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Archiv für die 'P.FDP' Kategorie

FDP-Lindner

Erstellt von Redaktion am 23. August 2023

Lindner rechnet Armut klein

Finanzminister brüskiert Sozialverbände, Opposition und Wissenschaft

Von Susanne Knütter

So spricht einer, der genug Geld hat. Am Dienstag wiederholte Christian Lindner seine Ansichten zur »angemessenen« Förderung armer Kinder. Er sei nicht überzeugt, dass »einfach mehr Geld an die Eltern zu geben zwingend die Chancen von Kindern und Jugendlichen verbessert«, sagte der FDP-Chef dem Bayerischen Rundfunk. Notwendig sei aus seiner Sicht weniger einer Kindergrundsicherung, wie sie die Ampel in ihren Koalitionsvertrag geschrieben hat, sondern Geld, »um Kitas und Schulen zu verbessern und um Sprachfähigkeit und Integration der Eltern zu verbessern«. Zwischen Einwanderung und Kinderarmut sehe er »ganz klar einen Zusammenhang«.

Das Fördergramm »Sprachkitas« ließ die Ampel allerdings gerade auslaufen. Und auch sonst sagt Lindner höchstens mal die halbe Wahrheit, auch wenn er sich auf Angaben der Bundesagentur für Arbeit (BA) stützen kann. Die Zahl ausländischer Kinder, die Hartz IV oder Bürgergeld erhalten, ist demnach von 305.000 im Dezember 2010 auf 884.000 im Dezember 2022 gestiegen. Die Zahl von Kindern und Jugendlichen mit deutschem Pass, die die entsprechenden Sozialleistungen erhielten, sank in dem Zeitraum von rund 1,37 Millionen auf rund 895.000. Nebenbei: Im März dieses Jahres lag die Zahl laut BA-Angaben wieder bei 1,02 Millionen.

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Quelle: https://www.jungewelt.de/artikel/457463.kindergrundsicherung-lindner-rechnet-armut-klein.html

 

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Lindner in Kiew

Erstellt von Redaktion am 17. August 2023

Lindner sagt der Ukraine weitere Unterstützung zu

Stand: 14.08.2023 19:05 Uhr

Bei seinem ersten Besuch in der Ukraine seit Beginn der russischen Invasion hat Finanzminister Lindner dem Land weitere Unterstützung zugesichert. Insgesamt habe Deutschland bereits 22 Milliarden Euro mobilisiert.Deutschland wird die Ukraine finanziell weiter unterstützen. Das versicherte Bundesfinanzminister Christian Lindner nach Gesprächen im ukrainischen Finanzministerium in Kiew. „Für die nächsten Jahre haben wir in unseren Haushaltsplanungen eine Fortsetzung der Unterstützung der Ukraine bereits fest eingeplant“, sagte Lindner zu.Sein ukrainischer Amtskollege Serhiy Marchenko dankte ihm für die Hilfe in „diesen schweren Zeiten“: „Wir schätzen seinen persönlichen Beitrag sehr, genauso wie den Beitrag Deutschlands insgesamt in Bezug auf finanzielle, militärische und humanitäre Unterstützung der Ukraine“.Lindner betonte, dass Deutschland bereits 22 Milliarden Euro mobilisiert habe – darin enthalten seien Aufwendungen für die Unterbringung, Verpflegung und Betreuung Geflüchteter aus der Ukraine. Die Militärhilfen beliefen sich auf mehr als zwölf Milliarden Euro.

Quelle: https://www.tagesschau.de/inland/innenpolitik/ukraine-lindner-102.html?fbclid=IwAR1boldflVtskp4CY-zYtrVRDeOUc4szv2Psdl7AGU7mN1d0k2PJYbQHTzk

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Die Gratismentalität der FDP

Erstellt von DL-Redaktion am 20. Juli 2023

Leistung muss sich lohnen, findet die FDP.

NRW-Landtagswahlkampf 2012. Münster, 14. April 2012

Wenn Hände reden, kann auf den Kopf verzichtet werden !

Ein Debattenbeitrag von : JASMIN KALARICKAL

Aber wessen Leistung ist gemeint? Nicht nur beim Streit übers Elterngeld steht die Partei an der Seite der Reichen. Die Leistung-muss-sich-lohnen-Logik gilt für die Liberalen immer nur für Ärmere, nie für die eigene Klientel.

Ausgerechnet die als Porsche fahrende Männerpartei verschriene FDP ist plötzlich besorgt um die Gleichstellung. Stichwort Elterngeld. Als die grüne Familienministerin Lisa Paus im Zuge des Lindner’schen Sparkurses entschied, dass Spitzenverdiener-Haushalte kein Elterngeld bekommen sollen, war die FDP schnell auf den Barrikaden. Das träfe die „Mitte der Gesellschaft“, mahnten FDP-Politiker*innen und zeigten, wie verrutscht ihre Maßstäbe sind. Paus plant, dass es kein Elterngeld mehr für Haushalte geben soll, die ein zu versteuerndes Jahreseinkommen von 150.000 Euro haben. Das wären 5 Prozent der Elterngeldbezieher*innen. Das durchschnittliche Jahreseinkommenlag 2022 in Deutschland bei knapp 40.000 Euro brutto im Jahr. Wenn reiche Haushalte nun auf Elterngeld bestehen, könnte man das mit Lindners Worten „Gratismentalität“ nennen.

Es ist bezeichnend, dass die fehlende Finanzierungsgrundlage für eine vernünftige Kindergrundsicherung oder einen angemessenen Mindestlohn zu Inflationszeiten nicht ansatzweise so viel Protest hervorbrachte. Dabei betrifft beides viel mehr Menschen. Doch ärmeren Menschen und Familien fehlt eine schlagkräftige Lobby. Die Unternehmerin Verena Pausder, die die Petition gegen die Elterngeldkürzung der Spit­zen­ver­die­ne­r*in­nen startete, hatte zumindest 2017 genug Geld übrig, um der FDP rund 50.000 Euro zu spenden. Das als Anekdote am Rande.

FDP-Bundestagsabgeordnete Katja Adler fand die Elterngeldkürzung so schlimm, dass sie vorschlug, stattdessen lieber bei der Antidiskriminierungsstelle und der Demokratieförderung zu sparen – mitten im AfD-Umfragehoch. Adler beklagte, dass die Familienministerin ausgerechnet bei den „Leistungsträgern unserer Gesellschaft“ kürze – was Grundsätzliches über das Selbstverständnis der FDP erzählt. In der Vorstellung der FDP ist wohl nur Leis­tungs­trä­ge­r*in, wer 75.000 Euro brutto aufwärts verdient. Also – wer viel Geld verdient, leistet viel. Dabei gehören viele der systemrelevanten Berufe nicht zu den Spitzenverdiener*innen. Hatte das Land in der Pandemie nicht noch für Pflegekräfte und Kas­sie­re­r*in­nen geklatscht? Wie viel unbezahlte, wertvolle Arbeit wird in diesem Land geleistet, etwa von pflegenden Angehörigen? Wer sticht den Spargel auf den Feldern? Wie viele Menschen müssen trotz Arbeit aufstocken? Die FDP blendet diese Realitäten bewusst aus. Es sind nicht ihre Zielgruppen.

Für die Partei gilt der Satz: Leistung muss sich lohnen. Die, die arbeiten, sollen mehr haben als die, die nicht arbeiten. Das muss nicht falsch sein. Doch die Partei argumentiert so gegen jede Erhöhung von Sozialleistungen, sei es Bürgergeld oder Kindergrundsicherung. Menschen, die für niedrige Löhne schuften, werden damit gegen jene ausgespielt, die auf Sozialhilfe angewiesen sind.

Das wahre Problem wird gar nicht adressiert: Der so genannte Lohnabstand ist oft nur deshalb so gering, weil Deutschland im europäischen Vergleich einen großen Niedriglohnsektor hat.Viele Menschen arbeiten und kommen trotzdem nicht über die Runden. 820.000 Beschäftigte mussten 2022 zusätzlich Sozialhilfe beziehen – besonders Alleinerziehende. Zwar sinkt der Anteil der Aufstocker*innen, 2011 waren es noch 1,35 Millionen. Dennoch gilt: Manche Unternehmen haben Ausbeutung zum Geschäftsmodell gemacht. Das wird als gegeben hingenommen.

6 Millionen Menschen arbeiten in Deutschland zum Mindestlohn, viele sind weiblich, viele leben im Osten – doch wenn es um dieses Thema geht, ist Gleichstellung der FDP nicht so wichtig. Die Partei stemmt sich gegen weitere Mindestlohnerhöhungen, das würde den Wirtschaftsstandort schwächen und sei nicht Aufgabe der Politik. Zwar hat die FDP in der Ampelregierung die Erhöhung des Mindestlohns auf 12 Euro mitgetragen. Im Gegen­zug hat sie darauf bestanden, dass die Minijobgrenze an den Mindestlohn gekoppelt wird. Das ist zunächst für Mi­ni­job­be­r*in­nen eine Verbesserung – doch Gewerkschaften warnen, dass damit reguläre, sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze verdrängt werden. Ein Ergebnis schlechter Löhne ist: Jedes fünfte Kind in Deutschland ist armutsgefährdet.

Das Perfide ist: Die Leistung-muss-sich-lohnen-Logik der FDP wird nur in Bezug auf arme Menschen angewandt. Denn eine Reform der Erbschaftsteuer ist ein absolutes No-go für die FDP. Dabei könnte das durchaus ein Thema sein für eine liberale Partei, die für Leistungsgerechtigkeit eintreten möchte. Erben ist ja nichts anderes als leistungsloses Einkommen. Aber da zeigt sich die Doppelmoral der FDP: Es geht ihr um die Besitzstandswahrung.

Quelle         :         TAZ-online           >>>>>          weiterlesen

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Oben     —       NRW-Landtagswahlkampf 2012. Münster, 14. April 2012

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DER ROTE FADEN

Erstellt von DL-Redaktion am 18. Juli 2023

Entgleisungen der Woche:  –  Rhetorische Peniskanonen

Roter Faden Hannover rote Zusatzmarkierung.jpg

Durch die Woche mit Ariane Lemme

Diskursiv wurde scharf geschossen. Manche wurden sogar handgreiflich diese Woche. Zeit für einen Streik.

Erst wollte ich heute eigentlich streiken. Aus Solidarität mit den Drehbuchautoren in Hollywood. Ich fühle mit ihnen, nicht nur weil sie – wie ich, wie wir alle hier – verdammt noch mal viel mehr Kohle verdient haben, als sie bekommen. Die Dreh­buch­au­to­rin­nen aber natürlich ganz besonders, sie sind die letzten, die uns auf diesem abgefuckten, von Mansplainern, Klimaleugnern und anderen Penis­kanonen geebneten highway to hell ein wenig Ablenkung und Erheiterung verschaffen.

Also schreibe ich Ihnen heute doch was, auch wenn ich mich frage, ob Arbeit in dieser dem Untergang geweihten Welt überhaupt noch sinnvoll ist. Vielleicht nicht mit so vielen Cliffhangern wie bei den Genossen aus Hollywood, dafür aber auch keine mehrteiligen Epen. Ich hatte, anders als die schreibende Hollywood-Hautevolee, bayerische Grundschullehrer, die meine ausufernden Aufsätze grässlich fanden. Seitdem fasse ich mich kurz.

Die Serie, die ich diese Woche ge­binget habe, war sowieso keine Hollywoodproduktion, sondern eine aus dem Hause Realitydrama: die Klebeaktionen der Letzten Generation und die me­dia­le Schmonzette darüber – Stichwort: Urlaubsbeginn versaut! Verstehen Sie mich nicht falsch, ich gönne uns allen Urlaub. Ich gönne den Kindern der jetzt Empörten aber auch eine Zukunft auf diesem Planeten außerhalb kühler Erdlöcher.

Schuld an der Verrohung

Schwer zu guckender Höhepunkt des Dramoletts: der völlig enthemmte Lastwagenfahrer, der zwei Ak­ti­vis­t:in­nen erst brutal von der Straße zerrt und dann einfach losfährt, obwohl sie wieder auf der Straße sitzen. Ob er das sehen konnte oder nicht, ob man das versuchten Mord oder fahrlässige Körperverletzung nennen soll, kann ich nicht beurteilen, ich bin kein Jurist. Immerhin musste er seinen Führerschein abgeben. Hoffentlich für immer.

Was ich weiß: An einer derartigen Verrohung hat nicht nur die böse Springer-Presse Schuld, sondern auch die Bundesregierung, die ihre sich selbst gesteckten Klimaziele nicht nur von innen heraus torpediert, sondern es auch nicht schafft, diesen friedlichen Protest mit seinen zum Weinen geringen Forderungen (Tempolimit, 9-Euro-Ticket, ein Gesellschaftsrat) einzuhegen. Die dumme Rede davon, dass man alle mitnehmen müsse, könnte sie sich sparen, wenn sie einfach ihre eigenen Vorhaben umsetzen würde, statt zuzulassen, dass die, die sie daran erinnern, kriminalisiert werden; oder entmenschlicht wie vom FDP-Bundestagsabgeordneten Frank Müller-Rosentritt, der im Bezug auf die Letzte Generation von „totalitärem Abschaum“ twitterte.

Kamen nicht Politiker der FDP aus der untersten Gosse, welche das Glück hatten, beim letzten Regenschauer nicht weggespült zu werden ?

Die Empörten könnte die Politik abholen, indem sie ihre Vorhaben kraft ihrer rhetorisch geschulten ­Superpower als sinnvoll, ja notwendig erklärte und außerdem Geld in sozialen Ausgleich pumpte. Herrgott, bei Corona ging es doch auch.

Alle mal abkühlen

Doch statt die erhitzten Gemüter zu kühlen, was ihr Job wäre, feuert die Politik – zumindest die in Berlin (schon klar, andere Koalition, sogar ohne FDP) – einen neuen Knaller ab: Schließung einiger Freibäder nach Gewaltvorfällen. So nimmt man garantiert niemanden mit. Klar, eine kleine Gruppe Nervensägen darf den friedlichen Rest nicht in Mitleidenschaft ziehen. (Wenn Sie hier Vergleiche zur Letzten Generation ziehen, denken Sie bitte noch mal nach.) Aber das bisschen Abkühlung steht allen zu.

Quelle          :            TAZ-online            >>>>>          weiterlesen

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Oben        —     Roter Faden in Hannover mit beschriftetem Aufkleber als Test für einen möglichen Ersatz des auf das Pflaster gemalten roten Strichs

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Nur die halbe Wahrheit

Erstellt von DL-Redaktion am 7. Juli 2023

Der Zweieinhalb-Tonnen-Minister

Bei so vielen rot-grünen Linien im Hintergrund gerät die FDP glatt auf die Anklagebank!

Von Peter Köhler

Schurken, die die Welt beherrschen wollen – heute: Marco „Buschi“ Buschmann, deutscher Gerechtigkeitsminister und politisches Schwergewicht.

Auch ein kleiner Mensch kann ein Großer werden und nach 15, 20 Jahren sogar drei-, ja viermal größer als bei der Geburt durchs Leben schreiten, was gar nicht so selten ist. Als Justizminister Marco Buschmann am 1. August 1977 – natürlich ganz legal – in die ebenfalls sehr kleinen Verhältnisse seiner Eltern in Gelsenkirchen vorstieß und Quartier nahm, ahnte niemand, zu was sich der Säugling und Politiker einmal entwickeln sollte.

Die 50-köpfige Familie teilte sich eine Sieben-Quadratmeter-Wohnung mit der kranken Großmutter, außerdem einem am ganzen Körper kriegsbeschädigten Großvater, mehreren verwitweten Tanten und den Nachbarn, die oft zu Besuch kamen. Gleichwohl fühlte sich der werdende Staatsmann nicht arm, hatte er doch von Anfang an mit Menschen zu tun und beschloss aufgrund solcher Erfahrungen früh, Jurist zu werden.

Der Wille zum Aufstieg und die Vorstellung von einem Leben: Sie ließen schon den Siebzehnjährigen zur höherklassigen FDP finden, drängten ihn zum Abitur, jagten ihn zum Studium seiner Rechte nach Bonn, peitschten ihn hinauf zur Promotion und ließen ihn endlich in ein goldgetäfeltes Düsseldorfer Anwaltsbüro einfahren.

Der aus kleinen, unscheinbaren, womöglich löchrigen Verhältnissen herrührende Doktor Buschmann, er schien weit aus der Art geschlagen! Doch mal halblang: Gewöhnlich wird, wer frühkindliche Prägungen und andere Traumata abwaschen und daher später mittels Recht und Gesetz für Anstand und Ordnung sorgen will, entweder Polizist, wenn man von unten kommt, oder Jurist, wenn man weiter oben auf der Leiter geboren wurde. Lebende Ausnahmen bestätigen also die Regel!

Schmied seines Glücks

Und der Homo novus Buschmann hielt sich oben fest! Zuerst als Bundesgeschäftsführer der FDP von 2014 bis 2017 und dann als ihr Parlamentarischer Geschäftsführer im Bundestag von 2017 bis 2021 bewies er, dass es jeder schaffen und seines hohen Glückes Schmied sein kann, der unbedingt Bundesgeschäftsführer der FDP und auf jeden Fall deren Parlamentarischer Geschäftsführer werden möchte, was ja nach nationalem und internationalem Recht nicht strafbar ist.

Die deutsche Gesellschaft ist eine durchlässige Gesellschaft, in der jeder nach oben kommen darf, der dort willkommen ist. Einzige Voraussetzung, wie überall in der Natur: Leistung, Leistung und Erfolg, diese zwei. Es sei denn, man ist in der FDP.

Allerdings kann, wer 2005 gerade mal 2,5 Prozent der Wählerstimmen einsammelt, nicht zur Belohnung für sein krachendes Scheitern auf dem freien Markt der Politik in den Bundestag vorrücken. Nein, es müssen schon volle 7 Prozent sein, um aus dem dicksten Busch ins helle Parlament vorzustoßen wie unser Mann 2009 und ähnlich erfolgreich wieder und wieder 2017 und 2021!

Sage also niemand, die FDP sei eine Partei der Abstauber und Ausnutzer und Aktionäre und Arrivierten und setze sich nicht für die Schwachen ein, die Erfolglosen, die Versager. Und das so kompetent, dass die 7 Prozent sich als 70 Prozent lesen lassen: spätestens in dem Moment, als die FDP Ende 2021 als kleinster und leichtester Koalitionspartner die Regierung übernahm. Selbstverständlich im Rahmen der Verfassung!

Austrockner der Bürokratie

Quelle        :      TAZ-online            >>>>>         weiterlesen

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Oben      —     Unterzeichnung des Koalitionsvertrages der 20. Wahlperiode des Bundestages am 7. Dezember 2021: Marco Buschmann

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Wasserstoff aus Chile

Erstellt von DL-Redaktion am 25. Juni 2023

Schiefes Geschäft mit Wasserstoff aus Chile

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Aus Chile von Sophia Boddenberg

Deutschland will für die Energiewende grünen Wasserstoff aus dem windreichen Chile importieren. Das Land könnte dadurch eigene Umweltprobleme bekommen.

n der Heimat von Alejandro Núñez, der Insel Feuerland im chilenischen Patagonien, weht ein eisiger Wind. Er hat die knorrigen Bäume der Insel schräg zur Seite verbogen. Und er soll der deutschen Wirtschaft dabei helfen, klimaneutral zu werden. Der 45-jährige Tierarzt Alejandro Núñez ist stolz auf seine Heimat. „Ich wünsche mir, dass auch meine Kinder und Enkel noch diese unberührte Natur bewundern können“, sagt er und blickt auf einen See, die Laguna de los Cisnes. Núñez hat sich dafür eingesetzt, dass sie zum Naturschutzgebiet erklärt wurde.

Der südlichste Zipfel des amerikanischen Kontinents, nicht weit von der Antarktis entfernt, wird auch „das Ende der Welt“ genannt. Gletscher und Fjorde zeichnen die Landschaft, in der Königspinguine und Guanakos zu Hause sind. Auch hier macht sich der Klimawandel bemerkbar. Die Temperaturen steigen, es schneit und regnet weniger. Núñez hat die Organisation Ciudadanos y Clima („Bürger und Klima“) gegründet, um gegen den Klimawandel zu kämpfen. Er ist für eine Energiewende. Aber er macht sich Sorgen, dass seine Heimat den Preis für die Energiewende des Globalen Nordens zahlen muss. Obwohl dieser die Klima-krise überhaupt erst verursacht hat.

In der Región de Magallanes, die den chilenischen Teil der Insel Feuerland umfasst – ein anderer Teil gehört zu Argentinien – soll bald grüner Wasserstoff produziert und in die Welt exportiert werden. Tausende von Windrädern, Industrieanlagen, neue Straßen und Häfen sollen in den nächsten Jahren gebaut werden. Wasserstoff ist ein Gas; wenn er mit erneuerbaren Energien hergestellt wird, spricht man von „grünem Wasserstoff“.

Da der Transport in Gasform teuer und die Wege zu den Importländern lang sind, sollen zunächst Folgeprodukte wie Methanol, synthetische Kraftstoffe und Ammoniak exportiert werden, für die es bereits Schiffe und Tanks gibt. In der Nähe von Punta Arenas betreibt das kanadische Unternehmen Methanex eine Methanolanlage und einen Hafen.

Die Hoffnung der deutschen Energiewende

Grüner Wasserstoff soll eine wichtige Rolle in der deutschen Energiewende spielen, weil er vielfältig einsetzbar ist: zum Beispiel als Ersatz von fossilem Gas oder als synthetischer Kraftstoff in Industrie und Verkehr. „Wenn wir nicht 5 oder 10 Prozent der Landesfläche mit Windkraftanlagen vollstellen wollen – das halte ich für absurd – brauchen wir Wasserstoffimporte“, sagte Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck im Februar 2022.

Die Präsidentin der Europäischen Kommission, Ursula von der Leyen, kündigte auf ihrer Südamerikareise im Juni einen Fonds von 225 Millionen Euro an, um Wasserstoffprojekte zu fördern. Bis 2030 will die Europäische Union 10 Millionen Tonnen grünen Wasserstoff jährlich importieren. Mit Chile habe sich die EU darauf geeinigt, „an einer strategischen Partnerschaft für nachhaltige Rohstoffe“ zu arbeiten, sagte von der Leyen auf der Pressekonferenz in Santiago.

Nach Einschätzung des Bundeswirtschaftsministeriums müsste Deutschland etwa 70 Prozent seines Bedarfs an grünem Wasserstoff importieren. Der grüne Wasserstoff könnte zum einen als Basis für die Herstellung von synthetischen Kraftstoffen und Ammoniak eingesetzt werden, beispielsweise in der Stahlherstellung und Chemieindustrie, heißt es in der Nationalen Wasserstoffstrategie. Zum anderen könnte er als Energiespeicher dienen, er lässt sich nämlich wieder in Strom zurückverwandeln.

Derzeit ist die Herstellung von grünem Wasserstoff teuer und energieaufwändig. Deshalb fördert das Bundeswirtschaftsministerium Pilotprojekte in möglichen Partnerländern, die aufzeigen sollen, „ob und wie grüner Wasserstoff und dessen Folgeprodukte dort nachhaltig und wettbewerbsfähig produziert und vermarktet werden können“, heißt es weiter in der Nationalen Wasserstoffstrategie. Der internationale Handel mit Wasserstoff sei „ein bedeutender industrie- und geopolitischer Faktor“. Gefördert werden Projekte in Ländern wie Brasilien, Marokko, Ägypten oder auch in Chile.

Das Land sei ein „Paradies für erneuerbare Energien“, sagt Reiner Schröer, Leiter des Programms für Erneuerbare Energien der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) in seinem Büro in einem gläsernen Hochhaus in Santiago de Chile. Das liege zum einen an der „Verfügbarkeit von Flächen“ und zum anderen am starken Wind in Patagonien und der hohen Sonneneinstrahlung in der Atacama-Wüste.

Einer Analyse der GIZ und des chilenischen Energieministeriums zufolge habe Chile das Potenzial, 70-mal so viel Strom aus erneuerbaren Quellen zu erzeugen, wie es für den Eigenbedarf braucht. Das schmale Land in Südamerika könnte demnach die Hälfte des Bedarfs an grünem Wasserstoff von einem Industrieland wie Deutschland abdecken. Chile sei außerdem ein „Experimentierfeld“, das deutschen Unternehmen erlaube, „Technologien zu testen“, so Schröer.

Auch Chile hat eine Nationale Wasserstoffstrategie. Sie sieht vor, dass das Land bis 2030 das wichtigste Produktions- und Exportland von grünem Wasserstoff weltweit werden und diesen zum niedrigsten Preis von 1,50 US-Dollar pro Kilo Wasserstoff anbieten soll. Momentan liegt der Preis zwischen 10 und 15 US-Dollar pro Kilo.

Ein Problem ist bisher noch der lange Transportweg. Einer Studie der GIZ zufolge sind die Produktionskosten von grünem Wasserstoff in Chile aber so niedrig, dass der Transport nur einen Bruchteil der Kosten ausmachen würde. Aber die Schiffe, die den grünen Wasserstoff oder seine Folgeprodukte transportieren sollen, werden derzeit noch mit Schweröl betankt. „Das ist das größte Problem zurzeit, nachhaltige Lösungen für den Schiffstransport zu finden“, sagt Schröer von der GIZ.

Die GIZ berät das chilenische Energieministerium im Auftrag des Bundeswirtschaftsministeriums. Mehr als 60 Projekte für die Produktion von grünem Wasserstoff sind in Chile geplant, die vor 2030 in Betrieb gehen sollen.

Ein Rettungsanker für deutsche Sportwagen

Zurück in Patagonien. Rund 30 Kilometer nördlich von Punta Arenas läuft Rodrigo Delmastro über eine Baustelle. Ein eisiger Wind pfeift, Bagger dröhnen und graben Erde aus. Das Zementfundament für das erste Windrad ist bereits gegossen. Es ist die Baustelle eines der Pilotprojekte, die das Bundeswirtschaftsministerium fördert. 8,23 Millionen Euro haben Siemens Energy und Porsche für das Projekt Haru Oni erhalten. Es ist die weltweit erste kommerzielle Anlage zur Herstellung von E-Fuels. Beteiligt sind auch der US-Ölkonzern ExxonMobil, der italienische Energieversorger Enel sowie die chilenischen Unternehmen ENAP und Gasco.

Hier vermisst er gerade die Welt mit seinen Hammelpfoten

Rodrigo Delmastro ist Geschäftsführer des chilenischen Unternehmens Highly Innovative Fuels (HIF), Partner von Porsche und Siemens Energy und verantwortlich für die Projektentwicklung. „In den nächsten zehn Jahren wollen wir hier 14 Millionen Tonnen CO2 aus der Atmosphäre filtern“, sagt er mit vor Stolz glänzenden Augen. Dafür soll das Verfahren „Direct Air Capture“ angewandt werden – eine Technologie, die sich noch im Entwicklungsstadium befindet. Das Ziel des Pilotprojektes sei es, „die verschiedenen Technologien im Produktionsprozess zu integrieren und davon zu lernen.“ Es sei „ein Experiment“.

Während der Pilotphase soll die Anlage 130.000 Liter E-Fuels pro Jahr produzieren, bis 2026 dann bis zu 550 Millionen Liter im Jahr. Die E-Fuels sollen im Motorsport und in Seriensportwagen eingesetzt werden. So will das Unternehmen unter anderem den berühmten Rennwagen Porsche 911 und seinen röhrenden Motorsound retten.

„Wir werden einen Kraftstoff produzieren, der in konventionellen Autos verbraucht werden kann. So muss die Technik des Autos nicht zu einem Elektroauto umgewandelt werden“, sagt Delmastro.

In Deutschland setzt sich vor allem die FDP für den Einsatz von E-Fuels in Verbrennungsmotoren ein. Bundesfinanzminister Christian Lindner von der FDP steht in engem Kontakt mit Porsche-Chef Oliver Blume. Das Verbrenner-Aus in der EU wurde mit einer Ausnahme beschlossen – mit E-Fuels betriebene Neuwagen mit Verbrennungsmotoren dürfen auch nach 2035 zugelassen werden. Und Lindner will für diese Fahrzeuge Steuererleichterungen durchsetzen.

Porsche ist Mitglied der E-Fuel-Alliance, einem Industrieverband von 130 Automobil- und Mineralölunternehmen. Diese haben ein besonderes Interesse an E-Fuels, weil sie den Verbrennungsmotor länger am Leben erhalten und über das bestehende Tankstellennetz vertrieben werden können.

Die Anlage Haru Oni in Punta Arenas hat Lindner schon mehrfach als Vorzeigeprojekt gelobt. Im Dezember 2022 nahm sie ihren Betrieb auf. Angetrieben mit Windstrom spaltet ein sogenannter Elektrolyseur Wasser in Wasserstoff und Sauerstoff. Der Wasserstoff wird in Verbindung mit aus der Luft gefiltertem CO2 in Methanol und schließlich in E-Fuels verwandelt, strombasierte Kraftstoffe. E-Fuels gelten als „klimaneu­trale Kraftstoffe“, weil beim Verbrennen genau so viel Kohlenstoffdioxid entsteht, wie vorher bei der Herstellung aus der Atmosphäre gefiltert wurde. Was diese Klimabilanz aber nicht berücksichtigt, sind die Emissionen, die der Transport in Tankern verursacht, und die Umweltfolgen bei der Herstellung.

Auswirkungen auf die Umwelt

Auch Alejandro Núñez hat vom Projekt Haru Oni gehört. In der Pilotphase läuft die Anlage mit nur einem Windrad. Langfristig sollen aber große Windparks mit bis zu 1.000 Windrädern entstehen, auch auf der Insel Feuerland, wo Núñez lebt. Er macht sich unter anderem Sorgen um die Vögel, die in den vielen Windrädern sterben könnten. „Ich bin für saubere Energie, aber nicht, wenn dafür die Umwelt zerstört wird“, sagt er.

Außerdem sorgen ihn die Abfälle, die bei der Produktion der E-Fuels entstehen könnten. Chile leidet unter einer schweren Dürre, auch in Patagonien ist das Grundwasser knapp. Für die Elektrolyse wird aber Wasser benötigt. Deshalb wollen die Unternehmen für das Projekt Haru Oni eine Meerwasserentsalzungsanlage bauen. Doch die Anlage produziert nicht nur Wasser, sondern auch ein Abfallprodukt: konzentrierte Salzlake.

In Chile gibt es bereits Meerwasserentsalzungsanlagen, vor allem für den Bergbau im Norden des Landes. Sie leiten die Abfälle ins Meer zurück. Der erhöhte Salzgehalt des Wassers könnte Auswirkungen auf das marine Ökosystem haben, die noch nicht erforscht sind.

Quelle        :         TAZ-online          >>>>>     weiterlesen

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Oben     —         Wasserstofffabrik von Praxair, USA

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Unten         —       Christian Lindner, Mitglied des Deutschen Bundestages, während einer Plenarsitzung am 11. April 2019 in Berlin.

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Technologieoffenheit FDP

Erstellt von DL-Redaktion am 8. Juni 2023

Warten auf unrealistische Lösungen

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Von Bernhard Pötter

In den Debatten über Heizung und E-Fuels blockiert die FDP. Ihr Argument: Technik und Markt würden das Problem lösen. Experten sehen das anders.

Die Liberalen können noch überraschen. „Es gibt keine blockierende FDP“, sagt der klimapolitische Sprecher der FDP-Fraktion im Bundestag, Lukas Köhler, wenn man ihn auf die Debatte in der Ampelkoalition rund um Energie und Klimaschutz anspricht.

Die Liberalen sagen von sich, sie seien das Korrektiv für Marktwirtschaft und Technologieoffenheit in der Regierung, „Blockieren hieße, dass wir ohne Bedingungen sagen, es darf nichts kommen. Das machen wir nicht“, so Köhler. „Nach dieser abwegigen Logik müsste man daher auch immer, wenn die Grünen nicht zu hundert Prozent unsere Vorschläge teilen, sagen: Die Grünen blockieren ein Gesetz.“

Der allgemeine Eindruck ist derzeit ein anderer. Demnach sagen die Liberalen zu den Plänen des grünen Wirtschaftsministers Robert Habeck zur Energiewende konstant Njet, verzögern oder stellen unannehmbare Forderungen. Habeck ist beim Thema Heizungsgesetz inzwischen so geladen, dass er der FDP Wortbruch vorwirft. Was ist also dran an diesen verschiedenen Sichtweisen? Hat die FDP gute fachliche Argumente, die Grünen zu bremsen?

Es begann im Februar mit dem Streit über die E-Fuels: FDP-Verkehrsminister Volker Wissing legte sein Veto gegen eine EU-Regelung ein, die die Zulassung von Verbrennerautos nach 2035 untersagte. Parteifreund Köhler steht zu dem dann gefundenen Kompromiss. Er sagt: „Wir widersprechen der Prämisse, dass E-Fuels in der Zukunft global gesehen teuer und knapp sein werden. Jeder Versuch, die Zukunft der Märkte vorherzusagen, ist in der Vergangenheit gescheitert.“

Champagner der Energiewende

Im Prinzip, so Köhler, seien E-Fuels einfach herzustellen. Er kann sich andererseits „nicht vorstellen“, wie die weltweit 1,3 Milliarden Autos rechtzeitig für die Klimaziele des Pariser Abkommens von E-Autos ersetzt werden. Auch weil unklar sei, wo der ganze grüne Strom dafür herkommen soll.

Experten halten E-Fuels für den „Champagner der Energiewende“ – Köhler sagt: „Absoluter Quatsch!“ Dagegen zeigen Kalkulationen von Agora Verkehrswende, der Bundesregierung und der EU-Kommission, dass E-Fuels bisher drei- bis fünfmal so teuer wie E-Mobilität sind und dass E-Autos fünfmal so effizient die Energie einsetzen wie ­E-Fuels.

Gibt es sie, würden sie für die Industrie oder den Flugverkehr gebraucht, wo es keine E-Alternativen gibt, das sagt auch offiziell das FDP-geführte Forschungsministerium. Deshalb seien diese Treibstoffe knapp und teuer, jedenfalls bis Grünstrom im Übermaß vorhanden ist.

Wasserstoff nur die Ausnahme

Die FDP vertraut da auf den Markt: Der habe es auch geschafft, durch explodierende Nachfrage die Preise durch „Skaleneffekte“ massiv zu senken – beim Solarstrom etwa sind deshalb weltweit in den letzten Jahren die Preise um 80 Prozent gesunken. Aber selbst dann, so Wasserstoffexperte Falko Ueckerdt vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung, blieben die Treibstoffe „auf absehbare Zeit knapp und vergleichsweise teuer. Eine Wette darauf, dass es anders kommt, als die Wissenschaft berechnet, ist keine robuste Strategie.“

Ähnlich bei dem Streit fossile Heizungen im „Gebäudeenergie-Gesetz“. Für Habecks Ministerium ist die Heizung auf Basis von grünem Strom über die Wärmepumpe die Regel, nur in Ausnahmefällen sollen Holzpellets oder grüner Wasserstoff zum Tragen kommen.

Die FDP aber sieht Wasserstoff nicht als knappes Gut, „bei der großen Nachfrage in den Industrieländern und der Zahlungsbereitschaft wird das Angebot in den nächsten Jahren massiv zunehmen“, ist sich Köhler sicher. „Das ist kein Hexenwerk“, er setze darauf, dass klimaneutraler Wasserstoff „sehr günstig werden wird“. Auch hier sieht allerdings das Forschungsministerium „bereits heute effizientere Alternativen“ beim Heizen als Wasserstoff.

Emissionen verschieben

Beispiel Tempolimit: Die FDP glaubt nicht, dass sich durch langsameres Fahren der Verkehr verringern oder verlagern würde. Eine Studie des Umweltbundesamts, die deutliche CO₂-Reduktion durch das Tempolimit im Straßenverkehr errechnete, konterte die FDP-Fraktion mit einer umstrittenen „Kurzstudie“. Auch Köhler hält eine Reihe der Annahmen aus der Studie für fragwürdig. Den Verdacht eines Gefälligkeitsgutachtens wies das Amt empört zurück.

Streitpunkt Klimaschutzgesetz (KSG): Die FDP hat erreicht, dass darin die scharfen Sektorziele aufgeweicht werden, nach denen die betroffenen Ressorts wie Verkehr und Gebäude jährlich CO₂-Minderungen nachweisen müssen. Weil das CO₂-Gesamtbudget aber sinkt, müssen andere Bereiche wie Industrie oder Kraftwerke mehr einsparen, wenn etwa der Verkehr seine Ziele nicht erreicht.

Nur Intelligenz geht in der Politik freiwillig ! Dummheit sitzt Probleme aus.

Wie soll das gehen? „Es gibt diese Flexibilitäten zwischen den Sektoren“, ist sich Köhler sicher. „In den letzten beiden Jahren haben wir die Klimaziele eingehalten, weil Industrie und Energie weniger emittiert haben als geplant. Wir verschieben die Emissionen ja jetzt schon: Mehr Elektroautos und mehr elektrische Wärmepumpen bewegen die Emissionen von Verkehr und Gebäuden hin zu den Kraftwerken.“ Diese aber unterliegen dem Emissionshandel – also müssten sie laut FDP wie geplant sinken.

Allerdings: Die Verschiebung der Emissionen durch E-Autos und Wärmepumpen (und dadurch deutlich sinkende Emissionen bei Verkehr und Gebäuden) ist derzeit in der Statistik noch kaum sichtbar. Auch hier geht die FDP eine Wette darauf ein, dass die Situation in der Zukunft besser ist, als es sich derzeit abzeichnet.

Der Glaube an die Kernfusion

Am deutlichsten wird diese Begeisterung für die Technik wohl beim Beispiel Kernfusion. Zum Erstaunen vieler Fachleute erklärte FDP-Bildungsministerin Martina Stark-Watzinger Ende 2022, sie hoffe auf Strom aus der Kernfusion in einem Zeitraum von „ich sag mal zehn Jahren, es kann auch etwas länger dauern“. Das widerspricht selbst den optimistischsten Planungen der Kernfusionsfans in der EU: Eine „kommerzielle Stromproduktion“, die zu den Klimaschutzzielen beitragen könne, sei „erst nach 2050 denkbar“, heißt es von der EU-Kommission, die das Projekt unterstützt.

Köhler verteidigt seine Parteifreundin Stark-Watzinger: „Als Liberale blicken wir optimistisch auf den technologischen Fortschritt. Und als liberale Forschungsministerin blickt sie daher genau mit diesem Optimismus auf die Schaffenskraft von Menschen und Unternehmen.“ Für ihn sind die Milliardensummen, die aus der Privatwirtschaft in den letzten Jahren in Start-ups zur Fusionstechnik fließen, ein Hinweis darauf, dass an der Kernfusion etwas dran ist. Als seien nicht schon früher Milliardensummen von Wagniskapital für technologische Blütenträume verbrannt worden.

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Das Symptom Kemmerich

Erstellt von DL-Redaktion am 4. Juni 2023

Die FDP blutet nach rechts aus 

Bernd Höcle gratuöiert Thomas Kemmerich am 05. Februar  2020 

VON JASMIN KALARICKAL, –  MICHAEL BARTSCH  – UND –  GARETH JOSWIG

Vor drei Jahren ließ sich FDP-Mann Thomas Kemmerich mit Stimmen der AfD zum thüringischen Ministerpräsidenten wählen. Heute argumentieren manche in der FDP populistisch gegen das Heizungsgesetz und bedienen rechte Narrative. Wie wird sich die Partei in Zukunft positionieren?

Wenn die Temperaturen sich langsam regulieren im politischen Heizungskeller, dann kann es sein, dass Wolfgang Kubicki kommt und den Regler hochdreht. Seit Wochen streitet die Ampel erbittert über das Gesetz mit dem ­sperrigen Namen Gebäudeenergiegesetz, das nach und nach Gas- und Ölheizungen durch klimafreundliche Alternativen ersetzen soll. Prominente Gegner: FDP-Vize Wolfgang Kubicki, bekannt für seine lockere Zunge, und FDP-Politiker Frank Schäffler, bekannt als Eurokritiker und einst bekennender Klimaskeptiker.

Es gibt berechtigte Kritik an dem Gesetzentwurf. Aber es gibt auch Leute, die unter dem Vorwand der Kritik das Gesetz grundsätzlich torpedieren wollen. Schäffler nannte das Heizungsgesetz eine „Atombombe“. Er war es auch, der auf dem letzten Parteitag einen Dringlichkeitsantrag gegen „die falsche Klima- und Energiepolitik der Grünen“ einbrachte, der auf breite Zustimmung stieß. Von ihm und Kubicki stammen auch die berüchtigten 101 Fragen zum Gesetz, von deren Existenz man über Bild erfuhr. Lange war nicht klar, ob es sie wirklich gibt und ob das Ganze von der Fraktion abgesegnet war.

Offiziell kamen 77 Fragen im Wirtschafts- und im Bauministerium an, die inzwischen brav abgearbeitet wurden. Aber Kubicki will immer noch alle 101, teils absurde Fragen beantwortet haben. Zum Beispiel, in wie vielen Mehrfamilienhäusern der Dachstuhl als Wäschetrocknungsraum genutzt wird. Nun sprechen Kubicki und Schäffler nicht für die gesamte FDP-Fraktion, aber sie haben Rückhalt und bestimmen zunehmend den Ton.

Kubicki ist kein populistischer Hinterbänkler, der den Wirtschaftsminister aus Versehen mal mit Putin vergleicht und später um Entschuldigung bittet. Er ist Parteivize und Bundestagsvizepräsident – und äußerst beliebt bei der Basis. Er und Schäffler richten sich an ein gewisses Spektrum: Klimaskeptiker, Coronaleugner, Putin-Freunde, den Stammtisch, der gegen den linken Zeitgeist wettert. Grünen-Bashing inklusive.

Die Frage ist: Wie sehr wird das den künftigen Kurs, die Rhetorik der FDP bestimmen? Und das Regierungshandeln? In Umfragen steht die FDP derzeit bei 7 Prozent. Die Blockaden und die PR-Nummer mit den Fragen haben ihr nicht geschadet. FDP-Chef Christian Lindner arbeite für ein „nicht­linkes Deutschland“, sagte er jüngst auf dem FDP-Bundesparteitag. Aber was heißt „nichtlinks“? Liberal? Konservativ? Rechts?

Am ersten Tag des Parteitags geht FDP-Mann Thomas Kemmerich zum Rednerpult. Er spricht über die Stärkung des deutschen Mittelstands und fehlende Fachkräfte. „Die alleinige Lösung ist auch nicht, sie nur per Zuwanderung aus dem Ausland zu gewinnen“, sagt er. Dann erzählt er eine Anekdote eines Bekannten, der am Flughafen Frankfurt 90 Minuten auf seinen Koffer warten musste. Dieser habe gesagt: „Wir haben in Deutschland keinen mehr, der einen Koffer schleppt, aber alle Beauftragtenstellen für Gleichberechtigung und solche Dinge“ seien besetzt.

Man muss sich die Botschaft schon mühsam zusammenreimen. Dürfen im Weltbild von Thomas Kemmerich ausländische Arbeitskräfte nur Koffer schleppen? Der Applaus ist bescheiden. Gegen Ende der Rede blickt er zum Parteichef Christian Lindner, der mit einem Teil des Präsidiums auf der Bühne sitzt. Er bedankt sich per Du, dass die Schuldenbremse steht. Als Kemmerich die Bühne verlässt, klatscht niemand vom Präsidium.

Es sind diese Feinheiten im Umgang, die zeigen, dass es sich bei Thomas Kemmerich nicht um irgendwen handelt, sondern um den Mann, der eine Regierungskrise in Thüringen ausgelöst hat. Der Handschlag am 5. Februar 2020 zwischen ihm und dem rechtsextremen AfD-Politiker Björn Höcke ist ein Bild, das in die Geschichte der Bundesrepublik eingegangen ist: Die damalige Bundeskanzlerin Angela Merkel nannte Kemmerichs Wahl mit AfD-Stimmen „unverzeihlich“. FDP-Vize Wolfgang Kubicki gratulierte zunächst, das sei „ein großartiger Erfolg“, ruderte aber wieder zurück. FDP-Chef Christian Lindner wirkte wie ein Getriebener. Schließlich musste Kemmerich zurücktreten. Die Parteispitze entzog ihm jede weitere Unterstützung.

Heute, drei Krisen später, wirkt die Causa Kemmerich wie eine Anekdote aus der Mottenkiste. Aber das ist sie nicht. Kemmerich bezeichnet die AfD zwar als „Feind“ und schließt jegliche Zusammenarbeit aus. Aber politische Mehrheiten mit Stimmen der AfD zu erreichen, findet er legitim. „Natürlich werben wir in den Parlamenten für unsere Anträge und unsere Überzeugungen. Wenn die AfD am Ende zustimmt, dann werde ich mich nicht von meiner politischen Überzeugung abbringen lassen“, sagt er am Rande des Bundesparteitags.

Hauptsache, gegen links

Thomas Kemmerich, der immer noch gern Visitenkarten als „Ministerpräsident a. D“ verteilt, ist in Thüringen politisch erstaunlich unbeschadet aus dieser Geschichte hervorgegangen. Auf den AfD-Trick eines Scheinkandidaten sei er nicht vorbereitet gewesen, sagt er bei einem Treffen in Erfurt. „In wenigen Sekundenbruchteilen“ habe er eine Entscheidung treffen müssen: die Wahl annehmen oder ablehnen. Also alles ein Versehen?

Nur wenige Monate nach dem Eklat, während der Pandemie im Mai 2020 trat Kemmerich auf einer Demo gegen Coronaschutzmaßnahmen in Gera auf. Mit dabei: Verschwörungstheoretiker, Reichsbürger und AfD-Spitzenpersonal. Für Kemmerich eine Veranstaltung von „mehreren Hundert Bürgerlichen“, er verweist darauf, dass auch der Thüringer Innenstaatssekretär den Großteil der Demonstranten dem bürgerlichen Spektrum zuordnete. „Auf dem Markt war nicht zu erkennen, wer da noch mit auftaucht.“ Noch so ein Versehen.

Kemmerich genießt Rückhalt in seinem Thüringer Landesverband. Im Oktober 2022 wurde er erneut mit 87 Prozent zum Landesvorsitzenden gewählt. Bei der anstehenden Wahl 2024 will er wieder Spitzendkandidat werden. Er begründete das mit seiner Bekanntheit.

Der Thüringer SPD-Fraktionschef Matthias Hey spricht vom „stramm konservativ geführten Laden von Kemmerich“. Mit ihren vier Stimmen hätte die FDP im Landtag etwa bei Haushaltsberatungen der rot-rot-grünen Minderheitsregierung zur Mehrheit verhelfen können, wie das die CDU punktuell tut. Das aber verweigere die Thüringer FDP wegen ihrer Linken-Aversion hartnäckig. Wer die Thüringer FDP verstehen will, muss nur in den Leitantrag des jüngsten Landesparteitags schauen. Da wird eine Koalition mit der AfD ausgeschlossen, ebenso mit der Linkspartei. Der Hauptfeind steht für den gebürtigen Westdeutschen Kemmerich unübersehbar links. Ohne jede Differenzierung gilt ihm die Linke als SED-Nachfolgepartei. Man kann den Handschlag mit Höcke auch so interpretieren: lieber rechts als links. Martin Debes, der ein Buch über die Thüringer Regierungskrise geschrieben hat, kritisiert eine mangelnde Aufarbeitung der Thüringer FDP. Stattdessen stehe „sie in tumbem Trotz zu Kemmerich“. Gerade in Parlamenten, in denen die AfD stark sei, müsse bei allem dringend nötigen politischen Wettbewerb ein Grundkonsens der Demokraten herrschen, meint Debes. Leider werde diese staatspolitische Verantwortung oft zitiert, aber seltener danach gehandelt.

Bei der Wahl im Herbst 2024 könnte die AfD in Thüringen stärkste Kraft werden. Bei der FDP ist unklar, ob sie den Einzug in den Landtag schafft. Doch ein Spitzenkandidat namens Kemmerich würde die Bundes-FDP in Erklärungsnot bringen.

Kemmerich ist jedoch kein reines Thüringenproblem. Es geht um die Frage, wie man strategisch weitermachen will mit einer AfD im Umfragehoch. Harte Abgrenzung oder verbale Annäherung? Das Erstarken der AfD bringt vor allem konservative Parteien in die Bredouille. Punkten will man offenbar nicht links der Mitte. Aber rechts der Mitte sieht man Platz. Kemmerich ist mehr als nur ein Ausrutscher in der Geschichte. Kemmerich ist ein Symptom eines Richtungskampfes, der sich auch beim Heizungsgesetz beobachten lässt. Wo und wie lassen sich Unterstützer*in­nen gewinnen? Die FDP mit ihrer kleinen Stammwählerschaft will unterschiedliche Wählermilieus binden.

In der FDP-Bundestagsfraktion gründete sich 2020 nach dem Dammbruch in Thüringen eine Arbeitsgruppe, die sich mit dem Umgang mit der AfD beschäftigte. Es ging darum, wie man den Rechtspopulisten im parlamentarischen Raum begegnen will, und um langfristige Strategien. Leiter dieser Arbeitsgruppe war Benjamin Strasser, der heute parlamentarischer Staatssekretär im Bundesjustizministerium ist. Strasser will auf Nachfrage nicht mit der taz reden. Die Arbeit sei mit einem internen Abschlussbericht beendet, die Gruppe gebe es nicht mehr, teilt sein Pressesprecher mit.

Unter anderem gehörte Marie-Agnes Strack-Zimmermann dieser Gruppe an. Im Gegensatz zu Lindner und Kubicki hatte sie sich von Anfang an deutlich von Kemmerich distanziert. „Meine Haltung hat sich nicht verändert“, erklärt sie. Sie verweist auf den Beschluss des FDP-Präsidiums, der besagt, dass eine Spitzenkandidatur von Kemmerich finanziell und organisatorisch nicht unterstützt wird. Doch die Landesverbände seien „frei in ihrer Entscheidung, wen sie zu Wahlen aufstellen“, sagt Strack-Zimmermann. Kemmerich aber hofft auf Unterstützung der Bundespartei. Er sieht den Beschluss des Präsidiums als verjährt an. Mehr noch: Er behauptet, er sei „in Gesprächen mit Christian Lindner und dem Bundespräsidium“. Das Verhältnis zu Lindner sei „professionell entspannt“.

Kubicki ist kein Hinterbänkler, der Habeck aus versehen mit Putun vergleicht

Die Bundespartei weist diese Erzählung zurück. „Es finden keine Gespräche zwischen Thomas Kemmerich und dem Präsidium der FDP statt“, heißt es auf Nachfrage. Zudem wird betont, der Beschluss des FDP-Präsidiums vom 9. Oktober 2020 gelte. Ebenso der Beschluss des Bundesvorstandes der FDP vom 7. Februar 2020 mit dem Titel „Brandmauer gegen die AfD“. Darin heißt es, die Partei lehne es auf allen Ebenen ab, „mit der AfD zusammenzuarbeiten oder eine Abhängigkeit von der AfD in Kauf zu nehmen“.

Doch trotz der offiziellen Beschlusslage gibt es vor allem auf kommunaler Ebene ähnlich wie bei der CDU immer wieder Übernahmen von AfD-Themen und auch direkte Zusammenarbeit: Erst am 16. März 2023 stimmten CDU und FDP im Stadtrat Stralsund für den AfD-Antrag „Gendern konsequent unterbinden – Kommunikation in regelkonformer Sprache“. In der Hamburger Bürgerschaft hat die FDP vor 2020 zehnmal für AfD-Anträge gestimmt. In Thüringen wählten CDU und FDP im Saale-Holz-Kreis einen AfD-Kandidaten, der zuvor beim rechtsextremen Thügida aufgetreten war, in einen überregionalen Zweckverband. Rechtsextremismusexperten beklagen, dass man durch die Übernahmen rassistischer Narrative zur Flüchtlingspolitik oder durch AfD-Themen letztlich den Resonanzraum der extremen Rechten vergrößere und dem Original mehr Stimmen verschaffe.

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Oben     —   Thüringer Landtag, Wahl des Ministerpräsidenten: Björn Höcke (AfD, Fraktionsvorsitzender und Landessprecher der AfD Thüringen) gratuliert Thomas L. Kemmerich (FDP, Landes- und Fraktionsvorsitzender in Thüringen) zur Wahl

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Fünf Fragen zur Ampel

Erstellt von DL-Redaktion am 27. Mai 2023

Streit um das Heizungsgesetz

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Von Sabine am Orde, Jasmin Kalarickal, Anna Lehmann und Stefan Reinecke

Die Koalition in Berlin ist in ihrer bisher schwersten Krise. Es geht um mehr als um ein paar alte Ölheizungen.

Ist die Fortschritts­koalition eine Gurkentruppe?

Weit ist es nicht mehr bis dahin. Von der selbst ernannten Fortschrittskoalition, die mehr sein wollte als ein Bündnis des kleinsten gemeinsamen Nenners, ist beim Klimaschutz wenig zu sehen. Gerade kann sie sich nicht mal auf den kleinsten gemeinsamen Nenner einigen, nämlich ein gemeinsam im Kabinett beschlossenes Gesetz auch tatsächlich dem Bundestag zu übergeben. Und das, obwohl die Ampel im Koali­tions­ausschuss – diesem Kreis aus ­Partei- und Fraktionschefs, der sich auf Einladung von Olaf Scholz ab und an am Wochenende im Kanzleramt trifft und auch mal die Nacht durchmacht – zweimal verabredet hat, dass der Heizungstausch von fossil zu nichtfossil schon im nächsten Jahr starten soll. Von „Wortbruch“ sprach Robert Habeck, ein Grüner bezeichnete die FDP als „des­truk­ti­ve Clique“.

Der Verlust an Vertrauen zwischen den Koalitionspartnern wiegt dabei schwerer als der inhaltliche Streit. So grundsätzlich sind die Einwände der FDP gegen das Gesetz von Robert Habeck (Grüne) und Klara Geywitz (SPD) nämlich gar nicht. Dass es mehr Alternativen zur Wunderheizung Wärmepumpe geben muss, ist allen klar, und dass keine Häuslebesitzerin nach einer Heizungshavarie Privatinsolvenz anmelden soll, ebenfalls. Differenzen kann man mit Kompromissen überbrücken, verloren gegangenes Vertrauen ist schwerer zu ersetzen.

Die Gespräche gehen weiter. Aber selbst wenn man sich noch vor der Sommerpause auf ein Gesetz einigt, wird sich am Modus Operandi der Regierung wenig ändern. Denn dieses Muster – man verabredet sich, und im letzten Moment meldet die FDP ihr Veto an – schien ja schon beim Atomausstieg und beim Verbrenner-Aus auf.

„Gurkentruppe“ ist übrigens kein Kosename für die Grünen, damit beschimpfte CSU-Generalsekretär ­Alexander Dobrindt den liberalen Koalitionspartner vor 13 Jahren im Streit über die Gesundheitspolitik. Nach vier Jahren war Schluss mit der schwarz-­gelben Koalition.

Warum zündet die FDP das Dach an?

Weil sie es kann. Und weil sie der Versuchung einfach nicht widerstehen konnte. Wirtschaftsminister Robert ­Habeck, Antagonist von Christian Lindner, ist angeschlagen, und weite Teile der Bevölkerung stehen dem Heizungs­gesetz skeptisch gegenüber. Beflügelt von dieser Antistimmung und Seit’ an Seit’ mit der Bild kann sich die FDP als Katalysator für den Unmut im Volk ­aufspielen und sich nebenbei am ­populistischen Grünen-Bashing beteiligen.

Sinnbildlich dafür stehen die 101 Fragen, die die FDP-Fraktion erst vom Wirtschaftsministerium beantwortet haben wollte, bevor es weitergehen kann im Gesetzgebungsprozess. Mal sprachen FDP-Politiker*innen von 100 Fragen, mal von 101, es kursierten Listen, die aber nicht im Ministerium ankamen. Offiziell trudelten dann 77 Fragen ein. Fragen sind normal im Gesetzgebungsprozess, sie als PR-Nummer zu inszenieren ist es nicht. Es geht der FDP nicht darum, die dringend benötigte Wärmewende hinzubekommen. Sie möchte die Verunsicherung in der Bevölkerung in politisches Kapital ummünzen und agiert wie eine Oppositionspartei. Wie schrill sie dabei klingt, wird vor allem an den Tönen der Union und AfD gemessen. Das kann ihr kurzfristig Aufwind verschaffen, aber nicht langfristig. Nach etlichen verlorenen Landtagswahlen agiert die Partei affektgetrieben. Gestärkt aus diesem Bündnis kann sie aber nur gehen, wenn sie Antworten für eine bessere Zukunft liefert. Die schafft man nicht mit Nischenkämpfen für E-Fuels und H2-ready-Heizungen. Die Grünen machen Öko, die SPD macht Soziales. Und die FDP? Eben. Nur (Schulden-)Bremse reicht nicht.

Wieso lassen sich die Grünen das bieten?

Weil die Grünen eigentlich keine Alternative haben, wenn sie die Ampel nicht ernsthaft in Gefahr bringen oder gleich in die Luft jagen wollen. Und das wollen sie nicht. Aus staatspolitischer Verantwortung in krisengeschüttelten Zeiten. Und weil sie trotz allem Ärger sowohl auf die FDP als auch auf den Bundeskanzler wissen: Ein besseres Regierungsbündnis gibt es derzeit nicht. Denn dass mit der Union unter Friedrich Merz, der bei Neuwahlen ziemlich sicher der Kanzlerkandidat wäre, beim Klima und anderen wichtigen Themen für die Grünen mehr zu erreichen und das Regieren leichter wäre, glaubt in der Partei kaum jemand.

Hinzu kommt: Die Grünen verhandeln aus einer Position der Schwäche heraus. Robert Habeck hat bei der Erarbeitung des Gebäudeenergiegesetzes Fehler gemacht. Als ein Entwurf bei der Bild landete, hatte er kein Konzept für den sozialen Ausgleich, und eine Kommunikationsstrategie fehlte auch. Für die Geg­ne­r*in­nen des GEG war das eine Steilvorlage, die sie zu nutzen wussten. Inzwischen ist die Verunsicherung in der Bevölkerung groß. Die Trauzeugenaffäre um den inzwischen entlassenen Energie-Staatssekretär Patrick Graichen kam noch obendrauf.

Dreimal haben die Grünen das Gebäudeenergiegesetz in der Ampel bereits verhandelt, jedes Mal haben sie Zugeständnisse gemacht. Jetzt erhöhen sie den öffentlichen Druck auf den Koalitionspartner und blockieren im Gegenzug Vorhaben wie die Planungsbeschleunigung bei den Autobahnen, ein Herzensthema der FDP. Jetzt verhandeln sie mit der FDP noch einmal mehr, damit das GEG in den Bundestag geht. Weitere Zugeständnisse inklusive.

Wo ist eigentlich Olaf Scholz?

Habeck holzt gegen die FDP, die FDP holzt gegen Habeck. Die Ampel macht derzeit die Opposition arbeitslos. Manche mögen fragen: Was macht Olaf Scholz eigentlich beruflich? Denn der Kanzler hält sich recht vornehm zurück. Aber das ist kein Wunder, auch kein Versagen. Es entspricht dem Grundgesetz, Artikel 65. Der Kanzler hat die Richtlinienkompetenz. Die Arbeit aber machen die MinisterInnen selbstständig. Und wenn die sich zerlegen, ist guter Rat immer teuer.

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Die »Zukunftskoalition« ?

Erstellt von DL-Redaktion am 27. Mai 2023

Bis zur Kenntlichkeit entstellt

Von Albrecht von Lucke

Manche Gesichter werden im Streit bis zur Kenntlichkeit entstellt. Bei Koalitionen gilt das gleiche in Krisen. Wenn daher eines Tages gefragt werden sollte, wann aus der angeblichen Zukunftskoalition eine Koalition der Vergangenheit geworden ist, dann dürften die nächtelangen Koalitionsausschusssitzungen von Ende März 2023 dabei eine ganz entscheidende Rolle spielen.

Wer noch irgendeinen Zweifel daran hatte, wie die Machtverhältnisse in dieser Koalition wirklich aussehen, ist seitdem eines Schlechteren belehrt. Die von der FDP kreierte Vorstellung, hier stünden zwei Linksparteien gegen sie, den letzten Hort der bürgerlichen Vernunft, entpuppte sich endgültig als Chimäre: Faktisch agieren zwei Parteien, nämlich FDP und SPD, strikt in Verteidigung der materiellen Gegenwartsinteressen, während die Grünen versuchen, auch die Interessen der zukünftigen Generationen zu vertreten – genau wie es das Bundesverfassungsgericht jeder Regierung mit seinem historischen Urteil vom März 2021 ins Stammbuch geschrieben hat.

Das Dilemma der Grünen wie der Klimabewegung: Die ganz jungen wie die kommenden Generationen haben bei Wahlen keine Stimme. Dadurch gibt es eine strukturelle Dominanz der Älteren und ihrer Interessen. Dieses Dilemma wird noch dadurch verstärkt, dass die Grünen strategisch ungeschickt agierten und zudem ihre Gesetzesvorhaben immer wieder frühzeitig an die Medien durchgestochen wurden – insbesondere der nur halbfertige Entwurf zum Einbau von Wärmepumpen.

Zum ersten Mal wurde hier dramatisch deutlich, dass die Transformation keineswegs eine reine Gewinnangelegenheit für alle sein wird, sondern dass viele Bürgerinnen und Bürger erhebliche Opfer für das Gemeinwohl werden bringen müssen. Opfer, die nun ganz ausschließlich dem grünen Klima- und Wirtschaftsminister Robert Habeck angelastet werden. Die Konsequenz ist ein massiver Backlash – zulasten der ökologischen Anliegen wie auch der grünen Partei, der sich auch in den Ergebnissen der schon heute historisch zu nennenden Koalitionsausschusssitzungen manifestierte.

Offensichtlich waren die grünen Änderungswünsche vom Kanzleramt gar nicht mehr berücksichtigt und eingearbeitet worden, weshalb das Papier letztlich erst nach Verhandlungen von 30 Stunden beschlossen werden konnte.[1] Mit dennoch fatalen Folgen: Ausgerechnet beim Verkehrssektor wird nun nicht mehr Jahr für Jahr geprüft, wieviel CO2 er eingespart hat, wie noch im alten, bereits zu schwachen Klimagesetz der großen Koalition vorgesehen. Damit wäre das von der FDP verantwortete Verkehrsministerium von der Pflicht für ein Sofortprogramm zum Klimaschutz befreit und die Einhaltung der Zielvorgaben für 2030 in weite Ferne gerückt.

Hier zeigte sich einmal mehr: In dieser Koalition wedelt der Schwanz mit dem Hund. Obwohl die FDP prozentual klar der schwächste Koalitionspartner ist, gibt sie in der Regierung allzu oft den Ton an. Und zwar dank bewusster Duldung des Kanzlers: Von einem „sehr, sehr, sehr guten Ergebnis“ sprach denn auch Olaf Scholz. Aus rein parteitaktischer Perspektive ist dies auch durchaus der Fall: Der Kanzler braucht aus zwei Gründen eine starke FDP – erstens, um damit CDU/CSU zu schwächen, und zweitens, weil nur eine zufriedene FDP ihm 2025 die Chance auf eine zweite Ampel-Legislatur eröffnet. Dagegen hat er weit weniger Interesse an starken Grünen, die ihm als Führungspartei der linken Mitte Konkurrenz machen könnten.

Nach dieser ur-neoliberalen Devise – „Wenn jeder an sich denkt, ist an alle gedacht“ – kann jedoch keine Koalition auf Dauer funktionieren. Derzeit existiert in der Ampel keinerlei Vorstellung, wie sich die Zukunft gemeinsam gestalten lässt. Und, fataler noch, die FDP sieht sich in ihrer rein destruktiven Logik nach diesem Koalitionsausschuss noch bestärkt. Folgerichtig hat FDP-Chef und Finanzminister Christian Lindner bereits die nächste Oppositionsoption in der Regierung ausgemacht und per Twitter das Ende „der Zeit der reinen Verteilungspolitik in unserem Land“ verkündet.[2]

Anstatt die gemeinsam gefällten Beschlüsse der Koalition auch offensiv zu vertreten, macht sich die FDP auch bei der Atomkraft einen schlanken Fuß: „Würde es nach mir gehen, würden wir bestehende Kernkraftwerke in der Reserve behalten & den Rückbau verhindern“, teilte Lindner am Tag des Atomausstiegs[3] mit, um auf diese Weise seine Hände in Unschuld zu waschen und mit der Drohung eines zukünftigen Energiemangels auch weiter gegen die Grünen als angebliche Verbotspartei agitieren zu können. „Die Zeit des Appeasements ist vorbei“, lautet denn auch die unsägliche Ansage von FDP-Vize Wolfgang Kubicki, der nicht einmal davor zurückschreckte, Robert Habeck mit Wladimir Putin zu vergleichen.[4]

FDP-Egoismus von Döpfners Gnaden

Massiv unterstützt wird die FDP durch eine seit Monaten anhaltende Kampagne der „Bild“-Zeitung, die den Klimaminister Tag für den Tag wie eine Sau durchs mediale Dorf treibt – offenbar nicht zuletzt auf Weisung von Springer-Chef Mathias Döpfner, dessen Geisteshaltung soeben offengelegt wurde.[5] Beredter noch als dessen unsägliche Entgleisungen zu Ostdeutschen und Migranten sind dessen Einlassungen zum Klimaschutz.

„Umweltpolitik – ich bin sehr für den Klimawandel. Zivilisationsphasen der Wärme waren immer erfolgreicher als solche der Kälte. Wir sollten den Klimawandel nicht bekämpfen, sondern uns darauf einstellen“, so der Springer-Chef. Wenn es eines gebe, was er hasse, dann seien es Windräder. Die einzige Kraft zur Zurückdrängung des ökologischen Ungeistes sind für ihn die Liberalen. „Unsere letzte Hoffnung ist die FDP. Nur wenn die sehr stark wird – und das kann sein – wird das grün rote Desaster vermieden. Können wir für die nicht mehr tun. […] It’s a patriotic duty“, so Döpfner im Wahlkampf 2021 in einer Rundmail an die verantwortlichen Redakteure seines Verlags. Noch zwei Tage vor der Wahl schrieb er seinem (damaligen) „Bild“Chef Julian Reichelt: „Please Stärke die FDP. Wenn die sehr stark sind können sie in Ampel so autoritär auftreten dass die platzt. Und dann Jamaika funktioniert.“

FDP und Springer-Verlag treffen sich in einem entscheidenden Punkt: ihrer Staatsablehnung bis hin zur Staatsfeindschaft. „Staatsgläubigkeit geht einher mit einem Menschenbild, das vor allem kollektivistischen, latent oder akut unfreiheitlichen Systemen eigen ist: Der Bürger brauche Aufsicht – einen Vormund. In diesem Fall, den vormundschaftlichen Staat“, so Döpfner bereits 2021 in seinem Buch „Die Freiheitsfalle“ über die angeblich nach wie vor herrschende deutsche Untertanenmentalität.[6] Im Verständnis des Springer-Chefs wie dem seiner leitenden Angestellten, am ausgeprägtesten bei „Welt“-Chef Ulf Poschardt, ist Freiheit immer nur gegen den Staat zu denken.[7] Aus dieser Staatsverachtung resultiert letztlich auch Döpfners absolute Diskreditierung der Ostdeutschen: „Von Kaiser Wilhelm zu hitler zu honnecker ohne zwischendurch us reeduction genossen zu haben. Das führt in direkter Linie zu AFD.“ Diese Ablehnung jedes Kollektivgedankens – und seines angeblichen Agenten, sprich: des Staats – geht einher mit einer narzisstisch grundierten Vergötzung des als großartig imaginierten Individuums (und des eigenen Egos). Mit dieser Verachtung jeglicher Autorität jenseits des Ichs stehen die neuen Superegos vom Schlage Döpfner, Poschardt oder Kubicki keineswegs allein: Wie die Studien von Carolin Amlinger und Oliver Nachtwey zeigen, wächst in dieser Gesellschaft ein „libertärer Autoritarismus“ mit einer enorm narzisstischen Seite heran, der nur eine Autorität anerkennt, nämlich sich selbst.[8]

Der anhaltende Koalitionsstreit zwischen FDP und Grünen verläuft also vor allem entlang zweier großer Konfliktlinien: Individual- versus Gesellschaftsinteresse und Gegenwart versus Zukunft – wobei sich die Scholz-SPD fatalerweise zumeist auf die Seite der FDP schlägt. Wenn aber die angekündigte große sozial-ökologische Transformation tatsächlich gelingen soll, dann braucht es eine materielle wie eine „geistig-moralische Wende“ im Verhältnis von Öffentlichem und Privatem, von Zukunft und Gegenwart. Dann gilt es, von der rein individual-egoistischen Haltung Abschied zu nehmen, die mindestens die letzten 30 Jahre, seit der Zäsur von 1989/90, dominiert hat – nämlich von der neoliberalen Devise: „Privat vor Staat“.

Mehr Investitionen in die Zukunft

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Zur Chatkontrolle:

Erstellt von DL-Redaktion am 13. Mai 2023

Justizminister Buschmann mobilisiert EU-Kolleg:innen

Quelle          :        Netzpolitik ORG.

Von       :     

Zusammen mit vier Amtskolleg:innen aus Liechtenstein, Luxemburg, Österreich und Schweiz hat Bundesjustizminister Marco Buschmann einen Brief an die Justizminister:innen der EU-Länder geschrieben. Sie sollen sich gegen die Chatkontrolle in die Diskussion einbringen – auch wenn die Innenministerien die Verhandlung führen. Wir veröffentlichen den Brief im Volltext.

Die Chatkontrolle sorgt weiterhin für Streit in der Ampel-Koalition. Bundesjustizminister Marco Buschmann hat zusammen mit den Justizminister:innen aus Österreich, der Schweiz, Luxemburg und Liechtenstein einen Brief an die Amtskolleg:innen in der Europäischen Union geschickt. In dem Brief, den wir im Volltext veröffentlichen, geht der Justizminister auf Distanz zur Verhandlungsposition des Bundesinnenministeriums, die nach dem Verständnis der FDP nicht dem Koalitionsvertrag der Ampel entspricht.

In dem Schreiben, das die Logos der Justizministerien der fünf Länder im Kopf trägt, verweisen Buschmann und seine Kolleg:innen auf Gutachten des Juristischen Dienstes des Rates und des Wissenschaftlichen Dienstes des Europäischen Parlaments, die sich beide gegen die Chatkontrolle aussprechen. Die bisherigen Pläne seien laut diesen Gutachten nicht mit Artikel 7 und 8 der Grundrechtecharta der EU vereinbar (Recht auf Schutz des Privatlebens und privater Kommunikation sowie Schutz personenbezogener Daten). Zugleich könne sich die Verordnung negativ auf die Verfolgung von Kindesmissbrauch im Netz auswirken, etwa wegen fälschlich gemeldeter Inhalte und einer möglichen Überlastung der Strafverfolgungsbehörden. Buschmann fordert seine europäischen Amtskollegen im Brief auf, sich in die Diskussion einzubringen, auch wenn die Innenministerien der meisten EU-Mitgliedstaaten bei den Verhandlungen zur Chatkontrolle federführend seien.

Der FDP-Bundestagsabgeordnete Maximilian Funke-Kaiser sagt gegenüber netzpolitik.org: „Ich begrüße es, dass unser Justizminister Marco Buschmann das Heft in die Hand nimmt und auf europäischer Ebene eine Allianz gegen die Chatkontrolle formiert.“ Gerade Deutschland müsse aus historischer Verantwortung einen solchen Eingriff in die persönlichen Freiheitsrechte verhindern und die Speerspitze der Gegenbewegung bilden. „Staatliches Mitlesen von persönlicher Kommunikation erinnert an dunkle Zeiten in Deutschland. Die Chatkontrolle ist mit den europäischen Grundrechten unvereinbar“, so Funke-Kaiser weiter. Die FDP werde als „Schützerin der Bürgerrechte“ deshalb sämtliche Register ziehen, um dieses Vorhaben zu stoppen.


Hier das Dokument in Volltext:


    • Datum: 12.05.2023
    • Ort: Berlin
    • Von: Justizministerien Deutschland, Liechtenstein, Luxemburg, Österreich, Schweiz
    • An: Justizminister:innen der EU-Länder

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen EU-Justizministerinnen und Justizminister,

am 7. und 8. Mai 2023 haben sich im österreichischen Langenlois die Justizministerinnen und Justizminister von Österreich, Deutschland, der Schweiz, Luxemburg und Liechtenstein getroffen. Auf der Tagesordnung stand u.a. der Vorschlag der Europäischen Kommission für eine Verordnung zur Prävention und Bekämpfung des sexuellen Missbrauchs von Kindern, die alle Anbieter von Hostingdiensten und interpersonellen Kommunikationsdiensten, die ihre Dienste auch in der Europäischen Union anbieten, sowie alle ihrer Nutzerinnen und Nutzer betreffen wird. Die Wirkungen der Verordnung werden daher nicht auf Anbieter sowie Nutzerinnen und Nutzer innerhalb der Europäischen Union beschränkt sein.

Die Bekämpfung von sexuellem Kindesmissbrauch im Internet hat für uns alle große Bedeutung, denn es gilt, von den Kindern großes Leid und Traumatisierungen abzuwenden. Die Justizministerinnen und Justizminister betonen die Notwendigkeit für ein entschiedenes Vorgehen bei der wirksamen Bekämpfung ebendieser. Zugleich ist in liberalen Gesellschaften der Schutz der Bevölkerung vor anlassloser Überwachung ein hohes demokratisches Gut. Der vorliegende Verordnungsentwurf findet aus unserer Sicht hier nicht die richtige Balance und könnte möglicherweise sogar für den Kinderschutz kontraproduktiv sein. Dies haben vor kurzem zwei Gutachten des Juristischen Dienstes des Rates und des Wissenschaftlichen Dienstes des Europäischen Parlaments bestätigt.

In seiner Stellungnahme vom 26. April 2023 prüft der Juristische Dienst des Rates die Vereinbarkeit der in dem Entwurf vorgesehenen Aufdeckungsanordnung für interpersonelle Kommunikationsdienste, die die Anbieter dazu verpflichten soll, sämtliche Kommunikation auf das Vorhandensein von bekanntem und unbekanntem Kindesmissbrauchsmaterial sowie Cybergrooming zu durchsuchen, am Maßstab der Artikel 7 und 8 der EU-Grundrechtecharta (Recht auf Schutz des Privatlebens und privater Kommunikation und Schutz personenbezogener Daten). Der Juristische Dienst des Rates stellt unter anderem fest, dass die vorgesehene Regelung mit Bezug auf interpersonelle Kommunikation geeignet ist, den Wesensgehalt von Artikel 7 und 8 der Charta anzutasten. In jedem Fall sei die vorgesehene Aufdeckungsanordnung aber nicht verhältnismäßig. Zu denselben Ergebnissen kommt eine ergänzende Folgenabschätzung des Wissenschaftlichen Dienstes des Europäischen Parlaments gleichfalls von April 2023. Beide Gutachten stellen fest, dass diese Eingriffe noch verstärkt werden, wenn es sich um verschlüsselte Kommunikation handelt. Aus unserer Sicht sind daher umfassende Änderungen an der Ausgestaltung der Aufdeckungsanordnung notwendig, um eine EU-Grundrechtskonformität zu erreichen.

Überdies prognostiziert der Wissenschaftliche Dienst des Europäischen Parlaments, dass die Wirkung des Vorschlags begrenzt sein werde. Die Mehrheit der befragten Expertinnen und Experten komme zu dem Ergebnis, dass der Einsatz von Technologien zur Erkennung von sog. unbekanntem Kindesmissbrauchsmaterial und Cybergrooming aufgrund ihrer geringen Genauigkeit zu einem Anstieg der fälschlich gemeldeten Inhalte (,false positives“) und zu einem Rückgang der Treffsicherheit führen werde. Dies werde sich erheblich auf die Arbeitsbelastung der Strafverfolgungsbehörden auswirken. Durch die im Verordnungsvorschlag vorgesehenen Instrumente ist somit eine Überlastung der Behörden in den Mitgliedstaaten zulasten der Kinder zu befürchten.

Uns ist bewusst, dass in den meisten Mitgliedsstaaten die Innenministerinnen und -minister für den Vorschlag federführend sind. Da der Vorschlag jedoch wie aufgezeigt ernsthafte grundrechtliche Bedenken aufwirft, halten wir es für sehr wichtig, dass auch wir Justizministerinnen und Justizminister uns in die Diskussion einbringen.

Wir setzen uns nachdrücklich dafür ein, dass die Aufdeckungsanordnung und ihre Auswirkungen auf die Grundrechte von den Mitgliedsstaaten eingehend erörtert werden. Dabei ist von entscheidender Bedeutung, dass die Erkenntnisse des Juristischen Dienstes des Rates und des Wissenschaftlichen Dienstes des Europäischen Parlaments vom Rat diskutiert werden und in die Beurteilung des Vorschlags einfließen können, bevor eine allgemeine Ausrichtung zum Verordnungsvorschlag angestrebt werden kann.

Mit freundlichen Grüßen

Lizenz: Die von uns verfassten Inhalte stehen, soweit nicht anders vermerkt, unter der Lizenz Creative Commons BY-NC-SA 4.0.

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Grafikquelle :

Oben     —        Unterzeichnung des Koalitionsvertrages der 20. Wahlperiode des Bundestages am 7. Dezember 2021: Marco Buschmann

Sandro Halank, Wikimedia Commons, CC BY-SA 4.0

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FDP-Idee zu Abschiebungen

Erstellt von DL-Redaktion am 6. Februar 2023

Fünf Fehler in zwei zynischen Sätzen

Die FDP liegt in Umfragen knapp über fünf Prozent. Die Verzweiflung bringt bizarre Blüten hervor: Fraktionschef Dürr will abgelehnte Asylsuchende gegen Klimaschutz eintauschen – das ist gleich mehrfach widersinnig.

Christian Dürr ist der Vorsitzende der FDP-Bundestagsfraktion und hat diese Woche der größten deutschen Boulevardzeitung ein Interview gegeben. In diesem Interview formulierte er einen »Vorschlag«, der so abseitig und zynisch ist, dass einem der Atem stockt. Dass der Fraktionschef einen solchen Versuchsballon startet, ohne das mit der übrigen Parteispitze abgesprochen zu haben, erscheint unwahrscheinlich. Was die Frage aufwirft: Was genau hat die FDP-Spitze eigentlich vor?

Aber zunächst einmal zu dem, was Dürr da vorschlug: einen Tausch, Menschen gegen Klimaschutz. Ja, wirklich.

Konkret sagte Dürr: »Um Druck auf die Herkunftsländer auszuüben, könnten wir Rücknahmen zum Beispiel an Geld für den Klimaschutz koppeln. Wer seine Landsleute zurücknimmt, erhält im Gegenzug Unterstützung etwa bei der Produktion von klimaneutralen Kraftstoffen für Autos in Deutschland

Diese zwei Sätze haben es in sich, und zwar gleich in vielfacher Hinsicht.

Was Dürr wirklich meint
Dürr möchte »Druck auf die Herkunftsländer ausüben«, und das an »Geld für den Klimaschutz koppeln«. An was für Länder er dabei denkt, sieht man an dem Verweis auf die »klimaneutralen Kraftstoffe«.

Viele der Länder, die in dem Ruf stehen, abgelehnte Asylbewerberinnen und -bewerber nicht oder nur widerwillig zurückzunehmen, liegen auf dem afrikanischen Kontinent , und genau die meint Dürr natürlich. In ehrliches Deutsch übersetzt lautet Dürrs Vorschlag: Ihr habt ja Sonne da unten, wenn ihr eure Leute zurücknehmt, geben wir euch Geld, damit ihr daraus Sprit für unsere Autos machen könnt.

Das ist gleich in fünffacher Hinsicht absurd und abseitig. Das ist für zwei Sätze schon eine Leistung.

Das Recht in Freiheit zu leben gilt nur für Politiker der FDP

  • Erstens ist die Vorstellung, Menschen als Faustpfand für finanzielle Hilfen in einem völlig anderen Kontext einzusetzen, erkennbar – und offenkundig absichtlich – zynisch, um es höflich zu formulieren.
  • Zweitens ist es nicht primär im Interesse afrikanischer Staaten, dass dort Klimaschutz betrieben wird, sondern in unserem eigenen. Im Moment ist Afrikavor allem Subsahara-Afrika, zum Glück eine Region mit sehr niedrigem Pro-Kopf-Ausstoß von CO₂. Das muss unbedingt so bleiben, wenn wir die Klimakrise nicht noch weiter anheizen wollen. Wir müssen möglichst viel dafür tun, und zwar ohne Erpressungsversuche – weil es uns zuallererst selbst nutzen wird.
  • Drittens leiden viele Herkunftsländer von Asylsuchenden schon jetzt unter massiven Folgen der Erderhitzung – und daran ist Deutschland maßgeblich mitschuldig. Zur Erinnerung: Wir liegen, was die historisch kumulierten CO₂-Emissionen angeht, global auf Platz vier . Dürrs »Vorschlag« klingt für afrikanische Staaten also so: Wir sind zwar maßgeblich mitverantwortlich dafür, dass eure Länder langsam unbewohnbar werden. Aber wenn ihr Unterstützung dabei wollt, unsere Fehler zu vermeiden, spurt ihr gefälligst.
  • Viertens wäre es das Gegenteil von »Klimaschutz«, afrikanische Länder als Erstes zur Produktion von »CO₂-neutralen Kraftstoffen« aufzufordern. Auf dem afrikanischen Kontinent gibt es derzeit, von Südafrika abgesehen, so gut wie keine Kohlekraftwerke . Das muss unbedingt so bleiben. Gleichzeitig haben der Internationalen Energieagentur zufolge  weiterhin 600 Millionen Menschen auf dem Kontinent keinen Zugang zu Elektrizität. Wenn dort also erneuerbare Energien ausgebaut werden, was wirklich bitter nötig ist, dann werden sie zuallererst dafür gebraucht, die eigene Bevölkerung mit Energie zu versorgen. Nicht dafür, die Sportwagen und SUV von FDP-Wählern mit »CO₂-neutralen Kraftstoffen« zu betanken.
  • Fünftens: »CO₂-neutrale Kraftstoffe« für Pkw sind eine Luftnummer, nicht nur, weil es nirgendwo nennenswerte Kapazitäten zu ihrer Herstellung gibt. Nicht einmal der Porsche- und VW-Chef Oliver Blume  glaubt an Christian Lindners Träume von einer Zukunft mit lauter CO₂-neutralen Verbrennern. Porsche ist an einem E-Fuel-Projekt in Chile beteiligt – damit alte 911er auch in 20 Jahren noch gefahren werden können. Ein Markt für »CO₂-neutrale Kraftstoffe« für neue Pkw hingegen ist eine fixe Idee der FDP, von der sich der Markt längst verabschiedet hat. Wenn es diese Kraftstoffe eines Tages in halbwegs ausreichender Menge und zu wettbewerbsfähigen Kosten gibt, werden sie dringend anderswo gebraucht: im Schiffs- und Flugverkehr, eventuell für Schwerlaster.

Dürrs »Vorschlag« ist also nicht nur von abgrundtiefem Zynismus geprägt, er ist auch politisch in jeder Hinsicht unsinnig. Und er steht im klaren Widerspruch zu den Interessen Deutschlands.

Interessanterweise fand Dürr einen anderen Vorschlag nicht gut, nämlich den, Abschiebungen daran zu koppeln, dass die entsprechenden Länder dann Visa für andere, begehrte Zuwanderer bekommen könnten. »Davon halte ich nichts«, sagte Dürr, »wir brauchen Zuwanderung.« Da hat er recht, die brauchen wir dringend – aber mindestens ebenso dringend brauchen wir einen rasanten Ausbau erneuerbarer Energien auf dem afrikanischen Kontinent, er ist in unserem ureigenen, existenziellen Interesse, nicht »nice to have«.

So nimmt man der AfD keine Stimmen ab, das steht fest.

Quelle       :       Spiegel-online         >>>>>        weiterlesen

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Grafikquellen      :

Oben     —     Demonstration für ein Bleiberecht aller Ausländer

Unten      —         Christian Dürr FDP 2016

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Das Leben im FDP – Clan

Erstellt von DL-Redaktion am 6. Februar 2023

Tamedia überspielt Strack-Zimmermanns Interessenkonflikte

Strack-Zimmermann.jpg

Nur ein munteres Farbenspiel? Das Grau verdeckt das Republikanische Braun ?

Quelle      :        INFO Sperber CH.

Von       :    Urs P. Gasche /   

Tages-Anzeiger, Bund etc. portraitierten die FDP-Politikerin, ohne ihre militärpolitischen Engagements beim Namen zu nennen.

Sie sei «Scholz’ mächtigste Gegenspielerin», titelten die Tamedia-Zeitungen am 3. Februar. Die FDP-Politikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann kritisiere «des Kanzlers Zögerlichkeit schärfer als jede Opposition». Der Berliner Korrespondent Dominique Eigenmann bezeichnete die 64-Jährige als «schlagfertig und streitbar, sachlich und kompetent». Kritiker meinen, dass Strack-Zimmermann weniger sachlich als emotionalisierend rede.

Wer die Meinung äussere, schrieben die Tamedia-Zeitungen weiter, Strack-Zimmermann würde Deutschland «in eine militärische Auseinandersetzung hineinreden», wie es etwa der «bekennende Pazifist Rolf Münzenich» tue, der kritisiert die FDP-Frau nicht etwa, sondern er «ätzt».

Ihr Engagement in militärpolitischen Organisationen übergehen die Tamedia-Zeitungen. Lediglich in einem einzigen Satz erwähnte Eigenmann, dass «andere» versuchen würden, «sie als Lobbyistin der Rüstungsindustrie zu diffamieren».

Einen Tag nach dem Tamedia-Zeitungen titelte der Blick ebenfalls: «Sie ist Kanzler Scholz’ gefährlichste Gegenspielerin». Auch der Blick erwähnte nur kurz, viele würden Strack-Zimmermann für eine Rüstungslobbyistin halten: «Beweise dafür gibt es allerdings nicht.»

Ob Lobbyistin oder nicht: Es geht um mögliche Interessenkonflikte. Um welche es sich handelt, erfahren die Leserinnen und Leser der Tamedia-Zeitungen und des Blick nicht. Deshalb sei dies hier nachgeholt.

Der militärisch-industrielle Komplex

Eigentlich müssten Medien bei Militär- und Rüstungsfragen besonders scharf auf mögliche Interessenkonflikte schauen und Verbindungen zu Lobby-Organisationen offenlegen. Denn in Ländern mit einer starken Rüstungsindustrie ist kaum eine Lobby mächtiger und einflussreicher als die Rüstungslobby. Sie finanziert Think-Tanks und sponsert zahlreiche Organisationen und Universitäts-Fakultäten. Sie neigt dazu, militärische Gefahren hochzuspielen, um Parlamentarier zu möglichst hohen Rüstungsausgaben zu verleiten und ihr lukratives Geschäft anzukurbeln. Ihr Informationsvorsprung ist enorm.

Marie-Agnes Strack-Zimmermann ist in drei wichtigen Lobby-Organisationen der Rüstungsindustrie aktiv:

  1. In der Deutschen Gesellschaft für Wehrtechnik DWT
  2. In der Deutschen Atlantischen Gesellschaft DAG
  3. Im Förderkreis Deutsches Heer FKH

1. Die Deutsche Gesellschaft für Wehrtechnik DWT

Strack-Zimmermann ist Mitglied des Präsidiums der DWT.

Diese Organisation der Rüstungs-Lobby knüpft Kontakte zu Mitgliedern des deutschen Bundestags. Lobbypedia schreibt über die DWT: «Die Deutsche Gesellschaft für Wehrtechnik (DWT) ist ein von der Rüstungsindustrie dominierter Verein, bei dessen Treffen und Diskussionsrunden Vertreter der Rüstungsindustrie, Bundestagsabgeordnete sowie Mitarbeiter des Bundesverteidigungsministeriums Fragen der Rüstungspolitik und Wehrtechnik erörtern […] Der Rahmen der DWT erlaubt der Rüstungsindustrie, bereits im Vorfeld parlamentarischer Entscheidungsprozesse, informell Einfluss auf die Gesetzgebung zu nehmen. Dabei werden die Rüstungsunternehmen neben ihrem Sachverstand zwangsläufig auch ihre Interessen an aufwändigen Rüstungsprojekten einbringen. Das dauerhafte Zusammenwirken von Rüstungsunternehmen und Parlamentariern birgt die Gefahr, dass rüstungspolitische und wehrtechnische Entscheidungen von den zuständigen parlamentarischen Gremien faktisch in intransparente Gesprächsrunden verlagert werden, in denen es an der gebotenen Distanz zwischen den Abgeordneten und der Rüstungsindustrie mangelt.»

«Themen der Zeit» schreibt über den «Rüstungs-Lobbyismus im Ukraine-Krieg»:

«Im Vorstand der ‹Deutschen Gesellschaft für Wehrtechnik› ist der Rüstungskonzern Rheinmetall durch den Technologie-Chef Klaus Knappen vertreten. Als leitender Beamter der Bundeswehr ist Wolfgang Gäbelein im Vorstand eingebunden, seines Zeichens Amtschef des Planungsamts der Bundeswehr. Des Weiteren ein Unternehmensberater für Militär und eine Führungskraft des Weltraumlagezentrums für die Bundeswehr sowie ein IT-Spezialist für Streitkräfte und der Generalbeauftragte einer Container-Firma für das Militär.»

Im Beirat der DWT sind nach Angaben von lokalkompass.de Vertreter von Rheinmetall, Daimler und IVECO-Magirus (Militärfahrzeuge), Lockheed Martin International, Kraus Maffei Wegmann, Diehl und Airbus (Militärhubschrauber, Trägerraketen etc.), aber auch von Thales (Radaranwendungen, Satellitensysteme und Sicherheitstechnik), der Flensburger Fahrzeugbau (Panzer und Militärfahrzeuge), Dr. Müller-Elektronik (Luftfahrt und Raumtechnik, Kabeltechnologie), Rohde und Schwarz (Flugsicherung und Funkkommunikationssysteme), Plath (Funkaufklärung für die Rüstungsindustrie) sowie der Mönch-Verlag für Waffen- und Militärzeitschriften.

2. Der Förderkreis Deutsches Heer FKH

Strack-Zimmermann ist Mitglied des Präsidiums.

Zweck des FKH ist nach eigenen Angaben «das gemeinsame Bemühen um eine leistungsfähige nationale Industriebasis für die Ausrüstung des Deutschen Heeres und der deutschen Landstreitkräfte insgesamt» sowie «die Förderung der transatlantischen Zusammenarbeit».

Präsident ist Wolfgang Köpke, Generalmajor a.D. Die beiden Vizepräsidenten sind Ralf Ketzel, Vorsitzender der Geschäftsführung des Waffenkonzerns Krauss-Maffei Wegmann und Henning Otte, CDU-Bundestagsabgeordneter.

Die weiteren Mitglieder sind auf der Webseite nicht veröffentlicht.

Laut Lobbycontrol zählt der Förderkreis Deutsches Heer (FKH) neben der «Gesellschaft für Sicherheitspolitik e.V.» (GSP) und der «Deutschen Gesellschaft für Wehrtechnik e.V.» (DWT) zu den wichtigsten Lobby-Verbänden der deutschen Rüstungsindustrie.

3. Die Deutsche Atlantische Gesellschaft

Seit Mai 2022 ist Strack-Zimmermann Vizepräsidentin der DAG.

Nach eigenen Angaben verfolgt die Gesellschaft folgende Ziele:

«Die Deutsche Atlantische Gesellschaft hat sich zur Aufgabe gemacht, das Verständnis für die Ziele des Atlantischen Bündnisses zu vertiefen und über die Politik der NATO zu informieren. Sie setzt sich für eine Stärkung des europäischen Pfeilers der NATO und eine enge Bindung zu den beiden nordamerikanischen Demokratien ein.»

Präsident ist Christian Schmidt, bis 2021 CSU-Bundestags-Abgeordneter. Im Vorstand sitzen neben etlichen Bundestagsabgeordneten auch ehemalige Generäle und andere hohe Militärs, pensionierte Manager der Rüstungsindustrie wie beispielsweise Werner Dornisch und der frühere SPD-Bundestagsabgeordnete Johannes Kahrs, dessen SPD-Kreisverband in Hamburg Spenden der Rüstungskonzerne Rheinmetall und Krauss-Maffei entgegennahm. Im Vorstand sitzt ebenfalls Veronika Fucela, Präsidentin der «Youth Atlantic Treaty Association Germany». Diese hat nach eigenen Angaben zum Ziel, «den öffentlichen Dialog über die NATO und die transatlantischen Beziehungen in der jüngeren Generation in Deutschland zu fördern.» Im Vorstand ist ebenfalls Jana Puglierin, Leiterin des «European Council on Foreign Relations» (ECFR). Dieser «Think-Tank» wird finanziert von Aussenministerien verschiedener Länder Europas, dem deutschen Verteidigungsministerium und von Privaten wie den Open Society Foundations, dem Bundesverband der deutschen Industrie, verschiedenen Konzernen und der Bill & Melinda Gates Foundation. Der ECFR ist Partner der Mercator-Stiftung.

Medien machen mögliche Interessenkonflikte nicht transparent

Bei Strack-Zimmermann geht es nicht um Bestechlichkeit, aber um fehlende Sensibilität für Befangenheit und offenkundige oder mögliche Interessenkonflikte. Als führendes Mitglied dieser Organisationen verpflichtet sich Strack-Zimmermann, sich für deren Zwecke einzusetzen.

Darauf weisen die für Transparenz und Demokratie eintretende Initiative «Lobbycontrol» mit ihrer Internetplattform «Lobbypedia» sowie die Internetplattform «Abgeordnetenwatch» und die internationale Antikorruptionsorganisation «Transparency International» hin. Die Rüstungsindustrie verfüge über «sehr enge und privilegierte Zugänge ins Parlament».

Auch im ARD-Faktencheck heisst es: «Die Deutsche Gesellschaft für Wehrtechnik und der Förderkreis Deutsches Heer zählen neben der Gesellschaft für Sicherheitspolitik e.V. (GSP) zu den wichtigsten Lobby-Verbänden der deutschen Rüstungsindustrie.» Die Antikorruptionsorganisation Transparency International warnte in den vergangenen Jahren immer wieder vor einer möglichen Einflussnahme der Rüstungsindustrie auf politische Entscheidungsprozesse.

Im deutschen Bundestag nahm Strack-Zimmermann wie folgt Stellung:

«Selbstverständlich bin ich als ehemalige Sprecherin für Verteidigungspolitik und nun als Vorsitzende des Verteidigungsausschusses ständig im Austausch mit der Bundeswehr, der Rüstungsindustrie und daran angeschlossenen Verbänden. Das gehört zu meinem Job, und sofern alles transparent ist, ist daran auch nichts Anstössiges.»

Auf ihrer Webseite deklariert Strack-Zimmermann die Mitgliedschaften in den drei oben genannten Organisationen. Sie seien «ehrenamtlich».

Ob Lobbyistin, Interessenvertreterin oder Interessenkonflikte: Viele Leserinnen und Leser erwarten, dass grosse Medien wie Tages-Anzeiger, Der Bund, Berner Zeitung oder Blick über die engen Beziehungen von Marie-Agnes Strack-Zimmermann mit der Rüstungsindustrie nicht so oberflächlich oder bagatellisierend hinwegsehen, sondern sie transparent machen.

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Oben      —    Dr. Marie-Agnes Strack-Zimmermann, Stell­vertretende Vorsitzende FDP, Bürgermeisterin Düsseldorf

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DER ROTE FADEN

Erstellt von DL-Redaktion am 31. Januar 2023

Traumtänzer auf der Fakten-Autobahn

Roter Faden Hannover rote Zusatzmarkierung.jpg

Durch die Woche mit Ariane Lemme

Sich die Welt machen, wie sie uns gefällt, funktioniert nur bedingt. Und es gehört sicher nicht zu den Privilegien von Politikmachenden.

Leugnen ist enorm erleichternd. Für einen selbst. Für den Rest der Welt ist es oft einfach enervierend. Ändert aber nichts daran, dass wir uns alle schön und regelmäßig unser Leben zurechtleugnen. Ich zum Beispiel glaube zurzeit tatsächlich, dass ich noch nie besonders viel Schlaf gebraucht habe und einfach „effizient“ schlafe. Fünf Stunden Koma, dann bin ich wie neu. Oder dass ich ganz bestimmt, wenn unsere Kinder erst etwas größer sind, wieder mit meinen Freundinnen die Welt bereisen und Bücher schreiben werde. Was einen halt so durch den Tag bringt.

Gute Leugner gehen gern in die Politik. Sagen, was ist (etwa: wir sind im Krieg mit Russland, die Klimakatastrophe ist unausweichlich, falls wir nicht endlich unsere verweichlichten westlichen Hintern hochkriegen), kommt da irgendwie nicht so gut an. Wenn die eigenen Illusionen aber deckungsgleich genug mit denen anderer Traumtänzer sind, kann man sogar als vor wenigen Jahren noch halbtot geglaubte Partei eine Regierung terrorisieren.

Wie diese Woche: „Der Autobahnausbau hat mit den Klimazielen gar nichts zu tun.“ So gelogen vom FDP-Fraktionsvize Lukas Köhler im Deutschlandfunk. Dabei hat eine Studie des Umweltbundesamts ebenfalls diese Woche erst gezeigt, dass ein Tempolimit zweieinhalbmal mehr CO2 einsparen würde als gedacht. Würde man nicht nur auf Autobahnen ein Limit von 120 km/h umsetzen, sondern auch eines von 80 km/h auf Landstraßen, könnte so ein Sechstel der nötigen CO2-Einsparungen für die 1,5 Grad-Grenze erreicht werden.

Gut, werden Sie jetzt denken, auch auf neu ausgebauten Autobahnen könnte man langsamer fahren, vorausgesetzt, die FDP ließe das zu. Doch für die Idee, mehr Straßen seien der richtige Abzweig in die Verkehrswende, braucht man natürlich ebenso viel guten Willen. Aber hey, nichts für ungut, FDP. Auch mein Gehirn spielt viele Fakten zugunsten meines Weltbilds runter und hält nur ein begrenztes Maß an Widersprüchen aus. Wie den, dass Menschen, die meine volle Solidarität haben, nicht unbedingt besonders nett sein müssen – sozusagen als Gegenleistung.

In Deutschland brauchen Idioten gar nicht geboren werdem. Wir sehen sie bereits in der Politik, frei umherlaufen.

Das Ganze funktioniert natürlich umso besser, je mehr Leute den Quatsch glauben wollen. Ja je größer die Zahl der Gläubigen, desto besser. Gut zu beobachten war das – ebenfalls diese Woche – mal wieder beim Erinnern an die Befreiung von Auschwitz vor 78 Jahren. Dem Auftakt sozusagen zu einer der Lieblings-Illusionen hierzulande, nämlich der, dass bald darauf auch wir Deutschen durch die Alliierten von dieser Zecke Nationalsozialismus befreit wurden – als hätte die nicht einen ganz dankbaren Wirt gehabt.

Geht’s dagegen um private Belange, ist das mit dem Leugnen meist nur so semi-erfolgreich. Mit Entsetzen (ob meines ebenfalls erfolgreich verleugneten Alters!) musste ich mich diese Woche auch noch an die Lewinsky-Affäre erinnern. 25 Jahre ist es her, dass Bill Clinton glaubte, das Leugnen sei eine super Idee. Und ja: Seine ist eine der ganz wenigen politischen Lügen, die mir sympathisch sind. Weil: was gehen­ mich und Millionen das Sexleben anderer an – auch wenn’s der US-Präsident ist?

Quelle        :        TAZ-online         >>>>>        weiterlesen

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Grafikquellen       :

Oben        —     Roter Faden in Hannover mit beschriftetem Aufkleber als Test für einen möglichen Ersatz des auf das Pflaster gemalten roten Strichs

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KOLUMNE * ERNSTHAFT ?

Erstellt von DL-Redaktion am 22. Januar 2023

Wir brauchen eine Reichensteuer, um den Klimawandel zu bremsen

Meine Villa und mein Geldkoffer sind nicht Verhandelbar !

Eine Kolumne von Ulrike Winkelmann

Der Finanzminister hatte diese Woche erst gar niemanden mehr nach München geschickt zur Verhandlung vor dem Bundesfinanzhof. Weiß ja jeder, dass die FDP den Solidaritätszuschlag abschaffen will. Warum also ministeriale Personal­res­sour­cen damit vergeuden, Staatseinnahmen vor Gericht zu verteidigen.

Der Soli wird inzwischen nur noch von Besserverdienern bezahlt, und zwar auch auf Kapitalerträge. Er ist praktisch Olaf Scholz’Reichensteuer: Scholz hatte noch als Finanzminister in der großen Koalition die Idee, den Soli nur bei den höchsten Etagen zu belassen. Aber klar, diese Etagen haben sehr gute Anwälte (nicht nur bei der FDP), und die argumentieren, der Solidaritätszuschlag sei eben nie als Reichensteuer gedacht gewesen.

Bevor Sie fragen: Doch, die eigentliche Reichensteuer gibt’s auch noch – jenen besonderen Tarif für Allerbestverdiener. Aber der ist so besonders, dass sein Ertrag als eher symbolisch gilt. Der Solidaritätszuschlag dagegen brachte 2022 etwa 10 Milliarden Euro ein. Die FDP setzt darauf, dass die Gerichte ihr die Arbeit bei seiner Abschaffung abnehmen, ähnlich wie Mitte der 1990er bei der Vermögenssteuer, die sich nie wieder einführen ließ.

Ich möchte nicht defätistisch wirken, aber meine Hoffnung ist in den vergangenen Jahren geschrumpft, dass es irgendwann noch gelingen könnte, die finanzstärksten Bevölkerungsprozente auf einen größeren Beitrag zum Gemeinwesen zu verpflichten. Mit einer gewissen Abhärtung („die schlimmste Steuersenkung ist immerhin schon über 20 Jahre her“; „in den USA ist es noch schlimmer“) lässt sich das im Alltag, wie die meisten moralischen Fragen, wegblenden.

Allerdings werfen jüngere Zahlen zum CO2-Ausstoß der Bestgestellten nun doch die Frage auf, ob wir uns die ungebremste Anhäufung von Reichtum rein physisch, also ökologisch, noch leisten können. Einen Anstieg der Privatjetflüge in Deutschland um 9 Prozent binnen eines Jahres etwa haben die Investigativen von SZ und NDR errechnet. Wie jedes Jahr zum Wirtschaftsgipfel in Davos hat uns Oxfam wiederum erklärt, wie viel reicher die Reichen inzwischen geworden sind. Da der individuelle CO2-Ausstoß weitgehend linear mit dem Wohlstand wächst, lässt das nichts Gutes fürs Klima vermuten.

Das kann natürlich so nicht bleiben. Solange sich keine Regierung findet, die vom wachsenden Reichtum der Wenigen etwas in Richtung Schulen, Bahnen oder Klimaschutz abzweigen will, sollten wir andere Ansätze zur Verhaltenssteuerung nicht ausschließen. Vielleicht Marketing – das Geld will ja ausgegeben werden. Gibt es schon Agenturen für klimaschonenden Luxuskonsum, die neue Statussymbole entwickeln? Was ist zum Beispiel mit Sänften, getragen natürlich von übertariflich bezahlten Fachkräften? Statusdefinierend jedenfalls müsste der maximale Stundeneinsatz bestentlohnter Facharbeit bei geringstmöglichem Ressourcenverbrauch sein. Wobei: Das ist in Zeiten des Arbeitskräftemangels dann trotzdem wieder ein Problem für alle anderen.

Quelle       :        TAZ-online         >>>>>          weiterlesen

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Grafikquellen          :

Oben     —   Protest von FridaysForFuture und Anderen, sowie Ankunft der Verhandlungsteilnehmenden an der Messe Berlin zum letzten Tag der Sondierungsgespräche für eine Ampelkoalition.

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Unten       —       Ulrike Winkelmann. Foto: SeeSaw /Sophia Lukasch www.seewsaw-foto.com Veranstaltung „Öffentlich-rechtliche Medien im (digitalen) Wandel“ der Heinrich-Böll-Stiftung Berlin

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Alter Kack, neuer Frack

Erstellt von DL-Redaktion am 2. Januar 2023

Versuche der kapitalistischen Staaten, die Inflation zu bekämpfen

Quelle:    Scharf  —  Links

Von Tomasz Konicz

Über einen linksliberalen Versuch, das Ende des Kapitalismus zu beschreiben, ohne ihn abschaffen zu wollen.

Endlich! Nach all den Jahren, in denen Wertkritiker/innen, einsamen Rufern in der Wüste gleich, den Selbstzerstörungsdrang des Kapitals thematisierten, vor dem Kollaps des Zivilisationsprozesses aufgrund der Unvereinbarkeit von Kapitalismus und Klimaschutz warnten, scheint nun auch die etablierte veröffentlichte Meinung das Thema aufzugreifen. Ulrike Herrmann etwa, Wirtschaftsredakteurin der „Taz“, dem linksliberalen Organ der grünen Regierungspartei, hat ein Buch über Das Ende des Kapitalismus geschrieben, in dessen Untertitel die Unvereinbarkeit von „Wachstum“ und Klimaschutz konstatiert wird.

Wird damit die radikale Krisentheorie zum „Mainstream“? Die ehemalige Keynesianerin Herrmann, die sich noch 2018 in ihrem Bestseller Kein Kapitalismus ist auch keine Lösung nicht von ihrem geliebten Kapitalismus trennen wollte, sieht jedenfalls keine Alternative mehr zur Systemalternative. Sie scheint binnen weniger Jahre von einer Gesundbeterin des Kapitalismus zu einer Postkapitalistin geworden zu sein.

Was macht es da schon, wenn etliche der zentralen Aussagen ihres neuen Buches den Eindruck erwecken, sie seien aus den Texten der Wertkritik schlicht abgeschrieben worden, ohne irgendeinen Verweis darauf, wo Herrmann ihre Weisheiten plötzlich hernimmt? Wenn sie etwa schreibt, dass es keine Alternative zum „Wachstumsverzicht“ gebe, weil das Wachstum sonst später gewaltsam enden würde, da es die „Lebensgrundlagen zerstört“ habe, gibt sie damit – allerdings schwammig formuliert – eine zentrale These der Wertkritik wieder. Dasselbe gilt für ihre Feststellung, dass keynesianische Konjunkturprogramme in Krisenzeiten zwar die Wirtschaft ankurbeln können, zugleich aber die Klimakrise buchstäblich anheizen.

Gemessen an den Maßstäben der liberalen Mittelschicht handelt es sich hier um geistigen Diebstahl. Doch unter fortschrittlichen Kräften gelten andere Regeln. Im Idealfall herrscht eine Art Open-Source-Ansatz. Hier sind Einsichten und theoretische Erkenntnisse Allgemeingut, das von allen Interessierten verbreitet und vor allem weiterentwickelt werden kann und soll. Und Herrmanns Buch scheint ja – im Gegensatz zu den meisten Hervorbringungen der Linkspartei – auch einen zentralen progressiven Anspruch in der Systemkrise zu erfüllen: Die Überlebensnotwendigkeit einer Überwindung des Kapitalismus wird betont. Auch ist zu bedenken, dass Herrmann als Multiplikatorin fungiert. Sie kann bei ihren Medienauftritten, mit Rückendeckung grünennaher und liberaler Medien, Zehntausende erreichen, und nicht lediglich Hunderte oder – wenn es gut läuft – Tausende, wie es in der linken Szene nun mal üblich ist.

Wird also der Kampf um eine postkapitalistische Zukunft endlich zur Angelegenheit des Mainstreams? Anders gefragt: Handelt es sich bei Herrmanns Ende des Kapitalismus um einen fortschrittlichen Beitrag zur Krisendebatte? Erste Zweifel könnten ja bereits beim überschwenglichen Lob aufkommen, mit dem Herrmann den Kapitalismus ob seiner bisherigen Verdienste (Demokratie! Wohlstand! Komfort!) überschüttet, bevor sie seine ökologischen Entwicklungsschranken thematisiert. Da kommt offensichtlich die bornierte Perspektive der deutschen weißen Mittelklasse zum Tragen, die souverän die katastrophalen Zustände in der Periphere des Weltsystems und der Unterschicht in den Zentren ausblendet.

Doch ließe sich hier argumentieren, dass mit dem Lob des Kapitalismus der notwendige Bruch gemildert werden soll, den die Mittelklasse beim Abschied von ihrem goldenen kapitalistischen Gedankenkäfig erleiden würde. Schwieriger wird es, Herrmann zu folgen, wenn sie beginnt, unter Bezugnahme auf die Parole „System Change, not Climate Change“ konkrete Vorgaben für eine „alternative“ Wirtschaftsweise zu entwickeln – sie riechen verdächtig nach dem Staatskapitalismus der dreißiger Jahre des 20. Jahrhunderts. Herrmann bezieht sich auf die Kriegswirtschaft Großbritanniens, die einer postkapitalistischen Alternative als Vorbild dienen soll (die Kriegswirtschaft der Nazis unterschied sich übrigens in ihren Grundzügen kaum von jener). Staatliche Planung, Rationierung und Konsumverzicht werden als Maßnahmen aufgeführt, mit denen die Absenkung der Schadstoff-Emissionen rasch zu erreichen wäre. Immerhin fordert Herrmann, dass jedem Bürger dasselbe CO2-Limit (eine Tonne pro Jahr) zugewiesen wird, so dass sich Reiche weitaus stärker einschränken müssten als die Mittelschicht oder die Armen.

Goldbarren.jpg

Hermann ergänzt dieses Plädoyer für einen Staatskapitalismus mit Ideen aus dem alternativ-ökologischen Umfeld der Grünen: der Degrowth-Bewegung, der Tauschwirtschaft oder der Gemeinwohlökonomie. Gemeinsame Warennutzung, Arbeitszeitverkürzung, bedingungsloses Grundeinkommen, berufliche Umorientierung werden in diesem Zusammenhang als flankierende Maßnahmen einer staatlich geplanten „Überlebensökonomie“ genannt. Ein Staatskapitalismus mit grünem Anstich, sozusagen. Konsumverzicht bei staatlich organisierter Warenrationierung und gemeinsame Yogakurse – darauf scheint Herrmanns „Systemalternative“ hinauszulaufen, die nur deswegen als solche verkauft werden kann, weil die „Taz“-Journalistin es tunlichst unterlässt, sich einen Begriff vom Kapital zu machen, wie die Wochenzeitung „Freitag“ in ihrer Rezension des Buches bemerkte. Dass das Kapital ein Prozess uferloser Verwertung von Lohnarbeit in der Warenproduktion ist, eine die gesamte Gesellschaft nach seinem Ebenbild formende Totalität, hat Herrmann in ihrem vorherigen Buch zumindest noch geahnt. Davon ist nun nur noch das regressive und nebulöse Gerede von „Wachstum“ übrig geblieben.

Es bleibt unklar, was Herrmann unter Kapitalismus versteht, so dass kapitalistische Institutionen, Prozesse oder Phänomene als postkapitalistische verkauft werden können. Konsumverzicht, den Herrmann fordert, impliziert den weiterhin bestehenden Konsum, der ja nur Ausdruck der Warenproduktion ist. Denn Konsum ist, im Gegensatz zur Bedürfnisbefriedigung, immer Warenkonsum, also Nebenprodukt der Jagd nach Profit. In einer postkapitalistischen Gesellschaft müssten die menschlichen Bedürfnisse aber gerade aus dem Korsett der Warenform befreit werden. Herrmann möchte den Kapitalismus abschaffen und zugleich die „Elementarform“ (Marx) des Kapitals, die Ware als Träger des Werts, beibehalten.

Auch das Privateigentum an Produktionsmitteln soll bei der Überwindung des Kapitalismus in der „Demokratischen Privaten Planwirtschaft“ (so tituliert Herrmann den britischen Kriegskapitalismus) offensichtlich beibehalten bleiben. Der postkapitalistische Etikettenschwindel, den Herrmann hier betreibt, gilt aber vor allem für den Staat, der kein Gegenprinzip zu Markt und Kapital ist, sondern, in seiner Eigenschaft als „ideeller Gesamtkapitalist“, eine notwendige Korrekturinstanz kapitalistischer Gesellschaften, die das Funktionieren des Gesamtsystems gewährleisten soll. Der Staat war auch historisch Geburtshelfer des Kapitals, und er ist aufgrund der Steuern abhängig vom Verwertungsprozess des Kapitals. Ohne ausreichende Kapitalverwertung gibt es keinen Staat – und umgekehrt. Deswegen zerfielen in den Krisenschüben der vergangenen Dekaden viele Staaten der Peripherie zu „failed states“, weil in ihnen die ökonomische Krise des Kapitals so weit gediehen war, dass selbst die Staatsapparate verwilderten.

In ihrem mittelschichtskompatiblem Staatsfetischismus ist Herrmann wieder ganz Keynesianerin. Spätestens an diesem Punkt rächt es sich, dass sie nur die ökologische Problematik des kapitalistischen Krisenprozesses von der Wertkritik abschrieb, ohne dessen ökonomische Dimension adäquat wahrzunehmen. Die gegenwärtige Systemkrise ist kein bloßes Reenactment der Durchsetzungskrise (Robert Kurz) der Dreißiger und Vierziger, als mit der Kriegsmobilisierung der Fordismus als neues Akkumulationsregime sich durchsetzte. Es gibt heute keine Aussicht auf ein neues Akkumulationsregime, weshalb die staatlichen Erosionstendenzen auch in den Zentren um sich greifen: In Deutschland in Gestalt der rechten Netzwerke und Rackets, die immer selbstbewusster agieren – und denen Herrmann nun die Kontrolle über die gesamtgesellschaftliche Reproduktion anvertrauen will. Staatskapitalismus ist auch vielfach schon jetzt schnöde Krisenrealität: in China, in Gestalt der russischen Staatsoligarchie, oder auch in Ägypten, wo das Militär eine „Kriegswirtschaft“ ohne Krieg aufbaut. Staatliche Expansion und Erosion des Staats gehen oft Hand in Hand.

Sicherlich würde Hermann die Unterstellung empört zurückweisen, Russland oder Ägypten hätten für Sie Vorbildcharakter. Doch der autoritäre Staat ist die raue Krisenrealität, und nicht das keynesianische Idealbild des unparteiischen regulierenden Staates. Es ist ein kapitalistischer Krisenreflex, dass die Funktion des Staates in Krisenzeiten sich ausweitet. Der autoritäre und „verrohende“ Staat wird im weiteren Krisenverlauf eine immer größere Rolle spielen. Und deshalb sind Herrmanns Ausführungen ideologisch. Sie liefert die Rechtfertigung der kommenden Ära autoritärer staatlicher Verwaltung der kapitalistischen Systemkrise, die inzwischen nicht nur die Peripherie verwüstet, sondern auch die Zentren voll erfasst. Die Angst der deutschen Mittelklasse vor der Krise dürfte dieser Flucht in die Arme des scheinbar starken Staates massenhaften Zulauf verschaffen – von dem aller Erfahrung nach die deutsche Rechte profitieren wird.

Herrmanns Rechtfertigung der autoritären Formierung der Krisenverwaltung vollzieht sich über die Entkernung des Kapitalismusbegriffs, der zu einer bloßen Worthülse wird, die beliebig mit Inhalten gefüllt werden kann. Da der Kapitalismus in Verruf geraten ist, muss seiner Krisenform ein neues Label verpasst werden: Die kapitalistische Krisenverwaltung, die Herrmann propagiert, sei kein Kapitalismus mehr, so das zentrale Ideologem der Wirtschaftsredakteurin. Darum auch liefert Herrmann keine Definition des Kapitals; damit ihr ideologischer Taschenspielertrick verfangen kann, muss sie im Vagen bleiben. Die jahrelang erfolgreich propagierte Schimäre eines „grünen Kapitalismus“ weicht nun der bloßen Umetikettierung drohender autoritärer Krisenverwaltung zu Postkapitalismus – ein mit Worthülsen operierendes Rebranding des Kapitalismus, der aufgrund seiner Dauerkrise inzwischen einen sehr schlechten Ruf genießt.

Ulrike Herrmann: Das Ende des Kapitalismus: Warum Wachstum und Klimaschutz nicht vereinbar sind – und wie wir in Zukunft leben werden. Kiepenheuer & Witsch, Köln 2022, 352 Seiten, 24 Euro

Tomasz Konicz schrieb in konkret 11/22 über die Versuche der kapitalistischen Staaten, die Inflation zu bekämpfen

Erstveröffentlicht in Konkret 12/2022

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Oben      —   Alleestraße 144 in Bochum

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Merz – 100 Jahre zu spät

Erstellt von DL-Redaktion am 29. November 2022

Bürgergeld: Stimmungsmache auf Stammtischniveau

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Putins Raketen auf Polen

Erstellt von DL-Redaktion am 20. November 2022

Strack-Zimmermann: «Ich bereue meinen Tweet nicht»

Würden Politiker-innen je etwas bereuen, lernte Niemand sie als Säue kennen!

Quelle      :        INFO Sperber CH.

Urs P. Gasche /   

Die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses des Bundestags machte Russland für den Raketeneinschlag in Polen verantwortlich.

Die beiden FDP-Exponenten Marie-Agnes Strack-Zimmermann und Alexander Lambsdorff glaubten sofort dem ukrainischen Präsidenten Selensky und machten Russland für die Rakete verantwortlich, die im Polen einschlug und dort zwei Menschen tötete.

Diese Anschuldigung war von Anfang an unglaubwürdig, weil Russland überhaupt kein Interesse daran haben kann, einen Bündnisfall der Nato auszulösen. Allenfalls hätten russische Soldaten eine Rakete irrtümlicherweise falsch manipuliert. Schon bald jedoch war klar, dass die Rakete zwar aus russischer Produktion stammte, jedoch eine Abwehrrakete war, welche die ukrainische Armee zündete.

Doch Strack-Zimmermann und Lambsdorf glaubten sofort dem ukrainischen Präsidenten Selensky, der sagte: «Dies ist ein russischer Raketenangriff auf die kollektive Sicherheit!» und hinzufügte: «Das bedeutet eine sehr bedeutende Eskalation. Wir müssen handeln.»

Strack-Zimmermann twitterte:

Tweet Strack-Zimmermann

Alexander Lambsdorff folgte sogleich:

Tweet Lambsdorff
© AL
Die Quelle AP genügte auch Bild-Chefredaktor Johannes Boie, um eine Meldung über den «bewaffneten Angriff auf Nato-Territorium» zu verbreiten: «Die russische Armee hat Polen bombardiert. Putin spielt mit dem Weltkrieg.» Die Schlagzeile auf der Frontseite der Bild-Zeitung ist oben abgebildet: «Putin feuert Raketen nach Polen.»

In der Schweiz meldete das Tamedia-Blatt 20 Minuten: «US-Geheimdienst bestätigt: Russische Raketen schlagen im Nato-Land Polen ein – mindestens zwei Tote.» Dass auch die Ukraine über russische Raketen verfügt, wurde verschwiegen und der Eindruck erweckt, Russland habe Polen angegriffen.

Nachdem feststand, dass die Russen dieses Mal unschuldig waren, fragte das ARD/ZDF-Morgenmagazin die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses, ob sie ihren Tweet bedaure. Strack-Zimmermann meinte jedoch: «Ich bereue diesen Tweet nicht.» Schliesslich würden die Russen die Ukraine ständig mit Raketen angreifen.

Strack-Zimmermann: Problematische Kontakte zur Rüstungsindustrie

Der Verein Lobbycontrol hält die ehrenamtlichen Funktionen der Verteidigungsausschuss-Vorsitzenden Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP) in Vereinen, an denen die Rüstungsindustrie zentral beteiligt ist, für schlecht vereinbar mit ihrer Tätigkeit als Ausschussvorsitzende. Strack-Zimmermann ist unter anderem Mitglied im Präsidium der Deutschen Gesellschaft für Wehrtechnik sowie beim Förderkreis Deutsches Heer. «Beides sind von der Rüstungsindustrie stark beeinflusste Organisationen, wo wir es kritisch sehen, wenn Abgeordnete des Bundestages dort leitende Funktionen übernehmen – auch wenn es ehrenamtlich geschieht», sagte Lobbycontrol-Sprecher Timo Lange der «Neuen Osnabrücker Zeitung». Die Rüstungsindustrie würde damit über «sehr enge und privilegierte Zugänge ins Parlament verfügen».

Der ARD-Faktencheck betätigte: «Beide Organisationen zählen neben der Gesellschaft für Sicherheitspolitik e.V. (GSP) zu den wichtigsten Lobby-Verbänden der deutschen Rüstungsindustrie.» Die Antikorruptionsorganisation Transparency International warnte in den vergangenen Jahren immer wieder vor einer möglichen Einflussnahme der Rüstungsindustrie auf politische Entscheidungsprozesse. 

Henning Otte, Vizepräsident des Förderkreises Deutsches Heer, sieht im Engagement von Strack-Zimmermann kein Problem: «Im Förderkreis Deutsches Heer sind alle Parteien vertreten mit Ausnahme der Linken und der AfD. Aus meiner Sicht gehört der Kreis, in dem sich Politik, Soldaten und Rüstungsindustrie austauschen, zum notwendigen Rahmenprogramm eines Verteidigungspolitikers […] Die Mitgliedschaft von Frau Strack-Zimmermann in mehreren Verbänden der Sicherheitspolitik und Rüstung ist aus meiner Sicht nicht verwerflich.»

Strack-Zimmermann sagt, wie es die meisten PolitikerInnen in ähnlichen Fällen tun: «Ich betreibe keine Lobbyarbeit für die Rüstungsindustrie.»

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Oben      —       Serie:112. Parteitag der FDP Baden-Württemberg am 5. Januar 2015 in StuttgartBild:Marie-Agnes Strack-Zimmermann

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Hartz 4 oder Bürgergeld?

Erstellt von DL-Redaktion am 15. November 2022

Die lange Gedächtnisleistung der Gesellschaft

https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/6/6d/KAS-Rentenpolitik-Bild-12016-1.jpg

Von: Jimmy Bulanik

Derzeit versuchen Konservative und Liberale mit dem Bürgergeld ein Gesetz zu einem Plus an Kooperation und Vertrauen für die Lebensqualität der Menschen in der Gesellschaft zu verwässern. Verhindern können diese Zirkel a la Mont Pèlerin Society das Gesetz nicht. Der Zeitgeist in der Zivilgesellschaft ist diesen Parteien wie CDU, CSU, FDP, AfD weit voraus, wo sich im Geiste die Kreise schließen.

Die Gesellschaft im Inland stellt die Volkswirtschaft Nummer 4 auf der Welt, Volkswirtschaft Nummer 1 auf dem Binnenmarkt der Europäischen Union dar und soll immer egalitärer werden. In der Armut dem daraus resultierenden Elend wie Krankheiten, Schulden, Obdachlosigkeit wohlgemerkt.

Das ist nicht das, wonach die Julia Friedrichs in ihrem Wirken wie Dokumentationen oder dem publizieren von Fachliteratur forscht. Vielmehr gilt es die Menschenwürde in Europa aufrecht zu erhalten. Beispiele für das Gegenteile erlebte die Weltgemeinschaft die vorigen gelegten Grundlagen, welche einen Herrn Trump als Präsident der USA möglich gemacht haben oder innerhalb Europa den Ausstieg des Vereinigten Königreich aus der Europäischen Union. Was ein Friedensprojekt aus den Erfahrungswerten nach zwei Weltkriegen ist, welche den europäischen Boden verbrannt hat und darin zirka 77 Millionen Menschen ihr Leben verloren haben.

Für die Ziele und Ansinnen der CDU, CSU, FDP, AfD die Gesellschaft insgesamt verarmen, in Elend verkommen zu lassen wie es in dem Vereinigten Königreich, den Vereinigten Staaten von Amerika bereits seit Jahrzehnten der Fall ist, können und dürfen alle Menschen im Land sich das in ihr Langzeitgedächtnis legen. Die lange Gedächtnisleistung der Gesellschaft sollte niemand unterschätzen. Sie münden in dem Wahlverhalten der Menschen.

Für die Parteien wie der CDU, CSU stirbt die Wählerschaft auf Lebenszeit, welche Senioren sind aus. Das bedeutet, es gibt im politischen Sinne keine sichere Bank mehr. Das befördert den Wettbewerb um die Gunst der Gesellschaft zu den Wahlen mit ebensolchen öffentliche bekleidete Ämter und innerparteiliche Arbeitsplätze wie Büropersonal.

Wahltage sind Zahltage

Als auch die Zuwendung auf die Menschen an der Basis in allen Bundesländern. Gute Politik mit ebensolchen würdigen Gesetzen dürfen den verantwortlichen Parteien an der Wahlurnen gewürdigt werden. Ob am 27. November 2022 bei der Wahl des Posten des Landrates im Landkreis Kleve, am 14. Mai 2023 wird in Schleswig – Holstein die Kommunalwahl abgehalten und genau an dem Tag wählt die Freie Hansestadt Bremen ihre Bürgerschaft mit drei Stimmen im Bundesrat, oder später im Herbst 2023 bei der Landtagswahl in Hessen mit fünf Stimmen im Bundesrat, im Herbst 2023 im Freistaat Bayern mit vollen sechs Stimmen im Bundesrat.

Die Termine zur Wahl bei den Landtagswahlen in Hessen und im Freistaat Bayern im Jahr 2023 stehen zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht fest. Auch steht es den Menschen in allen Bundesländern frei vor den anstehenden Wahlen beispielsweise zur Weihnachtszeit dem Landesverband der bevorzugten Partei eine ebensolche Wahlkampfspende zu überweisen. Jeder Euro ist hilfreich, ganz nach dem musikalischen Narrativ von AC / DC mit deren weltweit bekannten Lied „Money Talks“.

Mit einen gefüllten Magen fliegt ein Republikaner noch besser als Trump.

Die Grundrechte der Menschen in einer demokratisch verfassten Bundesrepublik Deutschland sind sakrosankt. Demzufolge können und dürfen alle Menschen jederzeit ohne eine Obergrenze davon Gebrauch machen. Ob via Email bei dem für sich zuständigen MdB, via den Plattformen im Internet. Diese Zuschriften können in einer Vergleichbarkeit zu Briefen an den Adressat, bzw. den Adressaten nicht unterwegs verloren gehen.

Das ist für alle MdB von Vorteil die Gewissheit zu haben, wie die eigene Auffassung zu welchen Gesetzen, Wirken der Politik insgesamt ist. Das ist in jedem Fall besser als im privaten Segment unproduktiv zu protestieren. Geschweige an Seelenfängerinnen, Seelenfänger zu geraten.

Das mobile Internet auf dem Smartphone in der eigenen Tasche ist eine tatsächliche Macht. Es gibt mit dem Dienst Mastodon mastodon.social/explore eine Möglichkeit sich an der öffentlichen Meinungsbildung zu beteiligen. Dieser ist Sparsam was die Daten anbetrifft und in jedem Fall demokratischer.

Nützliche Links im Internet:

ZDF – Die Anstalt zum Netzwerk der Mont Pèlerin Society

www.youtube.com/watch?v=vzUNwWpk6CE

Der Wikipedia Eintrag zur Mont Pèlerin Society

de.wikipedia.org/wiki/Mont_P%C3%A8lerin_Society

AC / DC – Moneytalks

www.youtube.com/watch?v=2lqdErI9uss

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Oben        —         Lügen HABEN KURZE BEINE. >>Ich stehe dafür, daß die Renten steigen wie die Nettoeinkommen.<< Gerhard Schröder, 17. Februar 1999 Abbildung: Porträtfoto Plakatart: Kandidaten-/Personenplakat mit Porträt Auftraggeber: CDU-Bundesgeschäftsstelle, Hauptabteilung Öffentlichkeitsarbeit, Bonn Objekt-Signatur: 10-025 : 311 Bestand: Wandzeitungen (10-025) GliederungBestand10-18: CDU-Bundesgeschäftsstelle Lizenz: KAS/ACDP 10-025 : 311 CC-BY-SA 3.0 DE

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Amt gegen Geldwäsche

Erstellt von DL-Redaktion am 19. Oktober 2022

Mafia, Hände hoch, jetzt kommt Christian Lindner

Der Kleine kommt auf schmalen Hacken und will das ganze Land verkacken ?

Eine Kolumne von Thomas Fischer

Der Finanzminister will eine Behörde gegen Geldwäsche schaffen. Was bei »Die Unbestechlichen« im Kino klappt, sollte doch auch in der Realität funktionieren. Oder?

Finanzielles

Der Mensch als solcher möchte gut sein, schafft dies aber in seiner konkreten Gestalt nicht immer. Sehr viele Menschen begehen vielmehr Handlungen, die unmoralisch, verboten, sogar mit Strafe bedroht sind: Straftaten. Was eine Straftat ist, ergibt sich, sofern man in einem Rechtsstaat lebt, nicht aus der Moral, der Laune der Mächtigen oder dem Volkszorn, sondern aus dem Gesetz.

Eine Straftat ist die Verwirklichung der gesetzlichen Merkmale einer Strafnorm (eines »Straftatbestands«) ohne Rechtfertigung. Diese Tatbestände, die im »Strafgesetzbuch« (StGB), aber auch in vielen anderen Gesetzen enthalten sind, sollen ganz verschiedene Gegenstände, Zustände, Umstände vor Verletzungen und Schäden schützen. Das sind die sogenannten Rechtsgüter. Wir kennen ganz verschiedene Arten von Rechtsgütern: Höchstpersönliche wie Leib und Leben, allgemeine wie die öffentliche Ordnung, individuelle und kollektive, sehr abstrakte wie die »Volksgesundheit« und ganz konkrete wie das Eigentum an einer Sache.

Soweit es um »Geldwäsche« geht, liegt der Gedanke nahe, dass ein enger Zusammenhang vor allem mit der »Vermögens«-Kriminalität im weiteren Sinn besteht. Also mit solchen Straftaten, bei denen die Rechtsgüter Vermögen, Eigentum, Besitz, Kreditwürdigkeit, Urheberrecht oder Wettbewerb verletzt werden. Dieser Gedanke greift allerdings zu kurz. Das versteht man, wenn man sich kurz den Straftatbestand der »Hehlerei« (§ 259 StGB) anschaut: Bestraft wird danach unter anderem, wer eine von einer anderen Person durch Diebstahl, Unterschlagung, Betrug, Raub usw. erlangte konkrete Sache »sich verschafft«.

Wichtig ist hieran, dass die Hehlerei, ein sehr alter Tatbestand, stets auf konkrete Sachen bezogen ist. Wenn also die Räuberin R dem Opfer O mit Gewalt zehn Geldscheine wegnimmt und diese Scheine dann ihrem Freund F schenkt, begeht F, wenn er die Herkunft kennt, eine Hehlerei an den konkreten Geldscheinen. Wenn R das Geld aber auf ihr Konto einzahlt und dann die Summe an F überweist, erlangt er keine Geldscheine, sondern einen Auszahlungsanspruch gegen die Bank. Auch wenn er nun die ganze Summe bar abhebt, begeht er keine Hehlerei, denn natürlich erlangt er nicht die konkret geraubten Scheine.

Eine »analoge« (»entsprechende«) Anwendung des § 259 StGB ist nicht möglich, denn sie wäre wegen Verstoßes gegen das Bestimmtheitsgebot (Art. 103 Abs. 2 GG) verfassungswidrig: Man kann das Wort »Sache« nicht als »Auszahlungsanspruch« auslegen. So ist das nun mal im Rechtsstaat: »Totschlag« ist das Töten eines »anderen Menschen«, und wer einen Hund zu Tode quält, begeht daher keinen Totschlag, sondern eine Tierquälerei.

Weil es aber ungerecht erscheint, die Hehler von Sachen zu verfolgen, die »Ersatzhehler« an unkonkreten »Vermögens«-Werten aber nicht, hat der deutsche Gesetzgeber im Jahr 1992 den Straftatbestand der »Geldwäsche« (§ 261 StGB) eingefügt (»Gesetz zur Bekämpfung der Organisierten Kriminalität«). Nach dieser Vorschrift wird bestraft, wer einen »Gegenstand«, der aus einer anderen Straftat »herrührt«, entweder versteckt oder seine Herkunft verschleiert oder sich oder einer dritten Person »verschafft«. »Gegenstände« im Sinn des Gesetzes sind nicht nur Sachen, sondern auch Rechte. Der Auszahlungsanspruch des F im oben genannten Beispiel ist ein solches Recht. F könnte daher wegen Geldwäsche bestraft werden.

Märchenhaftes

Nach dieser saftig-spannenden Einleitung geht es nun vorübergehend etwas trockener weiter: Wir haben es bei der Geldwäsche-Bestrafung also auf den ersten Blick mit einer sachlich naheliegenden Übertragung der Hehlerei-Strafbarkeit auf Nicht-Sachen zu tun. Ein gewaltiger Haken steckt bei näherem Hinsehen allerdings im Begriff »Herrühren«: Da der Tatgegenstand keine konkrete Gestalt hat, kann er schlichtweg alles sein, was – irgendwie – aus einer (fremden oder eigenen) Tat stammt. »Herrühren« umfasst nämlich auch alles, was mittelbar auf den Gegenstand zurückzuführen ist, der aus der Vortat stammt. Das bedeutet: Solange kein »gutgläubiger« Zwischenerwerb stattgefunden hat, pflanzt sich das Unrecht der Vortat in Gestalt des »Gegenstands« immer weiter fort. Dabei vermischt sich dieser Gegenstand laufend mit allen denkbaren anderen Gegenständen, die nicht aus Straftaten »herrühren«, und »kontaminiert« diese: Wenn zu 90 Euro legal erworbenem Geld 10 Euro hinzukommen, die aus einer (fremden) Straftat stammen, werden die ganzen 100 Euro zu einem »Gegenstand, der aus einer Straftat herrührt«.

Eine weitere Erwägung macht die »Geldwäsche«-Problematik deutlicher. Die Verfolgung der Geldwäsche dient nämlich nicht etwa exklusiv dazu, Gewinne aus kriminellen Geschäften »abzuschöpfen«. Das geht auch ohne § 261, nämlich mittels »Einziehung« (§§ 73 ff., 76a StGB), und auch ganz ohne Strafverfahren. Indem man aber die »Ersatzhehlerei« an allen denkbaren »Gegenständen«, die aus bestimmten Vortaten »herrühren«, als selbstständige Tat strafbar macht, verlängert man die Spur dieser Vortaten ins Unendliche. Zugleich lässt sich das gedanklich umkehren: Wenn man alle »Gegenstände« aufspüren könnte, die aus Straftaten herrühren, könnte man alle diese Taten auffinden und aufklären. Das ist es, was im Kriminalisten-Wording »Der Spur des Geldes folgen« heißt. Es beschreibt nicht weniger als die »Theorie« und die Utopie, mittels Verfolgung der »Geldwäsche« alle Taten, aus denen Gegenstände herrühren können, nicht nur nachträglich aufklären zu können, sondern sie im Vorfeld auch verhindern zu können. Die schlichte Formel lautet: Wenn illegale Geschäfte sich nicht mehr »lohnen«, werden sie auch nicht mehr gemacht.

Dieser – mit Verlaub: etwas kindlich wirkende – Gedanke stammt aus dem Theorienschatz der US-amerikanischen Drogenpolitik und -verfolgung. Da man des illegalen Drogenmarkts offenkundig nicht Herr wurde (und immer weniger wird), kam man dort schon vor Jahrzehnten auf die Idee, ihn zu bekämpfen, indem man »einfach« die durch Drogenhandel generierten Erlöse aus dem Markt zieht. Wenn die Dealer ihre Gewinne nicht mehr in den legalen Geldmarkt einspeisen können, so lautet die Theorie, dann hören sie auf zu dealen.

Das hat, wie man zugeben muss, seit einigen Hundert Jahren bei der Hehlerei nicht geklappt. Aber die Hoffnung lebt ja immer fort: Man muss die wirtschaftlichen Bewegungen der Gesellschaft nur vollständig durchsichtig machen, und schon ist die Kriminalität abgeschafft. Toll!

In den Achtziger- und Neunzigerjahren des vergangenen Jahrhunderts verbreitete sich diese Strategie mittels der von den USA dominierten internationalen Drogenpolitik, teils auch mittels durchaus massiven Drucks, weltweit.

»Geldwäscheparadies Deutschland«: Wahrscheinlich stand der Begriff vor 20, 30 Jahren in irgendeinem Referatstext einer BKA-Tagung.

Der deutsche Straftatbestand des § 261 führte zunächst eine »Vortatenliste« ein, also eine Aufzählung einiger besonders Geldwäsche-geneigter schwerer Straftaten. Diese Liste wurde über die Jahre, wie es in der Natur solcher Listen liegt, permanent erweitert. § 261 StGB ist die bei Weitem am häufigsten geänderte (meint: erweiterte) Vorschrift des StGB. Besonders bemerkenswert war es, dass schließlich auch die Steuerhinterziehung als »Vortat« und als geldwäschetaugliche Gegenstände auch solche eingestuft wurden, »hinsichtlich derer« Steuern hinterzogen wurden. Das können auch Gegenstände sein, die ganz legal erworben wurden. Auch wer sie »sich verschafft«, wird bestraft.

Quelle         :         Spiegel-online      >>>>>        weiterlesen

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Oben     —     Christian Lindner am Wahlabend der NRW Landtagswahl am 14. Mai 2017 in Düsseldorf

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DER ROTE FADEN

Erstellt von DL-Redaktion am 18. Oktober 2022

Deutsche Waffendebatte: Leopard, Kubicki und andere Panzer

Roter Faden Hannover rote Zusatzmarkierung.jpg

Durch die Woche mit Nina Apin

Gutes Gerät, schlechtes Gerät: Die Berliner CDU will alte Sowjet-Panzer loswerden. Gleichzeitig hat das Waffen-Bescheidwisser-innentum Konjunktur.

Panzer oder keine Panzer – und wenn ja welche? Die öffentliche Debatte geht munter weiter, obwohl sich der Krieg gegen die Ukraine gerade eher in der Luft abspielt und das erstaunlich schnell vom Hause Lam­brecht gelieferte Luftabwehrsystem Iris-T dort (hoffentlich) gute Dienste verrichtet – auf jeden Fall bessere als nicht gelieferte Leopard-Kampfpanzer.

Doch unsere schönen Panzerdiskussionen lassen wir Deutschen uns so leicht nicht nehmen – wo wir uns in den vergangenen Monaten doch erst mühsam, von Talkshow zu Talkshow, vom Pazifistenvolk zu kriegswaffenkundigen Be­scheid­wis­se­r:in­nen gemausert haben. Ich zum Beispiel habe erst kürzlich kapiert, dass mein Sohn, wenn er von Leopard, Marder und Büffel spricht, sich nicht auf den Bio-Unterricht bezieht, sondern Waffenkunde-Smalltalk betreibt.

Der Krieg ist, zum Glück nur in Form von Quartettkarten-Wissen, im Kinderzimmer angekommen. Vorbei die Zeiten, als es noch um den Kleinen Maulwurf ging, später dann um den Weißen Hai. Jetzt werden am Frühstückstisch Frontlinien-News erörtert – quasi synchron mit den Kriegsmeldungen aus dem Radio.

Aber zurück zu den Panzern: Jetzt hat selbst die Ukraine ihr schwerstes Gerät, den Panzerdiplomaten Andrij Melnyk, aus Berlin abgezogen: „Erhobenen Hauptes mit reinem Gewissen“, wie er auf Twitter schreibt, kehrt dieser nun nach Kiew zurück und wird künftig aus dem Außenministerium rhetorische Geschütze nach Berlin abfeuern.

Panzerwrack für Berlin-Mitte

Er hinterlässt ein paar beleidigte Leberwürste, dafür bekommt Berlin nun ein 40 Tonnen schweres, zerbeultes russisches Panzerwrack. Das darf laut Gerichtsbeschluss jetzt doch für zwei Wochen als Mahnmal in Nähe der russischen Botschaft aufgestellt werden, wie von einem privaten Museum beantragt. Die Pietätsbedenken des Bezirks, schließlich seien in dem Fahrzeug „wahrscheinlich Menschen gestorben“, fand das Gericht weniger gewichtig als die Meinungsfreiheit. Das zerbeulte Ding soll bald in der Schadowstraße stehen, einer Seitenstraße von Unter den Linden.

Hätte, hätte, Panzerkette – auf den Weg in die Ukraine oder ins Museum?

Künftig werde ich also auf dem Weg zur Arbeit an drei russischen Panzern vorbeiradeln. Denn an der Straße des 17. Juni stehen ja noch sehr prominent zwei sowjetische Exemplare, in Erinnerung an die bei der Befreiung Berlins gestorbenen Soldaten der Roten Armee. Seit Februar wird das Sowjetische Ehrenmal von der Polizei bewacht, und, ja, ich hatte auch schon wenig pazifistische Gedanken beim Vorbeifahren. Vor allem immer dann, wenn ich gerade ein Grüppchen umfahren hatte, das in Sichtweite zur russischen Botschaft Plakate gegen die „Nato-Kriegstreiber“ hochhält. Ob diesen Leuten durch den Anblick eines kaputten Panzers irgendein Licht aufgeht, wage ich zu bezweifeln.

Die Berliner CDU hat nun eine andere Idee: Die Panzer am 17. Juni müssen weg – angesichts des russischen Angriffskriegs sei die Grundlage für diese Form des Mahnmals zerstört, verlautete aus ihrer Fraktion im Abgeordnetenhaus. Wie bitte? Ach so, in Berlin ist ja wieder Wahl­kampf: Ge­ra­de streitet man sich darüber, ob die Bundestagswahl nächstes Jahr in 300 oder 400 Wahllokalen wiederholt werden muss. Vorher feuert die in Berlin traditionell zerbeulte CDU schon mal ein paar Blindgänger ab.

Kubicki und Koch-Mehrins Gatte

Quelle          :        TAZ-online           >>>>>          weiterlesen

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Oben        —     Roter Faden in Hannover mit beschriftetem Aufkleber als Test für einen möglichen Ersatz des auf das Pflaster gemalten roten Strichs

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Fiktion Schuldenbremse

Erstellt von DL-Redaktion am 6. September 2022

Am 9. Oktober wird in Niedersachsen gewählt,
bis dahin darf das Profil der Ampelparteien nicht leiden.

Zur Debatte – von Ulrike Herrmann

Beim Entlastungspaket wären umfangreichere Hilfen locker möglich gewesen, würde Finanzminister Lindner nicht an seiner fixen Idee festhalten.

Das neue „wuchtige“ Entlastungspaket wird 65 Milliarden Euro kosten, was sofort die Frage provoziert: Wo soll denn dieses viele Geld herkommen? Doch die Kosten sind kein Problem. Sie finanzieren sich weitgehend selbst – und zwar durch die Inflation. Wenn die Preise steigen, nimmt der Staat automatisch mehr Umsatzsteuer ein. Zudem fließen höhere Lohnsteuern, wenn die Gehälter zulegen, um die Geldentwertung auszugleichen.

Das Bundesfinanzministerium schätzt, dass die Steuereinnahmen in diesem Jahr um 7,4 Prozent zunehmen werden – obwohl die Wirtschaft höchstens um 2 Prozent wachsen dürfte. Der große Rest erklärt sich durch die Inflation, die die Steuern sprudeln lässt.

Ein weiterer Effekt: Auch die Schuldenlast des Staates verringert sich, wenn das Geld an Wert verliert. 2021 entsprachen die deutschen Staatsschulden 69 Prozent des BIP, aktuell sind es nur noch 66,1 Prozent – obwohl der Staat keinen einzigen Cent zurückgezahlt hat. Die Schulden verlieren an Bedeutung, weil die steigenden Preise automatisch die Wirtschaftsleistung aufblähen.

Auch ist es keinerlei Problem, dass der Staat Zinsen auf seine Schulden zahlen muss. Auf den internationalen Finanzmärkten betrug die Rendite für 10-jährige Bundesanleihen am Montag ganze 1,56 Prozent. Diese niedrigen Zinsen gleichen die Inflation längst nicht aus, die im Euroraum aktuell bei 9,1 Prozent liegt. Die Anleger sind also bereit, enorme Verluste hinzunehmen, nur damit sie ihr Geld beim deutschen Staat parken dürfen. Oder anders gesagt: Finanzminister Lindner bekommt sogar noch Geld geschenkt, wenn er Kredite aufnimmt. Da wäre es schön blöd, eisern zu sparen und die BürgerInnen in der jetzigen Krise allein zu lassen.

Es war daher absolut richtig, ein großes Entlastungspaket zu schnüren. Die Frage ist allein, ob es „wuchtig“ genug ist – und wie sinnvoll die einzelnen Maßnahmen sind.

Besonders umstritten war im Vorfeld, ob es eine Steuerentlastung geben soll, die die „kalte Progression“ kompensiert. Damit ist der Effekt gemeint, dass ein höherer Steuertarif fällig wird, obwohl das gestiegene Einkommen nur die Inflation ausgleicht. Die Kaufkraft hat also nicht zugenommen – aber die Steuerlast.

Kritiker monierten, dass von einer korrigierten Progression vor allem die Wohlhabenden profitierten. Denn 70 Prozent der Entlastungen würden den obersten 30 Prozent der Steuerzahler zugute kommen. Dies sei ein „Schlag ins Gesicht“ der Armen, befand etwa der Sozialverband Deutschland.

Diese Schieflage schien bestens ins Bild zu passen: FDP-Chef Lindner bedient mal wieder nur die Reichen. Denn bisher hat der Finanzminister tatsächlich wenig Empathie für die Bedürftigen gezeigt und sich vor allem um seine eigenen betuchten WählerInnen gekümmert.

Ulrike-herrmann-ausschnitt.jpg

Trotzdem ist es richtig, die kalte Progression zu bekämpfen und die Steuersätze an die Inflation anzupassen. Würde die Geldentwertung nämlich nicht berücksichtigt, würde demnächst jeder den Spitzensteuersatz zahlen – auch die Armen.

Eine kleine Rückschau macht dies deutlich. Im Jahr 1958 wurde der heutige Spitzensteuersatz von 42 Prozent für Singles bereits bei einem Jahreseinkommen von ungefähr 20.000 Mark fällig. Das wären heute 10.000 Euro. Inzwischen ist man mit 10.000 Euro aber nicht mehr reich – sondern lebt am Existenzminimum und zahlt fast gar keine Steuern mehr. Der Grundfreibetrag für Singles liegt derzeit bei 9.984 Euro, weil die „kalte Progression“ regelmäßig korrigiert wurde. Lindner setzt nur fort, was unausweichlich ist und alle seine Vorgänger auch schon praktiziert haben.

Problematisch sind vor allem zwei andere Aspekte des Entlastungspakets. Erstens: Die meisten Hilfen kommen zu spät. Das erweiterte Wohngeld oder der erhöhte Hartz-IV-Satz von 500 Euro sollen erst ab dem 1. Januar gelten. Aber wie jeder weiß, wird es schon ab Oktober kalt, sodass sich die Frage stellt, wie die potenziellen Wohngeldempfänger bis zum Jahresende ihre Gasrechnung bezahlen sollen. Hartz-IV-Empfänger bekommen ihre Heizkosten zwar erstattet, werden aber hart von den steigenden Lebensmittelpreisen getroffen. Nun werden sie ein weiteres Vierteljahr vertröstet.

Quelle      :          TAZ-online         >>>>>       weiterlesen

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Ein Jahr Ampel-Wahl:

Erstellt von DL-Redaktion am 2. September 2022

Die Koalition als Kakophonie

Von Albrecht von Lucke

Vor bald einem Jahr, am 27. September 2021, wurde mit dem Ausgang der Bundestagswahl die Grundlage für die aktuelle Ampel-Koalition gelegt. Das Leitmotiv dieser überschießend bejubelten „Fortschrittskoalition“ war von Beginn an verblüffend schlicht: Man wollte durch Innovation und deutsche Ingenieurskunst in die ökologische Transformation hineinwachsen – ohne jeden Abstrich an Wohlstand, insbesondere auch ohne konsumptive Einsparungen der besser Situierten, so das Petitum der FDP.[1]

Doch nur fünf Monate später, mit dem Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine am 24. Februar, war die vermeintliche Fortschrittsidee zur Makulatur geworden. Seither erleben wir in aller Brutalität unsere dreifache Abhängigkeit – militärisch („Wir sind blank“) von den Vereinigten Staaten, export- und handelspolitisch von China und energetisch von Russland. Die gesamte Transformationsstrategie der Ampel steht und fällt bis heute mit der Verfügbarkeit von billigem russischem Gas als Übergangsenergie – bis zum hinreichenden Ausbau der erneuerbaren „Freiheitsenergien“ (Christian Lindner). Mit seinem Gas-Stopp hat Putin die Koalition genau an ihrer Achillesferse getroffen, nämlich an der energetischen Geschäftsgrundlage des vermeintlichen Fortschrittsprojekts und, mehr noch, des gesamten Landes. Damit ist eine für die Bundesrepublik völlig neue Lage eingetreten.

Das ganze Fortschritts- und Wachstumsmodell der Bundesrepublik basierte auf einem gesicherten materiellen Sockel in Form günstiger Lebensmittel und hinreichend vorhandener Energie, geliefert ab Beginn der 1970er Jahre auch aus der Sowjetunion. Jetzt erleben wir erstmals das Gegenteil: Der für so selbstverständlich gehaltene materielle Sockel beginnt zu bröckeln – durch massive Energieknappheit bei gleichzeitig rapide steigender Inflation und galoppierenden Lebensmittelpreisen. Damit tritt das Materielle, nämlich die Versorgung mit Energie wie mit Waren des täglichen Bedarfs, in den Mittelpunkt staatlichen Handelns. Plötzlich zeigt sich, wie wichtig, ja existenziell die basalen Rohstoffe unvermindert sind – nämlich Kohle, Öl und Gas gegen die Kälte wie bezahlbares Getreide gegen den Hunger. Erstmals seit der postmaterialistischen Wende der 1970er und 80er Jahre kommt es statt auf Selbstverwirklichung wieder in erster Linie auf individuelle, aber auch gesellschaftliche Selbsterhaltung an.

Das, was noch vor einem Jahr die Geschäftsgrundlage der Koalition gewesen war, nämlich ein deutliches Wirtschaftswachstum, hat sich dagegen bis auf Weiteres erledigt. Stattdessen müssen wir uns auf eine Rezession und steigende Armut im Lande einstellen. Bis heute hat die rot-grün-gelbe Koalition keinerlei Antwort auf diese sich radikal verändernde Realität gefunden. Nach einem kurzen Honeymoon dominieren die Fliehkräfte der drei hochgradig divergierenden Parteien, präsentiert sich die Koalition nicht einstimmig, sondern als wüste Kakophonie. Dadurch ist – bei gleichzeitig wachsender Angst und Verunsicherung in der Bevölkerung – ein gewaltiges politisches Vakuum entstanden, in das zunehmend rechte Wutbürger mit ihren Aufrufen zu neuerlichen Montagsdemonstrationen stoßen.

„Die Stimmung in der Bevölkerung ist auf einem ganz sensiblen Punkt“, warnt inzwischen selbst Arbeitsminister Hubertus Heil. Die Bundesregierung werde deshalb jetzt „mehr tun“ müssen, um die Menschen zu entlasten, insbesondere die Bezieher niedriger und mittlerer Einkommen. Inzwischen ist in der Regierung sogar von möglichen „Volksaufständen“ (Annalena Baerbock) die Rede. Damit wandelt die Ampel-Koalition selbst auf einem sehr schmalen Grat, da derartige Warnungen schnell zu einer self-fulfilling prophecy werden können.

Mehr Solidarität wagen!

Gegen die wachsende Angst im Lande hilft letztlich nur die Aktivierung einer gesellschaftlichen Ressource, die in der Geschichte der Bundesrepublik ob der permanenten Wachstumslogik nie in hinreichendem Maße abgefragt wurde – nämlich die Solidarität. Bislang scheute die Politik, übrigens nicht zuletzt die SPD, wie der Teufel das Weihwasser die Vorstellung, den besser Situierten in diesem Land etwas abzuverlangen. Stattdessen sollte eine mögliche Umverteilung immer nur aus den Reichtumszuwächsen vonstatten gehen, als der Weg des geringsten Widerstandes.

Diese Politik ist mit dem Ende der Verfügbarkeit billiger Energie ihrerseits an ein Ende gekommen. Wenn der Wachstumsmotor nicht nur stottert, sondern auszufallen droht, wird Solidarität zur ersten und entscheidenden Pflicht. Worauf es heute ankommt, ist die gezielte, direkte Unterstützung der finanziell Schwachen bei gleichzeitiger Inanspruchnahme der finanziell Starken, die sich über die guten Jahrzehnte der Bundesrepublik ein sicheres Polster aufbauen konnten. Tatsächlich wären viele der Wohlhabenden angesichts der historischen – innen- wie außenpolitischen – Ausnahmesituation zu mehr Solidarität im Sinne eines Lastenausgleichs durchaus bereit. Die Koalition müsste „nur“ den Mut aufbringen, diese Solidarität tatsächlich auch abzurufen.

Eigentlich wäre das eine große Chance für eine wirklich sozialdemokratisch geprägte Regierung – wenn sich nicht Teile der Koalition, insbesondere die FDP, der neuen historischen Lage komplett verweigern würden. Anstatt die existenzielle Herausforderung ins Visier zu nehmen und Konsequenzen daraus zu ziehen, etwa den Abschied vom Fetisch der Schwarzen Null, setzt die Lindner-Partei ganz gezielt auf Klientelpolitik und auf die Profilierung als angebliche Sachwalterin der ökonomischen Vernunft.

File:Ampel Beschimpfung.svg

Als besonders fatal erweist sich hier Lindners Inflationsausgleichsgesetz. So richtig es grundsätzlich ist, in regelmäßigen Abständen ein Reformprojekt gegen die kalte Progression vorzulegen, so falsch wird dieses, wenn in der akuten Notzeit Lindners Gesetzesvorlage vor allem den Bessersituierten zugutekommt. Ebenso kontraproduktiv ist es, wenn pauschal eine erhebliche Gasumlage von allen Gaskunden verlangt wird – ungeachtet der Tatsache, dass nicht wenige dadurch völlig überfordert sind, weil sie schon jetzt über keinerlei finanzielle Rücklagen verfügen. Hinzu kommt, dass es sich in keiner Weise um persönliches Verschulden handelt, ob der eine Mieter mit Gas heizen oder kochen muss und dem anderen Öl oder Strom zur Verfügung stehen. Insofern wäre es weit gerechter gewesen, einen vermeintlich systemrelevanten Konzern wie Uniper mit Staatsmitteln zu retten, anstatt die Gaskunden dafür finanziell haften zu lassen.

Dass derartige Ungerechtigkeiten die Angst vor Überforderung und Überschuldung, aber auch die Wut im Lande wachsen lassen, kann letztlich nicht verwundern. Dagegen gilt es, die Versorgung der Bevölkerung mit dem Lebensnotwendigen zu garantieren, vor allem im Bereich der Energie, aber auch der Ernährung. Diese Solidarität von den Bessersituierten abzurufen, ist die zentrale Aufgabe der Koalition in dieser historischen Krisensituation.

Die Notwendigkeit des Verzichts

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Klare Kante – Chatkontrolle

Erstellt von DL-Redaktion am 31. August 2022

FDP-Papier bringt Innenministerin Faeser in Zugzwang

Quelle          :        Netzpolitik ORG.

Von 

Chatnachrichten durchleuchten, private Fotos scannen: Für die FDP-geführten Ministerien kreuzt die von der EU-Kommission geplante Chatkontrolle an vielen Stellen „rote Linien“. Ein internes Dokument zeigt, die Bundesregierung ist sich bei dem Thema nicht ganz einig.

Die FDP-geführten Bundesministerien machen offenbar intern Druck auf die Bundesregierung, denn die von der EU-Kommission geplante Chatkontrolle geht ihnen zu weit. Das wird aus einer Liste von „roten Linien“ deutlich, die das Justizministerium und das Digitalministerium laut Tagesspiegel Background an das SPD-geführte Innenministerium geschickt haben. (Wir veröffentlichen die Liste im Volltext.)

Mit Chatkontrolle sind Pläne der EU-Kommission gemeint, um die Verbreitung von Aufnahmen sexualisierter Gewalt gegen Kinder zu bekämpfen. Die Kommission hat im Mai einen Entwurf vorgelegt, der weitreichende Pflichten für Tech-Unternehmen vorsieht. Unter anderem sollen sie bekannte und bislang unbekannte Darstellungen sexualisierter Gewalt gegen Kinder automatisch erkennen, auch in privaten Chats. Die Pläne haben teils vernichtende Kritik geerntet, unter anderem warnten die EU-Datenschutzbehörden vor einer anlasslosen Massenüberwachung.

Auch die Bundesregierung übte Kritik an den geplanten Maßnahmen. Sie löcherte die EU-Kommission in einem Schreiben mit mehr als 60 teils sehr pointierten Rückfragen, etwa zum Stellenwert der verschlüsselten Kommunikation oder den zu erwartenden Fehlerquoten bei der Erkennung solcher Bilder. Jetzt zeigt ein Schreiben, die kritische Haltung innerhalb der Bundesregierung ist offenbar nicht konsistent. Wie Tagesspiegel Background berichtet, wenden sich in dem Papier das  Justiz- und Digitalministerium an das in der Sache federführende Innenministerium (BMI) von SPD-Ministerin Nancy Faeser.

„Rote Linien“: Kein Scan nach unbekannten Aufnahmen

Die in dem Schreiben gezogenen „roten Linien“ betreffen den Kern der geplanten EU-Gesetzgebung. Unter anderem fordern die Ministerien: „Keine Regelungen, die zu einer Chatkontrolle führen“. Nachrichten, die man per Messenger oder E-Mail verschickt, sollen ausdrücklich von der automatisierten Durchsuchung ausgenommen werden. Damit würde die zentrale und namensgebende Maßnahme aus der geplanten Verordnung entfallen.

Auch Material, das Nutzer:innen in persönliche Cloudspeicher hochladen und mit niemandem teilen, etwa ein Backup der eigenen Fotos auf dem Handy, sollte demnach nicht unter die Anordnungen zur Durchsuchung fallen.

Ein weiterer Punkt dreht sich um einen besonders umstrittenen Teil der geplanten EU-Verordnung. Tech-Unternehmen sollen demnach nicht nur gezwungen werden, nach bereits bekanntem Material in den Daten ihrer Nutzer:innen suchen müssen. So etwas ist mit weniger invasiven Verfahren möglich. Die Unternehmen sollen darüber hinaus auch neues, bislang unbekanntes Material aufspüren. Außerdem sollen sie auch automatisch die Anbahnung sexueller Kontakte mit Minderjährigen erkennen, das sogenannte Grooming. Das bedeutet weitreichende Eingriffe in die Privatsphäre Millionen unschuldiger Nutzer:innen. Beide Maßnahmen sollen dem Papier zufolge verworfen werden.

Ende-zu-Ende-Verschlüsselung soll bleiben

In dem Papier kommen die Ministerien auch auf die Vertraulichkeit privater Kommunikation zu sprechen. Die EU-Verordnung soll demnach ausdrücklich ausschließen, dass Unternehmen die Ende-zu-Ende-Verschlüsselung untergraben können, um automatisch Inhalte zu durchleuchten. Ende-zu-Ende-Verschlüsselung stellt sicher, dass nur Empfänger:in und Sender:in eine verschickte Nachricht lesen können. Eine Aufhebung der Verschlüsselung von Nachrichten würde insgesamt die Möglichkeit zur sicheren Kommunikation schwächen.

Das Papier lehnt auch ausdrücklich das sogenannte Client-Side-Scanning ab. Dabei durchleuchten Anbieter die Nachrichten ihrer Nutzer:innen direkt auf dem Gerät, noch bevor sie Ende-zu-Ende-verschlüsselt verschickt werden. Diese Methode gilt als eine der wenigen Möglichkeiten, um Inhalte trotz Ende-zu-Ende-Verschlüsselung überprüfen zu können. Doch auch ein Scannen vorm Verschicken schwächt anonyme Kommunikation. Davor hatten auch die EU-Datenschutzbehörden schon gewarnt.

Wojciech Wiewiórowski, Assistent Supervisor, European Data Protektion Supervisor

Nicht verhandelbare „rote Linien“ sind für die FDP-Ministerien offenbar auch die Kommissions-Pläne zur Alterskontrolle. Die EU-Kommission will, dass Anbieter das Alter Ihrer Nutzer:innen überprüfen. Die Ministerien fordern, im Text der Verordnung müsse ausgeschlossen werden, dass dabei ein Personalausweis oder ein anderes Identifikationsmittel vorgelegt werden muss. In Deutschland lässt sich die Volljährigkeit mit der Online-Ausweisfunktion bestätigen, ohne weitere Daten preiszugeben. Solche Technologien gibt es aber nicht für alle EU-Bürger:innen. Diese könnten dann gezwungen sein, weitere Daten preiszugeben.

Die Ministerien fordern auch, dass Inhalte und Verhaltensweisen, die nach nationalem Recht nicht strafbar seien, aus der Verordnung ausgenommen werden. Dabei geht es wohl um ein Problem, das das internationale Vorgehen gegen Darstellungen sexualisierter Gewalt erschwert. Je nach nationalem Recht sind bestimmte Aufnahmen nicht strafbar – etwa weil sich das Alter der sexuellen Mündigkeit unterscheidet. Das betrifft zum Beispiel Nacktaufnahmen, die beim einvernehmlichen Sexting zwischen Jugendlichen verschickt werden. Schon heute ist mehr als Hälfte der Tatverdächtigen bei sogenannter Kinderpornographie selbst minderjährig.

Kein Durchleuchten von Audionachrichten

Die FDP-Ministerien prangern einen weiteren Punkt an, der bislang kaum beachtet wurde. Zuletzt hatten ihn die EU-Datenschutzbehörden in ihrer Einschätzung aufgegriffen: Sprachnachrichten und Audiokommunikation in Echtzeit, also Telefonate, sollen demnach in der Verordnung ausdrücklich ausgenommen werden. Der Entwurf der EU-Kommission schließt bislang nicht ausdrücklich aus, dass Anbieter auch Audio-Dateien wie etwa Sprachnachrichten und Telefonate durchleuchten müssen.

Die Forderungen in der Liste sind teils sehr knapp gehalten und vor allem negativ formuliert: Es geht um das, was in der Verordnung nicht passieren darf. Ob die Ministerien darüber hinaus auch eigene Vorschläge für Alternativen machen werden und wann das Papier verschickt wurde, wollten wir gerne vom Justizministerium wissen. Zu Einzelheiten laufender regierungsinterner Abstimmungen äußere man sich nicht, war die Antwort. Stattdessen verwies das Ministerium auf ein allgemeines Statement des Justizministers Marco Buschmann zur Chatkontrolle. Er sei „sehr skeptisch, was diesen neuen Entwurf angeht“ und lehne eine „generelle flächendeckende Überwachungsmaßnahmen privater Korrespondenz“ ab.

Auch das Bundesinnenministerium schrieb auf Anfrage nur, dass im Rahmen der aktuellen Verhandlungen „nach gängiger Praxis“ alle beteiligten Ressorts aufgefordert wurden, ihre Position für die weitere Diskussion zu übermitteln.

Die Forderungen aus den FDP-Ressorts sind in dem Papier klar abgesteckt. Die Frage ist, was das Bundesinnenministerium nun damit macht. Zumindest einige der Forderungen lassen sich direkt aus dem Koalitionsvertrag der Bundesregierung ableiten. Darin steht: „Maßnahmen zum Scannen privater Kommunikation und eine Identifizierungspflicht lehnen wir ab.“ In einem nächsten Schritt soll das Ministerium im Digitalausschuss des Bundestages einen Bericht zu den Plänen der Kommission vorstellen, wie Tagesspiegel Background berichtet.


Rote Linien BMDV und BMJ

Folgenden Forderungen müssen zumindest erfüllt sein, um dem Verordnungsentwurf der KOM (VO-E) zustimmen zu können („rote Linien“):

  • Klare Vorgaben für den Erlass von Aufdeckungsanordnungen (hinreichende Eingrenzung des „erheblichen Risikos“ in der VO, näheren Vorgaben für die Abwägungsentscheidung nach Art. 7 (4) b) des VO-E).
  • Keine Regelungen, die zu einer Chatkontrolle führen (auszuschließen durch Streichung der Anwendbarkeit des Art. 7 VO-E auf interpersonelle Kommunikationsdienste (insb. E-Mail-Dienste, Messenger) nach Art. 2 b) VO-E).
  • Ausschluss persönlicher Speicher, die nicht geteilt werden. Cloudspeicher, die etwa als Backup der eigenen Fotos auf dem Handy dienen, dürfen von den Regelungen zur Aufdeckungsanordnung ausdrücklich nicht erfasst werden (auszuschließen durch Ausschluss der Anwendbarkeit des Art. 7 VO-E auf persönliche Speicher).
  • Streichung der Anwendbarkeit des Art. 7 VO-E auf sog. unbekanntes Material und Grooming.
  • Expliziter Ausschluss des Einsatzes von Client-Side-Scanning und der Aufhebung der Ende-zu-Ende Verschlüsselung zur Erfüllung von Pflichten aus dem VO-E (auszuschließen in eigenem Artikel des VO-E).
  • Audiokommunikation (Sprachaufzeichnungen und Echtzeit-Audiokommunikation) ist wie in Interims-VO ausdrücklich vom Anwendungsbereich des VO-E auszuschließen.
  • Anbietern muss es möglich sein, die Pflichten aus dem VO-E (RisikobewertungRisikominderung, Löschung/Sperrung) zu erfüllen, ohne die in Artikel 10 Abs. 1 VO-E beschriebenen Aufdeckungstechnologien Dies ist im Text des VO-E festzulegen.
  • Altersverifizierung zur Umsetzung der Pflichten aus dem VO-E (wie Risikominderung, Artikel 4 VO-E, Verpflichtung für App-Stores in Artikel 6 (1)(c) VO-E) nur, wenn die Möglichkeit einer anonymen oder pseudonymen Nutzung der betroffenen Dienste gewahrt bleibt. Hierzu ist im Text des VO-E die Vorlage des Personalausweises oder eines anderen Identifikationsmittels zum Zweck der Altersverifizierung auszuschließen.
  • Keine Einbeziehung von Inhalten oder Verhaltensweisen, die nach nationalem Recht nicht strafbar sind (Begriffsbestimmungen in Artikel 2 des VO-E müssen die in der Richtlinie 2011/93/EU zur Bekämpfung des sexuellen Missbrauchs und der sexuellen Ausbeutung von Kindern sowie der Kinderpornografie sowie zur Ersetzung des Rahmenbeschlusses 2004/68/JI des Rates (RL) gewährten Entscheidungsspielräume der MS berücksichtigen, insbesondere hinsichtlich der Bestimmung des Alters der sexuellen Mündigkeit (Artikel 6 der RL) und der Straflosigkeit bestimmter Handlungen (Artikel 5 Abs. 8 der RL)).

Lizenz: Die von uns verfassten Inhalte stehen, soweit nicht anders vermerkt, unter der Lizenz Creative Commons BY-NC-SA 4.0.

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Oben     —   re:publica 2022: Bundesinnenministerin Nancy Faeser bei der Sesion ‚Der resiliente Staat: Die Folgen des Ukrainekriegs für das digitale Deutschland‘

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Digitalstrategie -Regierung

Erstellt von DL-Redaktion am 24. August 2022

Werte schöpfen Zweipunktnull

Für die Digitalstrategie ist federführend der FDP-Digitalminister Volker Wissing verantwortlich – und sieht Digitalisierung vor allem unter wirtschafts- und technologiepolitischen Gesichtspunkten.

Quelle          :        Netzpolitik ORG.

Von      :       – in Technologie

Der überarbeitete Entwurf zur Digitalstrategie verspricht „einen umfassenden digitalen Aufbruch“ für Deutschland. Tatsächlich aber offenbart er, was die Bundesregierung zuallererst unter Digitalisierung versteht: Wirtschafts- und Technologiepolitik. Wir veröffentlichen den Entwurf.

Die Bundesregierung hat nachgelegt und ihren Entwurf für eine Digitalstrategie überarbeitet. Das neue Papier vom 18. August ist deutlich länger als eine Fassung von Anfang Juli – es hat nun mehr als 50 statt rund 30 Seiten – und wird dem Kabinett am 31. August auf seiner Regierungsklausur auf Schloss Meseberg vorgelegt. Wir veröffentlichen den Entwurf, der einen Streifzug durch die digitalpolitischen Prioritäten der Bundesregierung ermöglicht.

Die Ziele der Bundesregierung sind hochgesteckt: Mit ihrer Digitalstrategie will die Ampel-Koalition Deutschland „einen umfassenden digitalen Aufbruch“ bescheren. So hatte sie es bereits – neben vielem anderen in diesen Papier – auch schon wortwörtlich in ihrem Koalitionsvertrag formuliert. Die Strategie fasst „die politischen Schwerpunkte der Bundesregierung beim Querschnittsthema Digitalisierung“ nun zusammen. Gemeinsam bilden sie „den übergeordneten Rahmen für die Digitalpolitik bis 2025“.

Im Fokus stehen dabei drei Handlungsfelder, die mit „Vernetzte und digital souveräne Gesellschaft“, „Innovative Wirtschaft, Arbeitswelt, Wissenschaft und Forschung“ und „Lernender, digitaler Staat“ überschrieben sind. Die jeweiligen Kapitel bieten einen Überblick über die zentralen digitalpolitischen Vorhaben, die die zuständigen Ministerien jeweils „in eigener Verantwortung“ umsetzen.

Die Lektüre offenbart viel Altbekanntes. So plant die Regierung unter anderem bis 2030 „die flächendeckende energie- und ressourceneffiziente Versorgung mit Glasfaseranschlüssen bis ins Haus und dem neuesten Mobilfunkstandard“ – und zwar „überall dort, wo Menschen leben, arbeiten und unterwegs sind – auch in ländlichen Gebieten.“ Das entspricht weitgehend der bereits seit Wochen bekannten Gigabitstrategie von Digitalminister Volker Wissing. Auch die Elektronische Patientenakte und das E-Rezept harren seit Jahren der Umsetzung, sollen nun aber endlich den Sprung in unseren Alltag schaffen; ebenso soll der Online-Ausweis samt digitaler ID sicher auf dem Smartphone ankommen. Bereits diese Beispiele verdeutlichen, dass die Digitalpolitik der Bundesregierung vor allem wirtschafts- und technologiepolitische Maßnahmen vorsieht. Nicht ohne Grund trägt das Strategiepapier den Titel „Gemeinsam digitale Werte schöpfen“.

Zivilgesellschaft soll KI vertrauen

Diese Verengung zeigt sich geradezu exemplarisch in dem Abschnitt zur „Digitalen Zivilgesellschaft“, der als Tiger springt und als Bettvorleger landet. Die Regierung will Hassrede, Desinformation und digitaler Gewalt „entschieden begegnen“ – konkret unter anderem mit einem Gesetz gegen digitale Gewalt und der Stärkung des digitalen Ehrenamts. Im Papier erkennt sie zwar die „zentrale Rolle“ der Zivilgesellschaft „bei der Gestaltung der digitalen Gesellschaft“ an, offenbart aber ein verengtes Verständnis davon, was diese Zivilgesellschaft ist.

Ganz oben auf der Agenda steht das Leuchtturmprojekt „Civic Coding ‒ Innovationsnetz KI für das Gemeinwohl“. Die Initiative – Motto: „Mit Künstlicher Intelligenz die Welt besser machen“ – startete bereits im Mai vergangenen Jahres auf der re:publica 21. Sie soll „Infrastrukturen, Förderprogramme, Initiativen, Projekte und Communities“ zu einem „starken KI-Innovationsnetz für das Gemeinwohl“ zusammenführen. Darüber hinaus plant die Regierung, „die Verbrauchersouveränität im Umgang mit KI-Systemen“ zu stärken, „beispielsweise durch den Ausbau des Zentrums für vertrauenswürdige KI (ZVKI) für die Zivilgesellschaft“. Abseitig präsentiert sich auch das gewählte Anschauungsbeispiel über eine Werkstatt für Holzspielzeug und eine KI-gestützte App, die Behördendeutsch in einfache Sprache übersetzt.

KI-Vertrauen, Verbrauchersouveränität und Datenkompetenz spiegeln jedoch nur einen Teil dessen wider, was unter digitaler Zivilgesellschaft zu verstehen ist. Grundlegende soziale Themen wie Gerechtigkeit, Solidarität, Teilhabe und Zugang kommen in dem entsprechenden Kapitel nur am Rande vor. Dass die Bundesregierung diese Aspekte in den Hintergrund rückt, hängt offenbar mit ihrer Wahrnehmung der Zivilgesellschaft als eine Ansammlung von „Verbrauchern“ zusammen, die sich als solche in „Ideenwerkstätten“ und auf KI-gestützten „Innovationsplattformen“ miteinander vernetzen und informieren sollen.

Damit aber umgeht die Digitalstrategie entscheidende Fragen zu gesellschaftlicher und demokratischer Teilhabe: Wie ließe sich etwa eine dezentrale digitale Infrastruktur aufbauen, die jenseits mächtiger Tech-Konzerne das Empowerment und die Partizipation vieler Menschen ermöglicht und auf diese Weise das Gemeinwohl fördert? Und wie könnte die Bundesregierung digitale Diversität gezielt und vor allem verbindlich fördern? Vorschläge, wie dies gehen könnte, gibt es zur Genüge. Möglich wären etwa „verbindliche Diversitätsziele bei Hightech-Förderung und Forschungsmitteln für Technikfolgenabschätzung für die Gesellschaft“. Gerade in der gezielten, selbstverpflichteten Einbindung und damit unmittelbaren Stärkung der Zivilgesellschaft läge daher eine große Chance, die die Bundesregierung jedoch vorbeiziehen lässt.

Gaia-X: Erloschenes Leuchtturmprojekt

Mindestens ebenso ideenlos erscheint ein anderer Aspekt der Digitalstrategie: Gleich mehrfach greift das Papier ein anderes Leuchtturmprojekt auf, dessen Signalkraft längst erloschen schien: Gaia-X.

Dabei handelt es sich um ein europäisches Dateninfrastruktur-Großprojekt, das das Ziel der „digitalen Souveränität“ verfolgt. Das Vorhaben wurde Ende 2019 gemeinsam vom deutschen und französischen Wirtschaftsministerium vorgestellt. Seit Februar 2021 trägt es eine internationale Non-Profit-Organisation mit Sitz in Brüssel. Laut Website gehören ihr inzwischen über 350 Mitglieder an, unter ihnen Microsoft, Alibaba, Amazon, Google und Palantir sowie zahlreiche mittelständische Unternehmen aus ganz Europa.

Allerdings kam das Vorhaben nicht recht vom Fleck. Zuletzt wurde Gaia-X dafür kritisiert, dass amerikanische und chinesische Techkonzerne die Entscheidungen des Gaia-X-Verwaltungsrates zu stark beeinflussen, obwohl das Projekt gerade die Unabhängigkeit zu ihnen herstellen soll. Nun heißt es in der Digitalstrategie, dass „mit Gaia-X ein sektorübergreifend nutzbares, europäisches, offenes, innovatives Ökosystem für datengetriebene Geschäftsmodelle und Produkte enstehen“ soll. Verstanden wird das als Dateninfrastruktur, die „Cloud- und Edge-Angebote über Open-Source-Anwendungen“ miteinander verbindet.

Wie das im Detail aussehen soll, wird weder auf der Projekt-Website noch im Strategiepapier deutlich. Aufschlussreich ist, dass die Ampel-Koalition in dem Strategiepapier erklärt, „den technologischen und wirtschaftlichen Nutzen von Gaia-X“ bis 2025 erst noch illustrieren zu wollen – beispielsweise durch eine stärkere Vernetzung von Wissenschaft und Wirtschaft, um der Forschung einen besseren Zugang zu Daten aus der Wirtschaft zu verschaffen. Im Umkehrschluss bedeutet dies auch, dass die Wirtschaft einen besseren Zugang zu Forschungsdaten erhält.

Verwaltungsdigitalisierung als nachholende Daueraufgabe

Geradezu bescheiden lesen sich die Ziele hinsichtlich der Digitalisierung des Staates – obwohl die Regierung hier ein prall gefülltes Pflichtenheft hat. Oder aber die Ziele sind in diesem Strategieabschnitt einfach nur realistisch formuliert. So sollen nur bestimmte Prioritäten aus dem Onlinezugangsgesetz (OZG) bis 2025 flächendeckend umgesetzt sein, unter anderem ein weiter ausgebautes Verwaltungsportal des Bundes. Eigentlich wäre der Stichtag für die OZG-Umsetzung schon Ende 2022 gewesen. Da absehbar war, dass dieser Zeitplan nicht eingehalten werden kann, priorisierte der IT-Planungsrat bereits im Mai 35 Leistungen, die in diesem Jahr entwickelt und umgesetzt werden sollen.

Bürger:innen werden sich also gedulden müssen, bis sie wirklich alle Behördengänge einfach und per Mausklick erledigen können – schon allein, weil die Ampelkoalition zunächst das Registermodernisierungsgesetz „verfassungsfest“ reformieren will. Erst danach werden sich beispielsweise Nachweise nach dem „Once-Only-Prinzip“ nur einmal einreichen und umgekehrt von den Ämtern datensparsam abrufen lassen. Generell soll die Verwaltungsdigitalisierung zur „Daueraufgabe“ werden und schließlich in ein OZG 2.0 münden.

Mehr Offenheit verspricht ein nationaler Bekanntmachungsservice, wo sich öffentliche Auftragsvergaben frei abrufen lassen sollen. Zudem will die Ampel einen Rechtsanspruch auf Open Data einführen und damit ein Versäumnis der Vorgängerregierung gutmachen – was wohl auf eine erneute Novelle des Open-Data-Gesetzes hinausläuft. Letztlich sollen deutlich mehr Verwaltungs- und Forschungsdaten der Allgemeinheit zur Verfügung stehen und sich auch sinnvoll – also maschinenlesbar – nutzen lassen.

Anders als im Koalitionsvertrag spielt transparentere Gesetzgebung keine besondere Rolle im Digitalstrategieentwurf. Zum Amtsantritt war noch die Rede davon, ein digitales Gesetzgebungsportal mit öffentlichen Kommentierungsmöglichkeiten zu schaffen. Zudem sollte sich dort einsehen lassen, in welcher Phase sich die Vorhaben befinden. Im Entwurf der Strategie findet sich nur mehr ein Portal, wo Gesetze und Rechtsverordnungen digital zur Verfügung stehen sollen. Auch ein gestärktes und digitalisiertes Petitionsverfahren findet sich nicht im Papier.

Justiz und Polizei ohne Medienbrüche

Digitalisieren will die Bundesregierung auch die Justiz. So formuliert die Strategie unter anderem das Ziel, dass ein Kläger nie wieder ein Gerichtsgebäude betreten müsse, um eine Klage durchzuführen. Doch die Ziele der Bundesregierung bis 2025 sind nicht allzu ehrgeizig: In drei Jahren soll eine gesetzliche Regelung für digitale Zivilverfahren bestehen, mit der Programmierung einer Software für Justizdienstleistungen begonnen oder das bundeseinheitliche Videoportal der Justiz genutzt werden können. Das ist noch weit entfernt von den formulierten digitalen Träumen, aber immerhin ein Anfang.

Auch bei der Polizei soll digitalisiert werden, hier stellt die Bundesregierung die Harmonisierung der IT und die ortsunabhängige und mobile Nutzung dieser in den Vordergrund. Gleichzeitig sollen „polizeiliche IT-Angebote“ nur einmal entwickelt werden – und dann den „Bedarfsträgern“ zur Verfügung gestellt werden. Eine gute Idee, wenn man die IT harmonisieren will.

Bis 2025 soll allerdings erst einmal ein gemeinsames Datenhaus für die polizeiliche Sachbearbeitung zur Verfügung stehen. Darüber hinaus soll bis dahin „ein medienbruchfreier Austausch von Daten zwischen Polizei in Bund und Ländern und der Justiz möglich“ sein – heißt konkret: Ein Austausch, der zum Beispiel nahtlos digital erfolgt und nicht eine Mischung aus Fax, Mail und Briefen.

Schwachstellen mit Widersprüchen

Weiter geht’s kurz mit etwas Erfreulichem: Um die IT-Sicherheit zu stärken, möchte die Bundesregierung ein Recht auf Verschlüsselung einführen. Zusätzlich soll der Staat verpflichtet werden, „echte verschlüsselte Kommunikation“ anzubieten.

Für Sicherheitslücken will der Staat ein Schwachstellenmanagement einführen „mit dem Ziel, Sicherheitslücken zu schließen“. Im Koalitionsvertrag hieß es, dass alle staatlichen Stellen dazu verpflichtet werden sollen, ihnen bekannte Sicherheitslücken beim Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) zu melden. Diese explizite Verpflichtung taucht in der Digitalstrategie nicht auf.

An anderer Stelle des Papiers wird es bestimmter: Denn Hersteller von unsicherer Software sollen künftig stärker in die Pflicht genommen werden. Sie sollen für all jene Schäden haften, die in ihren Produkten fahrlässig durch IT-Sicherheitslücken verursacht werden.

Dabei zeigt sich die Ampel-Koalition selbst besorgt, dass sie ausgespäht werden könnte: „Nicht-vertrauenswürdige Unternehmen“ sollen laut Digitalstrategie am Ausbau kritischer Infrastruktur nicht mehr beteiligt werden. Das könnte etwa den chinesischen Konzern Huawei betreffen. Das Unternehmen liefert Hardware für den Mobilfunkausbau in Deutschland. In den letzten Jahren gab es immer wieder eine Diskussion darüber, die Verwendung dieser Bauteile zu verbieten.

Apropos BSI: Laut Digitalstrategie soll das BSI zur „Zentralstelle im Bereich der IT-Sicherheit“ ausgebaut und „unabhängiger“ aufgestellt werden. Ob es damit in Zukunft auch nicht mehr dem BMI unterstellt sein wird, lässt die Strategie offen. Die FDP hatte im Wahlkampf noch verkündet, BMI und BSI voneinander zu trennen. Ebendies forderte auch der Chaos Computer Club.

Ausgebremster Aufbruch

Angesichts der wirtschaftspolitischen Fokussierung des Strategiepapiers ist es mehr als fraglich, ob der Bundesregierung mit ihrem Entwurf zur Digitalstrategie ein „umfassender digitaler Aufbruch“ gelingt. Denn die Digitalstrategie zeigt auch in Version 2.0, was die Bundesregierung zuallererst unter Digitalisierung versteht: Wirtschafts- und Technologiepolitik.

Die Hoffnung, dass die Ampel-Koalition beim Schwerpunktthema Digitalisierung auch digitale Grundrechte priorisieren und stärken würde, kann das vorliegende Papier noch nicht erfüllen. Bis zur Kabinettsklausur ist noch eine Woche Zeit.

Entwurf – Stand 18.08.2022

Digitalstrategie – Gemeinsam digitale Werte schöpfen

– Entwurf –

Inhalt
1. Kurzübersicht
2. Ausgangslage
3. Zielbild und Projekte mit Hebelwirkung
4. Handlungsfelder
4.1. Vernetzte und digital souveräne Gesellschaft
Digitale Infrastrukturen
Bildung in allen Lebensphasen
Gesundheit und Pflege
Mobilität
Bau, Smart Cities und Smart Regions
Digitale Zivilgesellschaft
Kultur und Medien
Teilhabe, Gleichstellung und digitale Barrierefreiheit
4.2. Innovative Wirtschaft, Arbeitswelt, Wissenschaft und Forschung
Datenökonomie
Wissenschaft und Forschung
Standortentwicklung
Schlüsseltechnologien für die digitale Souveränität Deutschlands und Europas
Qualifizierung und Fachkräftesicherung
Neue Arbeitswelt
Schutz von Klima, Umwelt und Ressourcen
Nachhaltige Landwirtschaft und Resilienz in ländlichen Räumen
4.3. Lernender, digitaler Staat
Digitale Verwaltung
Open-Data und Datenkompetenz in der öffentlichen Verwaltung
Digitale Justiz
Digitale Polizei
Digitale Souveränität der öffentlichen Verwaltung
Cybersicherheit
Verteidigung
Internationales
5. Umsetzung

1. Kurzübersicht

Die vorliegende Strategie führt die politischen Schwerpunkte der Bundesregierung beim Querschnittsthema Digitalisierung unter einem Dach zusammen und bildet den übergeordneten Rahmen für die Digitalpolitik bis 2025.

Ausgehend von einer kurzen Beschreibung der Ausgangslage formuliert sie das Zielbild für den digitalen Fortschritt in der laufenden Dekade – gegliedert in die Handlungsfelder „Vernetzte und digital souveräne Gesellschaft“, „Innovative Wirtschaft, Arbeitswelt, Wissenschaft und Forschung“ und „Lernender, digitaler Staat“. Um dieses Zielbild zu erreichen, sollen Projekte in den Bereichen moderne, leistungsfähige und nachhaltige Netze und Verfügbarkeit von Daten und Datenwerkzeugen, internationale einheitliche technische Normen und Standards sowie sichere und nutzerfreundliche digitale Identitäten und moderne Register priorisiert werden, da von ihrer Umsetzung die größte Hebelwirkung zu erwarten ist. Darüber hinaus haben die strategischen Themen Digitale Souveränität, Schlüsseltechnologien, Künstliche Intelligenz, Cybersicherheit, Desinformation und Plattformregulierung besondere Priorität..

Darauf aufbauend gibt die Strategie einen Überblick über die wesentlichen digitalpolitischen Vorhaben, die jedes Ressort in eigener Verantwortung umsetzt. Dabei werden 18 Leuchtturmprojekte durch kurze Geschichten ergänzt, die veranschaulichen, wie Zivilgesellschaft, Wirtschaft, Wissenschaft, Forschung und Staat das Leben der Bürgerinnen und Bürger mit Hilfe der Digitalisierung konkret verbessern.

Jeder Abschnitt endet mit einer Auflistung der Ergebnisse, die bis 2025 erreicht werden sollen. Besonders wichtige Punkte sind:

  • die Versorgung von mindestens der Hälfte der Haushalte und Unternehmen mit Glasfaseranschlüssen sowie im Mobilfunk bis möglichst 2026 flächendeckende Verfügbarkeit unterbrechungsfreier drahtloser Sprach- und Datendienste für alle Endnutzerinnen und Endnutzer;
  • der Aufbau eines interoperablen Bildungs-Ökosystems, das einen chancengleichen und barrierefreien Zugang zu digitaler Bildung eröffnet und von den Menschen in allen Lebensphasen aktiv genutzt wird;
  • die Nutzung der elektronische Patientenakte durch mindestens 80% der gesetzlich Krankenversicherten und die Etablierung des E-Rezepts als Standard in der Arzneimittelversorgung als Grundlage für bessere, digital gestützte Gesundheitsversorgung;
  • ein moderner Rechtsrahmen für die erfolgreiche Entwicklung der Datenökonomie und die verbesserte Nutzung von Daten durch vernetzte Datenräume in Wissenschaft und Forschung, Wirtschaft, Verwaltung und Gesellschaft;
  • die Stärkung der Fachkräftebasis für die Digitalisierung und mehr Diversität in der Digitalbranche;
  • die umfassende Digitalisierung von Verwaltungsleistungen, damit sich Behördengeschäfte auch mit Hilfe staatlicher digitaler IDs – ortsunabhängig und effizient elektronisch erledigen lassen;
  • ein transparenter und demokratischer Multistakeholder-Ansatz in der europäischen und internationalen Zusammenarbeit für verlässliche Rahmenbedingungen auf allen Ebenen der digitalen Welt, für die technische Einheit des Internets und für eine globale digitale Ordnung auf Basis der Menschenrechte und Grundfreiheiten, der Demokratie, der Rechtsstaatlichkeit sowie des Schutzes der Privatsphäre.

2. Ausgangslage

Deutschland braucht einen umfassenden digitalen Aufbruch. Als Europas industrieller Motor und eine der stärksten Volkswirtschaften der Welt, aber auch als Soziale Marktwirtschaft mit dem Anspruch auf Teilhabegerechtigkeit, betrachten wir die Digitalisierung als entscheidend für die Zukunftsfähigkeit unseres Landes. Daher wollen wir hier an der Spitze der internationalen Entwicklung Taktgeber für Innovation und Wachstum durch Digitalisierung sein. Bislang sind wir im europäischen Index für die digitale Wirtschaft und Gesellschaft (DESI, Bericht 2022) aber insgesamt nur auf Platz 13 von 27 EU-Mitgliedstaaten. Während wir dabei bei der digitalen Infrastruktur („Konnektivität“, Platz 4) deutlich über dem EU-Durchschnitt liegen, liegen wir in den Dimensionen Kompetenzen und Fachkräfte („Humankapital“, Platz 16), der digitalen Durchdringung von Unternehmen („Integration der Datentechnik“, Platz 16) und bei den Digitalen öffentlichen Diensten (Platz 18) unter dem EU-Durchschnitt. Das kann und darf uns nicht genügen, wenn wir im internationalen Wettbewerb auch künftig in der ersten Liga spielen wollen. Mit dieser Digitalstrategie und der Umsetzung der vorgesehenen Maßnahmen wollen wir unter die TOP 10 im DESI vorstoßen.

Mit der Verstärkung der digitalpolitischen Anstrengungen steht Deutschland im Einklang mit dem Europäischen Aufbruch in die „digitale Dekade“ und den damit verbundenen ambitionierten Zielen bis 2030: mindestens 80 Prozent der Bevölkerung, so schlägt es der „Digitale Kompass“ vor, sollen bis dahin über digitale Grundkenntnisse verfügen, die Zahl der IT-Experten soll auf 20 Millionen in der EU steigen. Auch die digitale Durchdringung der Unternehmen soll nachweisbar steigen: 75 Prozent der Unternehmen sollen mit Clouds, KI oder Big Data-Anwendungen arbeiten, 90 Prozent der Kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) sollen mindestens ein Basisniveau an digitaler Ausstattung vorweisen können und die Zahl der Unicorns (Start-ups mit einem Wert von über 1 Mrd. EUR) soll sich verdoppeln. Im Bereich der Infrastruktur beschränkt sich die EU nicht nur auf Gigabit für alle Haushalte, sondern will 20 Prozent der Produktion von Avantgarde-Halbleiter in Europa realisieren, 10.000 klimaneutrale „edge nodes“ und bis 2025 den ersten quantenbeschleunigten Computer in der EU vorweisen können. Alle Wesentlichen Verwaltungsakte sollen für die Bürgerinnen und Bürger digital zugänglich sein, dafür benötigen diese auch zu 100% einen entsprechenden Internetzugang sowie sichere Identifikationsnummern und -wege.

Hinter diesen Zahlen steht das Interesse aller Mitgliedstaaten, das Potenzial der Digitalisierung stärker zu nutzen, um den Zusammenhalt unserer Gesellschaft zu verbessern, Gemeinwohl zu fördern und die Leistungsfähigkeit von Wirtschaft, Wissenschaft, Forschung und Staat zu erhöhen. Insbesondere gilt es, Zivilgesellschaft, Wirtschaft, Wissenschaft, Bildung und Forschung Raum zur Entfaltung und zur Verwirklichung von neuen Ideen und technologischen und sozialen Innovationen zu eröffnen. Dies kann nur gelingen, wenn die Menschen in digitale Angebote vertrauen. Hierzu müssen wir die Digitale Souveränität jedes und jeder Einzelnen stärken und in allen Bereichen zu mehr Gestaltungsfähigkeit im Digitalen, aber auch zu mehr Kontrollfähigkeit und Sicherheit für schützenswerte Daten und Prozesse gelangen. Zugleich ist es erforderlich, die Digitalisierung so zu gestalten, dass alle Menschen von ihr profitieren können – unabhängig von Alter, Geschlecht, körperlichen oder geistigen Fähigkeiten, sozialer und ethnischer Herkunft. Weiterhin stellt sich die Frage nach einer sozial, wirtschaftlich und insbesondere ökologisch nachhaltigen Gestaltung der Digitalisierung. Hierfür sind die 17 Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen (SDG) Richtschnur der Politik der Bundesregierung und auch der Digitalstrategie. Konkret bedeutet das, Digitalisierung als Treiber ökologischer, ökonomischer und sozialer Nachhaltigkeit zu nutzen, ohne deren gegenteilige Wirkung zu verkennen.

Die umfassende Digitalisierung von Staat, Wirtschaft und Gesellschaft eröffnet auch Angriffsflächen für Ausspähung, Einflussnahme und Disruption z. B. durch gegnerische Staaten und Cyber-Kriminelle. Die mit dem Ukraine-Krieg verbundene „Zeitenwende“ ist ein Weckruf, neben der Befähigung zur Abwehr von Gefahren aus dem Cyber-Raum, auch die Schaffung von Resilienz und die Befähigung zur Schadensbegrenzung mitzudenken. Digitalisierung ist ein Querschnittsthema: Die damit verbundenen großen Ziele werden wir nur gemeinsam erreichen. In diesem Sinne ist die Digitalstrategie als Dachstrategie zu verstehen, die den übergeordneten Rahmen der Digitalpolitik in Deutschland vorgibt. Sie dient allen Ressorts als Kursbuch für die jeweiligen fachspezifischen Strategien und Maßnahmen. Die hier festgelegten Schritte sind in erster Linie eine Verpflichtung für die Bundesregierung. Für das im Koalitionsvertrag vorgesehene Digitalbudget zur Umsetzung zentraler Vorhaben der Digitalstrategie wird vom Bundesministerium der Finanzen (BMF), dem Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMDV) und dem Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) in enger Abstimmung mit dem Bundeskanzleramt (BKAmt) ein Konzept erarbeitet.

Mit dieser Strategie wollen wir die Rahmenbedingungen verbessern und dazu beitragen, dass der digitale Wandel im Sinne einer nachhaltigen, vielfältigen, inklusiven und demokratischen Gesellschaft geschlechtergerecht und diskriminierungsfrei gestaltet werden kann und insbesondere Zivilgesellschaft, Wirtschaft, Bildung und Wissenschaft die Chancen der Digitalisierung und die Gestaltungsmöglichkeiten des digitalen Wandels im Sinne der Menschen nutzen können. Der Staat wird hierbei im Rahmen seiner Möglichkeiten unterstützen und seine Anstrengungen darauf richten, Vorbild für die notwendige digitale Transformation zu sein.

3. Zielbild und Projekte mit Hebelwirkung

Um aufzuzeigen, wie wir Deutschland in dieser Legislatur und darüber hinaus mit Blick auf die digitale Transformation voranbringen wollen, beschreibt die Strategie für das laufende Jahrzehnt das Zielbild anhand von drei übergreifenden Handlungsfeldern.

Vernetzte und digital souveräne Gesellschaft

Deutschland ist bei der Gestaltung der digitalen Gesellschaft deutlich vorangekommen, hat die Potenziale der Digitalisierung für eine offene und integrative Gesellschaft genutzt und nimmt im DESI Ranking einen Platz unter den Top 10 ein. Dabei steht der Mensch im Mittelpunkt der Digitalisierung.

Ende 2025 ist die Hälfte aller Haushalte und Unternehmen mit Glasfaser versorgt. Im Mobilfunk werden bis möglichst 2026 unterbrechungsfreie drahtlose Sprach- und Datendienste für alle Endnutzerinnen und Endnutzer flächendeckend erreicht. Der Glasfaser- und Mobilfunkausbau geht weiter zügig voran und schafft damit eine leistungsfähige, nachhaltige und sichere Basis für die gesamte digitale Entwicklung in Deutschland. 2030 werden wir eine flächendeckende energie- und ressourceneffiziente Versorgung mit Glasfaseranschlüssen bis ins Haus haben. Der neuste Mobilfunkstandard wird 2030 überall dort verfügbar sein, wo Menschen leben, arbeiten und unterwegs sind.

Alle Bildungseinrichtungen wie Kindertageseinrichtungen, Schulen, Hochschulen, Einrichtungen für berufliche Bildung und Weiterqualifizierung, aber auch non-formale und informelle Bildungsorte machen sich stärker das Potential der Digitalisierung für bessere Bildung und mehr Chancengerechtigkeit zunutze. Sie sind an schnelle Netze angeschlossen, verbessern wirksam die Digitalkompetenz von Lehrenden wie Lernenden in allen Lebensphasen, setzen innovative digitale Werkzeuge ein und sorgen für das grundlegende Verständnis der Potenziale und Chancen als auch für die nötige Sensibilität gegenüber Risiken.

Mit inklusiven digitalen Räumen tragen wir zum demokratischen und gleichberechtigten Zusammenleben bei. Ein abwägendes Chancen- und Risikomanagement und die Berücksichtigung vulnerabler Gruppen kann die Akzeptanz von Geschäftsmodellen von Plattformbetreibern bei Nutzerinnen und Nutzern sichern und zu ihren nachhaltigen Erfolg beitragen.

Die Verbesserungen und Innovationen in der beruflichen (Weiter-)Bildung wie beispielsweise die digitalen Beratungsangebote sowie Bildungs- und Weiterbildungsplattformen ermöglichen es den Menschen, individuelle Beschäftigungschancen zu nutzen und sich auch in einer Arbeitswelt im Wandel neue Perspektiven zu erschließen.

Vielfältige, transparente und inklusive Angebote für das lebenslange Lernen schaffen die Grundlage für Teilhabe und Resilienz aller Bürgerinnen und Bürger unabhängig von Alter, Geschlecht, Fähigkeiten, sozialer und ethnischer Herkunft. Die Potenziale der Digitalisierung für barrierefreie Zugänge zu Informationen und Kommunikation ermöglichen ein selbstbestimmteres Leben in der Stadt und auf dem Land. Digitale Instrumente werden genutzt, um Barrieren und dadurch Benachteiligungen von Menschen mit Behinderungen abzubauen, Exklusionsrisiken wird aktiv entgegengewirkt. Die digitale Teilhabe von Menschen mit Behinderungen wird in allen Lebensbereichen mitgedacht und umgesetzt. Dadurch werden Selbstbestimmung und gleichberechtigte Teilhabe am Leben in der Gesellschaft gewährleistet. Geschlechtergerechtigkeit ist bei allen Angeboten realisiert.

Im Gesundheitswesen und in der Pflege ist eine flächendeckende digitale Datenverfügbarkeit realisiert, die zu einer besseren und effizienteren Versorgung sowie einer engeren Vernetzung mit der Forschung beiträgt. So wird die Abstimmung zwischen Ärztinnen und Ärzten, Pflegenden und weiteren Gesundheitsfachberufen erleichtert, weil es ihnen möglich ist, stets auf die aktuellen Gesundheitsinformationen zuzugreifen. Dabei ist der Schutz sensibler, persönlicher Gesundheitsdaten vollständig gewährleistet. Die Gesundheitsforschung wird gestärkt und Forschungsergebnisse kommen innovativen Therapien und Medikamenten zugute mit besseren Perspektiven für alle Patientinnen und Patienten. Dazu zählen auch Maßnahmen zur Stärkung der Patientensouveränität. Digitale Lösungen ermöglichen insbesondere der wachsenden Gruppe älterer Menschen ein längeres, selbstbestimmtes Leben und einen Verbleib in der Häuslichkeit bzw. im vertrauten Umfeld.

Mit den breiten Einsatzmöglichkeiten der Digitalisierung sind neuartige und moderne Lösungen und Ansätze zur Bewältigung der Herausforderungen in ländlichen Räumen entstanden. Digitale Anwendungen leisten hier einen wichtigen Beitrag – insbesondere bei der Verbesserung der Daseinsvorsorge. Die Digitalisierung in den Bereichen Bildung, Kinder- und Jugendhilfe, Arbeit, Gesundheit, Pflege, Mobilität, Nahversorgung, bürgerschaftliches Engagement und Ehrenamt führt zu einer Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen in urbanen und ländlichen Räumen und trägt somit zur Schaffung gleichwertiger Lebensverhältnisse bei.

Im Mobilitätsbereich ermöglichen digitale Plattformen intermodale Angebote, in denen sich für jeden Bedarf eine passende und kostengünstige Lösung findet – auch bei internationalen Reisen. Deutschland ist Innovationsstandort für automatisiertes, autonomes und vernetztes Fahren und soll dies auch in anderen Bereichen der Digitalisierung im Verkehr sein. Entsprechend ausgestattete Fahrzeuge entlasten Fahrerinnen und Fahrer von Routineaufgaben und verbessern den Verkehrsfluss und die Verkehrssicherheit oder machen Mobilität erst möglich. Bahn und Bahnhöfe nutzen KI zur besseren Strecken- und Gleisplanung, in allen Zügen können Passagiere auf stabiles, kostenloses WLAN zurückgreifen. Auch Informationen zu Fahrradstraßen und -unterstellmöglichkeiten wie zu anderen Fortbewegungsmitteln sind digital erhältlich. So kann Mobilität komfortabler, sicherer, effizienter, inklusiver und nachhaltiger werden.

Building Information Modeling (BIM) sowie digitale Zwillinge finden im Bauwesen immer stärkere Verbreitung und sorgen für mehr Effizienz bei Planung, Bau und Bewirtschaftung von Bauwerken. Der Bund ist hier Vorreiter und nutzt BIM für den Verkehrsinfrastrukturbau ebenso wie für den Hochbau. Angeregt durch Smart Cities und Smart Regions-Modellprojekte erkennen und nutzen Kommunen in ganz Deutschland zunehmend die Potenziale der Digitalisierung für eine nachhaltige, zukunftsgerechte und barrierefreie Stadt- und Raumentwicklung und für gleichwertige Lebensverhältnisse in ländlichen und urbanen Räumen.

Die Chancen der Digitalisierung werden intelligent genutzt für gleichberechtigten Zugang sowie nutzungsfreundliche und sichere digitale Angebote und Dienste. Risiken für Freiheitsrechte, Persönlichkeitsrechte, Selbstbestimmung, Schutz personenbezogener Daten, Privatsphäre und Gesundheit werden frühzeitig erkannt und ihnen wird wirksam und angemessen entgegengewirkt. Grundrechte werden auch im digitalen Raum konsequent geschützt. Digitale Angebote, Dienste und Technik werden von vornherein konsequent so gestaltet, dass diese barrierefrei, nutzer- und datenschutzfreundlich sowie sicher by design sind und dadurch für die Menschen domänen-übergreifend ein souveräner Umgang mit ihren eigenen Daten auf Grundlage eines starken und modernen Datenschutzes gewährleistet wird.

Im digitalen Raum ist für einen besseren Schutz sowohl unserer Bürgerinnen und Bürger, als auch unserer Demokratie, Bürgerrechte und Freiheiten gesorgt. Wir begegnen einerseits der Verbreitung illegaler und strafbarer Inhalte im Netz konsequent und nutzen z.B. das Potenzial von KI im Kampf gegen Desinformationskampagnen. Gleichzeitig ist sichergestellt, dass die Meinungsfreiheit auch online Bestand hat und Überwachungsrisiken systematisch minimiert werden, etwa mit einem Recht auf Verschlüsselung, oder einem Verbot von Social-Scoring-Systemen. Es gibt mehr geschützte, öffentlich-rechtliche, virtuelle Räume, in denen sich Kinder und Jugendliche, Mädchen und Frauen und vulnerable Gruppen jenseits von Geschlechterstereotypen und in ihrer Vielfalt austauschen und positionieren können.

Innovative Wirtschaft, Arbeitswelt, Wissenschaft und Forschung

Der Wirtschaftsstandort Deutschland steht im Fokus der Digitalpolitik, da die Rahmenbedingungen stimmen: Unternehmensgründungen sind schnell, einfach und ortsunabhängig digital möglich. Wagniskapital steht, für Frauen und Männer gleichermaßen, ausreichend und impulsgebend zur Verfügung. Deep-Tech Ausgründungen aus Wissenschaft und Forschung führen zu aussichtsreichen Unicorns. Durch signifikante Verbesserungen der steuerlichen Rahmenbedingungen für die Mitarbeiterkapitalbeteiligung und stärkere Teilhabe der Arbeitnehmer am Erfolg ihres Unternehmens wird der Standort für Start-ups gestärkt. Die Wirtschaft ist mit Hilfe der Digitalisierung erfolgreich gewachsen und stärker auf Nachhaltigkeit ausgerichtet. Digitale Technologien machen die Umwelttechnik effizienter und zukunftsfähig. Sie unterstützen den Umbau der Energieversorgung und die Entwicklung hin zu einer zukunftssicheren und nachhaltigen Land- und Ernährungswirtschaft und einer Kreislaufwirtschaft zum Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen. Sie stärken regionale Wertschöpfungsketten ebenso wie eine klima- und umweltverträglichere Mobilität. Zugleich wird auch die Digitalisierung selbst mit energieeffizienten, ressourcenschonenden und innovativen Technologien (Clean & Green Tech) und dem Schließen von Stoffkreisläufen nachhaltig und klimaverträglich gestaltet. Dabei wird auch eine ganzheitliche Betrachtungsweise von digitalen Technologien vorgenommen, um etwaig entstehende soziale und ökologische Rebound-Effekte zu verhindern. Bei dieser Entwicklung unterstützt auch ein Fokus auf digitale und soziale Unternehmensverantwortung. Corporate Digital and Social Responsibility ist eine prägende Leitlinie der Digitalwirtschaft im internationalen Vergleich.

Der Transfer von Wissenschaft und Forschung in die Praxis ist sprunghaft angestiegen. Forschung forciert die Digitalisierung in verschiedener Weise – digitale Methoden und Anwendungen ermöglichen neue wissenschaftliche Ansätze und bahnbrechende Erkenntnisse; Forschung stellt Daten zur Verfügung und treibt gleichzeitig die Entwicklung digitaler Lösungen und datenbasierter Geschäftsmodelle in allen Handlungsfeldern voran. Forschung begleitet auch den Digitalisierungsprozess selbst und ermöglicht so unter anderem evidenzbasierte Regulierung.

Daten werden in großem Umfang von der und auch für die Forschung verfügbar gemacht, um ihr Innovationspotenzial zu heben. Dafür entsteht ein wissenschafts- und innovationsfreundliches Datenökosystem. Der Zugang zu Daten und Diensten über offene und einheitliche Schnittstellen ist deutlich erweitert und verbessert. Die Interoperabilität von Daten, insbesondere Mess- und Forschungsdaten, wird basierend auf internationalen Standards sichergestellt. Damit ist eine wichtige Grundlage gelegt für die Entwicklung innovativer Geschäftsmodelle, für Wertschöpfung durch digitale und soziale Innovation durch zivilgesellschaftliche Akteure, Start-ups, Mittelstand und Industrie.

Auch in Wissenschaft und Forschung hat sich die Nutzbarkeit von Daten signifikant verbessert. Exzellente Hochschul- und Forschungseinrichtungen gewinnen neue Erkenntnisse aus der intelligenten Analyse von Daten. Sie sind mit ihren Datenangeboten wichtige Partner von öffentlicher Verwaltung und Unternehmen. Sie treiben die innovative Entwicklung, auch durch erfolgreichen Transfer und Ausgründungen.

Künstliche Intelligenz (KI) und Robotik werden in Deutschland und Europa technologieoffen und innovationsfreundlich erforscht und weiterentwickelt. Wir haben eingeführte Prozesse, um ihre Chancen für Wissenschaft, Wirtschaft, Verwaltung, Gesellschaft und Nachhaltigkeit immer wieder von Neuem auszuschöpfen, die Risiken für Individuum und Gesellschaft neu zu verstehen und sie beherrschbar zu machen.

Beim Internet of Things (IoT), und Schlüsseltechnologien wie KI, automatisierten und autonomen Systemen, Robotik, Quantencomputing, Mikroelektronik, 5G/6G und Cybersicherheit ist die deutsche Wissenschaft Teil der globalen Spitzengruppe. Der Transfer zwischen Wissenschaft und Wirtschaft wurde deutlich gestärkt. Wir konzentrieren uns dabei sowohl auf Schlüsseltechnologien, als auch auf die Entwicklung des jeweiligen wirtschaftlichen, wissenschaftlichen und gesellschaftlichen Ökosystems und auf den Transfer der Ergebnisse in Anwendungen und Dienstleistungen in Wirtschaft, Gesellschaft und Staat. Wir setzen dabei auf einen menschen-zentrierten Ansatz.

Der digitale Wandel der Arbeitswelt wird mit Sicherheit und Respekt für alle gestaltet. Eine verantwortungsvolle, und diskriminierungsfreie Nutzung von Daten und digitalen Technologien bildet dabei die Handlungsgrundlage. Mit modernen Regelungen zum Beschäftigtendatenschutz sind die Persönlichkeitsrechte der Betroffenen geschützt und Rechtssicherheit für Arbeitgeber und Beschäftigte geschaffen. Damit können die Potenziale neuer Technologien bestmöglich genutzt werden.

Mit zahlreichen Maßnahmen haben wir die Fachkräftebasis in der Digitalbranche deutlich gestärkt, obgleich die Herausforderungen der Fachkräftesicherung in den IT-Berufen über alle Branchen hinweg groß bleibt. Deutschlands Digitalunternehmen sind auch im internationalen Wettbewerb attraktive Arbeitgeber für High Potentials. Die Digitalbranche ist diverser geworden. Frauen sind gleichberechtigt in ihr vertreten. Insbesondere eine exzellente Hochschul- und berufliche Bildung und ein transparentes digitales Weiterbildungsangebot machen es Staat und Unternehmen leichter, Qualifizierungsbedarfe ihrer Beschäftigten zu decken und qualifizierte Fachkräfte zu finden, die dank flächendeckend verfügbarer, hochleistungsfähiger digitaler Infrastruktur ortsunabhängig arbeiten können. Daneben erlauben geänderte Einreise- und Aufenthaltsbedingungen die leichtere Zuwanderung ausländischer IT-Fachkräfte.

Auf europäischer Ebene sorgen klare und verlässliche Rahmenbedingungen auf allen Ebenen der digitalen Welt (Netze, Dienste, Daten und Anwendungen), einschließlich KI und Plattformen für ein nutzer- und wettbewerbsfreundliches Umfeld, das Wachstum und Innovation für eine starke Wirtschaft, hohe Verbraucherschutz- und Umweltstandards gewährleistet, digitale Teilhabe sichert und die digitale Souveränität Europas schafft. Im internationalen Wettbewerb kann Europa auch deshalb bestehen, weil das europäische Wettbewerbsrecht kontinuierlich fit für das digitale Zeitalter gemacht wird und europäischen Unternehmen faire Rahmenbedingungen und Wettbewerbschancen ohne neue Marktbarrieren oder digitalen Protektionismus ermöglicht werden.

Lernender, digitaler Staat

Verwaltung wird konsequent aus der Nutzerinnen- und Nutzerperspektive gedacht und gewährleistet die gleichberechtigte Teilhabe aller Menschen durch ein digitales, barrierefreies Angebot: Dies gilt von der Beratung über die Beantragung bis zur Bekanntgabe des Bescheides. Mit der Einführung der digitalen Identität und der Umsetzung des „Once-Only-Prinzips“ (auch im europäischen Kontext) sind wesentliche Meilensteine dafür erreicht. So können Bürgerinnen und Bürger ebenso wie juristische Personen und rechtsfähige Vereinigungen ihre Behördengeschäfte ortsunabhängig und effizient elektronisch erledigen. Das Onlinezugangsgesetz (OZG) wird weiterentwickelt. Durch den Aufbau von Wissen, Fachkräften und Kapazität sowie den prioritären Einsatz von Open Source Software und die verbindliche Nutzung von offenen Standards soll die digitale Souveränität auch auf der Seite der Verwaltung stärker in den Fokus genommen werden. Wichtig für die Digitalisierung der Verwaltung war und ist es, kontinuierlich rechtssichere und klare Rahmenbedingungen für die Nutzung digitaler Anwendungen festzulegen.

Grundlage für die Digitalisierung ist ein digital- und praxistaugliches Recht. Die Digitalisierungsperspektive wird von Anfang an mitgedacht. Mit einem Digitalcheck wird sichergestellt, dass Gesetzentwürfe aus Prozesssicht digitaltauglich erstellt werden. Schriftformerfordernisse stehen der Digitalisierung nicht mehr entgegen. Digital gestützte Verfahren sorgen für effiziente und beschleunigte Planungs- und Genehmigungsprozesse und haben die Modernisierung der Infrastruktur deutlich vorangebracht.

Die Verwaltung selbst ist digitaler geworden. Im lernenden, digitalen Staat nutzt sie souverän digitale Plattformen und vielfältige digitale Werkzeuge inklusive KI, wertet ihre Daten selbst besser aus und nutzt die gewonnen Erkenntnisse für Entscheidungen und deren evidenzbasierte Vorbereitung. Sie stärkt die digitalen Kompetenzen ihrer Mitarbeitenden langfristig und entlastet sie.

Auch als Bundesregierung wollen wir modern und digital zusammenarbeiten. Wir werden eine moderne Führungs- und Verwaltungskultur vorantreiben und für digitale Lösungen sorgen. So setzen wir beispielsweise auf kollaboratives Arbeiten über Ressortgrenzen hinweg und nutzen dafür zeitgemäße, digitale Werkzeuge wie Messenger und Anwendung für die cloudbasierte Dokumenten- und Aufgabenverwaltung, die speziell für die Arbeit der Bundesregierung angepasst wurden und betrieben werden.

Gerade in Zeiten wachsender Unsicherheit garantiert der Staat Schutz und Sicherheit für Bürgerinnen und Bürger ebenso wie für die Wirtschaft. Gemeinsam mit unseren Partnern haben wir die Fähigkeiten zur Vermeidung, frühzeitiger Erkennung sowie der Abwehr von Bedrohungen aus dem Cyberraum deutlich gestärkt. Durch die Harmonisierung und Modernisierung der polizeilichen IT-Architektur ist die Arbeit der Polizei und der Zollverwaltung effizienter und zielgerichteter. Die digitale Transformation der Bundeswehr gewährleistet auch in Zeiten einer herausfordernden, volatilen Bedrohungslage jederzeit eine verlässliche Verteidigung.

Internationale Datenpolitik

Grundlage jeder erfolgreichen Digitalpolitik ist ein globales, offenes, freies und sicheres Internet. Daran arbeitet Deutschland kontinuierlich in internationaler Abstimmung und Zusammenarbeit und verfolgt dabei einen transparenten und demokratischen Multistakeholder-Ansatz bei der Verwaltung der Internet-Infrastruktur und der Entwicklung technischer Normen und Standards für den Betrieb des Internets. Unsere aktive Mitarbeit in internationalen Gremien, Normungs- und Standardisierungsprozessen sowie Multi-Stakeholder-Foren, wie z. B. im Internet Governance Forum ist die Grundlage für unsere digitale Souveränität. Die transatlantische Partnerschaft ist dank des Handels- und Technologierates (TTC) gestärkt, der Einsatz für mehr Demokratie im Netz zeigt Erfolg und ein freies, offenes und globales Internet bietet Räume für sichere und unbeschwerte Teilhabe aller gesellschaftlichen Gruppen über nationalstaatliche Grenzen hinweg.

Deutschland setzt sich für einen vertrauensvollen regel- und wertebasierten Austausch von Daten zwischen demokratischen Staaten ein und überzeugt durch offenes transparentes Verwaltungshandeln – gerade auch in Abgrenzung zu repressiven Regimen. Kernpunkte dieses Engagements sind die technische Einheit des Internets als universelle Ressource und die Gestaltung einer globalen digitalen Ordnung, im Sinne eines international abgestimmten Rahmens für die Nutzung des Internets, insbesondere in den Bereichen Menschenrechte, Cybersicherheit und Regeln für die digitale Wirtschaft. Dass diese Ordnung auf den Grundprinzipien der Menschenrechte und Grundfreiheiten, der Demokratie, der Rechtsstaatlichkeit sowie des Schutzes der Privatsphäre beruhen muss, ist nicht verhandelbar.

Mit Blick auf das 2025 auslaufende Mandat des Internet Governance Forums und die anstehenden Entscheidungen über die künftige Architektur der Internet-Governance intensiviert Deutschland die digitalpolitische Zusammenarbeit mit den Staaten, die sich für das Modell der Multistakeholder-Governance aussprechen oder davon überzeugt werden können.

Insgesamt arbeitet Deutschland weltweit eng mit gleichgesinnten Partnern u. a. im Rahmen der Europäischen Union, der G7, der OECD, dem globalen Süden und in bilateralen Kooperationsformaten zusammen, um die digitale Transformation voranzutreiben. Zusammengenommen stärken wir so die digitale Souveränität Deutschlands und Europas in internationalen Partnerschaften.

Projekte mit Hebelwirkung

Um dieses Zielbild zu erreichen, werden wir solche Vorhaben mit Priorität vorantreiben, von denen ressortübergreifend die größte Hebelwirkung im Rahmen unserer digitalpolitischen Ziele zu erwarten ist. Dabei werden wir folgende grundlegende strategische Vorhaben umsetzen:

  • Voraussetzungen digitaler Angebote und ihrer Nutzung sind moderne, leistungsfähige und nachhaltige Netze und die Verfügbarkeit von Daten und Datenwerkzeugen. Wir werden den Gigabitausbau gemeinsam mit der Wirtschaft weiter vorantreiben und Datenräume domänenübergreifend miteinander vernetzen sowie mehr staatliche Daten und entsprechende Werkzeuge unter Beachtung eines hohen Datenschutzniveaus für die digitale Wertschöpfung einerseits und die Politikgestaltung andererseits bereitstellen.
  • Internationale einheitliche technische Normen und Standards ermöglichen Interoperabilität und die Skalierung von Lösungen durch ihre marktöffnende Wirkung. Sie unterstützen den Transfer von Innovationen in marktfähige Produkte. Deshalb kommt es zum einen entscheidend darauf an, die in dieser Strategie beschriebenen Projekte standardbasiert, technologisch offen, interoperabel sowie rechtlich und technologisch sicher zu gestalten. Zum anderen ist es aber ebenso zentral, einen noch stärkeren Einfluss auf die Schaffung zukünftiger internationaler technischer Standards zu nehmen. Die internationale Mitgestaltung von Standards wird wesentlicher Bestandteil einer aktiven Wirtschafts- und Digitalpolitik und auch stärker unter außenpolitischen Gesichtspunkten betrachtet werden. Dafür werden wir auch die Besetzung in internationalen Gremien stärker unterstützen.
  • Sichere und nutzerfreundliche digitale Identitäten und moderne Register sind Voraussetzung für digitale Dienste der öffentlichen Verwaltung auf allen staatlichen Ebenen, Bildung und Ausbildung sowie digitale Angebote in Wirtschaft und Gesellschaft. Sie ermöglichen, soweit erforderlich, die sichere Identifikation und Verrechnung von Online-Leistungen und -diensten und führen maßgeblich zu weiterer digitaler Wertschöpfung. Denn die zweifelsfreie Feststellung der Identität ist die Basis einer jeden Vertrauensbeziehung, die allen elektronischen Geschäfts- und Verwaltungsprozessen zugrunde liegt. Es ist daher eine Kernaufgabe des Staates, sichere Identifizierungsmittel zur Verfügung zu stellen. Dabei muss sichergestellt sein, dass die Lösungen auch europaweit interoperabel sind und schnell zur Verfügung stehen. Grundlage für Akzeptanz und Vertrauen ist dabei, dass sowohl die IT-Sicherheit als auch der Datenschutz ernst genommen werden und keine Nutzerprofile erstellt werden können. Der Einzelne muss zu jeder Zeit in der Lage sein zu erkennen, welche Behörden Zugriff auf welche persönlichen Daten haben.

Diese Vorhaben sind zentral für alle Projekte und Maßnahmen, die in den Ressorts jeweils eigenverantwortlich umgesetzt werden. Darüber hinaus werden wir die strategischen Themen Digitale Souveränität, Schlüsseltechnologien, Künstliche Intelligenz, Cybersicherheit, Desinformation und Plattformregulierung in den kommenden Jahren prioritär bearbeiten. Diese ziehen sich als Querschnittsthemen durch alle Kapitel der Digitalstrategie oder werden in den einzelnen Themenbereichen explizit behandelt.

Wir wollen die Digitalstrategie auch nutzen, um den grundlegenden Wandel hin zu einem lernenden, digitalen Staat voranzutreiben, der vorausschauend für die Bürgerinnen und Bürger arbeitet. Dafür werden wir die Strategie von Anfang an durch eine regelmäßige und umfassende Wirkungsprüfung begleiten und Effektivität wie auch Effizienz der Maßnahmen kontinuierlich bewerten. So schaffen wir ein wichtiges Instrument, um einschätzen zu können, ob mit den implementierten Maßnahmen die gewünschten Ziele erreicht werden und, falls dies nicht der Fall ist, Anpassungen vornehmen zu können.

Dadurch wird uns die digitale Transformation im Sinne einer Neuausrichtung von Prozessen auf der Grundlage einfacher und effizienter digitaler Verfahren gelingen und wir werden die digitale Souveränität Europas stärken.

4. Handlungsfelder

Um aufzuzeigen, wie wir der digitalen Gesellschaft mit den Menschen im Mittelpunkt neuen Schub verleihen wollen, werden im Folgenden für die drei Handlungsfelder (1) vernetzte und digitale souveräne Gesellschaft, (2) Innovative Wirtschaft, Arbeitswelt, Wissenschaft und Forschung sowie (3) digitaler Staat wesentliche Maßnahmen vorgestellt, die jedes Ressort in eigener Verantwortung und im Rahmen der in der Haushalts- und Finanzplanung jeweils zur Verfügung stehenden Mittel umsetzt. Zugleich wird anhand konkreter Beispiele dargestellt, wie Staat, Zivilgesellschaft, Unternehmen und Wissenschaft mit Hilfe der Digitalisierung das Leben einfacher, effizienter, sicherer und sozialer machen.

4.1. Vernetzte und digital souveräne Gesellschaft

Digitale Infrastrukturen

Leistungsfähige und nachhaltige digitale Infrastrukturen sind eine elementare Grundlage für die Digitalisierung. Auf Grundlage der gemeinsam mit Ländern, Kommunen und Telekommunikationswirtschaft erarbeiteten Gigabitstrategie sorgen wir für einen schnelleren Ausbau. Übergeordnetes Ziel der Bundesregierung für ein modernes Deutschland ist die flächendeckende energie- und ressourceneffiziente Versorgung mit Glasfaseranschlüssen bis ins Haus und dem neuesten Mobilfunkstandard, überall dort, wo Menschen leben, arbeiten und unterwegs sind – auch in ländlichen Gebieten. Diese Ziele sollen bis 2030 erreicht werden.

  • Durch einfachere und digitalisierte Genehmigungsverfahren sorgen wir für einen schnelleren Start von Ausbauvorhaben.
  • Wir stärken die Nutzung alternativer Verlegetechniken indem wir die Normierung und Standardisierung mindertiefer Verlegetechniken voranbringen und ein Konzept für die Nutzung oberirdischer Verlegung erarbeiten.
  • Mit dem Gigabit-Grundbuch schaffen wir ein zentrales Zugangsportal, das relevante Informationen bereitstellt – für die Planung des Infrastrukturausbaus sowie über den aktuellen und künftigen Grad der Versorgung im Bereich der Telekommunikation.
  • Wir schließen mit dem Mobilfunkförderprogramm Versorgungslücken, wo kein eigenwirtschaftlicher Ausbau erfolgt.

Wir wollen uns 2025 daran messen lassen, ob:

  • Genehmigungsverfahren für den Bau von Telekommunikationsinfrastrukturen beschleunigt und digitalisiert wurden.
  • mindestens die Hälfte der Haushalte und Unternehmen mit Glasfaseranschlüssen versorgt sowie im Mobilfunk bis möglichst 2026 unterbrechungsfreie drahtlose Sprach- und Datendienste für alle Endnutzerinnen und Endnutzer flächendeckend verfügbar sind.
  • die Nutzung alternativer Verlegetechniken deutlich gestärkt wurde.
  • durch das Gigabitgrundbuch mehr Transparenz hinsichtlich der für den Gigabit-Ausbau relevanten Informationen geschaffen wurde.
  • Lücken in der Mobilfunkabdeckung durch die Umsetzung der Mobilfunkförderung geschlossen wurden.

Bildung in allen Lebensphasen

Die digitaltechnologische Durchdringung verändert das gesamte Leben und erfordert veränderte Kompetenz- und Qualifizierungsprofile. Digitalkompetenzen fördern die Selbstbestimmung, die gesellschaftliche Teilhabe und den Zusammenhalt, aber auch die individuelle Beschäftigungsfähigkeit und den Wohlstand. Um die technologische und soziale Innovationskraft unseres Landes ebenso wie die Souveränität der Bevölkerung aller Altersgruppen im Hinblick auf Digitalität zu sichern, sind mehr und gezieltere Investitionen in Aus-, Fort- und Weiterbildung und ein besonderer Fokus auf informelle Lern- und Bildungsangebote notwendig.

  • Wir werden den DigitalPakt für Schulen nachhaltig gestalten. Dazu werden wir mit den Ländern die bisher erreichten Ergebnisse bilanzieren und die weiteren Bedarfe erheben, um in dieser Legislaturperiode einen Digitalpakt 2.0 mit einer Laufzeit bis 2030 abzuschließen. Dabei sollen die Prozesse deutlich einfacher und flexibler gestaltet werden.
  • Mit dem MINT-Aktionsplan 2.0 schaffen wir mit gezielten Förderungen entlang der gesamten Bildungskette Zugänge zu MINT-Bildung. Gerade auch bei der Zielgruppe der bisher im MINT-Bereich unterrepräsentierten Mädchen und Frauen fördern wir das Interesse für Ausbildung oder Studium in MINT-Berufen und tragen damit zur Sicherung der Fachkräftebasis bei. Hierzu gehört die Vermittlung digitalisierungsbezogener Kompetenzen bereits in der frühkindlichen und schulischen Bildung.
  • Mit Initiativen wie dem Aktionstag Girls‘ Day und YouCodeGirls entwickeln wir Angebote, um Geschlechterstereotype in der Berufsorientierung zu durchbrechen. Auf diese Weise stärken wir junge Frauen frühzeitig auf ihrem Bildungsweg in Digitalisierung, Informationstechnologie und Programmierung. So leisten wir einen Beitrag zur nachhaltigen Steigerung des Anteils von Frauen in IT-Berufen.
  • Wir fördern über das Hochschulforum Digitalisierung länder- und hochschulübergreifend Vernetzung, Kompetenzaufbau und Strategieentwicklung für digitale Hochschulbildung.
  • Wir werden die Kompetenzbildung in Zukunftsfeldern wie Künstliche Intelligenz unterstützen und entwickeln den KI-Campus als die Lernplattform für Künstliche Intelligenz weiter.
  • Wir stärken im Rahmen der Nationalen Weiterbildungsstrategie (NWS) die Kultur der Weiterbildung und setzen uns dafür ein, dass Weiterbildung ein selbstverständlicher Teil des Erwerbslebens wird.
  • In einer Gesellschaft des langen Lebens kommt Bildung im Alter eine besondere Bedeutung zu. Daher wollen wir auch den souveränen Umgang mit dem Digitalen im Alter stärken.
  • Wir gestalten und treiben den bildungspolitischen Prozess zur Entwicklung eines Digitalen Bildungsraumes mit einer Nationalen Bildungsplattform (NBP) gemeinsam mit unseren Partnern voran. Im Zusammenspiel mit der Domäne Bildung in GAIA-X ermöglichen wir so eine individuelle digitale Bildungsreise über die einzelnen Bildungsbereiche- auch karrierebegleitend im Beruf. Die NBP wird Bildungseinrichtungen, -anbieter und Content-Produzenten zu einem interoperablen, barrierefreien Bildungs-Ökosystem verbinden.
  • Wir setzen das regelmäßige Monitoring der digitalen Kompetenzen in der Bevölkerung fort, verknüpfen Forschung und Praxisentwicklung und entwickeln gezielt Maßnahmen für die Gruppen, die ein erhöhtes Risiko haben, digital abgehängt zu werden.

Digitaler Bildungsraum: Die Weiterbildung für die Arbeit von morgen finden

Henrietta arbeitet in einem Maschinenbauunternehmen. Schon in den letzten Jahren, aber noch mehr während der Pandemie ist ihre Arbeit noch sehr viel digitaler geworden, Technische Dokumentationen sind online abrufbar und weisen zunehmend interaktive Elementen auf; Einweisungen von Kundenmitarbeitern in die Programmierung der neuesten Generation von fernwartbaren CNC-Maschinen finden in digitalen Lernräumen statt. Henrietta ist beeindruckt, dass hier sofort auch kollegiale Fachdiskussionen stattfinden, auch unternehmensübergreifend.

Sie findet, dass eine solcher Austausch allen nutzt und die Kunden und ihre Mitarbeiter an die Firma binden. Sie entdeckt darin eine auch für sie selbst attraktive berufliche Perspektive und beschließt, sich hier zu professionalisieren.

Auf der Suche nach Informationen zum Einsatz digitaler Medien in der Weiterbildung nutzt sie wie schon die letzten Jahre die Nationale Bildungsplattform als Vernetzungsinfrastruktur. Diese ermöglicht es ihr, sich mit einem einzigen Login (SSO) im digitalen Bildungsraum zu bewegen und ihre Wallet als Ablage zu nutzen und ihre Daten selbstsouverän zu verwalten. Um die angebotsübergreifende Suche im digitalen Bildungsraum bestmöglich auf ihre Vorkenntnisse und Bedürfnisse einzugrenzen, ruft sie ihr aktuelles Kompetenzprofil in der Bildungswallet auf und teilt speziell ihre für die Professionalisierung wichtigen Kenntnisse für eine Suche mittels Katalogfunktion der NBP.

Unter den Angebotstreffern finden sich analoge, reine online und hybride Weiterbildungsangebote. Die Agentur „Zusammen-Lernen-Jetzt“ mit ihrem hybriden Angebot für ein peerangeleitetes Moderationstraining zieht ihre Aufmerksamkeit auf sich: Hier werden nicht nur digital Kompetenzen durch Kolleginnen und Kollegen untereinander vermittelt, sondern themenspezifisch Fälle und Erfahrungen geteilt und in der online Fachgemeinschaft diskutiert. Der Blog dieser Gruppe hatte bereits eine große Zahl von Followern, darunter auch viele ehemalige Teilnehmer des Trainings, die nach wie vor aktiv Beiträge posten und kommentieren. Sie tritt bei.

Drei Jahre später, Henrietta arbeitet inzwischen bei der Stahl-Hart AG in Bielefeld. Sie ist immer noch begeistert, wie lebendig der Austausch mit den Fachkolleginnen und -kollegen auch über Firmen hinweg funktionieren kann. Und das Moderationstraining war Gold wert: Seit nunmehr zwei Jahren moderiert sie selbst eine internationale Onlinegruppe zu automatisierten Fertigungssystemen. Eine Referenz und Kompetenz, die ihr nicht zuletzt bei der Bewerbung einen Vorteil verschafft hat.

Und gestern haben sich die Aktiven und Ehemaligen aus „Zusammen-Lernen-Jetzt“ zum persönlichen Austausch im Biergarten getroffen – der gemeinsam Kalender macht’s. möglich. Es war mal wieder ein Fest!

Wir wollen uns 2025 daran messen lassen, ob:

  • der DigitalPakt für Schulen nachhaltig gestaltet ist und ein Digitalpakt 2.0 beschlossen ist.
  • sich die neuen Maßnahmen in den Aktionsfeldern des MINT-Aktionsplans 2.0 (Kooperation, Qualität, Forschung, Berufsorientierung für Familien, Frühstart) in der Umsetzung befinden.
  • Initiativen wie YouCodeGirls einen breiten Kreis von Nutzerinnen erfolgreich beim Erwerb von Coding-Kompetenzen unterstützt und in der Entscheidung für IT-Berufe bestärkt.
  • ein interoperables Bildungs-Ökosystem etabliert ist, das einen chancengleichen und barrierefreien Zugang zu digitaler Bildung eröffnet und von den Menschen in allen Lebensphasen aktiv genutzt wird. Übergreifendes Ziel ist auch fachgebiets- und sektorübergreifende Interoperabilität. Hierzu werden wir entsprechende Indikatoren entwickeln.
  • ein regelmäßiges Monitoring Verbesserungen bei den digitalen Kompetenzen der Bevölkerung ergibt, insbesondere bei den digitalisierungsfernen Gruppen.
  • die Ergebnisse des Monitorings als Ausgangspunkt für die Entwicklung von gezielten Kompetenzvermittlungsangeboten bei den digitalisierungsfernen Gruppen gedient haben.
  • alle aktuellen und relevanten Studien und Modelle zur Medien- und Digitalkompetenz der deutschen Bevölkerung in einer Datenbank zusammengefasst sind und Forschungslücken durch zusätzliche empirische Studien geschlossen wurden.

Gesundheit und Pflege

Die Möglichkeiten der Digitalisierung wollen wir für die Gesundheit der Menschen ethisch verantwortlich nutzen und dazu beitragen, dass Deutschland eine Vorreiterrolle bei Digital Health einnimmt. Davon sollen Versicherte unabhängig von den individuellen Voraussetzungen umfassend profitieren. Die Digitalisierung soll damit auch einen Beitrag zur Verringerung gesundheitlicher Ungleichheiten leisten. Wir treiben durch konsequente Digitalisierung die Modernisierung und Vernetzung des Gesundheitswesens voran. Damit verbessern wir die Versorgung von Patientinnen und Patienten und die Arbeitsbedingungen für Pflegekräfte und Gesundheitsberufe. Außerdem heben wir dadurch Effizienzpotential für eine nachhaltige Finanzierung des Gesundheitswesens. Ein resilientes Gesundheitssystem baut auch auf einer starken Gesundheitsforschung auf. Die digitale Vernetzung zum raschen Austausch von Erkenntnissen und Innovationen zwischen lebens- und gesundheitswissenschaftlicher Forschung und Versorgung ist gemeinsame Voraussetzung für eine international wettbewerbsfähige Forschung und für ein exzellentes Gesundheitssystem.

Wir werden im Jahr 2022 einen partizipativen Strategieprozess zur Erarbeitung einer Digitalisierungsstrategie im Gesundheitswesen und in der Pflege starten. Dabei werden wir besonderen Fokus auf die Lösung von Versorgungsproblemen und die Perspektive der Nutzerinnen und Nutzer legen. So werden wir im Dialog mit allen relevanten Akteuren die gemeinsame Vision einer Versorgung der Zukunft formulieren.

Mit der elektronischen Patientenakte (ePA) werden wir die bislang an verschiedenen Stellen (z. B. Praxen und Krankenhäuser und Öffentlicher Gesundheitsdienst) existierenden bzw. entstehenden Patientendaten digital integrieren. Damit Patientinnen und Patienten sowie Leistungserbringer schnellstmöglich von den besonderen Potenzialen der ePA profitieren können, werden wir die Bereitstellung und Nutzung der ePA erleichtern. Hierdurch wird deren Nutzen und die Nutzung in der Breite der Bevölkerung weiter gesteigert.

Durch die Möglichkeit der freiwilligen Datenfreigabe im Rahmen der ePA wird ab 2023 auch die Forschung und damit die gesamte Gesellschaft im Sinne einer verbesserten Gesundheitsversorgung von der Nutzung der Daten profitieren können.

Elektronische Patientenakte – Herzstück digital vernetzter Gesundheitsversorgung

Seit ihrer Diabetesdiagnose vor 18 Jahren war Elif in mehreren Arztpraxen und Kliniken in Behandlung. Lange Zeit war es nicht einfach, bei den vielen Befunden, Arztbriefen und Laborergebnissen den Überblick zu behalten.

Inzwischen verfügt Elif jedoch über eine elektronische Patientenakte (ePA). In dieser sind alle ihre Erkrankung betreffenden Informationen – auch die Daten aus ihrer Diabetes-App – übersichtlich gebündelt und über eine Suchfunktion schnell auffindbar.

Die täglichen Blutzuckerwerte werden automatisch in der ePA hinterlegt und mit ihrer Einwilligung an ihren Hausarzt übermittelt. Mit diesem tauscht sich Elif regelmäßig per Videosprechstunde oder Messenger über den Therapieverlauf aus. Die wichtigsten Daten zum Therapieverlauf werden nach Absprache in der ePA dokumentiert.

Diese Daten nutzt auch der ambulante Pflegedienst, der seit einem halben Jahr Elifs Wunde am Fuß versorgt. Diese verheilt schlecht und bedarf einer spezialisierten Wundversorgung in Abstimmung zwischen Arzt und Pflegenden. Über die ePA haben alle Beteiligten Zugriff auf das jeweils aktuellste Wundprotokoll. Das nötige Material wird über elektronische Verordnungen direkt bei der Apotheke oder im Sanitätshaus bestellt.

Als sich Elif einmal zu viel Insulin injiziert, muss der Rettungsdienst gerufen werden. Glücklicherweise hat Elif ihren Neffen als zugriffsberechtigten Vertreter bevollmächtigt, so dass dieser die in der ePA gespeicherten wesentlichen Gesundheitsdaten sowie ihren Medikationsplan der Notärztin für eine schnelle und zielgerichtete Erstversorgung bereitstellen kann. Das Krankenhaus wird bereits vor der Einlieferung über ihren Zustand informiert.

Zur Entlassung werden alle Unterlagen in digitaler Form an die passenden Stellen versandt: Elifs Hausarzt erhält den Entlassbrief, der Pflegedienst den Pflegeüberleitungsbogen. Zudem kann sie ihr Entlassrezept komfortabel einer Apotheke ihrer Wahl zuweisen.

Elif möchte, dass anderen Menschen durch ihre Krankengeschichte geholfen werden kann. Deshalb gibt sie ihre Daten aus der ePA für die Forschung frei. Mit ihrer Unterstützung arbeiten nun Forschende an neuen Therapieansätzen für Diabetikerinnen und Diabetiker.

Das erzählt Elif in ihrer Selbsthilfegruppe. Durch den regelmäßigen Austausch erfährt Elif Neuigkeiten und kann auch selbst Tipps geben. Jasmin, die durch ihre Diabeteserkrankung erblindet ist, ist skeptisch, ob sie die ePA nutzen kann. Gemeinsam probieren sie es aus. Durch die barrierefreie Gestaltung der App findet sich Jasmin gut zurecht. Befunde und Therapieempfehlungen kann sie sich vorlesen lassen. Das erleichtert ihren Alltag und Jasmin behält selbst den Überblick über ihre Daten.

  • Wir werden das E-Rezept als Ersatz des bisherigen Papierrezepts als Pflichtanwendung für die Verordnung verschreibungspflichtiger Arzneimittel zunächst in der gesetzlichen Krankenversicherung schrittweise einführen.
  • Wir werden die gematik als digitale Gesundheitsagentur für die zentrale Plattform für digitale Anwendungen im deutschen Gesundheitswesen (Telematikinfrastruktur) zukunftsfest aufstellen.
  • Wir stärken die Vernetzung der Gesundheitsämter über alle Ebenen hinweg und bauen die Interoperabilität im Gesundheitswesen weiter aus.
  • Zum besseren Schutz vor Infektionskrankheiten bauen wir das Deutsche Elektronische Melde- und Informationssystem für den Infektionsschutz (DEMIS) zur Nutzung in Gesundheitseinrichtungen und im Öffentlichen Gesundheitsdienst (ÖGD) sukzessive weiter aus.
  • In der Pflegeversorgung schaffen wir die Grundlagen für eine vollelektronische Abrechnung im ambulanten Bereich und treiben die Erprobung von Telepflege voran.
  • Wir unterstützen die Pflegeeinrichtungen mit dem Förderprogramm zur Anschaffung von digitalen und technischen Lösungen zur Entlastung der Pflegekräfte.
  • Wir schaffen die Grundlagen für ein Recht der Patientinnen und Patienten auf Interoperabilität und Datensouveränität zur nachhaltigen Verbesserung der Versorgung. Der barrierefreie Zugang zu den Daten wird gewährleistet.
  • Wir fördern die intelligente, verantwortungsvolle und standortübergreifende Nutzung digitalisierter Gesundheitsdaten, um Patientenversorgung und Forschung bedeutend zu verbessern und setzen uns dafür ein, die rechtlichen Rahmenbedingungen zur Nutzung von Gesundheitsdaten forschungskompatibel weiterzuentwickeln. Dabei bauen wir auf den Erfahrungen des Netzwerks Universitätsmedizin und der Medizininformatik-Initiative auf.

Wir gestalten den Europäischen Gesundheitsdatenraum und bauen ein interoperables Gesundheitsdatenökosystem mit einer dezentralen Forschungsdateninfrastruktur auf. So können die benötigten Gesundheitsdaten z. B. für die Weiterentwicklung der Versorgung und für die Forschung verfügbar und verknüpfbar werden.

Wir wollen uns 2025 daran messen lassen, ob:

  • mindestens 80% der GKV-Versicherten über eine elektronische Patientenakte (ePA) verfügen und das E-Rezept als Standard in der Arzneimittelversorgung etabliert ist (Papierrezept „Muster 16“ lediglich als Rückfalloption).
  • das Gesundheitswesen die Potenziale der Digitalisierung besser ausschöpft und dadurch alle Menschen insbesondere vulnerable Bevölkerungsgruppen, umfassend durch eine bessere Versorgung profitieren.
  • sich die Datenverfügbarkeit bei der Gesundheitsversorgung verbessert hat und eine verbesserte Datengrundlage für die Forschung, zur Qualitätssicherung und zur Verbesserung der Gesundheitsversorgung zur Verfügung steht.
  • die Freigabe von ePA-Daten zu konkreten Mehrwerten für Ärztinnen und Ärzte, Patientinnen und Patienten sowie für die Wissenschaft geführt hat.
  • das Pflegewesen durch die Digitalisierung und Robotik eine spürbare Unterstützung und Entlastung erfährt, die Patientinnen und Patienten aber auch deren Angehörigen und den Pflegekräften zugutekommt.
  • wir zusammen mit den anderen Mitgliedstaaten der EU einen „Datenraum Gesundheit“ aufbauen, der europäischen Sicherheitsstandards gerecht wird und grenzüberschreitende Gesundheitsversorgung und -forschung erleichtert.

Mobilität

Digitale Vernetzung und Automatisierung unterstützen das Erreichen eines effizienten, sicheren, inklusiven und leistungsfähigen Mobilitätssystems, das sich flexibel dem Gesamtbedarf für Personen- und Gütertransport anpasst. Die Mobilität der Zukunft ist zunehmend digital. Sie schafft nutzerfreundliche, barrierefreie, intelligente und maßgeschneiderte Mobilitätsangebote, ermöglicht soziale und kulturelle Teilhabe und trägt zum Erreichen unserer Klimaschutz- und Nachhaltigkeitsziele bei.

  • Wir setzen die Förderung des automatisierten, autonomen und vernetzten Fahrens fort mit dem Ziel, es zu einem festen Bestandteil des Mobilitätssystems zumachen. So bauen wir Deutschlands Position als Innovationsstandort weiter aus und sichern die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Automobilindustrie im internationalen Kontext.
  • Wir sorgen für mehr Effizienz auf der Schiene. Im Projekt „Kapazitätsplanung und -zuweisung der Zukunft“ wird die Grundlage für digital optimierte Kapazitätsausnutzung auf der Schiene erarbeitet. Damit wird ein wichtiger Beitrag zur Stärkung der Schiene, zur Realisierung des Deutschlandtakts und zur Erreichung der Klimaschutzziele des Bundes geleistet. Die zukünftigen digitalen Prozesse des Fahrplan- und Kapazitätsmanagements werden kundenfreundlich, schnell und effizient sein und eine optimale Nutzung der begrenzten Infrastrukturkapazitäten unterstützen. Der Einsatz von Predictive Maintenance verhindert technische Defekte an Fahrzeugen und Schienenkörper proaktiv. Das steigert Leistungsfähigkeit, Verlässlichkeit und Attraktivität des Schienenverkehrs.
  • Gemeinsam mit der Luftverkehrsbranche und anderen Beteiligten erarbeiten wir bis zum Ende des Jahres ein Konzept zur Integration und Digitalisierung der Abfertigungsprozesse an Flughäfen, um diese durch die Nutzung von technologischen Innovationen wie zum Beispiel die Nutzung biometrischer Daten sicherer, effizienter, schneller und komfortabler zu gestalten.
  • Für den Markthochlauf von Elektrofahrzeugen treiben wir den Ausbau der Ladeinfrastruktur auf Grundlage des Masterplans Ladeinfrastruktur passgenau voran. Dabei wird die digitale Bereitstellung von Daten zu Standorten, Ladepreisen, Nutzungsmöglichkeiten und Barrierefreiheit betrachtet mit dem Ziel, ein für alle Nutzerinnen und Nutzer jederzeit verlässliches Ladenetz verfügbar zu machen.
  • Wir unterstützen den Aufbau eines zukunftsgerichteten und datenschutzkonformen Mobilitätsdatenökosystems durch die Verknüpfung zwischen Mobility Data Space (MDS) und dem Nationalen Zugangspunkt zu Mobilitätsdaten (Mobilithek). So schaffen wir die Grundlage für digitale Anwendungen und innovative Geschäftsmodelle im Mobilitätssektor und darüber hinaus.
  • Zukünftig wollen wir die sektorübergreifende Interoperabilität des MDS weiter ausbauen. Dafür wollen wir Datenräume aus anderen Branchen und Sektoren mit dem MDS vernetzen.

Mobilitätsdaten-Ökosystem ausbauen

Marita lebt in Eberswalde (Brandenburg) und möchte in den Winterferien ihre Großeltern in Kastellaun (Rheinland-Pfalz) besuchen. Für den Weg von zuhause nach Kastellaun nutzt sie verschiedene Verkehrsmittel vom E-Scooter über den Bus, die Bahn, bis hin zum Car-Sharing. Statt jedes Verkehrsmittel einzeln zu buchen und Fahrpläne zu vergleichen nutzt sie smarte Anwendungen, die auf Daten verschiedener Mobilitätsanbieter basieren. Sie findet hierin alles Notwendige um eine Reise à la carte zu buchen (Fahrpläne, Verbindungen, Preise etc.), die ihren speziellen Bedürfnissen gerecht wird.

Marita nutzt die smarte Welt, um sicher ans Ziel zu kommen. Während Sie mit dem Wagen des Car-Sharing Anbieters durch den Hunsrück fährt, warnt sie das Auto vor Glätte auf den Kuppen, weil dieses mit dynamischen Wetterdaten gespeist wird. Sie fährt somit vorsichtig, aber trotzdem aus Versehen durch ein kleines Schlagloch und schmunzelt. Es ist nichts passiert und sie weiß, dass ihr Auto diese Erschütterung an einen Datenpool meldet. Das hat sie in den Mietbedingungen gelesen und selbstbestimmt zugestimmt. Diese Daten werden für die Straßenbauverwaltung ausgewertet, um die Schäden an der Straße schnellstmöglich zu erkennen und reparieren zu können.

  • Wir beschleunigen die Verfahren durch kürzere Planungszeiten und dadurch, dass wir die planungsrechtlichen Antrags- und Beteiligungsverfahren im Bereich Verkehr und Offshore-Vorhaben über das Fachplanungsportal des Bundes digitalisieren.
  • Wir werden Standards für ein digitales Projekt- und Risikomanagement insbesondere für Großprojekte aufsetzen, um die Kosten und die verschiedenen Prozesse (u.a. Zeitpläne, Vertragsmanagement, Zulieferungen etc.) leichter bearbeiten zu können.

Wir wollen uns 2025 daran messen lassen, ob:

  • durch die verbesserte Verfügbarkeit von Mobilitätsdaten aus MDS und Mobilithek die Entwicklung neuer datenbasierter Mobilitätslösungen wirksam gestärkt wird, indem wir die Zahl der Unternehmen, die im MDS aktiv sind von heute 50 Unternehmen auf 250 Unternehmen verfünffachen.
  • alle Behörden im Geschäftsbereich des BMDV aktive Datenanbieter in der Mobilithek sind, indem über 1.000 Organisationen Daten über die Mobilithek bereitstellen und monatlich 80 Millionen Datenpakete mit einem Gesamtvolumen von mehr als 60 Terabyte ausliefert und mehr als 10.000 Daten-Abonnements bedient werden können.
  • das automatisierte, autonome und vernetzte Fahren den Sprung von Pilotvorhaben und Projekten in die Praxis und Anwendung im Alltag geschafft hat, indem wir mit der Durchführungsverordnung zum Gesetz zum autonomen Fahren die rechtlichen Voraussetzungen vervollständigt haben. Gleichzeitig wollen wir bis Ende 2023 mit der wissenschaftlichen Evaluierung des Rechtsrahmens zum autonomen Fahren beginnen um etwaigen Änderungsbedarf am Rechtsrahmen zu adressieren.
  • unser Engagement auf europäischer Ebene zur weiteren Harmonisierung und der EU-Großseriengenehmigung autonomer Kraftfahrzeuge geführt hat, um einen breiten und skalierbaren Fahrzeugzulauf in den Regelbetrieb zu gewährleisten, der mehr als die bisher möglichen Fahrzeuge erlaubt (1500 Fahrzeuge auf EU-Ebene und 250 Fahrzeuge auf nationaler Ebene pro Typ pro Jahr bzw. Mitgliedstaat).
  • durch möglichst bundesweite Anwendungen, die Verknüpfung des ÖPNV mit anderen (geteilten) Verkehrsangeboten einfach und kundenfreundlich funktioniert.
  • ein Konzept zur Digitalisierung der Abfertigungsprozesse an Flughäfen vorliegt.
  • digitales Kapazitätsmanagement und Predictive Maintenance zu einem leistungsfähigeren, verlässlicheren und attraktiveren Schienenverkehr beitragen.
  • bis Ende 2022 das gemeinsame Fachplanungsportal von Eisenbahn-Bundesamt (EBA), Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH), Fernstraßen-Bundesamt (FBA) und der Generaldirektion Wasserstraßen und Schifffahrt (GDWS) in Betrieb genommen und bis Ende 2023 durch ein digitales Einwendungsmanagement ergänzt wurde und dadurch die durchschnittliche Verfahrensdauer reduziert werden konnte.

Bau, Smart Cities und Smart Regions

Durch digitale Modelle für Planung, Steuerung des Bauablaufs und Übergabe von Bauwerksdaten für den späteren Betrieb sorgt Building Information Modelling (BIM) für mehr Effizienz im gesamten Lebenszyklus von Bauwerken. Digitale Simulationen und Variantenuntersuchungen ermöglichen unter anderem frühzeitige Nachhaltigkeitsbetrachtungen und die Bewertung von CO2-Bilanzen, und bilden damit die Grundlage für mehr Wirtschaftlichkeit und Klimaverträglichkeit. Allen Marktteilnehmern soll eine Teilhabe an der Digitalisierung möglich sein. Insbesondere den vielen kleinen und mittelständischen Unternehmen (KMU) der deutschen Wertschöpfungskette Bau wird hier Rechnung getragen.

Für die Stadt- und Raumentwicklung kommt den Kommunen eine Schlüsselrolle zu. Der Bund schafft die Voraussetzungen, dass unterschiedliche Stadt- und Raumentwicklungsziele effizient und mithilfe intelligenter Datenintegration nachhaltig gemeistert werden können. Hierzu bedarf es einheitlicher Standardisierungen und Prozessvereinheitlichungen.

  • Wir treiben die Einführung von BIM als Standard für die Verkehrsinfrastruktur und den Hochbau des Bundes weiter voran und fördern Innovationen zum digitalen Planen, Bauen und Betreiben.
  • Wir etablieren mit dem BIM-Portal des Bundes eine Plattform, mit der Anforderungsdefinitionen zum digitalen Bauen mit BIM klar und präzise formuliert werden können und die mit bestehenden BIM-Portalen kompatibel ist.
  • Mit „BIM Deutschland – Zentrum für die Digitalisierung des Bauwesens“ fördern wir die Anwendung von BIM und digitalen Methoden in Deutschland, stellen technische Beratung für beteiligte Praxisakteurinnen und -akteure bereit und unterstützen die Entwicklung nationaler und internationaler Standards in Koordination mit der nationalen Normungsorganisation.
  • Aufbauend auf Smart City und Smart Regions-Modellprojekten ermöglichen wir digitale Lösungen für bessere Teilhabe, Planung und Visualisierung von Planungsentscheidungen und stärken Vernetzung und Wissenstransfer zwischen den Kommunen.
  • Wir bieten Kommunen Unterstützung bei ganzheitlichen Digitalisierungsansätzen, fördern Dialog und Vernetzung der Akteure und stellen Wissen und Informationen bereit.
  • Wir werden aufbauend auf den Erfahrungen der Modellprojekte Smart Cities einen SmartCity-Stufenplan entwickeln. Die Koordinierungs- und Transferstelle der Modellprojekte Smart Cities richten wir als Smart-City-Kompetenzzentrum ein, das die Kommunen effektiv bei ihrem Smart City Ansatz unterstützt.

Connected Urban Twins – Deine Stadt im digitalen Raum

Lisa und Tarek wohnen schon lange in der Stadt. Sehr heiße Sommer, aber auch Starkregenereignisse sind in ihrem Wohnviertel in den letzten Jahren spürbar häufiger geworden. Wie viele andere machen sie sich Sorgen um die Zukunft. Sie werden auf ein Angebot der Stadtverwaltung aufmerksam, in einer Workshop-Reihe mit einem Digitalen Zwilling Ideen zum Mikroklima und zur Grünplanung für ihren Bezirk einzubringen.

Urbane Digitale Zwillinge bündeln vielfältige Daten zu einem realitätsnahen, digitalen Abbild der Stadt. Es dient nicht nur der Visualisierung, sondern ermöglicht auch die Simulation von Was-Wäre-Wenn-Szenarien.

In einem Workshop präsentiert die Stadtverwaltung Tarek, Lisa und anderen Bürgerinnen und Bürgern ein 3D-Stadtmodell ihres Heimatortes an einem Touchtisch. Von einer Übersichtskarte aus kann Lisa selbst bis auf ihre Straße zoomen. Sie diskutiert mit den anderen, wo neue Stadtbäume platziert werden können, die im Sommer für zusätzlichen Schatten sorgen. Eine Virtual Reality-Brille vermittelt Tarek in interaktiver lebensnaher Form, wo bei Starkregen Überschwemmungen drohen könnten. Die Stadtplanerin Sina präsentiert ihre Ideen für mögliche Schutzmaßnahmen. Alle Mitwirkenden können im Workshop, Orte in der Karte markieren und Kommentare mit weiteren Ideen hinzufügen.

Solche und weitere Anwendungen sind Beispiele dafür, wie Urbane Digitale Zwillinge komplexe städtische Zusammenhänge auch für Nicht-Fachleute nachvollziehbar machen. Neue Möglichkeiten für die Beteiligung der Stadtgesellschaft ermöglichen eine fundierte Basis für den Diskurs und letztlich schnellere und neu durchdachte Entscheidungen in der Stadtentwicklung.

Wir wollen uns 2025 daran messen lassen, ob:

  • die Etablierung von BIM als Standard in allen Verkehrsträgerbereichen sowie im Wohnungs -und Hochbau deutliche Fortschritte gemacht hat und hierdurch die Grundlagen für bessere Wirtschaftlichkeit und Ökobilanzierung bei Planung, Bau und Betrieb von Bau- und Infrastrukturvorhaben geschaffen werden.
  • die für 2025 vorgesehenen Meilensteine des Masterplans BIM für Bundesbauten erreicht wurden und der Bundeshochbau auch für private Bauträger ein Vorbild zur Anwendung der Methode BIM ist.
  • mindestens eine zentrale cloudbasierte Kollaborationsplattform für den Bereich Bundesbau erfolgreich etabliert wurde.
  • das BIM-Portal des Bundes verkehrsträgerübergreifend genutzt wird und das Zielbild des digitalen Zwillings in vielen Maßnahmenbereichen des Infrastrukturmanagements zur Anwendung kommt.
  • die Modellprojekte Smart Cities innovative und übertragbare digitale Lösungen für stadtentwicklungspolitische Aufgaben zur Verfügung stellen und um einen Ansatz für Smart Regions ergänzt sind.
  • der Smart-City-Stufenplan entwickelt wurde und die Koordinierungs- und Transfer-Stelle der Modellprojekte Smart Cities als Smart-City-Kompetenzzentrum die Kommunen effektiv bei der Gestaltung des digitalen Wandels unterstützt.

Digitale Zivilgesellschaft

Die Zivilgesellschaft spielt eine zentrale Rolle bei der Gestaltung der digitalen Gesellschaft. Deshalb wollen wir Infrastrukturen, Förderprogramme, Initiativen, Projekte und Communities so vernetzen, dass daraus ein starkes Fundament für das Gemeinwohl wird – über alle Sektoren hinweg: für die demokratische Teilhabe, für die digitale Souveränität der Gesellschaft, für die Umwelt und das Klima, für ein friedliches Zusammenleben.

Der digitale Raum ermöglicht aber nicht nur neue Formate demokratischer Teilhabe und Debatten. Entwicklungen wie Hassrede, Desinformation und digitale Gewalt sind Gefahren für unsere Grundrechte, denen wir entschieden begegnen müssen – auch hier gemeinsam mit zivilgesellschaftlichen Trägerinnen und Trägern.

Mit der Initiative „Civic Coding – Innovationsnetz KI für das Gemeinwohl“ stärken wir Daten- und KI-Kompetenzen der Zivilgesellschaft, bündeln Förderprogramme und Unterstützungsmaßnahmen, leisten Unterstützung bei der Realisierung von Digitalprojekten und fördern eine soziale, partizipative und nachhaltige Technikgestaltung. Durch Plattformen und Begegnungsräume wie der Civic Innovation Platform und den KI-Ideenwerkstätten für Umweltschutz unterstützen wir die Vernetzung (zivilgesellschaftlicher) Akteurinnen und Akteure und ermöglichen die Erprobung digitaler Technologien. Gemeinsam mit zivilgesellschaftlichen Organisationen setzen wir uns im Rahmen eines Civic Data Labs dafür ein, gemeinwohlorientierte Datenräume zu schaffen.

KI-Technologien für den gesellschaftlichen und sozialen Fortschritt nutzbar machen

Tim kann geschickt mit Werkzeugen umgehen und fertigt tolles Holzspielzeug für Kinder an. Er arbeitet in einem kleinen Handwerksbetrieb und versteht sich gut mit Bahira, seiner syrischen Kollegin. Bahira hat in den letzten Monaten sehr gut Deutsch gelernt und unterstützt im Personalbüro. Wenn es aber um Behördengänge geht, fühlt sie sich sehr hilflos, sie versteht nicht, wie sie Leistungen beantragen kann. Auch Tim hat Schwierigkeiten mit dem Amtsdeutsch und fragt in solchen Fällen seinen Freund Justus um Rat. Justus hat vor ein paar Monaten zusammen mit Maja ein Start-up gegründet, beide kennen sich gut mit den Möglichkeiten von KI aus, sie haben schon einige Anwendungen programmiert.

Sie überlegen, wie sie die Technologie nutzbar machen können, um Tim und Bahira zu helfen. Am liebsten würden sie einmal mit einer Behörde sprechen, um zu verstehen, wie Amtstexte entstehen. Maja hat von der Civic Innovation Platform gehört, auf der ganz unterschiedliche Menschen gemeinsam KI-Anwendungen für alltägliche Probleme entwickeln. Sie stellt ihre Idee einer KI-Anwendung, die Formulare und Amtstexte in Leichte Sprache übersetzt, auf der Plattform ein. Sie muss nicht lange warten, bis sich ein Bürgeramt meldet, das gerne an dieser Anwendung mitarbeiten möchte. Tim und Bahira sind begeistert von der App, die aus dieser Zusammenarbeit entstanden ist, und nutzen sie, um sich auf der Website der Behörde zu orientieren und die notwendigen Unterlagen zusammenzustellen. Justus und Maja überlegen nun, wie ihre nächste KI-Anwendung aussehen könnte und haben über die Plattform Kontakt zum Verband sehbehinderter Menschen aufgenommen, Maja hat schon eine Idee für ein sprachgesteuertes GPS.

Verbrauchersouveränität im Umgang mit KI-Systemen stärken

Mani studiert Informatik und beobachtet oft, dass sich gefährliche Inhalte im Netz sehr schnell verbreiten. Auch hat er festgestellt, dass all seine Freunde in scheinbar parallelen Welten im Netz unterwegs sind und allen unterschiedliche Inhalte angezeigt werden. Je nach Gefühlslage von Personen wechseln diese Inhalte schlagartig. Mani möchte der Sache auf den Grund gehen und erfährt vom Zentrum für vertrauenswürdige KI und der Vielzahl von Informationen, die in den letzten Jahren zu den gesellschaftlichen Auswirkungen von Algorithmen entwickelt wurden. Mani findet hier auch konkrete Informationen, was er gegen potentielle Benachteiligungen durch den Einsatz von Algorithmen unternehmen kann.

  • Wir stärken digitale Kompetenzen und das Engagement gegen Hass im Netz. Mit dem Bundesprogramm „Demokratie leben!“ fördern wir gezielt zivilgesellschaftliche Träger, die mittels ihrer Projekte Bürgerinnen und Bürgern darin stärken und befähigen, Desinformation zu erkennen und Hass im Netz wirksam zu begegnen.
  • Mit einem Gesetz gegen digitale Gewalt werden wir rechtliche Hürden für Betroffene, wie Lücken bei Auskunftsrechten, abbauen. Wir werden die rechtlichen Rahmenbedingungen für elektronische Verfahren zur Anzeigenerstattung sowie richterlich angeordnete Accountsperren prüfen. Wir werden Beratungsangebote für Betroffene von digitaler Gewalt fördern.
  • Wir werden das digitale Ehrenamt sichtbarer machen, unterstützen und rechtlich stärken. Die Zivilgesellschaft binden wir besser in digitalpolitische Vorhaben ein und unterstützen sie, insbesondere in den Bereichen Diversität und Civic Tech.

Wir wollen uns 2025 daran messen lassen, ob:

  • die Civic Coding Initiative zu einer Stärkung von Daten- und KI-Kompetenzen in der Zivilgesellschaft beiträgt, neue Allianzen zwischen Akteur*innen fördert und Anschub für neue KI-Projekte leistet. Dies werden wir anhand entsprechender Indikatoren belegen.
  • für Zivilgesellschaft und Verwaltung Beratungs- und Informationszentren für KI geschaffen bzw. ausgebaut wurden, beispielsweise mit dem ZVKI ein Ort der Debatte für die Zivilgesellschaft in Deutschland rund um gesellschaftliche Fragen zu KI und algorithmischen Systemen etabliert ist und Verbraucher hier Informationen über ihre Rechte finden können. Dazu wollen wir die Größe des Netzwerks verdoppeln
  • die im Rahmen des Bundesprogramms „Demokratie leben!“ geförderten 28 Modellprojekte mit Digitalbezug sowie die Maßnahmen des Kompetenznetzwerks gegen Hass im Netz erfolgreich abgeschlossen worden sind, Betroffene von Hass und Hetze im Netz unterstützen und zivilgesellschaftliche Akteure darin gestärkt haben, die digitalen Kompetenzen der Bürgerinnen und Bürger für ein Engagement gegen Hass im Netz zu fördern.
  • das Gesetz gegen digitale Gewalt und die entsprechenden Beratungsangebote den Betroffenen wirksame Unterstützung bieten, um sich gegen digitale Gewalt zu wehren und geeignete Indikatoren zur Überprüfung entwickelt sind.

Kultur und Medien

Die digitale Transformation des Kulturbereichs ermöglicht innovative Wege, Kultur einem breiten Publikum zu erschließen und bietet neue Chancen für Teilhabe und Interaktion. Digitale Technologien eröffnen zugleich effektive Möglichkeiten, Kulturgüter zu bewahren und zu sichern. Die Medien sind tiefgreifenden Transformationsprozessen im Kontext der Digitalisierung ausgesetzt. Sie benötigen neue Geschäftsideen und -modelle, um sich dauerhaft in einem immer vielfältigeren und sich stetig verändernden Wettbewerb um Aufmerksamkeit und Werbeeinnahmen durchsetzen. Faire Wettbewerbsbedingungen, Staatsferne und ein funktionierender Markt (Monopolfreiheit) sind die Voraussetzung dafür. Zugleich ist das – auch digitale – Angebot der Qualitätsmedien ein unverzichtbarer Beitrag, um Desinformationen im Internet wirksam entgegenzutreten und Orientierung in der Flut an Informationen zu bieten.

  • Wir bringen das Projekt Datenraum Kultur auf den Weg und helfen, eine überregionale IT-Infrastruktur einzurichten, die einen dezentralen, sicheren und selbstbestimmten Datenaustausch im Kulturbereich ermöglicht. Durch eine erleichterte Verfügbarkeit und die Vernetzung von Kulturdaten werden digital basierte Angebote und Geschäftsmodelle entstehen.
  • Wir entwickeln die Deutsche Digitale Bibliothek, die nationale Internetplattform für die Präsentation von Kulturerbe und Wissen, weiter – als nutzerattraktiven Ort der Vernetzung digitaler Angebote deutscher Kultur- und Wissenseinrichtungen aller Sparten (Archive, Bibliotheken, Museen, Mediatheken).
  • Wir arbeiten intensiv weiter an fairen Wettbewerbsbedingungen für Qualitätsmedien in Europa. So setzen wir uns in den Verhandlungen zum European Media Freedom Act für die Unabhängigkeit und Staatsferne der Medien auch im Kontext europäischer Regulierung digitaler Transformationsprozesse und Vorgaben für den Medienmarkt ein.

Datenraum Kultur

Amira arbeitet in der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit eines Stadttheaters nahe München. Ihre Aufgabe ist es, den Theaterspielplan in die lokale Presse, das Kulturmagazin der Stadt und Münchens einzutragen. Es ärgert sie, dass alle Anbieter eigene Eingabemasken haben, so dass sie zwei Tage daran sitzt, die Daten einzupflegen. In Zukunft wird der Spielplan direkt von der Webseite des Theaters in das Modul „Smarte Theaterdienste“ des Datenraums Kultur eingelesen und Kulturplattformen oder Veranstaltungskalender von Zeitungen können auf die Daten zugreifen und sie auf ihren Seiten einbinden. Über Verknüpfungen mit den Daten anderer Kultureinrichtungen und Echtzeit-Informationen aus dem ÖPNV oder sogar dem Wetter können sie das lokale Kulturangebot maßgeschneidert präsentieren. In der gewonnenen Zeit kann sich Amira um eine reichweitenstarke SoMe-Kampagne für die nächste Premiere kümmern.

Ihre Freundin Claudia, die im Einzugsbereich von zwei größeren Städten wohnt, liebt die Theater in beiden Städten. Mit Hilfe der maschinenlesbaren Spielpläne des Datenraums Kultur hat ihr lokales Stadtmagazin eine App entwickelt, die in Echtzeit Kulturdaten mit Mobilitätsdaten verknüpft, und Claudia nur die Termine anzeigt, mit denen sie am Abend noch den letzten Bus nach Hause erwischt.

Arne ist ein großer Wagner-Fan und verbringt einen großen Teil seiner Freizeit damit, sich verschiedene Inszenierungen seiner Lieblingsstücke anzusehen. Es kostet ihn viel Zeit, die Spielpläne der Opernhäuser im Internet abzugleichen, um seine jährliche Reiseroute zusammenzustellen. Dank der maschinenlesbaren Spielpläne hat er jetzt eine App, die ihm alle Inszenierungen des „Ring des Nibelungen“ nach Regionen sortiert anzeigt. So kann er sich durch die Verknüpfung mit Hotel- und Mobilitätsdaten bequem seine Reiseroute, Ticketbuchungen und Übernachtungen zusammenstellen.

Amiras Cousine Jasmin ist blind und liebt Theatervorstellungen mit Audiodeskription. Gerne reist sie mit ihrem Freund Rainer, der einen Rollstuhl nutzt, durch die Bundesrepublik, um eine moderne Inszenierung mit Audiodeskription zu erleben. Früher musste Rainer lange im Internet suchen, um eine Vorstellung zu finden, in die beide problemlos gehen konnten. Weil für Jasmin die Webseiten oft nicht barrierefrei nutzbar waren, musste er die Suche übernehmen. Die Spielpläne des Datenraums Kultur sind nun barrierefrei und beinhalten zudem eine eigene Kategorie, in der die Zugänglichkeit der einzelnen Inszenierung beschrieben ist. So finden Jasmin und Rainer auf die Schnelle bundesweit die Inszenierungen, die sie mit ihren Kriterien „Zugänglich für mobilitätseingeschränkte Person und Audiodeskription“ besuchen können. Und das Beste ist: Jasmin kann jetzt alleine eine neue Theatervorstellung finden und buchen und Rainer damit überraschen.

Wir wollen uns 2025 daran messen lassen, ob:

  • wir das Projekt Datenraum Kultur auf den Weg gebracht und dabei schon vorhandene Aktivitäten der Kulturinstitutionen, der Zivilgesellschaft sowie der Kultur- und Kreativwirtschaft einbezogen haben, indem wir in einer Initialphase bis Mitte 2023 die Machbarkeit einer Datenraumanwendung aus den Use Cases „Vernetzte Kulturplattformen“, „Smarte Museumsdienste“, „Smarte Theaterdienste“ und „Smarte Musikdienste“ belegt haben.
  • wir auf der Grundlage eines bis Ende 2022 abgeschlossenen Relaunch der Deutschen Digitalen Bibliothek diese zu einem Portal entwickelt haben, welches das kulturelle Erbe Deutschlands noch intuitiv erfahrbarer macht.
  • wir ein Förderprogramm zur Stärkung der Nachrichtenkompetenz bis Ende 2023 auf den Weg gebracht haben, das dazu beiträgt, die Digitalkompetenz in der Gesellschaft zu erhöhen, Qualitätsmedien zu erkennen und insbesondere Desinformation im Internet zu bekämpfen.
  • wir einen stabilen und fairen Wettbewerbsrahmen geschaffen haben, der die notwendige Transformation von Medienangeboten ermöglicht und durch den Qualitätsjournalismus in seiner Vielfalt und Unabhängigkeit auch nach der Transformation weiterhin Bestand haben kann.

Teilhabe, Gleichstellung und digitale Barrierefreiheit

Umfassende Teilhabe, Geschlechtergerechtigkeit und digitale Barrierefreiheit sind Qualitätsmerkmale eines modernen Landes und für alle ein Gewinn. Digitale Innovationen haben großes Potenzial, Orientierung zu bieten, Wissen leichter zu vermitteln und den Alltag der Menschen einfacher, nachhaltiger, sicherer, barrierefreier und sozialer zu machen. Zugleich muss bei der Gestaltung der Digitalisierung der Schutz vor Ausnutzung von Schwächen und von verletzlichen Gruppen besonders gewährleistet sein. Zu diesen vulnerablen Gruppen gehören insbesondere Kinder und Jugendliche, Frauen, ältere Menschen, Menschen mit Behinderung, LGBTQ und Menschen mit Einwanderungsgeschichte.

  • Wir sorgen dafür, dass schon Kinder und Jugendliche in einem sicheren digitalen Umfeld und geschützten digitalen Räumen teilhaben und Chancen für sich nutzen können. Dafür setzen wir die aktuellen gesetzlichen Reformen konsequent durch – u. a. mit der neu aufgestellten Bundeszentrale für Kinder- und Jugendmedienschutz.
  • Mit der Initiative Gutes Aufwachsen mit Medien fördern wir bereits ab dem frühen Kindesalter digitale Kompetenzen, auch unter Einbeziehung von Eltern und Fachkräften.
  • Wir erarbeiten mit Ländern, Kommunen und freien Trägern eine gemeinsame Strategie zur Kooperation bei der Digitalisierung in der Kinder- und Jugendhilfe und verbessern den Zugang zu Angeboten und Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe, z. B. durch die Entwicklung digitaler Anwendungen und Unterstützungssysteme für Jugendämter.
  • Wir entwickeln innovative „Digitale Familienassistenten“ rund um Familien und Familienleistungen, die als Vorreiter für ein modernes und nutzerfreundliches Informationsangebot der Bundesregierung dienen sollen (StartApp Familie, Chatbot Familie).

Digitale Familienassistenten

Mathilda und Ali sind ein junges Paar mit einigen Jahren Berufserfahrung. Sie ist selbständig, er ist Angestellter. Sie haben vor kurzem erfahren, dass Mathilda schwanger ist und freuen sich auf ihr erstes Kind. Beiden sind ihre Berufe wichtig, sie wollen sich die Aufgaben partnerschaftlich aufteilen. Aber die Suche nach verlässlichen Informationen ist zunächst mühsam. Auf welche staatlichen Leistungen haben sie Anspruch und wo kann man sie beantragen? Wer geht wie in Elternzeit mit welchen Folgen für die Rente? Mit jeder Antwort wird es schwieriger für beide, zu überblicken, was relevant ist und auf denselben Informationsstand kommen.

Doch zum Glück gibt es die Digitalen Familienassistenten: Ein paar Antworten auf Fragen zu ihrer persönlichen Situation sind zu geben, und schon wird ihnen angezeigt, worauf es ankommt. Sie erfahren, auf welche Leistungen sie Anspruch haben und wo sie diese digital beantragen können. Nützliche Praxistipps zeigen ihnen, worauf es ankommt, um ihre Berufswege weiter zu gehen und auch mit Familie ihr eigenes Geld zu verdienen, so wie es sich beide vorstellen. Alles kommt nun in eine überschaubare und logische Reihenfolge, sie werden an Antragsfristen erinnert und an die Entscheidungen, die anstehen. Ihnen werden Beratungsstellen vorgeschlagen. So wie ihnen helfen innovative Tools vielen jungen Paaren und Eltern und tragen dazu bei, dass beide Partner wirtschaftlich auf eigenen Füßen stehen und ihre Aufgaben so aufteilen, wie sie es sich wünschen – immer gut verständlich und in attraktivem Design.

Tabea ist Mutter von drei Kindern. Ihr jüngster Sohn, der 4-jährige Karl, hat ein Down-Syndrom. Für ihn sucht Tabea händeringend nach einem geeigneten Kitaplatz. Über die Internetseite der Stadt erfährt sie vom digitalem Beratungstool des Jugendamtes. Nach Beantwortung einiger Fragen zu ihrer Lebenssituation und zum Kind ist das Beratungstool in der Lage, sie über die Möglichkeiten der Betreuung ihres Kindes in einem Kindergarten und die Inanspruchnahme von Assistenzleistungen für Menschen mit Behinderungen zu informieren. Das Beratungstool verweist sie direkt an die richtige zuständige Stelle, das örtliche Sozialamt und vermittelt den Kontakt.

  • Unter dem Dach des „Digitalpakt Alter“ vernetzen wir bundesweit erfolgreiche Projekte und Initiativen zur digitalen Kompetenzvermittlung gegenüber älteren Menschen. So schaffen wir ein breites gesellschaftliches Bündnis zur Stärkung der digitalen Teilhabe.
  • Mit dem Forschungsprogramm „Miteinander durch Innovation“ entwickeln wir interaktive Technologien für Gesundheit und Lebensqualität, unter anderem Roboter für Assistenzfunktionen, innovative Lösungen für Nähe und zwischenmenschliche Kommunikation über Distanz oder Anwendungen der virtuellen Realität für die Teilhabe eingeschränkter Personen.
  • Mit dem Projekt „KI-Kompass inklusiv“ wollen wir Menschen mit Behinderungen, Leistungserbringer der beruflichen Rehabilitation, Unternehmen und weitere Stakeholder niedrigschwellig, bedarfsorientiert und praxisnah bei der Erprobung und Einführung KI-gestützter Assistenztechnologien informieren, beraten und unterstützen, um Menschen mit Behinderungen besser am Arbeitsleben teilhaben zu lassen. Dazu wird u. a. eine Datenbank entsprechender Technologien aufgebaut.
  • Mit der geplanten Weiterentwicklung des Barrierefreiheitsstärkungsgesetzes werden wir die digitale Barrierefreiheit verbessern, bestehende Barrieren weiter abbauen und damit die Teilhabechancen für Menschen mit Behinderung erweitern.

Wir wollen uns 2025 daran messen lassen, ob:

  • Bund, Länder, Kommunen und freie Träger auf Basis einer gemeinsamen Strategie zur Digitalisierung in der Kinder- und Jugendhilfe kooperieren,
  • die Anregung und Förderung von Aktivitäten in der Kinder- und Jugendhilfe zur Stärkung der Digitalkompetenzen von jungen Menschen und Fachkräften durch den Bund erheblich zugenommen hat und digitale Werkzeuge zu qualifizierterer Beratung und stärkerer Nutzung von Angeboten der Kinder- und Jugendhilfe beitragen.
  • 10 Prozent (werdende) Familien vom Informationsangebot und den Digitalen Familienassistenten Gebrauch machen.
  • die digitale Teilhabe älterer Menschen oder anderen Einschränkungen wirksam gestärkt werden konnte. Dies soll mit 20 Partnern an über 200 Erfahrungsorten über 350 Angebote erreicht werden.
  • Einrichtungen der beruflichen Rehabilitation KI-basierte Assistenztechnologien dank des Projekts „KI-Kompass inklusiv“ besser kennen und nutzen.
  • die digitale Barrierefreiheit verbessert wurde.
  • die Chancen, die der digitale Transformationsprozess für die Gleichstellung von Frauen und Männern bietet, wirksam wahrgenommen werden, insbesondere ob – der Frauenanteil in der IT-Branche gestiegen ist (2021: 17 Prozent).
  • der Anteil an Frauen, die an Fortbildungsmaßnahmen mit Digitalbezug teilnehmen, gestiegen ist (2018: 26 Prozent).
  • der Anteil an erwerbstätigen Frauen, die im Homeoffice arbeiten können, gestiegen ist (2020: 14 Prozent, laut einer Befragung des DGB).

4.2. Innovative Wirtschaft, Arbeitswelt, Wissenschaft und Forschung

Datenökonomie

Die Gestaltung einer attraktiven, sicheren und agilen Datenwirtschaft gehört zu den strategischen Prioritäten der Bundesregierung. Sie ist Grundlage für künftige Wettbewerbsfähigkeit und ermöglicht eine effektive Nutzung des Potenzials von Daten, um das Leben für alle Menschen besser zu machen. Wir brauchen ein umfassendes und offenes Datenökosystem als Baustein eines starken europäischen Daten-Binnenmarktes. Der Aufbau von Dateninfrastrukturen wie Datenplattformen und Datenräumen in allen Sektoren muss zügig weiter vorangetrieben werden. Die Verfügbarkeit und Nutzung von Daten ist sektorübergreifend zu stärken, auch als Grundlage für innovative KI-Anwendungen.

  • Wir wollen die durchgängige Vernetzung der Dateninseln gemeinsam mit Wirtschaft, Wissenschaft und Zivilgesellschaft in Deutschland konkret auf den Weg bringen. Die Nutzung von Daten soll so einfach vernetzt sein wie das Roaming bei der Telekommunikation. Dafür werden wir die Datenstrategie weiterentwickeln.
  • Mit Gaia-X entsteht ein sektorübergreifend nutzbares, europäisches, offenes, innovatives Ökosystem für datengetriebene Geschäftsmodelle und Produkte. Dieses basiert auf einer Dateninfrastruktur, die Cloud- und Edge-Angebote über Open Source-Anwendungen und interoperable Standards verbindet und auch in die Wissenschaft hinein vernetzt. Diese Entwicklung unterstützen wir, weil sie digitale Souveränität durch Transparenz und Selbstbestimmtheit für die Nutzerinnen und Nutzer gewährleistet.
  • Wir werden verschiedene Datenräume domänenübergreifend miteinander vernetzen. Ziel ist ein sektorübergreifendes digitales Datenökosystem, in dem Daten unter Wahrung der Datensouveränität und des Datenschutzes zwischen Akteuren geteilt werden können. Hierzu unterstützen wir die Entwicklung eines universalen globalen Datenstandards und etablieren dafür strategische internationale Partnerschaften.
  • Ein Dateninstitut soll Datenverfügbarkeit und -standardisierung vorantreiben, Datentreuhändermodelle und Lizenzen etablieren. So verbessern wir praxisnah und bedarfsorientiert die Datenverfügbarkeit in Deutschland und stärken eine datenbasierte Wissenschaft, Forschung, Wirtschaft, Gesellschaft und Verwaltung.
  • Mit dem EU Data Act wollen wir ein innovationsorientiertes Datenrecht für fairen Datenzugang und faire Datennutzung in Europa fördern, und insbesondere für KMU und für Verbraucherinnen und Verbraucher Verbesserungen erreichen, Anreize zum Erheben und Teilen von Daten setzen und den Anbieterwechsel bei Clouddiensten erleichtern.
  • Mit einem Datengesetz schaffen wir für diese Maßnahmen die notwendigen rechtlichen Grundlagen auf nationaler Ebene.
  • Wir setzen die KI-Strategie mit dem Ziel der verantwortungsvollen Entwicklung und Nutzung von KI weiter um, indem wir die Vernetzung der KI-Akteure zu einem KI-Ökosystem unterstützen, den Transfer von der Forschung in die Anwendung und die wirtschaftliche Verwertung voranbringen.
  • Daneben setzen wir uns dafür ein, die EU-Verordnung für künstliche Intelligenz innovationsfreundlich und -ermöglichend bei einem gleichzeitig hohen Sicherheitsniveau zu gestalten.
  • Wir bauen KI-Servicezentren für die stärkere Nutzung von KI auch im Mittelstand auf und machen Deutschland und Europa zu einem führenden KI-Standort in Wissenschaft und Wirtschaft.

KIKStart (KI für KMU und Start-ups)

Wir bringen Anwendungen im Bereich Daten und KI in die Breite der deutschen Wirtschaft, mit besonderem Fokus auf Start-ups und den Mittelstand.

Paul fährt mit Vorfreude in sein mittelständisches Unternehmen, das regional erzeugte Säfte in Mehrwegflaschen abfüllt. Heute wird ein neues System in Betrieb genommen. Mit diesem kann die Firma besser und schneller produzieren. Für die Abfüllanlagen gibt es nun „digitale Zwillinge“, also eine digitale Version der jeweiligen Anlage, die genauso reagiert wie die „echte“. Technische Defekte und Abnutzungszeitpunkte können präziser vorhergesagt und Stillstand bei der Umrüstung der Maschinen verkürzt werden. Durch automatisierte Bildverarbeitung werden Schäden an Gefäßen vor dem Abfüllen ebenso rasch erkannt wie Ausschuss nach dem Abfüllen. Damit kommt ein sechsmonatiges Projekt erfolgreich zum Abschluss. Unterstützt wurde das Unternehmen von Paul durch das von Natascha gegründete KI-Start-up. Dieses hat bei der Nachrüstung der Anlagen mit Sensoren geholfen, mit den daraus erfassten zusätzlichen Daten werden die „digitalen Zwillinge“ gefüttert. Mit Kamerabildern erkennt das System rasend schnell Qualitätsmängel, denn es wurde speziell auf diese Produkte trainiert. Erst war Paul skeptisch, aber in einem von der Bundesregierung geförderten Mittelstand-Digital Zentrum in seiner Nähe konnte er sich anhand eines Demonstrators von den Vorteilen einer datenbasierten Produktion überzeugen und auch mit echten Maschinen experimentieren. Das Start-up von Natascha ist GAIA-X-zertifiziert und nutzt GAIA-X konforme Cloud-Rechenleistung und Daten.

Wir wollen uns 2025 daran messen lassen, ob:

  • Daten aus verschiedenen Datenräumen in Wirtschaft, Wissenschaft, Verwaltung und Gesellschaft nach Nutzerinteressen kombinierbar sind.
  • weitere Anwendungsbeispiele umgesetzt wurden, die den technologischen und wirtschaftlichen Nutzen von Gaia-X illustrieren.
  • ein Dateninstitut eingerichtet ist, das die Datenverfügbarkeit und Datenstandardisierung in Deutschland vorantreibt und Datentreuhändlermodelle sowie Lizenzen etabliert.
  • die rechtlichen Regelungen insbesondere zu Datenzugang, Datenportabilität und Interoperabilität weiterentwickelt sind und den Rahmen für eine erfolgreiche Entwicklung der Datenökonomie bilden.
  • es gelungen ist, die Anwendungsbreite und den Transfer von KI in die Praxis zu erhöhen, etwa durch die KI-Servicezentren für Wissenschaft und Wirtschaft.

Wissenschaft und Forschung

Die Etablierung einer umfassend vernetzten, nachhaltigen Datenkultur in Wissenschaft und Forschung ist eine Schlüsselaufgabe der kommenden Jahre. Diese Aufgabe beinhaltet einerseits, Forschungsdaten übergreifend und langfristig für Wissenschaft, Wirtschaft und Gesellschaft nutzbar zu machen, um hieraus neues Innovationspotenzial zu generieren, andererseits Daten für Forschungszwecke weitreichend verfügbar zu machen. Auf dieser Grundlage nimmt die Forschung eine zentrale Rolle bei der Begleitung der Digitalisierung ein.

  • Wir erschließen und systematisieren Forschungsdatenbestände in der Nationalen Forschungsdateninfrastruktur (NFDI) durch den Aufbau eines dezentralen und vernetzten Datenraums zur nachhaltigen Sicherung und Nutzbarmachung von Forschungsdaten.
  • Wir gründen die Deutschen Agentur für Transfer und Innovation (DATI), um technologische und soziale Innovationen insbesondere an den Hochschulen für angewandte Wissenschaft (HAWs) und kmUnis in Zusammenarbeit mit u.a. mit Start-ups, KMU sowie sozialen und öffentlichen Organisationen zu fördern.
  • Wir entwickeln die Agentur für Sprunginnovationen (SPRIND) auf Basis einer Evaluation weiter mit dem Ziel, disruptive Innovationen noch schneller und flexibler fördern zu können. Mit Spin-off-Forschungsinitiativen stärken wir Ausgründungen aus Forschung und Wissenschaft.
  • Wir vernetzen Wissenschaft und Wirtschaft insbesondere durch Gaia-X als innovatives Instrument des Wissens- und Technologietransfers und durch Interoperabilität zwischen den Datenräumen.
  • Wir schaffen Datenzugangsrechte für die Forschung (Forschungsklauseln), um Forschung im Interesse einer umfassenden, nachhaltigen und werteorientierten Datenkultur zu ermöglichen.
  • Wir verbessern bereits Datenkompetenzen auf allen Karrierestufen in der Wissenschaft innerhalb des Rahmenprogramms Erforschung von Universum und Materie (ErUM) mit dem Aktionsplan ErUM-Data und möchten dies für alle Wissenschaftsbereiche mit einem Förderprogramm im Rahmen unseres Aktionsplans Forschungsdaten umsetzen.
  • Wir stärken die Fähigkeit zur Datenverarbeitung durch den Ausbau der digitalen Infrastruktur des Hoch- und Höchstleistungsrechnens.
  • Darüber hinaus werden wir mit der Zukunftsstrategie die Forschungs- und Innovationspolitik weiterentwickeln, um die natürlichen Lebensgrundlagen zu schützen, die internationale Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands zu gewährleisten, die Resilienz der Gesellschaft zu stärken und die technologische Souveränität zu sichern.

Wir wollen uns 2025 daran messen lassen, ob:

  • ein Forschungsdatengesetz den Zugang zu Forschungsdaten für öffentliche und private Forschung umfassend verbessert und vereinfacht hat und Forschungsklauseln eingeführt wurden.
  • sich die NFDI als „das Netzwerk“ in der deutschen Wissenschaftslandschaft etabliert hat und Forschungsdaten zur Nutzung für neue Geschäftsmodelle, Innovationen und einen modernen Staat besser zugänglich sind.
  • SPRIND durch ihre Aktivitäten zur Förderung digitaler Technologien mit gesellschaftlichem Nutzen beiträgt.
  • die Vernetzung von Wissenschaft und Wirtschaft gestärkt ist und die Forschung dadurch besseren Zugang zu Daten aus der Wirtschaft hat.
  • sich Datenkompetenzen auf allen Karrierestufen in der Wissenschaft verbessert haben wir Rechenleistung im Exascale-Bereich zur Verfügung stellen können.

Standortentwicklung

Eine international wettbewerbsfähige Industrie und ein starker Mittelstand, die die Möglichkeiten der Digitalisierung aktiv für Wachstum und Nachhaltigkeit nutzen, sind für Innovationen, wirtschaftliche Dynamik und zukunftssichere Arbeitsplätze von ebenso entscheidender Bedeutung wie innovative und dynamische Selbstständige und Start-ups. Gemeinsam brauchen sie Freiräume zur Erprobung von Innovationen eine zeitgemäße digitale Ordnungspolitik für fairen Wettbewerb.

  • Anhand der Ziele der Start-up-Strategie werden wir die Bedingungen für Start-ups im Land konsequent und spürbar verbessern. Mit dem Zukunftsfinanzierungsgesetz mobilisieren wir privates Kapital und nutzen dieses als Hebel für die Wachstumsfinanzierung.
  • Wir stärken den Mittelstand und unterstützen die sichere digitale Transformation mit dem Förderschwerpunkt „Mittelstand-Digital“ und dem Investitionszuschussprogramm „Digital Jetzt“.
  • Wir werden Deutschland zu einem der führenden Standorte für Unternehmen der digitalen Finanzbranche (u.a. FinTechs, NeoBroker, InsurTechs) entwickeln. Dafür setzen wir auf effektive und zügige Genehmigungsverfahren, Rechtssicherheit für digitale Technologien und die Stärkung von IT- und Cybersicherheit.
  • Wir wollen, dass digitale Finanzdienstleistung ohne Medienbrüche funktionieren. Durch die Setzung eines Rechtsrahmens wollen wir diesen Schritt unterstützen.
  • Zu digitalen Finanzmärkten gehört auch eine digitalisierte Finanzdienstleistungsaufsicht. Die BaFin entwickelt daher ihre Arbeitsweisen und ihre Aufsichtskultur weiter, insbesondere durch Digitalisierung ihrer Prozesse und die Anwendung moderner Technologien in der Aufsicht, um das Tempo und die Qualität der Aufsichtsentscheidungen zu erhöhen.
  • Wir wollen den Standort Deutschland im Bereich der Finanzinnovationen und Krypto-Token weiter stärken. Dazu braucht es weiter klare und rechtssichere Steuerregeln, um Entwicklungen nicht zu behindern. Wir wollen die Finanzaufsicht weiter darin bestärken, neue, innovative Geschäftsmodelle auch bei komplexen Strukturen zu durchdringen. Wir setzen uns für eine europäische Aufsicht im Kryptobereich ein, um innerhalb Europas einheitliche Standards zu fördern.
  • Wir schaffen einen Datenraum Industrie 4.0 zur Entwicklung datenbasierter Geschäftsmodelle in der Industrie (z.B. für mehr Resilienz und Nachhaltigkeit) sowie zur Steigerung von Effizienz und Flexibilität in der Produktion. Hierzu richten wir die Plattform Industrie 4.0 neu aus und unterstützen die branchenübergreifende Initiative „Manufacturing-X“. Wie entwickeln ein Konzept, um Forschungs- und Entwicklungsvorhaben ebenso zu fördern wie den Transfer von Technologien und Anwendungen in die Breite des Mittelstandes.
  • Wir werden ein Gesetz vorlegen, das einheitliche und innovationsfreundliche Rahmenbedingungen für Reallabore bietet und neue Freiräume zur Erprobung von Innovationen ermöglicht.
  • Wir stärken die private Rechtsdurchsetzung im digitalen Bereich und schaffen eine Ermächtigung für das Bundeskartellamt, Ermittlungsmaßnahmen nach dem Digital Markets Act durchzuführen.

Wir wollen uns 2025 daran messen lassen, ob:

  • die in der Start-up-Strategie gebündelten Maßnahmen umgesetzt sind, das Start-up-Ökosysteme dadurch gestärkt ist und sich die Gründerquote erhöht hat.
  • sich der Digitalisierungsgrad des deutschen Mittelstandes, wie beispielsweise im Digitalisierungsindex Mittelstand gemessen, signifikant verbessert hat.
  • Deutschland insbesondere für junge Unternehmen der digitalen Finanzbranche ein attraktiverer Standort geworden ist.
  • der offene Datenraum Industrie 4.0 ca. 10 neue datenbasierte Anwendungsszenarien ermöglicht hat.
  • moderne rechtliche Rahmenbedingungen für Reallabore geschaffen sind und die Erprobung von Innovationen unter realen Bedingungen dadurch besser zum digitalen und nachhaltigen Wandel beiträgt.

Schlüsseltechnologien für die digitale Souveränität Deutschlands und Europas

Die Erforschung, Anwendung und Einführung von Schlüsseltechnologien als Grundlage für digitale Souveränität wird konsequent vorangetrieben und stets am Menschen ausgerichtet. Dabei steht die Entwicklung starker wirtschaftlicher, wissenschaftlicher und gesellschaftlicher Ökosysteme ebenso im Fokus wie der Transfer von Forschungsergebnissen in die Praxis. Digitale Souveränität denken wir auch im Kontext der Europäischen Union, denn nur durch ein gemeinsames Vorgehen der EU-Mitgliedstaaten lassen sich die Potentiale des digitalen Binnenmarktes und seine Größenvorteile voll erschließen.

  • Wir bauen Kompetenzen in Schlüsseltechnologien wie KI, Mikroelektronik, 5G/6G, automatisierten und autonomen Systemen, Robotik, Quantencomputing und Cybersicherheit aus und stärken ganzheitlich die dazugehörigen Ökosysteme.
  • Mit der Umsetzung der KI-Strategie werden wir „Artificial Intelligence (AI) made in Germany“ zu einem weltweit anerkannten Gütesiegel machen. Die starke Position der deutschen Forschung und der Industrie 4.0 in diesem Bereich bauen wir weiter aus.
  • Wir stärken das Mikroelektronikökosystem entlang der gesamten Wertschöpfungskette in Deutschland und Europa durch die Key Digital Technologies Partnerschaft und die Umsetzung des IPCEI Mikroelektronik und Kommunikationstechnologien. Außerdem bringen wir den European Chips Act voran, unter dem wir Investitionen in neuartige Halbleiterfertigungsanlagen sowie Halbleitertechnologien und -anwendungen unterstützen wollen.
  • Wir ermöglichen datenbasierte Geschäftsmodelle durch Cloud-Edge-Infrastruktur und setzen hierfür das IPCEI Next Generation Cloud Infrastructure and Services – Industrial Cloud um. Wir streben Spillover-Effekte in andere Branchen und Mitgliedsstaaten an.
  • Wir fördern das Open-Source Ökosystem und insbesondere Basistechnologien mit einem Sovereign Tech Funds (STF).
  • In der Außen- und Wirtschaftspolitik werden wir unsere technologische Abhängigkeit stärker in den Fokus rücken und ein System zum Monitoring von internationalen Lieferketten einrichten.

Wir wollen uns 2025 daran messen lassen, ob:

  • wir bei der KI-Forschung an der europäischen Spitze stehen, beim Transfer zu den weltweit fünf besten Ländern gehören und in der Software-Entwicklung einen deutlichen Schub für Deutschland kreieren konnten.
  • wir mit vertrauenswürdiger und nachhaltiger Mikroelektronik einseitige internationale Abhängigkeiten reduzieren und Engpässe verhindern.
  • wir in einer hypervernetzten Gesellschaft mit Forschung und Entwicklung zu sicheren und vertrauenswürdigen Kommunikationstechnologien der Zukunft (6G, Quantenkommunikation), die notwendigen neuen, leistungsfähigen und sicheren Kommunikationsinfrastrukturen ermöglichen.
  • wir im europäischen Verbund bei Quantentechnologien über starke Ökosysteme verfügen und in Quantensensorik und Quantencomputing in Forschung und Industrie weltweit zur Spitzengruppe von fünf Staaten gehören.
  • wir durch den STF die Open-Source basierte Infrastruktur abgesichert haben, sich das Angebot an Open-Source Technologien verbessert und ggf. die Anzahl der dahinterstehenden Unternehmen erhöht hat.
  • wir als Teil unserer Außen- und Wirtschaftspolitik ein wirkungsvolles System zum Monitoring von internationalen Lieferketten und sich daraus ergebenden Abhängigkeiten aufgebaut haben.

Qualifizierung und Fachkräftesicherung

Der digitale Strukturwandel ist eine große Chance, die wir optimistisch, pragmatisch und sozial verträglich gestaltet werden, damit sowohl Unternehmen als auch Beschäftigte noch bessere Perspektive haben. Die rasche Digitalisierung trägt zu anhaltenden und branchenübergreifenden Engpässen in IT-Berufen bei. Gerade in der zunehmend ortsunabhängigen Digitalbranche stehen deutsche Unternehmen im internationalen Wettbewerb um High Potentials. Fachkräfteknappheit darf nicht zur Bremse für die digitale Transformation werden. Die Sicherung von Fachkräften ist zuvorderst eine Aufgabe der Unternehmen. Die Fachkräftestrategie der Bundesregierung setzt einen unterstützenden Rahmen.

  • Wir stärken die Aus-, Fort- und Weiterbildung, damit die Beschäftigten digital kompetent die neue Arbeitswelt gestalten und komplexe Herausforderungen meistern können. Dafür setzen die Nationale Weiterbildungsstrategie (NWS) ambitioniert fort. Weiterbildung soll ein selbstverständlicher Teil des Erwerbslebens und eine Weiterbildungskultur in den Unternehmen, den Bildungseinrichtungen und der Gesellschaft fest verankert werden.
  • Wir machen die Vielfalt an Akteuren, Angeboten und Fördermöglichkeiten im Bereich der beruflichen Weiterbildung transparenter und fördern die Entwicklung der Nationalen Online-Weiterbildungsplattform (NOW!) durch die Bundesagentur für Arbeit. NOW! soll als ein zentrales Online-Eingangsportal für die berufliche Weiterbildung in Deutschland mit der bildungsbereichsübergreifenden Nationalen Bildungsplattform verzahnt werden.

Mehr und leichter passende Weiterbildung für die Arbeit von morgen finden

Elena arbeitet in einem kleinen Unternehmen in der Veranstaltungsbranche. Während der Corona-Pandemie ist die Arbeit notgedrungen sehr viel digitaler geworden, da anstelle von Präsenzformaten hybride und virtuelle Veranstaltungen zu organisieren und durchzuführen waren. Sich daran zu gewöhnen, ist ihr schwergefallen. Elena macht sich deshalb zunehmend Sorgen, ob sie in Zukunft beruflich noch mithalten kann.

Um ihre digitalen Kompetenzen zu verbessern, fasst sie den Entschluss, eine Weiterbildung zu machen. Durch eine Anzeige wird sie zufällig auf ein Online-Angebot der Bundesagentur für Arbeit aufmerksam. Die Nationale Online-Weiterbildungsplattform (NOW!) hilft ihr dabei, eine passende Qualifizierungsmaßnahme zu finden. Auf der Plattform erfährt sie außerdem, dass es einen Zuschuss für die Weiterbildung gibt, der für sie in Frage kommt und den sie direkt online beantragen kann.

Elena schließt die Weiterbildung erfolgreich ab und ist beruflich nun deutlich breiter und besser für die Zukunft aufgestellt.

Nationale Online-Weiterbildungsplattform (NOW!)

  • Wir stärken die Gleichstellung der Geschlechter am Arbeitsmarkt als durchgängiges Prinzip, auch in bislang von Männern dominierten Berufen und erleichtern über eine gute Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben das Fundament für eine stärkere Erwerbsbeteiligung.
  • Wir werden neue Kanäle / Netzwerke für Ausschreibungen identifizieren um unterrepräsentierte Zielgruppen wie Frauen und Menschen mit Einwanderungsgeschichte zu erreichen.
  • Unter der Arbeitgeber-Dachmarke Bundesverwaltung werden wir die Bundesverwaltung als Arbeitgeber attraktiver auf dem Arbeitsmarkt positionieren, um High Potentials für eine Tätigkeit in Staat und Verwaltung zu gewinnen.
  • Deutschland muss ein Einwanderungsland sein, das auch im internationalen Wettbewerb insbesondere um IT-Fachkräfte attraktiv ist. Wir werden die Rahmenbedingungen der Einwanderung verbessern, damit ausländische Fachkräfte und ihre Familien gern in Deutschland leben und arbeiten.
  • Wir entwickeln das Auslandsportal zur Digitalisierung der Prozesse im Rechts- und Konsularbereich für krisenresiliente und kundenfreundliche Verwaltungsdienstleistungen bei der Beantragung und Ausstellung von Visa und Pässen. So fördern wir ein modernes Deutschlandbild im Ausland und erhöhen unsere Attraktivität für hochqualifizierte Fachkräfte.

Wir wollen uns 2025 daran messen lassen, ob:

  • die zentrale Weiterbildungsplattform (NOW!) entwickelt wurde und Interessierte unterstützt, passende Beratung, Weiterbildung und Förderung zu finden.
  • Beschäftigte durch NOW! eine Qualifizierung erlangt haben.
  • es Unternehmen leichter fällt, passende Angebote zu finden, um die Qualifizierungsbedarfe ihrer Beschäftigten zu decken und sich so zukunftssicher aufzustellen.
  • der Frauenanteil in Informatik und digitaler Wirtschaft deutlich gesteigert wurde – der Frauenanteil an Gründerinnen in der Digitalbranche deutlich gesteigert wurde, u.a. durch verbesserten Zugang zu Fördermitteln, bessere Vernetzung und weibliche Vorbilder.
  • die Arbeitgeber-Dachmarke Bundesverwaltung zu einer Steigerung der Attraktivität als Arbeitgeber geführt hat, und sich dies an gesteigerten Bewerberzahlen nachweisen lässt.
  • Visa für ausländische Fachkräfte online beantragt werden können und dies zu einer Steigerung der Attraktivität Deutschlands für hochqualifizierte Fachkräfte beiträgt.

Neue Arbeitswelt

In einer sich stetig wandelnden digitalen Wirtschaft verändern sich auch die Organisation und die Kultur von Arbeit. Um die Chancen von flexiblen Arbeitsmodellen, Plattformökonomie, KI und datengetriebenen Innovationen für die neue Arbeitswelt bestmöglich zu nutzen, müssen wir den Rahmen so gestalten, dass sich Arbeitsverhältnisse an den Bedürfnissen der Beschäftigten und Unternehmen sowie den Anforderungen an gute Arbeit orientieren.

  • Wir entwickeln einen praxisgerechten, modernen Rechtsrahmen für mobile Arbeit, der die Interessen von Beschäftigten und Unternehmen nach Flexibilität berücksichtigt und einen fairen Interessenausgleich zwischen den Belangen der Beschäftigten und der Unternehmen ermöglicht.
  • Wir werden mit modernen Regelungen zum Beschäftigtendatenschutz grundrechtswahrend und rechtssicher den Weg ebnen, um die Potenziale neuer Technologien für eine moderne Arbeitswelt zu nutzen.
  • Wir werden Gewerkschaften und Arbeitgeber dabei unterstützen, flexible Arbeitszeitmodelle zu ermöglichen. Noch im Jahre 2022 schaffen wir eine befristete Regelung mit Evaluationsklausel, um im Rahmen von Tarifverträgen die Arbeitszeit flexibler gestaltbar zu machen.
  • Wir schaffen Experimentierräume für eine begrenzte Möglichkeit zur Abweichung von den derzeit bestehenden Regelungen des Arbeitszeitgesetzes, wenn Tarifverträge oder Betriebsvereinbarungen, auf Grund von Tarifverträgen, dies vorsehen.
  • Wir werden die innovativen Potenziale von Plattformen sichern und Beschäftigtenrechte schützen, indem wir den nationalen Rechtsrahmen überprüfen und die Initiative der EU-Kommission zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen auf Plattformen konstruktiv begleiten.
  • Wir unterstützen innovative Modelle zur Datennutzung in Unternehmen, die unter Sicherstellung des Datenschutzes dazu beitragen, digitale Souveränität und Datenhoheit von Beschäftigten und Unternehmen zu steigern (z. B. über eine Prüfung von Datentreuhändermodellen im Betrieb).
  • Mit dem KI-Observatorium analysieren und gestalten wir die Auswirkungen von KI auf Arbeit und Gesellschaft, um eine menschenzentrierte und wirtschaftlich innovative Einführung und Anwendung von KI in Deutschland zu unterstützen.
  • Wir bringen gute Beispiele einer menschenzentrierten, innovativen Einführung und Anwendung von KI in Unternehmen, insbesondere KMU, über die Initiative Neue Qualität der Arbeit (INQA) in den Transfer.
  • Wir begleiten Unternehmen, insbesondere KMU und ihre Beschäftigten sowie (Solo- )Selbstständige in der digitalen Transformation mit passgenauen Analysen, Beratungs- und innovativen Qualifizierungsangeboten.

Wir wollen uns 2025 daran messen lassen, ob:

  • ein moderner Rechtsrahmen für mobile Arbeit geschaffen ist, der die Interessen von Beschäftigten und Unternehmen nach Flexibilität gleichermaßen berücksichtigt.
  • sich die Regeln für den Beschäftigtendatenschutz in der betrieblichen Praxis bewährt haben und aus Sicht aller Beteiligten zu mehr Rechtssicherheit beitragen.
  • es gelungen ist, mindestens 10 gute Beispiele einer menschenzentrierten, innovativen Einführung und Anwendung von KI in Unternehmen, insbesondere KMU, in Artikelform über das Portal der Initiative Neue Qualität der Arbeit (inqa.de) in den Transfer zu bringen.

Schutz von Klima, Umwelt und Ressourcen

Die Digitalisierung eröffnet neue Chancen für den Schutz von Klima, Umwelt und Ressourcen. Digitale Technologien bieten beträchtliche Potenziale im Kampf gegen die Klimakrise, den Verlust der Biodiversität und die Verschmutzung der Natur durch Schadstoffe und Abfall. Umweltdaten und künstliche Intelligenz können genutzt werden, umweltpolitische Maßnahmen effizienter zu gestalten. Diese Werkzeuge werden wir für die nachhaltige Weiterentwicklung unseres Landes einsetzen – vom Umbau unserer Energieversorgung, über den Übergang zu einer klimaneutralen Wirtschaft und bis hin zum Schließen von Stoffkreisläufen. Dabei kommt es auch darauf an, dass wir die Digitalisierung insgesamt dafür nutzen, auch ökologische Nachhaltigkeit einfacher und kosteneffizienter zu erreichen.

  • Mit einem Onlineportal, das 2023 erstmals der Öffentlichkeit zugänglich sein wird, stellen wir einen zentralen Zugang zu deutschlandweit verfügbaren Umweltdaten- und Informationen bereit. So stärken wir die Transparenz zum Zustand unserer Umwelt und verbessern die Möglichkeiten zur gesellschaftlichen Teilhabe an Umwelt- und Naturschutz.
  • Wir werden den Rechtsrahmen und die Standards für intelligente Messsysteme (Smart Meter) unter Berücksichtigung von Datenschutz und IT-Sicherheit weiterentwickeln, um den Rollout zu entbürokratisieren und zu beschleunigen. Zusammen mit den 450-MHz-Frequenzen schaffen wir digitale Infrastruktur, mit der sich private Haushalte und Unternehmen über digitale Technologien aktiv an der Energiewende beteiligen können.
  • Wir fördern die digital automatisierte Steuerung der Energienachfrage in der Industrie und schaffen damit eine wichtige Voraussetzung für die verlässliche und günstige Versorgung mit klimaneutraler Energie.
  • Wir schaffen die Grundlage für eine stärkere Nutzung der Abwärme von Rechenzentren sowie für Energie- und Umweltmanagementsysteme und treiben den Einsatz umwelt- und klimafreundlicher Kühlmethoden, insbesondere Wasserkühlung, voran.
  • Wir regeln Effizienzanforderungen für Rechenzentren und entwickeln Indikatoren, um einen Wettbewerb für die größte Effizienzleistung unter den Betreiberinnen und Betreibern auszulösen.
  • Wir werden Förderprogramme für Umwelt, Klima, Natur und Ressourcenschutz (wie bspw. die KI-Leuchttürme) weiterentwickeln und ausbauen, um die Potentiale von digitalen Lösungen unter anderem im Bereich Green ICT/Clean IT zu heben und den Transfer von der Forschung in die Anwendung zu stärken.

SynErgie – energieflexible Industrie

Pablo fährt mit dem E-Bike an einem sonnigen Morgen zur Arbeit. Er schaltet den Motor eine Stufe höher, denn der Wind bläst ihm ins Gesicht. Angekommen, schließt er das E-Bike an der Ladesäule an und schaut im Vorbeigehen auf einen Bildschirm im Flur. Er sieht, dass die Solarzellen auf dem Dach der Firma viel Strom erzeugen – und weil heute in ganz Deutschland die Sonne scheint und der Wind weht, ist auch der Strom aus der Steckdose besonders sauber und günstig. Die E-Bikes und die E-Autos auf dem Parkplatz werden jetzt automatisch geladen und in der Werkshalle brummen die Maschinen.

In seinem Büro angekommen, überprüft Pablo als erstes, welche Autoteile heute hergestellt werden sollen. Auf seinem Computer sieht er, dass die automatisierte Software einen Plan erstellt hat. Alle Maschinen sollen so viel produzieren wie möglich, denn die Stromkosten sind gering und der Stromnetzbetreiber bezahlt sogar dafür, dass diese Nacht von 22:00 Uhr – 06:00 Uhr besonders viel Strom verbraucht wird. Pablo überlegt kurz: „Gut, dass die Maschinen automatisch arbeiten und die Kollegen aus der Nachtschicht nur zweimal zusätzlich die Autoteile mit dem elektrischen Gabelstapler in das Lager bringen müssen.“ Er klickt auf die grüne Taste und die Software macht jetzt alles von alleine.

Pablo schaut auf die Uhr und lächelt. Er hat gleich eine Besprechung mit seiner Chefin und die ist immer gut gelaunt, wenn sie für das Stromverbrauchen bezahlt werden und der CO2-Fußabdruck der Produkte gering ist – darüber freuen sich alle, auch die Kunden.

Wir wollen uns 2025 daran messen lassen, ob:

  • ca. 300 unterschiedliche Datenquellen (Bundesbehörden, Umweltverwaltungen der Länder, kommunale Verwaltungen, Wirtschaft, Wissenschaft, NGO und Verbände) in das Onlineportal für Umweltdaten eingebunden sind und wir damit die Datenverfügbarkeit für Geschäftsmodelle, Forschung und gemeinnützige Zwecke verbessert haben.
  • die Nutzung intelligenter Messsysteme in privaten Haushalten und Unternehmen um 80 Prozent zugenommen hat und zur Energie-, Mobilitäts- und Wärmewende sowie zu einem effizienteren Energieverbrauch beiträgt.
  • die Abwärme von Rechenzentren besser genutzt wird und sich der Einsatz umwelt- und klimafreundlicher Kühlmethoden verbessert hat. Um dieses Ziel zu erreichen werden wir Beschaffungsrichtlinien anpassen und im Rahmen der gesetzlichen Verankerung der kommunalen Wärmeplanung einen Anspruch auf Wärmeeinspeisung für wassergekühlte Rechenzentren prüfen, wenn dies ökologisch sinnvoll ist.
  • der Aufbau eines Energieeffizienzregisters für Rechenzentren einen Wettbewerb unter den – Methoden zur energieeffizienten Softwareentwicklung und effizienter KI-Entwicklung und -Rechenzentrums-Betreibern um die größte Energieeffizienzleistung ausgelöst hat. Übertragung etabliert sind.
  • wir mit Forschungs- und Entwicklungs-Aktivitäten im Bereich Green ICT/Clean IT energieeffiziente und ressourcenschonende digitale Lösungen in den Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT) voranbringen.

Nachhaltige Landwirtschaft und Resilienz in ländlichen Räumen

Die Digitalisierung spielt eine große Rolle dabei, unsere Landwirtschaft und die ländlichen Räume zukunftsfest zu gestalten. In den ländlichen Räumen werden die Vielfalt unserer Lebensmittel, der nachwachsenden Rohstoffe und der Großteil der erneuerbaren Energie erzeugt. Digitale Technologien können die Landwirtschaft nachhaltiger, tiergerechter, ressourcenschonender, effizienter und somit resilienter machen. So helfen sie dabei, unsere Lebensgrundlagen und die Grundlagen für die Zukunft unserer Wirtschaft zu sichern. Sie unterstützen uns zudem bei der Verbesserung des gesundheitlichen Verbraucherschutzes sowie der Tiergesundheit und leisten damit auch einen wesentlichen Beitrag für mehr Lebensmittelsicherheit.

  • Wir stärken Nachhaltigkeit in der Landwirtschaft durch Erprobung und Entwicklung digitaler Technologien auf Experimentierfeldern, unterstützt durch ein breites Informationsangebot.
  • Wir werden konkrete Vorschläge für digitale Techniken in einer Runde von Expertinnen und Experten erarbeiten, die dem Tierwohl und der Tiergesundheit dienen und dieses monitoren.
  • Wir werden die von der Landwirtschaft benötigten öffentlichen Daten einfacher und in geeigneter Qualität und Aktualität den berechtigten Nutzerinnen und Nutzern frei zur Verfügung stellen.
  • In Zukunftsregionen und verschiedenen Modellvorhaben werden neue digitale Ansätze entwickelt und in der Praxis getestet, die regionale Wertschöpfungsketten in ländlichen Räumen stärken und das Lebens- und Arbeitsumfeld attraktiver machen.
  • Durch Vernetzung und Aufbau von KI- und Datenkompetenzen im Agrifood-System sorgen wir für freien Wissenstransfer zwischen Forschung und Praxis.

Nachhaltige Digitalisierung in Landwirtschaft und ländlichen Räumen

Auf dem landwirtschaftlichen Betrieb der Familie Müller werden Kühe gehalten, Getreide angebaut und frisches Gemüse und erneuerbare Energien erzeugt. Dabei unterstützen heute viele digitale Helfer und machen den Betrieb nachhaltiger und tiergerechter. Die Kühe gehen immer dann zum Melkroboter, wenn sie es wollen und nicht zu vorgegebenen Zeiten. Die Milchqualität wird in Echtzeit erfasst. Die Kühe tragen digitale Hals- und Fußbänder, ähnlich einer Smartwatch. Diese senden der Bäuerin aktuelle Daten über den Gesundheitszustand der Kühe auf ihr Smartphone. Beim Anbau des Getreides und des Gemüses werden zur Beseitigung der Unkräuter kamera- und satellitengesteuerte Hackgeräte eingesetzt und Pflanzenschutzmittel extrem zielgenau nur dort eingesetzt, wo dies zwingend notwendig ist. Mit dem Biogas, das aus der Gülle der Kühe erzeugt wird, beheizt die Familie den eigenen Betrieb sowie das Neubaugebiet im Ort und speist Strom ins Netz. Mit dem Strom der Photovoltaikanlage auf dem Stall und über dem Gemüsefeld wird das nahe Gewerbegebiet mit Sonnenstrom und die hofeigene Elektroladesäule für die Kundinnen und Kunden des Hofladens und den Elektrotraktor versorgt. Alles wird digital gesteuert, um das Energieangebot optimal auf die Nachfrage abzustimmen.

Bevor sich die Landwirtin die geeigneten Geräte angeschafft hat, hat sie sich auf den digitalen Experimentierfeldern des BMEL informiert. So konnte sie sich im Detail über die Vor- und Nachteile der neuesten Digitaltechnik erkundigen und die passenden Geräte für sich auswählen.

Dank der inzwischen guten Mobilfunk- und Internetverbindung in ländlichen Räumen vermarktet Familie Müller ihre Produkte nicht mehr nur über den Hofladen, sondern liefert drei Mal pro Woche die auf der Homepage bestellten Produkte an die Bewohnerinnen und Bewohner der umliegenden Dörfer aus. Die Betriebe der Region haben sich digital zusammengeschlossen und vermarkten ihre Produkte auf dem digitalen Regionalmarktplatz, der im Rahmen des Projektes Zukunftsbetriebe/Zukunftsregionen entwickelt wurde. Dadurch ist die Produktvielfalt größer, Einkaufsfahrten werden überflüssig, die Region profitiert und Menschen mit eingeschränkter Mobilität erhalten frische Nahrungsmittel direkt an die Haustür geliefert.

Wir wollen uns 2025 daran messen lassen, ob:

  • die Anwendung digitaler Technologien in der Landwirtschaft zugenommen hat und einen wirksamen Beitrag zu mehr Effizienz, Nachhaltigkeit und Tierwohl leistet.
  • die Anzahl der Personen, die durch Wissenstransfermaßnahmen in der Digitalisierung der Landwirtschaft erreicht wurden, messbar zugenommen hat.
  • ein einrichtungsübergreifendes Kompetenzzentrum für KI- und Big Data-Anwendungen im Bereich von Agrifood-Systemen eingerichtet ist.
  • die Anzahl der Veröffentlichungen von maschinenlesbaren Datensätzen zu landwirtschaftlichen Themen signifikant zugenommen hat.
  • wir gemeinsam mit den Ländern die nachhaltige Modernisierung der zentralen IT-Architektur für die Verbesserung des Datenmanagements für den gesundheitlichen Verbraucherschutz und die Tiergesundheit gestartet haben (Abstimmung, Planung und Umsetzung).

4.3. Lernender, digitaler Staat

Digitale Verwaltung

Die Orientierung an Nutzerinnen und Nutzern ist unser oberstes Prinzip bei der Digitalisierung des Verwaltungshandelns. Digitale Verwaltungsleistungen müssen für alle Bürgerinnen, Bürger und Unternehmen möglichst einfach, barrierefrei, sicher, jederzeit, transparent und an jedem Ort nutzbar sein und zu spürbaren Erleichterungen im Alltag führen. Damit die Verwaltung diese Anforderungen erfüllen kann, müssen auf allen Ebenen die nötigen Voraussetzungen geschaffen werden.

  • Als Grundlage für die Digitalisierung in den Bundesbehörden treiben wir die IT-Konsolidierung Bund mit Blick auf die Harmonisierung von Diensten und Betrieb weiter voran.
  • Daneben wollen wir auch den digitalen Kulturwandel mit den Themen Change-Management und Organisationsentwicklung in Bundesverwaltung verankern, denn Digitalisierung von Staat und Verwaltung funktioniert nur mit digitalkompetenten Beschäftigten. Konkret heißt das, für eine neue Form der digitalen Zusammenarbeit innerhalb der Bundesregierung zu sorgen und das alte Silodenken der einzelnen Ressorts zu überwinden. Zur Unterstützung werden wir die ressortübergreifende Plattform GovLabDE für die Zusammenarbeit bei hochkomplexen Projekten aufbauen und dort dauerhaft Ressourcen, Infrastrukturen, Methoden und Fachexpertise bereitstellen und bündeln.
  • Wir werden das OZG weiterentwickeln und die Verwaltungsdigitalisierung als Daueraufgabe etablieren. Die im Zuge der OZG-Umsetzung flächendeckend etablierten Strukturen werden wir weiter verstetigen, damit sie langfristig tragfähig sind.
  • Wir sorgen gemeinsam mit den Ländern für die Anpassung besonders relevanter dezentraler und zentraler Register in Bund, Ländern und Kommunen nachdem wir das bestehende Registermodernisierungsgesetz verfassungsfest reformiert haben. Dadurch soll die Verwaltung auf Wunsch des Antragstellenden die in Registern vorhandenen Daten bei der Erbringung von Verwaltungsleistungen datenschutzkonform und datensparsam abrufen können (Once-Only-Prinzip). So ermöglichen wir, dass Informationen und Nachweise im Kontakt mit Behörde künftig nur noch einmal eingereicht werden müssen.
  • Die Verwaltungsmodernisierung im Sinne des Staates als Dienstleister muss mit der Einsetzbarkeit digitaler Identitäten und der Registermodernisierung Hand in Hand gehen. Daher werden wir Digitalisierungshemmnisse wie Schriftformerfordernisse mittels Generalklausel abbauen, Begriffe vereinheitlichen und proaktives Verwaltungshandeln durch antragslose und automatisierte Verfahren gesetzlich verankern.
  • Wir schaffen einen Portalverbund, in dem Portale, Onlinedienste, Basisdienste und sonstige IT-Komponenten zur Realisierung von Verwaltungsleistungen modular und über alle föderalen Ebenen interagieren. Hierfür werden wir die notwendigen gemeinsamen Standards und Schnittstellen abstimmen und verbindlich vorgeben.
  • Das Verwaltungsportal des Bundes (Bundesportal) werden wir als zentralen Einstiegspunkt und Informationsquelle für Verwaltungsleistungen von Bund, Ländern und Kommunen weiter ausbauen und das Bundesportal befähigen, die Beantragung aller relevanten OZG-Leistungen direkt durchzuführen.
  • Rechtsvorschriften sollen möglichst vollständig digital ohne Medienbrüche vollziehbar sein. Gesetze müssen digital gedacht und entwickelt werden. Dazu werden künftig Gesetze in einem Digitalcheck im Vorfeld eines Rechtsetzungsverfahrens auf Digital- und Umsetzungstauglichkeit geprüft.
  • Wir vereinfachen den Online-Ausweis in seiner Nutzung, indem wir ihn auf das Smartphone bringen. Die staatlich bereitgestellte digitale ID und das Nutzerkonto des Bundes entwickeln wir bedienerfreundlich weiter und machen die bestehenden Funktionalitäten anschlussfähig an ein Ökosystem digitaler Identitäten. Dabei sollen auf Wunsch auch weitere Merkmale von Personen, die eine digitale Identität ausmachen, wie zum Beispiel Führerschein, Bildungsabschlüsse oder Zugangsberechtigungen, die von anderer Stelle als dem Staat ausgestellt werden, integriert werden können. Aufgrund der Vielzahl der Anwendungsbereiche arbeiten wir bei der Entwicklung und fachlichen Umsetzung in ressort- und behördenübergreifenden agile Projektteams und Innovationseinheiten zusammen.
  • Mit der Digitalen Rentenübersicht ermöglichen wir Bürgerinnen und Bürgern, Informationen über ihre individuelle Absicherung im Alter auf einen Blick und an einem Ort digital abzurufen. Mit diesem Angebot soll der Kenntnisstand über die eigene Altersvorsorge verbessert werden.
  • Digitale Finanzverwaltung: Wir werden die Digitalisierung des Besteuerungsverfahrens konsequent weiter vorantreiben und dafür sorgen, dass steuerliche Regelungen grundsätzlich auch digital umsetzbar sind. In der Finanzverwaltung werden wir durch digitale Verfahren, wie beispielsweise vorausgefüllte Steuererklärungen und Easy Tax, die Erfüllung steuerlicher Pflichten erleichtern. Die gesamte Interaktion zwischen Steuerpflichtigen und der Finanzverwaltung soll dabei möglichst digital sein.
  • Auch für Unternehmen werden wir die Steuerbürokratie mit Hilfe von verbesserten Schnittstellen, Standardisierung und dem sinnvollen Einsatz neuer Technologien deutlich verringern. Dies soll die Betriebsprüfung modernisieren und beschleunigen. Zur Sicherung der Anschlussfähigkeit der Steuerverwaltung an den digitalen Wandel und für eine spürbare Verringerung der Steuerbürokratie wird eine zentrale Organisationseinheit auf Bundesebene eingerichtet.
  • Wir werden schnellstmöglich ein elektronisches Meldesystem bundesweit einheitlich einführen, das für die Erstellung, Prüfung und Weiterleitung von Rechnungen verwendet wird. So senken wir die Betrugsanfälligkeit unseres Mehrwertsteuersystems erheblich und modernisieren und entbürokratisieren gleichzeitig die Schnittstelle zwischen der Verwaltung und den Betrieben. Aufbauend auf den Maßnahmen der letzten Legislaturperiode werden wir alles dafür tun, missbräuchliche Dividendenarbitragegeschäfte zu unterbinden. Um dies betrugssicher sicher zu stellen, wollen wir neue technische Möglichkeiten, z.B. Blockchain, noch stärker nutzen.
  • Wir fördern und nutzen konsequent Daten über den öffentlichen Einkauf zur Herstellung von Transparenz, zur Erleichterung des Zugangs für interessierte Wirtschaftsteilnehmer und als Basis einer strategisch sowie nachhaltig ausgerichteten Beschaffung. Dazu zählt ein nationaler Bekanntmachungsservice und die Nutzung einheitlicher Datenstandards.

Ökosystem digitale Identitäten

Die im Klimaschutz engagierte Ella zieht zuhause aus. Sie beginnt ihr Studium an der Agrar- und Umweltwissenschaftlichen Fakultät in Rostock. Ihre Eltern Milena und Björn sind Bauern im Parchimer Landkreis und gründen gerade ihr zweites Unternehmen: Sie versenden ihre nachhaltig angebauten Schnittblumen bundesweit im Abo.

Nachdem Ella ein WG-Zimmer gefunden hat, meldet sie sich elektronisch um. Sie nutzt dafür ihre digitale ID am Smartphone. Dass bei der digitalen ID der Datenschutz ernst genommen wird und kein Nutzerprofil von ihr erstellt werden kann, ist Ella wichtig. Sie verwendet die digitale ID auch für den Login auf der Plattform eines bundesweiten Netzwerks für Klimaschutz. Auch ihre Hausbank bietet die schnelle und einfache Konto-Eröffnung mit der digitalen ID an.

Ihr Konto bei der Bank gibt Ella wenig später im BAföG-Antrag an. Es ist Freitag und sie sitzt im Zug auf dem Weg zu ihren Eltern, als ihr einfällt, dass sie den Antrag noch stellen muss. Die benötigten Nachweise hat sie, weil alle Nachweise, auf ihrem Smartphone gespeichert sind. Für die Authentisierung nutzt Ella wieder ihre digitale ID und lädt die Nachweise hoch. Während ihre Tochter noch im Zug sitzt, ergänzt Milena die Nachweise der Eltern und meldet ihr neues Gewerbe beim Amt Parchimer Umland online an. Fertig!

Einfach und sicher spenden!

Anna ist ehrenamtlich engagiert. Sie möchte Geld an eine gemeinnützige, mildtätige oder kirchliche Organisation spenden. Sie weiß aber nicht, welche Organisationen Spenden annehmen dürfen, für die Themen, die sie gern fördern möchte. Sie informiert sich online im Zuwendungsempfängerregister. Sie findet dort nicht nur den Namen und die Anschrift des Vereins, dessen Arbeit sie mit ihrem Geld finanziell unterstützen möchte, sondern auch dessen staatlich geprüfte Kontoverbindung. So kann Anna sicher sein, dass ihr Geld auch für den Zweck, den sie fördern möchte, eingesetzt wird und dass das Finanzamt die Spende bei ihrer Einkommensteuererklärung steuermindernd berücksichtigt.

Wir wollen uns 2025 daran messen lassen, ob:

  • im Rahmen der IT-Konsolidierung Bund (Programms Dienstekonsolidierung) das bestehende Angebot an Querschnitts-, Basis- und Infrastrukturdiensten harmonisiert, optimiert und weitestgehend beim IT-Dienstleister des Bundes zusammengeführt ist.
  • im Rahmen der IT-Konsolidierung Bund (Programm Betriebskonsolidierung) mit der Zusammenführung von Rechenzentren der Bundesbehörden in den Masterrechenzentren des IT-Dienstleisters des Bundes begonnen wurde.
  • jedes Ministerium der Bundesregierung organisatorische Maßnahmen zum Change-Management für die gezielte Unterstützung des digitalen Kulturwandel in seinem Geschäftsbereich getroffen hat.
  • die ressortübergreifende Plattform GovLabDE für die Zusammenarbeit bei hochkomplexen Projekten aufgebaut ist und für die Bundesverwaltung wirksame Unterstützung leistet.
  • Bund, Länder und Kommunen die Voraussetzungen zur Umsetzung des Once-Only-Prinzips für die TOP-Register des IT-Planungsrates geschaffen haben und dadurch bei der Beantragung von Verwaltungsleistungen durch Bürgerinnen und Bürger oder Unternehmen bereits vorhandene Nachweise nicht mehr erbracht werden müssen.
  • in Umsetzung des Onlinezugangsgesetzes die Digitalisierung der innerhalb der Bundesregierung priorisierten Leistungen flächendeckend realisiert ist und eine fortwährende Harmonisierung der Plattformangebote umgesetzt wird und die Erfahrungen aus der Umsetzung bei Bund und Ländern Eingang in ein „OZG 2.0“ gefunden haben.
  • der Personalausweis und der Führerschein auch als digitale Nachweise zur Nutzung mit mobilen Endgeräten verfügbar sind.
  • in mindestens fünf Wirtschaftssektoren eine staatlich bereitgestellte digitale ID als unternehmensunabhängige Identität zur Identifizierung genutzt werden kann.
  • ein nationaler Bekanntmachungsservice im Betrieb ist, über den die Bekanntmachungsdaten zu öffentlichen Auftragsvergaben in Deutschland an einer Stelle zentral und frei zugänglich zur Verfügung gestellt werden können.
  • wir im DESI Verwaltungsranking unter die Top 10 gelangt sind.

Open-Data und Datenkompetenz in der öffentlichen Verwaltung

  • Aktuelle, zugängliche und gut strukturierte oder gar verknüpfte und weiterverwendbare maschinenlesbare Daten sind eine Grundvoraussetzung für wegweisende Datennutzung, aber auch eine wichtige Grundlage für gemeinwohlorientierte Datenarbeit, für die Information der Öffentlichkeit und die Entwicklung innovativer digitaler Lösungen in Wirtschaft und Zivilgesellschaft.
  • Mit der Umsetzung der Open-Data-Strategie verbessern wir die Verfügbarkeit von Verwaltungs- und Forschungsdaten, damit sie von Zivilgesellschaft, Wirtschaft, Wissenschaft und Verwaltung selbst besser genutzt werden können.
  • Durch die Etablierung von Open-Data-Prozessen analog zu Verfahrensabläufen bei Fragen zum Datenschutz in den Bundesbehörden wird die Bereitstellung von Open-Data auch nachhaltig sichergestellt.
  • Wir werden einen Rechtsanspruch auf Open-Data einführen.
  • Durch die Einrichtung, Weiterentwicklung und dauerhafte Verstetigung von Datenlaboren und Datencockpits in allen Bundesressorts stärken wir die Datenkompetenz der Verwaltung weiter und stellen geeignete Werkzeuge und Ressourcen zur Datenanalyse bereit.

Wir wollen uns 2025 daran messen lassen, ob:

  • alle Ressorts ihren gesetzlichen Open-Data-Verpflichtungen nachgekommen sind und den Nutzen der Daten in ihrem Zuständigkeitsbereich in der Breite bekannt gemacht haben.
  • Gesellschaft, Wirtschaft, Wissenschaft und Verwaltung deutlich mehr und qualitativ hochwertigere Daten als Open-Data zur digitalen Wertschöpfung zur Verfügung stehen.
  • Bundesbehörden Prozesse eingeführt haben, die die Bereitstellung von Open-Data in den Arbeitsalltag integrieren.
  • alle Ressorts Datenlabore etabliert und verstetigt haben.

Digitale Justiz

Die Digitalisierung der Justiz ist entscheidend, um sie mit attraktiven und zukunftsorientierten Angeboten als Säule des Rechtsstaats zu stärken.

  • Mit dem Digitalpakt für die Justiz schaffen wir koordiniert neue bundeseinheitliche digitale Justizangebote und verbessern die Arbeitsprozesse innerhalb der Justiz von Bund und Ländern. Der Bund übernimmt künftig mehr Verantwortung für die technische Seite der Justizdigitalisierung und stärkt dadurch auch seine Kompetenz für eine digitaltaugliche Gesetzgebung. So ermöglichen wir bessere Gesetze, effizientere Verfahren und einen zeitgemäßen, bürgerfreundlichen Zugang zum Recht.
  • Innovative Dienste werden für die Justiz nutzbar gemacht, indem sie der Bund entwickelt oder ihre Entwicklung durch die Länder koordiniert und unterstützt. In der Justiz bleibt der Mensch im Mittelpunkt, sowohl vor als auch hinter der Richterbank. Aber die Möglichkeiten der Künstlichen Intelligenz werden zur Unterstützung der Menschen vermehrt genutzt.
  • Darüber hinaus verkünden wir Gesetze und Rechtsverordnungen künftig elektronisch und machen Rechtsinformationen des Bundes in digitalen Formaten über ein zentrales Portal leichter für Öffentlichkeit und Forschung zugänglich.

Digitalisierte Justiz – für mehr Effizienz und leichteren Zugang zum Recht

Sascha ist im Urlaub und sehr unzufrieden. Der versprochene Pool ist leer und in seinem Hotelzimmer geht das Licht nicht. Schon während der Rückreise geht er ins Internet und findet auf dem Justizportal verlässliche Informationen über die Möglichkeiten, seine Rechte bei Reisemängeln geltend zu machen. Mithilfe eines Online-Werkzeugs auf dem Portal schreibt er einen Beschwerdebrief an den Reiseveranstalter. Als der die teilweise Erstattung des Reisepreises ablehnt, reicht Sascha online eine Klage ein, was ziemlich einfach geht, weil das Klagetool ihn durch alle relevanten Fragen lotst und er sich mit seiner digitalen ID ausweisen kann. Seine Fotos und Videos von den Mängeln fügt er seiner Klage elektronisch bei. Auch das anschließende Gerichtsverfahren wird komplett digital geführt. Benachrichtigungen zum Verfahrensstand erhält Sascha auf sein Smartphone. Im Verfahren wird ein anderer Hotelgast als Zeuge per Videokonferenz gehört. Sascha verfolgt die Vernehmung am Laptop. Bald darauf übermittelt das Gericht Sascha das Urteil digital. Seine Klage war erfolgreich, deshalb erhält er kurz darauf auch das Geld vom Reiseveranstalter, ohne dass er ein einziges Mal ein Gerichtsgebäude betreten musste.

Wir wollen uns 2025 daran messen lassen, ob:

  • die gesetzliche Regelung für die Erprobung vollständig digital geführter Zivilverfahren geschaffen und an einzelnen Pilotgerichten mit der Erprobung vollständig digital geführter Zivilverfahren begonnen wurde.
  • für eine bundesweit einsetzbare Software für Justizdienstleistungen in einer digitalen Rechtsantragstelle bis Ende 2023 ein Minimum Viable Product (MVP) entwickelt wurde und bereits erste Justizdienstleistungen in einer digitalen Rechtsantragstelle angeboten werden.
  • die gesetzliche Regelung für die digitale Aufzeichnung der strafgerichtlichen Hauptverhandlung in Bild und Ton mit automatisiertem Transkript geschaffen wurde.
  • das bundeseinheitliche Videoportal der Justiz deutschlandweit für Videoverhandlungen und Online-Termine der Justiz spätestens ab 2024 genutzt werden kann.
  • Gesetze und Verordnungen elektronisch verkündet werden.
  • eine Schnittstelle für die kontrollierte Übergabe von Justizdaten zur Ermöglichung KI-gestützter cloudbasierter Justizdienste geschaffen wurde.
  • wir ein Konzept für eine bundesweite Justizcloud der Zukunft entwickelt haben.

Digitale Polizei

Im Programm Polizei 20/20 arbeiten wir gemeinsam mit den Polizeien von Bund und Ländern sowie der Zollverwaltung an der Harmonisierung und Modernisierung der polizeilichen IT-Systeme und Verfahren. So erhöhen wir die Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger und gestalten die Zukunft der deutschen Polizei.

  • Wir stellen sicher, dass die zukünftige IT der Polizei einfach, anwenderfreundlich und immer auf dem Stand der Technik und IT-Sicherheit ist. Durch die Harmonisierung der polizeilichen Informationsarchitektur ermöglichen wir die digitale und medienbruchfreie Vernetzung der Polizeien mit ihren nationalen und internationalen Partnern, einheitliche Lagebilder und zentren.
  • Wir gewähren jeder Polizistin und jedem Polizisten innerhalb der rechtlichen Rahmenbedingungen jederzeit und überall Zugriff auf die zur Aufgabenerfüllung erforderlichen Informationen. Mit Hilfe von modernen Zugriffs- und Berechtigungskonzepten stärken wir gleichzeitig den Datenschutz durch Technik.
  • Wir entwickeln relevante polizeiliche IT-Angebote künftig einmal und stellen diese den Bedarfsträgern zur Verfügung. Auch Daten werden in Zukunft nur noch einmal erhoben. So schaffen wir die Voraussetzung für bessere Erkenntnisse und eine schnellere Reaktionsfähigkeit in der Polizeiarbeit.

Wir wollen uns 2025 daran messen lassen, ob:

  • ein gemeinsames Datenhaus zur Verfügung steht, in dem sowohl Daten, Funktionen und Anwendungen für die polizeiliche Sachbearbeitung als auch Basisdienste zentral zusammengefasst sind.
  • konsolidierte Verfahren der polizeilichen Sachbearbeitung (z.B. ein einheitliches Fallbearbeitungssystem sowie Interims-Vorgangsbearbeitungssysteme) erste Daten an das Datenhaus anliefern.
  • ein medienbruchfreier Austausch von Daten zwischen Polizei in Bund und Ländern und der Justiz möglich ist, der u.a. dem gesetzlichen Erfordernis zur Einführung der elektronischen Akte in Strafsachen genügt.

Digitale Souveränität der öffentlichen Verwaltung

Um die Kontrolle über die eigene IT sicherzustellen und insbesondere Informations- und Datenschutz gewährleisten zu können, muss die öffentliche Verwaltung unabhängiger von einzelnen Anbietern und Produkten werden. Daher werden wir die Digitalisierung der Verwaltung über einen offenen und wettbewerbsfähigen Markt unterstützen.

  • Gemeinsam mit Ländern und Kommunen minimieren wir die Abhängigkeiten von Technologieanbietern mit Hilfe von Open-Source, offenen Schnittstellen und offenen Standards und entwickeln eine Multi Cloud Struktur. Hierfür setzen wir die Deutsche-Verwaltungscloud-Strategie um.
  • Mit der Gründung des Zentrums für Digitale Souveränität der Öffentlichen Verwaltung (ZenDis) schaffen wir eine übergreifende organisatorische Einheit, um die Verfügbarkeit leistungsfähiger Open-Source-Lösungen sicherzustellen. Dafür arbeiten wir unter anderem daran, die weitere Entwicklung des Souveränen Arbeitsplatzes zu unterstützen und ihn stärker zu etablieren.
  • Wir stärken die digitale Souveränität, Cybersicherheit und Krisenresilienz durch Weiterentwicklung der nationalen Krypto-Technologien in Form hochsicherer Kommunikation zum Schutz von Geheimnissen von Staat und Wirtschaft. Wir ermöglichen damit schnellere, virtuelle Abstimmungen zu sensiblen Themen.

Digitale Geheimkommunikation – Souveränität für Regierung und Unternehmen

Durch den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine ist Europa näher zusammengerückt. Annika muss sich in kürzester Zeit mit ihren Kolleginnen und Kollegen in den anderen europäischen Hauptstädten abstimmen und fundierte Entscheidungen der Regierungschefs vorzubereiten. Sichere Geheimkommunikation ist für sie von größter Bedeutung. Schnelle Reaktionen der europäischen Regierungen auf weltpolitische Situationen können digital und sicher per Audio & Video abgestimmt werden.

Auch für die Wirtschaft ist die Weiterentwicklung der Geheimkommunikation äußerst hilfreich: So kann Jona, der Geschäftsführer der Musterfirma AG, ohne zeitaufwändige Anreise in die Behörde Angebote zu seiner Dienstleistung für ein als VS-Vertraulich eingestuftes Projekt abstimmen. Das spart komplizierte Terminkoordinierung und erlaubt einen deutlich schnelleren Projektbeginn.

  • Mit der „Platform Analysis and Information Systems“ (PLAIN) haben wir einen Standard für die souveräne und geschützte Bearbeitung von Big Data Problemen in der Bundesregierung geschaffen, mit dem Ziel die Informationsgrundlage für politische Entscheidungen zu verbessern.
  • Sichere und zuverlässige staatliche IT bei physischen oder virtuellen Bedrohungen kann durch eine mehrfache und unabhängig voneinander stehende Bereitstellung von IT-Infrastruktur garantiert werden. Zur weiteren Verbesserung der Georedundanz arbeiten wir an der Schaffung einer digitalen Datenbotschaft („Digital Embassy“) der Bundesregierung im Ausland – abgesichert durch einen völkerrechtlichen Vertrag.

Wir wollen uns 2025 daran messen lassen, ob:

  • die Multi Cloud Struktur als Teil der deutschen Verwaltungscloud-Strategie realisiert ist.
  • wir das ZenDiS gegründet haben und gemeinsam mit den Ländern den Souveränen Arbeitsplatz zur Verfügung stellen können.
  • wir eine hochverfügbare und hochsichere Cloudinfrastruktur aufgebaut und zur Nutzung über öffentliche Providernetze zugänglich gemacht haben.
  • wir für mittelständische Unternehmen kosteneffiziente IT-Dienstleistungen mit sehr hohem Schutzbedarf ermöglichen.
  • wir PLAIN als themenoffen nutzbaren Standard für KI-gestützte Datenanalyse in der gesamten Bundesverwaltung verfügbar gemacht haben.
  • die digitalen Datenbotschaft eingerichtet ist.

Cybersicherheit

Cybersicherheit ist für die Digitalisierung von Zivilgesellschaft, Wirtschaft, und Staat ein elementarer Bestandteil mit nationalen und internationalen sicherheitspolitischen Verknüpfungen. Sie trägt substantiell zur gesamtstaatlichen Handlungsfähigkeit und Resilienz bei. Daher ist das staatliche Handeln im Bereich Cybersicherheit geprägt durch Cyberinnenpolitik, Cyberaußenpolitik und Cyberverteidigung.

  • Wir entwickeln die Cybersicherheitsstrategie für Deutschland weiter und schaffen so einen modernen, ressortübergreifenden Rahmen für die Aktivitäten der Bundesregierung.
  • Aufgrund der voranschreitenden Digitalisierung und Vernetzung werden wir die Anforderungen an die Cybersicherheit der Kritischen Infrastrukturen anpassen. Hierbei ist eines unserer Ziele, dass nicht-vertrauenswürdige Unternehmen beim Ausbau kritischer Infrastrukturen nicht beteiligt werden.
  • Das bestehende ressortgemeinsame Instrumentarium der Bundesregierung zur Krisenfrüherkennung und strategischen Vorausschau nutzen wir, um Bedrohung aus dem digitalen Raum zu antizipieren und frühzeitig Handlungsoptionen zu entwickeln. Wir setzen dabei weiterhin konsequent auf PREVIEW und die zu Grunde liegende Plattform PLAIN.
  • Wir entwickeln das Nationale Cyber-Abwehrzentrum weiter, stärken damit nachhaltig die ressortübergreifende und gesamtstaatliche Zusammenarbeit in der Cybersicherheit und ermöglichen das Verdichten von Informationen zu einem gemeinsamen und umfassenden Lagebild der Cybersicherheit.
  • Wir vertiefen die föderale Zusammenarbeit in der Cybersicherheit deutlich, indem wir das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) zur Zentralstelle im Bereich der IT-Sicherheit ausbauen und unabhängiger aufstellen.
  • Durch die Forschungsbeauftragung der Agentur für Innovation in der Cybersicherheit und Nutzbarmachung der Ergebnisse stärken wir gezielt die digitale Souveränität im Bereich Cybersicherheit.
  • Wir führen ein Recht auf Verschlüsselung, ein wirksames Schwachstellenmanagement, mit dem Ziel Sicherheitslücken zu schließen, und die Vorgaben „security-by-design/default“ ein. Auch der Staat muss verpflichtend die Möglichkeit echter verschlüsselter Kommunikation anbieten. Hersteller haften für Schäden, die fahrlässig durch IT-Sicherheitslücken in ihren Produkten verursacht werden.
  • Wir arbeiten mit der Wirtschaft zusammen und unterstützen diese mit geeigneten Maßnahmen zur Erhöhung der Cybersicherheit in den Unternehmen und schaffen einen konsistenten Rahmen für den sicheren Einsatz von digitalen Produkten und Dienstleistungen.

Wir wollen uns 2025 daran messen lassen, ob:

  • die Cybersicherheitsstrategie weiterentwickelt ist und Fortschritte bei der Modernisierung der staatlichen Netzinfrastrukturen erzielt wurden.
  • die Anforderungen an die Cybersicherheit der Kritischen Infrastrukturen der aktuellen Bedrohungslage angemessen sind.
  • PREVIEW einen effektiven Beitrag leistet, um Bedrohung aus dem digitalen Raum zu antizipieren und frühzeitig Handlungsoptionen zu entwickeln.
  • das Nationale Cyber-Abwehrzentrum weiterwickelt wurde.
  • die föderale Zusammenarbeit in der Cybersicherheit mit dem BSI als Zentralstelle verbessert wurde.
  • die Forschungsergebnisse der Agentur für Innovation in der Cybersicherheit vorliegen.
  • Handlungsempfehlungen zur Cybersicherheit in den Unternehmen entwickelt sind.

Verteidigung

Eine zukunftsfähige Landes- und Bündnisverteidigung erfordert Abwehrfähigkeiten in allen Dimensionen und benötigt zur Abwehr von Bedrohungen im Cyberraum auch eine fortgesetzte „Digitale Transformation der Bundeswehr, insbesondere der Streitkräfte“.

  • Wir sorgen für eine robuste und resiliente Vernetzung digitalisierter Streitkräfte, um gegen aktuelle und zukünftige Bedrohungen in allen Dimensionen (Land, Luft, See, Cyber- und Informationsraum sowie Weltraum) durchsetzungs- und verteidigungsfähig zu sein. Dazu bauen wir die digitalen Fähigkeiten der Streitkräfte kontinuierlich weiter aus.
  • Wir arbeiten weiter stringent an der Digitalisierung der Prozesse zur Verbesserung der Einsatzbereitschaft der Streitkräfte.
  • Parallel dazu ermöglichen wir eine innovative und wertorientierte Nutzung unserer Daten auch übergreifend mit nationalen und multinationalen Partnern.
  • Wir fördern Ideen und Innovationen insbesondere im Bereich der sich entwickelnden und disruptiven Technologien und stärken die multilaterale Innovationslandschaft durch unsere Beteiligung an den Initiativen der NATO und EU, wie den Defence Innovation Accelerator of the North Atlantic (DIANA), den NATO-Innovation Fund (NIF) und den Hub for European Defence Innovation HEDI.

Nutzung von Big Data und Data Analytics auf dem Gefechtsfeld

Digitalisierung und KI eröffnen den Streitkräften neue Fähigkeiten und Chancen. Dies gilt sowohl im Fall der Ausbildung und Übung als auch im Ernstfall, wenn bspw. unsere Streitkräfte zur Unterstützung unserer Verbündeten eingesetzt werden, die sich von einer kriegerischen Auseinandersetzung bedroht fühlen.

Wie Digitalisierung und KI und die dadurch verstärkt zur Verfügung stehenden Informationen helfen können, zeigt das Beispiel der Aufklärung. Bei der effizienten und effektiven Überwachung von bedrohten Landesgrenzen kann KI unterstützen. Damit kann im Vorfeld einer Krise das Ausmaß der möglichen Bedrohung besser und schneller abgeschätzt werden. Im Konfliktfall gelingt bspw. Gefechtsverbänden eine wirkungsvolle und schnelle Aufklärung gegnerischer Aktivitäten, wenn etwa Aufklärungssysteme Informationen über Feindmeldungen erfassen und austauschen. KI kann hier sekundenschnell zur Identifizierung der erfassten Objekte führen, so dass aus den Daten einsatzrelevante Informationen werden. Sichere digitale Übertragungswege sorgen dafür, dass die so gewonnenen Informationen in Echtzeit der militärischen Führung bereitgestellt werden. Neben einer qualitätsgesteigerten, schnelleren Informationsauswertung ist diese Art der Aufklärung und Auswertung mit weniger Personal und gefahrloser möglich.

Eine derart technologisch ausgestattete Bundeswehr ist auch auf dem digitalisierten Gefechtsfeld einsatzbereit und mit Blick auf Kommunikation, Datenverarbeitung und Datenaustausch anschlussfähig an die verbündeten Nationen.

Wir wollen uns 2025 daran messen lassen, ob:

  • wir erste Fähigkeiten zum Aufbau des durchgängigen Informations- und Kommunikationsverbundes auf dem Gefechtsfeld für die Truppe bereitgestellt haben, um mit schnell verfügbaren Informationen die Entscheidungsfindung im Übungs- und Einsatzfall zu beschleunigen.
  • wir Kapazitäten und Fähigkeiten aufgebaut haben, um Daten auf dem Gefechtsfeld schneller mit Hilfe von KI zu analysieren und damit die Effektivität auf dem Gefechtsfeld zu erhöhen.

Internationales

Eine erfolgreiche Digitale Transformation, die den Menschen in den Fokus rückt, ist weltweit von zentraler Bedeutung, um die globalen Dekarbonisierungsziele zu erreichen, die Folgen der Covid-19-Pandemie abzumildern, Hunger und Armut zu bekämpfen, Verbraucherschutz zu stärken, Diskriminierung abzubauen, konfliktpräventiv und stabilisierend zu wirken und Gleichberechtigung und Inklusion zu fördern und zu gewährleisten. Deutschland und Europa sind hier besonders gefordert, um im geopolitischen Wettrennen eine menschenzentrierte Digitalpolitik mit europäischen Standards zur Gestaltung der Digitalisierung anzubieten.

Die rasante Entwicklung digitaler Technologien und auf ihnen beruhender Geschäftsmodelle, die zunehmende Konzentration von Marktmacht bei einer geringen Anzahl von Digitalkonzernen und die Zunahme von missbräuchlicher Nutzung dieser Technologien durch staatliche und nichtstaatliche Akteure erfordern eine menschenzentrierte, wertebasierte und innovationsfördernde Regulierung neuer Technologien und digitaler Märkte, die eine sichere, diskriminierungsfreie und selbstbestimmte Nutzung digitaler Technologien gewährleistet.

Deutschland engagiert sich in allen relevanten multilateralen und Multistakeholder-Foren dafür, dass die digitale Welt auf den Grundprinzipien der Menschenrechte und Grundfreiheiten, der Demokratie, der Rechtsstaatlichkeit sowie des Schutzes der Privatsphäre beruhen sollte, um allen Menschen eine sichere und diskriminierungsfreie Nutzung von Online-Angeboten und digitalen Diensten zu ermöglichen.

  • Wir tragen zur Verringerung digitaler Brüche bei und beschleunigen die Umsetzung der Sustainable Development Goals der Vereinten Nationen mit digitalen Lösungen.
  • Wir unterstützen die Umsetzung des Global Digital Compacts
  • Wir setzen uns gemeinsam mit unserer nationalen Vertretung in internationalen Normungsorganisationen für die Entwicklung internationaler Standards auf Grundlage der „Digital Principles“ ein.
  • Wir fördern die Harmonisierung von internationalen Gesetzgebungsprozessen, um die Datensouveränität auch unserer Partnerländer zu steigern.
  • Mit dem Projekt „GovStack“ unterstützen wir im Rahmen der Vereinten Nationen weltweit bessere digitale Dienstleistungen für Bürgerinnen und Bürger und stärken so die digitale Souveränität und die Eigenverantwortung von Regierungen für E-Government-Lösungen.

GovStack – Digitale Verwaltungsdienstleistungen nach dem Baukastenprinzip

Adaku Obiaka arbeitet in der öffentlichen Verwaltung im nigerianischen Bundesstaat Nassarawa und setzt sich dafür ein, wichtige Dienstleistungen für Bürgerinnen und Bürger zu digitalisieren, um gleichen Zugang zu Bildung und sozialen Sicherungsleistungen zu ermöglichen. Vor allem die Beantragung und Zahlungen für das Ausstellen von wichtigen Dokumenten wie Geburtsurkunden usw. steht als erstes auf ihrer Liste. Sie veranlasst die entsprechenden Behörden dazu, die im Rahmen der GovStack Initiative entwickelten digitalen Grund-Anwendungen zu nutzen und sorgt so dafür, dass erhebliche Kosten gegenüber einer Neuentwicklung des digitalen Antragssystems gespart werden können. Die Verantwortlichen in Nassarawa bedienen sich nun in Zukunft zur Umsetzung ihrer digitalen Bedarfe regelmäßig am sogenannten GovStack Baukasten, der für eine Vielzahlt digitaler Anwendungen bereits geprüfte, offen weiterzuentwickelnde Bausteine vorhält. So können sie sichere und interoperable Anwendungen in ihre jeweiligen Online-Auftritte integrieren und Bürgerinnen und Bürger digital teilhaben lassen.

  • Wir verstärken unser Engagement deutlich in den bestehenden Prozessen der Internet Governance sowie in multilateralen und Multistakeholder-Foren (z. B. IGF, ICANN, ITU, WSIS, UN, OEWG, G7, G20, OECD, OSZE, WTO, GPAI, Menschenrechtsrat, Freedom Online Coalition).
  • Wir unterstützen die Weiterentwicklung des transatlantischen Handels- und Technologierates (TTC) und setzen uns für den schnellstmöglichen Abschluss eines neuen Abkommens zur sicheren Regelung des transatlantischen Datenverkehrs ein.
  • Wir bauen den Dialog und unsere Zusammenarbeit mit den Staaten aus, die wichtige politische, wirtschaftliche und regulatorische Akteure im digitalen Bereich sind – bilateral sowie in Zusammenarbeit mit der Europäischen Union. In diese Digitaldialoge beziehen wir Wirtschaft, Wissenschaft, technische Community und Zivilgesellschaft ein.
  • Wir engagieren uns mit einer aktiven digitalen Außenpolitik.
  • Mit unseren Partnern engagieren wir uns für den Aufbau ihrer unabhängigen digitalen Infrastruktur zur Stärkung ihrer digitalen Souveränität. Dazu bringen wir uns digitalpolitisch auch stärker in europäischen Vorhaben wie der EU Global Gateway Initiative ein.
  • Wir werden eine Strategie für internationale Digitalpolitik entwickeln.

Wir wollen uns 2025 daran messen lassen, ob:

  • wir die digitale Souveränität unserer Partner – insbesondere im außereuropäischen Raum – wirksam gestärkt haben.
  • dazu beigetragen haben, digitale Gräben zu überwinden und Teilhabe durch digitale Beteiligung zu ermöglichen.
  • wir eine Strategie für internationale Digitalpolitik vorgelegt haben.

5. Umsetzung

Die Umsetzung der Digitalstrategie wird durch einen Staatssekretärsausschuss unter Vorsitz des BMDV begleitet und gesteuert. Die Begleitung und Steuerung wird auf Grundlage eines umfassenden Monitoringprozesses sichergestellt. Es ist unsere große Herausforderung, koordiniert an einem Strang zu ziehen. Wir werden uns sowohl horizontal zwischen den Ressorts als auch vertikal zwischen der europäischen Ebene, Bund, Ländern und Kommunen und unter Einbindung der Wirtschaft und Gesellschaft so abstimmen, dass wir ein gemeinsames Verständnis entwickeln und unser Zielbild mit vereinten Kräften verfolgen. Mit der Konzentration auf die eingangs genannten strategischen Vorhaben mit Hebelwirkung und einem ständigen Abstimmungsprozess kann uns die digitale Transformation im Sinne einer Neuausrichtung von Prozessen auf der Grundlage einfacherer und effizienterer digitaler Verfahren gelingen.

Dabei wollen wir gemeinsam neue, agile Wege gehen und nutzen bewusst die Unterstützung des Digital Service der Bundesregierung. Projekte und Abläufe denken wir von Beginn an digital und nachhaltig, um digitale Teilhabe zu ermöglichen. Wir wollen in der Umsetzung und Weiterentwicklung dieser Strategie eine Fehler- und Lernkultur ermöglichen, die nach vorne gerichtet ist und den Erkenntnisgewinn aus Fehlern konsequent für Verbesserungen auf dem Weg zu optimalen Ergebnissen nutzt. Wir stärken agiles Arbeiten und interdisziplinäre Vernetzung, um das Silodenken zu überwinden und in der übergreifenden Zusammenarbeit neue Wege für kreative und bessere Lösungen zu eröffnen.

Die in der Digitalstrategie festgehaltenen Ziele sind eine Verpflichtung für die Bundesregierung und sind, wo immer möglich, bis zum Ende der Legislaturperiode zu erreichen. Die Wirkung der Strategie werden wir einer unabhängigen wissenschaftlichen Analyse unterziehen und für die interessierte Öffentlichkeit transparent machen.

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Grafikquellen      :

Oben     —     re:publica 2022: von links: Markus Beckedahl (Co-Founder re:publica und Gründer von netzpolitik.org) und Volker Wissing (Bundesminister für Digitales und Verkehr) bei der Session ‚Das Momentum nutzen!‘

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KOLUMNE * MATERIE

Erstellt von DL-Redaktion am 13. August 2022

Klimapolitik der Bundesregierung: Lindner und sein Sekundenkleber

Eine Kolumne von Kersten Augustin

Der Finanzminister hat sich an der fossilen Gegenwart festgeklebt. Hoffnung machen jetzt nur ein paar Blockierer und Demonstranten.

Es gibt eine Goldene Regel für Kolumnen: Jede darf sich einmal in ihrem Leben an Christian Lindner abarbeiten, danach ist das wegen Erwartbarkeit verboten und wird mit Haft nicht unter einem Dreikönigstreffen bestraft. Also los!

Lindner hat in dieser Woche, Sie haben es vielleicht mitbekommen, die Fortsetzung des 9-Euro-Tickets abgelehnt und eine „Gratismentalität“ kritisiert. Er will lieber die Pendlerpauschale erhöhen und Gutverdiener entlasten.

Nun könnte man den Mann ignorieren, seine Partei steht in Umfragen bei gerade mal 6 Prozent. Aber Lindner ist nun mal Finanzminister. Und seine Haltung zur Gegenwart, das trotzige Festhalten am fossilen Lebensstil, wird nicht nur von 6 Prozent der Deutschen geteilt. Sondern möglicherweise von einer Mehrheit, oder aber von einer so großen Minderheit, dass es gegen sie keine parlamentarischen Mehrheiten gibt – für eine Politik, die der Dringlichkeit der Klimakrise entspricht.

Mit anderen Worten: Die Welt verbrennt schneller, als es dauert, den Lebensstil der vielen Millionen Lindners so behutsam zu verändern, dass es ihnen nicht wehtut. Die Lindners haben sich mit Sekundenkleber an die fossile Gegenwart geklebt.

Bauen, bauen, bauen

Damals, als Deutschland von einer Großen Koalition regiert wurde, hieß es auch an dieser Stelle in der Zeitung häufig: Wir brauchen liberaldemokratische Mehrheiten für gute Klimapolitik. Jetzt gibt es eine neue Koalition, aber die hält an ihren Mantras fest: dem sozialdemokratischen Bauen, bauen, bauen, dem pseudoliberalen Fahren, fahren, fahren. Und selbst im von den Grünen regierten Ländle werden zu wenige Windräder gebaut. So viel zur „Fortschrittskoalition“.

Als ich einmal klein war: „Vidi, vidi bum – lernte ich Hausmeister – vidi, vidi, bum!“

Nach diesem heißen und trockenen Sommer gäbe es naheliegende politische Reak­tio­nen: dauerhaft kostenloser Nahverkehr, ein vorgezogener Kohleausstieg, ein Ende des Diesel- und Dienstwagenprivilegs. Das wäre nicht mal radikal: Ein brennender Wald sperrt die Autobahn, ein ausgetrockneter Rhein stört die Wirtschaft länger als jede Sitzblockade. Die Diskrepanz zwischen der physikalisch notwendigen und der faktischen Klimapolitik wird immer frappierender. Wir haben keine Zeit, bis zur nächsten Bundestagswahl zu warten.

Was folgt daraus?

Es müssen außerparlamentarische Minderheiten richten. Die haben kein Problem damit, jemandem wehzutun. An diesem Wochenende blockiert die Bewegung Ende Gelände LNG-Terminals in Hamburg. Sie spricht aus, was die Bundesregierung den Millionen Lindners im Land nicht zu sagen wagt: LNG wird uns nicht retten, nur massives Herunterfahren der Emissionen und eine Umverteilung der verbleibenden Energie.

Quelle        :      TAZ-online         >>>>>     weiterlesen 

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Unten        —     Christian Lindner, deutscher Politiker (FDP) Aufgenommen in Lauffen am Neckar, 25. Februar 2011.

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KOLUMNE * HABIBITUS

Erstellt von DL-Redaktion am 11. August 2022

Christian Lindners Stop-Being-Poor-Mentalität

KOLUMNE VON HENGAMEH YAGHOOBIFARAH

Das 9-Euro-Ticket steigert die Mobilität – auch für jene, die sie sich sonst nicht leisten können. Warum wehrt sich der Finanzminister so dagegen?

Nicht alles, was es für lau gibt, ist wertlos. Shoplifter wissen es. Influencer mit üppigen Giftings wissen es. Alle, die schon mal was geschenkt bekommen haben, wissen es.

Und der Finanzminister? Müsste das am besten wissen. Schließlich finanzieren Steuer­zahler_innen ihm seine BahnCard 100, seinen Dienstwagen oder die Security auf der Sylt-Hochzeit. Und doch steht ihm seine Stop-Being-Poor-Mentalität im Weg, uns anderen ein durchgängiges 9-Euro-Tickets zu gönnen, welches, man ahnt es, gar nicht gratis ist, sondern 9 Euro pro Monat kostet. In Luxemburg, Malta und einigen europäischen Städten ist kostenloser Nahverkehr Standard – ohne dass hässlich rumgegeizt wird, als lebe maus nicht in einem der reichsten Länder der Welt.

Wer fürs Militär und Milliardär_innen die Spendierhosen anzieht und in sozialen Fragen auf einmal eine zerrissene Jogginghose trägt, steht nicht peinlicher da als Genoss_innen, die vornerum auf arm machen, während sie hintenrum ihren Wohlstand bunkern. Christian Lindner tut, als ob er das 9-Euro-Ticket aus eigener Tasche zahlt und nicht von denselben Steuergeldern, die ihm sein Gehalt von über 10.323,29 Euro im Monat finanzieren.

In der Debatte um die Fortsetzung des Tickets argumentieren Gegner_innen des Angebots, dass viele der Fahrten „unnötig“ seien, also Menschen reisen, die sonst zu Hause geblieben wären. Dabei sollte es egal sein, ob das Ticket zum Pendeln oder in der Freizeit genutzt wird, das Signal ist eindeutig: Es steigert die Mobilität – auch für jene, die sie sich sonst nicht leisten können. Warum würden Po­li­tike­r_in­nen die einschränken wollen?

So etwas treiben die Parteien – Clans  hoch, wäre bei einer Direktwahl unmöglich!

Wer nicht zahlen kann, riskiert Knast

Ganz einfach: Manche Gruppen sind im öffentlichen Raum unerwünscht. Es wäre verfassungswidrig, Menschen aufgrund von Merkmalen wie Armut, Queerness, Transsein oder Schwarzsein den Zutritt zu bestimmten Orten zu verbieten. Doch es gibt Maßnahmen, die ihnen den Alltag erschweren beziehungsweise die zur Kriminalisierung oder Sanktionierung dieser Gruppen führen.

Quelle        :           TAZ-online        >>>>>        weiterlesen

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Oben     —    Hengameh Yaghoobifarah (2016)

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DER ROTE FADEN

Erstellt von DL-Redaktion am 2. August 2022

Das ganze Leben im Streckbetrieb

Roter Faden Hannover rote Zusatzmarkierung.jpg

Durch die Woche mit Silke Mertins

Die Minderjährige, die zu meiner Infektionsgemeinschaft gehört, findet mich stark verlangsamt. Ich stelle hierzu fest: Es stimmt.

Während sie zwischen Schnorcheln und Eis essen Seite um Seite verschlingt, kommt es mir vor, als wären die Buchstaben meiner Urlaubslektüre so zäh, dass ich mich nach jedem Umblättern erst einmal ausgiebig ausruhen muss. Ich lese sozusagen im Streckbetrieb.

zu langsam

Aber Streckbetrieb grassiert ja derzeit überall. Noch vor einem Monat beispielsweise war der Streckbetrieb bei Atomkraftwerken völlig indiskutabel. Superwirtschaftsklimaminister Robert Habeck befand: Bringt doch absolut rein gar nichts für unsere Versorgungssicherheit. Seit dieser Woche aber ist Streckbetrieb eventuell und ganz vielleicht und nur nach vielen, vielen Prüfungen was richtig Feines, denn es klingt so viel besser als „Laufzeitverlängerung von Atomkraftwerken“.

Andere haben damit deutlich weniger Probleme. Bundeskanzler Olaf Scholz hat beispielsweise schon immer im Streckbetrieb gelebt. Energie sondert er nur in sehr kleinen Dosen ab. Um die noch vorhandene Energie weiter zu strecken, ist der Kanzler nun in die Ferien gefahren. Deshalb gehörte es diese Woche zu Habecks Aufgaben als Vizekanzler, die Kabinettssitzung zu leiten. Und es hat jetzt nichts mit Missgunst zu tun, dass Außenministerin Annalena Baerbock ausgerechnet bei dieser Sitzung prompt zu spät kam.

zu spät

Für die Annalenas und Roberts dieser Welt wurde das englische Wort ­„frienemy“ erfunden. Auch auf Christian Lindner und seine Einstellung zu den Koalitionspartnern passt es ganz gut. Lindner ist aber noch nie im Streckbetrieb gefahren. Wenn überhaupt, kennt er sich nur mit Laufzeitverlängerung aus. Als er bei der FDP die Macht übernahm, war die Laufzeit der FDP im Bundestag abgelaufen. Eine Weile ist sie noch im Streckbetrieb gefahren, was Lindner so wenig ertrug, dass er bald eine Laufzeitverlängerung erreichte. Allerdings nur nach umfangreicher Überprüfung, zu der die FDP keinesfalls abgeschaltet werden musste – ebensowenig wie AKWs übrigens.

Datei:HausmeisterKrause.svg

Anders als grünerseits behauptet wird, müssen für die Periodische Sicherheitsüberprüfung (PSÜ) Atomkraftwerke nicht längere Zeit abgeschaltet werden. Die PSÜ findet hauptsächlich in den Verwaltungsgebäuden statt: Sicherheitsstatusanalyse, Anlagebeschreibung und Auswertung der Betriebserfahrung. So erklärt sich auch, warum das AKW Brokdorf im seinem PSÜ-Jahr 2016 genauso viel Strom produzierte wie sonst auch.

zu vergesslich

Habeck höchstselbst war 2016 als Landesminister in Schleswig-Holstein für Brokdorf zuständig und müsste eigentlich wissen, dass nicht stimmt, was er sagt. Aber gut, man kann sich ja nicht alles merken. Ich beispielsweise habe bereits vergessen, was auf der zurückliegenden Doppelseite meiner Urlaubslektüre stand. Es könnte daran liegen, dass Christian Lindner der Autor ist und das Buch „Schattenjahre“ heißt. Die Vorstellung von Lindner im Schatten ist so schwierig, dass sie in meinem Gehirn beständig wieder gelöscht wird.

Quelle        :        TAZ-online         >>>>>          weiterlesen

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Oben        —     Roter Faden in Hannover mit beschriftetem Aufkleber als Test für einen möglichen Ersatz des auf das Pflaster gemalten roten Strichs

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Experiment mit der Ampel

Erstellt von DL-Redaktion am 31. Juli 2022

Gegen die FDP-Bremser: Energiewende jetzt!

Hausmeisters Sätze mit X – erklären NIX

Von      :      Heike Holdinghausen

Mitten in diesen unübersichtlichen Zeiten, in denen Krieg in Europa herrscht und die Weltordnung zerbröselt, stellt sich die Frage: Haben wir in den ersten Monaten des Jahres ein Momentum erlebt, in dem die sozial-ökologische Transformation unseres Landes eine entscheidende Wendung hätte nehmen können? Sind wir dabei, dieses Momentum zu verpassen?

Der Überfall Russlands auf die Ukraine bedeutet für Öl und Gas das, was die Kernschmelze in Fukushima für die Atomkraft bedeutet hat. Nach dem Tsunami in Japan war auch den Letzten klar, dass die Risiken von Kernkraftwerken auch für technologisch weit entwickelte Industriegesellschaften nicht kalkulierbar sind. Nun beendet der Krieg in Europa die Erzählung vom beständig verfügbaren, billigen Gas und Öl, deren Herkunft keine Rolle spielt. Technologie, die auf ungestörter Versorgung durch Erdgas- und Ölpipelines beruht, hat keine Zukunft mehr. Während der Industrie schon länger mehr oder weniger klar war, dass sie auf Erdöl als Energierohstoff zumindest langfristig würde verzichten müssen, galt ihr Erdgas mit seiner vermeintlich besseren Klimabilanz als unbedenkliche Alternative. Gas zu substituieren, das war ein Projekt höchstens in einer ganz, ganz fernen Perspektive.

Das hat sich nun geändert. Auch wenn jetzt rasch Kapazitäten für Flüssiggaslieferungen aufgebaut werden und die Versorgung somit gesichert bleiben sollte, wird Gas auf jeden Fall teurer werden. Unternehmen und Privatpersonen werden ihren Energiebedarf für Industrieprozesse oder zur Strom- und Wärmeerzeugung mittelfristig nicht mehr mit Erdgas decken können und wollen – weil es zu teuer ist und der Schock, die Heizungen könnten kalt bleiben, weil ein ferner Diktator es so will, bei vielen tief sitzt.

Das ist gut, denn auch Erdgas ist nicht klimaneutral. Einmal mehr erweist sich eine Brückentechnologie als Sackgasse. Flugs entdeckte der Porsche-Fan und Finanzminister Christian Lindner (FDP) erneuerbare Energien denn auch als „Freiheitsenergien“, und Hausbesitzer*innen rennen den Heizungsinstallateuren die Türen nach Wärmepumpen ein.

Zugleich schreibt die Fridays-for-Future-Aktivistin Luisa Neubauer in der Wochenzeitung „Die Zeit“, nur weil die Richtigen regierten, werde nicht unbedingt auch richtig regiert, und rechnet tief enttäuscht mit der Energie- und Klimapolitik der Bundesregierung ab.[1] Sie ist die prominenteste Stimme in einem größeren Chor. Der Vorwurf: Die Bundesregierung verheddert sich in populistischen, kurzatmigen Aktionen wie dem von Finanzminister Lindner durchgesetzten Tankrabatt, mit dem sie dringend für anderes benötigte Steuermilliarden auf die Konten der Mineralölkonzerne umlenkt, oder dem Neun-Euro-Ticket, das zu überfüllten Zügen, aber keinem zusätzlichen Angebot im Öffentlichen Nahverkehr führt.

Und tatsächlich: Eine wahre Liste des Grauens hat Klimaminister Robert Habeck inzwischen aufgestellt: Er lässt Kohlekraftwerke länger laufen und schafft mit neu geplanten LNG-Terminals fossile Infrastruktur für einen Rohstoff, der doch eigentlich der Vergangenheit angehören soll, ja mehr noch: Es werden auch neue Abhängigkeiten von Autokratien geschaffen. Wetten darüber, ob der grüne Minister auch aus dem Atomausstieg wieder aussteigt, werden Mitte Juni noch entgegen genommen. Gibt es aber zugleich auch irgendwelche lautstarken Initiativen für den Einstieg in eine ökologische Kreislaufwirtschaft? Wenige.

Experiment Ampel

Seit ihrem ersten Regierungstag ist die Ampel ein Experiment. Als solches war und ist sie ja besonders deswegen interessant, weil ihre Versuchsanordnung in Bezug auf die sozial-ökologische Transformation in etwa die Positionen der Gesellschaft spiegelt: Die Grünen stehen für die ökologische Avantgarde der akademischen Mittelschichten, die mehrheitlich, obgleich sie zum Teil einen Lebensstil mit einem vergleichsweise hohen Ressourcenverbrauch pflegen, zumindest einer Transformation hin zu weniger Mobilität, weniger Konsum sowie neuen Wohnformen nicht im Weg stehen wollen und entsprechende Gesetze und Preise tolerieren würden (und größtenteils auch bezahlen könnten). Die Klientel der SPD verhält sich, wie die Partei, abwartend. Man darf davon ausgehen, dass Partei und Wähler*innen überwiegend verstanden haben, dass die fossile Industriegesellschaft angesichts des Klimawandels mittelfristig ein Ende finden muss, doch scheinen die Konsequenzen zu hart. Was auch nicht verwundert, weil das Klientel der Arbeiter und Angestellten der unteren Mittelschichten mit ihrem global hohen Konsumniveau der große Verlierer in einer postfossilen Gesellschaft werden könnte. Insofern spielt etwa SPD-Arbeitsminister Hubertus Heil eine wichtige Rolle, weil er die Schwächen der post-industriellen Arbeitswelt – Stichwort Plattform-Ökonomie – erkennt und an Lösungen arbeitet. Über konkretes klima- oder umweltpolitisches Know-how verfügt die Partei allerdings noch immer kaum. Das grüne Milieu erwartet endlich und schnell Gesetze, die den Schutz von Klima und Natur gewährleisten. Das sozialdemokratische Milieu gilt es mitzunehmen und zu überzeugen.

File:Ampel Beschimpfung.svg

Das Klientel, zu dem die FDP spricht, dürfte Klimawandel und Artensterben hingegen nicht als fundamentale Krisen auffassen. Falls es den Begriff „sozial-ökologische Transformation“ schon einmal gehört hat, hält es ihn wohl für esoterischen Blödsinn oder gleich für einen gefährlichen Einstieg in die Planwirtschaft. Dieses Milieu ist mit Argumenten kaum zu erreichen und zu Verhaltensänderungen – weniger Fliegen, weniger Fleisch konsumieren, weniger Autofahren – nur über den Preis oder über das Ordnungsrecht zu bewegen.

Das Problem dabei: Mit der FDP sitzt dieses Milieu in der Regierung und entscheidet über das Ordnungsrecht mit. Sie müsste Instrumente, wie beispielsweise ein Tempolimit, ein schnelles Verbot von Verbrennungsmotoren oder CO2-Budgets für private Flugreisen verabschieden; genau wie Vorschriften, in den nächsten Jahren Gasheizungen in Wohngebäuden auszutauschen oder Häuser energetisch zu sanieren. Laut dem Weltklimarat IPCC müssen die globalen Treibhausgasemissionen im Jahr 2025 ihren Höhepunkt erreichen und danach sinken, um das 1,5-Grad-Ziel überhaupt noch zu erreichen. Die Jahre bis 2030 sind entscheidend wichtig, um das Klima auf der Erde stabil zu halten. Für die Bundesregierung heißt das: Wenn sie die Ziele des deutschen Klimaschutzgesetzes einhalten will, müssen die Grünen das Kunststück vollbringen, sowohl die SPD zu überzeugen, ehrgeizige Gesetzesprojekte mitzutragen, als auch die FDP in der Regierung zu halten und sie dabei notwendigerweise inhaltlich so weit wie möglich zu neutralisieren.

Eine Wärmewende ist nötig

Die Reaktion des grünen Klima- und Wirtschaftsministers auf mögliche Lieferstopps von Gas und Öl in der ersten Jahreshälfte lässt diese Herausforderung in einem neuen Licht erscheinen. Robert Habeck hat sich vor allem als klassischer Wirtschafts- und Energieminister verhalten, der einen drohenden Energieengpass managt. Die Interessen der Industrie und ihrer Arbeiter*innen und Angestellten fest im Blick, hat er auf diese Weise moralisches und politisches Kapital angehäuft, das sich in hohen Sympathiewerten in der Bevölkerung äußert. In den politischen Debatten, die in den nächsten Monaten anstehen, wird er das dringend brauchen. Konkret geht es darum, Mehrheiten für eine grundlegend neue Gebäude-, Verkehrs- und Energiepolitik zu organisieren.

Quelle         :        Blätter-online          >>>>>          weiterlesen 

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Oben     —      Christian Lindner, Bundesvorsitzender der Freie Demokratische Partei (FDP)

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Unten     —       Neue Version von Ampel.JPG

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Der Spuk mit der FDP

Erstellt von DL-Redaktion am 26. Juli 2022

Freidemokratische Verhohnepipelung der Würde des Menschen im Alter

Ich bin nur Euer Prediger will aber Euer Gott sein !

Quelle:    Scharf  —  Links

Von  : Georg Korfmacher, München

Cicero hat bereits vor über 2000 Jahren postuliert: Das Wohl des Volkes soll das höchste Gesetz sein. Davon hat die FDP wohl noch nie etwas gehört und führt in besonders verabscheuungswürdiger Weise vor, dass sie das Wohl des Volkes nicht schert.

Damit erklärt sie sich selbst für ungeeignet, zu regieren bzw. sich an einer Regierung zu beteiligen. Sogar in unserem GG steht, dass die Würde des Menschen unantastbar ist. Aber das kümmert die FDP auch nicht, weil eine in diesem Ausmaß unerwartete Entwicklung im Koalitionsvertrag nicht vorgesehen sei. In der Politik und schon gar nicht beim Regieren darf es aber darum gehen, irgendwelche aus Eigennutz irgendwann festgeschriebenen Dinge stur abzuarbeiten, sondern vor allem darum, die Entwicklungen in unserer Gesellschaft dynamisch und zeitnah zum Wohle des Volkes zu regeln. Aber der Mann, der den Ärmsten der Armen eine objektiv angemessene Erhöhung der Grundsicherung verweigert, feiert schamlos eine Protz-Hochzeit auf Sylt mit unanständig hohen und daher tunlichst verschwiegenen Kosten für die Steuerzahler, nur für die Sicherheit und Anreise seiner Gäste. Dieser Mann und seine Partei sind evident sozialpolitisch ignorant.

Bei der von der SPD und den Grünen angestoßenen Reform der Grundsicherung zum Heil der Ärmsten in unserer reichen Gesellschaft tritt der Freidemokrat brutal auf die Schuldenbremse, was immer das sein soll. Dabei geht es nur um eine sachlich dringend nötige Anpassung der Grundsicherung an die Veränderung über die Jahre zur menschenwürdigen Existenzsicherung.

Wenn Brot von heute auf morgen 15 % teurer wird, reicht ein reiner Inflationsausgleich von 0,7% in 2022 bei weitem nicht. Seit Jahren rechnen die Sozialverbände glaubhaft nach und vor, dass die aktuellen Regelsätze besonders für ältere Menschen zu wenig zum Leben sind. Ein dringend notwendiger Regelsatz liegt nach deren Berechnung und ohne die erbärmlichen Tricks der Regierungen bisher etwa 200 Euro höher als heute. Dabei sind Menschen, die von Grundsicherung im Alter leben müssen, besonders betroffen, weil sie außer Flaschensammeln kaum eine Möglichkeit haben, etwas legal hinzuzuverdienen. Und weil der Behebung der Misere demokratisch nicht beizukommen ist, ist jetzt sogar eine Klage bis hin zum Bundesverfassungsgericht mit der Begründung anhängig, dass die Leistungen in der Grundsicherung zu niedrig und somit verfassungswidrig seien.

File:Protest - "Hartz 4 macht nackig".JPG

Dass aus einem sozialen Anliegen eine unwürdige Schlammschlacht geworden ist, ist nicht gerade ein Zeichen für eine auch nur einigermaßen funktionierende Demokratie. Wer hört da oben noch auf die Stimme des Volkes da unten. Dieses ist allerdings eher resigniert, weil die längst überfällige Reform des seinerzeit von einem Wirtschaftsboss konzipierte Hartz IV-Regelung schon immer eher im Interesse der Wirtschaft als der betroffenen Menschen war und so auch gehandhabt wurde. Die jetzige Verhohnepipelung der Würde insbesondere der Menschen im Alter schlägt dem Fass aber den Boden aus. So etwas ist einer Demokratie unwürdig und darf nicht im allgemeinen Tohuwabohu der heutigen Lage untergemuddelt werden. Eine Partei und deren Führer, die schamlos Protz-Feste auf Kosten der Bürger feiert, den Ärmsten der Armen aber nicht das Salz in der Suppe gönnt, hat in unserer Demokratie nichts zu suchen.

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Oben     — FDP Christian Lindner spricht bei einer Kundgebung am Augustusplatz, Leipzig

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Lindners herzlose Sparpläne

Erstellt von DL-Redaktion am 14. Juli 2022

Die Zahl der Langzeitarbeitslosen steigt über die Jahre an.

Das neue Verhältnis zwischen Arbeitern – Unternehmen und Politikern

Napoleon wurde nach Elba gebracht und der Lobbyist von Sri Lanke flüchtete auf die Malediven ! Wo könnten Deutsche Lobby – Politiker gebraucht werden?

Von   :    Simone Schmollack

Langzeitarbeitslose haben auf dem normalen Arbeitsmarkt in Krisenzeiten keine Chance. Trotzdem sollen 600 Millionen Euro für ihre Reintegration in den Arbeitsmarkt eingespart werden.

Christian Lindner hat mit viel Chichi geheiratet – und die Republik stand Kopf. Nicht, weil der Finanzminister auf der Reicheninsel Sylt die Liebe und das Leben gefeiert hat, sondern weil er jenen, die wenig bis nichts zum Feiern haben, künftig noch weniger gönnen will. Zumindest sehen Lindners Sparpläne vor, 600 Millionen Euro weniger in ein Programm für Langzeitarbeitslose zu stecken.

Das sei „fatal für die Menschen und für das Erwerbspotenzial, auf das wir bei einem weiter steigenden Fachkräftemangel doch so dringend angewiesen sind“, kommentierte Alexander Schweitzer, Arbeitsminister von Rheinland-Pfalz, die geplanten Abstriche. „Den Rotstift gerade bei der Förderung von Arbeit und Qualifizierung von Langzeitarbeitslosen und Geringqualifizierten anzusetzen, ist unanständig“, empörte sich Diakonievorständin Maria Loheide. DGB-Vorstandsmitglied Anja Piel nannte Lindners Plan „arbeitsmarktpolitische Irrlichterei“, und die Fraktionschefin der Linken im Bundestag, Amira Mohamed Ali, findet sie gar „skrupellos“.

Zeigt FDP-Mann Lindner mit seinem Vorstoß, wie unsozial, kaltblütig, marktliberal er denkt? Wirft die Ampel ihren sozialpolitischen Anspruch über den Haufen? Ganz so einfach ist es nicht. Im Gegenteil, es ist hochkomplex, höchst kompliziert. Der Etat, der für die Kürzungen vorgesehen ist, umfasst aktuell 4,8 Milliarden Euro. Er ist Teil eines Förderinstruments mit dem sperrigen Titel „Teilhabechancengesetz“, das die Bundesregierung 2019 geschaffen hat, um Menschen in besonderen Lebenslagen auf besondere Weise zu helfen: Ältere, Kranke, Ex-Drogenabhängige, Menschen ohne oder mit schlechtem Schulabschluss, mit gebrochenen Erwerbsbiografien. Um ihnen den (Wieder-)Einstieg ins Berufsleben zu ermöglichen, erhalten soziale Einrichtungen, Kommunen und freie Wirtschaftsunternehmen Zuschüsse aus diesem Etat, wenn sie Betroffene einstellen – je nach Dauer der Arbeitslosigkeit und der neuen Beschäftigung zwischen 50 und 100 Prozent des Lohns für die Betroffenen.

Dafür sollen künftig nur noch 4,2 Milliarden Euro da sein. Ist das zu wenig, um den vielen Menschen einen Weg zurück ins Arbeitsleben zu ebnen? Lindners Finanzministerium verweist darauf, dass der Bedarf für den sozialen Arbeitsmarkt, wie die Wiedereingliederungshilfe auch genannt wird, aktuell nicht so groß sei, weil es inzwischen weniger Langzeitarbeitslose gebe als noch vor ein paar Jahren. „Bei dem Haushaltsansatz für das Jahr 2023 wurde berücksichtigt, dass in der Grundsicherung für Arbeitssuchende die Anzahl der erwerbsfähigen Leistungsberechtigten in den letzten Jahren zurückgegangen ist“, heißt es dazu in einer Antwort auf eine taz-Anfrage.

Das stimmt nicht ganz. In der Tat ist die Zahl der Arbeitslosen von 2020, dem ersten Pandemiejahr mit vielfacher Kurzarbeit und zahlreichen Entlassungen, bis 2021 zurückgegangen: von 2,7 Millionen auf gut 2,6 Millionen Betroffene. Es gab Coronatests und Impfungen, so konnten Restaurants, Geschäfte und Cafés wieder öffnen, Menschen wieder verreisen. Kurz: Unternehmen stellten wieder ein.

Davon profitierten allerdings nicht die Langzeitarbeitslosen. Also jene Menschen, die mehr als ein Jahr und länger ohne Job waren. Deren Zahl erhöhte sich laut Arbeitslosenstatistik von knapp 820.000 im Jahr 2020 auf über 1 Million im Folgejahr. Zum Vergleich: 2019, also vor der Pandemie, waren 730.000 Menschen länger ohne Job. „Die schlechte Aufnahmefähigkeit des Arbeitsmarktes und die sehr eingeschränkt mögliche Durchführung von Fördermaßnahmen für arbeitslose Menschen haben maßgeblich zum Anstieg der Langzeitarbeitslosigkeit beigetragen“, erklärt die Arbeitsagentur zur aktuellen Lage. Oder einfach ausgedrückt: Langzeitarbeitslose haben auf dem normalen Arbeitsmarkt in Krisenzeiten keine Chance.

Datei:HausmeisterKrause.svg

Das Gelbe – als Warnschild ?

Hier kommt Arbeitsminister Hubertus Heil ins Spiel. Der SPD-Mann lobt den sozialen Arbeitsmarkt – entgegen der Einschätzung der Arbeitsagentur – als „hocherfolgreiches Instrument“. Bislang hätten knapp 50.000 Langzeitarbeitslose darüber einen Job gefunden. In der Regel sind das Hilfsarbeiten: Parks reinigen, Müll wegräumen, Beete gießen, Se­nio­r:in­nen zum Arzt fahren.

Die Zahl derer, die nicht „eingegliedert“ werden, bleibt aber nach wie vor hoch. Reichen die von Lindner eingeplanten 4,2 Milliarden Euro, um sie angemessen zu unterstützen? Heil lässt kryptisch mitteilen, dass sich „die für den Bundeshaushalt 2023 im Entwurf vorgesehenen Mittel für Eingliederungsleistungen auf dem Niveau dessen bewegen, was im Jahr 2019 für Eingliederung ausgegeben worden ist“. Zur Erinnerung: Damals waren 730.000 Menschen länger ohne Job, aktuell sind es gut 950.000.

Quelle        :          TAZ-online          >>>>>        weiterlesen

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Oben          —      Das neue Verhältnis zwischen Arbeiter und Unternehmer (1896)

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KOLUMNE – HABIBITUS

Erstellt von DL-Redaktion am 14. Juli 2022

Wasser predigen, Champagner saufen

Sozialer Status: Beim sonntäglichen Promenadenkonzert in Hannover trug lediglich das Kindermädchen (ganz links im Bild mit Blick zum Fotografen) keine KopfbedeckungAnsichtskarte Nr. 8753 von Louis Glaser

Von : Hengameh Yaghoobifarah

Kritik an der Luxushochzeit von Finanzminister Lindner sei aus Neid erfolgt, sagt dessen Parteifreundin. Auf eine langweilige Heten-Hochzeit auf Sylt?

C-Promi-Hochzeiten interessieren mich null – selbst nicht, wenn die C-Promis der Finanzminister und eine Journalistin sind. Auf meiner Twitter-Timeline wurde das Event trotzdem hoch- und runterdiskutiert. Besonders ein Aspekt: Während Christian Lindner ankündigte, die ohnehin schon knappen Hartz-IV-Leistungen kürzen zu wollen, feiert er eine Luxushochzeit auf Sylt.

Unter seinen Gästen waren zig Politiker_innen, darunter Friedrich Merz, der mit seinem 900.000-Euro-Privatjet anreiste, und Robert Habeck, der sich geschickt bodenständig auf seiner Bahnfahrt inszenierte.

Ja, es wirkt zynisch, dass Politiker_innen inmitten einer Krise teure Partys feiern, während sie der restlichen Bevölkerung ansagen, den Gürtel enger zu schnallen und die Heizungen runterzudrehen. 100 Milliarden Euro fürs Militär und der ohnehin dubiose Tankrabatt, den sich Ölkonzerne in die Tasche steckten, sind eben wichtiger als Subventionen für Wohnraum, Heizkosten oder Lebensmittel.

Leitungswasser predigen, Champagner saufen: Maus muss nicht linksradikal sein, um diesen obszönen Zustand und die Doppelmoral zu benennen. Trotzdem hätte ich mir mehr Sparmaßnahmen bei dem dümmsten, wenn auch sehr populären Take des Wochenendes gewünscht: Wer die Lindner-Hochzeit samt aller Exzesse kritisiert, sei einfach neidisch. Lindners Parteikollegin Katja Adler twitterte, die Kritiker_innen der Hochzeit seien bestimmt auch gegen SUV-Fahren, Eigentumswohnungen oder -häuser, mehrere Urlaube pro Jahr und für Tempolimits. „Alles für das #Klima. (sic!) #Neid“

Gesucht und zusammengefunden

Waren die Protestierenden in Sri Lanka nur neidisch?

Klimaschutz, Verkehrssicherheit oder die Forderung nach einer gerechten Verteilung von Vermögen als Rache des missgünstigen und faulen Pöbels? Irgendwie cute naiv. Waren die Protestierenden in Sri Lanka, die das Haus des Präsidenten gestürmt haben, vielleicht auch nur neidisch? Oder der Sturm auf die Bastille? Wenn die Wut auf die Politik tatsächlich in einem Akt der Rache zum Ausdruck gebracht würde, wären es ganz sicher keine reformistischen Forderungen.

Quelle        :       TAZ -online        >>>>>        weiterlesen

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Oben     —  Sozialer Status: Beim sonntäglichen Promenadenkonzert in Hannover trug lediglich das Kindermädchen (ganz links im Bild mit Blick zum Fotografen) keine KopfbedeckungAnsichtskarte Nr. 8753 von Louis Glaser

Louis Glaser und ein unidentifizierter Schreiber – Scan vom Original: Claus-Peter Enders im Team mit Bernd Schwabe im Wikipedia-Büro Hannover; mit Dank an Gitta Kirchhefer

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Unten      —   Aalkönige Friedrich MerzPeer SteinbrückLothar Späth und Wolfgang Clement

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Der Reibach mit Rabatt

Erstellt von DL-Redaktion am 6. Juli 2022

Öl-Multis außer Kontrolle

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Steuern auf Krisengewinne

Erstellt von DL-Redaktion am 11. Juni 2022

Die pathologische Inflation der Profite

Datei:HausmeisterKrause.svg

Eine Kolumne von Thomas Fricke

Ob Wohnungsunternehmen oder Ölkonzerne – zurzeit scheint für Unternehmen jeder Anlass recht, beim Preisetreiben mitzumachen und so die eigenen Gewinnmargen zu erhöhen. Höchste Zeit, das abzuwehren.

Seit fast täglich neue Meldungen über hohe Inflationsraten kommen, scheint sich ein Trend festzusetzen: Wer irgendwie kann, macht mit beim Preiseerhöhen. Da kündigt ein Wohnungsunternehmen an, die Mieten jetzt mal anheben zu müssen – wegen der Inflation. Was eine merkwürdige Umkehrung der Wirkungskette ist. Und die Ölkonzerne nutzen die Umrechnungsphase des Tankrabatts, um die ohnehin schon hohen Preise noch mal anzuheben. Damit die Inflation bloß nicht zu sehr nachlässt.

Klar: Wenn alle das machen, steht man nicht als so böse da, wenn man mitmacht.

Was für Mieter und Verbraucher bitter ist, ist auch ökonomisch ein heikles Phänomen dieser Krisen- und Kriegszeit. Wenn etliche Unternehmen die Notlage ausnutzen, um gerade solche Produkte zu verteuern, die nicht so schnell zu ersetzen sind, droht ein fataler Absturz in die wirtschaftliche Krise.

Nach alt-orthodoxer Lehrbuchformel galt und gilt in Sachen Inflation als höchster Gefährdungsgrad eigentlich ja, dass es zur viel zitierten Lohn-Preis-Spirale kommt  – und die Inflation sich so verselbständigt. Wobei die Spiralen-Warnung nach konservativer Lesart vor allem dahin ging, dass bloß Arbeitnehmer und Gewerkschafter jetzt nicht auf die Idee kommen, einen Ausgleich für höhere Preise zu fordern. Sodass die Preise dann eben auch immer weiter steigen müssen – als gäbe es dafür einen Automatismus; und als gehe das Drama von Lieschen Müller aus.

Wie sich derzeit aber zeigt, tragen zur besagten Lohn-Preis-Spirale bisher gar nicht die Löhne bei, sondern eher die Preise, die ja nicht vom Himmel fallen, sondern von Unternehmen gesetzt werden – aus ökonomisch guten oder weniger guten Gründen.

Das macht politisch einen großen und ebenso heiklen Unterschied. Weil die jüngsten Bekundungen von Wohnungsunternehmen und Ölkonzernen womöglich nur die Fortsetzung eines Trends sind, bei dem etliche Firmen die kritische Mischung aus Pandemie-Nachwirkungen, Krieg und generellem Inflationsambiente nutzen, um die eigenen Verkaufspreise anzuheben. Zur Verbesserung der eigenen Bilanz.

Die Gewinne springen nach oben

Was schon seit Monaten auffällt, ist, dass die Preise gerade in jenen Fällen besonders stark steigen, wo Unternehmen von der Krise profitieren – etwa dort, wo für Verbraucher angesichts der Lieferengpässe infolge der Lockdowns die Alternativen fehlen; und die Menschen keine Möglichkeit haben, auf billigere Anbieter umzusteigen. Beispiel Pauschalreisen. Oder Benzin. Oder bald vielleicht Mieten.

Brigitti Matrosen (11.02.2018 - 3).jpg

Zufall oder nicht: Im zweiten Halbjahr 2021 haben die Unternehmen in den USA mit fast 15 Prozent Gewinnquote nach Steuern so viel Profit gemacht wie seit Anfang der Fünfzigerjahre nicht. Nach Berechnungen des Economic Policy Institutes ist mehr als die Hälfte des Anstiegs der Preise in den USA auf eine Ausweitung der Profite in den Unternehmen zurückzuführen. Heißt: Hätten die Firmen ihre Gewinne nicht ausgeweitet, wäre die Inflation rein rechnerisch nicht einmal halb so hoch ausgefallen. Ein Drittel des Preisanstiegs lässt sich darüber hinaus durch höhere Kosten jenseits der Lohnzahlungen erklären, etwa die viel zitierten Energiekosten – und nur knapp acht Prozent durch gestiegene Gehälter.

Ähnliches gilt offenbar für die Wirtschaft diesseits des Atlantiks. Nach Schätzungen der Europäischen Zentralbank (EZB) kam auch im Euroraum der größte Beitrag zur Inflation Ende 2021 vom Hochschnellen der Unternehmensprofite. Den kleinsten Beitrag machten die Lohnkosten je produzierter Einheit aus.

Und auch die Dax-Konzerne in Deutschland haben trotz aller Krisen in den vergangenen Monaten auffällig viel Gewinn gemacht – und dabei neue Rekorde eingefahren. Irre.

Der Markt funktioniert nicht

Für die Ökonomin Isabella Weber von der University of Massachusetts Amherst lässt sich all das nur dadurch erklären, dass eben doch eine Menge Unternehmen die Krise genutzt haben, um in der Not die Preise noch stärker anzuheben, als es steigende Kosten allein gerechtfertigt hätten – und dass daraufhin, anders als in Normalzeiten und gängigen Standardmodellen der Ökonomie vorgesehen, die Nachfrage mangels Alternative nicht sank beziehungsweise sinken konnte. Sonst hätten die Gewinne nicht ebenso atemberaubend hochschießen können. Die Inflation der Profite.

Quelle         :         Spiegel-online        >>>>>          weiterlesen

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Grafikquellen     :

Oben       —      Comedyserie Hausmeister Krause

Verfasser     :  Unbekannter Autor      /       Quelle       :        selbst vektorisiert     /       Datum    :   Unbekanntes Datum

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Unten       —    Brigitte Matrosen beim großen Umzug der Höllenzunft Kirchzarten am Fasnachts-Sonntag 2018.

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Benzin-Rabatt der FDP

Erstellt von DL-Redaktion am 8. April 2022

Plötzlich ist der Markt egal

Carrefour Scheibenhard Gas 4.jpg

Von Malte Kreutzfeldt

Beim Klimaschutz wollte die FDP komplett auf Preismechanismen setzen. Doch sobald das Benzin tatsächlich teuer wird, ist Klientelpolitik wichtiger.

Es war ein klares Konzept, das die FDP im Wahlkampf vertreten hat: Die Liberalen versprachen, das ambitionierte 1,5-Grad-Ziel zu erreichen, doch anders als die politische Konkurrenz wollten sie dabei auf Vorschriften, Verbote und Subventionen verzichten. Den Rückgang der Treibhausgas-Emissionen wollten die Liberalen stattdessen komplett mit marktwirtschaftlichen Instrumenten erreichen: Der Handel mit CO2-Zertifikaten, der bisher nur für große Industriebetriebe und Kraftwerke vorgeschrieben ist, sollte auf alle Sektoren ausgeweitet werden.

Das ist in der Theorie keine schlechte Idee. Wenn die CO2-Emissionen überall einen einheitlichen Preis kosten, werden sie immer dort eingespart, wo es ökonomisch am günstigsten ist. Und über die jährliche Absenkung der maximalen Emissionsmenge können die Klimaziele punktgenau erreicht werden.

In der Praxis ist die Sache allerdings – wie so häufig – deutlich komplizierter. Denn was ökonomisch ideal ist, kann sozialpolitisch ziemlich katastrophal sein. Die CO2-Abgabe, die in Deutschland bisher für Autofahren und Heizen fällig wird, ist mit 30 Euro pro Tonne deutlich niedriger als der Preis im EU-Emissionshandel, der Ende letzten Jahres fast 100 Euro pro Tonne betrug. Würden, wie von der FDP gefordert, alle Sektoren in den Emissionshandel einbezogen, würden sich Benzin und Diesel um 25 Cent pro Liter verteuern, und auch das Heizen wäre deutlich teurer.

Die FDP hatte damit im Wahlkampf kein Problem, sondern erklärte die hohen Preise ausdrücklich für notwendig: „So schaffen wir Anreiz zur Investition in klimafreundliche Technologien“, heißt es im Wahlprogramm. Die Partei ging sogar davon aus, dass der CO2-Preis dazu führen würde, dass synthetische Kraftstoffe, die mithilfe von Ökostrom hergestellt werden, dadurch billiger würden als fossiles Benzin – was erst der Fall wäre, wenn sich dessen Preis etwa verdoppelt. „So können wir Klimaschutz marktwirtschaftlich und wissenschaftlich sicher erreichen“, hieß es im Wahlprogramm.

Ein halbes Jahr später ist von diesem Glauben an den Markt nicht viel geblieben. Als die Benzinpreise in Folge des Ukrainekriegs plötzlich steigen, sieht die FDP das nicht mehr als notwendigen Schritt für den Klimaschutz, sondern als Problem. Statt auf den Markt zu vertrauen, war es nun FDP-Chef Christian Lindner, der am lautesten nach einem Eingreifen des Staates rief und via Bild-Zeitung einen „Benzin-Rabatt“ versprach.

Ampel Sondierungen und FridaysForFuture protestieren 2021-10-15 169.jpg

Freie Fahrt für die politischen Räuber

Der wird nicht ganz so bürokratisch umgesetzt, wie von Lindner ursprünglich mit einer Verrechnung zwischen Tankstellen und Finanzministerium vorgeschlagen worden war. Aber auch die jetzt von der Ampelkoalition geplante Steuersenkung macht die Treibstoffe deutlich billiger. Statt des versprochenen Anreizes für klimafreundliche Technik gibt es jetzt das Gegenteil: Je größer und sprithungriger ein Auto ist, desto mehr profitieren die Fah­re­r:in­nen von der Benzinpreissenkung.

Preiswertes Autofahren, so scheint es, ist für die Liberalen ein Grundrecht – ganz anders als bezahlbares Wohnen

Preiswertes Autofahren, so scheint es, ist für die Liberalen ein Grundrecht – ganz anders als bezahlbares Wohnen: eine Mietpreisbremse lehnt die Partei bis heute ab. Wer sich die explodierenden Mieten nicht mehr leisten könne, müsse eben umziehen, argumentiert die FDP. Wer sich das Autofahren nicht mehr leisten kann, bekommt dagegen Hilfe vom Staat. Am Benzin-Rabatt hält die Partei fest, obwohl die Preise inzwischen wieder unter die zunächst als Ziel genannte Marke von 2 Euro pro Liter gefallen sind.

Zusammen mit dem Glauben an den Markt hat sich die FDP dabei auch von einem weiteren Grundsatz verabschiedet: dem Verzicht auf neue Schulden. Die hatten die Freidemokraten zunächst sogar abgelehnt, wenn damit neue Investitionen finanziert werden sollten, die langfristig Kosten sparen. Nachdem sie dort – richtigerweise – nachgegeben hatten, wollten sie aber zumindest bei Konsumausgaben hart bleiben.

„Wenn die Union eine sogenannte Spritpreisbremse fordert, dann muss sie sagen, was sie im Haushalt kürzen will“, hatte Lindner noch am 13. März erklärt – nur um wenige Tage später seinen eigenen Tank-Rabatt vorzustellen, der über neue Schulden finanziert werden soll.

Quelle       :       TAZ-online        >>>>>          weiterlesen

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Grafikquellen          :

Oben     — Die Tankstelle am Carrefour-Markt in Scheibenhard

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Unten       —     Protest von FridaysForFuture und Anderen, sowie Ankunft der Verhandlungsteilnehmenden an der Messe Berlin zum letzten Tag der Sondierungsgespräche für eine Ampelkoalition.

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Ade – pazifistische Haltung

Erstellt von DL-Redaktion am 22. März 2022

Bombenstimmung in der westlichen Rüstungsindustrie

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Ging es um Rüstungsaufträge, war für die SPD selbst der längste Tisch zu kurz.

Quelle:    Scharf  —  Links

Von Holger Müller

Mit der durch Bundeskanzler Olaf Scholz am 27. Februar eingeleiteten hundertachzig Grad Drehung der deutschen Außen- und Sicherheitspolitik wurde wahrlich eine Zeitenwende eingeleitet. 100 Milliarden Euro Soforthilfe für die daherdümpelnde Bundeswehr, welche ja bisher mit „kaputtgesparten“ 50 Milliarden Euro  pro Jahr ein eher bescheidenes Dasein fristete. Als Sahnehäubchen obendrauf nun endlich noch die Erfüllung der 2% Vorgabe aus Washington.

Das diese fixe Zahl von 2% des Bruttoinlandprodukts bei schlecht laufender Wirtschaft auch mal ein Absinken der Verteidigungsausgaben bedeuten kann, werden viele deutsche Politiker wohl erst merken wenn es soweit kommt.

Wir müssen hier einmal über die momentan Vorsitzende des Verteidigungsausschusses reden. Frau Marie-Agnes Strack-Zimmermann gab am 28. Februar, also einen Tag nach der Zeitenwenderede das Bundeskanzlers, der „Welt“, also der Axel Springer SE, ein denkwürdiges Interview. Richtig befreit wirkte sie, nach all den Jahren der Gängelung durch die pazifistische Grundhaltung der vergangenen Regierungen.

Nachdem schon Scholz in seiner Rede ohne rot zu werden das amerikanische Tarnkappen-Mehrzweckkampfflugzeug F-35 „so nebenbei“ erwähnt  und mit dem Stempel „bestes Jagdflugzeug der Welt“ versehen hatte (was unkorrekt ist), griff die FDP-Rüstungsexpertin dies bei ihren Interview dankend auf. Sie lamentierte etwas sinnfrei über die deutsche Luftraumsicherung durch den 2030 in Rente gehenden Panavia Tornado, was dieses Flugzeug jedoch nie konnte,  und wofür es auch nie konzipiert war. Zur Information, den deutschen Luftraum sicherte lange Jahre die F-4 Phantom II, welche mittlerweile durch den Eurofighter ersetzt wurde.

Aber darum ging es Frau Strack-Zimmerman auch gar nicht. Es ist vielmehr das sinnlose Festhalten an der, schon durch Adenauer herbeigehechelten, atomaren Teilhabe der Bundeswehr. Die 20 im Fliegerhorst Büchel gelagerten Wasserstoffbomben vom Typ B61 sollen im Ernstfall, manche nennen es auch „Krieg“, von deutschen Tornado Jagdbombern zum Feind getragen werden. Die Ankunftswahrscheinlichkeit lim Zielgebiet iegt bei Null. Aber egal, wenn die großen Jungs ihre 12000 Kernwafen abfeuern, dann wollen wir auch mitspielen. Ok, bringt nun jetzt nicht wirklich was, außer einem nicht näher benannten Agressor aus dem Osten ein dankbares Ziel in Form des deutschen Stützpunktes zu liefern.

Dabei ist noch nicht einmal sicher, ob die Lockheed Martin F-35 diese Wasserstoffbomben (Baujahr 1968!!) überhaupt wird tragen können. Großes Interesse besteht auf amerikanischer Seite nicht dazu. Umfangreiche, aufwendige und kostspielige Tests währen hierzu nötig. Und das, obwohl die USA diesen veralteten Bombentyp selber gar nicht mehr einsetzen!

Aber all dies scheint nun im Rausch der fließenden Milliarden zweitrangig zu sein, Hauptsache die Transatlantiker innerhalb der deutschen Politik können nun endlich ihrem liebsten Hobby fröhnen. Nämlich zu ihren amerikanischen Freunden gehen und nahezu unbegrenzt und sinnfrei zu shoppen. Zu Irgendwas muss ja die „Atlantik-Brücke“ oder die  „Deutsche Atlantische Gesellschaft“ (mit im Vorstand: Frau Strack-Zimmermann!) ja gut sein. Vielleicht gibts dann ja auch endlich den schon von Kramp-Karrenbauer gewünschten deutschen Flugzeugträger? Ist gerade für schlappe 9 Milliarden Dollar im Angebot!

2015-01-05 2381 Marie-Agnes Strack-Zimmermann (Landesparteitag FDP Baden-Württemberg).jpg

Und wählen wir Grün und haben kein Schwein – blicke auf Gelb dann siehst du eins.

Auch bemerkenswert war in dem Welt Interview die Äußerung der o.g. FDP Politikerin, man müsse nun auch endlich einsehen, dass das deutsche Vergaberecht zur Beschaffung von Rüstungsgütern zu Grabe getragen werden muss. Daran würde sie bereits zusammen mit ihrem FDP Kollegen Buschmann (Justizminister) arbeiten. Und wieder knallten bei der Rüstungsindustrie die Sektkorken! Endlich Schluss mit den bei deutschen Regierungen üblichen und ewig dauernden Entscheidungsprozessen. Kümftig reicht ein Anruf beim zuständigen Lobbyisten, und schon rollt der Rubel. Oder Euro oder sonstwas.

Wir als Gesellschaft müssen hier sehr wachsam und streitsam bleiben. Ansonsten wird die momentane Lage durch weitere neoliberale Ideen ausgenutzt Schon so gut wie sicher scheint ja ein Nachlassen in den Bestrebungen zum Umbau der Energieversorgung sowie des Umweltschutzes zu sein. Wo werden die Transatlantiker als Nächstes zuschlagen? Vielleicht im sozialen Bereich?

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Oben       —    Встреча Президента Украины Владимира Зеленского и Президента Турецкой Республики Реджепа Тайипа Эрдогана.

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Kleidung macht Leute

Erstellt von DL-Redaktion am 19. März 2022

Die Wahrheit über Inventing Christian

Ampel Sondierungen und FridaysForFuture protestieren 2021-10-15 169.jpg

Von   :Mark-Stefan Tietze

Ein Hochstapler aus kleinen Verhältnissen schwindelt sich zum Finanzminister empor, indem er sich als reicher Erbe ausgibt.

Ob Turboaufrüstung oder „Tankrabatt“: Christian Lindner haut als Finanzminister im Augenblick die Milliarden raus, als gäbe es kein Morgen. Prinzipiell wäre dagegen auch gar nichts einzuwenden – käme der Geldsegen nicht hauptsächlich seinen Kumpelinos aus den Besserverdiener-, Kraftstoff- und Rüstungscliquen zugute und hätte sich der Mann in der Vergangenheit nicht stets als erzliberaler Staatsfeind und strikter Marktfreund inszeniert. Auflösen lässt sich dieser vermeintliche Widerspruch jedoch, wenn man schaut, wie dieser Hochstapler sich seinen Weg nach oben gebahnt hat – stets mit geliehenen Grundsätzen und fremder Leute Geld!

Geboren wurde Christian Wurst, der später als Christian Lindner ein Luxusleben in der Düsseldorfer und Berliner Elite führen wird, in Schwerte im Ruhrgebiet als Sohn eines Altkleidersammlers und einer Baggerfahrerin. Schon zu Grundschulzeiten behauptete er aus purer Lust am Lügen, er wäre Lehrersohn aus Wuppertal und könne Pädagogen jederzeit Freikarten für die Schwebebahn besorgen. Das nahm zwar niemand in Anspruch, brachte ihm aber prompt eine Gymnasialempfehlung ein.

In der Unterstufe spekulierte Christian mit Optionsscheinen auf Pausenbrote, borgte sich Hausaufgaben der Mitschüler und vergaß regelmäßig, sie zurückzugeben. Ehemalige Klassenkameraden beschreiben ihn als unauffälligen Angebertypen, der für einen guten Spruch jederzeit seine Großmutter verkauft hätte und dies für Geld (500 Mark) auch tat.

Mit Einbruch der Pubertät, so erinnern sich viele, sei seine Begeisterung für Markenklamotten ausgebrochen („Diesel-Jeans“). Nach leidlich bestandenem Abitur und Zivildienst begann er systematisch, politisches Wissen und interessante Meinungen vorzuschwindeln und ergaunerte sich auf diese Weise einen Studienplatz in Politikwissenschaft.

Mit 16 aber war er bereits in die FDP eingetreten, wo er genügend Eindruck machte, um schleunigst die Karriereleiter emporzuklettern. Frühere Weggefährten berichten bewundernd, er habe jederzeit die richtigen Dress- und Sprachcodes draufgehabt und schon sehr prononciert „Eigenverantwortung“, „Porsche“ und „Geh sterben!“ sagen können. Zudem trug er die richtigen Anzüge, schwitzte in die richtigen Kaschmirpullis und lief meilenweit in den richtigen Schuhen andere Leute. Der Clou indes, der ihm in diesen Kreisen alle Türen öffnete und Taschen füllte: Er gab vor, er sei der politische Milliardenerbe von Walter Scheel und Hans-Dietrich Genscher.

Als Chef der Jugendorganisation zahlt er bei sämtlichen Gelagen

Angesichts dieses Selbstbewusstseins erübrigten sich wohl sämtliche Nachfragen, zumal Christian als Chef der Jungen Liberalen sämtliche Deckel bei sämtlichen Gelagen zahlte. Doch fand er eben auch immer wieder Zeit für seine Hobbys: Er lieh sich Unsummen von Geld, jonglierte mit Kreditkarten und zahlte seine Schulden mit der Aufnahme von neuen Schulden. Vor allem aber hatte er es raus, so zu klingen wie ein Mann von uraltem liberalen Geldadel, indem er mitten in der Konversation unvermutet Lobeshymnen auf „Fleiß“ und „Leistung“, „Mut“ und „Rendite“ anstimmte, wie auch mit den Zauberworten „Unverzüglich“ und „Sie sind gefeuert!“ um sich warf.

Scrooge-Romney.jpg

Durch solche Aufschneidereien und weitere geschickte Lügen über seine Herkunft gelang es ihm, eine Reihe von Krediten in Höhe von je mehreren Zehntausend Euro zu ergattern, mit denen er seinen täglich aufwendigeren Lebensstil finanzierte. Irgendwann musste es für jeden seiner Geburtstagsgäste ein Porsche zum Mitnehmen sein. Im Jahr 2000 gelang es ihm darum, in den nordrhein-westfälischen Landtag einzuziehen, was ihm bei den Banken weitere Kredite in beinahe unbegrenzter Höhe einbrachte. Die er allerdings gleich wieder in selbstgegründeten Start-ups der New Economy versenkte.

Auf Kreditkarte seiner Frau kauft er sich einen Sitz im Bundestag

Quelle         :       TAZ-online         >>>>>        weiterlesen

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Oben      —      Protest von FridaysForFuture und Anderen, sowie Ankunft der Verhandlungsteilnehmenden an der Messe Berlin zum letzten Tag der Sondierungsgespräche für eine Ampelkoalition.

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Unten      —   Aus meinem Blog über politische Karikaturen.

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Politamateure suchen Krieg?

Erstellt von DL-Redaktion am 6. März 2022

Wir brauchen eine Erasmus-Armee

Großer Zapfenstreich Ramstein Air Base 2002.jpg

Von Martin Reichert

„Der Russe“ als Feindbild ist zurück – und schon fordern manche in Deutschland eine Rückkehr der Wehrpflicht. Besser wäre es, europäisch zu denken.

Wäre Deutschland eigentlich „bereit, die Lebensform, die man sich aufgebaut hat, auch zu verteidigen“? Und: „Was bedeutet dann Verteidigung, wenn diese in Gefahr ist?“ Diese Fragen stellte zwei Tage vor dem Einmarsch Putins in die Ukraine der Osteuropa-Historiker Karl Schlögel in dieser Zeitung.

Seitdem haben sich die Ereignisse derart beschleunigt, dass es bereits einige Antworten auf diese zunächst noch rhetorischen Fragen gibt: Ein „Sondervermögen“ von 100 Milliarden Euro zur Aufrüstung der Bundeswehr soll eingerichtet werden, und künftig sollen mehr als 2 Prozent der jährlichen Wirtschaftsleistung in die Verteidigung fließen. Waffen werden ins Krisengebiet Ukraine geliefert, auch mit Zustimmung der Grünen.

Auf Twitter fragen sich derweil junge Menschen, was sie eigentlich tun müssten, wenn es im eigenen Land Krieg gäbe. Und erste Abgeordnete im Bundestag diskutieren bereits über die Wiedereinsetzung der Wehrpflicht, wenn auch in reformierter Form, nämlich in Gestalt eines „Gesellschaftsjahrs“. Nicht bloß Unionspolitiker argumentieren in diese Richtung, auch der Sicherheitsexperte der SPD-Fraktion, Wolfgang Hellmich, sagte gegenüber der Rheinischen Post: „Die Debatte über eine allgemeine Dienstpflicht müssen wir dringend führen. Denn dafür brauchen wir einen gesellschaftlichen Konsens.“

Das Anschwellen des Wehrwillens

In der Tat gibt es in der Gesellschaft gerade einiges auszuhandeln, wenn es um Krieg und Frieden geht, wie ein Blick in Kommentarspalten und soziale Medien ergibt. Dort kann man ein deutliches Anschwellen des Wehrwillens feststellen bis hin zur Beschäftigung mit Waffensystemen und der Frage, wie man Militärfahrzeuge mit Mitteln aus dem eigenen Haushalt außer Gefecht setzt.

Zeitenwende oder bloß Coronakoller? Nach zwei Jahren der Verunsicherung und Frustration die Lust, mal einen Molotowcocktail auf einen Panzer zu werfen? Oder doch eher der konkreten Angst geschuldet, dass man gerade nicht weiß, an welcher Grenze die russischen Truppen Halt machen, denen man laut Auskunft des eigenen Heeresinspekteurs „ziemlich blank“ gegenübersteht.

Interessant ist, dass dieses Land in Aufrüstung gerade von Zivildienstleistenden regiert wird, wie Olaf Scholz (Jahrgang 1958, Pflegeheim), Robert Habeck (Jahrgang 1969, arbeitete mit Menschen mit Behinderung) und Christian Lindner (Jahrgang 1979, Hausmeister in der Theodor-Heuss-Akademie), der es allerdings nach seiner rein pragmatischen Entscheidung, zugunsten seines Business zu verweigern, später als Reservist bis zum Major brachte.

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Wer nichts wird, macht den Hausmeister und wird Major der Reserve.  Da ihm das Geld noch nicht ausreichte wurde er nicht Kneipenwirt sondern Politiker. 

Zu Scholz’ Zeiten musste man zwecks Verweigerung oft noch vor einer Kommission antanzen, die einen fragte, was man denn zu tun gedenke, wenn „der Russe“ vor einem stehe mit einem Gewehr und drohe, die eigene Mutter/Frau/Freundin zu vergewaltigen. Zu „meiner Zeit“ konnte man schon schriftlich mit Textbausteinen aus dem C64 verweigern – und damals wäre es mir nun wirklich absolut undenkbar und sinnlos erschienen, Wehrdienst zu leisten: Der Zweite Weltkrieg steckt meiner Familie bis heute in den Knochen und der Kalte Krieg, mit dem ich aufgewachsen bin, war gerade erst vorüber.

Eine unangenehme Zeitreise zurück ins 20. Jahrhundert

Doch auch wenn man sich im Moment auf unangenehme Weise ins 20. Jahrhundert zurückversetzt fühlt, müssen die Antworten auf Bedrohungsszenarien nicht ebenso antiquiert sein: „Die Wehrpflicht, so wie wir sie noch kennen, ist in der jetzigen Situation nicht erforderlich“, sagte ebenfalls in dieser Woche der ranghöchste deutsche Soldat, Generalinspekteur Eberhard Zorn, den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. Die Bundeswehr und ihre Aufgaben hätten sich verändert: „Für den Kampf im Cyberraum, um nur ein Beispiel zu nennen, sind Wehrpflichtige absolut ungeeignet“, erklärte er. „Wir brauchen gut ausgebildetes, in Teilen sogar hochspezialisiertes Personal, um das gesamte Aufgabenspektrum abzudecken.“ Auch führende SPD-Mitglieder wie Kevin Kühnert sprachen sich gegen eine Wiedereinführung aus. Markus Söder (CSU) ist ebenfalls dagegen – Bodo Ramelow (Linkspartei) hingegen dafür.

Kann die Antwort auf die Frage, wie und ob wir bereit sind, Europa zu verteidigen, nicht einzig und allein Europa sein?

Die Debatte geht weiter. Könnten denn Zwangsdienste tatsächlich eine glaubwürdige Antwort der Demokratie auf die Bedrohung durch autoritäre Mächte sein? Wären junge Menschen im Westen überhaupt bereit, sich von Boomern zwangsweise in den Krieg schicken zu lassen? Gleichzeitig scheinen sich derzeit viele junge Menschen tatsächlich internationalen Brigaden anzuschließen, die nun helfen sollen, die Ukraine gegen die russische Armee zu verteidigen.

Zu Beginn dieser schrecklichen Woche spazierte ich abends auf der Grenze zwischen Slowenien und Italien am Meer entlang. Hier, wo einst der „Eiserne Vorhang“ verlief zwischen dem blockfreien Jugoslawien und Westeuropa, ist nun „Mitteleuropa“. In der Bucht vor Koper stauen sich die Containerschiffe, weil die internationale Logistik durch Corona durcheinandergekommen ist. Gegenüber, in einer der Werften des italienischen Triest, liegt unübersehbar die „Sailing Yacht A“ des russischen Oligarchen Andrei Melnitschenko im Dock, es wird rund um die Uhr an ihr gearbeitet, man hat es womöglich eilig. Auf der Autobahn sieht man derzeit viele Wagen mit ukrainischen Kennzeichen, noch mehr als sonst. Und hier, direkt am Meer, große Weinberge im Rücken, liegt eine Feriensiedlung der slowenischen Armee. Kleine Häuschen mit Spitzdach, man kann zu Fuß direkt zum Strand laufen; im Sommer machen die Sol­da­t*in­nen hier Urlaub mit ihren Familien, jetzt ist alles verwaist.

Deutschland, ein Militärbulle?

Quelle        :      TAZ-online           >>>>>         weiterlesen

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Grafikquellen      :

Oben        — Angehörige der Bundeswehr während eines Großen Zapfenstreiches, einer Militärtradition, zum fünfzigsten Gründungstag der Ramstein Air Base, Deutschland.

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KOLUMNE FINANZCASINO

Erstellt von DL-Redaktion am 17. Dezember 2021

FDP-Finanzprojekte und ihre Profiteure – – Die gelben Tricks

Casino bei RWS.jpg

Es kann nicht oft genug gesagt werden: Menschen welche etwas gelernt haben, verkaufen sich eher nicht an die Parteien – Clans. Es gibt keinen Gott – das Volk wählt sich seine Götter selber!

Von Ulrike Herrmann

Die Liberalen haben für die Vermögenden Milliarden herausgeschlagen. Gefährlich ist ein Projekt, das harmlos klingt: die Abschreibung auf Neubauten.

Der Ampelvertrag wird gern als „Gelbe Seiten“ verspottet, weil sich nur die FDP durchgesetzt habe. Das ist übertrieben. Trotzdem ist beachtlich, was die Liberalen herausgeschlagen haben. Im Finanzbereich stechen drei Projekte heraus, die technisch klingen, aber nicht harmlos sind: die „Superabschreibung“, die 3-prozentige Abschreibung auf Immobilien und die Kapitaldeckung in der gesetzlichen Rente.

Um bei der Rente anzufangen: Nächstes Jahr werden dort einmalig 10 Milliarden Euro eingezahlt und „global“ auf den Finanzmärkten angelegt. Die FDP ist nämlich überzeugt, dass Aktien mehr bringen als normale Renten und dass die weite Welt lukrativer ist als Deutschland.

Das Konzept hat viele Schwächen, aber vor allem werden Betriebs- und Volkswirtschaft verwechselt. Die FDP tut so, als wäre der Gesamtstaat das Gleiche wie ein Einzelanleger. Wenn ein Investor Aktien kaufen will, ist das kein Problem. Er findet bestimmt jemanden, der Aktien besitzt und loswerden möchte.

Wenn aber der Staat auftritt und Milliarden in die Finanzmärkte pumpt, dann reichen die Aktien bald nicht mehr. Denn die Unternehmen geben ja keine neuen Papiere aus, nur weil die Regierung Aktien kaufen will. Also werden die Papiere knapp, was die Kurse treibt – so dass der Staat eine Finanzblase erzeugt.

Dies ist keine abstrakte Überlegung, sondern tägliche Beobachtung. Viele Länder, vorweg die USA, setzen bereits auf Pensionsfonds, die riesige Kapitalmengen auf den Finanzmärkten anlegen. Das Ergebnis sind ständig steigende Ak­tien­kurse, die mit den Erträgen der Unternehmen nichts mehr zu tun haben.

Die FDP tut so, als würden kleine Angestellte profitieren, wenn Rentenkassen auf den Finanzmärkten anlegen. Nach dem Motto: Endlich besitzen Arbeiter ein paar Aktien! In Wahrheit profitieren vor allem Vermögende. Die meisten Papiere ballen sich in wenigen Händen, und wenn die Kurse steigen, weil der Staat auf den Finanzmarkt drängt, gewinnen jene, die die Aktien bereits besitzen – die Wohlhabenden.

Zum Glück will die Ampel nur 10 Milliarden Euro in diesen Irrweg pumpen. SPD und Grüne sprechen gern von „Spielgeld“ für die Liberalen. Aber eigentlich sind auch 10 Milliarden zu viel.

Während die „Aktienrente“ tückisch undurchsichtig ist, sind die Profiteure beim nächsten FDP-Projekt eindeutig: die Immobilienbesitzer. Der Ampelvertrag sieht vor, dass die lineare Abschreibung bei neugebauten Mietwohnungen von 2 auf 3 Prozent ansteigt. Das klingt wenig, ist aber ein gigantisches Steuergeschenk. Man nehme an, ein neues Mietshaus ist 4 Millionen Euro teuer – dann lassen sich jährlich 120.000 Euro mit den Mieteinnahmen verrechnen.

Querdenken -18 (13461951714).jpg

Nun ließe sich argumentieren, dass ein Haus an Wert verliert, wenn nicht Fenster, Dächer, Heizungen und Fassaden regelmäßig erneuert werden. Nur: Diesen „Erhaltungsaufwand“ dürfen Vermieter sowieso von der Steuer absetzen. Faktisch wird also doppelt abgeschrieben. Man macht einen Wertverlust geltend, den es gar nicht gibt, weil man ja Reparaturen durchgeführt hat – ebenfalls steuerbefreit.

Leider steht im Koalitionsvertrag nirgends, was geplante Maßnahmen kosten

Preisschilder fehlen

Aber es kommt noch besser: Wird das Haus nach mehr als zehn Jahren verkauft, bleibt der Erlös komplett steuerfrei. Diese Schlupflöcher werden noch vergrößert, indem künftig bei Neubauten sogar mit 3 Prozent abgeschrieben werden darf. Man wüsste gern, wie teuer dieses üppige Steuergeschenk wird. Aber leider steht im Koalitionsvertrag nirgends, was geplante Maßnahmen kosten. Die Preisschilder fehlen.

Tückisch ist auch: Wenn die erhöhte Abschreibung erst einmal im Gesetz steht, wird sie ewig gelten. Keine Regierung wird sie wieder kippen können. Denn der Bundesrat muss fast allen Steuergesetzen zustimmen – und dort haben FDP und Union faktisch eine Vetomacht. Die erhöhte Abschreibung wäre also fatal, wenn sie nicht zeitlich begrenzt wird.

Quelle      :         TAZ-online        >>>>>        weiterlesen

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Grafikquelle       :

Oben           —       Casino im Resort World Sentosa (Singapur)

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Unten   —      Ulrike Herrmann (taz, Berlin) und Markus Pühringer (Grüne) beim Querdenken #18 („Der Sieg des Kapitals“) in Linz

 

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Links-liberal, zweiter Akt

Erstellt von DL-Redaktion am 5. Dezember 2021

Ampel und SPD – FDP – Koalition

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Von Deniz Anan

Das Ampelbündnis sieht sich in der Tradition der sozial-liberalen Koalition der frühen 1970er Jahre. Schon jetzt sieht man deutliche Parallelen.

Mit dem Motto „Mehr Fortschritt wagen“ stellt sich die neue Ampelregierung ausdrücklich in die Tradition der sozial-liberalen Koalition, deren erste Regierungserklärung „mehr Demokratie wagen“ als Ziel benannte. Im „Zweieinhalbparteiensystem“ des Jahres 1969 beruhte die Koalitionsbildung auf Entscheidungen der Parteien, von denen jeweils zwei zusammen über eine Bundestagsmehrheit verfügten.

Zuvor hatten im Bund meist CDU/CSU und FDP, zuletzt aber CDU/CSU und SPD koaliert, SPD und FDP nur in den Ländern. Die Regierungsbildung überraschte manche; Kanzler Kurt Georg Kiesinger wurde erst im Laufe des Wahlabends der Machtverlust seiner CDU/CSU bewusst, die mit 46,1 % klar vor der SPD (42,7 %) lag.

Zwei Gründe bewogen SPD und FDP 1969 zum gemeinsamen Bündnis: erstens das Erproben einer strategischen Machtoption, die beiden Parteien größeren Einfluss als in einer Juniorpartnerschaft mit der Union garantierten. Und zweitens der gemeinsame Wunsch zur Verwirklichung allgemein als dringend notwendig empfundener Reformen in der Gesellschafts- und Ostpolitik.

Die SPD stellte nun erstmals den Kanzler. Die FDP erhielt trotz ihres Stimmenanteils von nur 5,8 % mit dem Innen- und dem Außenministerium zwei Schlüsselressorts. 1972 ging zusätzlich das Wirtschaftsministerium an die Partei. Damit begann eine bis heute fortgeführte Tradition, dem Juniorpartner überdurchschnittlichen Einfluss zuzubilligen, um ihn dauerhaft an die Koalition zu binden, vor allem dann, wenn er über andere Optionen verfügt und/oder auf interne Widerstände stößt, wie zuletzt die SPD bei der Groko.

Gesellschaftspolitischer Richtungswechsel

Dies gleicht auch die potenziell existenzbedrohenden Nachteile für das Verlassen des politischen Lagers aus. So verlor die FDP bei ihrem zweimaligen Wechsel 1969/82 jeweils rund 30 % der Anhänger. Bei der Koalitionsbildung geht es also nicht nur darum, dass programmatisch homogene Partner gemeinsame Inhalte umsetzen wollen (policy-seeking), sondern auch machtstrategische Erwägungen (office-seeking) spielen eine Rolle.

Um die Distanz der Partner von 1969 zu ermessen, muss man wissen, dass die FDP damals auch „Nationalliberale“ – bis hin zu ehemaligen Nazis – in ihren Reihen hatte und noch 1957 allen Ernstes zum Parteitag in die „Reichshauptstadt Berlin“ lud. Das zweite Motiv war der Wunsch nach Reformen. Der Bundesrepublik ging es wirtschaftlich blendend, aber gesellschaftlich herrschte Stillstand.

Noch 1968, als die DDR den § 175 abschaffte, wurden jährlich über 2.000 männliche Homosexuelle verurteilt, Frauen benötigten, um zu arbeiten, die Zustimmung des Ehemanns. Die sozial-liberale Koalition arbeitete dann, teils vom Verfassungsgericht ausgebremst, ein gesellschaftspolitisches Thema nach dem anderen ab:

Senkung des Wahl- und Volljährigkeitsalters auf 18 Jahre (1970/72), Gleichstellung der Geschlechter im Ehe- und Familienrecht (1977), Scheidungsrechtsreform im Sinne des Zerrüttungsprinzips (1976), Streichung der Gewissensprüfung bei Kriegsdienstverweigerung (1977), Abschaffung des § 175 (1973), Fristenlösung bei Schwangerschaftsabbrüchen (1974), Wegfall von „Kuppelei“ (1970) und Pornografieverbot (1974) im Zuge der „Großen Strafrechtsreform“.

Als dringend reformbedürftig wurde auch die Ost- und Deutschlandpolitik empfunden. Die Leugnung der Realitäten schränkte vor allem die Freiheit im Berlin-Verkehr merklich ein.

Opfer ihres eigenen Erfolgs

Die sozial-liberale Koalition setzte gegen den Widerstand von CDU/CSU und Vertriebenen, aber mit Rückhalt in der Bevölkerung, das von Egon Bahr schon 1963 skizzierte Konzept einer neuen Ostpolitik um und fand, ohne völkerrechtliche Anerkennung der DDR, aber durch Verzicht auf gewaltsame Grenzänderungen, in Verträgen mit den östlichen Nachbarstaaten einen Modus Vivendi mit spürbaren Erleichterungen. Paradoxerweise wurde die sozial-liberale Koalition dadurch zum Opfer ihres eigenen Erfolgs.

Das Bündnis hatte seinen Zweck weitgehend erfüllt, der „Vorrat an Gemeinsamkeiten“ war aufgebraucht. Das ökonomische Klima verschlechterte sich, die Dominanz des marktliberalen Paradigmas begann. Die FDP, die 1971 noch „Reform des Kapitalismus“ gefordert hatte, rief nach Deregulierung, Privatisierung, Flexibilisierung und Steuersenkung, während die SPD weiter auf Sozialstaatsexpansion und Nachfragesteuerung setzte.

Zusammengehalten wurde die Koalition zuletzt vor allem durch einen gemeinsamen Gegner: Franz Josef Strauß, 1980 Unionskanzlerkandidat. Auch wenn sich SPD und FDP nicht mehr viel zu sagen hatten, in ihrer Ablehnung des konservativen Bayern, der Nähe zu diktatorischen Regimen wie Chile und Südafrika zeigte, waren sie sich einig. Als Strauß geschlagen war und die Grünen künftige sozial-liberale Mehrheiten unwahrscheinlich machten, vollzog die FDP 1982 dann den erneuten Wechsel zur CDU/CSU.

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Unten        —   Willy Brandt nach der Wahl zum Bundeskanzler am 21. Oktober 1969

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Einigungen der Ampel

Erstellt von DL-Redaktion am 25. November 2021

Das steht im Koalitionsvertrag

Ampel Sondierungen und FridaysForFuture protestieren 2021-10-15 169.jpg

Von Anna Lehmann, Jörg Wimalasena, Ralf Pauli, Konrad Litschko. Patricia Hecht, Jost Maurin, Pascal Beucker, Anja Krüger, Bernhard Pötter, Ulrike Herrmann, Tanja Tricarico, Malte Kreutzfeldt, Tobias Schulze, Jasmin Kalarickal, Barbara Dribbusch.

Was sieht der Koalitionsvertrag der Ampel fürs Klima vor? Was für Familien? Die Einschätzung unser Fachredakteurinnen im Überblick.

Knapp zwei Monate nach der Bundestagswahl steht der Vertrag zur Bildung der ersten Ampel-Koalition auf Bundesebene. Die Spitzen von SPD, Grünen und FDP haben ihre Beschlüsse am Nachmittag in Berlin vorgestellt. Aber was steht zu den einzelnen Themen drin? Unsere Fach­re­dak­teu­r*in­nen geben den Überblick.

Gesundheit und Pflege

Am Grundsystem der Krankenhausfinanzierung wird sich nur wenig ändern – allerdings soll es künftig Vorhaltepauschalen geben. Verschiedene Krankenhausbereiche würden dann nicht mehr primär über die Versorgung pro Patient finanziert, sondern auch dafür bezahlt, bestimmte Kapazitäten bereitzustellen. So könnten etwa in Pandemien Kapazitäten für Covid-Patienten freigehalten werden, ohne dass Krankenhäusern Verluste entstehen. Etwaige Vorschläge sollen aber von einer Kommission unterbreitet werden. Ganz unmittelbar soll sich nur die Finanzierung von Pädiatrie, Notfallversorgung und Geburtshilfe verbessern.

Das in der Pandemie überbean­spruchte Pflegepersonal soll offenbar weitere Zahlungen ­er­halten, eine Milliar­de Euro stehen dafür bereit. Der Pflegebonus soll bis zu 3.000 (bisher 1.500) Euro steuerfrei sein.

Um das alte Problem mit der Überlastung von Notaufnahmen zu lösen, sollen Kassenärzte und Krankenhäuser künftig in Integrierten Notfallzentren zusammenarbeiten. Die Idee: Patienten, die weniger akut gefährdet sind, können außerhalb der teuren Notaufnahme bedarfsgerecht behandelt werden. Zudem wollen SPD, FDP und Grüne die Digitalisierung des Gesundheitssystems weiter vorantreiben. Dazu gehört die beschleunigte Einführung der elektronischen Patientenakte und des E-Rezepts.

Vor allem der grüne Ex-Parlamentarier Hans-Christian Ströbele („Gebt das Hanf frei“) darf sich freuen: Die Ampel führt die kontrollierte Abgabe von Cannabis an Erwachsene „zu Genusszwecken in lizenzierten Geschäften“ ein. Grüne und FDP hatten sich dafür stark gemacht. Insgesamt zeigt die Koalition sich zögerlich. Zwar will man die bedarfsgerechte Finanzierung des Krankenhaussystems voranbringen, allerdings eher durch Feinjustierung als eine grundlegende Neuordnung. Jörg Wimalasena

Fortschrittsfaktor: 4 von 10 👎

Klima

Für die Grünen war der Auftrag klar: Regieren nur mit dem 1,5-Grad-Ziel im Blick. Folgerichtig heißt es im Koalitionsvertrag: „Wir werden national, in Europa und international unsere Klima-, Energie- und Wirtschaftspolitik auf den 1,5-Grad-Pfad ausrichten.“ Ob die Maßnahmen dazu ausreichen, ist aber noch unklar; viele ExpertInnen brauchen für eine seriöse Einschätzung dieser Frage ein paar Tage. Aber wenn man die Vereinbarung an dem misst, was Thinktanks und grüne Lobbys fordern, zeigt sich: Sie schreibt ehrgeizige Ziele fest, bleibt allerdings in manchen Feldern unscharf.

Vor allem beim Ausbau der Erneuerbaren herrscht großer Ehrgeiz: 80 Prozent des Strombedarfs soll bis 2030 aus Ökoquellen kommen, nicht nur 65 Prozent wie bislang geplant. Dabei rechnet die Ampel mit 20 bis 30 Prozent mehr Stromverbrauch als heute. Um das zu erreichen, soll der Bau von Erneuerbaren schneller und unbürokratischer werden und nun als „öffentliches Interesse definiert werden“.

Der Kohleausstieg und die Unterstützung der betroffenen Regionen sollen schon bis 2030 gelingen. Dabei bleibt es bei der umstrittenen Ankündigung, dass dies „idealerweise“ gelingen soll; und zwar – konkreter als im Sondierungspapier – mit einem Mindestpreis oder anderen Maßnahmen, die verhindern, dass der CO2-Preis im EU-Emissionshandel unter 60 Euro fällt.

Zum deutschen CO2-Preis auf Heizöl und -gas sowie Benzin und Diesel findet sich – wohl aus Sorge vor einer neuen „Benzinwut“-Debatte – dagegen nichts. Hier bleibt es bis 2025 bei den Erhöhungen, die bereits die Groko beschlossen hatte. Die EEG-Umlage soll verschwinden und Menschen so von hohen Energiepreisen entlasten. Die Wasserstoffwirtschaft soll überall vorangetrieben werden.

All diese Punkte wird wohl Robert Habeck als neuer Minister für Wirtschaft und Energie selbst vorantreiben können. Auch bei der Landwirtschaft, die fürs Klima ebenfalls wichtig ist, werden die Grünen vieles selbst entscheiden können. Und das ebenfalls grün geführte Außenministerium soll künftig eine „Klimaaußenpolitik“ machen und „Klimagerechtigkeit“ in den Vordergrund stellen. Der Einfluss der Grünen auf andere Ressorts ist dagegen geringer als gehofft: Klimaschutz wird zwar als „Querschnittsaufgabe“ definiert und alle Sektoren haben weiterhin genaue Einsparziele. Aber statt des geforderten Vetorechts des Klimaministeriums sieht der Koalitionsvertrag nur einen „Klimacheck für alle Gesetze“ vor, den jedes Ressort selbst macht.

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Doch auch für Ministerien, die an die anderen Parteien gehen, werden ehrgeizige Vorgaben gemacht: Bis 2030 soll auch beim Heizen 50 Prozent erneuerbare Energie genutzt werden, Solaranlagen sollen auf neuen Gewerbebauten zur Pflicht und bei Privathäusern zur Regel werden. Im Verkehrsbereich werden mit 15 Millionen E-Autos bis 2030 mehr als in den ambitionierten Studien etwa der „Agora“ gefordert. „Deutlich vor 2035“ sollen keine neuen Verbrennungsmotoren mehr zugelassen werden. Beim Subventionsabbau traut sich die Ampel dagegen bisher nur an die Lkw-Steuer ran; das Dieselprivileg bleibt zunächst erhalten.

Durchgesetzt haben sich viele Ideen der Grünen – auch wenn man die roten Linien der anderen deutlich sieht. Bernhard Pötter/Malte Kreutzfeldt

Fortschrittsfaktor: 6,5 von 10 👍

Frauen und Familie

Es ist durchaus ein Aufbruch: Das Selbstbestimmungsrecht von Frauen und deren Schutz vor Gewalt wird gestärkt, das Familienrecht entstaubt, das Transsexuellengesetz abgeschafft. Der Bereich trägt die Handschrift der Grünen, die SPD hat wohl den Rücken gestärkt – und die FDP sich zumindest in den meisten Bereichen nicht konsequent quergestellt. Einig war man sich wohl vor allem gesellschaftspolitisch, konkrete Zahlen werden nicht genannt.

„Familie ist vielfältig und überall dort, wo Menschen Verantwortung füreinander übernehmen“, heißt es im Vertrag: Soziale Eltern sollen das „kleine Sorgerecht“ bekommen können, lesbische Mütter bei Geburt ihres Kindes automatisch die Mütter sein.

„Die Gleichstellung von Frauen und Männern muss in diesem Jahrzehnt erreicht werden.“ Dazu soll unter anderem die ressortübergreifende Gleichstellungsstrategie weiter entwickelt und künftige Gesetze einem „Gleichstellungscheck“ unterzogen werden. Die Istanbulkonvention gegen Gewalt gegen Frauen soll – endlich – „vorbehaltlos und wirksam“ umgesetzt werden, die Finanzierung von Frauenhäusern einen bundeseinheitlichen Rahmen bekommen.

Der Paragraf 219a wird wie erwartet abgeschafft. Auf straffreien Schwangerschaftsabbruch, wie bei Grünen und SPD vereinbart, konnte man sich nicht einigen. Er scheint innerhalb der Verhandlungen das Gegenstück zur Liberalisierung von Eizellspende und altruistischer Leihmutterschaft gewesen zu sein, die wohl die FDP gepusht hat. Eine Kommission soll prüfen, welche Möglichkeiten es bei Abbrüchen wie auch in den reproduktionsmedizinischen Bereichen gibt. Immerhin: Die Ko­ali­tio­nä­r:in­nen erkennen Abbrüche als Grundversorgung an, Ärz­t:in­nen sollen sie in der Ausbildung üben.

Durchgesetzt hat sich die FDP beim Wechselmodell für getrennt lebende Eltern, was für Kritik bei Mutterinitiativen sorgen wird. Väter sollen in bestimmten Fällen durch einseitige Erklärung das gemeinsame Sorgerecht bekommen können. Im Fall eines Widerspruchs muss das Familiengericht ran. Immerhin: Häusliche Gewalt muss im Umgangsverfahren berücksichtigt werden. Patricia Hecht

Fortschrittsfaktor: 8 von 10 👍

Migration und Integration

Im Vergleich zur Groko kündigt die Ampel eine liberalere Migrations- und Integrationspolitik an. So wollen SPD, Grüne und FDP mehr legale Fluchtwege schaffen und die Integration von Mi­gran­t:in­nen in Deutschland erleichtern. Gleichzeitig will die künftige Bundesregierung die „irreguläre Migration“ reduzieren und Straftäter und Gefährder „konsequenter“ abschieben. Minderjährige sollen aber grundsätzlich nicht mehr in Abschiebehaft genommen werden.

Konkret möchte die Ampel mehr Schutzsuchende über Resettlement- und humanitäre Programme aufnehmen. Sollte eine Reform hin zu einem faireren EU-Asylsystem nicht klappen, will die Ampel mit einer Koalition der Willigen mehr Verantwortung unternehmen. Auch sollen Schutzsuchende in Deutschland leichter ihre Verwandten nachholen können. Zur Erinnerung: Die Groko hatte den Familiennachzug bei subsidiär Schutzberechtigten erst ausgesetzt und dann auf 12.000 Menschen im Jahr begrenzt.

SPD, Grüne und FDP garantieren, die Liste der „sicheren Herkunftsländer“ nicht auszuweiten und von den „Anker-Zentren“ abzurücken. Um das Sterben auf dem Mittelmeer zu beenden, will die Koalition die Seenotrettung auf dem Mittelmeer unterstützen. Übernehmen soll dies die EU-Agentur Frontex. Die Ampel will auch dafür eintreten, dass die zivile Seenotrettung nicht mehr behindert wird.

Zudem möchte die Ampel bessere Bleibeperspektiven schaffen. So sollen künftig „alle Menschen, die nach Deutschland kommen“, Anspruch auf einen Integrationskurs erhalten. Arbeitsverbote und Kettenduldungen sollen wegfallen, geduldete Azubis eine Aufenthaltserlaubnis erhalten. Schutzsuchende sollen künftig Zugang zum Arbeitsmarkt bekommen. Dieser „Spurwechsel“ scheiterte bislang an der Union. Das Fachkräfteeinwanderungsgesetz soll um ein Punktesystem nach kanadischem Vorbild ergänzt werden, auch Nichtakademiker sollen künftig per „Blue Card“ einreisen dürfen. Neu wäre auch die doppelte Staatsbürgerschaft: Deutsche mit Migrationsgeschichte dürfen demnach künftig ihren zweiten Pass behalten. Auch wollen SPD, Grüne und FDP die Einbürgerung nach fünf Jahren ermöglichen. Ralf Pauli

Fortschrittsfaktor: 8 von 10 👍

Europa und Außenpolitik

Die meisten Aussagen in diesem Kapitel bleiben eine Auslegungssache. Eine eindeutige Aussage gibt es allerdings zu Kampfdrohnen: Die Bundeswehr darf ihre unbemannten Flugzeuge bewaffnen. Grüne und SPD, bisher kritisch eingestellt, hatten sich dafür in den letzten Monaten geöffnet. Die Ankündigung im Koalitionsvertrag kommt daher nicht überraschend.

Ob der Verteidigungshaushalt weiter steigen wird, bleibt dagegen offen. Dass 2-Prozent-Ziel der Nato wird im Koalitionsvertrag zwar nicht explizit erwähnt. Die Ampel will aber „langfristig“ 3 Prozent des Bruttoinlandsprodukts in Entwicklung, Diplomatie und die „in der Nato eingegangenen Verpflichtungen“ stecken.

Unklar bleibt auch die Zukunft der in Deutschland stationierten US-Atomwaffen. So will die neue Regierung zwar einen Beobachterstatus beim internationalen Atomwaffenverbotsvertrag einnehmen. Ob die Bundeswehr weiterhin bereitstehen soll, um im Ernstfall in Zusammenarbeit mit den US-Amerikanern Atombomben einzusetzen, ist aber offen.

Ähnlich beim Thema Waffenexport: Die Ampel will ein Rüstungsexportgesetz einführen. Damit könnten Regeln verbindlicher werden. Ausnahmen sollen aber möglich bleiben. Welche das sind? Man weiß es nicht.

In der Praxis muss sich zudem noch zeigen, wie die neue Koalition gegenüber autoritären Regierungen auftritt. Laut Koalitionsvertrag will sie ihre Außenpolitik auf „Freiheit, Demokratie und Menschenrechten“ aufbauen. Innerhalb der Europäischen Union will sie sich dafür einsetzen, dass es strenger geahndet wird, wenn Mitgliedsländer gegen die Prinzipien der Rechtsstaatlichkeit verstoßen. In Bezug auf Problemstaaten außerhalb der EU wie Russland, China und die Türkei dominiert das für Koalitionsverträge typische Sowohl-als-auch: Uns sind gute Beziehungen wichtig, wir sprechen aber auch Probleme an. Dabei wird der zweite Teil diesmal vielleicht ein bisschen stärker betont wie zum Beispiel im Absatz zu China, in dem Xinjiang, Taiwan und Hongkong explizit erwähnt werden. Tobias Schulze

Fortschrittsfaktor: 5 von 10 👎

Innere Sicherheit

Das Innenministerium geht an die SPD, sein Zuschnitt wird gestutzt: Bauen wandert ab, Heimat bleibt bestehen. Die Ampel gibt sich staatstragend. „Leben in Freiheit braucht Sicherheit“, heißt es. Die Sicherheitsbediensteten verdienten „unseren Respekt“, die Polizei werde besser ausgestattet. Der Kampf gegen die organisierte Kriminalität und Kindesmissbrauch sollen zu Schwerpunkten werden.

Gleichzeitig aber wird ein progressiver Schwenk vollzogen, hin zu einer „grundrechtsorientierten Sicherheitspolitik“, wie es die Ampel benennt. Alle Sicherheitsgesetze sollen künftig wissenschaftlich evualiert werden, mit einer unabhängigen „Freiheitskommission“ und mit Blick auf die Auswirkungen für die Bürgerrechte. Flächendeckende und biometrische Videoüberwachung wird abgelehnt, ebenso Staatstrojaner für die Bundespolizei. Beim Verfassungsschutz soll die Überwachungssoftware nochmal auf den Prüfstand. IT-Sicherheitslücken, die für Überwachung genutzt werden könnten, sollen geschlossen werden. Eine Absage an die Vorratsdatenspeicherung aber fehlt: Diese soll nun „rechtssicher anlassbezogen und durch richterlichen Beschluss“ stattfinden – was eine Massenüberwachung praktisch weitgehend verunmöglicht.

Als größte Sicherheitsbedrohung wird der Rechtsextremismus benannt, so wie es zuletzt auch die Groko tat. Als Gegenmittel sollen Gefährder koordinierter überwacht, Extremisten entwaffnet und Deradikalisierung gestärkt werden. Das lange geforderte Demokratiefördergesetz soll kommen, das Projekte gegen Extremismus langfristig absichert. Frauen- und queerfeindliche Straftaten sollen besser erfasst werden. Geschaffen wird ein Anti-Rassismus-Beauftragter. Der Begriff Rasse soll aus dem Gesetz gestrichen werden – in der vergangenen Legislatur war dies noch gescheitert.

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Endlich  –  Die Grünen ziehen die Banane hoch

Gleichzeitig soll mehr Kontrolle für die Sicherheitsbehörden her. Ein unabhängiger Polizeibeauftragter und eine Kennzeichnungspflicht für die Bundespolizei wird geschaffen.

Der Einsatz von V-Leuten soll parlamentarisch „überprüfbar“ werden, Akten höchstens noch für 30 Jahre geheim eingestuft. Bei der Polizei soll eine Sicherheitsüberprüfung für Be­wer­be­r:in­nen extreme Ansichten verhindern und unabhängige Forschung dem nachgehen. Ein Archiv zum Rechtsterrorismus wird geschaffen. Und der 11. März soll nationaler Gedenktag für Opfer terroristischer Gewalt werden – so wie auf europäischer Ebene schon, in Erinnerung an den Anschlag 2004 in Madrid.

Ergo: Vieles, was unter Seehofer noch unmöglich war – die Umsetzung bleibt abzuwarten. Konrad Litschko

Fortschrittsfaktor: 8 von 10 👍

Finanzen

Der Staat wird weiter Schulden machen – obwohl SPD und FDP in ihren Wahlprogrammen die Schuldenbremse propagiert haben. Doch nun werden gleich drei Tricks genutzt, um Kredite zu ermöglichen. Erstens: Die Ampel profitiert davon, dass die Merkel-Regierung für 2022 bereits neue Schulden in Höhe von 100 Milliarden Euro vorgesehen hatte. Offiziell sollen damit die weiteren Coronakosten finanziert werden, doch war immer klar, dass so viel Geld nicht nötig würde. Der Rest kann also in die Ampel-Projekte fließen.

Zweitens: Die Coronaschulden sollen zwar getilgt werden, wie es die Schuldenbremse vorsieht – aber die Tilgungszeit wird verlängert. Die Merkel-Regierung wollte die Pandemie-Kredite bis 2043 abstottern. Die Ampel will es jetzt erst bis 2058 schaffen. Drittens: Es wird Schattenhaushalte geben, obwohl die FDP dies ausgeschlossen hat. Sie werden bei der Förderbank KfW, bei der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben und bei der Bahn eingerichtet.

Teure und ökologisch schädliche Subventionen wie das Dienstwagenprivileg oder die Pendlerpauschale werden nicht beschnitten, obwohl davon vor allem Wohlhabende profitieren. Immerhin: Auch Immobilienkonzerne müssen künftig Grunderwerbssteuer zahlen. Außerdem dürfen Immobilien nicht mehr bar bezahlt werden, um die Geldwäsche zu bekämpfen.

Steuererhöhungen sind nicht geplant, was keine Überraschung ist. Grüne und SPD hatten in ihren Wahlprogramm zwar eine Vermögenssteuer von einem Prozent und höhere Spitzensätze bei den Einkommenssteuern gefordert, aber diese Projekte hatten sowieso keine Chance, weil der Bundesrat zustimmen müsste – und dort hat die Union eine Veto-Macht. Für Grüne und SPD war es also schmerzfrei, der FDP entgegenzukommen, die immer erklärt hatte, dass Steuererhöhungen eine „rote Linie“ seien.

Interessant ist, dass das Wort „Soli“ mit keinem Wort auftaucht. Noch zahlen die reichsten fünf Prozent der Bundesbürger etwa 10 Milliarden Euro pro Jahr. Die FDP wollte den Soli eigentlich abschaffen, aber wahrscheinlich hoffen die Liberalen jetzt darauf, dass das Bundesverfassungsgericht den Soli kippt. Ulrike Herrmann

Fortschrittsfaktor: 2 von 10 👎

Soziales

Neue Begriffe, aber kaum zusätzliches Geld gibt es für die Emp­fän­ge­r:in­nen von Leistungen der Grundsicherung. „Anstelle der bisherigen Grundsicherung (Hartz IV) werden wir ein Bürgergeld einführen“, heißt es im Koalitionsvertrag. Genaueres über eine Erhöhung der Hartz-IV-Regelsätze beziehungsweise des Bürgergelds wird nicht gesagt.

Es gibt eine Erleichterung: „Wir gewähren in den ersten beiden Jahren die Leistung ohne Anrechnung der Vermögen und anerkennen die Angemessenheit der Wohnung.“ Neu­an­trag­stel­le­r:in­nen auf die Hartz-IV-Leistung bekommen also zwei Jahre lang das Geld samt Regelsatz und Miete, auch wenn die Wohnkosten relativ hoch sind und ein größeres Vermögen vorhanden ist. Diese Erleichterung gilt schon seit Corona.

Das betrifft allerdings nur Neuanträge. Die 17 Prozent der Hartz-IV-Empfänger:innen, die jetzt schon aus dem Regelsatz einen Teil der Miete mitbestreiten müssen, weil ihre Wohnkosten die Grenze der „Angemessenheit“ überschreiten, haben nichts von dieser Regelung.

Eine „Kindergrundsicherung“ soll kommen, die die Leistungen aus steuerlichem Kinderfreibetrag, Kindergeld, Kinderzuschlag und Sozialgeld (im Hartz-IV-Bezug) „bündelt“ und in Teilen einkommensabhängig ist. Über die Höhe der Leistung und den Zeitpunkt der Einführung wird nichts gesagt. Eine „ressortübergreifende Arbeitsgruppe“ soll eingesetzt und der „Einkommensbegriff“ bis Mitte 2023 in allen Gesetzen „harmonisiert“ werden. „Bis zur tatsächlichen Einführung der Kindergrundsicherung werden wir von Armut betroffenen Kindern, die Anspruch auf Leistungen gemäß SGB II, SGB XII oder Kinderzuschlag haben, mit einem Sofortzuschlag absichern“, heißt es. Über die Höhe des „Sofortzuschlages“ wird nichts gesagt.

In der Rentenversicherung will die Koalition das Niveau von 48 Prozent halten und – jedenfalls „in dieser Legislaturperiode“ – den Rentenbeitrag auf 20 Prozent begrenzen. Ein Kapitalstock von 10 Milliarden Euro aus Steuermitteln soll aufgebaut werden. Der „Nachholfaktor“ soll ab 2022 wieder eingeführt werden, was eine Dämpfung des Rentenanstiegs bewirkt. Barbara Dribbusch

Fortschrittsfaktor: 5 von 10 👎

Wohnen

Verkehr

Ernährung und Landwirtschaft

Arbeit

Bildung

Digitalisierung

Inklusion

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Oben          —   Protest von FridaysForFuture und Anderen, sowie Ankunft der Verhandlungsteilnehmenden an der Messe Berlin zum letzten Tag der Sondierungsgespräche für eine Ampelkoalition.

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Schland und Anarchie? Nie!

Erstellt von DL-Redaktion am 24. November 2021

Ampel kurz vor Fertigstellung

Ampel Sondierungen und FridaysForFuture Protest 2021-10-15 169.jpg

Die neuen Hofnarren ?

Ein Schlagloch von Georg Seeßlen

Zum Glück ist das Vakuum in Deutschlands Che­f-In­nen­e-Ta­ge bald vorbei. Denn eine Regierung wollen und brauchen wir.

Wir bekommen jetzt wahrscheinlich eine Regierung. Egal ob man die jetzt toll oder eher so na ja findet: Wir kriegen eine Regierung. Ohne eine Regierung ist kein Staat zu machen. Kann man sich überhaupt Länder, Gesellschaften, Gemeinschaften oder einfach Menschen vorstellen, die keine Regierung haben? Der Mensch ist ein Wesen, das eine Regierung braucht. Sonst ist er ein Wilder, und die sind, wenn es keine Menschenfresser sind, vielleicht manchmal edel, aber auch zum Aussterben verdammt.

Schauen sie sich Winnetou an. Das war ein edler Wilder und außerdem ein Roter. Und sehen Sie, was aus ihm geworden ist. Und dann gibt es auch noch Anarchisten. Aber die gehören eh alle erschossen. Da sind sich Volk und Regierung meistens einig. Überhaupt weiß man nicht, vor welchem Zustand man mehr Angst haben sollte. Vor dem, wo sich Volk und Regierung gegenseitig bekriegen, oder vor dem, wo sie sich so was von einig sind.

Das Volk und die Regierung schützen sich gegenseitig vor allem anderen. Diesen Zustand nennt man normal. Das Meiste, was Volk und Regierung verbindet, ist der Abscheu vor allem, was nicht normal ist. Der Mensch braucht eine Regierung. Sonst fällt ihm alles Mögliche ein. Oder vielleicht auch gar nichts mehr. Aber die Regierung braucht auch ein Volk und einen Staat, sonst macht das Regieren keinen Spaß. Eine Regierung will natürlich ein Volk, das ihr passt, und ein Volk will eine Regierung, die ihm passt.

Das ist eine schwierige Beziehung, weil eine Regierung und ein Volk, die müssen sich gegenseitig lieben und gleichzeitig voreinander Angst haben, sonst wird das nichts. Das Volk muss an eine Regierung glauben, und eine Regierung muss an das Volk glauben. Nicht, dass man sich gegenseitig super finden müsste, nein, glauben muss man, dass die Gegenseite überhaupt existiert.

Regierungen wechseln – das Volk nicht

Stellen Sie sich vor, ein Volk merkt, dass es eigentlich gar keine Regierung hat, sondern bloß ein paar Hanseln und Greteln, die Regierung spielen, oder stellen sie sich vor, eine Regierung merkt, dass es eigentlich gar kein Volk gibt, sondern bloß Leute! Es ist schwierig. Daher gibt es seit der griechischen Antike schlaue Leute, die den Regierungen die Kunst des richtigen Regierens beibringen. Und es gibt Polizisten, Geheimdienstler, Soldaten und Verwalter. Und immer gibt es auch so was wie Hof- und andere Narren.

Das sind Leute, die unangenehme Wahrheiten über das Volk oder über die Regierung sagen. Man weiß nicht, was gefährlicher ist: unangenehme Wahrheiten über die Regierung oder über das Volk. Bei jeder Regierung gibt es drei Fragen: Ob es eine „rechtmäßige“ Regierung ist. Ob es eine starke Regierung ist. Ob es eine gute Regierung ist. Über die Rechtmäßigkeit bestimmt das Gesetz, also sagen wir eine Erbfolge oder eine Wahl.

Über die Stärke bestimmt der entschlossene Einsatz von Regierungsmitteln und das Geld, das mit ihnen aus dem Volk für die Regierung zu holen ist. Und ob eine Regierung gut oder schlecht ist, darüber bestimmt jede*r, der/die sich traut, oder spätestens die Geschichte beziehungsweise Leute, die sie schreiben. Natürlich gibt es Regierungen, die von vornherein nicht funktionieren. Das ist weniger skandalös, als wenn es ein Volk gibt, das von vornherein nicht funktioniert.

File:Ampel Beschimpfung.svg

Keine Ordnung ohne Regierung

Gut, dass man eine Regierung leichter auswechseln kann als ein Volk. Regieren heißt Macht ausüben, Ordnungen errichten, eine Ökonomie ermöglichen, die zugleich das Volk ernährt und eine der besagten Ordnungen aufrechterhält, die Grenzen des Staates „sichern“, und irgendwas mit Zukunft machen, bauen, planen, ordnen, richten, verhindern, Verträge schließen, Menschen einladen oder umbringen, Fortschritt generieren und nicht zuletzt: das Prinzip Regierung erhalten.

Regieren ist ein System, in dem Gewalt zu Macht, Macht zu Ordnung, Ordnung zu Gesetz, Gesetz zu Common Sense geworden ist – in dialektischer Aufhebung, was bedeutet, dass selbst im Common Sense die ursprüngliche Gewalt in drei Formen enthalten ist: als praktischer Teil des Regierens, als Potenzial, mit dem noch stets gedroht werden kann, und als symbolische Feier bis in die Sprache hinein.

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DER ROTE FADEN

Erstellt von DL-Redaktion am 24. November 2021

Neoliberalismus der Jungen Liberalen: Sie verstehen es nicht

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Durch die Woche mit Ulrich Gutmair

Die FDP-Jugend muss begreifen, dass der Neoliberalismus den Menschen die Hoffnung nimmt. Er ist Ideologie und Praxis der Wettbewerbsverzerrung.

Zu Beginn ihres Bundeskongresses am vergangenen Wochenende feiern sich die Jungen Liberalen. 23 Prozent der Erstwähler haben FDP gewählt. Über 4.000 Neumitglieder hat die Jugendorganisation der Liberalen im vergangenen Jahr dazugewonnen, immerhin fast ein Drittel von nun 14.000 Mitgliedern.

Noch-Vorsitzender Jens Teutrine lässt alle die Hand heben, die zum ersten Mal da sind. „Kuckt euch um, wie geil ist das?“ Ja, ist schon geil, muss man neidlos anerkennen.

Teutrine sieht mit Bart und T-Shirt nicht so aus, wie man sich den Vorsitzenden der Vorfeldorganisation der Partei von Christian Lindner vorstellt. Das Kind einer alleinerziehenden Mutter und ehemaliger Förderschüler hat sich hochgearbeitet. Ist also laut eigenem Selbstverständnis lebendes Beispiel der Idee, dass jede und jeder es schaffen kann.

Sympathisch macht Teutrine unter anderem, wie vehement er sich für Bildungsgerechtigkeit einsetzt. Die FDP müsse die Bildungspolitik revolutionieren und zur Chefsache machen. Herkunft dürfe nicht über Bildungschancen entscheiden.

Gesellschaftspolitisch progressiv

Die Jungliberalen sind für ein elternunabhängiges Bafög und die Einführung eines Bürgergelds. Kinder und Jugendliche, die in einer Bedarfsgemeinschaft leben, sollen alles Geld behalten dürfen, das sie verdienen. Derzeit sei die Botschaft des Staats an Kinder von Menschen in Hartz IV noch: Wenn du etwas leisten willst, wirst du bestraft.

Auch sonst kann ein liberal denkender Mensch vieles von dem unterschreiben, was die Jungliberalen fordern. Legalisierung von Cannabis, Erleichterung für lesbische Paare, die Kinder haben wollen, und so weiter. Das gesellschaftspolitische Programm der Julis ist progressiv, an den individuellen Freiheiten orientiert.

Schon ein Jahr nach ihrer Gründung im Jahr 1980 hatten sich die Jungen Liberalen einer ökologischen Marktwirtschaft verschrieben. Lustigerweise forderten die Julis damals, das Verursacherprinzip konsequent anzuwenden, sowie Umweltbelastungen mittels Steuern und Lizenzen zu reduzieren.

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Teutrine freut sich darüber, dass das Ampel-Team der FDP Steuererhöhungen verhindern konnte, klagt aber, dass man mittlere und niedrige Einkommen doch steuerlich entlasten wollte. Allerdings ohne umzuverteilen, weil das Sozialismus ist.

Strategischer Auftrag

Seinen Jungliberalen gibt Teutrine einen strategischen Auftrag auf den Weg. Wenn es bisher darum gegangen sei, bürgerrechtliche und gesellschaftspolitisch liberale Ideen voranzubringen, müsse beim Regieren ein besonderes Augenmerk auf die Marktwirtschaft gelegt werden.

Zu Recht macht er sich über die vielen Kommentatoren lustig, die sich fragten, was mit dem Teil von Deutschlands Jugend falsch gelaufen sei, der FDP gewählt hat. Teutrine erwähnt etwa die zur Erklärung herangezogene These, in der Schule würde den jungen Leuten halt ein neoliberales Weltbild vermittelt. „Wäre ja schön, wenn …“, kommentiert er das.

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Oben     —    Roter Faden in Hannover mit beschriftetem Aufkleber als Test für einen möglichen Ersatz des auf das Pflaster gemalten roten Strichs

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Unten          —    Christopher Street Day in Karlsruhe, Junge Liberale

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Klimawandel und Ursachen

Erstellt von DL-Redaktion am 9. November 2021

Schöner aussterben mit nachhaltigem Palmöl

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Lindner war angeblich auf Borneo. Reicht ein Name zum Nichtverstehen aus ? Oder hat er den roten Teppich der Fa. Nestle nie verlassen?

Von Kathrin Hartmann

Die halbe Erde unter Naturschutz zu stellen, Wälder aufzuforsten und Öko-Siegel zu verleihen – all das klingt erstmal wie eine gute Idee. Die Journalistin Kathrin Hartmann weiß, wo daran der Haken ist.

In nichts steht der Verlust der Artenvielfalt dem drohenden Klimakollaps nach. Dass über diese Krise nicht so viel gesprochen wird, mag daran liegen, dass das Fassungsvermögen für Krisenwahrnehmung bereits vollends ausgefüllt wird – aber die Folgen dieser Krise sind leider ebenso gravierend. Unsere Luft, unser Trinkwasser, unsere Gesundheit und die Erzeugung unserer Lebensmittel sind unmittelbar von einer intakten Natur abhängig. Doch sind nur noch drei Prozent der globalen Ökosysteme intakt. Mehr als zwei Drittel der Säugetiere, Vögel, Fische, Amphibien und Reptilien sind in den vergangenen 50 Jahren verschwunden. Von den heute bekannten acht Millionen Tier- und Pflanzenarten, die die Erde bevölkern, ist eine Million vom Aussterben bedroht.

Die Krise der Artenvielfalt und die Klimakrise verschärfen sich gegenseitig. Und sie haben noch etwas gemeinsam: Alle Wege, die bislang eingeschlagen wurden, um sie aufzuhalten, sind krachend gescheitert.

Gerade ist in der chinesischen Stadt Kunming die 15. Konferenz der Vereinten Nationen zur biologischen Vielfalt zu Ende gegangen. Auf mehr als nebulöse Absichtserklärungen haben sich die knapp 200 Vertragsstaaten nicht einigen können. Zwar wird im kommenden Frühjahr am selben Ort ein Rahmenabkommen zum Schutz der Artenvielfalt verabschiedet werden. Doch dieses wird weniger verbindlich sein als das Pariser Klimaschutzabkommen von 2015. Und so hat es das internationale Übereinkommen über biologische Vielfalt, die Convention on Biological Diversity (CBD), in den vergangenen 28 Jahren nicht geschafft, ihrem Anspruch gerecht zu werden. Die 1993 in Kraft getretene CBD wollte bis 2010 „den Verlust der biologischen Vielfalt signifikant verlangsamen“, erreichte dieses Ziel aber nicht. 2010 wurden in Japan die sogenannten Aichi-Ziele verabschiedet. Kein einziges dieser 20 Ziele zum Biodiversitätsschutz wurde wie vereinbart bis 2020 erreicht, mehr als die Hälfte wurde deutlich verfehlt. Auch die EU-Biodiversitätsziele 2020 sind gescheitert.

Zertifiziert kaputtmachen

All das ist nicht nur eine Folge davon, dass zu wenig oder nichts getan wird. Die Maßnahmen selbst sind das Problem: Sie sind darauf ausgerichtet, das System, das zur Zerstörung von Natur und Klima führt, zu erhalten. Dazu zählen etwa die privatwirtschaftlichen Zertifizierungssysteme für zerstörerische Rohstoffe. Mittlerweile gibt es für alle wald- und naturzerstörenden Rohstoffe wie Palmöl, Soja, Holz, Kakao und Kaffee, aber auch für Wild- und Zuchtfische sowie für Fleisch Nachhaltigkeitssiegel. Wenn große Konzerne, die besonders großen Schaden anrichten, dazu gebracht werden könnten, freiwillig bestimmte Umweltstandards einzuhalten, könnte die Zerstörung eingedämmt werden – das ist die Idee hinter der Zertifizierung.

Nach gut 30 Jahren ihrer Erprobung lässt sich sagen: Sie ist gescheitert. Das belegt die Studie „Destruction: Certified“, die Greenpeace im März vorlegte. Die NGO untersuchte darin neun große Zertifizierungssysteme, darunter den Runden Tisch für nachhaltiges Palmöl, den Runden Tisch für verantwortungsbewusstes Soja und das Forest Stewardship Council. Keines dieser Systeme konnte den Verlust von Biodiversität aufhalten oder auch nur eindämmen. Nicht nur, weil die Standards zu schwach sind und zu schlecht kontrolliert – sondern weil keine einzige Initiative zum Ziel hat, den Verbrauch dieser landwirtschaftlichen Produkte zu reduzieren. Im Gegenteil setzen sie ausschließlich darauf, die Nachfrage nach zertifizierter Ware zu erhöhen. Konzerne, die auf krisensicheren Zugang zu steigenden Mengen dieser Rohstoffe angewiesen sind, sind Mitglieder dieser Initiativen – und darüber hinaus bilden sie auch die Mehrheit in den verantwortlichen Gremien.

So hat etwa der Runde Tisch für nachhaltiges Palmöl 1.934 Vollmitglieder. Darunter sind 973 Konsumgüter- und Handelsunternehmen, 887 Palmölfirmen und 15 Banken – aber nur 50 NGOs. Im Vorstand sitzen Manager von Wilmar International oder Golden Agri-Resources, Firmen, denen NGOs seit Jahren illegale Abholzung, Umweltzerstörung, Waldbrände und Menschenrechtsverletzungen vorwerfen. Sanktionen gibt es in solchen Initiativen so gut wie keine – man bestraft sich ja nicht selbst. So ist es nicht überraschend, dass der Runde Tisch für nachhaltiges Palmöl (RSPO) in den 17 Jahren seit seiner Gründung die Zerstörung von Regenwald für Palmöl-Plantagen nicht eindämmen konnte. Diese hat laut Global Forest Watch seit der RSPO-Gründung im Gegenteil weiter zugenommen und lag 2015 mit 753.000 Hektar zerstörter Waldfläche ein Viertel höher als 2004.

Distrikt-Kunak Sabah Palmoil-Plantagen-01.jpg

Es mag absurd klingen, aber auch Klimaschutzmechanismen können den Verlust von Biodiversität beschleunigen. Zum Beispiel die sogenannten negativen Emissionen. Das sind Technologien, die der Atmosphäre CO₂ entziehen sollen, etwa durch Aufforstung oder Geo-Engineering. Der 1,5-Grad-Report des Weltklimarats (IPCC) zählt negative Emissionen zu den Instrumenten gegen die Klimakrise. Dazu zählt das Speichern von CO₂ mittels gigantischer Monokulturen zur Gewinnung von Bioenergie. Werden die Pflanzen dann verbrannt, sollen die Treibhausgase unterirdisch gespeichert werden. Drei von vier Modellpfaden im IPCC-Report enthalten dieses Instrument. Das ist höchst umstritten: Um das Paris-Ziel einzuhalten, müssten auf einem Drittel des weltweiten Ackerlandes Energiepflanzen wachsen. Phil Williamson von der University of East Anglia ist überzeugt, dass ein großflächiger Einsatz dieser Technologie mehr Arten zum Aussterben bringen würde als ein Temperaturanstieg von 2,8 Grad. Ähnlich problematisch sind große Aufforstungsprogramme zur Kompensation von CO₂.

Zu den größten globalen Programmen dieser Sparte gehört die Bonn Challenge, die 2011 von der Weltnaturschutzunion (IUCN), der Bundesregierung und der Global Partnership on Forest and Landscape Restoration initiiert wurde. 350 Millionen Hektar – eine Fläche von der Größe Deutschlands – will die Initiative mit Bäumen bepflanzen. 2019 belegte eine Studie des Londoner University College und der University of Edinburgh, dass beinahe die Hälfte der degradierten Flächen, die die teilnehmenden Länder wieder aufforsten wollen, mit industriellen Monokulturen bepflanzt werden sollen. Etwa mit Eukalyptus-Plantagen, die die Böden extrem austrocknen und so nicht nur Biodiversität schädigen, sondern die Gefahr von Waldbränden erhöhen.

Menschenleer, aber ölfördernd

Quelle          :        Der Freitag-online         >>>>>        weiterlesen

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Oben     —     ölpalmen in malaysia

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Geplante Ampel-Koalition

Erstellt von DL-Redaktion am 9. November 2021

Keine identitätsfixierte Politik!

Ampel Sondierungen and FridaysForFuture protest 2021-10-15 169.jpg

Von Peter Unfried

Die Koalitions-Anbahnungen von Grünen, SPD und FDP sind „Pflegestationen für jeweils identitäre Politik“. Wo ist das Gemeinsame?

Die irrigste Annahme unserer Zeit ist, dass der Glückwunsch „Du bist ganz der Alte geblieben“ ein Ausweis von Tugend sei. Das Gegenteil ist richtig. Es bedeutet, dass jemand im Gestern vor sich hin muffelt. Ich, for example, bin selbstredend nicht der Alte geblieben, sonst würde ich ja heute noch „Seinfeld“ gucken und BAP hören. Wobei… das ist jetzt ein schlechtes Beispiel.

Jedenfalls sind auch die Verhandlungen von Grünen, SPD und FDP über die Politik der nächsten Bundesregierung geprägt davon, dass jeder so bleiben kann und soll, wie er anders als die anderen ist. Das betrifft nicht nur das Innen, sondern noch stärker das Außen, also die urteilende Mediengesellschaft. Wer sein Zeug durchbringt, gilt hier als Gewinner. Wer sein Zeug nicht durchbringt, gilt als Verlierer, und zwar verliert er an Identität, was als superschlimm gilt. Tempo 130 ist dafür das beste Beispiel. Diese Verhandlungen, sagte mir ein Insider, erschienen ihm wie „drei Pflegestationen für eine jeweils identitäre Politik“.

Die FDP soll FDP-Identität durchsetzen und die Grünen grüne Identität – und die mittelfristig ums Überleben kämpfende SPD steht ja längst auch nicht mehr für das Ganze oder wenigstens das Halbe, sondern auch nur für ein Pi mal Daumen gleichkleines „Wir“ wie die beiden anderen, zu dem sich bei der Wahl pragmatische Merkelianer gesellt haben. Wenn der mutmaßliche nächste Kanzler Olaf Scholz in der eigenen Partei weiter Ruhe haben will, kann er zwar von dem Großprojekt eines Industrieumbaus reden, der das Soziale und das Ökologische vereint, aber faktisch muss er identitätsstiftende SPD-Politik liefern. Und die ist meist gegenwartsfixiert und strukturkonservativ.

File:Ampel Beschimpfung.svg

Abgrenzung vom Gemeinsamen

Das Gesellschaftsspiel, das wir nun seit Jahrzehnten spielen, heißt Abgrenzung. Von den anderen, vom Gemeinsamen. There is no such thing as society, das war nicht nur die böse Thatcher, das sind wir. Das ist Teil der Moderne oder Spätmoderne, es ist Folge der Pluralisierung von Gesellschaft und Individuum, es hat dem Einzelnen viel Freiheit und Lebenslust gebracht. Aber als politische Kultur kommen wir nicht mehr weiter, den Fokus auf das Anderssein zu richten, das „Eigene“ anzubeten und das Gemeinsame strukturell zu verachten.

Quelle        :      TAZ-online        >>>>>        weiterlesen

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Oben     —     Protest von FridaysForFuture und Anderen, sowie Ankunft der Verhandlungsteilnehmenden an der Messe Berlin zum letzten Tag der Sondierungsgespräche für eine Ampelkoalition.

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Die Grüne Staatsraison

Erstellt von DL-Redaktion am 3. November 2021

Ampelkoalition und Menschenrechte

File:Regierungsviertel, Berlin-Mitte, 170325, ako.jpg

Was fällt dem Betrachter auf – viele Steine ohne Köpfe – passt genau.

Ein Schlagloch von Charlotte Wiedemann

Einige verstehen unter radikalem Klimaschutz neue Weltbürgerlichkeit und Abbau weißer Privilegien. Die werden von der Ampel frustriert sein.

Dieser Tage habe ich einen neuen Begriff gelernt: Erwartungsmanagement. Gemeint ist damit, die Wähler und Wählerinnen der Grünen darauf vorzubereiten, welchen Verdruss ihnen die künftige Regierung bereiten wird. Ich will mich hier ein wenig am Management beteiligen, und zwar in einem Bereich, über den wenig gesprochen wird, die internationale Politik.

Die Regierungsgrünen werden eine transatlantische Pro-Nato-Partei sein, die Nato ist ihnen unverzichtbar, so steht es im Sondierungspapier, dem Vorvertrag der Koalitionäre. Wer das unterschreibt, der weiß natürlich, dass die Allianz dabei ist, sich neu auszurichten; sie steht künftig nicht nur wie bisher gegen Russland, sondern auch gegen China. Und zu einer atomwaffenfreien Welt möchte das Bündnis keinesfalls beitragen.

Bewaffnete Drohnen: Die Sozialdemokraten haben sich zum Umfallen viel Zeit gelassen. So viel Zeit haben die Grünen nicht. Ich las in einem Zeitungskommentar, wer diese Drohnen nicht wolle, sei als Mi­nis­te­r:in bei der Truppe untragbar. Das stellt zwar das Prinzip der zivil geführten Armee auf den Kopf, aber ähnlich schallt es nun von allen Seiten. Die Weichen sind längst gestellt, Personal wird in den USA und Israel ausgebildet.

Die Regierungsgrünen sehen also einer Zukunft als Killerdrohnen-Partei entgegen, verbitten sich aber ebenso wie die SPD solche Polemik. Denn gezielte Tötungen von Menschen dürfe es nicht geben. Nun waren die sogenannten gezielten Tötungen vonseiten der US-Kriegsführung derart ungezielt, dass Tausende Unbeteiligte dabei ums Leben kamen, und gerade dies war Teil der Niederlage in Afghanistan.

Unschuldige Opfer bei gezielten Tötungen

Womöglich ist das Falsche an der Drohne nicht (allein) die Waffe, sondern der Einsatz, für den sie verlangt wird: nicht gewinnbare Kriege gegen irreguläre, diffuse Feinde. Warum ist es so schwer, dazu Nein zu sagen? „Die Sicherheit Israels ist für uns Staatsraison.“ Da macht sich die Ampelkoalition das Merkel’sche Postulat vom März 2008 zu eigen, um zu signalisieren: Alles weiter wie bisher!

Tatsächlich ist der Merkel-Satz erratisch, denn zur Sicherheit, wie Israel sie definiert, gehört eben jene Besatzungspolitik, die von der Europäischen Union verurteilt wird. Dieser Tage flog die Luftwaffe bei einer deutsch-israelischen Übung, den veröffentlichen Fotos zufolge, über besetztes Gebiet. Eine gemäß der offiziellen deutschen Position völkerrechtlich nicht erlaubte Handlung wurde von der Bundeswehr als Zeichen der Freundschaft beworben, deutsche und israelische Jagdflugzeuge „Flügel an Flügel“.

File:Ampel Beschimpfung.svg

Jede/r welcher das HOHLE-Haus in seiner Partei Farbe betritt, kommt mit Schwarz-Braun wieder heraus ! 

Habe ich die Kritik der Grünen überhört? Die Angelegenheit, später eilig zum „Kulturaustausch“ herabgestuft, wäre eine Gelegenheit gewesen, für eine neue, an Bürgerrechten orientierte Nahostpolitik zu werben. Zumal sich die US-Regierung gerade besorgt über den erneuten Siedlungsausbau im West­jor­dan­land äußert. Und Siedlungsbau heißt: noch weniger Land, weniger Wasser für Palästinenser, weniger Straßen, die sie benutzen können – heißt: die Zwei-Staaten-Lösung unmöglich machen.

Zweistaatenlösung ist Illusion

Der Philosoph Omri Boehm schreibt, nicht wahrhaben zu wollen, dass dieses Modell nur noch eine ­Illusion sei, ähnele dem Leugnen der globalen Erwärmung. Warum also nicht mehr Mut zu Realismus? Das Problem mit den Erwartungen an die Grünen ist: Sie selbst haben sie hochgejazzt, als sie eine Kanzlerkandidatin aufstellten und den Eindruck erweckten, in einem neuen, diversen und klimabesorgten Deutschland seien sie die Gestaltungsmacht der Stunde.

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Oben        —   Das Berliner Regierungsviertel, 2019

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Die Ampel auf Grün :

Erstellt von DL-Redaktion am 31. Oktober 2021

Die sozial-ökologisch-liberale Illusion?

File:Ampel Beschimpfung.svg

Den 15. Oktober 2021, das Datum der Verabschiedung des Sondierungspapiers zwischen SPD, Grünen und FDP, kann man sich bereits jetzt im Kalender markieren. Denn seit diesem Tag steht fest: Die Ampel kommt. Wer sich wie Christian Lindner derart „überzeugt [gibt], dass es lange Zeit keine vergleichbare Chance gegeben hat, Gesellschaft, Wirtschaft und Staat zu modernisieren“, und wer wie Robert Habeck bereits eine historische „Hoffnungszeit“ anbrechen sieht, der wird derlei selbstgeweckte Erwartungen nicht enttäuschen können.

Realistischerweise wird man allerdings vor allem zwei Geburtshelfer für diese angebliche neue Ära ausmachen können: die Linkspartei, die durch ihr schwaches Abschneiden eine linke Koalition schon arithmetisch unmöglich gemacht hat, und die CDU/CSU, der durch ihren Absturz und den anschließenden desolaten Zustand das gleiche für Jamaika gelungen ist. Allen pathetischen Verlautbarungen zum Trotz ist die Ampel also keine Liebesheirat, sondern primär ein Zweckbündnis aus Einsicht in die Notwendigkeit mangels besserer Optionen – denn eine weitere „große Koalition“ könnte keiner der kommenden Koalitionäre seiner Wählerschaft zumuten. Die faktische Alternativlosigkeit der Ampel wird „Olaf im Glück“ Scholz zum nächsten Kanzler der Bundesrepublik machen.

Die entscheidende Frage ist damit allerdings noch nicht beantwortet: wofür diese Koalition in der Sache stehen wird und stehen soll. Einerseits braucht es in der Tat nach 16 Jahren Merkel ein neues Aufbruchsversprechen. Andererseits wird es kaum reichen, wie Lindner und Habeck die angebliche „Zäsur für die politische Kultur Deutschlands“ primär als eine Frage des Stils zu beschwören.

Inhaltlich ist wahlweise von einer neuen „Fortschritts-“, „Erneuerungs-“ oder „Modernisierungskoalition“ die Rede. Und schnell wird dabei vor allem eine historische Parallele gezogen: „Es hat in Deutschland eine sehr erfolgreiche sozialliberale Koalition gegeben, von 1969 bis 1982, die übrigens auch aus einer großen Koalition hervorging“, betonte Olaf Scholz bereits in seiner ersten Erklärung am Tag unmittelbar nach der Wahl, um wie folgt fortzufahren: „Jetzt gewissermaßen eine sozial-ökologisch-liberale Koalition zu bilden, hat also Grundlagen in der Geschichte der Regierungstätigkeit in Deutschland.“

Die Schlussfolgerung scheint ja auch verblüffend einfach: Man nehme die sozialliberale Koalition, füge ob der Erfahrungen mit Rot-Grün von 1998 bis 2005 noch das ökologische Moment hinzu, schüttele das Ganze ordentlich durch – und heraus kommt die neue sozial-ökologisch-liberale-Koalition.

Doch der Vergleich könnte schiefer kaum sein. Die sozialliberale Koalition hatte, nach zwanzig Jahren Unionsregierung, echten Projektcharakter und leistete vor allem unter Willy Brandt einen historischen Aufbruch: nach außen durch die neue Ostpolitik, nach innen durch eine fundamentale gesellschaftliche Liberalisierung.[1]

Dagegen weckt bereits das Ergebnis der Sondierungen massive Zweifel daran, ob die kommende Ampel-Koalition den vor allem in ökologischer Hinsicht erforderlichen Aufbruch tatsächlich zu leisten imstande ist – und ob es sich überhaupt um ein echtes politisches Projekt handeln wird. Denn im Vergleich zu 1969 gibt es eklatante Unterschiede und Grenzen, was das Zusammenspiel der drei Koalitionspartner anbelangt – und zwar in systemischer, temporaler und inhaltlicher Hinsicht.

FDP mit Zeitvorteil, Grüne mit inhaltlich-strategischem Nachteil

Im Unterschied zu einer Zweierkoalition sind in Dreierkonstellationen Unstimmigkeiten von Beginn an quasi systemisch angelegt. In einem Duo sind beide Partner in gleichem Maße aufeinander angewiesen, ungeachtet ihrer Größe. In einem Trio besteht dagegen immer die Gefahr, dass zwei Partner sich gegen den dritten verbünden. Die daraus resultierende Angst, gegeneinander ausgespielt zu werden, sorgt für ein latentes Klima des Misstrauens. Wenn, wie im Falle der Ampel, mit der FDP eine Partei in das gegnerische Lager wechselt, kommt noch ein weiteres Problem hinzu. Damit steht nämlich von Beginn an die Versuchung im Raum, das Lager vielleicht eines Tages wieder zu wechseln und zum angestammten Partner zurückzukehren, was die FDP mit dem Wechsel zu Helmut Kohl 1982 bereits einmal vollzog, als sie die heute so gelobte sozial-liberale Koalition rüde beendete.

Ampel Sondierungen and FridaysForFuture protest 2021-10-15 169.jpg

Die drei von der Zankstelle ?

Mehr noch als bei einem gemeinsamen Projekt spielen in einer bloßen Zweckgemeinschaft alle Koalitionäre in erster Linie auf eigene Rechnung. Damit kommt für die Ampel ein zweiter Faktor ins Spiel, der einen erheblichen Unterschied macht, nämlich der Faktor Zeit.

Hier aber gibt es einen fundamentalen strategischen Vorteil für die FDP. Als klassische Klientelpartei kommt es für sie in erster Linie darauf an, als die „Stimme der ökonomischen Vernunft“ gegen Grüne und Rote dafür zu sorgen, dass – um mit dem früheren SPD-Finanzminister Karl Schiller zu sprechen – „die Tassen im Schrank bleiben“. Genau das ist der FDP bereits mit den im Sondierungspapier festgelegten Inhalten gelungen. Indem sie, wie versprochen, Steuererhöhungen genauso wie neue Schulden, aber auch das Tempolimit von 130 Stundenkilometern auf deutschen Autobahnen und die Bürgerversicherung verhindern konnte, hat sie mit diesen klassischen „Brot-und-Butter“-Themen die Bedürfnisse ihrer gut situierten Klientel bereits bestens befriedigt. Denn deren Erwartung an die FDP besteht vor allem darin, zu verhindern, dass die grün-roten Bäume in den Himmel wachsen.

Die FDP hat ihre Siege damit gleich zu Beginn der angehenden Koalition eingefahren und sich so den überlebenswichtigen starken Stimmensockel gesichert. Damit ist sie bestens gewappnet für das kommende Superwahljahr 2022 mit den vier wichtigen Landtagswahlen im Saarland, in Schleswig-Holstein, in Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen. Auf diese Weise wahrt sie ihre Chance, das „gegnerische Lager“ erfolgreich und möglicherweise sogar vorzeitig wieder zu verlassen und zur CDU/CSU zurückzukehren – oder aber erneut die angebliche bürgerliche Kraft in einer SPD-geführten Koalition zu geben. Genau das war die Rolle der FDP in den 1970er Jahren und offensichtlich zielt darauf auch Christian Lindner ab.[2] Angesichts der Tatsache, dass die Union sich derzeit mit Bravour weiter selbst zerlegt, ist diese strategische Option ja auch durchaus attraktiv.

Der für die SPD-Spitze entscheidende zeitliche Horizont ist dagegen ein anderer, nämlich das Ende der Legislaturperiode. Auch die Wahl 2025 zu gewinnen, hat der kommende Kanzler bereits zum ausdrücklichen Ziel erklärt. Nur das würde eine nachhaltige Ablösung der Union als der die Mitte dominierenden Partei bedeuten; andernfalls bliebe der jetzige Sieg der SPD nur so etwas wie ein Zufallsprodukt der Geschichte. Deshalb war für Olaf Scholz in den Sondierungen zweierlei entscheidend: erstens, mit Mindestlohn und stabiler Rente die sozialdemokratischen Kernforderungen durchzusetzen, und zweitens, überhaupt die Basis für eine möglichst stabile Koalition zu schaffen, die die Legislaturperiode tatsächlich durchhält. Nicht zuletzt deshalb hielt er sich in den ersten Wochen geschickt zurück und überließ der Selfie-trunkenen grün-gelben „Zukunftskoalition“ weitgehend das Feld – immer in dem Wissen darum, dass erst am Ende, sprich 2025, abgerechnet wird und dann in aller Regel der Amtsinhaberbonus zieht.

Bei den Grünen dagegen liegt die Sache weit komplizierter. Das Verlangen ihrer Wählerinnen und Wähler geht weit über eine Legislaturperiode hinaus. Vor allem von den Grünen wird erwartet, dass sie die Jahrhundertaufgabe der Klimakatastrophe tatsächlich angehen. In gewisser Weise muss die Partei somit immer auch die Welt retten. Das ist eine enorme Hypothek. Wenn die Grünen tatsächlich die so dringend erforderliche sozial-ökologische Transformation erreichen wollen, dann müssen sie schon im Ansatz sehr viel weitreichender als ihre beiden Koalitionspartner agieren.

Das aber verweist auf die dritte und entscheidende Differenz zur sozialliberalen Koalition ab 1969, nämlich auf die massiven inhaltlichen Unterschiede, ja zum Teil Gegensätze zwischen den drei Koalitionären – insbesondere mit Blick auf die zentrale ökologische Herausforderung, der wir uns heute gegenübersehen. Denn auch wenn zu Beginn der 1970er Jahre mit den Veröffentlichungen des Club of Rome ein erstes Bewusstsein für diese Thematik geschaffen wurde, haben wir es heute mit einer ganz anderen Dramatik und Dringlichkeit zu tun.

Ampel Sondierungen and FridaysForFuture protest 2021-10-15 160.jpg

Was heißt heute Fortschritt – und was Freiheit?

Gerade weil die vergangenen fünfzig Jahre weitgehend ungenutzt blieben, wird heute eine bloße Modernisierung der herrschenden Verhältnisse nicht reichen, um der ökologischen Zerstörung wirksam Abhilfe zu schaffen. Modernisierung, Innovation und Erneuerung sind in der Tat die Begriffe der 1970er Jahre, als es lediglich auf eine Verbesserung des realexistierenden Korporatismus ankam. Das bedeutete im damaligen Fordismus die Partizipation aller an den kapitalistischen Zuwächsen, was am markantesten durch hohe Tarifabschlüsse der Gewerkschaften zum Ausdruck kam. Angesichts der heutigen ökologischen Probleme ist es mit einer derartigen „Lösung“ nicht getan. Anstatt bloßer Innovation ist eine grundlegende Transformation der ressourcenverschlingenden Ökonomie zu einer nachhaltigen, klimaneutralen Wirtschaft erforderlich, was eine regelrecht revolutionäre Herausforderung darstellt.[3]

Quelle         :          Blätter-online           >>>>>           weiterlesen

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2.) von Oben     —       Protest von FridaysForFuture und Anderen, sowie Ankunft der Verhandlungsteilnehmenden an der Messe Berlin zum letzten Tag der Sondierungsgespräche für eine Ampelkoalition.

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Eine Erklärung der Clans

Erstellt von DL-Redaktion am 17. Oktober 2021

Eine Frage des Rückhalts

Bundesarchiv B 145 Bild-F078543-0017, Wiesbaden, CDU-Bundesparteitag, Strauß.jpg

Der Rückkehr Meister vom Rücktritt

Von Pascal Beucker

Er gehört zur Demokratie wie die Wahl. Dabei folgt der Rücktritt keiner Gesetzmäßigkeit, außer vielleicht: Wer zurücktritt, ist meist früher wieder da als gedacht.

Der eine kündigt seinen Abgang an, aber nicht seinen Rücktritt; der andere erklärt seinen Rücktritt, ohne abtreten zu wollen. Und beides wirkt merkwürdig. Wie und warum muss jemand seinen Abschied aus der Politik nehmen? Das ist die grundsätzliche Frage, die die aktuellen Fälle des CDU-Vorsitzenden Armin Laschet und seines ÖVP-Pendants Sebastian Kurz bei all ihrer Unterschiedlichkeit aufwerfen. Eine einfache Antwort darauf ist nicht möglich. Denn es gibt zwar viele Gründe für einen Rücktritt, aber keine allgemein anerkannten verbindlichen Standards, wann er auch vollzogen werden muss.

Der Null-Rücktritt

Wenn die Staatsanwaltschaft wie im Fall Kurz Ermittlungen gegen einen Politiker aufnimmt, bedeutet das zwar stets, dass der Betroffene politisch angeschlagen ist. Aber zu einem Rücktritt führt das nicht unbedingt. So trat Otto Graf Lambsdorff wegen seiner Verstrickung in die Flick-Affäre nicht bereits als Bundeswirtschaftsminister zurück, als der Bundestag im Dezember 1983 seine Immunität aufhob, sondern erst, als im Juni 1984 die Anklage gegen ihn zugelassen wurde. Im Februar 1987 wurde er wegen Steuerhinterziehung rechtskräftig verurteilt. Für seine Partei offenkundig nur ein Kavaliersdelikt: Ein Jahr später machte die FDP Lambsdorff zu ihrem neuen Vorsitzenden, 1993 wurde er Ehrenvorsitzender. Immerhin: Minister wurde er nicht mehr.

Otto-Graf-Lambsdorff b.jpg

Steigt wer früher aus dem Rennen – der schickt seinen Sohn als Penner !

Der spätere Bundesinnenminister Friedrich Zimmermann blieb Generalsekretär der CSU, obwohl er 1960 wegen „fahrlässigen Falscheides“ in der Münchner Spielbankaffäre zu vier Monaten Gefängnis auf Bewährung verurteilt wurde. Sein Bundestagsmandat behielt „Old Schwurhand“ ebenfalls. Ein Jahr später wurde er in einem zweiten Prozess zwar freigesprochen, allerdings nur, weil ihm ein medizinisches Gutachten bescheinigte, zum Zeitpunkt der Falschaussage habe eine Überfunktion seiner Schilddrüse zu „Unterzuckerung des Blutes und verminderter geistiger Leistungsfähigkeit“ geführt. Mit diesem „Jagdschein“ setzte Friedrich Zimmermann seine politische Karriere unverdrossen fort. Sie führte ihn bis ins Bundeskabinett.

Der Pseudo-Rücktritt

Ob ein Politiker zurücktreten muss, hängt nicht allein von dem ab, was ihm vorgeworfen wird. Das ist nur ein Faktor, und nicht unbedingt der maßgebliche. Letztlich entscheidend ist, ob der Betroffene über eine ausreichende Rückendeckung in den eigenen Reihen verfügt – wozu auch ein eventueller Koalitionspartner zählt. Reicht sie nicht, hat der Politiker verloren, sein Abgang ist besiegelt – und zwar unabhängig davon, wie gravierend die Angriffe sind.

Das erklärt, warum der unter Korruptionsverdacht stehende Kurz zwar als österreichischer Bundeskanzler zurückgetreten ist, nicht aber als ÖVP-Vorsitzender. Als Kanzler musste er abtreten, weil er den Rückhalt der mitregierenden Grünen verloren hatte, für den ÖVP-Vorsitz reicht der seiner eigenen Partei. Und die stützt ihn zumindest derzeit noch.

Mit dem Sturz von Franz Josef Strauß als Bundesverteidigungsminister 1962 gab es ein vergleichbares Szenario auch schon einmal in Deutschland. Damals musste der kleine Koalitionspartner jedoch etwas brachialer deutlich machen, was die Stunde geschlagen hatte. Der Anlass: Strauß war der Initiator der Spiegel-Affäre, auf seine Intervention hin wurden wochenlang die Redaktionsräume des Hamburger Nachrichtenmagazins von der Polizei besetzt und musste Chefredakteur Rudolf Augstein wegen angeblichen Landesverrats 103 Tage in Untersuchungshaft. Über seine zentrale Rolle bei diesem ungeheuerlichen Angriff auf die Pressefreiheit belog der CSU-Politiker dann auch noch den Bundestag. Das führte zu einer Regierungskrise, denn die FDP forderte den Rücktritt von Strauß, was dieser jedoch nicht einsah. So traten dann am 19. November 1962 alle vier FDP-Minister aus Protest zurück. Strauß musste kapitulieren. Am 30. November 1962 erklärte er seinen Rücktritt als Verteidigungsminister. CSU-Vorsitzender blieb der bullige Bajuware, vier Jahre später wurde er sogar wieder Minister, diesmal für Finanzen.

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Category  : Franz Josef Strauß : Verlinkung – Unten

Die politische Karriere von Franz Josef Strauß war durchzogen von heftigen Skandalen, doch bis auf die Spiegel-Affäre blieben sie für ihn allesamt folgenlos. Denn stets konnte sich das Vorbild Markus Söders („FJS ist der größte Sohn der CSU“) darauf verlassen, dass die CSU bedingungslos hinter ihm stand – und die bayerischen Wähler ebenso: mit seiner einmaligen Nachkriegsmischung aus brutaler Hemdsärmeligkeit und monarchistischem Repräsentationswahn gewann Strauß drei Landtagswahlen hintereinander haushoch und regierte von 1978 bis zu seinem Tod 1988 in Bayern mit einer satten absoluten Mehrheit. Nur sein Traum, Bundeskanzler zu werden, erfüllte sich nicht. Seine Kanzlerkandidatur 1980 blieb vergeblich.

Der definitive Rücktritt

Quelle       :        TAZ-online          >>>>>         weiterlesen  

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Oben     —   For documentary purposes the German Federal Archive often retained the original image captions, which may be erroneous, biased, obsolete or politically extreme. 13.06. – 15.06.1988 36. CDU-Bundesparteitag in der Rhein-Main-Halle in Wiesbaden

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Der Supertrick

Erstellt von DL-Redaktion am 11. Oktober 2021

Sondierungen von SPD, Grünen und FDP

Skulpturen in Stuttgart, 0138.jpg

Von Peter Unfried

Nach der Niederlage bei der Bundestagswahl: Kriechen die Grünen zurück in den Schoß der SPD – oder fängt jetzt etwas Neues an?

Nach einer Woche der großen Worte wird die Begeisterung über die neue Kooperation von Grünen und FDP auch wieder umschlagen. Erst wird Wahlsieger Olaf Scholz den beiden Prätendenten Habeck und Lindner zeigen wollen, wer hier den Längsten hat, dann wird man sich über irgendwas Symbolisches aufregen, dann werden die Klimabürger (ich zum Beispiel) sagen, dass das doch alles in der entscheidenden Frage der Klimapolitik viel zu wenig sei.

Das ist auch wahrscheinlich, weil die Wahlprogramme und Machtstrategien von FDP und SPD das Notwendige nicht hergeben und die krachende Wahlniederlage der Grünen alles andere als ein gesellschaftlicher Auftrag für ernsthafte Klimapolitik ist, die ja neben Regulierung und Verteilung vor allem neue Finanz-, Außen- und vor allem auch Wirtschaftspolitik bedeutet.

Die Grünen haben im Wahlkampf das in drei Jahren mühsam erworbene Vertrauen von zu vielen Leuten wieder verloren, weil sie nicht glaubhaft machen konnten, dass sie über Knowhow, Personal und Bereitschaft verfügen, die gesamtgesellschaftliche Zukunft zu erwirtschaften.

Postfossil ist für die Leute nämlich völlig okay – solange der Laden brummt. Das ist der Schlüssel für alles und ein Hauptgrund, warum Winfried Kretschmann bei 32 Prozent landete und Annalena Baerbock bei 14,8 und dabei die Grünen gerade in Baden-Württemberg im Vergleich zur Landtagswahl – horribile dictu – fast um die Hälfte schrumpfte.

Sich das Wahlergebnis schön reden

File:Ampel Beschimpfung.svg

Am Wahlabend hatte Geschäftsführer Michael Kellner im Garten der Berliner Columbiahalle plötzlich ins Mikro gebrüllt, er habe eine sehr gute Nachricht. Was konnte das sein? Die SPD, rief Kellner, habe Südthüringen gewonnen. Hurra! Spitzenjubel brandete auf. Damit war die Welt vor Hans-Georg Maaßen gerettet. Dann redeten sich viele auch noch das Wahlergebnis schön, einige Spitzenfunktionäre legten sich viel zu früh und taktisch unklug öffentlich auf die Ampel fest, und dahinter sah man ihre Angst: Hauptsächlich davor, sonst von ihrer Blase ausgeschimpft zu werden. Seither muss man sich Sorgen machen, dass die traditionellen Teile der Grünen aus dem Zentrum der Gesellschaft zurück in den Schoß der SPD und der Symbolpolitik kriechen wollen.

Quelle        :         TAZ-online        >>>>>         weiterlesen

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Oben     —     Kunstinstallation „Einheitsmännchen“ von Ottmar Hörl, zum Jubiläum „25 Jahre Deutsche Einheit“. Temporäre Aufstellung im Rahmen einer Wanderausstellung am Schlossplatz, Stuttgart, 2015. – Einheitsmännchen: Kunststoff, grün, schwarz-rot-gold, 38 cm hoch, dem DDR-Ampelmännchen nachempfunden.

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Grün-gelbes Streitgespräch

Erstellt von DL-Redaktion am 10. Oktober 2021

„Wir müssen uns halt zusammenraufen“

Ende Gelände AKK finger 2020-09-26 51.jpg

Interview von Kersten Augustin und Malte Kreutzfeldt

Können sie das Klima retten? Ein Streitgespräch mit der Grünen Kathrin Henneberger und Lukas Köhler von der FDP über Kohle, CO2-Preis und Subventionen.

Aus den Vorsondierungen zwischen Grünen und FDP ist nichts nach außen gedrungen. Beide Parteien waren darauf bedacht, ihre Konflikte nicht in der Öffentlichkeit breitzutreten. Die taz konnte trotzdem zwei Bundestagsabgeordnete zu einem Streitgespräch gewinnen: Kathrin Henneberger von den Grünen und Lukas Köhler von der FDP.

Am Dienstagabend kommen sie in das taz-Gebäude in Berlin-Kreuzberg, sie mit der U-Bahn, er mit dem Fahrdienst des Bundestags. Sie treffen sich zum ersten Mal, nach wenigen Minuten sind sie beim Du. Für den Fotografen spielen sie zusammen Tischtennis im Doppel und schnippeln an einer Gemüsesuppe. Man merkt: Beide Seiten geben sich große Mühe.

taz: Herr Köhler, Ihre Parteifreundin Ria Schröder hat die Aktivisten von „Ende Gelände“ mal als „Verbrecher“ bezeichnet. Jetzt sollen Sie mit der ehemaligen Sprecherin dieser Initiative eine Koalition eingehen. Kann das gelingen?

Lukas Köhler: Es gibt rechtsstaatliche Prinzipien, und die werden von den Leuten von „Ende Gelände“ bewusst gebrochen. Ich denke, so war der Kommentar von Ria zu verstehen. Aber das heißt ja nicht, dass man über die Themen, die der Anlass dafür waren, nicht diskutieren kann.

Kathrin Henneberger: Wenn wir über Rechtsstaatlichkeit sprechen: Ich stand schon mal in der Grube vor einem Kohlebagger, aber noch nie vor einer Richterin oder einem Richter. Anders als die schwarz-gelbe Landesregierung von Nordrhein-Westfalen: Bei der hat ein Gericht festgestellt, dass die Räumung des Hambacher Waldes illegal war.

Frau Henneberger, bei Ihnen könnte es auch Vorbehalte geben: Viele Ak­ti­vis­t*in­nen halten die FDP für einen Lobbyverband, der beim Klimaschutz nur an die Industrie denkt. Können Sie Ihren Leuten im Hambacher Wald vermitteln, dass Sie mit denen jetzt koalieren wollen?

Henneberger: Das kommt auf die Inhalte an. Wenn wir es schaffen, eine Regierung zu bilden, die die 1,5-Grad-Grenze nicht nur respektiert, sondern auch umsetzt, wenn wir es also schaffen, für unsere Generation eine Zukunft aufzubauen: Warum sollte man es dann nicht versuchen?

Ihre Parteivorsitzenden haben geschrieben, man müsse jetzt nach Brücken suchen, nach Verbindendem. Können Sie etwas Nettes sagen über die Klimapolitik der jeweils anderen Partei?

Köhler: Die Grünen haben klare Zielvorstellungen, wohin die Reise gehen muss, nämlich in Richtung 1,5 Grad. Es ist wichtig, dass man harte Ziele setzt, um die man nicht herumkommt. Den Weg dahin muss man diskutieren.

Henneberger: Vor 15 Jahren musste man mit der FDP noch streiten, ob es überhaupt eine Klima­krise gibt. Das ist jetzt nicht mehr so. Da würde ich liebevoll sagen: Die wissenschaftlichen Erkenntnisse kommen an.

Aber schon beim Ziel gibt es ja Differenzen: Die Grünen wollen – ebenso wie Union und SPD –, dass Deutschland spätestens 2045 klimaneutral ist, die FDP erst 2050.

Köhler: Wir orientieren uns am europäischen Paris-Ziel, und das lautet 2050.

Würden Sie denn ein deutsches Ziel für 2045 mittragen?

Köhler: Das müsste man in den Sondierungen noch mal durchdeklinieren.

Viele Berechnungen kommen aber zum Ergebnis, dass Klimaneutralität bis 2045 auch nicht reicht, um einen fairen Anteil Deutschlands fürs Erreichen des 1,5-Grad-Ziels zu erbringen. Müssten Sie als Klimapolitiker nicht beide mehr fordern?

Henneberger: Ja, natürlich. Als Industrienation müssen wir vorangehen. Je länger wir damit warten, massiv die Emissionen zu reduzieren, desto kleiner wird unsere Chance, die 1,5 Grad einzuhalten.

Das heißt, das Wahlprogramm der Grünen reicht nicht aus?

Henneberger: Jakob Blasel [FFF-Aktivist, der sich um ein Bundestagsmandat bemüht hatte; Anm. der Redaktion] und ich haben immerhin einige Verschärfungen eingearbeitet. Aber ich bin ein sehr praktischer Mensch. Ich diskutiere lieber darüber, was wir in dieser Legislaturperiode anstoßen, damit wir so schnell wie möglich reduzieren.

Köhler: Ich finde es richtig zu fragen: Wie kommen wir auf einen 1,5-Grad-Pfad? Aber bei der Frage, ob uns das gelingt, gibt es mehrere wissenschaftliche Ansätze. Der Pro-Kopf-Ansatz, der ergibt, dass Deutschland für 1,5 Grad zu viel ausstößt, ist nur einer davon. Wir folgen einem anderen. Wie man das berechnet, ist eine Frage der Sondierungen und Koalitionsverhandlungen. Aber ich stimme zu: Deutschland muss vorangehen.

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Henneberger: Für mich bedeutet das 1,5-Grad-Ziel, dass wir die Klimaneutralität nicht bis 2045 aufschieben dürfen. Das ist unsere Verantwortung. Wir beiden werden es nicht in der Hand haben, was im Jahr 2040 passiert. Aber wir haben es in den Händen, was dieses Jahr passiert. Und da müssen wir alles geben, um zum Beispiel neue Autobahnen zu verhindern und Kohlekraftwerke abzuschalten.

Welche Kraftwerke wollen Sie denn in dieser Legislaturperiode stilllegen?

Henneberger: Wir brauchen zuerst einen massiven Ausbau der Erneuerbaren. Der muss sich in dieser Legislaturperiode verfünffachen, damit wir in zehn Jahren bei 100 Prozent sind. Dann müssen wir sehen, wie wir den Kohleausstieg beschleunigen. Welche Maßnahmen sind dafür effektiv, welche dienen dem Wohlergehen der Menschen – sowohl den Ar­beit­neh­me­r*in­nen als auch der Bevölkerung am Tagebau.

Köhler: Ich denke, bei Ausbauzielen und Jahreszahlen sollten wir jetzt nicht den Sondierungen vorgreifen. Das funktioniert nicht. Wir sollten uns darauf konzentrieren, wer welchen Teil einbringt und wie man den Fortschritt erreicht, der dringend erforderlich ist.

Aber der Kohleausstieg ist ja schon ein wichtiger Punkt. Wann muss aus Ihrer Sicht das letzte Kohlekraftwerk stillgelegt werden, um die Klimaziele zu erreichen?

Köhler: Wenn es sich nicht mehr lohnt, es zu betreiben. Und das geht über den CO2-Preis.

Henneberger: Das ist für meine Region, die Menschen rund um den Tagebau, nicht akzeptabel, die brauchen Planungssicherheit. Die haben wir nicht, wenn wir uns allein auf den CO2-Handel verlassen, weil wir dann nicht wissen, wann wir die Kraftwerke abschalten. Außerdem zeigen Studien, dass im Tagebau Garzweiler und Hambach nur noch 200 Millionen Tonnen Braunkohle abgebaggert werden dürfen, wenn wir unter 1,5 Grad bleiben wollen. RWE möchte aber um die 780 Millionen Tonnen verfeuern und dafür im Jahr 2021 noch Grundstücke enteignen und Dörfer abreißen. Das müssen wir verhindern.

Enteignung ist ja auch keine klassisch liberale Politik, Herr Köhler – oder?

Köhler: Nein, aber staatliche Zusagen einzuhalten schon. Aber das ist gar nicht das Thema. Es kann nicht das Ziel sein, den Kohleausstieg so zu gestalten, dass wir den Betreibern noch einmal enorme Entschädigungen für etwas bezahlen, was sie marktgetrieben von allein machen. Bei der Strukturpolitik bin ich total dabei: Wir können die Regionen nicht alleine lassen.

Aber gehört dazu nicht, dass Sie den Menschen ehrlich sagen, dass nicht erst 2038 Schluss mit der Kohle sein wird, wenn wir die Klimaziele ernst nehmen, sondern schon deutlich früher, also 2030?

Köhler: Wir werden wahrscheinlich marktgetrieben 2030 oder sogar davor aussteigen. Aber dafür müssen wir mehr Erneuerbare und mehr Gas zubauen. Und wir sollten dafür nicht mehr Entschädigung bezahlen als nötig.

Henneberger: Habe ich das richtig verstanden – du bietest einen Kohleausstieg deutlich vor 2030 an?

Köhler: Ich biete heute gar nichts an. Dafür ist jetzt nicht die Zeit.

Henneberger: Neurath und Niederaußem sind die zwei CO2-intensivsten Kohlekraftwerke Europas. Die sollen noch bis 2038 laufen. Wenn wir eine Koalition sein wollen, die Deutschland modernisiert, ist das unerträglich. Wir können nicht nur auf den Emissionshandel setzen, der 15 Jahre lang nicht funktioniert hat. Ich kann nicht das Wohlergehen meiner Region darauf verwetten, dass es funktionieren wird.

Köhler: Wie kommst du darauf, dass der Emis­sionshandel nicht funktioniert hat? Klar gab es am Anfang Designfehler, wie bei jedem neuen Instrument. Aber insgesamt hat er das getan, was er sollte, nämlich über die Mengensteuerung die Emissionen reduziert.

Henneberger: 15 Jahre lang war der Preis so niedrig, dass er nichts bewirkt hat. Jetzt erst haben wir einen Preis von 60 Euro pro Tonne – aber weil die Gaspreise enorm gestiegen sind, ist Kohlestrom trotzdem noch profitabel. Und der CO2-Preis kann immer wieder schwanken.

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Köhler: Aber die vorgegebenen Ziele hat der Emissionshandel immer erreicht.

Aber auch die Grünen wollen den früheren Kohleausstieg doch über den CO2-Preis erreichen und nicht das Ausstiegsgesetz neu verhandeln, um neue Entschädigungen zu verhindern.

Henneberger: Es kann gut sein, dass die EU die Entschädigungen in der derzeitigen Höhe für unrechtmäßig hält. Das wäre eine von mehreren Möglichkeiten, neue Verhandlungen für einen früheren Ausstieg aufzunehmen. Außerdem ist fraglich, ob der Paragraf im Kohleausstiegsgesetz, der festschreibt, dass der Tagebau Garzweiler energiepolitisch notwendig ist, überhaupt verfassungsrechtlich in Ordnung ist. Und wir haben im Wahlprogramm auch geschrieben, dass die Dörfer nicht den Kohlebaggern weichen dürfen.

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Das Trennende überwiegt

Erstellt von DL-Redaktion am 5. Oktober 2021

Annäherung von Grünen und FDP

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Von Gunnar Hinck

WählerInnen von Grünen und FDP sind sich materiell ähnlich, bilden aber zwei völlig konträre Milieus. Für eine Koalition kann das Sprengstoff bedeuten.

Es ist die Zeit der Brücken-Metapher. Robert Habeck will „Brücken ausloten“, Christian Lindner will sie erst einmal bauen. Keine Frage: Die beiden Vorsitzenden von FDP und Grünen und die grüne Co-Vorsitzende Annalena Baerbock wollen zusammen regieren.

Am Ende werden im Vorwort eines wahrscheinlichen Ampel-Koalitionsvertrags wohl die Schlüsselwörter stehen, die bei einem Bündnis von Grünen und FDP eben nötig sind: „Nachhaltigkeit“ wird grüne Bedürfnisse stillen, „Innovation“ jene der FDP. Und es ist nicht unwahrscheinlich, dass als gelb-grünes Bindeglied von der „ökologisch-technologischen Transformation“ die Rede sein wird, ein Wort, in dem sich sowohl die Biobäuerin als auch der FDP-nahe Freund von Wasserstoffantrieben wiederfindet.

Wobei offen ist, wie die Kompromisse eigentlich aussehen werden. Werden die berühmten gemeinsamen Schnittmengen gesucht oder werden Reviere abgesteckt: Ihr habt freie Hand in der Umweltpolitik, wir dagegen in der Steuerpolitik? Es sind zwei unterschiedliche Ansätze, und es wird nicht ganz unwichtig sein für die Politik in den nächsten vier Jahren, wie die Kompromisse ausgestaltet sein werden.

Es ist ein Rätsel, wie der unterschiedliche Staatsbegriff von Grünen und FDP zusammenpassen soll

Mit einer Partnerschaft von FDP und Grünen werden zwei unterschiedliche politische Kulturen und Milieus zusammenfinden, die eigentlich nicht zusammengehören. Eindrücklich ist der Berliner Wahlkreis Friedrichshain-Kreuzberg: Hier haben die Grünen bei der Wahl bundesweit die meisten Zweitstimmen geholt – die FDP aber die wenigsten. Ein Blick auf die bundesweiten Wählerwanderungen zeigt, dass es zwischen FDP und Grünen bemerkenswert wenig Austausch gibt; so hat die FDP an die SPD mehr Stimmen abgegeben als an die Grünen. Das Zusammengehen der beiden Parteien hat etwas Antagonistisches.

Dabei sind sich FDP- und Grünen-WählerInnen, wie häufig analysiert worden ist, auf den ersten Blick durchaus ähnlich. Sie gehören im Schnitt zu den Besserverdienenden und sind formal überdurchschnittlich gebildet. Die Grünen allerdings werden besonders häufig von Frauen gewählt, die FDP eher von Männern. Für beide Milieus spielen – ganz bürgerlich – Selbstbestimmung und Selbstoptimierung eine wichtige Rolle, aber diese Werte werden unterschiedlich umgesetzt.

Grüner Trekking-Urlaub

Die klassische Grünen-Wählerin ist eher postmateriell orientiert. Zugespitzt gesagt: Sie investiert ihr Geld lieber in einen individuellen Trekking-Urlaub oder in ein Achtsamkeits-Seminar, um einmal „für sich etwas zu tun“, während der FDP-Wähler sein Geld lieber in materiell handfeste Statussymbole umsetzt. Distinktion und Geschmack sind eben nicht nur Oberflächlichkeiten, sondern markieren Abgrenzungen. Wahrscheinlich würde eine Grünen-Wählerin aus der Wohnung eines FDP-Stammwählers schreiend herauslaufen – und umgekehrt.

Die Unterschiede gehen weiter. Teile der beiden Milieus hegen zwar Sympathien für Privatschulen, aber die Grünen schicken ihren Nachwuchs eher in anthroposophisch orientierte Schulen, wo die Kinder ihre Persönlichkeit entfalten sollen, während die Liberalen Privatschulen mit modern klingenden englischen Namen bevorzugen, die die Kinder „fit“ für den Arbeitsmarkt machen sollen.

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Die Ak­ti­vis­t*in­nen Europas

Erstellt von DL-Redaktion am 5. Oktober 2021

Bleiben als unsere letzte Hoffnung

25 Schauspieler innen Influencer innen sprechen beim Klimastreik von Fridays for Future. Auf den T-Shirt steht „Vote Climate Justice“ (51523776483).jpg

Von Milo Rau

Die Grünen haben bei der Wahl grotesk schlecht abgeschnitten. Dabei wäre es lebenswichtig, eine radikale Klimapolitik gegen Wirtschaft und FDP durchzusetzen.

Warum, dachte ich im Frühjahr 2020, wird nur „Die Pest“ und der „Decamerone“ als moralische Antwort auf die Pandemie herangezogen – nicht aber das älteste Pest-Stück der Literaturgeschichte, „König Ödipus“ von Sophokles? Damals, während der ersten Welle, war das Stück wohl zu düster. Jetzt, da die Pandemie zu Ende geht, wird es von Berlin bis Paris und von London bis São Paulo auf Dutzenden der wiedereröffneten Bühnen inszeniert.

Worum geht es? Als in Theben die Pest ausbricht, ruft König Ödipus seine engsten Berater zusammen. Nach und nach muss er erfahren, dass er selbst Ursache der Pandemie ist. Denn er hat seinen Vater, den ehemaligen König, erschlagen; Iokaste aber ist seine Mutter. Ödipus wird von Sophokles nicht als irrer Populist gezeichnet, sondern als rationaler Herrscher, eine Art antiker Gutmensch. Gerade weil er gern gut wäre – oder in einer Zivilisation lebt, die von den Regierenden immerhin oberflächliche moralische Reinheit einfordert –, kann er nicht akzeptieren, dass seine Herrschaft in ihrer Wurzel obszön ist.

Damit wird „Ödipus“ zur Allegorie unserer Zeit, zur Tragödie des modernen Bewusstseins. Auch wir haben begriffen, dass der Klimawandel, die daraus folgenden Kriege und Massenfluchten kein objektives Ereignis sind, kein unverdienter Krieg der Natur gegen den Menschen, sondern der Pay-off einer zerstörerischen Lebensweise. Gott ist tot, wie Nietzsche einst sagte; wirklich gestorben ist er aber erst mit der wissenschaftlichen Selbsterkenntnis des Anthropozän. Oder wie Ödipus es formuliert: „Am schmerzlichsten aber sind jene Qualen, die man frei sich selbst erschuf.“

Interessant ist, wie Ödipus auf die schrittweise Aufdeckung reagiert: zuerst mit Misstrauen, dann mit Verdrängung, mit Wut und schließlich mit Verzweiflung und Selbsthass. Sophokles’ Tragödie ist eine Pathologie der Negation, eine Analyse der Emotionen der herrschenden Klasse und ihrer Versuche, trotz aller gemachten Fehler irgendwie an der Macht zu bleiben. Die Geschichte ist voll solcher Moves der Mächtigen, und die letzte und – immerhin für mich – besonders bittere Lektion in dieser Disziplin sind die deutschen Bundestagswahlen. Zuerst sei festgehalten: Das historisch schlechteste Ergebnis der CDU und das Wiedererstehen der SPD aus der Asche, die im Ausland für viel Aufmerksamkeit gesorgt haben, sind ein Nebenschauplatz. Deutschland ist trotz aller Schwankungen im Kern ein Zweiparteiensystem.

Nein, das eigentliche Ereignis des vergangenen Sonntags ist etwas anderes: das grotesk niedrige Ergebnis der Grünen. Noch in einigen Sommerumfragen war Baerbocks Partei auf 30 Prozent Zustimmung gekommen, am Ende landete sie bei der Hälfte. Dass eine Partei, die als einzige glaubwürdig für eine Änderung der Klimapolitik steht, nicht siegen konnte – einen Tag nach dem Weltklimatag, zwei Monate nachdem halb Westdeutschland in apokalyptischem Hochwasser versunken war –, ist als politische Verdrängungsleistung genauso beeindruckend wie final desillusionierend.

Noch absurder ist, dass die neoliberale FDP, die für ungebremstes Wirtschaftswachstum und damit alles steht, was den Klimawandel in den letzten Jahrzehnten verschuldet hat, nun gemeinsam mit den Grünen (und wohl der SPD) eine Koalition bilden wird. Ein erstes Selfie von den Verhandlungen zwischen den Parteien zeigt die neoliberalen FDP-Boys Lindner und Wissing, Haare zurückgegelt und gekleidet wie zwei Wallstreet-Manager aus „American Psycho“, zwischen den Grünen-Chefs Baerbock und Habeck. „Wir loten Brücken über Trennendes aus“, heißt es unter dem Selfie, „spannende Zeiten!“

Die FDP und die Grünen: Die einen stehen für ungehemmtes Wachstum und gegen gesellschaftliche Kontrollen – die anderen für das Gegenteil. Die einen wollen den Planeten, nun ja, retten, die anderen ihn nochmal so richtig ausbeuten, bevor endgültig Schluss ist, unter dem Banner der ökonomischen Rationalität und der politischen Machbarkeit. Dass die Grünen und die FDP nun gemeinsam „Königsmacher“ sind – jene im deutschen Zweiparteiensystem so entscheidende dritte Macht – ist Signum unserer Zeit. Es ist so, als würde Ödipus, nachdem alles aufgedeckt ist, einfach fröhlich mit Iokaste weiterregieren. Regieren um des Regierens willen: „spannende Zeiten“ stehen uns bevor!

Das Selfie von den Koalitionsverhandlungen der Grünen mit der FDP wäre noch vor wenigen Jahrzehnten als der finale Verrat wahrgenommen worden – heute führte es innerhalb von Minuten zu Tausenden von Kommentaren, die im Wesentlichen die Kompromissbereitschaft der beiden Parteien lobten, gemäß dem Mantra „So funktioniert eben Demokratie“. Denn seien wir ehrlich: Wir Westeuropäer hassen seit dem Zweiten Weltkrieg jede Form von politischem Extremismus oder gar staatlicher Bevormundung und lieben es, wenn die Gegensätze sich in einer politischen Leerformel vereinigen. „Keine Experimente!“, hieß der berühmteste und erfolgreichste Wahlkampfslogan in Deutschland nach dem Krieg, mit dem die CDU 1957 das höchste Ergebnis einer Partei bei Bundestagswahlen jemals erzielte. Der Traumatisierte will vor allem eines: Normalität, egal mit welchen Kosten.

Der Unterschied zu den 50ern ist nur, dass wir keine Zeit für „Normalität“ mehr haben. Obwohl es aktuell ungefähr so lebenswichtig ist, eine radikale Klimapolitik gegen alle Widerstände aus der Wirtschaft durchzusetzen, wie in einem leckgeschlagenen Flugzeug die Atemmaske aufzusetzen, diskutierte man in Deutschland, der größten Wirtschaftsnation der EU, in den letzten Monaten ausschließlich über das Grinsen Laschets und den geschönten Lebenslauf Baerbocks. Und was immer die Grünen sich einreden mögen: Im Kampf gegen den Vulgärliberalismus der FDP werden sie sich in den nächsten vier Jahren aufreiben. Denn dass Freiheit in der Übernahme von Verantwortung besteht, das hat die FDP und mit ihr die deutsche Wirtschaft nie verstanden. Mitten im globalen Klimanotstand verkündet die FDP noch immer Steuersenkungen für Großverdiener und macht Wahlkampf für Klimaziele, die von den Unternehmen selbst festgesetzt werden sollen.

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Berliner Stadtgespräch

Erstellt von DL-Redaktion am 30. September 2021

Sich gemeinsam geil finden

Von Volkan Agar

Jede politische Ära hat die Bilder, die sie verdient. Heute liefert sie Selfies, in denen sich der narzisstische Kern der Parteienpolitik erneuert.

Wann macht man ein Selfie? Wenn man gerade mit einem guten Freund zusammen ist, den man lange nicht mehr gesehen hat – und um das Bild dann an eine gemeinsame Freundin zu schicken, damit die sich freut.

Oder wenn man besoffen auf einer Party rumblödelt und schon so rauschig ist, dass sich Menschen nahe anfühlen, die eigentlich gar nicht so nahe sind – und in dieser Euphorie jemand auf die blöde Idee kommt, den Moment festzuhalten. Oder wenn man sich selbst obergeil findet, wie die Haare gerade fallen oder wie das Licht so besonders aufs Gesicht scheint, dass man es der Welt meint mitteilen zu müssen.

Das Selfie, das die Grünen-Chefs Annalena Baerbock und Robert Habeck gemeinsam mit FDP-Generalsekretär Volker Wissing und FDP-Chef Christian Lindner bei, vor oder nach Vorsondierungen zeigt, hat auf den ersten Blick von all dem etwas. Alle vier haben es am Dienstag auf Instagram geteilt, alle mit derselben Caption: „Auf der Suche nach einer neuen Regierung loten wir Gemeinsamkeiten und Brücken über Trennendes aus. Und finden sogar welche. Spannende Zeiten.“

Die meisten Likes dafür hat bisher mit über 95.000 Lindner bekommen, knapp dahinter liegt Baerbock, immerhin noch im fünfstelligen Bereich Habeck, Wissing dagegen abgeschlagen auf dem letzten Platz.

Aber es kommt hier ja nicht auf die Zahl der Likes an. Es geht hier schließlich um Inhalte, oder? Und noch weniger geht es um individuellen Erfolg, sondern um Teamwork. Das Selfie ist schließlich auch kein klassisches Selfie, das eine Person von sich alleine gemacht hat.

Nein, nach narzisstischen Zuspitzungen der digitalen Selbstkultur, die sogar zu Erfindungen von Selfiesticks geführt hat, mit denen man sich auch im Meer halb unter Wasser ablichten konnte, zeugt das Bild der vier gelbgrünen Po­lit­ke­r:in­nen von Gemeinschaftlichkeit, einem gemeinsamen Interesse.

Das Selfie der Gelbgrünen ist unter voller Selbstkontrolle entstanden

Das Bild, das die vier auf ihren Kanälen dann doch mit unterschiedlichen Filtern verbreitet haben und auf dem diese dreitagebärtig (Habeck und Lindner) von der Arbeit zufrieden erschöpft, aber zuversichtlich freundlich dreinschauen, will vor allem eines sagen: Wenn wir kommen, ist die GroKo-Party vorbei. Wenn wir kommen, ist endlich alles neu. Denn wenn wir kommen, gibt es Zukunft, Ökologie, Innovation oder eben ökologische Massenerfinderei.

Gibt es Selfies von Merkel und Scholz?

Aber das ist nur das, was rüberkommen soll, bei diesem Foto, das sicherlich nicht wie die allermeisten anderen Selfies der Form entsprechend unbedacht, spontan, impulsiv entstanden ist. Dieses Selfie hat einen Auftrag: Es soll in seiner besonderen Art der (Selbst-)Abbildung von Po­litikte­r:in­nen mitteilen, dass hier etwas anders ist.

Natürlich gibt es auch andere Fotos ähnlichen Charakters: die im Jahr 1998 nach der Unterzeichnung des rot-grünen Koalitionsvertrags in Bonn sekttrinkenden Partner Gerhard Schröder, Joschka Fischer und Oskar Lafontaine; oder das legendäre Balkonfoto, auf dem Armin Laschet mit Zigarillo im Mundwinkel und Alexander Dobrindt und Jens Spahn neben sich dem Kollegen Lindner auch etwas zum Rauchen anzündet.

Aber gibt es Selfies von Angela Merkel und Olaf Scholz in privat anmutendem Setting? Das bekannteste Selfie von Angela Merkel ist wohl jenes, das 2015 der syrische Geflüchtete Anas Modamani mit ihr geschossen hat. All diese zuletzt genannten Fotos haben einen Rest an Unkontrollierbarkeit an sich. Strukturell ähneln sie eher dem Bild, auf dem Armin Laschet im von der Flutkatastrophe betroffenen Erftstadt so unangemessen lacht.

Das Selfie der Gelbgrünen ist dagegen unter voller Selbstkontrolle entstanden. Das ist Teil des Versprechens des Selfies. Trotzdem lässt sich die Botschaft auch solcher Bilder oft schlechter kontrollieren, als von den Selfisten gedacht: Im Netz machen sich die Leute darüber lustig, viele verbreiten das Selfie mit eher nachteiligen Assoziation wie jener von der Erbengemeinschaft, die an der Haustür klingelt und mitteilt, dass die neue klimafreundliche Heizungsanlage auf die Miete umgelegt werde, der Mieter sich als freier Mensch aber gerne zum Auszug entschließen könne. Andere machen daraus ein Ratespiel: „Name this band.“ Ein sehr populäres Ergebnis: Silbermond.

Quelle        :         TAZ -online          >>>>>          weiterlesen

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Oben     —    Twitter          #Baerbock

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Unten        —     Baerbock (left) with Green Party secretary Michael Kellner [de] at an anti-coal protest in Berlin, 2018

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Versagen: Union und Grün

Erstellt von DL-Redaktion am 28. September 2021

Schwarze Republik am Ende

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Von Albrecht von  Lucke

Schwarz und Grün hätten es unter sich ausmachen können. Weil beide versagt haben, müssen sie nun mit Olaf Scholz um ein gepflegtes Weiter-so verhandeln.

Diese schon heute historische Wahl steht für das Ende der schwarzen Republik, in der seit sechzehn Jahren alles um die Union kreiste. Und ein zweites historisches Novum kommt hinzu: Mehr als alle anderen Bundestagswahlen zuvor ist diese Wahl von den Verlierern entschieden worden. Nicht die Stärke der SPD, sondern das Versagen von CDU/CSU und Grünen hat die deutsche Sozialdemokratie aus ihrer Agonie befreit.

Das zeigt schon der Vergleich mit der Lage von vor einem Jahr. Obwohl Olaf Scholz zu diesem Zeitpunkt längst als Kanzlerkandidat nominiert war, rangierte seine Partei damals in den Umfragen bleischwer bei nur 15 Prozent – weit hinter der Union, aber auch klar hinter den Grünen. Alle Zeichen der Zeit standen damals auf Schwarz-Grün. Die SPD ist somit nicht der strahlende Sieger aus eigener Stärke, sondern Profiteur des historischen Versagens zweier Parteien, die alle Möglichkeiten hatten, es unter sich auszumachen.

In erster Linie versagte die CDU/CSU: Ihr Wahlergebnis ist das mit Abstand schlechteste in der Geschichte der Union. Verantwortlich für das Scheitern war zunächst eine absolute Selbstüberschätzung: In völliger Verkennung der Lage setzte man auf den falschen Kandidaten. Die Schwäche der SPD, so die Ironie der Geschichte, verleitete die CDU-Spitze zu dem Trugschluss, als Kanzlerpartei gewinnen wir sowieso, ganz egal, welches Gesicht auf den Plakaten prangt. Die Machtmaschine CDU/CSU hat über der Auseinandersetzung zwischen Markus Söder und Laschet ihren alten Machtinstinkt verloren.

Diese Siegessicherheit hat sich bitter gerächt. Oder genauer: Sie wurde bitter gerächt. Und zwar von niemand anderem als dem unterlegenen CSU-Chef, der im Wahlkampf nie loyal zu Laschet stand. Die CDU musste die Erfahrung machen, dass wer einen geschlagenen Markus Söder in den eigenen Reihen hat, keine Feinde mehr braucht. Der „Wahlkampf“ der Union wurde so zu einem Prozess fortgesetzter Selbstzerstörung, für den es nicht einmal einen Rezo brauchte.

Der eigentliche Kipppunkt war jedoch Laschets Lachen in der Flutkatastrophe. Von diesem Bild hat er sich nie wieder erholt. Stattdessen begann der Aufstieg des Olaf Scholz – und gerade nicht der der Grünen, obwohl die Flut ihnen eigentlich in ihr Thema spielte. Doch Annalena Baerbock hatte sich mit ihrem geschönten Lebenslauf und den Plagiaten in ihrem Buch zu diesem Zeitpunkt längst selbst aus dem Rennen um die Kanzlerschaft genommen.

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Ein gewaltbereiter „Schwarzer Block“ aus dem der rote Schirm gleich zu schlagen anfängt ?

Diesem Ziel werden in der kommenden Dreierkonstellation massive Widerstände entgegenstehen. Wegen des historischen Absturzes der Union und der großen Gewinne der SPD spricht schon jetzt alles für die Ampel. Dass sich alles auf diese Koalition konzentriert, ist nur eine Frage der Zeit: sobald die Proteste gegen eine Kanzlerschaft von Armin Laschet auch in den Reihen der Union überhandnehmen.

Und dass die FDP zum zweiten Mal nach Jamaika 2017 eine Dreierkoalition ausschließt, ist nahezu ausgeschlossen. Denn nichts verlangt die Wählerschaft der FDP mehr, als an der Regierung beteiligt zu sein. Und Christian Lindner hat dies schon vor geraumer Zeit ausdrücklich versprochen.

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Grafgikquellen   :

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Aus den Finanzcasino

Erstellt von DL-Redaktion am 2. September 2021

Ein Herz für Reiche

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Von Ulrike Herrmann

Armin Laschet behauptet, dass der Soli für Wohlhabende verfassungswidrig sei. Das ist falsch. Doch im TV-Triell wird diese Fehldeutung als Fakt verkauft.

Beim Triell ist Moderatorin Pinar Atalay ein grober Schnitzer unterlaufen. Atalay ist eigentlich eine gut informierte TV-Journalistin, aber an einer Stelle war sie nicht faktensicher. Als es um die Steuern ging, stellte sie Unionskandidaten Laschet keine echte Frage – sondern betete einfach nach, was CDU und FDP gern permanent behaupten. Atalay unterstellte, dass der „Soli“ sowieso abgeschafft werden muss, weil er verfassungswidrig sei. Das ist falsch.

Richtig ist: Die FDP hat beim Bundesverfassungsgericht eine Klage eingereicht, um den Soli zu kippen. Aber eine Entscheidung steht noch aus – und es wäre höchst erstaunlich, wenn die Verfassungsrichter den Soli beanstanden würden. Er ist nämlich eine normale Steuer, und es wäre ein schwerer Eingriff in die Hoheitsrechte des Parlaments, wenn die Richter den Soli verbannen ­würden.

Das Thema ist so brisant, weil der Soli nur noch von den Reichen gezahlt wird, denn für die unteren 90 Prozent der Steuerzahler wurde er bereits abgeschafft. Falls der Soli komplett entfällt, würden also nur die Wohlhabenden beschenkt, die dann im Jahr rund 10 Milliarden Euro bei den Steuern sparen könnten.

Der Solidaritätszuschlag ist eine komplizierte Konstruktion und hat eine wechselvolle Geschichte. Dieses Durcheinander nutzen Union und FDP, um die Wähler zu verwirren. Daher ist eine Rückschau unumgänglich.

Nur Reiche zahlen noch den Soli

Der Soli wurde erstmals im Juli 1991 eingeführt und war damals auf ein Jahr befristet. Die Zulage betrug 7,5 Prozent der gezahlten Einkommen- und Körperschaftsteuer, und dieses Geld sollte unter anderem den Golfkrieg finanzieren. Aber auch Kosten der deutschen Einheit und Hilfen für Osteuropa sollten aus dem Zusatztopf gedeckt werden.

Wie geplant lief dieser Soli am 1. Juli 1992 aus, doch ab 1995 wurde er erneut eingeführt. Wieder lag der Satz bei 7,5 Prozent, aber diesmal sollten die Gelder allein der deutschen Einheit dienen. 1998 sank der Soli dann auf 5,5 Prozent, und bei dieser Höhe ist es seither geblieben.

Der Soli ist eine normale Steuer. Und über Steuern entscheidet das Parlament, kein Verfassungsgericht

Jahrzehntelang bewegte sich beim Soli dann nichts mehr – bis die Große Koalition beschloss, die unteren 90 Prozent der Steuerzahler ab Januar 2021 vom Soli zu befreien. Dieses Datum ist übrigens kein Zufall. Denn im September 2021 stehen bekanntlich Bundestagswahlen an, so dass sich danach eine neue Regierung mit dem ungelösten Problem herumschlagen darf, wie sich die Einnahmeausfälle kompensieren lassen. Die breite Bevölkerung hat nämlich bisher jährlich etwa 10 Milliarden Euro zum Soli beigesteuert. Dieses Geld fehlt jetzt, und eine seriöse Gegen­finanzierung gibt es nicht.

2018-12-07 Armin Laschet CDU Pateitag in Hamburg-2500.jpg

Es wäre also Wahnsinn, das Finanzloch noch zu vergrößern, indem der Soli auch für die Reichen entfällt. Zudem wäre politisch gar nicht zu vermitteln, warum die Wohlhabenden noch weiter beschenkt werden müssen, denn sie wurden schon äußerst üppig bedient.

Entlastungen für Reiche sind unpopulär

Ein paar Beispiele: In den vergangenen zwanzig Jahren wurde der Spitzensatz bei der Einkommensteuer von 53 auf 42 Prozent gesenkt; die Körperschaftsteuer für Unternehmen fiel auf 15 Prozent; auf Zinsen und Dividenden muss nur noch eine Abgeltungsteuer von 25 Prozent gezahlt werden; und die Erbschaftsteuer wurde so reformiert, dass Firmenerben meist gar nichts abführen müssen, selbst wenn sie milliardenschwere Unternehmen übernehmen.

Die Reichen wurden umfangreich bedacht – obwohl sie sowieso ständig reicher werden. Vom Wachstum der vergangenen zwanzig Jahre haben vor allem die Wohlhabenden profitiert. Seit der Jahrtausendwende sind die realen Einkommen des reichsten Zehntels um 25 Prozent gestiegen, während die Durchschnittsverdiener nur auf ein Plus von etwa 12 Prozent kamen. Das ärmste Zehntel hat sogar verloren: Sie erhalten jetzt 2 Prozent weniger als vor zwanzig Jahren.

Quelle          :         TAZ-online          >>>>>         weiterlesen

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Grafikquelle       :      Ulrike Herrmann (taz, Berlin) und Markus Pühringer (Grüne) beim Querdenken #18 („Der Sieg des Kapitals“) in Linz

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Ende des Neoliberalismus

Erstellt von DL-Redaktion am 28. Juli 2021

„Das definitive Ende des Neoliberalismus“

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Interview Barbara Junge und Ulrike Winkelmann

In der Krise begreifen die Menschen, dass sie einander brauchen, sagt der Soziologe Heinz Bude. Nur die Parteien hätten das noch nicht verstanden.

taz: Herr Bude, was vermuten Sie: Ist das Thema Klima mittlerweile im Wahlkampf angekommen?

Heinz Bude: Mit der Pandemie und dem Unwetter sind wir in der neuen Normalität auf unserem Planeten angekommen, die von erwartbaren Unerwartbarkeiten bestimmt ist. Wie sich die Globalisierung unserer Kontakte und der Anstieg der mittleren Erderwärmung konkret auswirken, wissen wir nicht und das kann uns auch niemand sagen.

Aber Leugner und Nichtleugner der niederfahrenden Ereignisse stimmen darin überein, dass der Boden des Selbstverständlichen brüchig geworden ist. Und zwar nicht, weil das irgendwelche Experten sagen, sondern weil wir das alle so empfinden. Daher rührt die sortierte Skepsis im Wahlvolk. Und zwar in jeder Richtung.

Wer in dieser Situation den großen Aufbruch predigt, geht genauso am Em­pfinden der Leute vorbei, wie die Stillhalter, die auf die Sehnsucht nach Ruhe und Sicherheit in den kleinen Lebenswelten setzen. Es geht um die widersprüchliche Einheit von Aufbruch und Rückkehr. Darin steckt ein anspruchsvoller Begriff von Transformation, der Wirtschaft, Wissenschaft und Politik auf eine neue und andere Weise anein­ander bindet.

Moment, aber was ist mit der Wechselstimmung, die auch zu Hochzeiten der Pandemie gemessen wurde und durch Klimaängste jetzt erneut da ist?

Das halte ich für illusionär. Die Leute wollen doch jetzt nicht in eine Welt, die für sie völlig unbekannt ist. Sie wollen sich nicht „Yes we can“ zurufen lassen, aber auch nicht aufs „Wir schaffen das schon“ einstimmen lassen.

Ein Begriff, der mich seit einiger Zeit sehr beschäftigt, ist der des gemeinsamen Lebens. Ich glaube, das ist der Horizont für all das, was uns interessiert, sowohl die Wiedererlangung alltäglicher Verlässlichkeiten nach einer wirklich existenziell einschneidenden Pandemie, als auch die Umstellungen im institutionellen Setting wie im persönlichen Verhalten im Blick auf eine andere Gesellschaft.

Und ich finde, wir haben jetzt alle gemerkt, untergründig, wie wertvoll ein Empfinden des gemeinsamen Lebens ist. Ich meine nicht, dass man auf die Straße geht oder dass man sich in einem dauernden öffentlichen Austausch befinden soll, sondern, dass Menschen einander Halt geben, die sich überhaupt nicht kennen, vielleicht auch gar nicht kennenlernen wollen.

Aber die sich nach Ritualen treffen und einander wahrnehmen. Wir bestätigen uns gegenseitig darin, dass wir Wir sind. Das ist eine Botschaft, die das definitive Ende des Neoliberalismus markiert.

Wir haben nicht den Eindruck, dass die Gesellschaft in letzter Zeit so auf Gemeinsamkeit aus war. Eher, dass viele nichts anderes zu tun haben, als sich voneinander abzugrenzen.

Ich glaube eben, dass die Gegenüberstellung von öffentlich und privat uns nicht mehr weiterbringt, weil wir jetzt etwas mitgekriegt haben, das in unser privates wie unser öffentliches Leben eingreift. Und wir wussten, wir meistern diese Bedrohung nicht, wenn wir nur in unserem einzelnen privaten Leben steckenbleiben.

Und wir sehen aber auch, dass das nicht einfach durch ein öffentliches Räsonieren zu lösen ist. Wir haben ein geteiltes Empfinden, dass wir hier gemeinsam auf einer Erde leben, die offenbar Gefahren heraufbeschwören kann, von denen wir bislang nur irgendwo gelesen hatten. Diese Erschütterung zeigt uns, dass einem weder relativer Wohlstand noch passable Bildung Schutz bietet.

Aber wo entsteht daraus die Gemeinsamkeit? Eine offensichtliche Folge der Pandemie ist doch zum Beispiel, dass die Leute sogar noch mehr Auto fahren als vorher, statt den öffentlichen Verkehr zu nutzen.

Heinz Bude (16739644118).jpg

Das meine ich. Die Grundangst ist im Augenblick, dass sich das gemeinsame Leben nicht von selbst wiedereinstellt. In einer Extremwetterlage von Sturm, Niederschlag oder Hitze oder unter der Bedingung der unaufhörlichen Mutation eines toxischen Virus bedürfen, etwas altmodisch ausgedrückt, die Menschen einander als Mitmenschen.

Solche Grundsatz- und Grundangst-Fragen passen aber nicht in die letzten paar Wochen vor einer Wahl, für die es dringend eine griffige Veränderungserzählung braucht.

Ja, wir müssen zurückkehren an einen Ort, an dem wir noch nicht waren. Das scheint mir genau das Problem. Wir wollen Rückkehr in ein normales Leben. Aber wenn wir ganz ehrlich sind, wissen wir, dass die Normalität, die wir dann haben werden, eine andere Normalität sein wird und neue Formen des Zusammenwirkens nötig macht. Ich weiß, was Sie jetzt beide sagen wollen – und nein, ich finde auch nicht, dass irgendeiner der politischen Anbieter dieses Problem schon verstanden hat.

Aber welche der Parteien hat denn die Aufgabe, die sich stellt, wenigstens ein bisschen verstanden?

Quelle        :       TAZ -online          >>>>>       weiterlesen

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Grafikquelle      :

Oben      —     Friedrich Merz auf dem 28. Politischen Aschermittwoch der CDU Thüringen am 26. Februar 2020 in Apolda

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Unten      —       Heinz Bude (Soziologe, Universität Kassel), Foto: <a href=“http://www.stephan-roehl.de“ rel=“nofollow“>Stephan Röhl</a> Die öko-soziale Frage – Kongress „Auf der Suche nach der grünen Erzählung II“ in der Heinrich-Böll-Stiftung Berlin

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German-Angst: Ansteckung

Erstellt von DL-Redaktion am 26. Juli 2021

Corona: Die Angst vor Ungeimpfte ist unbegründet

File:Kurt Fluri (2019).jpg

Quelle      :        INFOsperber CH.

Urs P. Gasche /   

Geimpfte sind vor schweren Erkrankungen fast ganz geschützt. Und die Spitäler sind von einer Überlastung weit entfernt.

Trotzdem häufen sich die Forderungen:

  • «Restaurantbesuche eventuell nur noch mit Covid-Zertifikat»
    sagt Anne Lévy, Direktorin BAG
  • «Zutritt zu kleineren Veranstaltungen und zu Arbeitsplätzen nur noch mit Covid-Zertifikat»
    fordert Christoph Berger, Präsident der Eidgenössischen Impfkommission
  • «Generelle Aussperrung Ungeimpfter von Restaurants und Veranstaltungen»
    verlangt FDP-Nationalrat Kurt Fluri
    (Alle Zitate laut NZZ vom 22. Juli)

Hinter diesen heftig diskutierten Forderungen können – rational gesehen – wohl nur drei unterschiedliche Motive stecken:

  1. Die Geimpften befürchten, von Ungeimpften angesteckt zu werden. Deshalb wollen sie möglichst keinen Ungeimpften begegnen.
  2. Behörden und Experten glauben selber nicht an ihre öffentlichen Aussagen, dass die Corona-Impfungen in allen Altersgruppen sehr wirksam sind.
  3. Behörden und Experten befürchten, die Delta- oder eine andere neue Variante des Virus könnte sich unter Ungeimpften exponentiell verbreiten und die Spitäler wieder überlasten.

Was davon zutreffen dürfte und was nicht, und wo Unsicherheiten bestehen, soll im Folgenden nach dem aktuellen Stand des Wissens dargestellt werden.

1. und 2.:  Die Angst vor Ansteckung

Wie gross das Risiko für Geimpfte ist, sich erneut mit Sars-Cov-2 anzustecken, hängt wesentlich davon ab, wie gut die Impfungen auch gegen die neuen Varianten schützen. In Israel und den USA – wo dies statistisch erfasst wird – werden überraschend viele Geimpfte wieder positiv getestet. Auch an Schweizer Testorten ist zu erfahren, dass sowohl ein- wie auch zweimal Geimpfte immer mal wieder positiv getestet wurden. Genaue Zahlen sind erstaunlicherweise weder beim BAG noch bei der Task Force erhältlich.

Doch Meldungen wie beispielsweise «viele Geimpfte wieder infiziert» oder «immer mehr neue Fälle unter Geimpften» verunsichern oder verängstigen die Bevölkerung unnötig. Denn es handelt sich lediglich um positive Testresultate. Diese sind aber so lange irrelevant, als die erneuten Virenübertragungen bei den Geimpften zu keinen oder höchstens zu unbedeutenden Symptomen führen, jedoch zu keinen schweren Krankheitsverläufen. Berichte über neue «Ausbrüche» unter Geimpften würden «keinesfalls bedeuten», dass die Impfung nicht wirke, erklärte denn auch Anthony S. Fauci am 22. Juli: «Der Erfolg der Impfungen liegt darin, dass sie Erkrankungen verhindern.» Fauci ist der oberste Pandemiebeauftragte von US-Präsident Joe Biden.

Nach heutigem Wissen haben Geimpfte auch nach einer Infektion mit der Delta-Variante ein sehr geringes Risiko, schwer zu erkranken oder hospitalisiert zu werden. «Ganz ausgeschlossen» ist nie etwas. Aber Massnahmen für die Allgemeinheit können sich nicht auf extreme Ausnahmefälle stützen.

Es ist ein berechtiges Anliegen der Geimpften, sich wieder frei bewegen zu können. Denn die Geimpften sind nach Angaben der Nationalen Covid-19 Science Taskforce für mindestens zwölf Monate vor ernsthaften Erkrankungen geschützt. Es gibt also nach heutigem Wissen keinen rationalen Grund, dass die Geimpften vor Ungeimpften Angst haben – jedenfalls nicht mehr Angst als vor anderen Risiken und Gefahren, denen sie täglich begegnen. Das Restrisiko für die Geimpften, erneut schwer krank zu werden, ist gesamtgesellschaftlich zu gering, um Ungeimpften den Besuch von Restaurants oder von Veranstaltungen zu erschweren oder sogar zu verbieten.[1]

Die Meinung von Geimpften, die finden, wenn sie schon das Risiko einer Impfung eingingen, dann müssten sie gegenüber Ungeimpften bevorzugt werden, kann keine Massnahmen rechtfertigen.

2. Delta-Variante könnte zu Spitalüberlastungen führen

Für die Ungeimpften andererseits ist die Wahrscheinlichkeit gross, sich spätestens im nächsten Winter an Veranstaltungen, in Restaurants oder bei Ansammlungen in geschlossenen Räumen mit der Delta-Variante des Virus anzustecken. Doch ein Risiko, schwer zu erkranken und sogar hospitalisiert zu werden, besteht unverändert fast nur bei Personen in sehr hohem Alter oder mit schweren Vorerkrankungen wie beispielsweise Diabetes, Herz- oder Lungenkrankheiten.[2]

Entscheidend für Prognosen über künftige Spitalüberlastungen ist deshalb, wie gross der Anteil dieser ungeimpften Risikopersonen in den verschiedenen Altersgruppen noch ist – und wie viele dieser Personen sich im Ernstfall für eine Hospitalisation entscheiden würden. Doch ausgerechnet zu dieser wichtigen Frage, dem Anteil der ungeimpften Risikogruppen, haben weder Behörden noch die Task Force repräsentative Zahlen erfasst oder wissenschaftliche Abklärungen in Auftrag gegeben.

Kürzlich verbreitete die Task Force medienwirksam, dass eine vierte Welle zu noch mehr Hospitalisierungen führen könne als die zweite Welle. In ihren Berechnungen ging sie aber davon aus, dass der Anteil der besonders gefährdeten ungeimpften Risikogruppen in den verschiedenen Altersklassen immer noch gleich gross ist wie vor der Impfkampagne. Die Tatsache, dass der Anteil der Risikogruppen nach der Impfkampagne kleiner geworden ist, ignorierte die Task Force kommentarlos.

Es ist wahrscheinlicher, dass sich in allen Altersklassen vor allem jene Leute haben impfen lassen, die wegen Vorerkrankungen oder starkem Übergewicht ein viel höheres Risiko haben, wegen Covid-19 schwer zu erkranken. Für diese Risikogruppen ist der persönliche Nutzen der Impfung ungleich grösser als für Gesunde. Aus diesem Grund hatten sie bei den Impfungen auch Vorrang, als die Impfstoffe noch knapp waren.

Behörden und Experten unterlassen es jedoch, ihre gegenwärtigen Impfaufrufe und Impfkampagnen prioritär an die Risikogruppen zu richten. Sie betonen nicht, dass von allen schweren Covid-19-Erkrankungen zu 80 bis 90 Prozent Personen mit Vorerkrankungen betroffen sind, und erwecken den falschen Eindruck, dass das Risiko von Covid-19 für alle Menschen etwa gleich sei.

Personen, die sich aus medizinischen Gründen nicht impfen lassen können, sind eine ganz kleine Minderheit. Alle anderen Männer und Frauen mit einem erhöhten Risiko, an Covid-19 schwer zu erkranken, hatten in der Schweiz inzwischen die Möglichkeit, sich impfen zu lassen. Die meisten werden es im eigenen Interesse getan haben, auch wenn keine Erhebungen dazu vorliegen. Das macht es eher unwahrscheinlich, dass die weitere Ausbreitung des Virus zu Engpässen in Spitälern führen wird.

Um freiheitsbeschränkende Massnahmen für Ungeimpfte zu rechtfertigen, genügt die blosse Möglichkeit einer Überlastung des Gesundheitssystems nicht. Die Behörden müssen begründet darlegen, wie wahrscheinlich eine solche Überlastung ist. Oder anders ausgedrückt: Zu erwartende stark steigende Fallzahlen unter den Ungeimpften rechtfertigen nur dann Restaurant- und Veranstaltungsverbote, wenn eine reale Gefahr besteht, dass die Spitäler überlastet werden.

Alle, die ungeimpft bleiben – die meisten von ihnen freiwillig –, müssen damit rechnen, sich mit Sars-CoV-2 anzustecken. Das Risiko, dass dann Geimpfte von ihnen angesteckt werden und schwer erkranken, ist klein (siehe Punkt 1). Ein «nicht auszuschliessendes» Risiko rechtfertigt keine Einschränkungen der Bewegungsfreiheit für Ungeimpfte. Ebensowenig die Haltung «Ich bin geimpft, was kümmern mich Schikanen gegen die Impfmuffel». Verhältnismässig bleibt allenfalls, Schnelltests zu verlangen, wenn es um Eintritte für Anlässe in geschlossenen Räumen geht.

Erwachsene Ungeimpfte können das Risiko einer eigenen Ansteckung und einer allfälligen schweren Erkrankung verringern, indem sie die Gesellschaft in geschlossenen und ungenügend belüfteten Räumen meiden sowie generell Abstand halten, Masken tragen und die Hygieneregeln einhalten. Wenn sie dies nicht tun oder an bestimmten Arbeitsplätzen nicht tun können, nehmen sie das Risiko einer Ansteckung in Kauf. Auch die Erkrankten und Genesenen tragen zur Immunisierung der Bevölkerung bei und nicht nur die Geimpften – wie in letzter Zeit oft der Eindruck erweckt wird.

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Die wohl wichtigste Massnahme zum Vermeiden künftiger Spitalengpässe besteht darin, die Risikogruppen über deren stark erhöhtes Risiko einer schweren Erkrankung aufzuklären und ihnen den grossen persönlichen Nutzen einer Impfung darzulegen. Diese Aufklärung muss sich insbesondere auch an noch wenig informierte Randgruppen richten.

Rational nicht begründbare Ausgrenzungen

Das geringe Risiko der Geimpften, nach einer Ansteckung mit Corona ernsthaft zu erkranken, sowie die ungenügend belegte Wahrscheinlichkeit, dass es in Spitälern erneut zu Engpässen kommen wird, rechtfertigen eine «generelle Aussperrung Ungeimpfter von Restaurants und Veranstaltungen» nicht, wie sie FDP-Nationalrat Kurt Fluri forderte. Auch für Restaurantbesuche ein Covid-Zertifikat zu verlangen, wie es BAG-Direktorin Anne Lévy erwägt, wäre eine unverhältnismässige Vorschrift. Ebenso unverhältnismässig wären Covid-Zertifikate für kleine Veranstaltungen und sogar für den Zugang zu Arbeitsplätzen, wie sie Christoph Berger als Präsident der Eidgenössischen Impfkommission wünscht.

FUSSNOTEN

[1] Zudem liesse sich die potenzielle Ansteckungsgefahr  reduzieren, wenn alle, die akute Krankheitssymptome haben, einfach zu Hause bleiben würden. Denn nebst den Coronaviren zirkulieren noch andere Viren und Bakterien, die ansteckend sind und vor denen die Covid-Impfung nicht schützt. Gegen Corona geimpfte Personen, die beispielsweise eine banale Erkältung oder auch eine Grippe haben, dürften aber weiterhin ins Restaurant und könnten dort andere anstecken.
[2] In den USA hatten 95 Prozent der Personen, die mit Covid hospitalisiert wurden, mindestens einen Risikofaktor, 40 Prozent hatten sogar zwei bis fünf Risikofaktoren. Von 1000 Personen, die dort künstlich beatmet wurden, hatten statistisch fast 950 mindestens zwei Risikofaktoren. (Quelle: hier, Tabelle 1)

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Unten     —     Nationalrat Kurt Fluri, Solothurn, redet an einer Delegiertenversammlung der FDP.Die Liberalen Schweiz in Baden.

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Ende der schwarzen Null

Erstellt von DL-Redaktion am 22. Mai 2021

Die neue Lust am Schulden machen – nur, wofür?

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Den hat bestimmt Niemand gerufen – aber er fühlt sich Berufen !

Eine Kolumne von Thomas Fricke

Von Joe Biden bis Christian Lindner – höhere Staatsdefizite scheint kaum jemand mehr schlimm zu finden. Doch das ist längst nicht immer gut.

Es liegt etwas von stiller Revolution in der Luft. Über Jahre schien im Land des Wolfgang Schäuble nichts sicherer als das: Der Staat hat gefälligst keine Schulden zu machen. Dass die schwäbische Hausfrau vormacht, wie es geht. Dass man nichts ausgeben soll, was man vorher nicht verdient hat. Widerrede? Canceln.

Nun ist nicht nur pandemiebedingt die schwarze Null als Leitzahl verschwunden – weil die Regierung etliches Geld aufwenden musste, um die Coronarezession via Kurzarbeitergeld und Steuerentlastung aufzufangen. Was gut war. Es scheint sich zunehmend auch der Gedanke breitzumachen, wonach es neben Pandemien noch andere Gründe geben kann, staatliche Schulden aufzunehmen – wenn es einem guten Zweck dient. Die Frage ist eher, was gut ist – und was nicht.

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Typisch deutsche Arroganz?

Erstellt von DL-Redaktion am 27. Februar 2021

Überwachung von Chinesen in Deutschland

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Solche Politiker finden sicher nicht einmal China oder Hongkong mit ihren Fingern auf der Landkarte, geschweige waren jemals vor Ort. Ach ja- Die Schläger- oder Schieß- wütigen  Uniformierten sind in den Ländern Identisch. 

Quelle       :      Scharf  —   Links

Ein Kommentar von Georg Korfmacher, München

Völlig abgehoben und jenseits von Gut und Böse fordert die FDP laut einem Bericht der Süddeutschen Zeitung, dass das Innenministerium und die Geheimdienste eine Strategie bräuchten, „um Exil-Chinesen und Exil-Hongkonger effektiv zu schützen“. In welcher Welt lebt die Vorsitzende des Menschenrechtsausschusses des Bundestages, Gyde Jensen (FDP)? Haben wir ein GG oder sind wir ein rechtsfreier Staat? Die von der FDP hochgetakelte Bedrohung durch China soll gar alle im Ausland lebenden chinesischen Staatsbürger treffen. Und das ganze Trara, obwohl sie eigentlich wissen müsste, dass laut Innenministerium Erkenntnisse über eine „konkrete Gefährdung“ nicht vorliegen.

Die Ignoranz und Verwirrung von Bundestagsausschuss und Innenministerium sind erschreckend. Seit 50 Jahren rennen deutsche Industrie und Handel den Chinesen die Türen ein, um nur ja an gut und günstige Produkte und Absatzmärkte zu kommen. Soeben erklärt Daimler stolz, dass der glänzende Gewinn in 2020 auf den Verkäufen in China (und auf dem Abbau beim eigenen Personal) beruhe. Und in diesem Gesamtbild wird die Rückkehr der „britischen Kronkolonie“ in ihr Mutterland China zur Bedrohung aller Chinesen in Deutschland umfunktioniert. Damit verunsichern und diskriminieren FDP und Innenministerium alle hier redlich und mit Fleiß arbeitenden und lebenden Chinesen. Sie genießen bereits den Schutz unserer Gesetze und fühlen sich bei uns offenbar ebenso wohl bis heimisch wie z.B. Italiener oder Franzosen. Tu felix Germania!

HongKong ist nicht das einzige Beispiel für Komplikationen bei der Rückkehr von Kolonialeroberungen in das Mutterland oder zur Selbständigkeit. „Heim ins Reich“ ist gar nicht solange her! Und so wie Algerien, Indien und zahlreiche andere Gebiete sich von ihrer Kolonialherrschaft befreit haben, gehört jetzt auch HongKong nicht nur territorial sondern auch als Provinz wieder und wie eh und je zu China. Und die Mehrheit der in HonKong lebenden Menschen begrüßt diese Wiedervereinigung, die sicherlich mit einigen Umstellungen verbunden ist. Damit haben wir hier ja hinreichend eigene Erfahrung.

Anstatt nicht nachgewiesene Bedrohungen zu beschwören und Geheimdienste zu mobilisieren, sollten unsere Politiker China auf Augenhöhe und mit Respekt begegnen. Diese Land hat mit seinem sozialistischen Regime zur Freude und zum Wohlergehen des deutschen Handels und der Industrie in nur 40 Jahren eine Entwicklung wie noch kein Land auf dieser Erde geschafft. Die weit überwiegende Mehrheit der Menschen dort stehen hinter ihrer Führung, unabhängig davon, ob wir das verstehen oder nicht. Unzufriedene gibt es überall.

Chinesen in Deutschland werden im Rahmen der hier geltenden Gesetze nicht mehr „überwacht“ als Deutsche im Ausland, die sich auffällig störend benehmen. Einige Politiker sollten endlich begreifen, dass sie das Schießpulver nicht erfunden haben. Aber vielleicht schießen sie ja deshalb nur mit effektheischenden Platzpatronen. Das bringt uns in der heute mehr denn je wichtigen Völkerverständigung aber nicht weiter. Chinesen in Deutschland brauchen weder Überwachung noch besonderen Schutz über unser geltendes Recht hinaus.

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Gespenster der CDU

Erstellt von DL-Redaktion am 28. Januar 2021

CDU und Konservativismus in Deutschland

Von Stefan Reinecke

Die Niederlage von Friedrich Merz zeigt: Die gutbürgerliche Welt mit ihrem festen Wertekanon taugt nicht mehr als Identitätsmarkierung für die Union.

Die Wende der CDU nach rechts, zum Zackigen, auch Unberechenbaren fällt aus. Auch manche, die früher zum rechten Flügel gehörten, misstrauen der konservativen Versuchung, die Friedrich Merz verkörpert. Denn die andere Seite des schneidig Entschlossenen ist das Verstaubte, aus der Zeit Gefallene. Bei Merz kam das überdeutlich zum Vorschein, als er „die Sache mit den Frauen“ ansprach und gegen sein Image, „ein Frauenproblem“ zu haben, seine Gattin und Töchter anführte. 2017 haben nur 29 Prozent der Männer, aber 37 Prozent der Frauen die Union gewählt. Da kann man sich keinen Chef leisten, der klingt, als käme er aus dem Kegelclub in Brilon anno 1985.

Armin Laschet hat suggestiv die Gefahren beschworen, die eine konservative Wende für die CDU bedeuten und die Polarisierung (also Merz) mit Trump und dem Sturm auf das Kapitol assoziiert. Die Merkel-Union ist international gesehen fast ein Unikat: Die Republikaner in den USA haben einen Pakt mit dem Rechtspopulismus geschlossen. Die Tories sind mit Boris Johnson auf regressiv-nationalistischem Kurs. In Frankreich und Italien sind die Konservativen und Christdemokraten an den Rand gedrängt worden. Das, so Laschets subtil eingeflochtene Drohung, blüht auch hier, wenn die CDU von Merkels Mitte-Kurs abweicht.

Die Entscheidung für Laschet und gegen Merz fügt sich nahtlos in die Geschichte der Union ein. An historischen Wegmarken hat sie sich stets für das Pragmatische, Mittige entschieden – und gegen die konservative Richtung. Die CDU war von Beginn an eine Sammlungsbewegung von beachtlicher inhaltlicher Unschärfe. Ihr erstes Grundsatzprogramm verabschiedete sie 1978, mehr als 30 Jahre nach ihrer Gründung. Unter Helmut Kohl blieb die geistig-moralische Wende ebenso aus wie die neoliberale Revolution von Thatcher und Reagan. Für Kohl war, was Merkels Kritiker heute gern vergessen, die Mitte der magische Ort bundesdeutscher Politik.

Die Bedingungen für eine konservative Wende sind seit Kohls Zeiten nicht besser geworden. Denn die Konservativen brauchen zweierlei – einen Gegner und eine traditionelle Kultur, die es zu verteidigen gilt. Mit den Feinden sieht es seit dem Untergang des Realsozialismus 1989 und der Integration der 68er in das bundesdeutsche Selbstverständnis nicht gut aus. Alexander Dobrindts Versuch, eine „konservative Revolution“ anzuzetteln und die 68er doch noch zu besiegen, war ein PR-Gag, der im Altpapier landete. Für den Kampf gegen den rechtspopulistischen Angriff auf die Demokratie sind die Konservativen nur bedingt zu gebrauchen. Immerhin haben zwei intellektuelle Galionsfiguren der CDU-Rechten, Alexander Gauland und Konrad Adam, die AfD mitbegründet.

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Bewaffnet mit roten Schirm, Schal – Raubritter vereinigt euch

Der tiefere Grund für Merz‘ Scheitern ist kultureller Art. Die gutbürgerliche Welt mit ihrem festen Wertekanon – Heimatliebe und Patriotismus, Kirchgang und Staatstreue – taugt nicht mehr als Identitätsmarkierung für die Christdemokraten. Das früher scharf zu Unterschicht und Proletariat abgegrenzte bürgerliche Milieu ist prekär geworden: Es existiert im Modus des Verfalls. Wie schwankend das bürgerliche Wertegerüst von Ehre und Tugend geworden ist, zeigte Kohl selbst, als er in der Spendenaffäre sein Ehrenwort über das Gesetz stellte.

Auch die Klage der Konservativen, dass Merkel die Union an den rot-grünen Zeitgeist verraten habe, hat etwas Unscharfes. Als Beispiele werden meist der Mindestlohn, die Abschaffung der Wehrpflicht, der Ausstieg aus der Atomkraft und der Flüchtlingsherbst 2015 genannt. Doch auch CDU-Rechte wollten nach Fukushima die AKWs abschalten. Die Wehrpflicht hat ein CSU-Minister abgeschafft. Beim Mindestlohn waren die Konservativen gespalten. Verrat ist zudem ein Wort der Linken, die mannigfach Renegaten und Dissidenten produziert hat. Verrat setzt die Fallhöhe von Vision und Wirklichkeit voraus. Die CDU, deren Kernkompetenz die Anpassung an die Umstände ist, ist angesichts ihres Mangels an Idealen für Verrat eher ungeeignet. Eigentlich könnte sie sich in PPP umbenennen – „Partei für postideologisches Problemlösen“.

Quelle     :       TAZ        >>>>>       weiterlesen


Grafikquellen      :

Oben       –        DL / privat  – CC BY-SA 3.0


Unten     —   This image is a work of a U.S. military or Department of Defense employee, taken or made as part of that person’s official duties. As a work of the U.S. federal government, the image is in the public domain in the United States.  :

Source Defenseimagery.mil, VIRIN DF-ST-91-03542
Author SSGT F. Lee Corkran
Description
Deutsch: Vorsitzender des DDR-Ministerrates Hans Modrow, Bundesministerin für innerdeutsche Beziehungen Dorothee Wilms, Bundeskanzler Helmut Kohl und der Regierende Bürgermeister Walter Momper (West-Berlin) während der Öffnung des Brandenburger Tores am 22. Dezember 1989. Im Hintergrund zwischen Kohl und Momper der Oberbürgermeister Erhard Krack (Ost-Berlin); vor Momper dessen Tochter Friederike. Rechts daneben: Walter ScheelOtto Graf Lambsdorff und Hans-Dietrich Genscher.

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Sie merken es einfach nicht

Erstellt von DL-Redaktion am 23. September 2020

Lindner, Merz und ihresgleichen

In der Republik macht er den Republikaner und läuft frei herum ?

Eine Kolumne von Margarete Stokowski

Männer wie Lindner oder Merz kommen mit ihren Sprüchen durch, weil sie das gequälte Lächeln ihres Publikums für Beifall halten können. Sie brauchen aber Widerspruch. Der Feminismus kann da vom Hundetraining lernen.

Manchmal hat man als einzelner Mensch das Gefühl, in der Welt nicht so viel ausrichten zu können. Man benutzt immer schön Baumwollbeutel, und es ist immer noch Plastik im Meer; man spendet hier und da, und es ist immer noch Kapitalismus. Es gibt aber auch Dinge, die wir alle tun können, ja müssen, um die Welt zu einem besseren Ort zu machen, und es kostet nicht viel Aufwand außer ein bisschen Beharrlichkeit: peinliche Männer aufhalten, die im Rückwärtsgang nach vorne wollen.

Es sind leider so viele, und sie fangen ständig neue Podcasts an. Zum Beispiel die beiden Komiker Florian Schroeder und Serdar Somuncu mit ihrem neuen Radio-Eins-Podcast, der sich mit Wirkungen von Äußerungen in den Medien beschäftigte. Somuncu erklärte darin, er werde rassistische Begriffe benutzen, „solang es nicht unter Strafe steht“ und benutzt diese Begriffe dann auch, außerdem gebe es im Internet „Frauen, schlecht gebumste, miese, hässliche Schabracken“, die sich darüber aufregten, konkret: Kolumnistinnen, die „keine Schwänze lutschen können“ und die „noch nicht mal einmal in ihrem Leben nen Pimmel gesehen“ hätten und die man „nicht mal mit ner Pinzette anfassen“ würde. Nun gut. Dass es Menschen gibt, die Feministinnen für ungefickt und hässlich erklären, kennt man seit vielen Jahren. Florian Schroeder kennt das offenbar nicht, denn er lacht sich über Somuncus Pointen schlapp ohne Ende.

Er habe nur „über die Performance“ gelacht, sagte Schroeder später in der Aufarbeitung des Senders. Also: War alles Satire. „Mit welchem Erkenntnisgewinn?“, frage Lea Streisand zu dem Fall in ihrer „taz“-Kolumne völlig zurecht. Wenig überraschend: Es gibt keinen. Somuncu erklärte im Nachhinein, er habe die Absicht, „durch die flächendeckende Beleidigung eine Gerechtigkeit herzustellen“ und lobte seinen Sender „einen unkonventionellen Weg zu gehen“. Leider hat dieser unkonventionelle Weg noch nie funktioniert, denn wenn Beleidigungen Gerechtigkeit herstellen würden, sähe hier alles recht anders aus, und da hilft auch Somuncus Hinweis nicht viel, ein Blick auf das Gesamtwerk der zwei würde hier vieles klären. Man wäre nach Anhörung des Gesamtwerkes wahrscheinlich nur zu lebensunwillig, überhaupt noch etwas zu sagen.

Im Zweifel erklären sie ihren Witz noch mal

Wir alle kennen diese Männer. Sie sagen in Diskussionen gern „ich spiele jetzt mal den Advocatus Diaboli…“, und dann sagen sie exakt das, was sie eh sagen würden, fühlen sich aber dabei als Vertreter einer höheren Macht. Sehr unangenehm. Üblicherweise wird empfohlen, so etwas einfach auszuhalten, aber erstens: Wer hält das aus? Und zweitens: Es geht davon nicht weg. Die einzige Lösung ist, diese Typen aufzuhalten, denn sie vermehren sich und halten an ihren Posten fest, und sie merken nicht von allein, wo das Problem ist. Im Zweifel erklären sie einfach ihren Witz noch mal.

Genau wie Christian Lindner. Der FDP-Chef hatte vor wenigen Tagen die Aufgabe, auf dem Bundesparteitag seine Parteikollegin Linda Teuteberg zu verabschieden, die Generalsekretärin war und damit auf Lindners Wunsch aufhören musste. Keine leichte Aufgabe, das für alle Beteiligten gesichtswahrend hinzukriegen.

Lindner entschied sich für die sexualisierende Variante. Er habe mit Teuteberg rund 300 Mal „den Tag zusammen begonnen“, aber „nicht, was Ihr jetzt denkt!“, sondern telefonierend. Es hilft nicht, dass Lindner dann sagte, er habe diesen Gag nur ersonnen, weil ihn Lacher aus dem Publikum irritiert hätten. Leider waren findige Internetnutzer schnell darin, eine Szene hochzuladen, in der Lindner exakt denselben Witz 2017 mit einer anderen Politikerin machte: „Ich bin heute Morgen wach geworden mit Claudia Roth… entschuldigen Sie, ich habe gesagt mit, nicht neben! Die hatte nämlich heute Morgen ein Interview im Deutschlandfunk.“

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Was ist es, was da so tapsig hervorbricht? Zunächst einmal kommt einem diese Art von Witzen überhaupt erst in den Kopf, wenn man es für eine zulässige erste Assoziation hält: Haha, Frauen, das sind die, mit denen man Sex hat. Zweitens aber muss man auch erwarten, dass das Aussprechen dieser Assoziation den einen oder anderen Lacher bringt, sonst würde man den Gedanken einfach runterwürgen und sich leise schämen.

Schlechter Gag? Nein, die Leute sind schwerhörig

Es ist nicht schön, sich mit dieser Art von Pointen zu beschäftigen, aber sie werden nicht verschwinden, wenn man sie ignoriert. Man nennt dieses Phänomen oft „Altherrenwitze“, aber alle drei Bestandteile des Begriffs hauen nicht hin. „Alt“ haut nicht hin, denn auch junge oder mittelalte Männer machen das. „Herren“ haut nicht hin, weil es im Grunde der Humor verklemmter pubertierender Schüler ist. Und „Witze“ – na ja. Kann man drüber streiten. „Altherrenwitze“ sind nicht der Humor einer ohnehin schon aussterbenden semisenilen Männergeneration, sondern ein Problem von Männern, die nicht genug über Grenzen gelernt haben und damit durchkommen. „Volljährige-Jungs-Pointenversuch“ wäre passender.

Quelle       :          Spiegel-online       >>>>>        weiterlesen

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Oben       —     Caitlin Hardee – FDP-Bundesgeschäftsstelle – Roland Kowalke

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KOLUMNE MACHT

Erstellt von DL-Redaktion am 28. März 2020

Que sera, sera

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Von Bettina Gaus

Es gibt Ereignisse, die alles verändern. Das ist ganz sicher auch bei Corona so, auch wenn außer Christian Lindner niemand weiß, wie genau anders. Doch es gibt auch Dinge, die bleiben. Rassismus zum Beispiel

schernobyl. Der Fall der Mauer. Der 11. September. „Bis ans Ende unseres Lebens werden wir von Corona hören“, stöhnt die Tochter entnervt. Ja, so wird das sein. Komm klar. Keiner Generation sind Ereignisse erspart geblieben, die alle Sicherheiten in Frage stellten. Und die Gesellschaften von Grund auf veränderten. Zum Guten und zum Schlechten.

Über die Frage, welches die einschneidenden, äußeren Geschehnisse in den jeweiligen Biografien waren, können sich Tischrunden zerstreiten – wenn es wieder Tischrunden gibt. Allen Zäsuren ist gemeinsam: Als sie passierten, konnte sich niemand vorstellen, wie die Welt nach dem ersten Schock aussehen würde.

Das gilt auch für Corona. Was steht uns bevor, wenn die akute Krise vorbei ist? Das Ende der Globalisierung. Deren Anfang. Die Verödung der Innenstädte. Die Solidarisierung mit kleinen Geschäften. Der Siegeszug des Nationalen. Die Erkenntnis, dass kein Staat alleine überleben kann. Die Rückkehr der Religion in den Alltag. Die massenhafte Abkehr von Religionen. Die Stigmatisierung der Schwächsten. Der Kampf um und für alte Mütter.

In wenigstens einer Frage herrscht weitgehend Einigkeit: Es wird einen Quantensprung im Bereich der Digitalisierung geben. Konkret? Der FDP-Vorsitzende Christian Lindner hat im Fernsehen angekündigt, dass Präsidiumssitzungen seiner Partei auch nach Corona per Video stattfinden sollen. Keine überflüssigen Dienstreisen mehr.

FDP-Wahlkampfkundgebung in der Wolkenburg Köln-2209.jpg

Ja – wenn der Hochstapelnde DR. nicht anwesend ist stehen doch immerhin die großherrlichen Grafen auf ihren Maulwurfshügeln „Gewehr bei Fuß“ ! Wie einst gezeigt !

Sehr gut, Christian, du bekommst ein Fleißkärtchen. Zumal du mit den anderen in deiner Klasse – also den übrigen Mitgliedern des Präsidiums – darüber nicht gesprochen hast, bevor du es in die Kamera getrötet hast. Ganz brav.

Aber für Leute, die nicht nur Fleißkärtchen sammeln, fängt das Problem hier doch erst an. Homeoffice über Wochen hinweg macht vielen erst deutlich, dass persönliche Begegnungen unerlässlich sind. Gerade, wenn die Beteiligten viele Kilometer voneinander entfernt arbeiten.

Quelle      :        TAZ        >>>>>       weiterlesen

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Unten     —   FDP-Wahlkampfkundgebung in der Wolkenburg Köln. Im Bild: Spitzenkandidat Christian Lindner

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Banken – Freund und Helfer!

Erstellt von DL-Redaktion am 8. März 2020

Frank Schäffler, Bundestagsabgeordneter der FDP

Hat wohl nicht den Mut sein FDP Gesicht auf Fotos zu zeigen – Dafür hier der Obermacker !

Quelle      :    Scharf  —  Link

Von  Franz Schneider, Saarbrücken

Frank Schäffler, Bundestagsabgeordneter der FDP !! sagte in einem Interview am 5.5.2012 folgendes:

„Wir haben einfach ein Überschuldungsproblem von Banken, das seine Ursache im Teilreservebanksystem hat. D.h. Banken können praktisch aus dem Nichts Kredit und damit Geld produzieren (Beispiel: 1000 Euro Kredit sind durch 1 Euro echtes Geld = Reserve unterlegt, FS). Und das hat in der Vergangenheit dazu geführt, dass die Kreditmenge aber auch die Geldmenge auf der einen Seite explodiert ist gegenüber der realen Güterwirtschaft.   Es ist im Kern eine Krise unseres Geldsystems, in dem wir stecken…. Die eigentliche Ursache ist darin zu suchen, dass das Sparen von irgendjemand und die anschließende Kreditvergabe nichts miteinander zu tun haben…. Und solange das der Fall ist, wird das immer wieder zu Blasen an den Finanzmärkten führen, die wir dann ausbaden müssen. Über diese grundsätzlichen Entwicklungen muss man auch diskutieren, wenn man über die Finanzkrise diskutiert, denn das ist eigentlich die Ursache, alles andere sind die Symptome.“

Alfred Herrhausen, Chef der Deutschen Bank, wurde am 30. November 1989 ermordet. Er hatte – zum Entsetzen seiner Branche – gefordert, der Dritten Welt einen Teil ihrer Schulden zu erlassen. Das das nicht nur aus uneigennützigen Motiven geschah, soll hier nicht vertieft werden. Er sagte, die Schuldenkrise der Entwicklungsländer bedrohe den Frieden und die ökonomische Wohlfahrt der Menschheit. Hilmar Kopper, sein Nachfolger, ließ die Idee eines Schuldenschnittes für die Dritte Welt sofort fallen. Seitdem hat kein deutscher Bankchef je wieder öffentliche Kritik am IWF oder an der Weltbank geäußert.

Vieles an dem Mord bleibt rätselhaft. Was man auf alle Fälle sagen kann: Alfred Herrhausen hatte die Problematik des Geldsystems verstanden, insbesondere die exponentiell anwachsende Verschuldung.

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Merkel hatte ihren Ackermann

Der Frankfurter Wirtschaftsanwalt Hans Scharpf ist in den Konflikt gegangen mit seiner Bank und hat diese aufgefordert, sie möge doch mal darlegen, aus welchen Geldern und auf welchen Wegen sein Kredit eigentlich finanziert wurde und wieweit die Bank durch diesen Kredit eine Vermögenseinbuße erfahren hat. Die Bank antwortete, dass ihn das nichts angehe. Sie habe mit Ihnen einen Kreditvertrag, er habe ihn unterzeichnet und daran habe er sich zu halten. Scharpf ließ locker gelassen. Er trat in einen Schuldnerstreik. Bald hatte er seine Rechtsanwaltszulassung verloren. In dem gerichtlichen Urteil, das erfolgte, weil er sich nach seinem Ausschluss aus der Rechtsanwaltskammer weiterhin Anwalt nannte, ist zu lesen: „Der Angeklagte, dem der Ruf vorauseilte, ein brillanter Zivilrechtler zu sein, entschloss sich zum Frontalangriff gegen die in der westlichen Welt herrschende Wirtschaftsordnung ähnlich einer Romanfigur eines klassischen spanischen Schriftstellers.“ Bemerkenswerte Sprache in einem Gerichtsurteil. Die Kreditvergabeproblematik, die Scharpf mit seinem Verhalten gegen die Bank in die Öffentlichkeit transportieren wollte, ist bis heute durch kein richterliches Urteil überzeugend geklärt worden.

Zwei Beispiele, das erste auf weltumspannender, das zweite auf persönlicher Ebene. Sie zeigen, um welche Einsätze es geht, wenn an dem bestehenden Schuldgeldsystem gerüttelt wird.

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Jede/r  Politiker – In hat ihre/seine Handlanger :

Oben      —        FDP-Wahlkampfkundgebung in der Wolkenburg Köln. Im Bild: Spitzenkandidat Christian Lindner

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Unten —     Relief Ludwigs Erbe by Peter Lenk, close to Zollhaus and tourist information, Hafenstraße 5, Ludwigshafen am Bodensee, Bodman-Ludwigshafen in Germany: Right-hand part of the triptych: Josef Ackermann

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Von Erfurt nach Berlin:

Erstellt von DL-Redaktion am 28. Februar 2020

Nützliche Idioten für die AfD

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Von Albrecht von Lucke

Der 5. Februar 2020, die Wahl des FDP-Politikers Thomas Kemmerich zum Thüringer Ministerpräsidenten mit den Stimmen der AfD, hat weit über das östliche Bundesland hinausreichende und heute noch kaum in Gänze absehbare Konsequenzen. Diese liegen erstens in der Wahl selbst sowie in ihrer Annahme durch Kemmerich begründet, und zweitens in den politischen Reaktionen und Debatten im Anschluss daran.

Bei der Wahl handelt es sich zweifellos um einen Präzedenzfall und zugleich um einen Tabubruch in der Geschichte der Bundesrepublik: Zum ersten Mal wurde ein Ministerpräsident mit den Stimmen einer rechtsradikal geführten Partei gewählt. Björn Höckes Handschlag (mit angedeuteter Verbeugung) für Kemmerich gehört schon jetzt zur Ikonographie der neuen Berliner, oder sollte man besser sagen: der Erfurter Republik? Fest steht: In vor Kurzem kaum für möglich gehaltener Geschwindigkeit hat die AfD-Strategie der bloß simulierten Verbürgerlichung bei gleichzeitiger Selbstradikalisierung Früchte getragen.[1] Dabei handelt es sich um den bislang größten anzunehmenden Unfall des bürgerlichen Lagers aus CDU und FDP – oder genauer, um dessen Sündenfall. Denn ganz offensichtlich gab es dezidierte strategisch-taktische Vorüberlegungen. So spielte der bestens auch ins rechtsradikale Spektrum vernetzte Ex-Sprecher der thüringischen CDU-Fraktion (und Mike Mohring-Vertraute) Karl-Eckard Hahn am 2. Februar, also nur drei Tage vor der Wahl, in einem Text auf dem Debattenportal „The European“ das Kommende genau durch: „Die Stimmabgabe zugunsten eines FDP-Kandidaten, der ohne einen Koalitionsvertrag oder sonstige politische Zusicherungen an den Start ginge, verpflichtete diesen politisch zu absolut nichts“, so Hahn, „weder gegenüber der AfD noch irgendjemandem sonst.“[2]

Damit war das Plazet für die Kooperation mit den Rechtsradikalen erteilt; und wie die unmittelbaren Reaktionen nach der Wahl zeigten, stand Hahn mit dieser Zustimmung keineswegs allein. Sowohl die Annahme der Wahl durch Kemmerich selbst als auch die freundliche Gratulation durch CDU-Chef Mike Mohring sprechen für ein Einverständnis mit der strategischen Vorentscheidung. Auch der Vorsitzende der ominösen „Werteunion“, Alexander Mitsch, der als CDU-Mitglied wiederholt für die AfD gespendet hatte, gratulierte umgehend und befand: „Thüringen und Deutschland, die Vernunft und das bürgerliche Lager haben gesiegt“. Ebenso positiv war die Reaktion in Teilen der FDP, insbesondere seitens des stellvertretenden Parteichefs: „Es ist ein großartiger Erfolg für Thomas Kemmerich. Ein Kandidat der demokratischen Mitte hat gesiegt“, so Wolfgang Kubicki auf Twitter.

Erst „über Nacht“ – und nach spontanen Protesten aus den Parteien, aber vor allem aus der Zivilgesellschaft[3] – kamen die Spitzen der bürgerlichen Parteien zur Besinnung. „Herr Kemmerich“, der nach drei langen Tagen dann doch von seinem eben erst erlangten Amt wieder zurücktrat, „war offensichtlich übermannt und hat spontan eine Entscheidung getroffen, die Wahl anzunehmen“, so ein kleinlauter FDP-Chef, der Kemmerich noch unmittelbar nach der Wahl eine carte blanche erteilt hatte und nun gegenüber dem eigenen Parteivorstand die Vertrauensfrage stellte. Doch während Christian Lindner mit dem Rücktritt Kemmerichs „Vollzug“ melden konnte, erlebte seine Amtskollegin Annegret Kramp-Karrenbauer den finalen Tiefpunkt ihrer kurzen Parteivorsitzendenkarriere: Schwer gedemütigt wurde sie von einer uneinsichtigen Thüringer CDU-Fraktion unverrichteter Dinge zurück nach Berlin geschickt.

Bürgerliche Halt- und Hilflosigkeit

All das zeigt die strategische Halt- und Hilflosigkeit des bürgerlichen Lagers, die vor allem im Osten vorherrscht, aber längst auch die beiden Parteizentralen in Berlin ergriffen hat. CDU und FDP haben von Anfang an verkannt, dass hier kein Regionalproblem vorlag, sondern ein ganz grundsätzliches – nämlich die Gretchenfrage für bürgerliche Parteien: Wie hältst Du‘s mit Höcke und Co.?

Vor allem im Konrad-Adenauer-Haus hat man die Dimension der Thüringen-Wahl, wie die kritische Lage der Union im Osten insgesamt, völlig unterschätzt. Dabei hatte der Thüringer Vize-Fraktionschef Michael Heym bereits unmittelbar nach der Landtagswahl im Oktober 2019 vehement für eine „bürgerliche Mehrheit rechts“, aus CDU, AfD und FDP, geworben. Und sein sachsen-anhaltinischer Amtskollege Lars-Jörn Zimmer hält schon lange eine von der AfD unterstützte Minderheitsregierung seiner Partei für „absolut denkbar“. AKK hätte also gewarnt sein müssen; statt dessen sah sie der Eskalation viel zu lange tatenlos zu. Dahinter verbirgt sich eine fatale Zäsur: Wie schon früher in der deutschen Geschichte hat die bürgerlichen Parteien der demokratische Instinkt verlassen. In Erfurt war exemplarisch zu erleben, woran die Weimarer Republik gescheitert ist, nämlich am politischen Opportunismus des Bürgertums und an seinem Verrat der demokratischen Ideale. Zugrunde liegt all dem die Lebenslüge der Union: die behauptete Äquidistanz zu „linkem und rechtem Rand“, die gerade in Thüringen angesichts einer Regierung Ramelow eine maximale Verharmlosung der Höcke-Partei bedeutet. Eben diese Verharmlosung ermöglichte es der AfD, ihre verführerische „Leimrute“, so Ex-Ministerpräsident Dieter Althaus (CDU), für eine angeblich bürgerliche Koalition auszulegen.

Triumphieren konnte so am Ende nur die AfD. Parteichef Jörg Meuthen erklärte die Wahl von Kemmerich zum „ersten Mosaikstein der politischen Wende in Deutschland“ und Beatrix von Storch sprach gar von einer „politischen Revolution“. Der „Bürgerblock“ habe die „Linksfront“ geschlagen.[4] Spätestens mit dem Rücktritt Kramp-Karrenbauers am 10. Februar war der Triumph der AfD komplett, und ihr rechtsradikaler Vordenker Götz Kubitschek jubilierte: „So konstruktiv-destruktiv wie Höcke hat aus dieser Partei heraus noch keiner agiert. In Thüringen jemanden so auf einen Stuhl setzen, dass es in Berlin einem anderen Stuhl die Beine abschlägt: Das taktische Arsenal der AfD ist um eine feine Variante reicher.“[5]

Tatsächlich ist es der AfD gelungen, ihre politischen Gegner in beispielloser Weise vorzuführen und gegeneinander auszuspielen. Denn zum Desaster der Wahl gesellten sich danach weitere Fehler der „Altparteien.“Das begann bereits mit der Einstufung des Ereignisses. Weder handelt es sich dabei um den behaupteten „Dammbruch“ für den Faschismus (der damit gar nicht mehr zu stoppen wäre) noch und schon gar nicht um einen „Zivilisationsbruch“, von dem der Comedian Jan Böhmermann schwadronierte. Mit diesem bisher dem Holocaust vorbehaltenen Begriff wird nicht nur der industrialisierte NS-Völkermord relativiert, ja sogar minimiert, sondern man verleiht der AfD eine überirdische, fast diabolische Größe. Doch selbst wenn Geschichtslehrer Höcke mit seiner Verbeugung vor Kemmerich auf die Verneigung Hitlers vor dem greisen Paul von Hindenburg anspielen wollte, sollte man Höcke nicht vorauseilend zum kommenden Kanzler stilisieren.

Quelle     :        Blätter          >>>>>        weiterlesen

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Grafikquellen          :

Oben       — Election night Thuringia 2019: Bodo Ramelow (Die Linke), Mike Mohring (CDU), Björn Höcke (AfD), Thomas L. Kemmerich (FDP)

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Unten         —       Ein bunter Scherbenhaufen von rot  bis braun – ein Scherbenhaufen

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Thüringen ist überall!

Erstellt von DL-Redaktion am 11. Februar 2020

„Den größten Erfolg erzielten wir in Thüringen“.

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Quelle       :        Scharf      —     Links

Kommentar von René Lindenau

Was war an diesem 5. Februar 2020 in Thüringen nur passiert? Adolf Hitler wusste das schon 1930.

Er erklärte am 2. Februar 1930: „Den größten Erfolg erzielten wir in Thüringen. Dort sind wir heute wirklich die ausschlaggebende Partei.[…] Die Parteien in Thüringen, die bisher die Regierung bildeten, vermögen ohne unsere Mitwirkung keine Majorität aufzubringen.“

Fakt ist, an jenem Tag, 75 Jahre Jahre nach der Befreiung vom Faschismus ließen sich Fraktionen des Hohen Hauses dazu herab mit Stimmen einer faschistischen AfD, sowie einer nach rechts außen gerückten CDU und FDP – einen FDP Politiker in den Ministerpräsidenten Sessel zu hieven.

Lange hat es Thomas Kemmerich nicht auf ihm ausgehalten, war wohl doch zu unbequem. Drei Tage dauerte es bis zu seinem Rücktritt. Von der demokratischen Zivilgesellschaft dauerhaft unter Druck gesetzt, isoliert und ohne arbeitsfähiges Kabinett lässt sich auch schwer regieren.

Erschwerend kommt hinzu, dass entgegen der formalen braun-schwarz-gelben Mehrheit für den Rechtswissenschaftler im letzten Wahlgang der Wählerwille, den die die Bürger am Wahlabend zum Ausdruck brachten, gebeugt wurde. Ausgangspunkt war: LINKE: 31 Prozent, FDP: 5 Prozent. Finde den Fehler!

Rein rechtlich hätte der Möchtegern-Ministerpräsident, T.K., dieses Amt möglicherweise gar nicht antreten dürfen. Das Thüringer Minister Gesetz sagt nämlich: Er hätte den Vorstandsvorsitz der Friseur Mason AG wegen § 5, Abs. 1 ThürMinG niederlegen müssen. Und wenn er das nicht getan hat, wäre eine sofortige einstweilige gerichtliche Verfügung gegen die Wahl Kemmerichs möglich. Hat sich nun mit seinem Abgang erledigt, aber der Schaden für die Demokratie ist angerichtet. Und hier wird es grundsätzlich und bekommt nicht erst durch das lokal auf Thüringen begrenzte erbärmliche Machtpoker eine bundespolitische Dimension. Wer so falsch mit Demokratie und Parlament spielt leistet vorsätzlich Vorschub, um Demokratie zu schwächen, zunehmend Wahlmüdigkeit zu erzeugen und ersteres schließlich abzuschaffen. So das erklärte Ziel von Björn Höcke – siehe seine eigenen Reden, Bücher, das Agieren der AfD als Partei und deren Fraktionen (Reden, Anträge, Anfragen, Parteitage).

Darum ist es bundesweit über Thüringen hinaus notwendig weiterhin wachsam zu sein. Thüringen droht überall. Eine AfD mit ihrem menschenverachtenden, geschichtsvergessenen, völkischen, rassistischen Weltbild hat in in einer freien demokratischen Grundordnung keinen Platz zu beanspruchen, sie ist vielmehr gesellschaftlich zu isolieren. Dazu sind alle demokratischen Parteien und die Zivilgesellschaft aufgerufen in diesem Ziel – barrierefrei – zusammen zu stehen, kreativ zu protestieren und aufzuklären.

Die „Thüringen Woche“ hat nicht nur bundesweit Wellen geschlagen. Kanzlerin Merkel (CDU) verkündete diese Wahl sei unverzeihlich. Ihre Parteivorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer, in Personalunion noch Verteidigungsministerin scheint den Schuss noch immer nicht gehört zu haben: Bei der Materiallage der Bundeswehr wohl auch kein Wunder. In dieser durch ihre Thüringer Fraktionäre schuldhaft mit verursachten Situation fordert sie jetzt von den Grünen und der SPD einen Kandidaten aufzustellen, was letztlich darauf hinausläuft den per Wahlergebnis am 27. Oktober 2019 legitimierten LINKEN, Bodo Ramelow zu verhindern. Ist die Frau überhaupt in der Position Forderungen zu stellen? Ein Rückzug wäre angebrachter.

2019-10-27 Wahlabend Thüringen by Sandro Halank–19.jpg

Inzwischen sind es nicht nur 60 Prozent sondern über 70 Prozent der Thüringer Bürgerschaft, die Ramelow direkt zum Ministerpräsidenten wählen würden. Also, besser gewisse Parteien lassen jetzt ihre vergifteten Taschenspielertricks. Auch die Landesbenen und die Kommunen haben diese ja besonderen Vorkommnisse erreicht. Ein FDP Kommunalpolitiker aus dem brandenburgischen verstieg sich zu der Aussage, „er hasse das Wort Wählerwille“. Eine ehemalige thüringische FDP Landtagsabgeordnete trat aus, ihr Bundesvorsitzender, Christian Lindner, ist immer noch nicht „abgesprungen“. Der Cottbuser FDP Bundestagsabgeordnete, Prof. Martin Neumann war dumm genug Kemmerich zu beglückwünschen, ebenso wie die Brandenburger CDU Landtagsfraktion

Zu den politischen Konsequenzen wäre auf den somit eingetretenen Zeitverlust unter anderem bei den Verhandlungen zur Kalilaugen Sicherung im Werra Revier hinzuweisen. Da drohen der Verlust von ca. 4.500 Arbeitsplätzen und 2 Milliarden Euro (Ramelow in einem MDR Interview, 7.02.). Haben das die Meister der Taktik bedacht? Nur ein Punkt. Wenn wie jetzt angekündigt, es demnächst dazu kommt, dass Bodo Ramelow sich erneut für das Amt des Ministerpräsident bewirbt, kommt es dann zu Neuwahlen. Genauer gesagt: Artikel 50 (2) 2. der Thüringer Verfassung regelt, dass nach (Selbst)Auflösung des Parlaments BINNEN 70 Tagen eine Neuwahl anzusetzen ist. Es hätte sie aber nicht bedurft, denn das Wahlergebnis, der Koalitionsvertrag, drei Parteitage und ein Mitgliederentscheid boten die Basis für eine rot-rot-grüne Regierungsperspektive. T.K und seine rechten Spießgesellen hatten nichts davon. Und noch eines: Kemmerich erreichte in seinem Wahlkreis gerade 7 Prozent, während Ramelow sein Direktmandat mit 42 Prozent gewann.

Aus der Geschichte weiß man eigentlich, schon einmal haben vermeintlich bürgerliche Parteien dem Faschismus zur Macht verholfen. Insofern bleibt zu hoffen, dass dies als Warnschuss endlich verstanden und gehandelt wird.

Cottbus, 10.02. 2020 René Lindenau

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Oben      —      Bodo Ramelow während der Regierungsmedienkonferenz am 3. September 2019 in der Thüringer Staatskanzlei in Erfurt

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Die FDP in Thüringen

Erstellt von DL-Redaktion am 8. Februar 2020

Was für ein Theater

Aus Ilmenau Viktor Morasch

Thomas Kemmerichs Wahl zum Ministerpräsident von Thüringen ist umstritten. Was sagt die FDP-Basis dazu? Zu Besuch bei der Ortsgruppe in Ilmenau.

Es ist Donnerstag, 19 Uhr, vor wenigen Stunden hat der frisch gewählte FDP-Ministerpräsident Thüringens, Thomas Kemmerich, seinen Rücktritt angekündigt. Er war vor allem dank vieler Stimmen von der AfD ins Amt gekommen, was bundesweit für Proteste sorgte. In Ilmenau, in der Bar Aqui, trifft sich der örtliche FDP-Stammtisch. Das Aqui liegt an einem ruhigen Platz im Zentrum.

Vor der Bar steht ein Polizeiwagen, die FDP muss beschützt werden, und das, obwohl sie in Ilmenau eine eher marginale Rolle spielt: Es gibt 10 Mitglieder im Ortsverband und etwa 40 im Kreisverband. Drinnen sitzen mehrere Mitglieder an einem länglichen Tisch, auf dem Biere und kleine FDP-Aufsteller aus Pappe stehen. Um den Tisch drängen sich zwei Kamerateams, eines von RTL und eines vom MDR. Sie leuchten die Szene hell aus.

In den Hauptrollen:

Regina Fischer, 74, war früher Lehrerin und ist seit Jahrzehnten in der FDP. Sie sieht elegant aus, trägt Perlohrringe und einen Dutt im Nacken.

Martin Mölders, 62, ist FDP-Kreisvorsitzender und Vorstand der Lebenshilfe in Ilmenau. Er sieht sportlich aus, trägt ein dunkelbaues Sakko und findet, dass man mit 70 Prozent der örtlichen AfD ganz normal reden kann. Unerträglich finde er manchmal die Grünen, von denen kämen „ideologische Spitzen“.

Martin Hofmann, 31, promoviert an der TU Ilmenau im Fachgebiet Softwareentwicklung und ist Schatzmeister der örtlichen Jungen Liberalen.

Eine Interessentin

In den Nebenrollen: ein RTL-Reporter, etwa zehn weitere FDPler und FDP­lerinnen, ein Polizist, eine taz-Reporterin.

FDPler: Und, wurdet ihr schon angepöbelt?

Regina Fischer: Man kann ja kein Radio mehr hören. Und die ganze Zeit kriege ich Nachrichten, von Gratulationen bis Fragen wie: Bist du noch in der FDP?

Während die Fernsehteams Einzelne interviewen, zeigen sich die anderen die aktuellsten FDP-Memes auf dem Handy und lesen sich Nachrichten vor.

RTL-Reporter an einen FDPler: Wie haben Sie den Tag erlebt?

FDPler: Ich war auf der Arbeit, so habe ich den Tag erlebt. Und, ja, ich finde, es war ein Fehler von Kemmerich, den Rücktritt anzukündigen.

FDPlerin in eine andere Kamera: Es war eine falsche Entscheidung, es gab eine Wahl, wir können nicht so lange wählen, bis es passt.

RTL-Reporter: Findet hier jemand, es war eine richtige Entscheidung?

Niemand meldet sich.

Martin Hofmann: Alles ist richtig verrückt. Dass Kemmerich überhaupt Ministerpräsident wurde, dass danach die Hölle über einem einbricht und dass es alle so wahnsinnig trifft. Bei mir in der Uni wählen die meisten grün. Dass die so wirklich betroffen sind, das hätte ich nicht gedacht. Die Ängste, die ich bei denen gesehen habe, waren so immens, davor darf man nicht die Augen verschließen. Da muss man auch mal sagen: Ich bin zwar anderer Meinung, aber hey, Jungs, das können wir nicht bringen. Bei uns Jungen Liberalen war Aufbruchsstimmung, wir dachten, jetzt können wir was reißen. Es macht auch Spaß, der Trubel, aber eigentlich ist es zu ernst. Mit dem jetzigen Wissen glaube ich, Kemmerich hätte die Wahl nicht annehmen dürfen.

Die anderen sagen weiter Fernsehsätze in Kameras: „Wir gehen gestärkt hinaus“, „Das Wahlergebnis war demokratisch“, „Wir werden für unsere Werte kämpfen“. Es läuft der Song „Total Eclipse of the heart“ im Hintergrund.

Fischer: Die FDP hat ein Programm. Wir sind nicht nur die, die die Wahl gesprengt haben.

Hofmann: Wir hätten was droppen sollen, von wegen „wir wollen die Schulen modernisieren“, das wäre cool gewesen.

Martin Mölders: Als hätte der Ramelow einen Anspruch darauf, Ministerpräsident zu sein! Der ist selber vor 5 Jahren mit einer Stimme reingekommen.

Hofmann: Ich fände es super, wenn die AfD jetzt Ramelow wählen würde, und er müsste dann auch zurücktreten.

FDPler: Eigentlich wollten wir uns zu einem gemütlichen Bierchen treffen, darüber reden, wer in Zukunft welche Posten…

Eine Frau betritt den Raum, bisher war Regina Fischer die einzige. Außerdem sitzen zehn Männer am Tisch.

FDPler: Vielleicht bin ich sexistisch, aber du wertest die Runde auf.

Fischer: Die FDP ist wieder die Umfallpartei. Das ist das Schlimmste. Die FDP darf nicht umfallen.

Mölders: Mir war klar, dass es so laufen wird. So blöd sind wir auch nicht. Ich hätte aber nicht gedacht, dass die CDU so geschlossen für Kemmerich abstimmt. Dass die AfD das macht, war klar wie das Amen in der Kirche. Wir wollten Ramelow abwählen, das haben wir geschafft, aber offensichtlich mit den falschen Stimmen.

Fischer: Ich musste an das denken, was Gauland gesagt hat: Wir werden sie jagen. Es wäre nur umgekehrt gewesen: Wir hätten die AfD gejagt. Als eine Kollegin mir geschrieben hat, ob ich nicht austreten will, dachte ich mir: Nö. Wieso?

RTL-Reporter (kommt von draußen wieder reingelaufen): Was hatten Sie eigentlich vor zu besprechen bei diesem Stammtisch?

Mölders: Bildung, also die verfehlte Inklusionspolitik, Energie, also Windkraft, und wir wollten die Kreisvorstandssitzung vorbereiten.

Eine weitere Frau betritt den Raum, außer Atem, schaut etwas orientierungslos, zieht ihre Jacke aus: die Interessentin.

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„Als ich in ser FDP anfing, hat mir jemand gesagt: Politik ist eine Hure“

Interessentin: Ist das hier der Stammtisch? Ich finde, man muss dem Kemmerich und der FDP den Rücken stärken. Deshalb bin ich da.

FDPler: Na hoffentlich bleiben sie länger als Kemmerich, länger als 24 Stunden.

Interessentin: Ich will mich einbringen. Ich wohne in Ilmenau, bin selbstständig. Ich bin ein bisschen aufgeregt gerade. Mein Freund hat die Liveübertragung im MDR gesehen und gesagt: Geh doch hin! Eigentlich hätte ich heute Chor, aber die haben mir diese Petition geschickt, dass Kemmerich zurücktreten soll. Ich dachte, das kann nicht wahr sein! Ich kann nicht mehr in diesen Chor.

Fischer: Ich wüsste da einen tollen Chor für Sie!

Interessentin: Schön!

Es läuft „Life is life“.

FDPler: Dann machen wir mal eine Vorstellungsrunde, oder?

FDPler: Ich bin Altenpfleger.

FDPler: Ich studiere technische Physik.

Fischer: Ich bin Rentnerin und seit Jahrzehnten in der FDP, das heute enttäuscht mich sehr.

FDPler: Ich bin Pharmaunternehmer.

Hofmann: Ich promoviere und bin Schatzmeister der Jungen Liberalen.

FDPler: Ich bin Unternehmer, ich arbeite viel, von 6 bis 17 Uhr.

FDPlerin: Ich bin angestellte Geschäftsführerin und leite die Bäder hier, ich habe ein liberales Herz, ihr wisst, was das bedeutet.

Mölders: Ich bin Vorstandsvorsitzender der Lebenshilfe.

FDPler: Ich bin Unternehmer.

Interessentin: Ich bin Tai-Chi- und Shiatsu-Lehrerin und freie Trauerrednerin.

Mölders: Da mussten Sie ja heute kommen!

Interessentin: Ich will, dass das deutsche Volk nicht mehr verblödet. Gestern liefen 16- und 17-Jährige mit Trommeln durch die Straßen, gegen Nazis, was soll das? Die wissen doch gar nicht, was das bedeutet. Ich dachte, hier ist es voll mit Interessenten.

FDPler: Lasst uns über Kreisvorstandssitzungen reden.

Hofmann: Ich möchte alle Frauen dazu aufrufen, sich aufstellen zu lassen.

FDPlerin: Wieso, wegen der Quote??

Hofmann: Nee, aber niemand soll denken, das ist ein Typenverein.

Mölders zu Fischer: Hast du das schon mal gedacht, dass wir ein Typenverein sind?

Ilmenau Lindenberg.JPG

Fischer (senkt Kopf, Finger an Schläfen): So viele Jahre…

Mölders: Früher war das vielleicht so.

RTL kommt zurück. Im Hintergrund läuft jetzt: „Another one bites the dust“.

FDPler in RTL-Kamera: Christian Lindner weiß bestimmt, was er tut. Aber ich hätte gern gesehen, dass Kemmerich eine Chance bekommt.

RTL-Reporter in die Kamera: Wir halten fest: Rückendeckung für den ­Bundeschef und für Thomas Kemmerich.

Fischer: Die Zerrissenheit hier ist doch symptomatisch für das ganze Land. Das Land ist geteilt. Schlimm, das zu erleben.

Mölders: Die Bundespartei hat was Suizi­dales, hat mal jemand gesagt.

Hofmann: Der spontane Protest der Linken gestern, das war so gut organisiert. Die haben WhatsApp-Gruppen, in wenigen Stunden stehen die mit ­fertigen Plakaten da, das ist schon heftig. So was haben die Liberalen gar nicht.

FDPlerin: Wieso kann man die Merkel nicht absetzen? Die ist wie ein Schläfer, wahrscheinlich wurde die von der SED eingesetzt.

Quelle         :       TAZ         >>>>>        weiterlesen

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Grafikquellen           :

Oben         —     Fußgängerzone Ilmenau   Pedestrian zone

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2.) von Oben       —       shemale prostitute strassenstrich berlin

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Unten           —        Blick auf das Stadtzentrum von Ilmenau, dahinter Pörlitzer Höhe (Plattenbausiedlung) und die Reinsberge vom Lindenberg aus.

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Der Tabubruch in Thüringen

Erstellt von DL-Redaktion am 8. Februar 2020

Tage, an denen etwas zu Ende geht

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Eine Analyse von , , und , Erfurt

Der Tabubruch in Thüringen war kein Zufall, sondern das Ergebnis von Taktik und Fahrlässigkeit. Wie konnte es so weit kommen? Eine Rekonstruktion

Es gibt diese langen Abende, an denen ist spürbar, dass etwas unwiederbringlich zu Ende geht. Wie in der Nacht von Donnerstag auf Freitag dieser Woche, im Thüringer Landtag: Die CDU-Fraktion tagt, im Bernhard-Vogel-Saal, benannt nach dem alten Ministerpräsidenten aus den glorreichen Epochen dieser Partei.

Es ist ein Gast da, über dessen Anwesenheit man sich hier in normalen Zeiten vielleicht freuen würde: Annegret Kramp-Karrenbauer, die Bundeschefin der Union. Aber normal sind diese Zeiten nicht. Dies ist eine Nacht des Chaos. Und Kramp-Karrenbauer bekommt das zu spüren.

Eineinhalb Stunden sollte ihr Gespräch mit den Mitgliedern der Thüringer Landtagsfraktion eigentlich dauern, es sollte sich um die Frage drehen, warum die CDU einen Ministerpräsidenten gewählt hat, der zwar von der FDP nominiert, aber auch von der AfD getragen wurde. Es sollte um die Frage gehen, warum die Union damit einen Tabubruch gewagt hat, der die politische Landschaft der Bundesrepublik verändern kann.

Erschöpft, konsterniert, wie benommen

Eigentlich will Kramp-Karrenbauer die Fraktion ins Gebet nehmen. Den Thüringern klarmachen, dass sie einen Fehler gemacht haben. Ihnen klarmachen, wie dieser Fehler zu korrigieren sei: durch Neuwahlen.

Doch, so berichten es Teilnehmer der Sitzung, und so dringt es immer wieder aus dem Saal: In Wahrheit passiert das Gegenteil. In Wahrheit wird Kramp-Karrenbauer attackiert.

Viele Thüringer Landtagsabgeordnete empfinden es als Anmaßung, manche als Schande, was seit der Wahl des FDP-Mannes Thomas Kemmerich geschehen ist. Aber die Schande ist aus ihrer Sicht nicht, dass Kemmerich auch von der AfD gestützt wurde – das finden viele von ihnen nicht weiter schlimm. Stattdessen empört die Parlamentarier, dass „Berlin“ sich so einmische. Dass sogar die Kanzlerin sich eingeschaltet habe und von einem „unverzeihlichen Vorgang“ gesprochen hat. Dass niemand in Berlin Ahnung „vom Osten“ und der Lage hier habe.

Am Ende werden die Abgeordneten mehr als sechseinhalb Stunden tagen. Kramp-Karrenbauer wird irgendwann zwischendrin abreisen. Sie wird nicht nur erschöpft aussehen, sondern konsterniert. Wie benommen.

Die Linke will sich weiter um eine demokratische Mehrheit für den Ex-Ministerpräsidenten Ramelow bemühen. Thomas Kemmerich will vorerst im Amt bleiben. © Foto: Martin Schutt/dpa

Wie eine Befreiung von Fesseln

Mit der Wahl Thomas Kemmerichs zum Kurzzeit-Ministerpräsidenten ist ein Problem der ostdeutschen CDU offenbar geworden, von dem man schon vorher ahnte, dass es existiert – aber wohl niemand hat vermutet, dass es so massiv ist.

Es gibt sehr viele Parlamentarier, die keine größeren Probleme damit haben, mit der AfD zu stimmen. Es gibt aber viele, die die Linke verachten. Die Abgeordneten der Thüringer Union haben seit der Wahl Kemmerichs in ihren Wahlkreisen permanent Lob und Zuspruch erhalten. Endlich traut ihr euch mal was! Endlich tut ihr das Richtige! Es muss sich wie eine Befreiung von Fesseln angefühlt haben.

Zugleich erlebten sie aber eine bundesweite Empörung, einen Sturm der Entrüstung. Und am Ende die Rücktrittsankündigung Kemmerichs – auch weil der Druck aus der FDP- und der CDU-Führung in Berlin so groß war.

Jetzt ist das Gefühl der Abgeordneten: Wir wurden von oben gestutzt. Das sei ja wie zu DDR-Zeiten, erklärt einer.

Mohring ist schwach

Dass Mike Mohring, der CDU-Landes- und Fraktionschef, gerade vor den Trümmern seiner politischen Karriere steht, liegt auch an einem Dilemma, dem er nicht mehr gewachsen war: Von oben, aus Berlin, gewaltiger Anti-AfD-Druck. Von unten, von der Basis, und aus der eigenen Fraktion, gewaltiger Druck, sich stärker auf die AfD zuzubewegen.

Wenn ein Landesvorsitzender nicht stark ist, sondern schwach, hat er fast keine Chance, das auszugleichen. Eine andere Richtung vorzugeben. Zu führen.

Und Mohring war zuletzt politisch geschwächt, nicht erst in diesen Stunden. Wer verstehen will, wie es dazu kommen konnte, dass die Thüringer CDU Thomas Kemmerich gewählt hat, dass diese stolze Landespartei einen FDP-Kandidaten gemeinsam mit der AfD gewählt hat, der muss zurück in die Zeit unmittelbar nach der Thüringer Landtagswahl, in den Oktober 2019.

Keine Deals mit den Sozialisten!

Mohring hatte ja geahnt, dass er in ein strategisches Problem geraten könnte durch den Wahlausgang: Die regierende rot-rot-grüne Koalition unter dem Linken Bodo Ramelow hatte keine eigene parlamentarische Mehrheit mehr. Zugleich gab es auch keine Mehrheit für eines der klassischen Bündnisse. Klar war stattdessen: Es gibt keine Mehrheit, an der die CDU sich nicht beteiligt.

Aber das bringt einen nicht aushaltbaren Widerspruch hervor. Mohring musste sich entscheiden: entweder eine Regierung der Linken zu stützen, oder eine mit der AfD anzustreben. Die politische Realität in einem ostdeutschen Bundesland stand plötzlich im kompletten Gegensatz zur Beschlusslage der Bundes-CDU. Denn die besagt, dass es keine Kooperation mit AfD und Linken geben darf.

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Sie hatte den Mumm, die sprichwörtlichen Perlen vor die Sau zu werfen !

 Nur – was, wenn ein Land nicht regiert werden kann, solange die CDU nicht wenigstens eines dieser beiden Prinzipien aufgibt?

Mohring kündigte noch am Wahlabend an, in Richtung einer Kooperation mit den Linken zu gehen. Er warb für solch ein Bündnis, mal mehr und mal weniger deutlich. Aber die Bundes-CDU, nicht nur Annegret Kramp-Karrenbauer, erklärte ihn für verrückt. Sie wiesen ihn öffentlich zurecht. Sie stellten sich mit aller Vehemenz gegen jede Form der links-schwarzen Zusammenarbeit. Keine Deals mit den Sozialisten!

Kalkül und innere Zerrissenheit

Quelle      :       Zeit-online        >>>>>         weiterlesen

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Grafikquellen       :

Oben       —          Wahlabend Thüringen: Thomas L. Kemmerich (FDP))

  • CC BY-SA 3.0
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  • Created: 2019-10-27 19:03:23
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    CDU lässt AKK abblitzen

    Erstellt von DL-Redaktion am 7. Februar 2020

    Machtkampf nach Thüringen-Desaster

    Annegret Kramp-Karrenbauer and Viktor Orban.jpg

    Zeige mir mit wem du stehst…..    – hier mit Viktor Orban

    Von dpa/taz

    Die Thüringer CDU darf eine Lösung ohne Neuwahl suchen. Kramp-Karrenbauer gibt klein bei. Rot-Rot-Grün setzt Ultimatum für Kemmerichs Rücktritt.

    CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer hat sich mit ihrem Wunsch nach Neuwahlen in Thrüingen vorerst nicht durchsetzen können. Nach fünfstündigen Krisengesprächen in Erfurt lässt die Parteivorsitzende dem Landesverband noch etwas Zeit, um nach dem Eklat bei der Ministerpräsidentenwahl auf parlamentarischem Weg eine Lösung zu finden. Sollten die parlamentarischen Möglichkeiten nicht funktionieren, sei eine Neuwahl unausweichlich, betonte Kramp-Karrenbauer.

    Noch am Mittwochabend hatte Kramp-Karrenbauer gesagt, dass das CDU-Präsidium einstimmig eine Neuwahl empfohlen habe. Das Präsidium kommt am Freitagvormittag erneut zusammen, um über die Lage in Thüringen zu beraten. Auch Kanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte die Wahl Kemmerichs mit Hilfe von Stimmen der CDU und der AfD „unverzeihlich“ genannt und verlangt, das Ergebnis dieses Vorgangs müsse korrigiert werden. Thüringens Landeschef Mike Mohring hatte sich jedoch vehement gegen Neuwahlen ausgesprochen.

    Mohrings politische Zukunft ist nun offen – nach Angaben aus informierten Kreisen hat er keinen Rückhalt mehr in seiner Landtagsfraktion. Demnach sei geplant, dass es im Mai Wahlen zum Fraktionsvorsitz geben soll, hieß es nach einer Fraktionssitzung in den frühen Freitagmorgenstunden. Der CDU-Landesvorstand hatte ihm zuvor noch das Vertrauen ausgesprochen.

    Quelle       :            TAZ        >>>>>>         weiterlesen

    talk of the town  —  Die FDP und Thüringen

    Lindners Legende

    2018-09-13 Christian Lindner (digiZuk) 04.jpg

    Von Ulrich Schulte

    FDP-Chef Christian Lindner tut so, als sei die Unterstützung der AfD überraschend gewesen. Es gibt Hinweise, dass das eine faustdicke Lüge sein könnte.

    Christian Lindner hat den Spin nach reiflicher Überlegung in die Welt gesetzt. Er äußerte sich spät am Mittwochnachmittag, fast drei Stunden nach dem Eklat in Thüringen. Und er las seine Position vom Blatt, jedes Wort sollte sitzen. Die Unterstützung der AfD sei „überraschend“, da sie nicht von Übereinstimmungen in der Sache, sondern rein taktisch motiviert sei, sagte er. Und: „Wer […] unsere Kandidaten in geheimer Wahl unterstützt, das liegt nicht in unserer Macht.“

    Man musste Lindner so verstehen, als sei die FDP ein Opfer. Als habe sie nicht kommen sehen, dass die rechtsradikale Höcke-AfD den Liberalen Thomas Kemmerich mit zum Thüringer Regierungschef wählen würde. Auch wenn Kemmerich am Donnerstagnachmittag zurücktrat und so das Drama vorerst beendete: Christian Lindners Spin verdient es, hinterfragt zu werden, weil er viel über den FDP-Chef verrät.

    Er war nicht der einzige Liberale, der überrascht tat. Das ZDF filmte eine hitzige Diskussion zwischen FDP-Bundesvize Wolfgang Kubicki, der Grünen-Bundestagsabgeordneten Franziska Brantner und dem Sozialdemokraten Thomas Oppermann. Die Szene spielte sich laut Brantner am Mittwoch gegen 15 Uhr im Europaparlament in Straßburg ab.

    In ein Dilemma geraten?

    Die AfD habe einen eigenen Kandidaten im dritten Wahlgang gehabt, wehrte Kubicki Kritik der KollegInnen ab. „Niemand konnte damit rechnen, dass der keine Stimmen …“ Das letzte Wort ist nicht zu verstehen, aber es ist klar, was Kubicki meint. Konnten also FDP und Union nicht wissen, dass die AfD ihren eigenen Mann fallen lässt, um mit CDU und FDP für Kemmerich zu stimmen? Das ist ein zentraler Punkt. Stimmt die Version von Lindner und Kubicki, hätte die FDP-Spitze nicht versagt. Sondern sie wäre unverschuldet in ein Dilemma geraten, durch die verräterische AfD.

    Das Problem ist nur, dass Lindners Erzählung aus den eigenen Reihen widerlegt wurde. Von Leuten, die es wissen müssen – zum Beispiel von Thomas Kemmerich höchstpersönlich. Am Mittwochabend fragte ihn Marietta Slomka im „heute journal“, ob er nicht geahnt habe, dass die AfD die Gelegenheit nutze – schließlich habe es ausdrückliche Warnungen gegeben. Kemmerich antwortete, man habe seine Kandidatur „sehr detailliert in den Parteigremien besprochen“. Er fügte hinzu: „Und wir mussten damit rechnen, dass dieses passiert.“

    Am ­Donnerstagmorgen war er dann im ARD-„Morgenmagazin“ zugeschaltet und sagte, er sei vorher, also vor der Wahl, „permanent“ mit Lindner in Kontakt gewesen. „Wir haben auch besprochen, was wir hier in Thüringen beschlossen haben.“ Lindner habe gesagt, „die Entscheidung trifft letztlich der Thüringer Verband“. Glaubt man Kemmerich, wusste die Thüringer FDP also sehr wohl, was passieren kann. Und sie tauschte sich eng mit Lindner aus, was in solchen Lagen auch der Normalfall ist.

    Und Lindner war überrascht? Schwer zu glauben. Zumal noch eine wichtige Zeugin anderes erzählt. CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer sagte im „heute journal“ am Mittwochabend, dass sie und andere auf die Gefahr hingewiesen hätten, dass die AfD das Spiel spielen werde, welches sie dann auch gespielt habe. Sie habe auch Christian Lindner „sehr herzlich darum gebeten“, dafür zu sorgen, dass die FDP keinen Kandidaten aufstelle. Jener habe aber augenscheinlich nicht den Durchgriff in Thüringen gehabt, um die FDP vor Ort davon abzubringen.

    Die Lockrufe der AfD

    Quelle        :           TAZ          >>>>>          weiterlesen

    Den Osten verloren

    Die CDU steht vor einem grausamen Machtkampf

    2019-11-22 Friedrich Merz CDU Parteitag by OlafKosinsky MG 5737.jpg

    Kommentar von Ulrike Herrmann

    Die AfD kann ihre Opfer-Erzählung weiterdrehen. Denn es waren Bundespolitiker von FDP und Union, die den Thüringer Dammbruch verdammt haben.

    Nur 25 Stunden können Deutschland für immer verändern. Das ist die Lektion aus dem Drama in Thüringen. Der Eintags­ministerpräsident Thomas Kemmerich hat zwar seinen Rücktritt angekündigt – dennoch hat der „Dammbruch“ in Erfurt alles verändert. In Thüringen wie im Bund.

    In Thüringen ist die Stimmung zwischen den Parteien gründlich vergiftet, und die AfD hat bleibend triumphiert. Konkrete Macht hat sie zwar nur für einen einzigen Tag ausgeübt, aber der rechtsradikale „Flügel“ unter Björn Höcke hat drastisch vorgeführt, dass er taktisch weitaus raffinierter ist als die gehassten „Altparteien“. Die Anhänger sind begeistert.

    Zudem kann die AfD nun erneut ihr Lieblingsthema variieren, dass die Ostdeutschen die Opfer der Nation seien. Denn es waren ja die Bundespolitiker in FDP und Union, die den Thüringer „Dammbruch“ verdammt haben. In Erfurt hätten die CDUler und Liberalen das Experiment liebend gern fortgesetzt. Ostdeutsche wurden entmachtet – diese vermeintliche Kränkung wird die AfD in weitere Stimmen umwandeln.

    Für CDU und FDP bedeutet das Drama umgekehrt: Sie haben den Osten verloren. Doch ist die Spaltung zwischen Ost und West nicht die einzige Kluft, die sichtbar wurde. Noch dramatischer: Union und Liberale sind grundsätzlich gespalten, wie sie mit der AfD umgehen sollen.

    Viele FDPler auf rechtsnationalem Kurs

    Quelle       :           TAZ            >>>>>         weiterlesen

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    Grafikquellen         :

    Oben          —      Annegret Kramp-Karrenbauer and Viktor Orbán at the EPP Political Assembly, 20 March 2019

    2.) von Oben     —        Christian Lindner, Bundesvorsitzender der Freien Demokratischen Partei (FDP)

    CC BY-SA 3.0 de

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    Thüringens – M.-Präsident

    Erstellt von DL-Redaktion am 6. Februar 2020

    Fassungslosigkeit in Berlin

    2019-10-27 Wahlabend Thüringen by Sandro Halank–54.jpg

    Von Anja Maier und Ulrich Schulte

    Der Dammbruch in Thüringen wird zur Belastung für die Groko. Vizekanzler Olaf Scholz hat „ernste Fragen“ an die Spitze der CDU.

    Die Schwüre in Berlin, in Thüringen niemals mit der AfD zu kooperieren, sie hallen noch in den Ohren. „Die Debatte über Gespräche mit der AfD ist irre“, sagte CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak im November 2019. Die CDU habe dazu auf dem Parteitag 2018 einen Beschluss gefasst. „Und die Meinung der CDU hat sich nicht geändert. Punkt, aus. Ende der Durchsage.“

    FDP-Chef Christian Lindner legte sich ebenfalls fest. „Für die FDP ist eine Zusammenarbeit mit Linker und AfD ausgeschlossen“, sagte er im Oktober. Sein Argument: Beide Parteien wollten die Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung in Deutschland verändern.

    Tja. Und nun? Die entschiedenen Sprüche sind perdu, ignoriert und kalt ad absurdum geführt von den Thüringer Landesparteien. Die Wahl des FDP-Ministerpräsidenten Thomas Kemmerich mit den Stimmen von CDU, FDP und AfD schickt am Mittwoch Schockwellen durch die Republik. Christdemokraten und Liberale heben einen der ihren mithilfe der Rechtsradikalen ins Amt, um den Linken Bodo Ramelow zu verhindern.

    „Dammbruch“, „Ruchlosigkeit“, „historischer Tiefpunkt“, lauten fassungslose Kommentare bei SPD, Grünen und Linken. Das Foto, auf dem AfD-Rechtsaußen Björn Höcke Kemmerich per Handschlag gratuliert und sich dabei leicht verneigt, wird in die Geschichtsbücher eingehen.

    Mit Rechtsradikalen regieren geht dann doch?

    Von Christian Lindner stammt der legendäre Satz: „Es ist besser, nicht zu regieren, als falsch zu regieren.“ Er sagte ihn, als er 2017 die Verhandlungen über ein Jamaika-Bündnis beendete. Aber mit Rechtsradikalen regieren, das geht dann doch?