DEMOKRATISCH – LINKS

                      KRITISCHE INTERNET-ZEITUNG

RENTENANGST

Das Recht der Mächtigen

Erstellt von Redaktion am Montag 10. September 2018

Die kolonialen Wurzeln des Völkerrechts

Überlebende Herero nach der Flucht durch die Wüste

Einmal mehr wird sich Geschichte wiederholen. Dieses mal nicht in Namibia, dafür scheint man zur Zeit nicht Glaubwürdig zu sein.  Aber in anderen Ländern Afrikas, wo die Gesellschaft weniger direkte Erinnerungen an das Deutschtum hat? Gaukler beherrschen die Politk, schon immer. Anbei – es gäbe viel zu erzählen aus Afrika oder Asien – aus Ländern in die sich unsere Politiker nicht hineintrauen, um mit den Menschen persönlich zu reden, aus  Angst von den eigenen Schlechtigkeiten eingeholt zu werden ?  –DL -Red.-IE

von Karina Theurer und Wolfgang Kaleck

Der Kolonialismus ist für viele nur noch Geschichte, ein abgeschlossenes Kapitel der Vergangenheit. Auch Juristinnen und Juristen betrachten es oft als eine rein akademische Frage, ob der Kolonialismus als Verbrechen einzustufen ist oder ob sich das Vorgehen der Kolonialstaaten in einzelnen historischen Situationen mit heutigen völkerstrafrechtlichen Tatbeständen wie Folter und Kriegsverbrechen rechtlich qualifizieren lässt. Bisher zumindest haben die relativ weit zurückliegenden Vorkommnisse nationale Zivil- oder Strafgerichte kaum beschäftigt. Eine internationale Gerichtsinstanz zur strafrechtlichen Aufarbeitung wie das Nürnberger Militärtribunal nach 1945 oder der Internationale Strafgerichtshof standen ohnehin nie zur Debatte.

Doch dies hat sich im vergangenen Jahrzehnt geändert. Das belegt nicht zuletzt das Verfahren in Sachen Rukoro gegen die Bundesrepublik Deutschland vor dem Southern District Court von New York. Dort klagen Ovaherero und Nama aus Namibia wegen des Völkermordes der kaiserlichen Armee in der ehemals deutschen Kolonie Südwestafrika, dem heutigen Namibia. Sie wollen an den Verhandlungen mit der deutschen Bundesregierung beteiligt werden und fordern eine Entschädigung. Obwohl die Bundesregierung die Klage schon deswegen für unzulässig hält, weil sie gegen die völkerrechtliche Immunität verstoße, konnten die Klägerinnen und Kläger einen ersten Erfolg erzielen: Die Bundesregierung musste ihre Ausweichtaktik aufgeben und reichte ihre schriftliche Einlassung am 3. März beim Gericht in New York ein. Die nächste Anhörung soll im Sommer 2018 stattfinden.

Die mangelnde rechtliche Aufarbeitung der wirtschaftlichen Ausbeutung in der ehemaligen deutschen Kolonie, der rassistischen Verbrechen und des Völkermordes von 1904 bis 1908 bestätigt, was postkoloniale Kritikerinnen und Kritiker des Völkerrechts seit Langem konstatieren: Das Völkerrecht in seiner eurozentrischen Prägung und hegemonialen Auslegung diente nicht nur während der Kolonialisierung zu Beginn des 20. Jahrhunderts den wirtschaftlichen und geopolitischen Interessen der europäischen Unternehmen und Kolonialstaaten, sondern es dient auch heute noch dazu, diese Verbrechen in rechtlicher Hinsicht zu verschleiern. Dafür steht exemplarisch das Beharren darauf, dass koloniale Sachverhalte nach der eigenen Interpretation des formal geltenden europäischen Rechts von damals, also nach dem sogenannten Grundsatz der Intertemporalität, beurteilt werden sollen. So wird selbst heute noch implizit auf die in das damalige Recht verwobene Vorstellung eines vorgeblich „natürlichen“ Zivilisierungsauftrags der Europäer und der damit einhergehenden rassistischen Abwertung von Nicht-Europäern zurückgegriffen. Mit diesem rassistischen Konzept wurde begründet, warum „Eingeborene“ minderwertig seien und das geltende Recht ihrer politischen Gemeinwesen zum überwiegenden Teil nicht gültig oder anwendbar sei. Auf diese Weise konnten die damaligen Kolonialstaaten bestehende Ansprüche auf Land und Ressourcen ignorieren. Selbst besiedelte und bewirtschaftete Ländereien wurden oftmals als „terra nullius“, als Niemandsland, bezeichnet. Das Unrecht dieses Vorgehens wird bis heute nicht anerkannt – und das ist rechtlich, moralisch und politisch inakzeptabel.

Im damaligen Deutsch-Südwestafrika, dem sogenannten deutschen Schutzgebiet, beuteten deutsche Unternehmen mit Unterstützung der Armee die dortige Bevölkerung wirtschaftlich massiv aus, etwa durch Zwangsarbeit oder die systematische Enteignung ihres Acker- und Weidelandes und damit ihrer Lebensgrundlage. Als sich die dort lebenden Ovaherero und Nama gegen dieses rassistische Gewaltregime organisierten, nahmen die deutschen Militärs dies als Vorwand für den ersten Genozid in der Geschichte des vergangenen Jahrhunderts: 60 000 bis 90 000 Ovaherero und die Hälfte der auf etwa 20 000 Menschen geschätzten Nama wurden ermordet.

Der Widerstand der Ovaherero und Nama gegen die rassistische Unterdrückung – die sexualisierte Gewalt gegen Frauen, die Entrechtung durch Entmenschlichung und die Wegnahme ihres Landes – wurde umgedeutet in ein Aufbegehren „unzivilisierter Barbaren“. Wie schon im 16. Jahrhundert die brutale Gewalt der Konquistadoren in Südamerika wurde auch hier die grausame Ermordung Zehntausender Menschen mit der vorgeblichen zivilisatorischen Überlegenheit der „väterlichen Europäer“ und einer rassistischen Abwertung der uneinsichtigen „primitiven Eingeborenen“ gerechtfertigt.

Bis heute sind viele Angehörige der Ovaherero und Nama landlos – eine direkte Konsequenz des Genozids, der Vertreibung und Enteignung zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Sie sind gezwungen, das ihren Großeltern rechtswidrig genommene Land von zumeist weißen Großgrundbesitzern zu pachten. Die durch den groß angelegten Landraub von damals geschaffenen Eigentumsverhältnisse bleiben bis heute weithin unangetastet. Doch obwohl Vertreterinnen und Vertreter der Ovaherero und Nama die Bundesregierung seit Jahren auffordern, mit ihnen in einen Dialog zu treten, verhandelt Berlin ausschließlich mit der namibischen Regierung und einzelnen Repräsentanten, die diese bestimmt hat – ohne Preisgabe von Details. Verkomplizierend treten innernamibische Machtverhältnisse hinzu, allen voran die sozioökonomische Ungleichheit zwischen einzelnen Bevölkerungsgruppen, deren Beibehaltung im Interesse der namibischen Regierung liegen könnte. Unabhängig vom Ausgang der Klage muss Deutschland direkt in das Gespräch mit den wichtigsten Vertreterinnen und Vertretern der Ovaherero und Nama eintreten. Dies ist auch völkerrechtlich geboten, denn Artikel 18 der Erklärung zu den Rechten Indigener Völker der Vereinten Nationen aus dem Jahr 2007 gibt diesen das Recht, an Entscheidungsprozessen in Angelegenheiten mitzuwirken, die ihre Rechte berühren können – und zwar durch von ihnen selbst gemäß ihren eigenen Verfahren gewählte Vertreter. Deutschland hatte seinerzeit den Resolutionsentwurf mit eingebracht und auch in der Generalversammlung für die Verabschiedung gestimmt. Die neue Bundesregierung sollte daher im Einklang mit den von ihr selbst völkerrechtlich bekräftigten Rechten handeln und sich auf die Nachfahren der massakrierten Gemeinschaften zubewegen. Esther Muinjangue von der Ovaherero Genocide Foundation (OGF) forderte im Oktober 2017 in Berlin: „Wir möchten, dass uns die Bundesregierung endlich fragt, was wir wollen. Wir möchten endlich wahrgenommen werden.“

Gaukler beherrschen die Politk, schon immer. Anbei – es gäbe viel zu erzählen aus Afrika oder Asien – aus Ländern in die sich unsere Politiker nicht hineintrauen, das sie Angst haben von den eigenen Schlechtigkeiten eingeholt zu werden.

Zudem lagern in deutschen Museen und Archiven Schädel und Gebeine von Menschen, die in deutschen Kolonien in Afrika und Übersee ermordet wurden. Diese wurden zu rassekundlichen Forschungszwecken nach Deutschland überführt. Sowohl Angehörige einzelner identifizierbarer Ermordeter als auch Vertreterinnen und Vertreter der jeweiligen Herkunftsgesellschaften fordern die Rückgabe der Gebeine. Doch die Bundesregierung hüllt sich diesen Personen und ihren Restitutionsansprüchen gegenüber in Schweigen. Die einzelnen Stiftungen und Museen verweisen wie in der Debatte um geraubte Kolonialkunst darauf, dass zuerst umfangreiche Provenienzforschung betrieben werden müsse, für die wiederum ausreichend finanzielle Mittel zur Verfügung gestellt werden müssten – ein bürokratischer Hindernislauf statt einer politischen Lösung. Dabei bieten die Erklärung zu den Rechten Indigener Völker sowie die Grundsätze des internationalen Museumsbundes ICOM genügend rechtliche Argumente, um die ausschließlich nach deutschem Zivil- und Verwaltungsrecht begründete Blockade zu überwinden.

Die rechtliche Aufarbeitung der Kolonialverbrechen

Quelle    :       Blätter          >>>>>         weiterlesen

————————————————————————————

Grafikquellen     :

Oben    —        Überlebende Herero nach der Flucht durch die Wüste

Kommentar schreiben

XHTML: Sie können diese Tags benutzen: <a href="" title=""> <abbr title=""> <acronym title=""> <b> <blockquote cite=""> <cite> <code> <del datetime=""> <em> <i> <q cite=""> <s> <strike> <strong>