Was passiert gerade genau in der Krise – und warum?

Nur noch drei statt sechs Monate: Der Bundesrat hat den Genesenenstatus von heute auf morgen halbiert. Als Bürger und Bürgerin aber wünscht man sich mehr Einordnung und Aufklärung. Denn Transparenz schafft Akzeptanz.
In Douglas Adams absurdem Sci-Fi-Werk »Per Anhalter durch die Galaxis« erfährt der Protagonist Arthur Dent kurz vor der Zerstörung der Erde, dass er aus galaktisch-bürokratischer Sicht eigentlich alle Möglichkeiten gehabt hätte, um sich über diese Sprengung im Rahmen des Baus einer Hyperraum-Expressroute zu informieren. Als er moniert, dass man das doch nicht einfach so machen könne, erklärt man ihm, dass die Planungsentwürfe ja lange öffentlich und für alle zugänglich ausgelegen hätten. »Jaja«, erwidert er in Bezug auf die Bekanntmachung, »in einem verschlossenen Aktenschrank, in einem unbenutzten Klo, an dessen Tür stand: Vorsicht, bissiger Leopard.«
So oder so ähnlich erging es in der vergangenen Woche eventuell auch einigen genesenen Bürgerinnen und Bürgern, die sich darüber wundern mussten, warum sie plötzlich nicht mehr als genesen gelten. Am Freitag hat der Bundesrat neue Maßnahmen verabschiedet, deren vielleicht wichtigste Änderung die Menschen betrifft, die im letzten halben Jahr eine Corona-Infektion überstanden haben. Ihr Status als Genesene war bis dato sechs Monate gültig, nun wurde diese Zeit von heute auf morgen halbiert. Diese neue Regel veröffentlichte das Robert-Koch-Institut am Freitag auf seiner Homepage, seit Samstag ist sie gültig. Anders ausgedrückt: alle Genesungszertifikate, die älter als drei Monate sind, sind seit dem Wochenende ungültig. Herbst-Infizierte haben von jetzt auf gleich denselben Status wie Ungeimpfte, was natürlich erheblichen Einfluss auf das tägliche Leben, auf den Zugang zu Räumen in denen die 2G-Regel gilt oder auf Einreisebestimmungen nimmt – vor allem, wenn es auch noch ohne.
Ankündigung, Planbarkeit oder irgendeine Form von Transferzeit erfolgt. Auch für Handelsverbände kommt diese Information einer Überrumpelung gleich, ebenso wie für Menschen in Gesundheitsberufen, für welche diese Regeländerung elementar Einfluss auf ihr Arbeitsleben nimmt. Neben der unglücklichen Kommunikation helfen auch die nun wie nachgereicht wirkenden Quellen für die Begründung dieser Verkürzung auf drei Monate nicht viel weiter (im Grunde sind es übrigens eigentlich auch nur zwei Monate, weil das Datum der positiven Testung mindestens 28 Tage zurückliegen muss, bevor dann für die verbliebenen 62 Tage dieser drei Monate der Status als Genesener greift). Vom RKI heißt es zu dieser Verkürzung: »Die Dauer des Genesenenstatus wurde von sechs Monate auf 90 Tage reduziert, da die bisherige wissenschaftliche Evidenz darauf hindeutet, dass Ungeimpfte nach einer durchgemachten Infektion einen im Vergleich zur Deltavariante herabgesetzten und zeitlich noch stärker begrenzten Schutz vor einer erneuten Infektion mit der Omikronvariante haben.«
Nuschelige Vermittlung
Das Institut beruft sich also auf den gegenwärtigen Forschungsstand und auf den Rat der Ständigen Impfkommission, die in ihrem aktuellen Bulletin »nach durchgemachter SARS-CoV-2-Infektion eine einmalige Impfstoffdosis mit einem Abstand von mindestens 3 Monaten zur Infektion« empfiehlt.

Sie erklärt in dieser offiziellen Verlautbarung aber auch: »Die Stiko betont, dass es sich bei dem gewählten Abstand von frühestens 3 Monaten um das Ergebnis einer Abwägung handelt, bei der die dann einsetzende Reduktion der Schutzwirkung der Grundimmunisierung, aber auch das Fehlen von Daten zur Dauer der Schutzwirkung der Auffrischimpfung gegenüber der Omikron-Variante berücksichtigt wurden. Die Stiko weist darauf hin, dass diese Empfehlung auf Basis einer derzeit begrenzten Datenlage getroffen wurde.«
Als weitere Quellen zur Begründung der neuen Regel wurde zudem auf eine britische Studie und auf einen Bericht der britischen Gesundheitsbehörde UK Health Security Agency (UKHSA) verlinkt, in diesen Dokumenten werden die drei Monate allerdings nicht erklärt.
Diese Strategie- und Regeländerung auf Grundlage einer Empfehlung ist hierbei nicht das von mir Kritisierte, sondern vielmehr ihre nuschelige Vermittlung und die mangelnde Transparenzmachung, die schon fast an Fahrlässigkeit grenzt. Hinzu kommt ein verrutschtes Timing beim Kommunizieren dieser relevanten Informationen, die unmittelbaren und existenziellen Einfluss auf die alltägliche Mobilität und Arbeitssituation vieler Menschen nehmen.
Quelle : Spiegel-online >>>>> weiterlesen
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Grafikquellen :
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