Totalitarismus und zu den Verbrechen Stalins, bis hin zur sowjetischen Gewaltherrschaft nach dem 2. Weltkrieg und schließlich dem Revisionismus des Kreml unter Wladimir Putin, der seine Herrschaft auf Lebenszeit zementiert hat. Demnach betrachtet Putin die Auflösung der Sowjetunion als schweren Fehler und strebt die Wiederherstellung des Großmachtstatus Russlands an, unterstützt von großen Teilen der russischen Elite und der Bevölkerung, die der Staatspropaganda vertrauen. Nach innen baut er systematisch ein autokratisches Unterdrückungssystem auf und schreckt dabei nicht vor Morden an Oppositionellen im In- und Ausland zurück. Die größte Bedrohung für sein Regime sieht er in der Übertragung des westlichen liberalen Demokratiemodells nach Osteuropa.

Spätestens 2014 ist mit der Annexion der Krim und der Besetzung von Teilen des Donbass die Aggressivität der russischen Führung nach außen sichtbar geworden. Die Eigenstaatlichkeit der Ukraine lehnt Putin ab und folgt dabei einem Drehbuch, das schon seit dem russischen Krieg gegen Georgien im Jahre 2008 feststeht, auch wenn der damalige georgische Präsident Micheil Saakaschwili diesen Krieg törichterweise begonnen hatte. Seither rüstet der Kreml die Streitkräfte und die Nationalgarde mit den vom Westen aus den Energieexporten gezahlten Billionen konsequent auf. Die Entspannungspolitik und die Prinzipien „Wandel durch Handel“ oder „Stabilität durch Handel“ sind gescheitert. Die Osterweiterung der Nato hat sich im Rückblick als kluge und weitsichtige Strategie bestätigt. Ohne den Schutzschirm der Allianz hätten die drei baltischen Staaten längst ihre Unabhängigkeit verloren. Noch klüger wäre allerdings gewesen, die Ukraine und Georgien auch in das westliche Militärbündnis aufzunehmen.

Die Historiker, die das zweite Narrativ vertreten, befassen sich zunächst mit der Russlandpolitik der Vereinigten Staaten und ihrer westlichen Verbündeten nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion, den der Westen als Sieg im Kalten Krieg feierte und dem schließlich ohne Rücksicht auf russische Sicherheitsinteressen der Nato-Erweiterungsprozess folgte.

Moskau hat die Ausdehnung des Nato-Raums von Beginn an als gravierendes Sicherheitsproblem wahrgenommen und ist endgültig misstrauisch geworden, als die Nato auf ihrem Gipfel in Bukarest 2008 der Ukraine und Georgien die Mitgliedschaft grundsätzlich zusagte. Die US-Regierungen seit Bill Clinton und vor allem osteuropäische Nato-Staaten sind nie bereit gewesen, der Russischen Föderation eine ernsthafte Rolle in einer gesamteuropäischen Sicherheitsarchitektur einzuräumen. Im Nato-Russland-Rat redeten Botschafter, Außen- und Verteidigungsminister sowie Staats- und Regierungschefs schon in der ersten Dekade meist aneinander vorbei. Die Kündigung des „Anti Ballistic Missile (ABM)“-Vertrags durch Washington 2002 und der Aufbau der strategischen Raketenabwehr der USA in Europa destabilisierten die Beziehungen zwischen der Nato und Russland weiter. Moskau befürchtete schon damals, dass die amerikanische Raketenabwehr den wahren Zweck verfolge, eines Tages das russische Abschreckungspotential zu neutralisieren, was Washington allerdings stets bestritt.

Der Umsturz in der Ukraine Anfang 2014 war schließlich der entscheidende Kipppunkt zum neuen Ost-West Konflikt. Der Kreml betrachtete den „Euro-Maidan“ als eine von den USA unterstützte Aufstandsbewegung. Aus Moskauer Sicht war die Maidan-Revolution eine weitere westliche Offensive in der geopolitischen Auseinandersetzung zwischen Moskau und Washington. Der Kreml unterstellte den USA das Ziel, Oppositionsbewegungen in Russland zu unterstützen, um auch in Moskau eines Tages einen Regierungswechsel herbeizuführen. Rund zwei Monate vor dem Beginn des russischen Angriffs auf die Ukraine wandte sich der Kreml an die USA und die Nato-Staaten mit Vertragsentwürfen, in denen es darum ging, eine Aufnahme der Ukraine in die Nato vertraglich auszuschließen, was von der Nato mit dem Hinweis auf die freie Bündniswahl und die Nato-Politik der offenen Tür zu schnell zurückgewiesen wurde. So wurde nicht ernsthaft getestet, ob Putin bereit gewesen wäre, in Verhandlungen über einen sicheren Status der Ukraine ohne Nato-Beitritt einzutreten und die Invasion zu vermeiden.

War vielleicht dieser Afghanische Esel nach einer Schlussbetrachtung klüger als alle, eine Uniform tragenden Sternen-träger und Politiker-innen in der Nato zusammen ?? 

Eine dritte und wachsende Gruppe von Historikern sieht inzwischen die Ursachen für den russischen Angriff in einer Kombination aus beiden Erzählungen. Sie konzentrieren ihre Analyse auf die Interessengegensätze und die machtpolitische Rivalität zwischen den USA und Russland seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion und beziehen die einander entgegengesetzten politischen Kulturen, Wertorientierungen und die historische Entwicklung Russlands ein. Das Denken und Fühlen der Eliten in der russischen Gesellschaft ist seit Jahrhunderten durch zwei gegensätzliche Strömungen geprägt. Die Westler-Slawophilen wie Dostojewski, Turgenjew und Tolstoi haben im 19. Jahrhundert das Widersprüchliche im russischen Lebensgefühl in ihren literarischen Figuren aufleben lassen und vermutlich auch in sich selbst verspürt. Da gibt es die sanfte, empathische Seite, die sich offen zeigt gegenüber der westlichen Kultur. Doch die im 19. Jahrhundert geführte Debatte um die Frage, ob sich Russland an westlichen Werten orientieren oder einen eigenen slawischen Weg gehen sollte, geht bald in einen allgemeinen Panslawismus über. Diese andere, dunklere russische Seite war immer präsent, von der Zarenzeit bis in die Spätphase der Sowjet­union. Kompromissloses Machtstreben, Gewalt, Empathielosigkeit und Zynismus sind für diese Haltung kennzeichnend. Während unter Michail Gorbatschow und bis etwa zum Millennium eher die emphatische, kooperative Seite dominierte, wurde die Außen- und Militärpolitik danach revisionistischer.

Quelle         :          TAZ-online             >>>>>          weiterlesen

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Grafikquellen        :

Oben      —     The flag of the North Atlantic Treaty Organization (NATO). Color is PMS 280, RGB #004990.

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