Corporate Social Respons
Erstellt von Redaktion am Montag 14. März 2022
Der Kapitalistische Krieg gegen Russland
Eine Kolumne von Sascha Lobo
In Friedenszeiten zeigen sie Aids-Schleifchen und Regenbogenflaggen in Firmenlogos. Aber jetzt werden Digitalunternehmen zu Kriegsparteien und ihr Bekenntniskapitalismus zum Machtfaktor.
»Wie der Rest der Welt sind wir entsetzt, wütend und traurig über die Bilder und Nachrichten vom Krieg in der Ukraine und verurteilen die ungerechtfertigte, grundlose und widerrechtliche Invasion von Russland«. Der Mann, der diese Worte schreibt, lässt keinen Zweifel an seiner Position. Er erklärt, wie er und die seinen der Ukraine gegen Russland helfen werden, wie genau er mit »den Regierungen der USA, der EU und Großbritanniens zusammenarbeitet«, wie sie sich mit »dem Roten Kreuz« und »verschiedenen Uno-Agenturen« koordinieren. Sein Statement liest sich in weiten Teilen wie das des Präsidenten eines mittelgroßen Landes. Es stammt jedoch von Brad Smith, und der ist zwar »President«, aber von Microsoft. Der IT-Konzern hat seine Geschäfte mit Russland komplett eingestellt, aber er geht weit über die Erfordernisse durch die Sanktionen hinaus. Microsoft hat sich öffentlich zur Kriegspartei gemacht.
Nun ist es wahrscheinlich nicht so, dass Putin durch den Verlust seines Office-365-Abos vor Wut aufhört, Menschen in der Ukraine ermorden zu lassen. Russland hat einige Microsoft-Produkte schon länger verbannt, wegen angeblicher Spionage und irgendwie auch wegen Bill Gates. Aber es hat sich ein regelrechter Wettbewerb unter Weltkonzernen herausgebildet, wer am schnellsten und intensivsten keine Geschäfte mehr mit und in Russland macht: Ikea, H&M, Obi, Puma und Louis Vuitton schließen ihre Filialen, BMW, Mercedes, Volvo, General Motors, Ford und VW schränken ihre Produktverfügbarkeiten und teilweise Produktionen in Russland ein – wie eine Vielzahl weiterer Firmen. Auch hier handeln Unternehmen zum Teil deutlich umfassender, als sie rechtlich müssten.
Bekenntnisse großer Konzerne zum Krieg sind natürlich alles andere als neu. Aber inzwischen beziehen sie im wahrsten Sinne des Wortes öffentlich Stellung, weniger mit dem von früher bekannten Kriegspatriotismus. Sondern, indem sie moralisch und sogar emotional argumentieren, »wütend und traurig«. Der Kapitalistische Krieg ist da. Nur anders, als man von links dachte.
Nicht nur Logos färben, sondern auch danach handeln
Der Kapitalistische Krieg des 21. Jahrhunderts präsentiert sich als CSR-Krieg. CSR ist einer der Megatrends für Unternehmen der letzten Jahrzehnte, das heißt Corporate Social Responsibility (etwa: gesellschaftliche Unternehmensverantwortung). CSR ist der Grund für temporäre Aids-Schleifchen und Regenbogenflaggen in Firmenlogos und sollte nicht als Quatsch oder reine Mode abgetan werden. Dieser Bekenntniskapitalismus wird von vielen Menschen – von links, von konservativer Seite und natürlich auch von rechts – heftig attackiert. Dabei kann diese Form des unternehmerischen Aktivismus durchaus zivilgesellschaftliche Bewegungen stärken, er ist sogar ein substanzieller Teil der Zivilgesellschaft im 21. Jahrhundert. Eine Vielzahl unbedingt bewundernswerter Hilfsaktionen für aus der Ukraine Geflüchtete zum Beispiel wurde hinter den Kulissen aus privatwirtschaftlichen Unternehmen heraus organisiert oder unterstützt.
Mächtige Unternehmen können die Gesellschaft durchaus im Sinne eines gesellschaftlichen Fortschritts verändern. Jedenfalls, wenn sie es ernst meinen und nicht nur Logos färben, sondern auch danach handeln. Fast überall dort zum Beispiel, wo Diversität als Zielsetzung funktioniert, haben große Unternehmen dafür gesorgt, oft aus Überzeugung (was man daran erkennt, dass investiert wird und Kosten entstehen). Aber die weltweite Unternehmenskriegserklärungswelle gegen Russland stellt eine neue Dimension dar, denn offenbar lautet die CSR-Einsicht hier: Unsere Unternehmenswerte verbieten uns, bei diesem Angriffskrieg neutral zu bleiben, deshalb werden wir Kriegspartei.
Was in einem Bogen zurückführt zu Microsoft, das hier als strukturelles Beispiel dienen soll. Denn in der Digitalwirtschaft findet seit Jahren eine enorme Verschiebung statt, die den Krieg der Digitalunternehmen auf eine neue Ebene hievt. Normalbürgerinnen bemerken sie vielleicht, wenn sie versuchen, Office-Software zu kaufen, ohne ein Abo abzuschließen. Weil man damit einfacher mehr Geld verdienen kann, ersetzt oder ergänzt bei Software nach und nach das Prinzip Abonnement fast überall das Prinzip Kauf: vom Produkt zum Service. Praktischerweise wird zugleich oft eine Onlinekomponente eingeführt, die Software funktioniert nur (richtig), wenn sie zum Heimatserver Kontakt aufbaut.
Zusätzlich sind in den letzten Jahren eine Reihe von Software-Mehrwerten entstanden, die sich tatsächlich nur online einigermaßen anständig realisieren lassen. Spracherkennung zum Beispiel und damit Alexa und Siri, alle Effekte der sozialen Vernetzung, aber auch ein engmaschiges Sicherheitsregime funktionieren heute faktisch nur, wenn die Software ständig Kontakt zum Mutterserver hält. Die vorläufige Spitze dieser Entwicklung sind Internetplattformen, bei ihnen sind einfach alle relevanten Kommunikationen, Prozesse und Daten ins Netz verschoben, statt auf den Servern und Festplatten der Kunden zu laufen.
Damit aber verschiebt sich die Kontrolle dramatisch in Richtung der Digitalunternehmen, was wiederum völlig neue Möglichkeiten im Konfliktfall eröffnet. Auch Oracle und SAP haben ihre Dienste und Verkäufe in Russland eingestellt, aber es ist bisher nicht ganz klar, was genau das bedeutet.
Quelle : Spiegel-online >>>>> weiterlesen
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Grafikquellen :
Oben — Die Gebäude Fortbabat und Microsoft (nach 2011 Samsung). Avenida Eduardo Madero, Buenos Aires
Robert Cutts (Foto) / Datum : 4 Oktober 2010, 12:38:53 (Foto) / Verfasser – 2001 (Gebäude) Mario Roberto Álvarez (Gebäude) / Quelle : Das Microsoft-Gebäude, Avenida Bouchard, Buenos Aires |
Diese Datei ist lizenziert unter der Creative Commons Attribution 2.0 Generic Lizenz.
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Unten — Sascha Lobo; 10 Jahre Wikipedia; Party am 15.01.2011 in Berlin.…
André Krüger, http://boschblog.de/ – Supplied by author
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- File:Wp10 20110115 IMG 9974.jpg
- Erstellt: 15. Januar 2011
Erstellt am Montag 14. März 2022 um 12:32 und abgelegt unter Feuilleton, International, Kriegspolitik, Positionen. Kommentare zu diesen Eintrag im RSS 2.0 Feed. Sie können zum Ende springen und ein Kommentar hinterlassen. Pingen ist im Augenblick nicht erlaubt.