Chance auf Glaubwürdigkeit
Erstellt von DL-Redaktion am Montag 28. März 2022
Die Linke und der Ukrainekrieg
Von Thorsten Holzhauser
Die Linkspartei sollte ihren Russland-Kitsch endgültig ablegen. So würde auch ihre Kritik am Westen überzeugender.
Die Partei Die Linke ist wieder auf Kurssuche. Die Partei- und Fraktionsspitze hat den Angriff Russlands auf die Ukraine klar verurteilt und damit die „Russia-Today-Fraktion“ in der Partei verprellt. Vor blau-gelben Solidaritätsbekundungen aber, erst recht vor der Unterstützung durch Waffenlieferungen, scheut die Partei weiter zurück. Sie zieht das neutrale Weiß der Friedenstaube vor. „Die Waffen nieder“ statt „Waffen für die Ukraine“ scheint die Losung zu sein.
Warum tut sich Die Linke so schwer damit, sich in der Ukraine-Krise auf die Seite der Angegriffenen und der westlichen Welt zu schlagen? Und wie sieht linke Sicherheitspolitik aus, die sich von alten Vorstellungen befreit? Wer die Haltung der Linken zu Russland und zum Westen verstehen will, muss auf die Geschichte blicken. Schon die Oktoberrevolution 1917 ließ in Teilen der deutschen Linken ein Russlandbild entstehen, das von tiefer Bewunderung geprägt war: In Moskau war der Fortschritt beheimatet – im Westen der Versuch, ihn aufzuhalten.
Ein Bild, das mit dem Zweiten Weltkrieg zur offiziellen Weltdeutung des europäischen Kommunismus wurde. Die SED und ihre Freunde in Westdeutschland sahen in der Nato ein Herrschaftsinstrument der USA zur „Versklavung der Völker Europas“. Die Sowjetunion dagegen war großer Bruder und Befreier vom Faschismus. Der Feind stand im Westen – im Osten wohnten Freunde. Auch nach 1990 wurden diese konträren Nato- und Russlandbilder in der „SED-Nachfolgepartei“ PDS wachgehalten – und dienten als Folie der Weltdeutung.
Nach dem Angriff des Irak auf Kuwait im Golfkrieg 1991 prangerten sozialistische Abgeordnete den „Bombenterror“ des Westens an. Das Eingreifen der Nato in den Kosovokrieg 1999 verurteilten sie als Angriffskrieg. Und nach den Terrorattacken vom 11. September 2001 gaben einige in der Partei den Amerikanern selbst die Schuld. Dass prominente Linke heute wieder lautstark auf die Provokationen des Westens verweisen, um die russische Aggression zu erklären, kommt daher nicht überraschend.
Von Russland-Freundschaft und Nato-Bashing
So offensichtlich die historischen Kontinuitäten sind – sie verdecken zugleich, dass die Partei auf ihrem Weg von der SED zur heutigen Partei Die Linke sicherheitspolitische Positionen entwickelt hat, die über Russland-Freundschaft und Nato-Bashing hinausgehen. Maßgebliche Vokabeln sind Verständigung, Multilateralismus und nicht zuletzt das Völkerrecht. Entsprechend begründete die PDS ihre Ablehnung des Nato-Einsatzes im Kosovo 1999 offiziell mit seinem völkerrechtswidrigen Charakter.
Die Allianz habe das Gewaltmonopol der Vereinten Nationen untergraben und einen problematischen Präzedenzfall geschaffen. Ein Vorwurf, den ähnlich auch Liberale wie Burkhard Hirsch erhoben. Dass Die Linke den Westen bis heute für unehrlich hält, wenn es um das Völkerrecht geht, ist also nicht nur ideologischer Ballast des Kalten Kriegs.
Auch die anhaltende Kritik der Partei an tödlichen Drohneneinsätzen der USA passt zu ihrer Völkerrechtsdogmatik. Der Anspruch ist klar: Wo andere dazu neigen, ein Auge zuzudrücken, wenn es um westliche Verstöße gegen Völker- und Menschenrechte geht, schaut Die Linke genauer hin und hält ihnen den Spiegel vor. Was aber ist daran falsch? Das Problem ist und war schon immer die Glaubwürdigkeit. Beim russischen Imperialismus wurden linke Augen in der Vergangenheit oft trüb.
Sei es im Fall Georgien oder nach der Annexion der Krim: Häufig flüchtete sich Die Linke in Relativierungen, statt den Aggressor klar zu benennen und Konsequenzen zu ziehen. Für die Partei- und Fraktionsführung ließ sich dieser Kurs nach dem Angriff auf die Ukraine nicht mehr halten: Der aggressive Völkerrechtsbruch geht eindeutig von Russland aus; die UNO ist durch das russische Veto im Sicherheitsrat blockiert; und Putin selbst hat bisherige Friedensinitiativen ins Leere laufen lassen.
Quelle : TAZ-online >>>>> weiterlesen
********************************************************
Grafikquellen :
Oben — Putin ist mörderisch.