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RENTENANGST

D. Trumps Monstrositäten

Erstellt von Redaktion am Donnerstag 23. Juli 2020

Die Hornhaut auf unserem Demokratieempfinden

Matthias Laurenz Gräff - "Trump. The Killing Machine".jpg

Eine Kolumne von Sascha Lobo

US-Präsident Donald Trump überschreitet ständig Grenzen; Medien und Gesellschaft sind überfordert. Und so gewöhnen wir uns zunehmend an das, woran man sich nicht gewöhnen darf.

Mir wird – noch immer – regelmäßig übel, wenn ich eine bestimmte Sorte Schlagzeilen über Donald Trump lese. Weil ich in vielen Gesprächen erfahren habe, dass ich mit dieser Empfindung nicht allein bin, möchte ich der Übelkeit hinterherforschen. Ein aktuelles Beispiel: „Donald Trump lässt offen, ob er Wahlniederlage akzeptieren würde.“

Der Satz basiert auf einem aufsehenerregenden Interview mit Trumps „Haussender“ Fox News, der mit wenigen Ausnahmen sendet, was der Präsident hören und sehen will. Erbärmlich erscheint mir übrigens schon, dass eine radikalisierte Lügen- und Propagandamaschine wie Rupert Murdochs Nachrichtensimulation standardmäßig in vielen seriösen Medien mit einem Euphemismus wie „Haussender“ beschrieben wird. Aber bereits das ist ein Anzeichen, dass ein Teil der Medienlandschaft auch nach fast vier Jahren Trump-Präsidentschaft nicht die richtigen Worte findet.

Die obige Schlagzeile findet sich Hunderte Male im Netz, weil sie aus dem Medienangebot der größten deutschen Nachrichtenagentur stammt und deshalb halbautomatisch auf vielen Newsseiten und in Zeitungen ausgespielt beziehungsweise gedruckt wird. Millionen Menschen haben diesen Satz gesehen und ihn mutmaßlich so verarbeitet, wie man sich nachrichtlichen Überschriften nähert: mit einem Grundvertrauen, dass ein tatsächlicher Sachverhalt beschrieben wird.

Eine gewisse Skepsis bringen die meisten Leute mit, im Durchschnitt erscheinen mir viel mehr Menschen deutlich medienkompetenter, als oft von Abiturientendeutschland gespottet wird. Aber diese Skepsis ist – auch bei mir – eine ganz basale: Stimmt das? Oder eher nicht? Das greift leider zu kurz.

Es ist ein Trugsatz – und zwar ein besonders schlimmer

Das Problem und der Grund für meine Übelkeit liegt darin, dass der Satz zwar faktisch stimmt, aber in seiner Wirkung katastrophal ist. Es handelt sich also nicht um simple Fake News, sondern etwas anderes: „Donald Trump lässt offen, ob er Wahlniederlage akzeptieren würde“ ist eine Sorte Schlagzeile, der ich den Namen „Trugsatz“ geben möchte, analog zu Trugbild.

Trugsätze sind überprüfbar sachlich korrekt, aber stellen einen falschen, irreführenden oder irrelevanten Zusammenhang her. Dieser Trugsatz ist so schlimm, weil er eine Selbstverständlichkeit herstellt, die keine ist und auch keine sein darf: In einer Demokratie muss egal sein, ob eine Machtfigur eine Wahlniederlage akzeptiert oder nicht.

Das ist noch nicht einmal etwas, was man ernsthaft diskutieren kann, wenn man die liberale Demokratie als alternativlos betrachtet. „Michael Jordan lässt offen, ob er im Fall eines Sturzes die Schwerkraft akzeptieren würde“, taugt bestenfalls als Witz.

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Dass die Schlagzeile über Trump aber von ernsthaften Medienleuten als akzeptabel betrachtet wird, sagt viel über die Gewöhnung an Trumps antidemokratische, ich-fixierte Monstrositäten. Nicht bloß bei denen, die an den Nachrichtenschaltstellen sitzen, sondern auch über unsere gesamtgesellschaftliche Gewöhnung an das, woran man sich nicht gewöhnen darf: die ständige, zielgerichtete Grenzüberschreitung, die jedes Mal mit einer kleinen Verletzung einhergeht.

Trump piekst uns eine Hornhaut auf unser Demokratieempfinden, und ich halte das für Absicht. Deutschland spielt dabei natürlich keine wesentliche Rolle, aber wir nehmen hierzulande einen Abglanz der Trump-Strategie wahr, denn die präsidentschaftsentscheidende Öffentlichkeit in den USA funktioniert ähnlich. Das Prinzip Nachrichten ist in einigen Bereichen dysfunktional – und die Überschrift, von der mir übel wird, kündet davon. Der Trugsatz „Donald Trump lässt offen, ob er Wahlniederlage akzeptieren würde“ stellt eine Scheinrealität her, in der es vermeintlich für die Wirksamkeit des Wahlergebnisses auf Trumps Zustimmung ankommt.

Quelle     :    Spiegel-online     >>>>>        weiterlesen

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Grafikquellen        :

Oben        —       Matthias Laurenz Gräff, „Trump. The Killing Machine“, oil on canvas, 60×80 cm, 2017———– Permission link – Website Matthias Laurenz Gräff https://www.matthiaslaurenzgraeff.com/kontakt/

  • CC BY-SA 4.0view terms
  • File:Matthias Laurenz Gräff – „Trump. The Killing Machine“.jpg
  • Created: 2017-08-30 15:33:45  

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Unten          —        Sascha Lobo; 10 Jahre Wikipedia; Party am 15.01.2011 in Berlin.

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