LINKE in der Gauck Falle
Erstellt von Redaktion am 5. Juni 2010
Entschiedener PROTEST gegen die Ablehnung der Kandidatur Joachim Gaucks für die Bundespräsidentschaft durch DIE LINKE.
Dem gestrigen Kommentar über die Gauck Kandidatur folgend, heute ein Artikel unseres Gastkommentators Bernd Wittich. Ich möchte an dieser Stelle ausdrücklich darauf hinweisen dass Bernd 1988 aus der DDR ausgebürgert wurde. Es zeigt sich wieder einmal allzu deutlich das die Partei DIE LINKE nicht die nötige Empathie besitzt, um den ehemals Verfolgten der DDR Diktatur den Ihnen gebührenden Respekt zu erweisen. In Gegenteil, man macht sich zu billigen Handlangern überflüssiger Bonzen, welche sich auch heute wieder an einen gut gedeckten Tisch mästen, dabei nicht einmal realisierend, das mit Sektierern und Politspinnern kein Staat zu machen ist. Die Menschen werden den Ideologien kranker Köpfe nicht folgen und lieber von vorherein den Verlockungen sozialer Verbesserungen entsagen, um dafür nicht an Freiheit zu verlieren.
Es ist doch ganz schlechtes Kino heute mit ansehen zu müssen, wie staatliche Beamte, welche sich ihr ganzes Leben an der Krippe der Demokratie gesättigt haben, Stasi-Handlangern und Kommunisten hinterher hecheln, um die Hand welche sie über Jahre gefüttert hat, heute zu beissen. DL/ IE
******************************************************************************************
Hiermit fordere ich die Mitglieder und Vorstände der Partei DIE LINKE auf, sich nachhaltig und verantwortungsvoll mit der Geschichte der SED. DDR und des Ministeriums für Staatssicherheit auseinanderzusetzen.
Die Ablehnung Joachims Gauck´s und die für die Sprachregelung in der Linkspartei verwandte Formel: „Gauck sei ein Mann der Vergangenheit“ zeigt den Menschen im Lande überdeutlich, DIE LINKE ist noch keine Bürgerrechtspartei, sie ist noch keine Partei der Zukunft!
Eine Linke ohne der Fähigkeit zu trauern, ohne Respekt vor den Opfern der Diktatur in der DDR, ohne eine würdige und aufrichtige Geschichts- und Gedenkpolitik ist kein Vertrauen zu schenken. Zwischen den blinden Flecken in der Geschichtspolitik und den sozialautoritären Praxen in der Partei DIE LINKE, ihren Boni für Stasimitarbeiter und ihr Beschweigen der Verbrechen der DDR erkenne ich einen deutlichen Zusammenhang. DIE LINKE bedarf einer tiefgreifenden und nachhaltigen innerparteilichen Demokratisierung!
Mitglieder und WählerInnen der Partei DIE LINKE, fordert einen klaren Einsatz für Bürgerrechte, für politische Freiheitsrechte und für die Unterstützung Joachim Gaucks!
Bernd Wittich Ludwigshafen, 4. Juni 2010
Mitglied DIE LINKE, 1988 aus der DDR ausgebürgert
Die Linke in der Gauck Falle
DIE LINKE und die Kandidaten für die Bundespräsidentenwahl – freiwillig in der Gauck-Falle?
Am 3. Juni war Katja Kipping in der ARD zu vernehmen: Joachim Gauck sei an der Vergangenheit orientiert, DIE LINKE bevorzuge einen Kandidaten der auf die Zukunft orientiert sei.
Am 4. Juni machte Gesine Lötzsch deutlich, Gauck sein „natürlich“ für DIE LINKE nicht wählbar. DIE LINKE begibt sich, so gerüstet, in ein vermintes Terrain, aus dem sie sich nur schwer heil herausfinden kann. Einige Kommentatoren erspürten sofort die ganz und gar politischkulturellen Gründe, für die angeblich „natürliche“ Ablehnung Gaucks, nämlich die in der Partei DIE LINKE ungebliebten Stasifrage.
Die Partei, die sich „DIE“ Linke nennt, wird den Beweis nicht antreten können, das sie für „DIE Linken“ im Lande spricht und dass ist schon lange so.
Die PDS/Ost konnte von Anbeginn ihrer Auferstehung aus den Trümmern der SED und ihrer Apparate Räte- und demokratische Linkssozialisten nicht von ihrem gelingenden Neuanfang überzeugen, vielmehr war ihr festhalten an SED-Geldern und SED-Kadern eine Hauptursache für die Verhinderung der Entstehung einer kraftvollen neuen vereinigten LINKEN.
Beim politischen Wiederholungsstart 1989/90 der Partei erklärten zwar ihre klügeren Köpfe, die Partei habe mit dem Stalinismus als System gebrochen, aber damit hätten die geschichtspolitischen und vor allem biografischen Klärungsprozesse erst beginnen müssen. Was folgte, waren die Gebrechen einer kapitalistisch-kolonialen „Wiedervereinigung“ und die schnelle Rückkehr der alten Feindbilder und einer Trotzigkeit, die die Unfreiheit, die Diktatur in der DDR verklärte, beschönigte und relativierte. Vermeintliche Sozialisten verwiesen nun auf die Dienste des einstigen „Klassenfeindes“, um schwergewichtig zu erklären, man sei doch auch nichts anderes gewesen, als „gewöhnliche“ Machtapparate „normaler“ Staaten.
In der kommenden Debatte um den Kandidaten Joachim Gauck – der gern ins aktualisierte Feindbildrepertoire der Partei aufgenommen wurde – droht die Vermischung verschiedener Argumente.
Der Mann sein nicht ausreichend auf die Zukunft orientiert. Zukunftsorientierung nimmt DIE LINKE gern für sich in Anspruch. Aber Zukunft ohne Vergangenheit?
Zunächst, DIE LINKE könnte an Herrn Joachim Gauck kritisieren, dass der einstige bürgerrechtliche Kritiker der DDR, der SED und des MfS die heutigen gesellschaftlichen Verhältnisse in einem zu günstigen Licht sehen mag. Linke Bürgerrechtler würden Herrn Gauck bescheinigen, dass er Motive und Ziele der demokratischen Revolution, ihre nichtkapitalistischen Impulse, heute unterbewertet und das er, Herr Gauck, manchen früheren Mitstreiter enttäusche, wenn man erwartete, dass die Maßstäbe der Kritik an der DDR auch an die Bundesrepublik als Meßlatte angelegt würden.
Herr Gauck ist aber dennoch kein allein der Vergangenheit zugewandter Mann, er steht für ein entschlossenes Engagement für bürgerliche Demokratie, für Gewaltenteilung, für politische Freiheitsrechte.
Erst deren Existenz ermöglicht der Partei DIE LINKE Existenz und Engagement. In der DDR wäre sie verboten, ihre Anhänger würden in ihrem sozialen Aufstieg behindert oder benachteiligt, hätten Berufsverbot, Hauarrest, säßen im Knast oder würden ausgebürgert oder würden mit den „sanften“ Maßnahmen geheimdienstlicher Zersetzung um ihr Leben betrogen. Die Kinder der Mitglieder oder SympathisantInnen dieser Partei würden Abitur und Studium verweigert, von Auslandsstudien und weltoffenem Reisen ganz zu schweigen.
Bleibt die Kritik zahlreicher Mitglieder der Partei „DIE LINKE“ am „Stasijäger“ Gauck. Die Beseitigung des Ministeriums für Staatssicherheit und seines Nachfolgers, des AfNS, ist wahrlich kein Verdienst auch in der SED vorhandener Reformer. Vielmehr verfolgte Markus Wolf und andere Geheimdienstler eine nachrichtendienstlich gesicherte „Auffanglinie“ für den eigenen Machterhalt, freilich bereichert um Gorbatschows Reformwillen. Diese Politik führte dann zu jenen IM´s, die als Spitzenakteure die DDR-Opposition unterwanderten.
Man kann Joachim Gauck vorhalten, seine Bestrebungen reduzierten die DDR auf die Staatssicherheit, aber ohne Staatssicherheit hätte es diese DDR nicht gegeben. Es ist unredlich, wenn jene, die selbst auf der Seite der Macht standen und sich von Mielkes und Wolfs Truppen beschützt und in ihren Positionen gesichert fühlten, heute süffisant erklären, sie hätten von Unterdrückung nichts bemerkt und falls sie „einzelne Übertreibungen“ der Macht zugeben, doch zugleich erklären, es hätte ja an der DDR auch viele guten Seiten gegeben.
DIE LINKE entkommt der Diktatur- und Stasifrage nicht, weder durch Beschweigen, noch durch Relativierungen. Man mag an der offiziellen Geschichtspolitik der Bundesrepublik kritisieren, dass mit der DDR-Delegitimierung zugleich jedes Suchen nach Alternativen jenseits des marktradikalen Kapitalismus delegitimiert werden soll, aber mit dieser Kritik läßt sich die Ablehnung der „Gauckbehörde“ und das Beschweigen der Verbrechen des MfS nicht rechtfertigen.
Herr Gauck und die Behörde, ebenso die Justiz der Bundesrepublik, haben gegenüber der DDR und ihren Eliten keine Rache- und Siegerjustiz praktiziert, wie oft behauptet wird.
Wäre die DDR souverän geblieben, unter den Bedingungen einer Regierung der Revolutionäre, dann wären die BürgerInnen nach sozialistischen Maßstäben auf Grundlage der neuen DDR-Verfassung zu strengeren Urteilen gelangt, als dies in der Bundesrepublik der Fall war.
Freilich, es kann nicht bestritten werden, dass es Gründe gibt, anzunehmen, dass manche Akte und deren Interpretation aus tagespolitischen Gründen an die Öffentlichkeit kam. Nur, bei alle dem, Herr Gauck ist nicht der Produzent dieser Akten.
Zum Verhältnis mancher Akteure in der Partei DIE LINKE zu Herrn Gauck, zur Existenz und zum Wirken der BstU gilt Tucholskys Wort:
“Im übrigen gilt ja hier derjenige, der auf den Schmutz hinweist, für viel gefährlicher als der, der den Schmutz macht.”
Herr Gauck macht sich die Erklärung linker Wahlentscheidungen aus „Ostalgie“ zu einfach, er übersieht sicher manch Kritikwürdiges in der Republik und ist zu rasch geneigt die PDS und DIE LINKE zur Gänze mit der SED gleich zu setzen.
Die Ostakteure Lötzsch und Kipping waren mit ihrer Ablehnung von Herrn Gauck rasch auf der Agenda. Die Linken West in dieser Partei sind quer durch ihre Herkünfte aus PDS West und WASG keinesfalls „neutral“. Geschichtspolitische Wirrnis, ja Gleichgültigkeit und „revolutionäre“ verklärende DDR-Romantiker gibt es auch im Westen, auch hier haben die Westagenten des MfS, weiter verharrend in den Feindbildern und Politikpraxen des Stalinismus, zuweilen einen Parteibonus als „Kundschafter des Friedens“ oder man erspart sich einfach jede Anstrengung zur intellektuellen Durchdringung der Problemlagen.
Für DIE LINKE besonders verhängnisvoll ist ihre Gleichgültigkeit gegenüber den Opfern der Willkürherrschaft in der SBZ / DDR unter Ulbricht und der rechtsförmigen Diktatur unter Honecker. Eine Linke, die unfähig ist, zu trauern und politisch angemessen Stellung zu nehmen, gefährdet ihre demokratische Legitimation und ihre Chancen, sich selbst innerparteilich demokratisch zu entwickeln.
Mit der Debatte um den Kandidaten für das Bundespräsidentenamt, Joachim Gauck, wie sie Kipping und Lötzsch eröffneten, gerät DIE LINKE in die Falle geschichtspolitischer Erstarrung und Regression. Für die BürgerInnen in Ost und West wird ihr demokratisches Profil getrübt. Gerade hat die Partei in Thüringen im Ergebnis der Landtagswahlen klärende geschichtspolitische Positionen bezogen, die DIE LINKE in NRW verweigerte (!), schon droht eine neue Gelegenheit, geschichtspolitische Eigentore zu schießen.
Der Streit um Joachim Gauck in der Partei DIE LINKE ist aber auch eine Chance, sich konsequenter und verantwortungsvoll der SED-, DDR- und Mfs-Geschichte zuzuwenden. Selbstverständlich gibt es noch andere Felder der Vergangenheit, der Geschichte von SPD, KPD und SED, des Linkssozialismus im 19. und 20. Jahrhundert , deren kritische Bearbeitung unumgänglich und hilfreich wären, wenn DIE LINKE tatsächlich um breite Bündnisse, um ein Cross Over Projekt für eine solidarische Moderne ringen will.
Abschließend: Auch weite Teile der Parteien DIE LINKE in Rheinland-Pfalz ignorieren beharrlich die Täter- und Opferbiografien, Folgen der rechtsförmigen Diktatur in der DDR. Eine geschichtspolitische Auseinandersetzung existiert faktisch in der Landespartei nicht, mehr noch, sie wird durch Führungskräfte wie MdB Alexander Ulrich, MdB Katrin Senger- Schäfer und den einflußreichen innerparteilichen Akteur, Dr. Wilhelm Vollmann, zwanzig Jahre MfS-Spion in der SPD, verhindert. Die rheinland-pfälzische Linke ist auch für den kommenden Landtagswahlkampf, was das Themenfeld DDR, SED und MfS anbelangt, schlecht gerüstet.
Droht der Partei ein ähnliches Medienfiasko, wie in Niedersachsen, Brandenburg oder in NRW ?
Bernd Wittich Ludwigshafen, 4. Juni 2010
* die HARTZ-4-Plattform/Wiesbaden äussert die Bitte um Veröffentlichung ihrer Presseerklärung, der wir sehr gern nachkommen!
————————————————————————————————————
Fotoquelle :
Joachim Gauck, Eröffnung des Geschichtswettbewerb des Bundespräsidenten 2008 in Nordrhein-Westfalen
- GFDL
- File:Joachim Gauck 2.jpg
- Erstellt: 3. September 2008
Abgelegt unter Bundespräsident, Positionen, Rheinland-Pfalz | 12 Kommentare »