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Das Mandat des DGB.

Erstellt von Redaktion am Mittwoch 26. Mai 2010

Warum Krisenzeiten nur selten Erkenntniszeiten sind

Über die Aufgaben der Gewerkschaften in Zeiten der globalen Finanzkrise und des Versagens der Geldsysteme hier ein Artikel von Oskar Negt. IE.

Es ist ein großer Gedanke des Philosophen Hegel, dass in der Arbeit der Zuspitzung der Verhältnisse eine Kraft steckt, die eine Entscheidung vorbereitet und auf einen Prozess der Veränderung dringt. Tatsächlich enthält das der griechischen Sprache entstammende Wort „Krise“ einen Doppelsinn: Es bedeutet zum einen Scheidung im Sinne von Trennung und zum anderen Entscheidung im Sinne von Urteil. In der Krise stellen sich also neue Zusammenhänge her, alte werden aufgelöst. Das gilt auch für die globale Finanzkrise.

Wer noch bis vor zwei Jahren geglaubt hat, die Geldsysteme wären auf irgendwelche Weise verankert im Warentausch und in der Warenproduktion, wird spätestens seit dem Zusammenbruch von Lehman Brothers eines Besseren belehrt. Im Jahre 2005 wurden an jedem Börsentag auf den Finanzmärkten Transaktionen im Wert von zwei Billionen US-Dollar getätigt. Von dieser gigantischen Summe mit zwölf Nullen dienten nur noch drei Prozent der Finanzierung von Handel und Investitionen und 20 Prozent der Absicherung von realwirtschaftlichen Geschäften gegen das Wechselkursrisiko. Die übrigen knapp 80 Prozent sind Spekulationsgeschäfte, das heißt Wetten auf künftige Preise von Währungen, Wertpapieren und Zinsen. Der gesellschaftliche Reichtum kehrt also nicht mehr in die Lebens- und Produktionsverhältnisse der Gesellschaft zurück.

Die Gewinne von heute sind die Investitionen von morgen und die Arbeitsplätze von übermorgen – das war einmal die Parole des ehemaligen Bundeskanzlers Helmut Schmidt, um den Sozialdemokraten das ihnen anhängende Image des Sozialneids zu nehmen. Doch diese Parole gilt heute nicht mehr. Die Gewinne von heute sind zum großen Teil die Arbeitslosen von morgen.

Das ist der entscheidende Punkt der gegenwärtigen Bankenkrise. Und nirgends sind echte Anzeichen dafür erkennbar, dass sich an dieser Realabstraktion des Geldes, an dieser Form der Trennung von Finanzwelt und Realwirtschaft, etwas ändern wird. Doch erst dann könnte man davon sprechen, dass sich Politik von den wirtschaftlichen Imperativen trennt und sinnvolle gesamtgesellschaftliche Gestaltungsaufgaben übernimmt.

Der zweite Wortsinn der Krise betrifft das Zukünftige. Hier fällt die Entscheidung über Leben und Tod der Gesellschaft, ganz so, wie ein individueller Krankheitszustand an einem bestimmten Punkt die Existenzfrage aufwirft: Entscheidet sich der Körper fürs Weiterleben, hat die krisenhafte Zuspitzung Lernprozesse in Gang gesetzt, oder ist es hoffnungslos, verbünden sich die einzelnen Systeme des individuellen Körpers oder der Gesellschaft, um sich wechselseitig in ihren Untergangsszenarien zu fördern.

Quelle : Blätter >>>>> weiterlesen

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Fotoquelle:  Maoista-bodhisattvaOwn work

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