Cohn Bendit im Interview
Erstellt von DL-Redaktion am Montag 24. Dezember 2012
„Jede Zeit produziert ihre eigenen Sehnsüchte“
Interessante Antworten von dem grünen Urgestein Daniel Cohn Bendit über seine Partei. Könnte auch auf die LINKE gemünzt sein, welche für den Umschwung an die Fressnäpfe der Nation wesentlich weniger Zeit benötigte. Sagt man auch heute noch immer: Geld verdirbt den Charakter!
Treffend die Aussage über den geschlossenen Verein der Grünen in Frankreich, welche heute mit zwei Prozent vor sich hin dümpeln. Gut das es auch noch solche Kräfte gibt, welche sich nicht von den Ziegenmelkern der Parteien kaufen lassen.
sonntaz: Herr Cohn-Bendit, würden Sie heute noch den Grünen beitreten?
Daniel Cohn-Bendit: Gute Frage. Ich bin Mitglied der deutschen und der französischen Grünen. Bei den deutschen will ich bleiben, die französischen bin ich gerade dabei zu verlassen. Ich bin von Parteipolitik nicht begeistert, werde aber weiterhin als Grünen-Mitglied versuchen, in der Diskussion einige Punkte durchzusetzen.
Das klingt ja reichlich desillusioniert?
Das liegt an meinem Anspruch. Schließlich hatte ich mal eine Idee …
… Ende der 1970er Jahre – welche Idee, welches Versprechen verbanden Sie denn damals mit der Gründung der Grünen?
Dass man Politik auch anders machen kann. Dass Politik nicht nur instrumentell dem Machterwerb dient. Dass sie offen für Einflüsse aus der Gesellschaft ist, nicht so selbstbezogen sein müsste und, und, und. Diese Hoffnung hat sich aber eher selten realisiert.
Sie kamen aus der außerparlamentarischen Linken. 1978 kandidierten Sie für die frisch gegründete hessische Grünen- Landesliste. Wie kam es dazu?
Ich wollte hessischer Innenminister werden. Das wäre 1978 ungefähr so das Absurdeste gewesen: Dany Cohn-Bendit als Innenminister! Die außerparlamentarischen Bewegungen schienen uns wie Ebbe und Flut: Mal kommt das Wasser, und dann ist es wieder weg. Wir waren von der Entwicklung der Bewegung desillusioniert. Wir glaubten, wer wirklich etwas bewegen will, muss die Machtverhältnisse in den politischen Institutionen verändern. Der Schritt in Richtung Parlamente hieß für uns auch konsequenterweise, sich auf Realpolitik einzulassen, um so Veränderungen herbeizuführen. Vieles ist auch gelungen. Nur ist dabei öfters die gesellschaftliche Bodenhaftung verloren gegangen.
——————————————————————————————————————————–
Grafikquelle : Urheber Marie-Lan Nguyen
Wikipedia / Creative Commons-Lizenz Namensnennung 3.0 Unported
Dienstag 25. Dezember 2012 um 14:15
Der Hauptvorwurf, die Grünen bildeten eine kleine aber geschlossene Gesellschaft, praktisch unzugänglich für Basis-Mitglieder, trifft wesentlich auch auf die LINKE zu. Wie konnte es dazu kommen, dass die Obertanen einer Partei, abgehoben und selbstgenügsam auf – i.d.R. wohl lukrativen – Posten hockend, im Wesentlichen nur noch Postensicherung betreiben, wie „wir“ es bei „unseren“ LINKEn auch beobachtet haben? Wie müssten Strukturen und Prozesse geändert werden, um diese Entwicklung auszuschließen, wenigstens zu mildern? Und wie, um in Zeiten des Niedergangs – heutige LINKE West – erfolgreich einen Neubeginn in Gang zu setzen? Denn eins ist für mich auch klar: dass eine linke Politik sozialpolitisch gesehen immer bedeutsamer wird. Nur braucht es eine andere, besser „aufgestellte“ LINKE, als sie die heutige Schwundpartei darstellt.