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Archiv für die 'Köln' Kategorie

Recherche: Kölner IL-Outing

Erstellt von DL-Redaktion am 17. Juni 2023

Fragen an K3 und an das verkündete Ende der Recherche

People Shadow.JPG

Quelle     :     Untergrundblättle – CH

Von     :      K4 Recherche

Wir sind Menschen aus verschiedenen Städten, mit guten Kontakten zu Menschen in Köln, die Zugriff auf einige der Informationen haben, die auch K3 für ihre Untersuchung genutzt hat.

Lange Zeit standen wir der Arbeit von K3 sehr wohlwollend gegenüber. Umso mehr, weil die IL ein Nichtverhalten an den Tag legt, das uns ebenso wütend macht wie K3! Zudem haben wir eine grundsätzliche Kritik an Inhalt und Praxis dieser „postautonomen“ Organisation.In letzter Zeit kommen uns aber auch Zweifel an der Vorgehensweise von K3. Von aussen betrachtet scheint es uns, als ob K3 nun genauso mit Tricks, Halb- und Unwahrheiten zu arbeiten beginnt, wie wir es von Anfang an bei der IL erlebt haben.Anders als K3 halten wir das Schreiben des Anwalts von X., datiert auf den 28.4.2023, für höchst bedeutsam. Hierbei werden wir uns zunächst auf vier Aspekte beschränken:

  • Was ist mit der Sprachnachricht, die „Täterwissen“ offenbart?
  • Doch keine gefälschte Mail mit den zwei Fotos?
  • Doch keine Unkenntnis über korrekte Namensschreibung?
  • Wie viele Personen wussten etwas?

Zu 1. Der Anwalt von X. weist darauf hin, dass C. in einer Sprachnachricht vom 3.1.2022 „Täterwissen“ offenbart habe. Nach den uns vorliegenden Informationen wird die Echtheit dieser von C. an X. übermittelten Sprachnachricht von keiner Seite in Frage gestellt. Der Anwalt von X. führt aus:

K4 Recherche

Nach den bisherigen Darstellungen soll es im Oktober 2021 auf einem Treffen der IL eine Warnung vor C. gegeben haben. Dabei sollen mehrere Namen von FLINTA genannt worden seien. Ein Name war demnach der von X., die weiteren Namen sind nach unserem Kenntnisstand nirgends jemals erwähnt worden.

Wenn C. in der Sprachnachricht jedoch Namen nennt, stellt sich für uns die Frage, woher er diese kennt, wenn die bisherige Darstellung von K3, dass die gesamte Geschichte eine Konstruktion von X. oder der IL sei, korrekt wäre.

Sollte die Darstellung des Anwalts von X. aber der Wahrheit entsprechen, so müsste K3 einräumen, dass Teile der C. belastenden Darstellungen zutreffend sein könnten.

Während wir bislang davon ausgingen, dass C. zu unrecht beschuldigt sein könnte, erschüttert dieser Umstand, der vom Anwalt als „Täterwissen“ eingeordnet wird, unsere Annahme. Hier sehen wir unbedingt Aufklärungsbedarf.

Zu 2) K3 hat in ihren Veröffentlichungen nahegelegt, dass die Mail von JH an X vom 14.01.2022 nicht existieren würde oder manipuliert sei oder keine Fotos als Anhang gehabt habe. Hierzu müssen wir selbstkritisch feststellen, dass diese Position, die wir bisher geglaubt haben, nach dem Schreiben des Anwalts von X, dem der Ausdruck einer Mail mit korrektem Header beigefügt wurde, nicht mehr aufrecht zu erhalten ist.

K4 Recherche

Zu 3)

Wir gingen nach den Veröffentlichungen von K3 bislang davon aus, dass X. keine Kenntnis von der korrekten Schreibweise des Namens von C. habe und ebenso wie JH die falsche Schreibweise mit Q. benutzt. K3 hatte seinerzeit geschrieben:

K4 Recherche

Nun kann der Anwalt von X. jedoch nachweisen, dass X. die korrekte Schreibweise sehr wohl in Kommunikationen benutzte.

K4 Recherche

Die bisherige Darstellung von K3 lässt sich deshalb nicht aufrechterhalten

Zu 4)

Ausweislich des Schreibens des Anwaltes von X., das sich auf beigefügte Kommunikation zwischen X. und C. stützt, wird deutlich, dass C. unterschiedliche Versionen darüber verbreitet, ob er überhaupt mit anderen Menschen über seinen Sex mit X. gesprochen hat bzw. mit wie vielen Menschen:

K4 Recherche

Für uns bleibt die Frage offen, wer im Vorfeld und im Nachgang des Treffens zwischen X. und C. welche konkreten intimen Informationen von C. erhalten hat und an wen diese Informationen weitergegeben wurden. Hinzu kommt, dass der Anwalt von X. geltend macht, dass JH in diesem Zusammenhang Prognosen über das zukünftige Verhalten von C. macht, die sich seiner Ansicht nach bewahrheitet hätten:

K4 Recherche

Wir fragen uns, ob K3 genügend Anstrengungen unternommen hat, um auszuschliessen, dass JH eine der von C. selbst informierten Personen ist.

Alles in allem sind wir verunsichert. Gewissheiten, die wir nach dem Schweigen der IL und den Veröffentlichungen von K3 hatten, existieren nicht mehr. Wir sehen auf ALLEN Seiten den Versuch, selbstkritische Fragen bezüglich diverser Behauptungen, Indizien und Fakten zu vermeiden.

Wir haben hier nur einige wenige Punkte herausgestellt und wir erheben auch keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Wir sind keine Ermittlungsgruppe und in einigen Punkten fehlt uns schlicht die technische Expertise, um qualifizierte Aussagen treffen zu können. Wir halten jedoch anders als K3 die Recherche und die Bewertung derselben nicht für abgeschlossen.

Nachtrag 13. Juni:

Wir sind in den letzten Tagen von verschiedenen Personen und Gruppen angesprochen worden, ob wir an einer Zusammenarbeit interessiert sind. Dafür reicht unser Vertrauen nicht aus und wir sind auch keine klassische Ermittlungsgruppe. Aber wir haben den Anspruch an IL und K3, dass sie ihre Arbeit gründlich und transparent machen. Wir haben einige Punkte genannt, werden jetzt abwarten und uns zu gegebener Zeit wieder melden.

Soweit nicht anders angegeben und keine Quellenangabe (Name einer Organisation oder Internet-Adresse) vorhanden ist, gilt für die Texte auf dieser Webseite eine Copyleft (Public Domain) Lizenz.

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Grafikquellen          :

Oben        —   I took this photo in March 2003

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Agora statt Sneakerladen

Erstellt von DL-Redaktion am 2. Februar 2023

Für Städte könnte das eine Chance sein

Galeria Kaufhof Köln (4022-24).jpg

Ein Debattenbeitrag vin Svenja Bergt

Galeria Karstadt Kaufhof ist mal wieder in der Krise und die Einkaufsmeilen klagen zunehmend über Leerstand. Manche Einkaufsstraßen bieten nicht einmal in nennenswertem Umfang attraktive Sitzgelegenheiten.

An Feiertagen und eigentlich schon an einem ganz gewöhnlichen Sonntag könnte man in vielen Innenstädten, Fußgängerzonen oder Shoppingmalls einen Science-Fiction-Film drehen. Eine von diesen Weltuntergangsdystopien, in denen sich böse Roboter, Aliens oder Lavamassen durch die Straßen schieben. Doch weit und breit kein Mensch. Die Rollgitter des Mode-Flagshipstores heruntergelassen, das Innere des Kaufhauses dunkel und die Bildschirme des Elektronikmarkts blinken ihre Werbung einsam in die Winterdämmerung. Konsumorte, die ohne Konsum ihre Daseinsberechtigung verloren haben.

Das jüngste Wiederaufflammen der Dauerkrise beim Warenhauskonzern Galeria Karstadt Kaufhof – alleine das Namenskonglomerat erzählt die Geschichte des Desasters – bringt es wieder in Erinnerung: das Sterben der Innenstädte. Lange schon wird beklagt, dass die betroffenen Einkaufszonen nicht nur längst mausetot, sondern bereits zu Fossilien geworden sind und wieder ausgegraben werden müssten.

Und so finden die Pa­lä­on­to­lo­g:in­nen bei der Untersuchung der Fossilien gleich eine Reihe an Todesursachen. Da wären: Die weitgehende Vereinheitlichung der Einkaufsstraßen mittels immer gleicher Ketten, so dass man, mit verbundenen Augen ausgesetzt, nach dem Abnehmen der Augenbinde auf Anhieb kaum sicher sagen könnte, ob man sich nun in Essen, Ulm oder Leipzig befindet. Die Verlagerung des Einkaufserlebnisses auf die grüne Wiese, was leider weder zu Vielfalt noch zu alternativen Konzepten in den Stadtzentren führte. Die Profitgier der Investor:innen, die auf eine zu vermietende Innenstadtfläche lieber den vierten Flagshipstore setzen, weil der mehr Umsatz und damit mehr Profit für die Im­mo­bi­li­en­ei­gen­tü­me­r:in­nen bringt als ein Café oder eine Bücherei. Der Online-Handel, der die Parameter Verfügbarkeit, Auswahl und Bequemlichkeit viel besser adressieren kann als jeder Laden vor Ort.

Schauen wir uns einmal um: Orte zum Verweilen? Zum Zusammenkommen? Orte ohne Konsumdruck? Manche Einkaufsstraßen bieten nicht einmal in nennenswertem Umfang attraktive Sitzgelegenheiten. Und wenn, dann gerne diese Bänke mit Armlehnen in etwa 40 Zentimetern Abstand, auf dass ja niemand auf die Idee kommt, sich dort hinzulegen. Von Orten mit Aufenthaltsqualität jenseits der Zehn-Minuten-Fast-Food-Pause zwischen Schuhladen und Drogeriekette ganz zu schweigen.

Und nun die beiden Meteoriten, die ultimativ für das Aussterben der shoppingzentrierten Monokulturen sorgen könnten: die Pandemie. Und die Inflation. Zwar zeigten die Januar-Zahlen des GfK-Konsumbarometers eine leichte Steigerung der Kauflaune. Doch das Niveau bleibt niedrig. Viele Menschen halten ihr Geld zusammen – freiwillig oder gezwungenermaßen. Die Marktforschung konstatiert, dass der Preis als Kaufargument in einem Rutsch auf Platz eins gelandet ist – Geschmack oder Qualität sind abgestiegen. Rund 70 Prozent der Kommunen klagen laut dem EHI Retail Institute über Leerstand in den Einkaufszonen. Und Galeria Karstadt Kaufhof plant einen massiven Stellenabbau und Filialschließungen.

Doch vor diesen Entwicklungen und den Folgen schließen viele Beteiligte lieber die Augen. Galeria Karstadt Kaufhof soll – nach einem ordentlichen Schrumpfungsprogramm – in einigen Jahren wieder schwarze Zahlen schreiben. Aus Unternehmensperpektive ist diese Strategie nachvollziehbar, auch Firmen haben systemische Selbsterhaltungsbestrebungen.

Was nicht nachvollziehbar ist, ist die Weigerung in weiten Teilen der Politik, jenseits punktueller Projekte darüber nachzudenken, was für die Konsumorte jenseits des Bekannten möglich wäre. Wie es weitergehen soll, wenn an die Stelle des Überkonsums etwas anderes treten muss. Was es bedeutet, wenn die über Jahrzehnte festgefahrene Funktion der Innenstadt als kommerzielles Zentrum zunehmend obsolet wird.

Denn aus kapitalistischer Sicht kann man die Veränderungen zwar bedauern – aus gesellschaftlicher Sicht sind sie begrüßenswert. Schließlich wird so Raum frei. Nicht nur physischer Raum. Sondern auch Raum, darüber nachzudenken, welche Funktionen, welchen Sinn eigentlich solche stadtpolitisch attraktiven Orte erfüllen sollten. Von Kultur über Wohnen bis zur Nahversorgung gibt es da einiges, was für eine Gesellschaft gewinnbringender wäre als eine Abfolge exklusiver Sneakers-, Elektronik-, und Interiorläden.

Quelle      :      TAZ-online          >>>>>        weiterlesen

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Grafikquellen       :

Oben       —       Galeria Kaufhof Köln. Hohe Str./Ecke Gürzenichstr. Ehemals „Warenhaus Leonhard Tietz“ Architekt: Wilhelm Kreis.

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Stadtentwicklung in Köln

Erstellt von DL-Redaktion am 5. Januar 2023

Die Liste der Possen ist lang

Von Johannes Novy

In Köln verzögert sich erneut ein lang ersehntes Museumsprojekt. Einmal mehr zeigt sich, dass in Sachen Stadtentwicklung eine Dauerkrise herrscht.

Oft heißt es, eine Gesellschaft bekomme am Ende immer die Politik, die sie verdient. Köln gehört zu jenen Orten, die zeigen, dass das so nicht stimmt. Was auch immer man von der Stadt samt ihrem gleichermaßen typischen wie hinderlichen Hang zur Selbstgefälligkeit halten mag. Diese Stadtpolitik haben die Kölnerinnen und Kölner nicht verdient. Seit Jahrzehnten macht Köln mit Pleiten und Pannen Schlagzeilen.

Zuweilen ist das durchaus unterhaltsam. So wie bei der Umgestaltung des Breslauer Platzes am Hauptbahnhof vor ein paar Jahren, wo der geplante Brunnen – eher ein Trauerspiel als ein Wasserspiel – „vergessen“ worden war und später mit erheblichem Mehraufwand ergänzt werden musste.

Schon Tradition ist das Fiasko am Heinrich-Böll-Platz, der jedes Mal gesperrt werden muss, wenn in der unter ihm gelegenen Philharmonie Veranstaltungen stattfinden, weil Geräusche von der Platzoberfläche in den Konzertsaal dringen. Kein Scherz: Die Kosten für das Wachpersonal, das seit Jahrzehnten Passanten, Skater und Radfahrer vom Platz vertreibt, gehen in die Millionen.

Die Liste derartiger Possen ließe sich beliebig fortsetzen. Doch spätestens seit dem Einsturz des historischen Stadtarchivs im März 2009, der durch ein ebenso unheilvolles wie umstrittenes U-Bahn-Projekt verursacht wurde und zwei Menschen das Leben kostete, mutet das, was in Köln passiert, nicht mehr komisch, sondern tragisch an.

Der Anblick von Brachland

Zuletzt waren es wieder einmal die Pläne für die Erweiterung des Wallraf-Richartz-Museums, eines der kulturellen Aushängeschilder Kölns, die für Kopfschütteln sorgten. Als die Stadt das dafür vorgesehene Grundstück neben dem bestehenden Museum und unweit des historischen Rathauses erwarb, gab es die D-Mark noch. Eigentlich hätte die Realisierung des Erweiterungsbaus, dessen Entwurf auf einen 2013 (!) entschiedenen Architektenwettbewerb zurückgeht, schon längst beginnen sollen, doch im August wurde bekannt, dass es dazu auch in diesem Jahr nicht mehr kommen würde.

Die Stadt sprach von bisher unbekannten Hohlräumen im Baugrund, die Kritiker davon, dass sie es schlicht versäumt hat, den Baugrund früher zu untersuchen – Zeit genug hätte sie ja gehabt. Ende November gab die Stadt einen neuen Zeitplan bekannt: Der Baubeginn wird nun für Herbst 2023 erwartet und das Projekt soll Mitte 2028 abgeschlossen sein.

Es bleibt zu hoffen, dass die Vertreter der Fondation Corboud, deren Sammlung in dem Neubau untergebracht werden soll, bis dahin nicht endgültig die Geduld verlieren und der Stadt den Rücken kehren. Der Vertrag über die Dauerleihgabe von 170 Gemälden, hauptsächlich Werke des Impressionismus und Neoimpressionismus, stammt aus dem Jahr 2001.

Jedenfalls bleibt einem hier, an einem der zentralsten und historischsten Orte der Stadt, der Anblick von Brachland vorerst nicht erspart. Was etwas leichter zu ertragen wäre, wenn nicht bereits die Umsetzung der benachbarten „Archäologischen Zone“ die Geduld über Gebühr strapazieren würde.

Gescheiterte Kultur(haupt)stadt

Die Idee für das inzwischen etwas sperrig als LVR-Jüdisches Museum im Archäologischen Viertel bekannte Projekt entstand als Teil der (gescheiterten) Bewerbung Kölns zur Kulturhauptstadt Europas 2010. Das war zu Beginn des Jahrtausends. Der Baubeginn ließ bis 2017 auf sich warten, und seitdem machte das für Köln so wichtige Projekt, das auf einem unterirdischen Parcours Zeugnisse aus über 2.000 Jahren Stadtgeschichte erfahrbar machen soll, vor allem mit Kostensteigerungen und weiteren Verzögerungen Schlagzeilen. Im Oktober wurde bekannt gegeben, dass der Bau frühestens Ende 2026 fertiggestellt wird.

Köln kann keine Kulturbauten mehr, heißt es heute oft, weil bei praktisch jedem großen Kulturprojekt der Wurm drin ist. Allen voran bei der nun bereits zehn Jahre währenden Sanierung des denkmalgeschützten Opern- und Schauspielhauses am Offenbachplatz, deren Baukosten sich über die Jahre verdreifacht haben. Doch wenn es nur das wäre! Vereinzelte Lichtblicke können nicht darüber hinwegtäuschen, dass es um die Stadtentwicklung Kölns generell nicht gut bestellt ist.

Bei der Verkehrswende hinkt die Stadt hinterher, was sich unter anderem daran zeigt, dass Radwege, die diesen Namen verdienen, immer noch Stückwerk sind und der öffentliche Nahverkehr eine Zumutung ist. Ein weiteres Ärgernis: Vieles von dem, was unter Denkmalschutz steht, wird nicht so behandelt und im Stadtbild nicht so gewürdigt, wie man es angesichts seines kulturellen und historischen Wertes erwarten würde; das gilt für die Spuren der römischen Geschichte ebenso wie für die vielen romanischen Kirchen der Stadt, deren oft vernachlässigtes Umfeld nicht darauf schließen lässt, dass sie zu den wichtigsten Westeuropas gehören.

Und auch die meisten größeren Stadtentwicklungsprojekte, die in den vergangenen Jahren umgesetzt wurden, vermögen nicht zu überzeugen. Vor allem nicht, wenn man sie an Kölns Selbstverständnis misst, in einer Liga mit anderen europäischen Metropolen mitzuspielen.

Ungenutzte Gelegenheiten

Das Vorzeigeviertel Rheinauhafen glänzt allenfalls mit schmucken Fassaden, nicht aber mit urbanem Leben, und man muss lange suchen, bis man auf Projekte größeren Maßstabs stößt, durch die ein wirklich überzeugendes neues Stück Stadt entstanden wäre.

Dass es Köln zukünftig mit Projekten wie der Entwicklung des Deutzer Hafens besser machen will – der ehemalige Industriehafen soll ein „lebendiges, soziales und buntes Quartier“ werden –, ist ein schwacher Trost angesichts dessen, was in den vergangenen Jahren entstanden ist und bis heute größtenteils entsteht. Unmengen aufgegebener Industrie- und Bahnflächen wurden neuen Nutzungen zugeführt. Was für eine Gelegenheit, Köln weiterzuentwickeln, und was für eine Tragödie, dass sie nicht besser genutzt wurde!

Bezahlbar ist das, was entstanden ist, größtenteils auch nicht, auch weil Köln erst spät und dann eher zaghaft auf das Problem steigender Mieten und Immobilienpreise zu reagieren begann. Während 1990 noch etwas mehr als ein Fünftel der Wohnungen öffentlich gefördert waren, sank dieser Anteil auf nur noch 6,7 Prozent im Jahr 2021.

Das liegt auch daran, dass Köln, dem Beispiel Münchens und anderer Städte folgend, Investoren beim Bau von Wohnungen zwar seit einigen Jahren zur Schaffung von mindestens 30 Prozent gefördertem und damit bezahlbarem Wohnraum verpflichtet, ihnen aber gleichzeitig erheblichen Spielraum ließ, sich dieser Verpflichtung zu entziehen.

Leben in der Zweitklassigkeit

Auch „Milieuschutzsatzungen“, mit denen Luxussanierungen oder die Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen verhindert werden können, werden erst seit Kurzem und nur punktuell angewandt, was in Köln aktive stadtpolitische Initiativen in ihrer Kritik bestärkt, dass es der Stadt an Entschlossenheit im Kampf für bezahlbaren Wohnraum fehlt.

Quelle        :        TAZ-online          >>>>>         weiterlesen

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Oben     —   Barbarossaplatz, Köln

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Ja, guten Morgen, Günter!

Erstellt von DL-Redaktion am 6. Oktober 2022

Zum 80. Geburtstag von Günter Wallraff

Von : Du Pham

Günter Wallraff forscht seit über fünf Jahrzehnten ganz unten. Zu seinem 80. Geburtstag eine persönliche Erinnerung an meinen ehemaligen Vermieter.

Vor einem Haus stehe ich, auf dem groß das Rettungsschiff „Cap Anamur“ gemalt ist, durch ein Tor trete ich in den Innenhof, gehe über die Treppe auf der linken Seite hinein in das Wohngebäude. Es ist so klein und hutzelig, dass ich – klein und hutzelig – mich reflexartig ducke.

Die Maklerin zeigt mir die Wohnung im zweiten Stock; puh, das ist eine Wohnung? Auch ganz schön klein. Und die Küche, die ist nicht hutzelig, sie ist hässlich. Der Dielenboden, die hohe Decke, große Fenster und die Tatsache, dass man auf eine kleine Terrasse klettern kann, überzeugen mich, das Bewerbungsformular auszufüllen.

Die Miete ist nicht günstig, aber wir sind in Köln, wir sind in Ehrenfeld. Zurück bei der Arbeit erhalte ich am selben Tag einen Anruf der Maklerin, mit einer Zusage. Bis zu diesem Anruf wusste ich nicht, dass du – Günter Wallraff – mein Vermieter sein wirst.

Zweiter Bildungsweg

Das ist nun zehn Jahre her, ich war damals fast 30 und studierte auf dem zweiten Bildungsweg „Online-Redakteur“ – wer sich diese Bezeichnung ausgedacht hat, denkt hoffentlich heute noch darüber nach. Es ist kaum möglich, Studierenden journalistische Darstellungsformen näherzubringen, ohne die Grenzen und legendenumwobenen Spielarten des investigativen Journalismus anzuschneiden, die du, Günter, seit über 50 Jahren immer wieder austestest.

Es ist 2012 und das Jahr, in dem ich mein Praxissemester bei der taz machen sollte. Ja, und dieser Journalist, dessen Arbeit darin besteht zu enthüllen, wird zum vermeintlich Aufgedeckten, als ein ehemaliger Mitarbeiter ihm Ausbeutung vorwirft. Jemand, dem es eine Unerlässlichkeit ist, Unrecht aufzudecken und zu desavouieren, soll selbst eine Person zum Niedriglohn schwarz beschäftigt haben.

Ein Mensch, der sich mit größter Hingabe in die Rollen unter seinesgleichen begibt, unter solche, die im Alltag ganz unten sind, soll selbst jemanden nach unten getrieben haben. Einer, ohne dessen Arbeit vieles in diesem Land weiterhin unentdeckt geblieben wäre, wurde demaskiert. War das so? Das weiß man nicht, ich weiß es nicht.

Hans Esser bei der BILD

Mal hast du als Türke „Levent (Ali) Sigirlioğlu“ bei Thyssen gearbeitet, als „Reporter Hans Esser“ dich in die Bild-Zeitung eingeschlichen, Burger bei Fastfoodketten gebraten. Häufig hast du eine Perücke aufgesetzt, einen Bart angeklebt, ebenso häufig wurdest du vor Gericht geladen.

Die Schilderung deiner Erlebnisse mit Rassismus, Ausbeutung und Verachtung haben die deutsche Gesellschaft aufgeschreckt. Als „Verdammter dieser Erde“ hast du Zugehörigkeit und Freundschaft erlebt. Aber moralische Verurteilung blieb in all den Jahrzehnten intensivster Arbeit nicht aus: Deine Darstellung diffamiere Betroffene ausschließlich als Opfer, hieß es, zu reißerisch sei die Schreibe, zu ungehorsam die Methoden.

Zur Unterzeichnung des Mietvertrags lernen wir uns persönlich kennen. Dein Büro ist nur wenige Häuser entfernt. Als wir uns an einen großen Holztisch, umgeben von unzähligen Papierstapeln, hinsetzen, wirkst du ganz hutzelig. Während wir sprechen, piddelst du in irgendwelchen Unterlagen.

Ja, ja, äh, ja.

Und ich merke, dass du gedanklich längst bei einem anderen Thema gelandet bist. „Ja, ja, äh, ja!“ – diese besondere Form der Aneinanderreihung von Jas werde ich noch oft hören. Denn ich bin ganz gut darin, Themen, die nicht meine eigenen sind, zu sortieren. Und so ergab es sich, dass ich dir im Büro aushelfe.

Es dauerte nicht lange, bis ich mit deiner Betriebsamkeit konfrontiert wurde, manchmal wurde ich noch nach Feierabend angerufen, nur um sicherzu­gehen, dass wirklich keine dringende Mail mehr eingegangen sei. Und die vielen Mails, die täglich hereinkamen, sie wurden alle gelesen. Bei manchen Nachrichten habe ich nervöse Zuckungen bekommen, so absurd schienen sie mir. Von dir hingegen wurden sie wertgeschätzt und respektiert.

Ich bin in einem matriarchalen Haushalt aufgewachsen und du warst damals schon – pardon – der alte, weiße Mann. Attribute, auf die ich bei meinem Gegenüber gern verzichte, sei es beim Schuldirektor oder im Umgang mit diversen Chefs. Du konntest ähnlich geckenhaft sein. Bist mir aber auf Augenhöhe begegnet, hast nicht ge-mansplaint und wurdest so intuitiv ein Wegweiser.

Die engsten Gefährten

Ich lernte deine Gefährten kennen, die genauso kämpferisch und gerechtigkeitsliebend sind: den Journalisten und „work-watcher“ Albrecht Kieser und den selbsternannten radikalen Menschenfreund Rupert Neudeck – dessen Porträt im Wohnzimmer meiner Großeltern hängt. Der Drang, sich zu engagieren, eint euch. Und übertrug sich auch auf mich.

Du und deine Freunde, ihr habt mich intensiviert, in dem, was ich heute tue. Als ich bei dir anfing, wollte ich erfolgreiche Autorin werden, über all die Auswüchse der Gesellschaft berichten, wallraffen. Es kam anders, ungewollt. Ich schreibe, ja. Aber nicht vorrangig. Und selten weltbewegend. Engagement findet nicht in der Theorie statt, das habe ich durch dich begriffen. Deine stoische Art, Dinge einfach zu machen – das habe ich im Selbstversuch gemerkt – ist so viel direkter und so viel effektiver.

Erinnerst du dich noch? Als der TV-Sender RTL das Format „Team Wallraff“ gestartet hat, war ich verwundert und fragte dich, ob du damit nicht an Serio­sität einbüßen würdest. In meiner angehenden, arroganten Akademikerblase waren wir uns alle einig, dass Privatfernsehen gar nicht ginge. Du hast mir entgegnet, dass es darum gehe, eine breite Masse zu erreichen, nicht nur Anerkennung von Aka­de­mi­ke­r*in­nen zu ernten. Ja, da habe ich mich ein bisschen geschämt!

Ausschließlich zur Berieselung

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Oben     —   Der deutsche Enthüllungsjournalist Günter Wallraff während einer Lesung in der Thalia-Filiale Linz Landstraße.

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Mutig erkämpft :

Erstellt von DL-Redaktion am 20. September 2022

Bessere Pflege in NRW

Innerer Grüngürtel, Köln und auf der linken Seite Gebäude Universität zu Köln

Von Ulrike Baureithel

Während in der Urlaubssaison die Streiks des Bodenpersonals an den Flughäfen enorme mediale Resonanz erfuhren und rasch mit einem Tarifvertrag beendet wurden, fand der Ausstand der Pfleger*innen an den sechs nordrhein-westfälischen Unikliniken kaum mediale Beachtung. Dabei sind die Zustände in Normal- und Intensivstationen, Ambulanzen, Kreiß- und Operationssälen sowie Kinderstationen katastrophal, wie in dem während des Streiks entstandenen „Schwarzbuch Krankenhaus“ zu lesen ist.[1]

Langjährig in ihrem Beruf Tätige, aber auch Auszubildende und Hilfskräfte zeichnen dort ein Bild der Realität in deutschen Kliniken, das einen schaudern und verstehen lässt, warum viele Beschäftigte sagen, so möchten sie selbst nicht gepflegt werden. Da wird von Patient*innen erzählt, die stundenlang in ihren Exkrementen liegen oder alleine sterben, von unterversorgten Neugeborenen, Menschen, die auf eine Operation warten und aus Personalnot alleine gelassen werden. Die Rede ist von unterbesetzten Röntgenstationen, Ambulanzen, in denen es nicht nur zu verbaler Gewalt kommt, und Nachtschichten, die von einer einzigen Kraft gestemmt werden müssen. Und es geht um Mitarbeiter*innen, denen „oft zum Heulen zumute“ ist, wenn sie nach Hause kommen, die „gerne weglaufen“ würden und vor Erschöpfung fast umfallen.

Das „Schwarzbuch“ wurde während des längsten Streiks, den das Krankenhauspersonal in Nordrhein-Westfalen je initiiert hat, fortwährend ergänzt. 79 lange Tage haben die Streikenden in Aachen, Bonn, Düsseldorf, Essen, Köln und Münster ausgeharrt, nachdem die Leitungen der Universitätskliniken ein 100tägiges Ultimatum haben verstreichen lassen. Sie erstellten Notfallpläne und sind auf Zuruf in die Klinik zurückgeeilt, wenn es nötig war. Gemeinsam entwickelten sie Forderungen – ganz eng an ihrem Arbeitsbereich und unter Einbeziehung der Kolleg*innen. Und sie reagierten mutig und selbstbewusst, wenn ihnen vorgeworfen wurde, die Patientensicherheit zu vernachlässigen.

Gefährlicher Normalzustand

Denn gerade um die Patientensicherheit ging es in diesem Streik. Nicht der Ausstand gefährde die Gesundheit der Patient*innen, so die immer wiederkehrende Erklärung, sondern der permanent unzureichende Normalzustand: Gefährdung besteht, wenn regelmäßig der ohnehin knapp bemessene Personalschlüssel unterlaufen wird, wenn die Pflegekräfte von einem Bett zum anderen hetzen, Überstunden ableisten oder kranke Menschen in den Ambulanzen viele Stunden warten müssen, kurz: wenn einfach zu wenig Manpower da ist, um die von allen Seiten gewünschte „gute Pflege“ zu leisten.

Dann riskieren nicht nur die Beschäftigten ihre Gesundheit, sondern auch Patient*innen leiden darunter. „Man fühlt sich ohnmächtig“, erzählt Personalrätin Petra Bäumler-Schlackmann, vor ihrer Freistellung als Betriebsrätin Teamsekretärin am Essener Klinikum, „wenn man täglich Überlastungsanzeigen bekommt und den Beschäftigten akut nicht helfen kann, weil wir dem Problem immer nur hinterherrennen.“[2] Allein in Nordrhein-Westfalen fehlen nach Verdi-Angaben rund 20 000 Fachkräfte in den Krankenhäusern und 14 000 in der Altenpflege. Deshalb forderten die Beschäftigten auch nicht mehr Geld wie bei einem gewöhnlichen Streik, sondern einen Tarifvertrag „Entlastung“ nach dem Berliner Vorbild, wo ein solcher im vergangenen Jahr ebenfalls nach einem wochenlangen Streik an den großen Krankenhäusern durchgesetzt werden konnte.[3] Ziel des Streiks waren entsprechend verbindliche Personalschlüssel für alle Arbeitsbereiche sowie die Dokumentation der konkreten Arbeitssituation, um den Betroffenen einen Belastungsausgleich – möglichst in Form freier Tage – zukommen zu lassen. Verdi fordert außerdem gesetzliche Personalvorgaben, die für alle Krankenhäuser gelten.

Wie schon in der Hauptstadt schlossen sich auch in Nordrhein-Westfalen Tätige aus allen Bereichen zusammen: Pflegekräfte, Reinigungspersonal, Beschäftigte aus Ambulanzen und Laboren, Transport und sogar der Verwaltung. Nach sechs Wochen Streik wurde schließlich klar, dass die Arbeitgeber zwar den Pflegenden „am Bett“ entgegenkommen wollten, weil dies durch das Pflegestärkungsgesetz hätte refinanziert werden können, die Beschäftigten in den übrigen Bereichen – mehr als die Hälfte des betroffenen Personals – aber außen vor geblieben wären. Der Vorschlag, den die Unikliniken im Juni schließlich unterbreiteten, wurde von der Verhandlungsgruppe in Absprache mit den Delegierten deshalb als „Mogelpackung“ abgelehnt. Die Spaltungsabsicht der Arbeitgeber war zu offensichtlich. Diese reagierten, indem sie mit Verweis auf die Patientensicherheit und ausgefallene Operationen versuchten, den Streik auf dem Klageweg zu beenden – allerdings erfolglos.[4]

Verbesserungen sind notwendig

Erschwert und verzögert wurden die Gespräche, weil die Unikliniken nicht einzeln bzw. zusammen mit Verdi verhandeln durften. Sie waren bis dahin Teil des Arbeitgeberverbandes des Landes (AdL), der wiederum der Tarifgemeinschaft der Länder (TdL) angehört. Diese hatte es jedoch abgelehnt, über einen Tarifvertrag Entlastung zu verhandeln. So mussten die Kliniken aus dem AdL austreten, was eine Änderung des Hochschulgesetzes erforderte. Diese wiederum ließ jedoch auf sich warten, weil sich die neue nordrhein-westfälische Landesregierung noch nicht konstituiert hatte. Am Ende verließen die Kliniken die AdL, nicht unbedingt zur Freude von Verdi: „Unser Wunsch wäre es gewesen, dass wir im Verband bleiben und schauen, was passiert. Wir bedauern sehr, dass die Landesregierung dazu nicht bereit war“, erklärt der Essener Gewerkschaftssekretär Jan von Hagen.[5]

Hauptgebäude der Universität zu Köln-5634.jpg

Sie würden den Streik erst beenden, wenn sie im Alltag tatsächliche Verbesserungen spürten, war von den Beschäftigten vielfach zu hören. Es müsse sich grundlegend etwas ändern. Der schließlich ausgehandelte Kompromiss sieht vor, dass in allen patientennahen Bereichen – von den Stationen über die Ambulanzen bis zur Psychiatrie – und in jeder Schicht kontrolliert wird, ob ausreichend Personal arbeitet. Ist dies nicht der Fall, gibt es Belastungspunkte für die dort Tätigen, bei sieben Punkten steht ihnen fortan ein freier Tag zu, bis zu maximal elf Tagen im ersten, 14 im zweiten und 18 im dritten Jahr. Für eine Übergangszeit, bis die entsprechend dafür nötigen IT-Systeme eingerichtet sind, gibt es pauschal fünf Tage. Auch für andere Bereiche wie die Radiologie oder Betriebskindergärten wurden Belastungsvereinbarungen erzielt.

In den einzelnen Kliniken werden nun 30 neue Vollzeitkräfte eingestellt. Bitter sei es jedoch, so Verhandlungsführer Heinz Rech, dass Entsprechendes für den IT-Bereich und die Ambulanzen nicht erreicht wurde. Immerhin: Die Anbindung an den Branchentarifvertrag bleibt auch nach dem Austritt der Kliniken aus der AdL bestehen. Damit hätten die Beschäftigten, so Katharina Wesenick von Verdi, „den ersten Flächentarifvertrag für Entlastung“ durchgesetzt und „einen wichtigen Etappensieg“ erreicht.[6] Anfang August segneten die Mitarbeitenden der Unikliniken den Abschluss ab, mit knapp 74 Prozent. Das Ergebnis, so Verdi-Sekretär von Hagen, spiegele die Stimmung der Streikenden wider. Sie hätten gute Ergebnisse durchsetzen können, es gebe aber auch „Unmut über die Spaltung der Beschäftigten durch die Arbeitgeber, die nicht bereit waren, für alle Bereiche wirksame Entlastungsregelungen zu vereinbaren“.[7]

»Ich pflege wieder, wenn…«

Quelle        :      Blätter-online        >>>>>         weiterlesen

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Oben     —       Innerer Grüngürtel, Köln und auf der linken Seite Gebäude Universität zu Köln

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Flughafenchaos in Europa

Erstellt von DL-Redaktion am 30. Juni 2022

Das sind die Probleme des Altweltkapitalismus

Flughafen Köln-Bonn - Terminal 1 Hauptgebäude (9054-56).jpg

Eine Kolumne von Sascha Lobo

An den Flughäfen bricht der Betrieb zusammen. Falsche Planung, Personalmangel, Coronanachwehen? Nein, dahinter steckt mehr.

Für Berliner ist es nicht besonders erhebend, über Flughafenthemen zu sprechen. Denn der BER ist schon zu lange und noch immer das Übersymbol des Verkehrsversagens. Aber es gibt inzwischen immerhin einen schlechten Trost: Viele Flughäfen Europas ver-BER-en in erstaunlichem Tempo.

Besonders schlimm ist es etwa in Amsterdam. In Schiphol, einem der wichtigsten Flughäfen des Kontinents, sieht man kurz nach der Landung Zehntausende Koffer herrenlos herumstehen. Einfach so, überall im Ankunftsbereich, ohne jede Sicherheitsvorkehrung. Sie stammen unter anderem von Leuten, die zwar schon eingecheckt, aber trotzdem ihre Flüge verpasst haben. Wegen der bis zu sieben Stunden Wartezeit für die Sicherheitskontrolle. Vor der Abflughalle in Schiphol ist ein über hundert Meter langes Zelt aufgebaut, in dem sich die Warteschlangen hin und her und hin und her bewegen, im Gebäude geht es weiter. Fragt man nach, ist der Grund Personalmangel . Klar, hat man gelesen, ist bekannt, soll auch noch schlimmer werden. Aber dahinter steckt mehr.

Das Chaos an Europas Flughäfen ist ein Symptom, es offenbart sich etwas Größeres als falsche Planung, schnöder Personalmangel und Coronanachwehen. Sichtbar werden hier die bisher notdürftig überdeckten oder ignorierten Verwerfungen des Altweltkapitalismus.

Als Altwelt- oder Europakapitalismus möchte ich das wirtschaftliche Erfolgsmodell des 20. Jahrhunderts bezeichnen, das in Nordeuropa wirksam war. Innerhalb der EU haben es vor allem Deutschland und Frankreich vorangetrieben, von den skandinavischen Ländern wurde es vielleicht sogar perfektioniert.

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Macht­demons­trationen

Erstellt von DL-Redaktion am 17. Oktober 2021

Gebetsrufe und Glocken-Gebimmel sind überflüssige Macht­demons­trationen

Von Arno Frank

Religion ist bekanntlich wie ein Penis. Es ist okay, einen zu haben. Und es ist völlig in Ordnung, stolz darauf zu sein. Nur sollte man ihn – bitte, bitte – nicht in der Öffentlichkeit herausholen und damit herumwedeln.

Mit diesem zugegeben leicht agnostischen Gleichnis ist der Gedanke des Laizismus im Grunde auf den Punkt gebracht. Auf Köln, wo alles „kütt, wie et kütt“, lässt er sich leider nur begrenzt anwenden. Dort wird demnächst ein Muezzin zum Gebet rufen, diese Woche hat die Stadt Köln ihr Okay gegeben. Jodeln darf der zum Gebet Rufende nun freitags zwischen 12 und 15 Uhr, für maximal fünf Minuten.

Und in diesem speziellen Fall wird’s schnell politisch. Und knifflig. Denn mit dem Popanz islamistischer Überfremdung lassen sich allzu leicht Ängste schüren. In Frankreich, dem Mutterland des Laizismus, funktioniert das sehr gut. Die Identitäre Bewegung hat sich einen reaktionären Jux daraus gemacht, überraschte Bevölkerungen mit einem Gebetsruf am frühen Morgen aus dem Schlaf zu reißen. Per Lautsprecher und als Weckruf sozusagen. Damit auch der letzte christlich geprägte Alteuropäer erwacht und erkennt, was ihm noch blühen wird.

Was Reisende aus Marrakesch, Amman oder Srinagar kennen und lieben, werden sie am Rhein nur begrenzt erleben. Mit fünf Rufen am Tag, dem ersten bereits zum Sonnenaufgang, legt sich in muslimischen Ländern ein als exotisch empfundenes Gewebe aus Schallwellen über die Städte. Der Muezzinruf ist für die Phonetik, was das Minarett für die Architektur ist – eine Setzung.

In Deutschland setzen behördliche Verfügungen den Traditionen dieser jüngsten aller abrahamitischen Religionen enge Grenzen – nicht aus Xenophobie, ach was. Einfach, weil es Deutschland ist: Die Nachbarschaft muss „mittels Flyer“ darüber informiert werden, dass es diesen Muezzin gibt und was der macht. Es gibt eine Lautstärkeobergrenze.

Politisch ist auch die Moschee selbst, weil sie der „Türkisch-Islamischen Union der Anstalt für Religion“ (Ditib) – und damit Erdoğan – als Zentraltempel dient; mithin als kulturell-demografischer Fuß in der Tür einer allzu liberalen deutschen Mehrheitsgesellschaft. Schlimm. Andererseits sind rund 120.000 aller Kölnerinnen und Kölner muslimischen Glaubens. Schön, wenn die sich in ihrer Stadt zu Hause fühlen und ihre spirituellen Bedürfnisse befriedigen können.

Das alte Moscheegebäude hatte den Charme einer Kfz-Zulassungsstelle. Der Neubau krönt mit beinahe ökumenischer Eleganz das Lebenswerk des Kirchenbauers Paul  Böhm. Wer für Integration eintritt, kann sich darüber nur freuen. Es ist ein soziokultureller Fortschritt, eine Bewegung in Richtung einer progressiveren Gesellschaft.

Ein zivilisatorischer Fortschritt aber ist es nicht. Zumindest nicht aus laizistischer Sicht, die dem Glauben und seiner Ausübung eher gleichgültig gegenübersteht und auf einer Trennung zwischen Staat und Kirche, Öffentlichem und Privatem, Vernunft und Hokuspokus beharrt.

Das Übergreifen von Religion in den öffentlichen Raum hat eine lange Tradition. Wer das Leben der Menschen rhythmisiert, der hat es unter Kontrolle. Beobachten lässt sich das etwa an St. Peter in Zürich. Schon den Vorgängerbau zierten seit der Reformation gewaltige Zifferblätter von absurder Größe. Sie zeigten in alle vier Himmelsrichtungen an, was die Stunde geschlagen hat.

Max Weber hatte erkannt, dass „zwischen gewissen Formen des religiösen Glaubens und der Berufsethik“ gewisse „Wahlverwandtschaften“ erkennbar seien. Die protestantische Prädestination lehrt, dass geschäftlicher Erfolg von Gott gewollt ist. Die Pleite übrigens auch, Pech gehabt. Wer sich aber bemüht und pünktlich (!) sein Tagwerk verrichtet, zeigt Gottesfurcht und Geschäftstalent gleichermaßen. Daher die großen Uhren von St. Peter, daher überhaupt auch die Uhrmacherkunst helvetisch-calvinistischer Provenienz.

Glauben strahlt ab, auch wenn die christlichen Kirchen an Strahlkraft verloren haben. Wenn es neben Kuhglocken und dem Rauschen der Umgehungsstraße so etwas wie eine akustische Signatur der Provinz gibt, dann ist es das Gebimmel der Glocken. Vergessen ist der Sinn, dass das Morgenläuten an die Auferstehung, das Mittagsläuten an das Leiden und das Abendläuten an die Menschwerdung eines jüdischen Wanderpredigers aus Palästina erinnern soll.

Quelle        :       TAZ-online          >>>>>        weiterlesen

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Grafikquellen          :

Oben     —      St.-Peters-Glocke im Kölner Dom (Dicker Pitter)

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Corona-Irrtümer des Prof.

Erstellt von DL-Redaktion am 5. Juni 2021

Einige Corona-Irrtümer des Viren-Experten Karl Lauterbach

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Angaben zum Studium sind keine Aussagen etwas gelernt zu haben.

Quelle      :        INFOsperber CH.

Urs P. Gasche / 

Oft düstere Prognosen des SPD-Gesundheitsexperten wurden auch in der Schweiz verbreitet. Ein Faktencheck der «Bild»-Zeitung.

Wohl kaum ein Experte hat sich in deutschen Medien so häufig zu Corona gemeldet wie der Mediziner und Gesundheitsökonom Karl Lauterbach. Jetzt hat die «Bild»-Zeitung seine grössten Irrtümer dokumentiert. Lauterbach verbreitete zuweilen Zahlen, ohne sich dabei auf Daten zu stützen. In anderen Fällen waren seine Quellen «Leitungspersonen von Intensivstationen». In weiteren Fällen verallgemeinerte er das Resultat einer isolierten Studie.

Zu seinen teilweise falschen Prognosen meint Lauterbach heute: «Das hätte ja auch anders ausgehen können…»

Einige Beispiele

Am 9. April 2020 sagte Lauterbach,

«Beutel von Staubsaugern sind das beste Material, um Atemschutzmasken selber herzustellen.»

Darauf warnten Hersteller, dass diese Beutel viele gesundheitsschädigende Stoffe enthalten würden, welche die Atemwege schädigen könnten.

Dazu Lauterbach zu «Bild»: «Nicht alle Staubsaugerbeutel enthalten diese schädlichen Stoffe. Ausserdem war das lediglich ein Vorschlag, was man in der Not machen könnte.»

*****

Am 6. Mai 2021 behauptete Lauterbach in der Talkshow von Maybrit Illner:

«Sieben Prozent der Kinder, die sich infizieren – das ist unstrittig –, entwickeln Long-Covid-Symptome.»

Der verantwortliche Arzt einer grossen Berliner Kinderarztpraxis versichert, es habe «in der ganzen Zeit ein einziges Kind» gegeben, bei dem der Verdacht von Langzeitfolgen nach einer Erkrankung mit Covid-19 aufkam.

Dazu Lauterbach zu «Bild»: «Ich wollte damit erreichen, dass wegen Wechsel- und Distanzunterricht nicht so viele Kinder erkranken.» Tatsächlich würde es dazu in Deutschland keine Daten geben. Er habe sich auf eine britische Studie gestützt.

*****

Am 16. April 2021 sagte Lauterbach bei Maybrit Illner:

«Diejenigen, die jetzt auf Intensivstationen behandelt werden, sind im Durchschnitt 47 bis 48 Jahre alt. Die Hälfte von denen stirbt. Viele Kinder verlieren ihre Eltern. Das ist eine Tragödie.»

Laut Bundesregierung gab und gibt es bei Covid-Intensivpatienten keine Altersangaben.

Dazu Lauterbach zu «Bild»: Dies sei «glattweg eine Fehleinschätzung» gewesen. «Meine Einschätzung kam durch persönliche Gespräche zustande, die ich mit den Leitungen von Intensivstationen geführt habe. Zum Glück ist es dann nicht so gekommen, wie ich nach diesen Gesprächen befürchtet hatte.»

*****

Am 17. Januar hatte Lauterbach getwittert:

«Im März wird die Entscheidung zur Fussball-EM getroffen. Da wir dann in Europa noch mitten in der Covid-Pandemie sind, bezweifle ich, dass die Durchführung beschlossen wird. Wenn, dann als Geisterspiel-EM.»

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Merkel – Influencer 

Doch jetzt findet die EM statt, sogar mit einer beschränkten Zahl von Zuschauern. Die Auslastung der Stadien soll zwischen 20 und 100 Prozent betragen.

Dazu Lauterbach zu «Bild»: «Das hätte auch anders ausgehen können. Niemand freut sich mehr darüber als ich, dass der Fussball jetzt stattfinden kann.»

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Fazit

Auch gegenüber Experten sollten Medien kritisch bleiben und sie nach ihren Quellen und nach möglichen Interessenkonflikten fragen.
Ein aktuelles Beispiel: Experten und Behörden, die eine möglichst starke Durchimpfung der Bevölkerung zu ihrem Ziel erklären, werden auftretende Nebenwirkungen und Probleme in der Regel herunterspielen.

FREIE NUTZUNGSRECHTE

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Grafikquellen

Oben        —   Karl Lauterbach in der WDR-Sendung „Maischberger“ am 2019-04-10

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Lügen der Politiker-Innen

Erstellt von DL-Redaktion am 2. Mai 2021

Lügen!, Lügen!, Lügen  =  Die Politik?

Enthüllung des Denkmals an seinem neuen Standort (v. l. n. r.): Bezirksbürgermeister Andreas Hupke, Bürgermeisterin Elfi Scho-Antwerpes und Peter Millowitsch (25. April 2014)

Quelle:    Scharf  —  Links

Kolumne von Knarx

Was tun Politiker mit Macht und Amt, wenn sie beim Lügen erwischt werden? Das hat der verstorbene Kabarettist Willy Millowitsch auf einfach verständliche Art schon vor dreißig Jahren erklärt. „Wenn du bei irgendeiner Schweinerei zum eigenen Vorteil erwischt wirst, gibt’s nur eins: Lügen, lügen, lügen“.

Der Bundeswirtschaftsminister, der Bundesverkehrsminister, der Bundesfinanzminister – alle lügen, dass sich die Balken biegen. Genaugenommen besteht die Welt nur noch aus gebogenen Balken. In so einer „gebogenen Balken – Welt“ lebt es sich sichtlich ganz komfortabel. Das Rezept lautet: Es gibt keinen gebogenen Balken, der nicht noch mehr verbogen werden kann. Das treibe so lange, bis sie wieder grade aussehen. Ihr erinnert euch: Ein Kreis hat 360 Grad. Ein grader Balken das Winkelmaß von 180 Grad.

Milder gestimmte ZeitgenossInnen schieben das Desaster allerdings eher auf eklatante Gedächtnisschwierigkeiten. Wer hat nochmal die erneuerbaren Energietechnologien niedergemacht? Das war der Volksaufstand, der losbrach, als die Infraschallwerte von Windenergieanlagen „versehentlich“ falsch berechnet wurde. Nicht Hundertausende von Schülern von FFF waren das Volk. Nein die Massendemonstrationen gegen das Angucken müssen von Windmühlen haben die Republik erschüttert. Was? Ihr habt gar keine Antiwindkraft – Demos gesehen? Na ja, Herr Altmaier war da offenbar anders aufmerksam. Das Klimamurksgesetz wurde von der Bundesregierung entworfen und von den beteiligten Parteien brav verabschiedet. Das Bundesverfassungsgericht sagt, es ist grundgesetzwidrig, also, wie schon gesagt: Murks. Die Minister waren nun alle nicht dabei. Ihre Fraktionen im Bundestag auch nicht. Und die sollen jetzt nachbessern?

Wilseder Berg 005.jpg

Grün war die Heide – die Heide ist vertrocknet !

Bitte, lieber Gott, lass sie das nicht machen. Die so Beauftragten wissen nicht im Geringsten was sie tun. Die vergessen ja schon nach zwei Wochen alles, was sie gemacht haben. Wie können die da was nachbessern? Aber ich habe schon eine Idee, was dabei rauskommt. Die schweren Gedächtnis-störungen werden sich durchsetzen, wetten? (Außer, wenn sie doch einfach nur lügen, Tatsachen verdrehen und Kontexte wechseln, wie andere Leute ihre Socken). Ich mach mal eine Blaupause: Tschernobyl und Fukuschima waren glänzende Beweise, dass Kernkraft klimafreundlich ist. Die durchgebrannten Reaktoren haben so gut wie überhaupt nicht das Weltklima beeinflusst – Bingo. Wir erinnern uns auch an die vollendete Bewältigung dieser kleinen Störungen. Fast niemand ist beeinträchtigt worden. Die sowjetischen Zahlen waren schon immer verlässlich und die Japaner haben gar nicht erst gezählt, also gibt’s auch keine Opfer. Mehr Kernkraft macht mehr Klimaschutz. 2,5 t schwere SUV´s mit Elektroantrieb machen das auch. Es gab schließlich nie ein Problem mit dem Material und Energieaufwand für deren Herstellung – und der Strom kommt aus der Steckdose und dank der Klimaschutztechnologie ….

Das wäre jetzt übertrieben, glaubt ihr? Na ja, vielleicht kommt es ja auch anders – also noch absurder, meint

Euer Knarx

Urheberrecht
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Grafikquellen      :

Oben         —    Enthüllung des Denkmals an seinem neuen Standort (Peter Millowitsch sitzt auf dem Willy-Millowitsch-Denkmal. Links stehend: Andreas Hupe, sitzend: Elfi-Scho-Antwerpers

Attribution: © Raimond Spekking / CC BY-SA 4.0 (via Wikimedia Commons)

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Unten           —     Wilseder Berg in der Lüneburger Heide

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Die Posaunen von Köln

Erstellt von DL-Redaktion am 21. März 2021

Wurden selbst in München gehört!

File:Pressekonferenz zur Ernennung von Kardinal Woelki zum Erzbischof von Köln-3064.jpg

Quelle:    Scharf  —  Links

Ein Kommentar von Georg Korfmacher, München

Nach 5 Monaten gutachtern bzw. Posaune spielen sind auch die stärksten Mauern zerstört (Buch Josua, Kap. 6), oder soll man treffender sagen die „Brüder im Nebel“ endlich öffentlich bloßgestellt. Das am Donnerstag vorgestellte Gutachten mag zwar die Hoffnungen oder Erwartungen der Betroffenen nicht erfüllt und damit enttäuscht haben, aber die Prüfung und Bewertung der unmittelbaren Missbrauchstaten war ausdrücklich vom Auftrag des Erzbistums Köln nicht umfasst. „Die Gutachter wurden am 26.10.2020 vom Erzbistum Köln mit der Erstellung eines Gutachtens zu der Frage beauftragt, ob es im Umgang mit Fällen sexuellen Missbrauchs im Erzbistum Köln im Zeitraum von 1975 bis 2018 zu Fehlern gekommen ist und wer hierfür die Verantwortung trägt“, so auf Seite 1 des Gutachtens in der Vorbemerkung. Dass es die Fälle gibt, wird vom Erzbistum Köln demnach bestätigt, beim Ergebnis des pingeligen und bis ins letzte Detail konsequenten Gutachtens müssen der Kirchenleitung aber Hören und Sehen vergehen. „Es ist das erste veröffentlichte Gutachten eines deutschen Erzbistums mit konkret öffentlich benannten Pflichtverletzungen, konkreter, namentlich benannter Personen in dieser Reichtweite und es ist ungeschwärzt“, so der Gutachter Prof. Dr. Björn Gercke. Stante pede rollten drei Köpfe und es werden sicherlich noch mehr. Dabei ist das nach eigener Aussage des Gutachters nur ein Teil der Aufarbeitung der Missbrauchsfälle. Also kein Freispruch oder Schlusswort.

Mit diesem Gutachten steht nun endgültig fest, dass sich die Catholica bei uns ganz und gar undemokratisch und in flagranter Missachtung des §140 GG verhalten hat. Danach nämlich ordnet und verwaltet jede Religionsgesellschaft ihre Angelegenheiten selbständig innerhalb der Schranken des für alle geltenden Gesetzes. Selbständig hat sie in ihrem System von Vertuschungen und z.B. in einer Akte mit dem bezeichnenden Namen „Brüder im Nebel“ Straftaten gedeckt oder durch Aktenvernichtung sublimiert, die nach allen Regeln der für alle geltenden Gesetze einem ordentlichen Gericht hätten vorgelegt werden müssen. Einer solchen Religionsgemeinschft müsste unser Staat unverzüglich jegliche finanzielle oder auch andere Unterstützung verweigern.

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Damit, dass ihm derart die Leviten gelesen werden, hatte der auftraggebende Kardinal wohl nicht gerechnet. Wie aus allen Wolken gefallen steht er jetzt vor einem riesigen Scherbenhaufen, den er wohl für den Rest seiner Amtszeit aufzuräumen hat. Denn mit dem Feuern zweier Amtsträger ist die Sache nicht erledigt. Ab jetzt geht’s ans Eingemachte. Jetzt geht es um das System Catholica, in dem systematisch und unter Berufung auf das eigene Kirchenrecht Taten wider unser geltendes Recht begangen werden.

Insofern ist das Gutachten ein wahre Sprengstoffkiste für die Betroffenen bei der Durchsetzung ihrer Ansprüche und Forderungen. Jetzt wird sich auch zeigen, ob die Vollständigkeitserklärung für die 236 Akten und für den untersuchten Zeitraum zutrifft, oder ob es sich wieder nur um eine systemische Erklärung nach canonischem Recht handelt. Die Posaunen von Köln werden wir hoffentlich noch lange hören.

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Oben       —        Deutsch: Pressekonferenz zur Ernennung von Rainer Maria Kardinal Woelki zum Erzbischof von Köln
Foto: Rainer Maria Kardinal Woelki

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Acht Meter tief Geschichte

Erstellt von DL-Redaktion am 14. Februar 2021

Seit mindestens 1.700 Jahren gibt es jüdisches Leben in Köln

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Aus Köln von Klaus Hillenbrand

In Köln begann alles. Mitten in der Stadt schaufeln derzeit Archäologen das alte Judenviertel aus. Ein Besuch in der wohl spannendsten Grube der Republik

Ein ockerfarbenes Stück Stein befindet sich in einem Klarsichtbeutel, es ist vielleicht zwei Zentimeter groß. „Wandputz“ steht auf dem Etikett der Tüte, darunter Angaben zum Fundort im Nordwesten des Grabungsgeländes. Hunderte solcher Plastikbeutel lagern in einer Kunststoffwanne, Hunderte solcher Kunststoffwannen stehen in hohen Regalen. Größere Fundstücke wie ein Säulenkapitell sind einzeln verpackt. Wie viele Objekte hier lagern? „Vielleicht 300.000“, schätzt Grabungsleiter Michael Wiehen.

Der junge Archäologe hebt eine der Wannen aus einem Regal und packt eines seiner „Lieblingsobjekte“ aus, wie er sagt. Zum Vorschein kommt ein etwa 30 Zentimeter langer zylinderförmiger Stein, der einer Säule ähnelt. Er ist das Ergebnis eines natürlichen Prozesses, erklärt Wiehen. Es handelt sich um Kalkablagerungen aus einer römischen Wasserleitung, die einst die Stadt mit Frischwasser aus der Eifel versorgte. Aquäduktenmarmor wird das ausgesprochen harte Material genannt, das auch selbst verbaut wurde.

Wir befinden uns im Kellergeschoss des Kölner Rathauses; über uns eine Betondecke, darüber ein profaner Neubau aus der Nachkriegszeit. Wiehen sperrt die Tür des Magazins auf. Dahinter verbirgt sich ein Gewölbe aus dem 12. Jahrhundert, in der Mitte abgestützt durch eine romanische Säule. Über diesem Keller stand einst ein von Juden bewohntes Haus, das im späten Mittelalter der Erweiterung des Rathauses zum Opfer fiel. Teile des Rathauses wiederum wurden im Zweiten Weltkrieg zerstört. Der Keller ist geblieben.

Es dürfte derzeit in Deutschland keine spannendere Baustelle geben: Mitten in der Kölner Altstadt an der Judengasse gräbt ein Team von Archäologinnen und Archäologen seit bald 14 Jahren ein ganzes Stadtviertel aus – an dem Ort, an dem im Mittelalter die Juden von Köln lebten. In einigen Jahren werden Besucher durch die historischen Keller und Gebäude laufen können. Sie werden die Synagoge aus dem frühen 11. Jahrhundert entdecken können, in die Mikwe, das rituelle jüdische Tauchbad, hinuntersteigen, aber auch auf die Überbleibsel des römischen Statthalterpalastes stoßen.

Über ihnen werden sich die Räume des Jüdischen Museums von Köln erheben, das dem jüdischen Leben in der Stadtgeschichte gewidmet sein soll. „MiQua“, so soll das Museum über dem Ausgrabungsfeld heißen. Die Bezeichnung leitet sich aus der Abkürzung von „Museum im archäologischen Quartier“ ab. Sie erinnert aber auch an die Mikwe – kein Zufall, zählt das Tauchbad doch zu den herausragenden Ausstellungsobjekten.

Die Eröffnung des Museums ist für 2025 geplant. Doch schon in diesem Jahr wird ein Jubiläum groß gefeiert: Seit mindestens 1.700 Jahren gibt es jüdisches Leben in Deutschland. Es begann hier in Köln.

Das belegt ein Dekret des römischen Kaisers Konstantin. In dem Schreiben vom 11. Dezember 321 antwortet er auf eine Nachricht aus Köln: „Durch reichsweit gültiges Gesetz erlauben wir allen Stadträten, dass Juden in den Stadtrat berufen werden. Damit ihnen [den Juden] selbst aber etwas an Trost verbleibe für die bisherige Regelung, so gestatten wir, dass je zwei oder drei […] aufgrund dauernder Privilegierung mit keinen [solchen] Berufungen belastet werden.“ Es ist der Beweis, dass Juden damals in Köln lebten.

Um das Dekret zu verstehen, muss man wissen, dass das Amt des Stadtrats damals eine kostspielige und unbeliebte Angelegenheit war – für die Räte selbst. Denn sie mussten für die Steuereinnahmen der ihnen unterstellten Einwohner bürgen und Fehlbeträge aus ihrer Privatschatulle begleichen, so auch in der „Colonia Claudia Ara Agrip­pinensium“, wie Köln damals hieß. Das, was auf den ersten Blick wie eine Gleichstellung der Juden wirkt – deren Berufungsmöglichkeit in den Stadtrat –, markiert in Wahrheit also das Ende eines Privilegs.

Von einer jüdischen Gemeinde ist in dem Dekret nicht die Rede. Allerdings argumentieren Historiker, aus dem Schreiben gehe hervor, dass es damals in Köln wohlhabende Juden gegeben haben muss, denn nur für sie kam eine Berufung in den Stadtrat überhaupt infrage. Dann dürfte es auch ärmere Angehörige der Minderheit gegeben haben. Vermutlich hat eine größere Gruppe, eine Gemeinde, dort gewohnt. Und diese Gemeinde lebte wohl schon länger in der römischen Stadt, wahrscheinlich schon seit dem ersten Jahrhundert nach Christus, als die aus Palästina vertriebenen Juden in das ganze römische Weltreich emigrieren mussten.

Archäologische Zone Köln - Grabungen nördlich Rathauslaube-5990.jpg

Allerdings sagt der Archäologe ­Thomas Otten: „Eine Siedlungskontinuität von der Antike bis zum Mittelalter lässt sich nicht nachweisen.“ Zwar seien vereinzelt jüdische Objekte aus der Römerzeit in Deutschland gefunden worden, etwa in Augsburg eine Öllampe mit dem Bild einer Menora, des siebenarmigen Leuchters. Der Kölner Boden hat aber nichts dergleichen ausgespuckt. Es lasse sich auch nicht nachweisen, dass in der Merowingerzeit – in den sogenannten dunklen Jahrhunderten nach dem Zusammenbruch der römischen Herrschaft – Juden in Köln ansässig waren, sagt Otten, auch wenn das wahrscheinlich ist. Nur das Dekret von 321 belegt ihre Anwesenheit schon vor dem zweiten Jahrtausend.

Der Platz vor dem Rathaus ist mit einem Bauzaun abgesperrt. Die Bodenplatte für das künftige Museum wurde schon in großen Teilen gegossen. Darunter sind immer noch Archäologen mit der Sicherung von Artefakten beschäftigt, ausgestattet mit gelben Warnwesten und roten Bauhelmen. Einer von ihnen ist Gary White, der stellvertretende Stabsleiter der archäologischen Zone. Der gebürtige Brite hat in Deutschland Archäologie studiert und ist geblieben. Er erklärt, dass an einigen Stellen noch gegraben wird, während anderswo die Vorbereitungen für den Neubau des Museums weitergehen. White weist auf einen der beiden Fahrstuhlschächte, die in den Himmel wachsen. Unmittelbar daneben sind die Überreste einer römischen Therme zu erkennen. „Das war Millimeterarbeit“, sagt er, „der Fahrstuhl durfte die Therme nicht beschädigen.“

Es ist ziemlich einmalig, dass mitten in einer Stadt derart großflächige archäologische Grabungen stattfinden können. Nach den Bombennächten des Zweiten Weltkriegs, dem die Kölner Altstadt fast vollständig zum Opfer fiel, entschied die Stadt, das Gelände am Rathaus nicht mehr neu zu bebauen. Stattdessen entstand ein Parkplatz. Schon damals fanden Grabungen statt, die einen Teil des römischen Statthal­terpalastes und die Mikwe, das Tauchbad, zum Vorschein brachten.

Als die neuen Grabungen 2007 begannen, stießen die Archäologen in den aufgefüllten Kellergewölben der im Krieg zerstörten Häuser auf die erste Schicht Geschichte: die Trümmer aus der Kriegszeit. Einen ganzen Topf Soleier haben sie geborgen, erinnern sich Gary White und Michael Wiehen. Glühbirnen, zwei Zahnprothesen nebst Wassergläsern. Es fanden sich verkohlte Zeitungsreste, zertrümmerte Möbelstücke, Porzellan und ein wertloser „Münzschatz“, bestehend aus 2-Mark-Geldstücken aus der Nazizeit.

Die Archäologen bargen aber auch einen Sederteller mit einem Davidstern. Einen solchen Ritualgegenstand benutzen Juden beim Pessachfest in Erinnerung an den Exodus. Wie er 1943 zwischen die Kriegstrümmer geraten ist, vermag niemand zu sagen. War er das Beutestück eines christlichen Kölners, erstanden auf einer der Versteigerungen von geraubtem Eigentum? Juden gab es damals in der Altstadt nicht mehr. Sie waren schon ab 1941 zusammengetrieben worden, zunächst in „Judenhäuser“, dann in das Sammellager im Vorort Müngersdorf, schließlich in die Messehallen, wo sie auf ihre Deportation in den Tod warten mussten, ab dem Bahnhof Deutz-Tief in Richtung Osten. In die Gettos und Vernichtungslager. Fast 6.000 jüdische Kölner sind damals verschleppt worden, nur wenige von ihnen haben überlebt.

Auch die ab 1890 errichtete ­Synagoge der Jüdischen Gemeinde Köln in der Roon­straße außerhalb des Zen­trums ist in der Pogromnacht vom 9. auf den 10. November 1938 von den Nationalsozialisten gebrandschatzt und verwüstet worden. Im ­April 1945 fanden in den Trümmern wieder erste Gottesdienste statt. Nur wenige Juden waren da zurückgekehrt, manche hatten die Verfolgungen im Versteck überlebt.

Das Gotteshaus wurde wiederaufgebaut; gewaltig und in der Formensprache fast einer Kirche gleich. Der Innenraum ist schlicht gehalten, mit geweißten Wänden und Mosaiken in den Fenstern. Große Tafeln erinnern im Eingang zum Betsaal an die Opfer während der NS-Zeit.

Über 20.000 Jüdinnen und Juden lebten um 1930 in der Rheinmetropole. Knapp ein Viertel davon sind es heute wieder, berichtet Abraham Lehrer, der im Vorstand der Gemeinde sitzt und auch als Vizepräsident des Zentralrats der Juden in Deutschland fungiert. „Ein bisschen stolz“ auf 1.700 Jahre jüdische Geschichte in Köln sei er schon, sagt Lehrer am Telefon, aber das mache die Kölner Juden nicht zu einer besseren Gemeinde. Dem 66-Jährigen ist vor allem wichtig, dass die „mittelgroße Gemeinde“ wieder über eine fast komplette Infrastruktur verfügt, mit Begegnungszentrum, Seniorenheim und Kindertagesstätte. Nur ein jüdisches Gymnasium fehle noch, aber „daran arbeiten wir“.

Archäologische Zone Köln - Überblick Juni 2014-1477-78.jpg

Mit den Archäologen, die das einstige jüdische Viertel in der Altstadt ausgraben, ist die Gemeinde in engem Kontakt. Die Pläne für das Museum begrüße er, sagt Lehrer, „weil dort nicht ein Shoah-Museum entstehen soll, sondern ein Museum für jüdisches ­Leben, um Vorurteile abzubauen.“ Lehrer möchte im Jubiläumsjahr weniger an die Verfolgung erinnern, sondern eher das Positive betonen, er will auch das jüdische Leben von heute zeigen.

Quelle        :         TAZ         >>>>>         weiterlesen

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Grafikquellen      :

Oben        —     Rathaus (Town Hall), Köln. Photo taken from SW

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2.) von Oben      —     Archäologische Zone Köln – Grabungen nördlich der Rathauslaube

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Die absolute Absolution

Erstellt von DL-Redaktion am 7. Februar 2021

Missbrauch in der katholischen Kirche

Beurkundung des Treueeides.jpg

Der oberste Gott ist immer der Staat – denn er bezahlt.

Eine Kolumne von Thomas Fischer

Im Schatten des Kölner Doms ist der Teufel los, die Aufklärung der örtlich-katholischen Missbrauchs- und Vertuschungsgeschichte stockt. Das Publikum debattiert derweil über Gutachten – die es gar nicht kennen kann.

Predigten

Ich muss gestehen, dass ich nicht zu den regelmäßigen Lesern des Blattes »Christ und Welt« (C & W) zähle, der »Wochenzeitung für Glaube, Geist und Gesellschaft«. Es fehlt mir an einer der drei genannten Profilvoraussetzungen. Wenn aber der Partner einer bekannten Münchner Rechtsanwaltskanzlei drei Seiten lang berichtet, er sei Opfer eines »Gewaltangriffs« des Erzbischofs von Köln geworden, bin ich natürlich elektrisiert wie alle anderen, die sich Tag für Tag im publizistischen Kampf gegen die allgegenwärtige Gewalt aufreiben: Die psychische und emotionale, die wörtliche und bildliche, die angedeutete und drohende, heimliche und gefühlsmäßige, akustische und sensitive, konkludente und sprachliche Gewalt hat ja Besitz ergriffen von der ganzen Gesellschaft, die so gern friedlich wäre, aber einfach nicht gelassen wird »in diesen Zeiten«. Dass jetzt sogar Kardinäle gewaltsam gegen Rechtsanwälte vorgehen, ist wirklich unerhört oder, um einmal eine ganz seltene Formulierung der objektiven Beschreibung zu zitieren, »eine neue Qualität«.

Wir lesen also und sind besorgt: »Das ist ein Gewaltangriff« in »C & W« vom 4. Februar. Auf allen drei Fotos sieht Herr Rechtsanwalt Wastl von Westpfahl Spilker Wastl (WSW) zum Glück unversehrt aus; das ist beruhigend. Der Gewaltangriff vom 30. Oktober 2020, so erfahren wir alsbald, bestand darin, dass der Kardinal Woelki aus Köln ein Gutachten, das WSW in seinem Auftrag erstellt hatte, »unter Verschluss« zu halten beschloss. Dieser Angriff hält seither an, was Rechtsanwalt Wastl verbittert und die deutsche Öffentlichkeit auf das Unterhaltsamste durch die Zeit des Heimbüros bringt, vor allem, seit der Kardinal zu Weihnachten verkündete, er entschuldige sich.

Na ja, nicht so direkt und nicht so, wie es »Bild« für weihnachtlich angemessen gehalten hätte, also mittels tränenüberströmten Herumrutschens auf den Fliesen des Doms plus Selbstgeißelung. Er entschuldigte sich dafür, dass die Schafe und Schafinnen seines Sprengels unter allerlei Vorwürfen leiden mussten, die auch gegen ihn, den Kardinal, erhoben wurden. Das war eine schöne Formulierung, deren Auslegung ein theologisches Consilium generale glatt drei Tage und Nächte lang beschäftigen könnte. Nach kurzer Atemstockung einigte sich die publizistische Laienschar auf die Interpretation, es tue dem Bischof leid, dass er Anlass für unberechtigtes Missvergnügen gegeben habe. Das ist zwar noch nicht ganz, was man als beispielhaften Anlass für eine donnernde Absolution ansehen könnte, lässt diesen Weg aber zumindest theoretisch offen.

Gutachten

Ach, das Gutachten! Es handelt sich um ein Werk (§ 631 BGB), dessen Anfertigung die Erzdiözese Köln bei der Münchner Kanzlei in Auftrag gegeben hat. Ein Folgeauftrag sozusagen, nachdem die Kanzlei zunächst in München und Freising und sodann auch in Aachen nach dem Unrechten sehen durfte. Als das Werk vollendet war und seine Abnahme verlangt wurde, trat ein, was Herr Wastl von WSW von der »C & W« als »Gewaltangriff« bezeichnete: Der Besteller machte zunächst Vorbehalte und dann Mängel geltend und weigerte sich, in das von der Kanzlei errichtete Gedankengebäude feierlich einzuziehen. Wer jemals ein Eigenheim errichtet und gewagt hat, das Werk eines Installateurs oder Dachdeckers nicht abzunehmen, weiß, dass »Gewaltangriff« den Eindruck emotionaler Erschütterung recht zurückhaltend beschreibt, welche der Werkunternehmer empfindet und alsbald den allerschärfsten Rechtsanwalt, den er kennt, in passende Worte kleiden lässt.

Nun handelt es sich beim hiesigen Werkstück um ein ganz besonderes, und die drei Handwerker, die es erstellten, kommen aus einer Meisterschule höchster wissenschaftlicher Kunst. Ein Michelangelo, lieber Leser, bemalt nicht die Zimmerdecke, damit der Papst sie anschließend mit Seidentapeten überklebt, da mag der Werkbesteller noch so mit der Schönheit hadern!

Das alles ist natürlich nicht geeignet, das Bedürfnis nach Klarheit zu befriedigen, welches allenthalben behauptet wird.

Das Gutachten für das Bistum Aachen sollte sexuellen Missbrauch von Schutzbefohlenen durch Kleriker zwischen 1965 und 2019 aufklären und trug den Untertitel »Verantwortlichkeiten, systemische Ursachen, Konsequenzen und Empfehlungen«. Entsprechend war der Auftrag für das Erzbistum Köln formuliert. Das Aachener Gutachten umfasst über 500 Seiten; es ist anzunehmen, dass das Kölner Pendant ähnlich umfangreich ist. Der Kölner Erzbischof Kardinal Woelki veröffentlichte das Gutachten nicht, sondern beauftragte die beiden Strafrechtsprofessoren Matthias Jahn (Frankfurt) und Franz Streng (Erlangen-Nürnberg) mit einem methodenkritischen Gutachten zur Prüfung der fachlichen Qualität. Dieses Gutachten kam zu dem Schluss, dass die Münchner Kanzlei erhebliche methodische Fehler gemacht habe und dass ihr Gutachten teilweise tendenziös und daher fehlerhaft sei. Die Münchner Kanzlei wiederum wirft den beiden Hochschullehrern seither vor, ihrerseits methodische Fehler bei der Methodenüberprüfung begangen zu haben. Derweil hat die Diözese einen weiteren Gutachter, den Kölner Rechtsanwalt Björn Gercke, mit der Erstellung eines Zweitgutachtens beauftragt. Dieses soll am 18. März vorliegen. Das Publikum fiebert.

Das alles ist natürlich nicht geeignet, das Bedürfnis nach Klarheit zu befriedigen, welches allenthalben behauptet wird. Dies wiederum ist ein Boden, auf dem Verschwörungsfantasien blühen. Die entwirft ein jeder, wie er möchte und wie es ihm seine Voreinstellung nahelegt. Ganz überwiegend läuft das unter dem fiktiven Drehbuch »Mächtiger Kardinal versucht, Aufklärung zu verhindern«. Dass diese eher schlichte Geschichte einen erheblichen Realitätsgehalt hat, ist zu bezweifeln. Das gilt selbst unter der Bedingung, dass man von Verantwortlichen der katholischen und anderer Kirchen einiges an Dreistigkeit oder bigotter Selbstgerechtigkeit gewohnt ist.

Das Ganze wird auf einem Niveau abgehandelt, auf dem ernsthafte Zweifel am Sachverhalt gar nicht mehr als diskutabel angesehen, vielmehr öffentlich Schlachten um das gebotene Maß von »Abscheu« und moralischer Verurteilung der »Verantwortlichen« gefochten werden.

Das Gutachten von WSW zum Erzbistum Köln kennen derzeit nicht viele; es ist nicht öffentlich. Rechtsanwalt Wastl deutete im »C & W«-Interview an, er habe einen (durchsetzbaren) rechtlichen Anspruch darauf, das Werk zu veröffentlichen. Das mag klären, wer will oder muss. Öffentlich ist jedenfalls das Gutachten zum Bistum Aachen; es steht unter anderem auf der Homepage von WSW. Öffentlich ist auch das Gutachten von Jahn und Streng. Es ist kurz, übersichtlich und auftragsgemäß aufs Thema »Methodenkritik« beschränkt.

Es geht also bislang noch gar nicht darum, ob die Inhalte stimmen, die Tatsachenermittlung sachgerecht und die Schlussfolgerungen plausibel sind. Es geht nur ums theoretische Handwerkszeug. Bei allem anderen kann schon deshalb niemand mitreden, weil das Werk ja gar nicht bekannt ist. Es ist auch stark zu bezweifeln, dass die Öffentlichkeit, die sich seit 15 Monaten über die Nichtveröffentlichung erregt, es kaum erwarten kann, die 511 Seiten zu lesen. Das Ganze wird vielmehr auf einem Niveau abgehandelt, auf dem ernsthafte Zweifel am Sachverhalt gar nicht mehr als diskutabel angesehen, vielmehr öffentlich Schlachten um das gebotene Maß von »Abscheu« und moralischer Verurteilung der »Verantwortlichen« gefochten werden. Am Rande geht es auch um viel Geld, um Schadensersatzforderungen, um den Zusammenhang von Zölibat, Hierarchie, Homosexualität und Pädophilie, um Biografien und Selbstbilder, Verhältnis von Kirche und Staat.

Ich will hier nur ein paar Bemerkungen zum strafrechtlichen Teil des WSW-Gutachtens für das Bistum Aachen machen, das insoweit möglicherweise vom Kölner Gutachten nicht sehr verschieden ist. Er erscheint mir suboptimal. Soweit »Grundzüge der Entwicklung des Sexualstrafrechts« abgehandelt werden (S. 102 ff.), benötigt das Gutachten vom Hochmittelalter bis zum StGB von 1871 genau neun Zeilen. Dann geht’s unter Erwähnung des Jahres 1943 zügig weiter mit den Sechzigerjahren. Sachdienliche Erkenntnisse erlangt der Leser hier nicht; das gilt für den Abschnitt »Stellung des Opfers« gleichermaßen.

Quelle     :          Spiegel-online         >>>>>       weiterlesen

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Grafikquellen      :

Oben      —       Rainer Maria Kardinal Woelki (links) legte als neuer Erzbischof von Köln den Treueeid gegenüber Staat und Land in der Staatskanzlei NRW ab. Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (mitte) und Staatssekretärin Jacqueline Kraege (rechts) als Vertreterin des Landes Rheinland-Pfalz beurkunden die Eidesleistung.

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Eine Nacht mit Folgen

Erstellt von DL-Redaktion am 13. Dezember 2020

Köln und die Silvesternacht 2015

00 0198 Köln - Hauptbahnhof, Kirche Sankt Mariä Himmelfahrt.jpg

Als damals noch Neukölner habe ich auch mit meinen Nachbarn Maria und Josef (Merke -die Namensnennung ist auch Hinweis  auf die Nähe zum Dom-), gesprochen und diese haben mir den normalen Zustand mit den Einfluss zum Kölner-Karneval, als etwas ganz alltägliches erklärt. Da selbst der Volksmund ja sagt : „Dort wo die Religion sehr nahe ist, ist das Rotlicht näher!“ Davon können selbst die Saarländer ihre eigenen Lieder singen.

Von Heike Haarhoff

Vor fünf Jahren kam es in Köln in der Silvesternacht zur Eskalation, als vor allem arabische Männer Frauen belästigten. Die Medien hätten aus falscher politischer Korrektheit nicht wahrheitsgemäß berichtet, hieß es dann. Aber stimmt das?

Bedrängt, begrapscht, bestohlen: Es waren verstörende Berichte, die Frauen Anfang Januar 2016 in den sozialen Medien veröffentlichten. Sie beschrieben die Nacht vom 31. Dezember 2015 auf den 1. Januar 2016 in und vor dem Kölner Hauptbahnhof. Ab dem Silvesternachmittag hatten sich dort rund tausend junge Männer versammelt, „dem äußeren Erscheinungsbild nach […]weit überwiegend dem nordafrikanischen/arabischen Raum zuzuordnen“, wie ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss des nordrhein-westfälischen Landtags später feststellte. Viele Männer standen unter Alkohol- oder Drogeneinfluss, waren krawallbereit und enthemmt.

Sie beklauten und schikanierten, meist in Kleingruppen, Passanten und Feiernde. Und sie belästigten, ebenfalls in Gruppen, Hunderte Frauen sexuell – auf einem zentralen Platz inmitten einer deutschen Großstadt, unter den Augen einer personell unterbesetzten und heillos desorganisierten Polizei, die ihre Bürgerinnen nicht schützen konnte.

„Staatsversagen“ war nicht der einzige Aufschrei, der diesem Jahreswechsel folgte. Die Silvesternacht hat eine Debatte über das Zusammenleben in pluralistischen Gesellschaften ausgelöst. Sie hat zu einer Änderung des Sexualstrafrechts geführt und zur Einschränkung des Asylrechts. Sie ist eine Zäsur, die die deutsche Migrationspolitik bis heute prägt.

In den Fokus der Aufmerksamkeit gerieten auch Journalisten. Wo waren sie in und nach der Kölner Silvesternacht? Informierten sie die Öffentlichkeit zeitnah und wahrheitsgetreu?

Zwei Vorwürfe halten sich hartnäckig: Journalisten hätten aus falsch verstandener Political Correctness die Herkunft der mutmaßlichen Täter verschwiegen und damit ihre Informationspflicht verletzt. Der ehemalige Innenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) sagte, es gebe ein „Schweigekartell“ und „Nachrichtensperren“, sobald es um Delikte von Migranten und Flüchtlingen gehe. Andere warfen den Journalisten dagegen gerade dies vor: über die Herkunft berichtet zu haben und damit zu Diskriminierung beigetragen und gegen den Pressekodex verstoßen zu haben.

Für meine medienwissenschaftliche Studie „Nafris, Normen, Nachrichten“, mit der ich 2020 an der Ruhr-Universität Bochum promoviert wurde, habe ich mit einer quantitativen Inhaltsanalyse 1.075 Zeitungsartikel über die Kölner Silvesternacht ausgewertet. Die Texte sind zwischen Anfang Januar 2016 und Ende März 2016 erschienen, in sechs überregionalen Tageszeitungen (Neues Deutschland, taz, Süddeutsche Zeitung, Frankfurter Allgemeine Zeitung, Die Welt, Bild) und in fünf regionalen (Kölner Stadtanzeiger, Kölnische Rundschau, Express, Rheinische Post, Westdeutsche Allgemeine Zeitung).

Empirisch sind die Vorwürfe nicht haltbar. Die Öffentlichkeit wurde früh informiert. Die beiden Kölner Zeitungen Kölnische Rundschau und Express etwa nannten die ethnische Herkunft der mutmaßlichen Täter am 2. Januar 2016, am ersten Erscheinungstag von Printmedien nach der Silvesternacht. Online berichtete der Kölner Stadtanzeiger bereits am 1. Januar.

Die übrigen Zeitungen berichteten etwas verzögert, was einerseits an der anfänglich unsachgemäßen Pressearbeit der Kölner Polizei lag. Diese hatte die Übergriffe zunächst nicht bestätigt. Die Verzögerung lag außerdem an der personellen Unterbesetzung der Redaktionen am Neujahrstag.

Dem Publikum wurden keine Informationen vorenthalten, auch nicht über die mutmaßlichen Täter. Deren Herkunft, die von Augenzeuginnen und Augenzeugen oft nur dem Aussehen nach beschrieben werden konnte, wurde in den Berichten regelhaft erwähnt: In 84,4 Prozent der untersuchten Artikel wurde sie genannt, und zwar weitgehend unabhängig von der Verbreitung und der Ausrichtung der jeweiligen Zeitung. Am häufigsten genannt wurde die tatsächliche oder vermutete ethnische Herkunft (61,8 %), also zum Beispiel „nordafrikanisch“ oder „arabisch“, gefolgt von der Herkunft gemäß dem Aufenthaltsstatus (52,5 %), etwa „Flüchtling“, und der nationalen Herkunft (26,8 %). Der religiöse Hintergrund, etwa „muslimisch“, spielte selten eine Rolle (9,7 %).

Quelle      :        TAZ-online         >>>>>         weiterlesen


Grafikquellen        :

Oben       —      Köln: Hauptbahnhof und Barockkirche Sankt Mariä Himmelfahrt (Bahnhofvorplatz).

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„enjoy the ride“

Erstellt von DL-Redaktion am 3. Dezember 2020

Die Tretroller –
oft der schnellste Weg ins nächste Krankenhaus

Quelle:    Scharf  —  Links

Von Dr. Nikolaus Götz

Seit Neuem liegen sie überall in den europäischen Städten herum, diese ’Tretroller’ oder „E-scooter“ (1). Der letzte Fahrer dieser um sich greifenden Großstadtpandemie hat nämlich sein mit einer speziellen App (2) angemietetes ’Gefährt’ einfach dort stehen bzw. liegen lassen, wo er es für seinen ansonsten zu bezahlenden Weitertransport nicht mehr benötigte. Mitten auf dem Gehweg sind sie in verkehrsberuhigten Wohnvierteln zu sehen oder viel schlimmer: Sie liegen sogar kreuz und quer mitten auf der Fahrbahn herum und gefährden so den üblichen Verkehr. Nicht nur die einfachen Fußgänger, oft mit schwerer Einkauftasche oder die klassische ’Oma’ beim Spaziergang, werden willentlich gefährdet, sondern auch die Autofahrer sehen sich mehr und mehr mit einem zusätzlichen Gefahrenproblem konfrontiert. Unerwartet schnell aus dem toten Blickwinkel kommend, ohne die geringste Rücksichtsnahme auf die übrigen Verkehrsteilnehmer nehmend, schießen die Fahrer mit ihrem Transportvehikel schnell kurvend auf dem Bürgersteig, auch dem Fahrradweg dahin. Sie überholen die an der Ampel wartenden Autos überraschend im Zickzackkurs und verwandeln so den bisher eher friedlichen Straßenverkehr in ’Schuhmachers Privatrennbahn‘!

Dass die so offen mit dem ’Risiko’ spielenden WagenlenkerInnen die geltende Straßenverkehrsordnung ignorieren, oft gar nicht kennen, ist klar, zumal sie sich zu zweit/ja, gar zu dritt, schnell davon stehlen. Während früher die jugendliche Lebensfreude im Spruch ’Lebe wild und gefährlich’ Ausdruck fand, lautet heute der Werbespruch, der sich im Lob überbieten Produktindustrie für ihre oft noch minderjährigen perfekt Englisch sprechenden deutschen ’user’ (3): „Enjoy the ride!“ „Wie ’uncool’!“, muss ich laut „Scheiße!“ rufend feststellen, wäre der Werbespruch mit „No risc, no fun!“ doch viel zutreffender gewesen. Bei den SchülernInnen ist das neue Transportmittel aber sehr beliebt. Statt im gewärmten, überfüllten Schulbus, geht die führerscheinfreie Fahrt (FFF; siehe 4) dieser ’Grünlinge’ schnell bis fast ins Klassenzimmer. wobei wie schon erwähnt der rasante Trip nicht ganz kostenfrei ist. ’FFF’ ist allenorts ’in’ und greift als Phämomen immer mehr um sich. Selbst das schulisch angeordnete tägliche ’Lüftungsritual’ für die ’Kids’ (5) versagt, um diesen Transportmittelkonsum zu reduzieren.

Doch es gibt noch eine zweite notorische Nutzergruppe der ’Tretroller’, die nicht unerwähnt bleiben soll. Trotz des staatlich verordneten ’Lockdowns’ (6) erfreut sich eine breite Schicht der führerscheinfreien, aber maskierten ’Abhängigen’ ungeblasen am nun möglichen neuen Speed-Rausch (7). Können sie doch mit diesem Vehikel, relativ CO2frei und lärmarm, zumal fair produziert, die innerstädtische, feinstaubbelastete Luft durchmischen. Der ’Bird’ (dt.: Vogel), wie der Tretroller liebevoll benannt wurde, hat sich nicht nur zu einem Verkehrhindernis erstes Grades entwickelt, sondern dieser letzte Schrei eines aktuellen ’Modetransportmittels’ schleudert die vielfach unreflektiert, ohne Schutzhelm Fahrenden schnell und vielleicht gar tödlich am Kopf verletzt ins nächste Krankenhaus (8).

Ein anderer Blick eröffnet die ’Werbeindustrie’ auf das neue Transportprodukt, diesen elektrisch angetrieben Roller. So formuliert die inzwischen ökologisch angepasste Produktwerbung der Industrie es verführerisch für ihre ’grünen’ Kunden: „Bird und viele Städte haben eine gemeinsame Mission: den stockenden Verkehr aufzulockern und den CO2-Ausstoß zu verringern. Wie kann das funktionieren? Indem wir eine sichere, günstige und umweltfreundliche Alternative zum Auto anbieten. Zusammen schaffen wir noch lebenswertere Städte“ (www.bird.co/de/). Nun, der Konsument, der an solche Sprüche glaubt, auch noch an den Osterhasen und den Weihnachtsmann, der kann dieses neue tolle Verkehrskonzept kaufen, leihen oder auch benutzen! Wir Konsumenten lieben nämlich alle die ungebremste Entwicklungsmöglichkeiten der freien Kapitalgesellschaft! Wenn die Produktionsindustrie des komischen ’Vogels’ denn aber wie unlängst die Autoindustrie oder die Banken pleite gehen sollte, wird der Bürger als Steuerzahler sowieso zur Kasse gebeten. Bis dahin aber genehmigen die verantwortlichen, bzw. die unverantwortlichen ’Bürgermeister’ überall in den Städten das neue Fahrgefühl eines klassenfreien Transportmittels.

Anmerkungen/Belege:

1 Wie heißen diese ’Dinger’ überhaupt? „Roller, Tretroller, City-roller“ oder gleich komplett in Englisch als „E-scooter“, was wieder ins Deutsche übersetzt ’E-Roller’ (E=elektrisch) bedeuten würde. Viel charmanter oder benennungsorientierter ist die französische Benennung mit „trottinette“ (’kleines Automobil’; siehe: Le petit Robert, 2019, S. 2634). Dass das Wort ’automobil’ ein Lehnwort aus der lateinischen Sprache ist und ’auto’= selbst und ’mobil’= beweglich‚ fahrend bedeutet, weiß wohl jeder Deutsche.

2 ’App’: englische Wortabkürzung für ’application’: dt.: ’Anwendung’; der E-Roller ist nur für Besitzer eines ’Handys’ geeignet, da sie ein spezielles Anwendungsprogramm zum Ausleihen und natürlich dem direkten Bezahlen des Transportmittels verwenden müssen. Doch welcher Jugendliche oder welcher Erwachsene hat heute kein Handy?

3 An der englischen Sprache führt speziell in der international orientierten ’Musikszene’ oder auch der ’Werbebranche’ kein Weg mehr vorbei: ’user’ engl.: dt. ’Benutzer’ ’Anwender’; Reklame des Anbieters:„Enjoy the ride“ dt. Übersetzung: „Genieße die Fahrt!“ (siehe auch: www. bird. co/de); ’cool’ engl.: kühl und übertragener Sinn: toll, spitze….; als sprachliches Gegenteil wird im Deutschen einfach die Vorsilbe un- verwendet, sprachlich analog zu ’gerecht – ungerecht’ oder genau – ungenau. „No risc no fun!” dt.: “Kein Risiko kein Freude!“

4 Die Abkürzung ’FFF’ steht für: FührerscheinFreie Fahrt; es wird die Leserschaft gebeten ’FFF’ nicht mit „etwa aus den effeff“ (FF) beherrschen“ zu verwechseln (siehe: de.wikipedia.org/wiki/Effeff_(Redewendung)) oder gar mit der Schulschänzenbewegung ’Freedays For Future’ (FFF), die zum Glück mit einem „Gott sei Dank!“ an die ’Corona-Hysterie’ seit dem März aus der Mainstream-Medienberichterstattung verschwunden ist.

5 Die Übernahme des Wortes ’Kids’ aus der englischen Sprache ins Deutsche erfolgte im Jahr 1965 durch die Rockgruppe The Who und ihrem Welthit: „The Kids are alright“; wenn man heute die ’Kids’ frägt, was das Wort bedeutet, wissen sie die eigentliche Bedeutung ’Kinder’ oftmals nicht.

6 Im Rahmen der deutschen ’Corona-Hysterie’ des Jahres 2020 wurde der Anglizismus ’Lockdown’ vornehmlich von der Politikerkaste verwendet, um den unwissenden Deutschen die auferlegte „Ausgangssperre“ schmackhaft zu machen. Und so überzieht der ’Lock-down’, das ’Herbei-locken’, das Lockerlocker oder das Gelockere (richtig wäre im Sinn: herunterfahren/stilllegen/schließen/zumachen) ein ganzes Land.

7 Das Wort ’speed’ ist eigentlich Englisch und bedeutet ’Geschwindigkeit’; mit dem Anglizismus ’speed’ wird jedoch auch ein „illegal gehandeltes Amphetamin bezeichnet, das auch als ’Pep’ bekannt ist (siehe: wikipedia.org/wiki/Amphetamin).

8 Bedauerlicherweise liegt wegen der Corona-Pandemie noch kein genaueres Datenmaterial mit konkreten Zahlen vor. Die Fakten für 2020 werden, da nicht systemrelevant, bisher weder von der amerikanischen John Hopkins Universität noch vom deutschen Robert Koch Institut und genauso wenig vom französischen Institut Louis Pasteur der Öffentlichkeit präsentiert.

Urheberrecht
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Oben       —     Leih-Scooter in Köln


Unten          —        Umgekippte Leih-Scooter auf dem Gehweg in Warschau

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Jobcenter Köln Porz

Erstellt von DL-Redaktion am 2. November 2020

Wo die Kund*in noch König*in ist

Ballonfahrt über Köln - Wohnbebauung Rudolf-Amelunxen-Straße, Uni-Center, Arbeitsamt, Justizzentrum-RS-3997.jpg

Seine Schandhäuser (ARGE) zeigt man in Köln nur aus der Distanz ?

Quelle      :    untergrundblättle ch.

Von  anonym / ab

Kunde bzw. Kundin nennt die Bürokratie offiziell die von Hartz IV-Leistungen Abhängigen.

Doch da der Kunde bzw. die Kundin im Kapitalismus bekanntlich König*in ist, beschlossen einige Kund*innen des Jobcenters Köln-Porz und ihre Freund*innen, dass jetzt mal auf ihr Kommando gehört werden müsse: Sie beschlossen „Frau A. muss weg“. Und da fast alle, die mit der Sachbearbeiterin Frau A. schon zu tun hatten, sehr schlechte Erfahrungen mit ihr gemacht hatten – applaudierte der Mob und die Behörde handelte im Auftrag der König*innen: Frau A. wurde aus dem Verkehr gezogen.

Keas

Den Ausgangspunkt nahm die Kampagne an einem sonnigen Vormittag im Naturfreundehaus in Köln Kalk. Dort findet immer mittwochs die Hartz-IV Beratung der „Kölner Erwerbslosen in Aktion“ kurz KEAs statt. Diese „Kölner Erwerbslosen in Aktion“ sind ein eingetragener Verein mit einigen äusserst kompetenten Berater in Sachen Harzt IV. Diese „Kölner Erwerbslosen in Aktion“ sind aber auch eine schwer definierbare Menge an aktuellen und ehemaligen Leistungsbezieher*innen, manche mehr, manche weniger aufsässig und eine Handvoll politischer Aktivist*innen.

„Das „Wappentier“, so schreiben die KEAs auf ihrer Hompage „ist der neuseeländische Berg-Papagei Kea, der zu den intelligentesten Vögeln der Erde gehört. Seine Strategie: Er tritt stets im Kollektiv auf und weiss sich Arbeit und Nahrung mit anderen solidarisch zu teilen. Die KEAs verstehen sich als ein politisch motivierter Zusammenschluss,sich gemeinsam gegen die Schikane des Jobcenters und gegen Hartz IV und soziale Ungerechtigkeit zur Wehr zu setzen. Wenn man so will, haben wir damit unsere eigene kleine, aber feine Gewerkschaft gegründet, unsere Interessen fortan SELBST zu vertreten. Punktuell können wir sehr erfolgreich agieren“.

Die Sozialberatung ist nicht nur als individuelle Beratung konzipiert, sondern sie versuchen auch, durch die Beratung Probleme zu ermitteln, die nicht auf der individuellen Ebene, sondern nur politisch zu lösen sind. Ihre politische Praxis bezieht sich dabei nicht auf Gremienarbeit, sondern auf Direkte Aktion.

 Darüber hinaus gilt der Mittwoch im Naturfreundehaus als sozialer Treffpunkt, wo es Kaffee und gespendete Lebensmittel gibt, aber auch Austausch über die soziale und politische Lage. Dabei ist die unterschiedliche Interessenlage zwischen eingetragenem Verein, Betroffenen und Politaktivist*innen nicht immer einfach und vor allem konfliktfrei unter einem Hut zu bringen. Häufig gelingt es, aber nicht immer. So wie im „wirklichen Leben“.

Die Kampagne

Immer häufiger kamen die Methoden des Jobcenters Porz während der Beratung zur Sprache. Besonders ein Name tauchte wiederholt auf: die Sachbearbeiterin Frau A. Eine Sachbearbeiterin, die die Willkür weit über die Grenzen des vom SGB II erlaubten treibt. Das tut sie nicht als Einzige in Köln, aber durch die Häufung der Fälle drängte sich immer mehr der Eindruck auf: wahrscheinlich die Extremste. Rechte der Erwerbslosen interessieren sie nicht. Datenschutz versteht sie als Schutz des Staates vor seinen Bürgern – eigentlich sollte es andersherum sein. Das Ganze wird gekrönt von rassistischen Beleidigungen und einer Häufigkeit von Sanktionen – gerne auf „Null“ – die weit über das übliche Mass hinaus gehen.

„Kund*innen“ von Frau A. wurden von den KEAs unterstützt und zu Meldeterminen begleitet. Es wurden Widersprüche und Beschwerden geschrieben. Doch nichts passierte. Und so beschloss an jenem sonnigen Mittwochvormittag eine kleine Gruppe: „Frau A. muss weg“.

Sie waren überzeugt, dass wenn Sie nur lange genug nerven würden, Frau A. oder das Jobcenter aufgeben würden, weil klar war, dass die diesen Kampf nicht gewinnen können. Der Knackpunkt – auch das war im Prinzip von Anfang an klar – war, dass es galt durchzuhalten. Wer den längeren Atem hat, gewinnt.

 Die Forderung „Frau A. muss weg“, das war aber auch klar, sollte ihr nicht die Existenzgrundlage entziehen. Sie sollte lediglich aus dem „Kunden“-verkehr abgezogen werden und an einer nicht öffentlichen Stelle der Verwaltung eingesetzt werden.

 Jenseits vom Ärger über Frau A. war sich die kleine Gruppe auch darüber einig, dass Hartz IV insgesamt weg müsse. Denn Hartz IV. bedeutet Armut durch Gesetz, Abschaffung demokratischer Grundrechte, Rohrstockpädagogik durch Sanktionen, Behördenwillkür und Erniedrigung. Zahlreiche Studie haben nachgewiesen, dass Hartz IV den Niedriglohnsektor fördert. Gleichzeitig wirkt Hartz IV sexistisch und rassistisch. Und die Angst vor der Verelendung durch Hartz IV schwächt auch die Kampfkraft derjenigen, die noch Lohnarbeit haben und geht deswegen alle an! Doch auch der längste Weg beginnt mit dem ersten Schritt.

Erste Aktion (8. Juli 2019)

Eine Frau war von Frau A. für mehrere Monate um 100% gekürzt worden – und das nicht zum ersten mal. Und auch bei dieser „Kundin“ war Frau A. durch weitere Schikanen und Datenschutzverletzungen aufgefallen. Da ein Termin bei Frau A. anstand, bot sich als Auftakt zur Kampagne eine Begleitung als Beistand nach § 13 SGB X an. Dort steht in Art. 4: „Ein Beteiligter kann zu Verhandlungen und Besprechungen mit einem Beistand erscheinen“. Ein Beistand, so hat es der Gesetzgeber geregelt, darf nur zurückgewiesen werden, wenn er unerlaubte Rechtsdienstleistungen erbringt, oder wenn er „zum sachgemässen Vortrag nicht fähig“ ist. Die Zurückweisung eines Beistandes ist dem Beteiligten, dessen Beistand zurückgewiesen wird, schriftlich mitzuteilen. Interessanterweise hat der Gesetzgeber nicht geregelt, aus wie vielen Personen ein Beistand besteht. Zwar haben Gerichte festgelegt, dass Behörden drei Personen als Beistand akzeptieren müssen, aber eine Höchstgrenze hat weder der Gesetzgeber noch ein Gericht je festgelegt.

File:Protest - "Hartz 4 macht nackig".JPG

 So staunte Frau A. nicht schlecht als ihre „Kundin“ mit einem 15 köpfigen Beistand im Wartebereich auftauchte. Sie stammelte: „Bitte setzen Sie sich hin, bitte setzen Sie sich hin“, bevor sie wieder in ihr kleines Zimmer verschwand. Die KEAS berichten: „Das war wohl zu viel für Frau A. Die ansonsten durch ihre harte Linie, Sanktionen, sowie als schikanös, erniedrigend und rassistisch empfundenen Äusserungen bekannt gewordene Sachbearbeiterin suchte sich hektisch Verstärkung bei ihren Kolleginnen und Kollegen. Doch die Meute blieb ruhig stehen. Schliesslich hatte sie einen Grund, hier zu sein (…)

 Zwischenzeitlich versuchte eine Kollegin, die Teamleitung oder Standortleitung zu holen. Beide waren angeblich nicht da. Stattdessen kam Herr J., vormaliger Teamleiter, und stellte sich als Vertreter von Frau A. vor und bestand mit eigenwilliger Rechtsauslegung darauf, dass der Meldetermin nur mit maximal 2 Beiständen stattfinden könne. Dies lehnte die Menge ab. Sie waren alle zur Unterstützung gekommen“.

Es wurde ewig lange hin und her diskutiert, letztlich behauptete das Jobcenter sogar, der Termin – für den es 15 Zeug*innen gibt – habe gar nicht stattgefunden, weil die Betroffene sich nicht mit maximal zwei Personen als Beistand in das Zimmer der Sachbearbeiterin begeben hatte.

 Bereits im Wartebereich berichtete ein junger iranischer Mann ruhig über seine als rassistisch und erniedrigend empfundenen Erfahrungen mit Frau A. Ihm sollten ein Praktikumsplatz, ein Ausbildungsplatz und ähnliches verboten werden, immer mit der Begründung, er könne ja einen 1-Euro-Job machen und die Sprache lernen, obwohl er das für eine Ausbildung nötige Sprachniveau B2 schon längst nachgewiesen hatte.

 Es wurden noch einige Flyer in der Eingangszone verteilt. Von vier Schaltern waren nur zwei geöffnet, die Warteschlangen dementsprechend. So kamen die Aktivist*innen mit den Wartenden ins Gespräch und machten eine beeindruckende Erfahrung: Alle, die Frau A. kannten, konnten Geschichten über schlechte Erfahrungen mit ihr beisteuern. Sie freuten sich über die Aktion und schlossen sich der Forderung an: „Frau A. muss Weg!“

Nachdem die Aktivist*innen abgezogen waren, wurden alle Schalter geöffnet – um den aufgekommen Unmut zu beruhigen konnten die Wartenden auf einmal schnell abgefertigt werden. Nur wenige Tage später kam per Post die Androhung einer Sanktion: Die Betroffene sei „nicht zum Meldetermin erschienen“. Zusätzlich zeigte das Jobcenter sie wegen angeblicher übler Nachrede, Hausfriedensbruch und Beleidigung an.

 Für alle Beteiligten war klar: dies war erst der Anfang: „Wir kommen wieder und wir werden nicht locker lassen, bis Frau A. und andere böswillig und rassistisch agierende Sachbearbeiter*innen aus dem Kundenkontakt genommen wurden.“

Zweite Aktion (1. August 2019)

Am 1. August 2019 standen ein Dutzend Menschen vor dem Büro von Frau A. Ganz ohne Einladung. Kein Meldetermin, keine offizielle Begleitung.

 Doch Frau A. war nicht da. So gingen sie zum Teamleiter, Herrn M. Dieser war wenig begeistert über die ungebetenen Gäste in seinem Büro. Auf die einfache Frage, ob die Leitung des Jobcenter inzwischen reagiert und Frau A. aus dem Kontakt mit Erwerbslosen entfernt hätte, antwortete er leider nicht. Stattdessen gab Herr M. sich ahnungslos, verlangte, den Flur zu räumen, und sorgte sich darum, dass der „Betrieb ungestört weitergehen“ könne. Seine Mitarbeiter*innen hätten Angst vor den ungebetenen Gästen. Zu den Vorwürfen kein Wort. Rassismus, Willkür – egal. Hauptsache, der Dienstbetrieb kann ungestört weiterlaufen.

 Und so ging es auf dem Rückweg auch noch einmal durch die volle Eingangszone im Erdgeschoss. Kleine Ansprachen wurden gehalten, Flugblätter verteilt. Und wieder die gleiche Erfahrung wie bei der ersten Aktion: Alle, die Frau A. kannten, konnten Geschichten über schlechte Erfahrungen mit ihr beisteuern. Sie freuten sich über die Aktion und schlossen sich der Forderung an: „Frau A. muss Weg!“ Die Leute standen eindeutig auf Seiten der Protestierenden.

Aktionswoche (5.- 8. August 2019)

Um den Druck zu erhöhen erweiterten die Aktivist*innen ihr Aktionspotential: Anfang August stellten sie sich drei Tage lang mit einem Pavillon, Bierbank und Tisch, Infomaterial und Flugblättern Kaffee und Kuchen vor das Jobcenter. Eine angemeldete Aktion, da war von Seiten des Jobcenters wenig gegen zu machen.

 Die KEAs schreiben dazu: „Flugblätter werden verteilt, Sprechblasen geschrieben. Erwerbslose auf eine Tasse Kaffee eingeladen. Wer will, kann die eigene Geschichte erzählen. Gespräche über das, was so hinter den Mauern und Türen des Jobcenters passiert. Berichte von Demütigungen, rassistischen Beleidigungen, Schikanen, angeblich „verloren“ gegangenen Dokumenten, daraus folgenden Sanktionen, die Not, die Ohnmacht und die Wut.“

Eine Anklagemauer, an der Betroffenen ihre Erfahrung aufschreiben konnten, wurde fleissig genutzt. So kamen Erwerbslose miteinander ins Gespräch, tauschten sich aus, erlebten, dass sie mit ihren Erfahrungen nicht alleine sind. Und vor allem mit ihren Erfahrungen mit Frau A. Auch Namen von anderen Sachbearbeiterinnen wurden genannt, die nicht weniger schikanös agieren, doch Frau A. Spitzenposition als Objekt der Beschwerde war niemals auch nur annähernd in Gefahr. Alle die Frau A. kennen, erzählen von Erfahrungen mit ihrem Rassismus, ihrer Willkür und/ oder ihrer Menschenverachtung.

 Eindrucksvoll war auch, dass ein Sozialarbeiter des Sozialdienstes Katholischer Männer, der in der professionellen Hartz IV Beratung tätig ist, behauptete, dass rund die Hälfte der Beschwerden, die sie in ganz Köln zu bearbeiten hätten, auf das Konto von Frau A. gehen.

 Frau A. war aber immer noch nicht wieder aufgetaucht. Doch ihr Teamleiter, Herr M., kommt sogar zum Infostand und tut ganz verständnisvoll. „Man würde sich kümmern.

 Man solle doch Vertrauen haben, die Sache würde intern geregelt.“ Die Aktivist*innen merkten, dass die Angelegenheit langsam begann, den Apparat zu beeindrucken.

Zwei Briefe aus dem Jobcenter?

Nach den Aktionstagen erhielt der Verein die KEAs e.V. einen mit dem Stempel des Jobcenters versehenden Brief, in dem die Aktivist*innen auf übelste beleidigt werden: „Ihr seid nur Arme Würstchen und ein lächerlicher Haufen Scheisse… Hinter Euch stehen doch nur die Armen Asis und Kanaken, die zu faul sind zum Arbeiten“. Die nicht namentlich genannten Verfasser*innen, die sich als „wir Mitarbeiter“ bezeichnen, erklären, dass sie ihr Weltbild offensichtlich aus TV-Sendungen wie „Hartz aber Herzlich“ „armes Deutschland“ usw. beziehen. Auch eine Drohung fehlt nicht: „Dann kommt doch vorbei. Wir Mitarbeiter halten alle zusammen“ und haben „keine Angst vor schlechter Presse“.

Ein zweiter Brief, den „wir Mitarbeiter“ mit einem ähnlichen Tenor geschrieben haben, erreicht die KEAs wenige Tage später. Doch neben den Beleidigungen findet sich zwei bemerkenswerte Sätze: „Vielleicht solltet ihr mal versuchen euch einzuschleusen um mal hier zu erleben was wir für einen Druck bekommen von oben. Und als Dankeschön bekommen wir kleinen wegen Euch einen auf den Sack“. Nach oben buckeln, nach unten treten – und dann noch stolz drauf sein!

 Später distanziert sich die Standortleitung von dem Brief und behauptet, er käme nicht aus ihrer Behörde, der Stempel würde schon länger nicht mehr verwendet.

 Dagegen spricht allerdings, dass der Brief mit Postconn verschickt wurde, ein privater Briefdienstleister, der nur Behörden und Firmen zur Verfügung steht. Ausserdem kommen Internas zur Sprache, die die Verfasser, wenn sie nicht selbst in der Behörde arbeiten, doch auf jeden Fall von Mitarbeiter*innen erfahren haben müssen.

„Arme Würstchen Party“ (7. Oktober 2019)

„Arme Würstchen? Vorbeikommen? Gerne! Wir sind arm – aber bei uns spielt die Musik!“: Mehr oder weniger fröhliche Menschen mit Partyhüten, Luftschlangen und merkwürdigen Würstchen am Stock strömten in die Wartehalle des Jobcenters Köln-Porz. Musik ertönte, Konfetti, Luftschlangen, tanzende „lächerliche Würstchen“ am Stock. Und mittendrin ein kleines Kunstwerk: ein „Goldener Haufen rassistischer und klassistischer Scheisse“.

Erwerbslose und Freund*innen versuchten eine lustige „Arme Würstchen Party“ direkt in der Eingangszone des Jobcenters Köln-Porz zu feiern. Vielleicht nicht der richtige Ort für eine Party, denn den meisten hier ist nicht nach feiern zumute. Die Schlangen vor den Schaltern sind lang, und als dann auch noch die geöffneten Schalter schlossen, war die Stimmung nur bedingt auf Seiten der Protestierenden.

 So stehen dort ca. 30 Aktivist*innen und verlangten tanzend und trötend, die Standortleitung zu sehen. Dann war die Standortleitung angeblich bereit zu einem klärenden Gespräch – aber nur vor der Tür. „Unter Applaus und leisem Getröte wird das Erscheinen der Standortleiterin in der Wartehalle begrüsst. Doch anstatt sich Zeit zu nehmen und nach den Grund der „Arme Würstchen Party“ zu fragen, ist ihr mehr an Ordnung gelegen. Die Musik solle aus, alle sollen raus. „Die Polizei ist informiert. Die Polizei wird gleich da sein.“ Der Betriebsablauf dürfe nicht gestört werden“.

Um die zwangsweise Wartenden nicht weiter aufzuhalten, werden „die Festivitäten“ nach draussen verlagert. Dort wird der Standortleitung der „Goldene Haufen rassistischer und klassistischer Scheisse“ überreicht.

 Standortleitung und die mittlerweile eingetroffene Polizei sind mässig beeindruckt, die Polizei bittet die anwesenden Aktivist*innen das Gelände zu verlassen. Das Jobcenter stellte Strafantrag wegen angeblichem Hausfriedensbruch. Personalien wurden aufgenommen. Dass die Polizei noch illegalerweise filmte, rundete das unschöne Bild ab.

 Die Geschäftsführung behauptete, durch die Aktion wären „Kunden“ verängstigt worden. Das ist schon ziemlich dreist, denn nach ihren eigenen Aussagen werden die Leute durch das Jobcenter verängstigt – allen voran durch Frau A. – und nicht durch die Aktionen.

 Zehn Leute bekamen eine Strafanzeige, doch die Staatsanwaltschaft bot eine Einstellung gegen eine Geldauflage von 50.- € an. (Was aus der Anzeige vom 8.7. wird, ist noch unklar). Die meisten werden dem wohl zustimmen, nicht nur weil es ein Dumpingpreis ist. Nein das beste kommt zum Schluss:

Ende gut alles gut?

Während sich einige schon darauf freuten, wegen dieser Geschichte vor Gericht gestellt zu werden, um der Anklage gegen Frau A. eine grössere Öffentlichkeit zukommen zu lassen, während die Kampagne die nächsten Schritte diskutierte und es darauf anlegte, künftig Frau A. mit vollem Namen zu nennen, reagierte das Jobcenter, wie erwartet: Frau A. wurde aus dem „Kundenverkehr“ abgezogen und betreut nun in der Geschäftsstelle sogenannte Geschäftskunden, d.h. Arbeitgeber, die sich vom Jobcenter mit Auszubeutenden versorgen lassen soll. Ob sie denen gegenüber auch fies rüber kommt kann uns egal sein – obwohl, verdient hätten sie es.

 Die König*in hatte gesprochen und das Jobcenter hat brav gehandelt. Aber in Wahrheit war es gar keine echte König*in. Sondern der Mob. Denn weder ist die Kund*in König*in im Kapitalismus, noch die Hartzer*innen Kund*innen im Jobcenter.

 Doch gemeinsam ist der Mob unausstehlich, zieht seine Stärke daraus, zusammen zu halten, und durchzuhalten. Zumindest länger als das Jobcenter. Und konnte so dem Jobcenter seine Regeln aufzwingen. Zumindest dieses eine mal. (alle Zitate von: die-keas.org)

Dieser Artikel steht unter einer  Creative Commons (CC BY-NC-ND 3.0) Lizenz.

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Oben       —     Ballonfahrt über Köln – Wohnbebauung Rudolf-Amelunxen-Straße, Uni-Center, Arbeitsamt, Justizzentrum

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Lufthansa – Flughöhe null

Erstellt von DL-Redaktion am 8. Oktober 2020

Arbeitsplatzabbau bei Lufthansa wegen Corona

Lufthansa logo at O'Hare.jpg

Von Christoph Schmidt-Lunau

Ein Job bei der Lufthansa versprach Renommee, gutes Geld und einen sicheren Arbeitsplatz. Vorbei. Der Konzern steckt tief in der Coronakrise.

Am frühen Montagmorgen herrscht normalerweise Hochbetrieb auf Rhein-Main. Ab 5 Uhr morgens, wenn das Nachtflugverbot endet, starten die Ferienflieger im Minu­tentakt. Die ersten Slots des Tages sind gefragt. Auch der Homecarrier Lufthansa nutzt gerne die frühen Stunden. Nicht nur Business-Reisende nach Nordamerika können so ihre Ziele am gleichen Tag erreichen.

Mit dem Ausbruch der Pandemie ist alles anders geworden. An diesem Montagmorgen heben in den ersten Stunden nur eine Handvoll Ferienflieger ab, vor allem in Richtung Mittelmeer. Lufthansa startet erst um 6.45 Uhr in den Tag. Nach Berlin-Tegel fliegt eine Embraer E 190, ein Regionalflugzeug mit gerade einmal 100 Sitzplätzen. Bis zum Mittag wird Lufthansa ausschließlich Ziele in Europa anfliegen. Bei einem Dutzend Flugnummern notiert die Anzeigentafel „Zug“. Gut fürs Klima, schlecht für die Lufthansa.

In der Homebase der Lufthansa, in Abflughalle A, herrscht gähnende Leere. Viele Schalter sind verwaist. Erste Geschäfte und Bars haben aufgegeben. Das Terminal 2 ist seit dem Mai komplett stillgelegt. Auch die Startbahn 18 West, Symbol der gewalttätigen Auseinandersetzungen um die Flughafenerweiterung in den 1980er Jahren, liegt brach. Die von Experten erwartete Belebung des Geschäfts mit Flugreisen bleibt bisher aus. „Mit dem Ende der Sommerreisezeit gehen Passagier- und Buchungszahlen wieder zurück, nachdem in den Monaten Juli und August noch leichte Erholungstendenzen spürbar waren“, bilanzierte vor zwei Wochen der Lufthansa-Aufsichtsrat ernüchtert die trüben Aussichten – und beschloss ein drastisches Sparprogramm.

Die Flotte an Boden, Piloten vor dem Jobverlust

Die Zahl der Jets mit dem Kranich soll um 150 Flugzeuge reduziert und damit halbiert werden. Auch das Aus für den Stolz der Flotte scheint besiegelt: Sechs der riesigen Airbus A380 werden endgültig außer Dienst gestellt, weitere acht A380 und zehn A340-600 werden „langzeitgeparkt“, im ­Klartext: eingemottet. Auf PilotInnen, FlugbegleiterInnen und das Personal am Boden kommen harte Zeiten zu. Deutlich mehr als 22.000 Vollzeitstellen hat das Management zum „Personalüberhang“ erklärt, auch die Zahl der PilotInnen will der Konzern verringern, um bis zu 1.200, heißt es intern.

„Mit immer neuen Hiobsbotschaften werden die Beschäftigten verunsichert“, sagt dazu ein Lufthanseat, der für die Pilotenvereinigung Cockpit mit am Verhandlungstisch über den Personalabbau sitzt und anonym bleiben möchte, so wie viele der Mitarbeiter des Konzerns, die hier zu Wort kommen werden. In den internen Foren, in denen die Beschäftigten die Katastrophenmeldungen verarbeiten, geht es vor allem um die Bedingungen für einen „gesichtswahrenden“ Ausstieg beim Jobverlust. Dass Zehntausende Beschäftigte in dem Konzern ihre für sicher gehaltenen Jobs verlieren werden, mögen die meisten noch nicht glauben. Doch die Fakten sind erdrückend.

Düsseldorf Airport 2010.jpg

Mehrfach hat der Konzern Prognosen anpassen müssen, immer nach unten. Wollte er zunächst schon bald wieder 50 Prozent des Vorjahresgeschäfts erreichen, rechnet der Vorstand nur noch mit 20 Prozent. Das Unternehmen schreibt tiefrote Zahlen. Bis zum Jahresende sollen die monatlichen Verluste von derzeit gigantischen 500 Mil­lio­nen Euro wenigstens auf 400 Millionen verringert werden. Ende letzter Woche rutschte der Lufthansa-Aktienkurs zum ersten Mal seit Beginn der Krise wieder unter die kritische Marke von 7 Euro. Immerhin versichert der Aufsichtsrat den Beschäftigten: „Unabhängig von den Verhandlungen über Interessensausgleiche und Sozialpläne für betriebsbedingte Kündigungen in der Lufthansa Gruppe bleibt die Zielsetzung des Vorstands, mit den Tarifpartnern Krisenpakete zu vereinbaren, die die Anzahl der notwendigen betriebsbedingten Kündigungen begrenzen.“

Ausgerechnet in dieser Situation klagen die Gewerkschaften über Kommunikationsstörungen zwischen Management und Personalvertretungen. Sie vermissen eine Gesamtstrategie. „Nur über Personalabbau und Kostenreduktion ist das Unternehmen nicht zu retten“, sagt Mira Neumeier, Verdi-Bundesfachgruppenleiterin Luftverkehrswirtschaft. „Die Kompensation und der Abbau personeller Überkapazitäten wird mit den zuständigen Arbeitnehmervertretungen besprochen“, heißt es lapidar im Beschluss des Aufsichtsrats, doch GewerkschafterInnen berichten übereinstimmend von Stillstand. „Es ist bedrückend“, bilanziert Neumeier die Gespräche. Verdi wollte mit Lufthansa einen Krisen-Tarifvertrag für MitarbeiterInnen am Boden abschließen, doch Lufthansa gingen die Zugeständnisse nicht weit genug. „Das Management mauert, es gibt keine Ziele, keine Ebene für Verhandlungen“, sagt Neumaier und kritisiert: „Das Unternehmen fordert Zugeständnisse und bietet gleichzeitig nichts an.“

Abfindungsprogramm stößt auf Ablehnung

Für das Kabinenpersonal hatte die Flugbegleitergewerkschaft UFO im Juni einen Tarifvertrag in der Krise abgeschlossen. Mit Lohnverzicht und Zugeständnissen konnte die kleine, aber kampfstarke Gewerkschaft immerhin einen Kündigungsschutz herausholen. Doch die Abfindungsprogramme für freiwillig ausscheidende FlugbegleiterInnen, die das Lufthansa-Management anschließend auflegte und für die UFO sogar 500 Millionen Euro aus einem Mitarbeiterfonds freigegeben hatte, sorgen nun für Empörung, vor allem bei den älteren, „versorgungsnahen“ MitarbeiterInnen. „Ü55 doppelt gestraft, zu alt für eine berufliche Neuausrichtung, für die Rente zu jung“, postet da ein Purser. Eine Flugbegleiterin rechnet vor, dass eine sechs Monate jüngere Kollegin, mit der sie gleichzeitig angefangen habe, 80.000 Euro mehr Abfindung erhalte als sie. Per Stichtag gilt die jüngere Kollegin als „versorgungsfern“. Im Forum postet ein Purser: „Offenbar möchte man die ‚versorgungsnahen‘ Flugbegleiter nicht wirklich gehen lassen“; „Lufthansa bezahlt uns ja auch quasi nicht“, spielt eine Kollegin auf den Beitrag der Arbeitsagentur zum Kurzarbeitergeld an, den der Konzern allerdings aufstockt.

In einer Mischung aus Fassungslosigkeit und Galgenhumor ätzt eine Betroffene, der Konzern versuche langjährige MitarbeiterInnen mit schlechten Konditionen im Unternehmen zu halten, aus Respekt vor ihrer Lebensleistung. Viele rechnen vor, dass sie sich finanziell besser stellen, wenn sie eine ordentliche Kündigung abwarten und dann ohne Abfindung gehen. Zudem setzt Lufthansa die MitarbeiterInnen zeitlich unter Druck. „Würden die Abfindungen im nächsten Jahr ausgezahlt, könnten wir Steuern und Sozialabgaben sparen“, schreibt ein Betroffener an das Management. Bis zum Jahresende sollen die Auflösungsverträge abgeschlossen und die Abfindungen ausgezahlt sein. „Sie wollen offenbar das nächste Geschäftsjahr nicht mit den Kosten belasten, das laufende ist ohnehin verloren“, erklärt ein Lufthanseat der taz.

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Eine „Riesenschweinerei“ nennt denn auch Nicoley Baublies von der UFO-Geschäftsführung dieses Freiwilligenprogramm, das das Management ohne Abstimmung mit den Tarifpartnern entwickelt habe. Seit Monaten gebe es keine substanziellen Gespräche oder Verhandlungen mit der Geschäftsleitung; „die verkriechen sich“, sagt Baublies. UFO boykottierte am Montag vergangener Woche ein Routinetreffen mit der Lufthansa-Geschäftsleitung. Man fühle sich als Feigenblatt einer nicht funktionierenden Sozialpartnerschaft missbraucht, hieß es zur Begründung. Gegenüber der taz erklärte ein Lufthansa-Sprecher dazu: „Mit den Spitzen von Verdi und der Vereinigung Cockpit hatten wir einen konstruktiven und intensiven Austausch über die aktuelle Lage und derzeit dringliche Fragen. Umso bedauerlicher ist es, dass UFO den Termin abgesagt hat.“ Und dann bittet man um Verständnis, dass man sich zu Inhalten der Gespräche grundsätzlich nicht äußern könne. Cockpit-Tarifvorstand Marcel Gröls verrät immerhin: „Wir wurden eingestimmt auf weitere Opfer, und das Management hat das Zukunftsszenario in dunkelsten Farben gemalt.“ Auch er fordert eine Verständigung über ein Gesamtkonzept, das über die Krise trägt. Doch er vermutet, „die wollen die Forderung nach derartigen Konzepten aussitzen“.

Quelle       :       TAZ           >>>>>        weiterlesen

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Oben       —        O’Hare International Airport, Chicago, Illinois, USA

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DER ROTE FADEN

Erstellt von DL-Redaktion am 21. Juli 2020

Neue Denkmäler braucht das Land

Roter Faden Hannover rote Zusatzmarkierung.jpg

Durch die Woche mit Robert Misik

Die Skulpturen fragwürdiger HeldInnen der Geschichte werden in Frage gestellt. Das ist in Ordnung, wir sollten aber auch den Guten gedenken.

Tja, in Bristol haben sie im Zuge der Black-Lives-Matter-Bewegungen ja nicht nur das Denkmal des reichen Sklavenhändlers aus dem 17. Jahrhundert umgestürzt und ins Meer geworfen, vergangene Woche legte der Künstler Marc Quinn noch einmal nach, formte aus Bronze eine Skulptur der schwarzen Aktivistin Jen Reid, die am Denkmalsturz beteiligt war, und setze die Figur in einer Nacht-und-Nebel-Aktion auf den leeren Sockel. Ein Heldinnendenkmal, wie man es heute nicht mehr bauen würde – Blick in den Himmel, Faust nach oben geballt, viel Street-Credibility, eine Prise Sexyness –, und das vielleicht auch ein wenig ironisch zwinkert.

Diese Denkmaldebatten – und die Intervention des Künstlers ist Teil davon – werfen viel mehr Fragen auf, als man denkt. Zunächst: Welche dunklen Gesellen wollen wir in unseren Städten herumstehen lassen?

Manche meinen, man solle die Geschichte nicht auslöschen und mit den Zeugen versunkener Epochen anders umgehen, als sie einfach wegzuräumen. Wann hat das eigentlich begonnen, dass man meinte, alles, was jemals gebaut und errichtet wurde, müsse stehen bleiben? Hätten frühere Generationen so gedacht, unsere Städte sähen ganz anders aus, und es gäbe keinen Quadratmeter Freiraum für Modernisierungen.

Dabei geht es nicht nur um die Adolf-Hitler-Straßen, die glücklicherweise umbenannt wurden, bevor jemand auf die Idee kam, zu sagen, „dass sie doch auch zu unserer Geschichte dazugehören“, sondern um viel simplere Fragen. Etwa: Warum soll man nicht einen erheblichen Teil rostiger, alter Trümmer einfach wegräumen, um Platz für Neues zu schaffen?

Fragwürdige Heldengestalten
Hinzu kommt aber noch etwas anderes: In den vergangenen Jahrzehnten hat sich ja nicht nur unser Blick auf Denkmäler fragwürdiger Heldengestalten aus früheren Äonen verändert, es hat sich unser Blick auf die Institution Denkmal selbst verändert. Heldenfiguren, die man auf Sockel stellt – das tun wir einfach nicht mehr, weil wir, darüber sind sich bei aller Polarisierung zeitgenössische Gesellschaften ziemlich einig, eine Skepsis gegenüber der Heroisierung haben.

Reiterstandbild Wilhelm III Koeln2007.jpg

Waren Kaiser oder Könige jemals mehr als dreckige Kriegsverbrecher? 

Arbeit am nationalen Gedächtnis via „positive Identifikation“ findet daher kaum mehr statt. Viel eher würde man Mahnmäler errichten, die an Genozide und eine Geschichte der Schande erinnern, und wenn die figural sind, dann noch am ehesten in Gestalt anonymer Opfer von Völkermorden oder Staatsverbrechen.

All das ist auch Arbeit am nationalen (oder auch mittlerweile am postnationalen) Gedächtnis, aber eben über „negative Identifikation“. Man stellt nichts mehr auf, worauf man sich positiv beziehen kann, sondern nur mehr, worauf man sich negativ bezieht, und das man dann in das Postulat „Nie wieder“ wendet. Das zeigt aber auch, dass wir nur mehr ausdrücken können, wogegen wir sind, aber uns schwer tun, zu manifestieren, wofür wir wären.

Quelle        :             TAZ        >>>>>        weiterlesen

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Oben       —         Roter Faden in Hannover mit beschriftetem Aufkleber als Test für einen möglichen Ersatz des auf das Pflaster gemalten roten Strichs

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Pandemie im Hambi

Erstellt von DL-Redaktion am 5. Juni 2020

Hambacher Forst während Corona

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Aus Köln von Anett Selle

Im Hambi leben auch in der Coronazeit Menschen in Baumhäusern. Genug zu tun haben sie: Medizin sammeln, Beton aufschlagen, sich um die Dürre kümmern.

Wer ins Baumhausdorf Hazelnut („Haselnuss“) im Hambacher Forst kommt und die Holzleiter aus Latten und Ästen hoch steigt, erreicht etwa sieben Meter später die Wohnküche unter den Wipfeln. Hier sitzen vier Menschen auf dem Boden um eine Pfanne. Stühle oder einen Tisch gibt es nicht, auch keinen Herd, keinen Wasserhahn, keinen Kühlschrank.

Aber es gibt eine Küchenzeile, den Gaskocher und Solarstrom. Wasserkanister, Schüsseln, Tassen und Besteck. Drei Wände und den Ausblick ins Grüne da, wo die vierte Wand wäre, wenn es sie gäbe. Ein Pfahl in der Mitte des Raums stützt das Dach, Atemmasken hängen dran und ein Schild, das zum Händewaschen auffordert.

„Wir haben Menschen aus Risikogruppen hier“, sagt Tom. „Wir mussten uns was einfallen lassen.“ Tom ist nicht der Name, der in seinem Pass steht. Kein Mensch in diesem Text heißt, wie es im Pass steht. Alle fünf Menschen in der Allwetter-Wohnküche haben Waldnamen, aber auch die sind anders als in diesem Text. Im Hambacher Forst ist ein Name vergleichbar mit Körpergewicht. Alle haben eins: Heißt nicht, dass sie es in der Zeitung sehen wollen. Identifizierbar zu sein, mache Menschen hier zum Ziel der Polizei, sagt Tom.

Der Hambacher Forst war mal viel größer als jetzt. Weniger als fünf Prozent der Fläche, wo seit etwa 12.000 Jahren Wald stand, ist heute übrig. Seit den 70ern wurde gerodet: 3.900 Hektar Wald wurden Loch, denn darunter liegt Braunkohle. Und die wurde Strom, wurde Licht in Wohnungen, in Häusern und Unternehmen, wurde kochendes Wasser, Wärme im Winter und laufende Fließbänder. Und sie wurde Kohlenstoff- und Schwefeldioxid in der Luft, Feinstaub und Stickoxide und Nervengifte wie Quecksilber, Cadmium und Arsen.

Die 200 Hektar Wald, die heute noch stehen, grenzen an den größten Braunkohletagebau Deutschlands, betrieben von der RWE AG. Eigentlich sollte der Wald komplett gerodet werden: Um zu schützen, was noch da war, zogen Aktivist*innen 2012 im Hambacher Forst ein. Seit Anfang 2019, als der Kohlekompromiss erschien, gilt er politisch als gerettet. Die Aktivist*innen im Hambacher Forst sehen das anders.

Manche, die heute hier leben, sind seit Beginn dabei. Die meisten dürften seit Ende des Großeinsatzes 2018 dazugekommen sein, bei dem alle Baumhausdörfer abgerissen wurden. Aktuell gibt es wieder sieben Baumhausdörfer, offiziell, und wie viele Menschen hier leben, ist Schätzung. Die Größenordnung dürfte bei 50 bis 150 liegen. Die meisten dürften jünger als 30 sein, älter als 50 nur wenige.

Viele Menschen sind eigentlich nicht dauerhaft im Wald. Auch von denen, die in der Allwetter-Wohnküche sitzen. Zum Beispiel Feli, die Ende März ihre mündliche Abiprüfung hatte. „Der Abiball ist ausgefallen“, sagt sie. „Mein Plan war eh, viel Zeit im Hambi zu verbringen. Aber eigentlich wollte ich dann weiter nach Bremen und Hannover.“ Oder Anni, die neben Feli sitzt: Ebenfalls frischgebackene Abiturientin, auf dem zweiten Bildungsweg. Und Tick, der sagt, eigentlich sei er im Wald nur oft zu Besuch. Eigentlich.

Baumhaus,Hambacher Forst,NRW.jpg

Corona hat einiges geändert. Ein Baumhausdorf ist eine Art große WG, in der selten alle gleichzeitig zu Hause sind. Und wenn, dann nicht für lange. „Jetzt sind wir alle zusammen bestimmt schon nen Monat hier“, sagt Tick. Tom nickt. „Den Kontakt zwischen den Dörfern haben wir runtergefahren. Aber innerhalb des Dorfs ist es wie in einer Familie. Wir frühstücken auch zusammen.“

Im Wald verteilt stehen zahlreiche Desinfektionsstationen, die vorher nicht da waren: Aus Brettern gezimmerte Stände mit Desinfektionsmittel und Tüchern, manchmal Klopapier. „Wir hatten schon vorher Vorräte, es kamen auch Spenden dann“, sagt Tom. „Engpässe haben wir mit Spiritus überbrückt. Das brennt. Aber wirkt. Es geht ja eigentlich alles, was über 80% Alkohol hat.“

Der Weg durch den Wald führt oft breite Straßen entlang. Die hat RWE angelegt, für den Großeinsatz 2018. Vögel singen und aus der Ferne röhrt ein Braunkohlebagger. „Wir haben bestimmte Maßnahmen getroffen“, sagt Tom. Um Menschen aus Risikogruppen zu schützen, zum Beispiel starke Raucher*innen. „Aber allein länger hier zu sein, belastet die Lungen“, sagt Tick. „Weil der Staub vom Tagebau rüberweht. Manchmal schnaubst du aus und es ist schwarz.“ Manche lebten nicht mehr im Wald, weil sie Asthma bekommen haben.

Einen Corona-Verdachtsfall habe es bisher gegeben, vor ein paar Wochen. „Der sah wohl ziemlich scheiße aus, als sie ihn aus dem Baumhaus geholt haben. Er hat sich dann selbst in Quarantäne begeben“, sagt Tom. War es Corona? Beim Arzt sei der Mensch nicht gewesen, sagt Tom. Sicher sei nur: Seitdem habe es keinen Verdacht mehr gegeben. Hazelnut habe da Überblick: In der Zeit der Pandemie sei das Dorf zur medizinischen Anlaufstelle im Wald geworden. Die Polizei fahre öfter Streife in der Gegend als vorher, aber kontrolliere nicht im Wald. „Wir sind selbst dafür verantwortlich“, sagt Tick, „Dadurch ziehen alle mit.“

Das Dorf Hazelnut sammele jetzt medizinische Ausrüstung und Medikamente. „Hier wohnen drei Menschen mit beruflichem medizinischem Hintergrund“, sagt Tom. „Zwei Rettungssanitäter*innen, davon eine, die auch selbst ausbildet, und ein Anästhesiehelfer.“ Die seien entweder vor Ort, oder erreichbar.

Krankenversichert sein kostet Geld: Im Wald sind nicht alle versichert. „Leute kommen nicht mit Corona, weil es hier nicht rumgeht“, sagt Tom. „Aber mit allem Möglichen. Quetschungen, weil irgendwas auf den Zeh gefallen ist. Oder Verbrennungen. Das Interesse für medizinische Themen ist insgesamt größer geworden im Wald. Alle machen sich mehr Gedanken.“

Die breiten Straßen kreuz und quer erinnerten ihn täglich an den Großeinsatz, sagt Tom. Sie bestehen aus mehreren Schichten: Oben Steine und Kies, darunter eine Schicht aus Beton und Sand, dann Bauschutt. Alles festgedrückt von den tonnenschweren Fahrzeugen, die im Herbst 2018 durch den Wald fuhren: Räumpanzer, Lastwagen, Hebebühnen.

Behausungen,Hambacher Forst,NRW.jpg

Tick und Tom stehen auf einer Straße in der Nähe von Hazelnut. Oder eher da, wo vor ein paar Wochen noch Straße war. Hier, an dieser Stelle, ist sie wieder schmaler Waldweg. Abgesteckt mit Ästen, links ein Beet, rechts ein Beet, beide mit Waldpflanzen, vor allem Farne und kleine Bäume. „Das ist eins der Projekte, die aus dieser Krise geboren wurden“, sagt Tom. „Leider hat RWE bis heute ja keine Anstalten unternommen, diese Straßen zurückzubauen.“ RWE schickt regelmäßig Menschen in den Wald, um sogenanntes waldfremdes Material zu entfernen, zum Beispiel volle Müllsäcke. „Das, was aber offensichtlich am waldfremdesten ist, hat man nicht angerührt.“

Neben dem Weg liegen Werkzeuge: Haken, Spitzhaken, Schaufeln. Um etwa fünfzehn Meter Straße wieder in Waldweg zu verwandeln, hätten fünf Menschen etwa eine Woche gebraucht, sagt Tom. Fünfzehn Meter von vielen, vielen Kilometern. Aber sie seien ja alle hier jetzt, sagt Tom. Und geräumt wird auch nicht. Da sei Zeit für sowas.

„Hier geht’s darum, der Natur den Raum zurückzugeben, der ihr genommen worden ist“, sagt Tom. „In den zwei Jahren seit dem Großeinsatz hat es keine Pflanze geschafft, durch dieses Betongemisch zu wachsen.“ Unklar sei noch, was sich machen ließe aus dem Bauschutt, dem Kies und den Betonresten. Aber das würde sich schon finden. „Auf der anderen Seite vom Wald werden nach wie vor Tag für Tag, Meter für Meter dieses Bodens zerstört. Das wiegen wir nicht auf. Aber wir möchten dagegen halten. Und wir freuen uns über die Hilfe der Menschen, die vorbeischauen. Mit Mindestabstand.“

Quelle          :       TAZ          >>>>>         weiterlesen

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Grafikquellen       :

Oben      —       Hambach Surface Mine near by Cologne, Germany, seen from Elsdorf-Angelsdorf viewpoint

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2.) von Oben         —        Baumhaus der Widerstandskämpfer, die sich gegen die Zerstörung des Hambacher Forsts einsetzen

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Unten     —       Unterkünfte der Widerstandskämpfer, die sich gegen die Zerstörung des Hambacher Forsts einsetzen

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Leverkusener Rheinbrücke

Erstellt von DL-Redaktion am 14. Mai 2020

Nach Bau-Skandal um die Leverkusener Rheinbrücke: Kein Eingriff in die BAYER-Dhünnaue-Giftdeponie! Tunnel statt Brücke!

Neubau Leverkusener Rheinbrücke - Baustelle Luftaufnahme-0323.jpg

Quelle      :   Scharf     —    Links

Von CGB

Die Arbeiten an der Leverkusener Rheinbrücke ruhen. Das Land Nordrhein-Westfalen kündigte Ende April den Vertrag mit dem Bau-Unternehmen Porr, da dieser billig mangelhaft verarbeitete Stahlteile einkaufte statt auf Qualität zu achten.

Die Coordination gegen BAYER-Gefahren (CBG) tritt dafür ein, die Zeit für eine Überplanung des Projektes und der damit verknüpften Erweiterung der Autobahn A1 zu nutzen. „Jetzt ist die Gelegenheit da, um erneut die Kombilösung in Erwägung zu ziehen. Mit einer Sanierung der alten Brücke bei gleichzeitiger Entlastung durch einen Tunnel könnte der mit vielen Risiken verbundene Eingriff in BAYERs alte Giftmüll-Deponie unterbleiben“, hält CBG-Geschäftsführer Marius Stelzmann fest. Zudem sinke die Feinstaub-Belastung, wenn ein Teil der Verkehrsführung unterirdisch verliefe und es nicht zu einem Ausbau der A1 käme, so Stelzmann.

6,5 Millionen Tonnen Abfälle birgt die Dhünnaue-Altlast. Darunter befinden sich fast eine Million Tonnen gefährliche Rückstände aus der Chemie-Produktion wie Quecksilber, PCB, Chlorbenzole, Arsen, Chrom, Blei und polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe. Als Baugrund eignet sich das denkbar schlecht, denn der organische Anteil des Mülls zersetzt sich. Deshalb nimmt sein Volumen ab, was Bodenabsenkungen nach sich zu ziehen droht. Von möglichen „Setzungsschäden“ bei den avisierten Autobahn-Trassen spricht der Diplom-Ingenieur Helmut Hesse. Harald Friedrich, ehemals Abteilungsleiter im nordrhein-westfälischen Umweltministerium, befürchtet indes einen Austritt giftiger Gase. „Keine Asphalt-Dichtung ist so dicht, dass sie den Kriterien, die ich für eine ordnungsgemäße Sicherung für eine Sondermüll-Deponie haben muss, entsprechen kann“, sagte er im Deutschlandfunk.

Schon früh formulierten Bürger*inneninitiativen ähnliche Bedenken. Aber die Politik setzte sich darüber hinweg. Statt Alternativen zur Mega-Stelze zu prüfen, gab sie dem Druck der Industrie nach. Besonders viele Aktivitäten gingen dabei vom BAYER-Konzern aus. Im Juni 2013 schrieb der Chef der CURRENTA – damals noch eine 60-prozentige Tochter-Gesellschaft des Agro-Riesen – in der Sache sogar einen Brand-Brief an den Bundesverkehrsminister, den Landesverkehrsminister und Straßen.NRW. „Eine Tunnel-Lösung im Verlauf der A1, wie sie derzeit in Leverkusen diskutiert wird, würde sich negativ auf unsere Standorte auswirken“, mahnte er darin unverhohlen.

Die damalige rot-grüne Regierungskoalition Nordrhein-Westfalens fügte sich. Damit nicht genug, schuf deren Bau-Minister Michael Groschek (SPD) zudem noch eine „Lex Leverkusen“, um Klage-Möglichkeiten gegen das Vorhaben einzuschränken und so die Umsetzung zu beschleunigen. Aus demselben Grund verzichtete er bei der Auftragserteilung auch auf ein Verhandlungsverfahren. Damit vergaben sich Sozialdemokraten und Grüne die Möglichkeit, dem ausgewählten Unternehmen genauere Bedingungen beispielsweise zu den Qualitätsstandards zu stellen. Stattdessen entschied allein die Wirtschaftlichkeit des Angebots – und das kommt die Steuerzahler*innen jetzt teuer zu stehen. Nach der Kündigung des Vertrags mit dem Unternehmen Porr und der erforderlichen Neuausschreibung dürften die Kosten erheblich steigen.

Spatenstich zum Neubau der Leverkusener Rheinbrücke-5874.jpg

Aber auch die CDU/FDP-Nachfolge-Regierung, die den Auftrag an den österreichischen Konzern im Oktober 2017 vergab, muss sich schwerwiegende Versäumnisse vorwerfen lassen. „All das sollte die Politik veranlassen, ihr bisheriges Handeln zu überdenken, ihre Ignoranz gegenüber Kritiker*innen aufzugeben und einen Neustart mit der Kombi-Lösung in die Wege zu leiten, statt den alten Wegen nun mit einer neuen Bau-Firma zu folgen, wie es Industrie-Kreise jetzt fordern“, mahnt Stelzmann abschließend.

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Oben       —         Neubau Leverkusener Rheinbrücke – Baustelle Luftaufnahme

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Unten       —        Spatenstich zum Neubau der Leverkusener Rheinbrücke

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Der Primat von Colonia

Erstellt von DL-Redaktion am 20. Februar 2020

–  schwebt auf der aller höchsten Wolke

Zeigung des Treueeides.jpg

Spätesten dann  – wenn es ums Geld geht – wird Religion politisch.

Quelle       :      Scharf  —  Links

Ein Kommentar von Georg Korfmacher, München

Nach der Ankündigung, für das Amt des Vorsitzes der deutschen Bischofskonferenz nicht mehr zu kandidieren, hat der Primat von der Isar – warum auch immer – ein Vakuum erzeugt. Nach der Ankündigung tauchen tiefe Risse mehr den je auf, und mögliche Anhänger marx’scher Gesinnung werden sich tunlichst zurückhalten, und am „synodalen Weg“ wird wohl bald ein Schild hängen: Durchgang verboten. Alldieweil schwebt der Primat von Colonia nun auf der allerhöchsten Wolke. Es war schon immer gegen die marx’schen Ideen und Initiativen, ohne zu realisieren, auf welch kleinem Wölkchen er da eigentlich unterwegs ist, während die Gläubigen zuhauf davonlaufen.

Heute schauen viele mit Erstaunen, Unwillen oder Empörung auf das total autoritäre System in China und sehen nicht, dass die Catholica seit 2000 Jahren noch autoritärer ihre Gläubigen (ebenso wie die Nichtgläubigen) zu beherrschen sucht. Nihil nec bene über den Papst als Vertreter des dreifachen Gottes der Catholica auf Erden, kein Kommentar, wenn ein Priester (in den USA) Gläubigen, die für eine Anerkennung der Homosexualität sind, die Sakramente verweigert und gleichzeitig die Meinung vertritt, dass sexueller Missbrauch von Minderjährigen durch Kleriker ja nicht tödlich sei, also quantité négligeable ist.

Keine Demokratie (wird vom Vatikan strikt abgelehnt), keine Frauenrechte (die Frau sei dem Manne untertan), ja gar keine Menschenrechte (die Menschenrechts-Konvention von 1948 ist bis heute vom Vatikan nicht ratifiziert), keine Gewaltenteilung (alle Macht ist in der Hand des unfehlbaren Vertreters Gottes auf Erden), ja nicht einmal Respekt vor dem geltenden Recht und Gesetz, das laut GG für alle gilt (siehe die Handhabung der Missbrauchsfälle durch die Catholica). In einer normalen Gesellschaft heute würde man solche Zustände als chaotisch bezeichnen bzw. als untragbar und unhaltbar.

Warum, fragt man sich, regen sich da Säkulare und Humanisten auf. Glaube ist schließlich Privatsache. Sehr wohl, aber eben nur solange er Rechte anderer nicht schädigt. Und da gibt es einen massiven Grund für Verärgerung. Der ganze Hokuspokus der Catholica wird nämlich weitgehend aus öffentlichen Steuermitteln finanziert. Und dies nicht aufgrund eines demokratischen Konsenses unserer heutigen Republik nach dem Dritten Reich, sondern auf Grundlage des Konkordats zwischen Hitler und der Catholica von 1933. Honi soir qui mal y pense! Pfui Daifi, würde da ein Bayer schimpfen. Und doch ist es unglaubliche Wahrheit in unserer Demokratie. Die Catholica liefert täglich Argumente, warum und dass dieser Zustand endlich bereinigt werden muss. Packen wir’s an, wir schaffen das!

Bei dieser Wetterlage sollte sich also der Primat von Colonia auf seinem Wölkchen nicht so sicher fühlen. Irgendwann platzt auch den geduldigsten Bundesbürger*innen der Kragen ob solcher Widrigkeiten. Nach einem klärenden Gewitter scheint dann hoffentlich bald die Sonne für alle. Geistig frei, selbstverantwortlich und in Harmonie mit den Menschenrechten, weltweit.

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Grafikquelle        :        Besuch anlässlich der Abnahme des Treueeides von Rainer Maria Kardinal Woelki als neuer Erzbischof von Köln und Eintrag in das Gästebuch der Landesregierung in der Staatskanzlei NRW

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Ein Evangelikaler Prediger:

Erstellt von DL-Redaktion am 16. Februar 2020

Kölle, wie es hasst und bebt

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Wie der Vater – so der Sohn

Von Eliane Morand

m 20. Juni 2020 soll in Köln das „Festival of Hope“ in einer großen Mehrzweckhalle stattfinden. Das Festival wird von der Billy Graham Evangelistic Association organisiert. Das Ziel ist: „den Menschen die Liebe Gottes zu verkünden, die Jesus Christus brauchen“. So steht es auf der Website. Der Hauptredner ist Franklin Graham, Präsident der Evangelistic Association und ein umstrittener Prediger aus den USA.

In der Vergangenheit geriet Franklin Graham, Sohn des Predigers Billy Graham, oft in die Kritik wegen rassistischer, queer- und islamfeindlicher sowie homophober Aussagen. Über den Präsidentschaftskandidaten der US-Demokraten, Pete Buttigieg, der in einer gleichgeschlechtlichen Ehe lebt, schrieb er vergangenes Jahr auf Twitter: „Als Christ glaube ich der Bibel, die Homosexualität als Sünde definiert, als etwas, das man bereuen muss, und nicht als etwas, das man zur Schau stellt, lobt oder politisiert.“

In Großbritannien wurden nach Protesten von LGBTQ+-Aktivist*innen alle öffentlichen Auftritte des Predigers abgesagt. In einem Interview mit dem Guardian äußerte sich Graham erbost: „Wir werden wegen unserer religiösen Überzeugungen und unseres Glaubens verleugnet.“

Nun fordert auch „Die Urbane“ den Veranstalter Lanxess-Arena auf, den Kölner Auftritt des Predigers abzusagen. Die Partei mit Sitz in Berlin engagiert sich für Menschen, die „keine Repräsentanz erfahren“, erklärt Generalsekretär Fabian Blume. Seine Kollegin Niki Drakos, Bundesvorsitzende der Partei, hat deshalb eine Petition erstellt. Dass man so eine Veranstaltung zulasse, greife die Grund- und Menschenrechte an, findet sie.

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Die taz hat den Veranstalter mit der Kritik konfrontiert. Ein Sprecher antwortet per Mail: Das „Festival of Hope“ sei als christliches Format gebucht worden, damit gehe ein offener Umgang mit christlichen Werten und dem hohen Gut der Glaubens- und Religionsfreiheit einher. „Uns ist bewusst, dass dieses Veranstaltungsformat auch kritisch gesehen wird“, schreibt er. Zur Petition selbst will der Veranstalter sich nicht äußern.

Die taz fragte auch bei den Festival-Organi­sa­tor*in­nen nach und bekam eine Stellungnahme von Graham selbst zurück: „Ich predige nie über Politik – ich bringe eine Botschaft über Gottes Liebe aus der Bibel.“

Quelle       :      TAZ         >>>>>          weiterlesen

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Grafikquellen        :

Oben          —       Franklin and Billy Graham, in Cleveland Stadium, in Cleveland Ohio, in June 1994

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Urteile – Hambacher Forst

Erstellt von DL-Redaktion am 14. Januar 2020

Sechs Monate zu Unrecht im Knast

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Die Chorsänger des Knabenchor

Aus Aachen von Bernd Müllender

Die juristische Aufarbeitung der Hambach-Besetzung dauert an. Harte Urteile der ersten Instanz werden vom Landgericht kassiert.

Die Angeklagte kommt ganz in Schwarz. Toni H., 20, ist von ihrem Wohnort Rostock zum Amtsgericht Aachen angereist, wo gegen sie verhandelt wird. Im September 2018 hatte sie die Menschen am besetzten Hambacher Wald in ihrem Wohnwagen mit Essen versorgt. „Solidarisches Kochen“ hieß das. Bei einer Polizeikontrolle gab H. ihre Personalien an, durchaus korrekt, aber ohne einen Ausweis vorlegen zu können. Deshalb musste sie ins Polizeipräsidium Aachen, zur ID-Feststellung.

Dort versuchte H. zu verhindern, dass ihre Fingerabdrücke genommen wurden. Dabei soll sie versucht haben, einen Polizisten ins Bein zu beißen. Der junge Staatsanwalt spricht bei der Verhandlung von „körperlicher Misshandlung“ und „tätlichem Angriff auf einen Amtsträger“.

Das Verfahren ist eines von etlichen, die seit der rabiaten Waldräumung mit Tausenden Einsatzkräften im September 2018 gegen Protestierende im und rund um den Hambacher Forst laufen. Immer wieder landeten Aktivistinnen und Aktivisten in U-Haft, teils lange. Meist lauten die Vorwürfe: Widerstand gegen die Staatsgewalt oder Körperverletzung.

Am Freitag sind die beiden als Zeugen geladenen Polizeibeamten der Wahrheitsfindung vor Gericht wenig dienlich. Der eine kann sich nicht erinnern, ob er wirklich dabei war („da waren so viele …“), der andere nur an das Gefühl von H.s Mund an seinem linken Oberschenkel, als sie neben ihm hockte. Wunde? Gebissabdruck? Nein. Hose kaputt? Auch nicht. Der Staatsanwalt wiegelt ab: Normal sei eine „Nulltoleranzstrategie bei Angriffen auf Vertreter des Staates“, aber in diesem „absoluten Ausnahmefall“ könne man es auch beim Tatbestand der einfachen Widerstandshandlung belassen. Der Richter nickt: „Fünf Sozialstunden?“ – „Na, zehn sollten es schon sein.“ Urteil: Zehn Sozialstunden. Nach 45 Minuten ist der Spuk vorbei.

Eine unbekannte Zahl an Verfahren

Selten gehen Verfahren um den Hambacher Wald, der dem Braunkohle-Abbau im Tagebau Hambach im Weg steht, so glimpflich aus. Wie viele es genau gibt, weiß niemand, auch weil sie nach Jugendstrafrecht oft am Wohnsitzort stattfinden, nicht am Tatort. Viele der vorläufig Festgenommenen waren noch keine 21 Jahre.

Eine der bekanntesten Gefangenen, die sich „Eule“ nennt, war wegen versuchten Tretens nach einer Polizeibeamtin von Richter Peter Königsfeld zunächst zu neun Monaten Haft ohne Bewährung verurteilt worden. Königsfeld diagnostizierte „erhebliche schädliche Neigungen“ – ein Begriff aus lange vergangenen Zeiten.

Eule saß inklusive U-Haft über ein halbes Jahr ein. Das Landgericht Köln kassierte erst die Haft und im Mai das Urteil. Stattdessen verfügte das Gericht drei Wochen Jugendarrest, die durch die Haft abgegolten waren. Zudem habe Eule binnen sechs Monaten 40 Sozialstunden abzuleisten, möglichst im Bereich Umwelt- und Naturschutz.

Bei der jungen Frau soll es sich, so hatte das Landgericht per Fotoabgleich mit dem Berliner Einwohnermeldeamt herausgefunden, um die 19 Jahre alte Paula W. handeln. Die Gutachterin in Kerpen hatte sie nach umfänglichen Untersuchungen zu 79,8 Prozent Wahrscheinlichkeit als 21 oder älter geschätzt. Die 20,2-Prozent-Jugendliche äußerte sich nicht zur Identität. Dadurch entging ihr Haftentschädigung. Auch sonst war sie wenig kooperativ: Ein langes taz-Interview im Mai gab sie nicht frei, weil ihr einzelne Passagen nicht passten.

Wo steckt „Eule“?

Was aus Eule wurde, weiß weder die Gefangenenbetreuungsorganisation Anarchist Black Cross Rhineland noch ihr Anwalt Christian Mertens: „Nach Rechtskraft eines Urteils bin ich rechtlich raus.“ Weder das Landgericht, die Staatsanwaltschaft Köln noch das Amtsgericht Kerpen konnten oder wollten auf taz-Anfrage Auskunft geben, was aus den Sozialstunden geworden ist.

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Dem Hambacher Wald geht es derweil nach zwei Sommern extremer Trockenheit nicht gut. Bagger des Energiekonzerns RWE haben ihre Schneisen bis auf 50 Meter an das Gehölz herangetrieben und verharren als ständige Drohung in der Nähe. Die Räumung diente, wie anhand von Regierungsdokumenten längst belegt ist, nicht dem vorgeschobenen Brandschutz der Baumhäuser, sondern allein, um Platz für die Kettensägen zu machen.

Quelle        :         TAZ         >>>>>          weiterlesen

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Grafikquellen         :

Oben         —           Blockade der Nord-Süd-Bahn durch Ende Gelände am Kraftwerk Neurath am 23. Juni 2019.

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Unten        —              Baumhaus der Widerstandskämpfer, die sich gegen die Zerstörung des Hambacher Forsts einsetzen

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CDU Politiker schießt scharf

Erstellt von DL-Redaktion am 10. Januar 2020

Mann in Köln von Politiker angeschossen

Von Andreas Wyputta

In Köln schießt ein Lokalpolitiker einen 20-Jährigen an – und legt sein Mandat erst nach tagelangen Protesten nieder.

Der Kölner CDU-Lokalpolitiker, der Ende Dezember einen 20-Jährigen mit einem Schuss aus einem Revolver verletzt hat, lässt jetzt immerhin sein Mandat in der Bezirksvertretung ruhen. Das erklärte der Stadtverband der Christdemokraten in einer Mitteilung.

Kölns CDU-Parteichef Bernd Petelkau, der auch Vorsitzender der Stadtratsfraktion und Abgeordneter im nordrhein-westfälischen Landtag ist, betonte darin aber, es gelte „für die Beteiligten die Unschuldsvermutung“. Er hoffe auf schnelle Ermittlungsergebnisse, „damit rasch Klarheit entsteht, was sich tatsächlich zugetragen hat“.

Dem Lokalpolitiker, der für die Christdemokraten bisher in der Bezirksvertretung des Stadtteils Porz saß, wird vorgeworfen, einem 20-Jährigen in der Nacht vom 29. auf den 30. Dezember in die Schulter geschossen zu haben. Der 72-jährige Schütze soll dabei alkoholisiert gewesen sein. Auslöser der Schießerei am Porzer Rheinufer könnte ein banaler Streit über Lärm gewesen sein – um kurz nach Mitternacht soll sich der Christdemokrat von dem Opfer und dessen 21, 22 und 23 Jahre alten Begleitern gestört gefühlt haben.

In Onlinenetzwerken wird spekuliert, die Schüsse könnten auch einen rassistischen Hintergrund gehabt haben. Das Opfer habe einen osteuropäischen Migrationshintergrund, heißt es dort. Außerdem soll der Schütze auf Facebook regelmäßig rechtspopulistische, an das Umfeld der AfD erinnernde Beiträge geteilt haben.

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Fünf scharfe Waffen

Im Haus des CDU-Senioren fand die Polizei fünf scharfe Schusswaffen. Der Mann, der vorübergehend festgenommen wurde, ist auch Sportschütze. Die Staatsanwaltschaft, die zunächst eine Mordkommission gegründet hatte, ermittelt mittlerweile nur noch wegen des Verdachts auf gefährliche Körperverletzung.

Quelle            :          TAZ          >>>>>          weiterlesen

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Grafikquellen           :

Oben         —        Köln  –  Porzer Innenstadt

Autor      Arminia

  • CC BY-SA 3.0Hinweise zur Weiternutzung
  • File:Innenstadt-Köln-Porz.JPG
  • Erstellt: ‎9‎. ‎Oktober‎ ‎2004

 

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 Unten             —     City center of Cologne, Germany.

 © Thomas Wolf, www.foto-tw.de (CC BY-SA 3.0 DE)

Created: ‎28‎ ‎August‎ ‎2017

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Die Oma ist viel cooler

Erstellt von DL-Redaktion am 7. Januar 2020

Die Umweltsau durchs Dorf treiben

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Jaaa – keine  Oma hat auch Staatsknete ohne  Leistung bezogen !
Das macht den Unterschied.

Kolumne von Jürn Kruse

Ein Kinderlied und eine Entschuldigung später fragt sich die abgehängte Landbevölkerung, was das nun wieder für ein Blödsinn war.

Wenn bei Twitter und Facebook wieder einmal (Umwelt-)Säue durchs Dorf getrieben werden, ist es schön, genau dort zu sein: auf dem Dorf. Denn hier auf dem Land, da sind sich doch alle einig, leben einfache, ehrliche Leute. Wo’s Internet ist schlecht, das Leben ist echt.

Ich glaube, dass WDR-Intendant Tom Buhrow dachte, genau diese einfachen Leute zu adressieren und ihnen aus der Seele zu sprechen, als er sich für die WDR-Kinderchor-Version von „Meine Oma fährt im Hühnerstall Motorrad“ (#Umweltsau, #Omagate, Sie wissen schon) „ohne Wenn und Aber“ entschuldigte.

Es begab sich aber zu der Zeit, dass ein Gebot meiner Eltern ausging, dass ich mich und meine Familie nach Weihnachten doch mal bei ihnen blicken lassen könnte, und so verfolgte ich die Umweltsau-Diskussion von der fernen nordfriesischen Tiefebene aus. Der Blick geht hier weit, die Windräder ragen majestätisch aus der Marsch, und da ward mir bewusst: 1.) Was da bei Twitter passiert, kriegt hier kein Schwein mit. 2.) Es interessiert die meisten auch nur so mittel (Merke: Shitstorms wegatmen). 3.) Meine Oma ist viel cooler als Tom Buhrow, Tom Buhrow, Tom Buhrow. Meine Oma ist ’ne alte Umweltsau!

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Gut, meine Oma ist vielleicht nicht cooler als Tom Buhrow. Meine Omas sind ja beide nicht mehr. Aber die Oma meiner Kinder, also meine Mutter, die saß mit am Frühstückstisch, als ich mich darüber ärgerte, dass ich in der vorangegangenen Nacht mindestens eine Stunde meines Lebens an Twitter und diese Umweltsau-Diskussion vergeudet hätte, anstatt sie sinnvoll zu verbringen: schlafend.

Frage meiner Mutter: „Was für eine Umweltsau-Diskussion?“ Ich fasse den Inhalt kurz zusammen. „Ja, stimmt doch alles“, sagt sie.

Quelle           :        TAZ          >>>>>          weiterlesen

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Grafikquellen        :

Oben       —          Thomas “Tom” Buhrow (born 29 September 1958 in Troisdorf, Germany) is a German journalist.

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Die Sonntags – Frage

Erstellt von DL-Redaktion am 4. Januar 2020

Wir alle sind Umweltsäue

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Von Peter Unfried

Die „Umweltsau“-Debatte der vergangenen Tage verhüllt das eigentliche Kernproblem. Was wir aus ihr trotzdem für das Jahr 2020 mitnehmen können.

Die politische Großdebatte der vergangenen Tage war eine mutmaßlich mehrheitlich geheuchelte „Spektakelpolarisierung“ (Bernhard Pörksen) wegen eines Kinderchors, der in einer Fernsehsatire „Unsere Oma ist’ne alte Umweltsau“ sang. Dennoch kann man das nicht lapidar damit abtun, dass das eh gaga oder nur Twitter sei.

Diese „Umweltsau“-Debatte steht pars pro toto für die Verhüllung des Kernproblems (Klima­krise), die strategische Instrumentalisierung und Beförderung dysfunktionaler Gesellschaftsgespräche durch Gegner von Klimapolitik und die deshalb drängende Lösung der gesellschaftlichen Kommunikationskrise.

Es zu machen, wie Helmut Kohl Europa machte – volle Pulle, aber nicht darüber reden –, geht nicht. Wir müssen ein ernsthaftes Gespräch über das zentrale Problem hinbekommen. Das ist der zu Ende gehende CO2-Speicherraum in der Atmosphäre durch unser aller fossil befeuertes Wirtschaften und Leben. Die Antwort ist eine demokratische Mehrheit für den politischen Wechsel ins postfossile Wirtschaften. Eine gesellschaftliche Mehrheit, nicht eine parteipolitische.

Nun ist Oma (und Opa) im alten Denken tatsächlich eine Umweltsau, wenn das für nicht zukunftsfähige Wirtschafts- und Lebensweise steht. Aber die Enkelin und der Enkel auch. Mutti und Vati. Christ und Muslim. Konservativer, Liberaler, Linker und Grüner. Ocasio-Cortez und Trump. Rassist und Diskriminierte. In der physikalischen Realität sind Europäer (fast) alle „Täter“. Deshalb ist der erste und wichtigste Schritt, die eingeübte Kultur des Spaltens in Gute und Böse abzulegen.

Selbstverständlich handelt es sich auch um einen Generationenkonflikt. Aber eben nicht kulturell oder ideologisch wie 1968 ff., sondern materiell. Das ist der Grund, warum Klimapolitik diese Dynamik bekommen hat; weil sie nicht mehr nur von privilegierten Minderheiten eines bestimmten politischen Spektrums (Ökos, Grüne) moralisch begründet wird, sondern von einem parteiübergreifenden Mainstream namens Fridays for Future als Verteilungskonflikt erkannt wurde.

Quelle          :         TAZ           >>>>>            weiterlesen

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Grafikquellen       :

Oben       —        Peter Unfried

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Polizeigewalt in Köln

Erstellt von DL-Redaktion am 25. Oktober 2019

 Opfer-Täter-Umkehr wie aus dem Bilderbuch

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Von Katja Thorwarth

Ein Mann erlebt Polizeigewalt, steht aber als Angeklagter vor Gericht. Obwohl er mehrfach freigesprochen wird, lässt die Staatsanwaltschaft nicht locker. Die Kolumne zum Thema.

Auf den Bildern, die der Mann 2016 auf Facebook postete, sieht man ihm die Misshandlungen an. Das Gesicht und der Kopf sind geschwollen, die Haut mit Blutergüssen übersät, die Arme und Beine malträtiert. Der Mann hatte sieben Stunden in Kölner Polizeigewahrsam verbracht.

An diesem Tag stand die Domstadt ganz im Zeichen des Regenbogens. Die CSD-Parade gegen Diskriminierung sexueller Minderheiten war in vollem Gange, als der Mann in eine Rangelei in einem Schnellrestaurant verwickelt wurde, die vor dem Eintreffen der Polizei bereits ein Ende fand. Den Ort hatte er sich noch geweigert zu verlassen, vielmehr soll er erschöpft auf einem Stuhl gesessen haben.

Opfer von Polizeigewalt: Wie das Protokoll eines Häftlings aus einem russischen Knast

Doch irgendetwas hatte die Beamten wohl getriggert, als der Mann mit einem Schlag ins Gesicht gegen die Wand geschleudert wurde. Er blieb reglos liegen, um mit einem „Schmerzreiz“ wieder in den Bewusstseinszustand überführt zu werden.

Damit sollte ein Martyrium seinen Anfang nehmen, das verschiedene Medien seit drei Jahren aufbereiten, und das sich liest wie das Protokoll eines Häftlings aus einem russischen Knast. Die Staatsdiener, dem Schutz des Individuums verpflichtet, legten ihm Handschellen an, traten und schlugen ihn, ehe sie ihn in ein Polizeiauto verfrachteten und in Unterhose und T-Shirt wegsperrten. Und mit klatschnasser Kleidung aus dem Hinterausgang entließen. „Das ist ein Bild, was voller Scham ist. Ja, voller Schmerz und Gewalt“, wird der Mann zitiert.

Polizeigewalt: Opfer-Täter-Umkehr wieaus dem Bilderbuch

Was hatte er sich zuschulden kommen lassen? „Das brauchst du doch, du dumme Schwuchtel“, soll die Aussage eines Polizisten laut Urteil des Landgerichts Köln gewesen sein, womit die Frage womöglich beantwortet ist. Denn wer sich das Geschehene vergegenwärtigt, könnte zu dem Schluss kommen, dass es sich hier um Homophobie in Uniform handelt, die in kollektivem Sadismus ihre Ausprägung fand. Und die als krimineller Akt zur Anklage gebracht gehört. Das ist bis heute nicht geschehen, im Gegenteil findet sich eine Opfer-Täter-Umkehr aus dem Bilderbuch.

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Bislang wurde der Fall zweimal vor Gericht verhandelt, und zweimal war das Opfer der Angeklagte. Die Beamten hatten wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte und Beleidigung Strafantrag gestellt, doch die Aussagen des Mannes wurden zweimal bestätigt, er zweimal vom Gericht freigesprochen – und jedes Mal, zuletzt 2019, ging die Staatsanwaltschaft in Berufung. Interessant an dieser Stelle ist, dass 2018 nur zwei Prozent mutmaßlich rechtswidrige Polizeigewalt von der Staatsanwaltschaft zur Anklage gebracht wurden. In diesem Fall scheint es jedoch so, als wolle die Staatsanwaltschaft das Opfer zum Täter umklagen.

Quelle          :       FR           >>>>>          weiterlesen

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Grafikquellen          :

Oben          —              Police brutalize protester at rally against „embassy hearings“ in front of Nigerian Embassy, Berlin

Source http://asylstrikeberlin.files.wordpress.com/2012/10/polizeigewalt.jpg
Author Berlin Refugee Strike
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Unten       —       Ein schwarzer Block der Staatsgewalt rückt aus      —G20 summit policetroops

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Köln-Kurden machten mobil

Erstellt von DL-Redaktion am 24. Oktober 2019

Der Krieg auf der Domplatte

Fichier:Düsseldorf, Rosenmontag 2016, politische Karnevalswagen (06).jpg

Aus Berlin und Köln Dinah Riese, Anett Selleund, Christian Werthschulte

Adnan organisiert in Köln Proteste gegen den türkischen Einmarsch. Bekir Yılmaz in Berlin kann dagegen verstehen, dass die Türkei keinen PKK-nahen Staat tolerieren will. Der eine ist Kurde, der andere Türke. Landet der Konflikt an der syrischen Grenze jetzt mitten in Deutschland?

Aus dem Hauptbahnhof von Köln strömen an diesem wie an jedem Abend die Pendler*innen hinaus. Aber statt des Dom-Panoramas erwartet sie heute etwas anderes: gelb-grün-rote Fahnen der kurdischen Miliz YPG. Seit über einer Woche versammeln sich hier kurdische Gruppen, um gegen den Einmarsch der Türkei in Nordsyrien zu demonstrieren. „Operation Friedensquelle“ nennt die Türkei das, was sie tut; als „nicht im Einklang mit dem Völkerrecht“ bezeichnet es Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD). Am Mittag gab es in Köln eine Mahnwache, jetzt am frühen Abend eine Demonstration. Heute sind etwa einhundert Menschen gekommen. „Man muss einen Tag als Kurde leben, um die Kurden zu verstehen“, sagt Adnan, der die Versammlung angemeldet hat. Sein Nachname soll nicht in der Presse veröffentlicht werden.

Adnan arbeitet als Sozialarbeiter in Köln, seine Familie kommt aus einem Dorf in der Nähe von Kobani auf der nördlichen Seite der türkisch-syrischen Grenze. „Ich schaue jede freie Minute aufs Handy“, sagt er. Er liest Nachrichtenportale, wartet auf E-Mails seiner Verteiler und telefoniert mit Freund*innen, die südlich der Grenze auf syrischem Territorium gewohnt haben. Sie sind mittlerweile in die 100 Kilometer entfernte Stadt Raqqa geflohen. „Ich fühle mich so hilflos“, erzählt er. „Wir sind bestürzt, dass wir alleingelassen werden.“ Aber die Solidarität der Bevölkerung mit der Mahnwache sei groß. Einen Tag später, am Samstag, demonstrieren in Köln 10.000 Menschen. An einem der Startpunkte flucht eine Frau im Vorbeigehen im rheinisch-türkischen Akzent: „Diese Scheißkurden. Sollen die doch woanders demonstrieren.“ Niemand beachtet sie.

Es ist kein neues Phänomen, dass sich Konflikte in und um die Türkei auch in Deutschland niederschlagen, sei es die türkische Militäroffensive gegen die syrische Stadt Afrin im Januar 2018 unter dem Namen „Operation Olivenzweig“ – ebenfalls ein Friedenssymbol – oder der Putschversuch in der Türkei 2016; oder seien es die verschiedenen Militärputsche in der Türkei, etwa 1971 oder 1980, in deren Folge viele Kurd*innen vor Verfolgung aus der Türkei fliehen mussten – zum Beispiel nach Deutschland.

Türkischstämmige Menschen bilden laut Mi­krozensus 2018 die größte Minderheit in Deutschland: 13,3 Prozent der „Menschen mit Migrationshintergrund“ hierzulande haben diesen, weil sie selbst oder mindestens ein Elternteil die türkische Staatsbürgerschaft hat oder hatte. Das sind rund 2,8 Millionen Menschen. Darunter sind auch viele Kur­d*innen. Wie viele von ihnen in Deutschland leben, lässt sich nicht so leicht beziffern. Schätzungen gehen von 600.000 bis anderthalb Millionen aus, sie oder ihre Familien stammen vor allem aus der Türkei, aus Syrien, dem Irak oder dem Iran.

Beiderseits wird provoziert. Bei spontanen, nicht angemeldeten Aktionen gegen kurdische Versammlungen und Demonstrationen seien nach Einschätzung des nordrhein-westfälischen Verfassungsschutzes „Anhänger der rechtsextremistischen Grauen Wölfe“ unter den Teilnehmenden gewesen, erklärt das Innenministerium des Landes. Diese, „aber auch nationalistische regierungstreue Türken“ hätten bei diesen Aktionen den Wolfsgruß gezeigt, um ihr Gegenüber zu provozieren. Kurd*innen wiederum reagierten „auf dieses Zeichen hoch emotional.“

Anfang dieser Woche kommt es in Herne zu einer Schlägerei zwischen Türken und Kurden, wie die örtliche Polizei berichtet, beteiligt sind 50 bis 60 Personen. Schon in der Vorwoche wurde in der Stadt im Ruhrgebiet der Wolfsgruß gezeigt, wo­raufhin kurdische Demonstrant*innen erst einen türkischen Kiosk und dann ein Café angriffen. Eine kurdische Demonstration in Mönchengladbach wurde „verbal attackiert“, so das NRW-Innenministerium, bevor es zu körperlichen Auseinandersetzungen kam. In Dortmund wurden türkische Fahnen sowohl gezeigt als auch verbrannt, Letzteres hat der Versammlungsleiter rasch unterbunden. In Lüdenscheid wurde ein türkischstämmiger Mann mit einem Messer schwer verletzt, in Bottrop wurden aus einer Gruppe von etwa 200 Menschen heraus Pflastersteine auf eine kurdische Versammlung geworfen. Immer wieder seien auch Parolen der auch in Deutschland verbotenen Kurden-Partei PKK gerufen oder entsprechende Symbole gezeigt worden.

So hätte der „Schwarze Block des Staat“ aussehen können.

Es sei eine Situation „kurz vor der Explosion“, man sitze „auf einem Pulverfass“ – so ist seit Tagen zu lesen. Unsicher fühle er sich in Köln im Moment nicht, widerspricht Adnan, auch wenn er bestimmte Ecken meidet, wo sich ultranationalistische Türken treffen: „Das hat man nichts zu suchen.“

Im Bundesinnenministerium gibt man Entwarnung. Im Zusammenhang mit der türkischen Militäroffensive würden bereits seit geraumer Zeit „Mobilisierungsaktivitäten kurdischer und deutscher linker Organisationen verzeichnet“, sagt ein Sprecher des Ministeriums auf Nachfrage. Vereinzelte gewaltsame Auseinandersetzungen seien „nicht auszuschließen“. Eine „Verschärfung der ­Gefährdungslage“ sei derzeit aber „nicht erkennbar“.

Quelle       :         TAZ              >>>>>            weiterlesen

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Grafikquellen          :

Oben        —        So sah es einmal in Düsseldorf aus. /Düsseldorf, Rosenmontag 2016, politische Karnevalswagen.

Cette œuvre a été placée dans le domaine public par son auteur, Kürschner. Ceci s’applique dans le monde entier.

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Unten     —          Bereitschaftspolizei officers during a demonstration

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Beleidigungsbrief der ARGE

Erstellt von DL-Redaktion am 8. Oktober 2019

 ca. 35 Erwerbslose feierten eine „Arme Würstchen Party“ im Jobcenter

Quelle      :        Scharf  —  Links

Von KEAs e.V. und Initiative erwerbslos nicht wehrlos

Verleihung der Auszeichnung „Goldener Haufen rassistischer/klassistischer Scheiße“ an die Leitung des Jobcenters Köln-Porz

Anlass der Party war ein anonymer Beleidigungs- und Drohbrief, der per Hauspost an die Beratungsstelle Die KEAs e.V. (Kölner Erwerbslose in Aktion) gesendet wurde und mit offiziellem Stempel aus dem Jobcenter versehen ist . In diesem Brief werden Beratende und Alg II-Bezieher*innen pauschal als “Arme Würstchen“, „ Penner“ , „lächerlicher Haufen Scheiße“ und „ Asis und Kanaken“ bezeichnet. Die heutige Party war die Antwort der Initiative erwerbslos nicht wehrlos darauf .

Der Einladung folgten über dreißig Menschen, die eine stimmungsvolle Party mit Musik, Tanz uvm. im Wartebereich des Jobcenters feierten. Schmunzelnde sog. „Kunden „ im Wartebereich, Verteilung von Ballons an Kinder, sichtlich überforderte Mitarbeiter*innen und Sicherheitsdienst und immer wieder die Forderung, die Leitung möge sich her bemühen um ihren hart bzw. „hartz“ verdienten Preis entgegen zu nehmen – den goldenen Haufen rassistischer/ klassistischer Scheiße.

Die Preisträgerin ließ eine halbe Stunde auf sich warten, dennoch wurde sie mit einem hartzlichen Applaus begrüßt.

Auf den Wunsch der Preisträgerin hin wurde die Preisverleihung vor das Gebäude verlegt. Dort wurden die Gäste bereits von ca. 20 Polizist*innen erwartet. Trotz kleinerer Störungen seitens der Beamt*innen, wurde der Leitung der anonyme Beleidigungs- und Drohbrief verlesen. Die Jobcenter Leitung nahm den Inhalt desinteressiert auf und beauftragte im Anschluss die Beamten, die Personalien der Demonstrierenden festzustellen.

Diese Reaktion bestätigte die Jury in der Entscheidung, dass sie eine wirklich würdige Preisträgerin ist. Nach einer kurzen Laudatio und der Überreichung des goldenen Haufens rassistischer/ klassistischer Scheiße wollten die Protestierenden das Gelände verlassen. Einigen gelang dies, andere wurden auf dem Parkplatz von der Polizei eingekesselt oder vom öffentlichem Raum zurück auf das Jobcenter Gelände gezerrt. Dieses Vorgehen diente der Feststellung von Personalien, auch wenn dies nicht bei allen gelang.

File:Protest - "Hartz 4 macht nackig".JPG

Hiernach wurde noch auf der Straße bei Snacks und Grillwurst heiter weiter gefeiert und gefleyert.

Es bleibt dabei – Widerstand lohnt sich! Der Ausgangspunkt der Proteste und des Schreibens vom Jobcenter, war eine besonders böswillig und rassistisch agierende Fallmanagerin – Fr. A.. Diese soll laut mehrerer Betroffener seit Anfang September immerhin nicht mehr in Erscheinung getreten sein (erste Aktion: https://www.die-keas.org/Jobcenter%20Porz%20Begleitung ).

„Ihr werdet uns nicht los, wir sind viele und werden mehr.“ so die Ansage von Kim O. .

Hartz IV abschaffen!

Reichtum verteilen!

Armut abschaffen! 

Initiative erwerbslos nicht wehrlos & KEAs e. V.

Urheberrecht
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Grafikquellen       :

Oben      —          Scharf-Links

privat     —   KEAs

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Unten       —  

„Hartz 4 macht nackig“.
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Author High Contrast
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(Reusing this file)
I, the copyright holder of this work, hereby publish it under the following license:
w:en:Creative Commons
attribution

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Climate: Justice – Chaos ?

Erstellt von DL-Redaktion am 4. Oktober 2019

Wetterfeste FFF Bewegung

Quelle      :  Scharf  —  Links

Von Jimmy Bulanik

Das Thema von FFF ist das Klima. Deshalb gilt es für die Bewegung unabhängig an Lebensjahren, Raum der Sozialisierung, gegenwärtiger Aufenthaltsort (wie von Besucherinnen und Besucher einer Messe oder Touristinnen und Touristen), Bildungsgrad, soziale Stellung in der Gesellschaft und Wohnorten mit ihrer Wetterfestigkeit wie der aktuell bevorstehenden Herbstferien auch zur Weihnachtsferien, Weihnachtszeit 2019, im Übergang zum Jahr 2020 das bestehende Ausmaß an Entschlossenheit öffentlich und medial unter Beweis zu stellen. Das stärkt ihre bereits bestehenden Glaubwürdigkeit im Inland als auch im Ausland. Sofern die Menschen in der Bundesrepublik Deutschland weiter unbeirrt Freitags für das Klima demonstrieren, desto höher die Chance das die Menschen im EU Ausland es vor Ort gleich handhaben werden.

Insbesondere die Menschen in Großstädten mit ihrem vorhandenen ÖPNV stehen in der Verantwortung. Ebenfalls wichtig dabei ist, dass von allen Landeshauptstädten, der Bundeshauptstadt Berlin, den EU Großstädten und EU Hauptstädten ein sichtbares und hörbares Signal ausgesendet wird, das weltweit nicht zu ignorieren ist. Jene Menschen welche im Umland einer Landeshauptstadt, Großstadt, EU Hauptstadt wohnen haben die Option eine Gemeinschaft zu bilden um gemeinsam in einer Großstadt vor Ort an den FFF Veranstaltungen teilzunehmen. Um Hürden abzubauen, gerne sich an die eigene Familie, Freundeskreis, ein (Sport) Verein, die Gewerkschaft oder eine Partei zu wenden um nach Unterstützung zu fragen. Einen Mangel an Fahrräder wird es mit Sicherheit nicht geben. Eine weitere Möglichkeit besteht darin Geld zusammenzulegen damit mehrere Personen auf ein ÖPNV Ticket fahren dürfen. Was allen offen steht ist die Menschen im persönlichen Zirkel, Zirkeln in jeglicher Form der analogen, digitalen Form der Kommunikation zu motivieren auch an den FFF Demonstrationen teilzunehmen. Die Bundesrepublik Deutschland hat viele Rentnerinnen und Rentner, Pensionärinnen und Pensionäre dessen Bedeutung an politischen Wahlen stetig wächst.

In der Thematik der Verschmelzung von Ökologie, Ökonomie und Soziales insbesondere in Verbindung mit der Digitalisierung befindet sich erheblich viel an positiver und progressiver Macht. Mitunter die Behandlung einer globalen Frage des bestehenden und zukünftigen System. Dies darf gerade in global volatilen Zeiten zu keinem Zeitpunkt unterschätzt werden und immer richtig eingeordnet. Menschen die an Kapitalmärkten, Banken, Unternehmungen dahinter arbeiten wissen dies nur zu präzise. Deshalb ist es ratsam das teilnehmende Personen an den FFF Demonstrationen mittels des dem Smartphone, Laptop, dem Internet ungefiltert Öffentlichkeit schaffen. Für die Qualität sind alle selbst verantwortlich und können sich dahingehend gemeinsam und gegenseitig fachlich optimieren.

Die Motive zur Teilnahme an den FFF Demonstrationen gibt es genug. Die neueste Augenwischerei der gegenwärtigen Bundesregierung in Sachen Klimapolitik ist aktuell lediglich eines davon.

Die innerdeutsche Landschaft der politischen Parteien wird die Entwicklung der FFF Demonstrationen bemerken. Es obliegt allen Menschen ob sie und ihre legitimen Inhalte und Ziele von der bestehenden Bundesregierung weiter ernst genommen werden oder ob die Parteien der neoliberalen FDP und der menschenverachtenden AfD, dessen Funktionär Höcke laut Gericht als Faschist betitelt werden darf bei ihren bevorstehenden Veranstaltungen zum Karneval im Jahr 2020 im Fernsehen in der Live Übertragung wie beispielsweise der politische Aschermittwoch hämische Witze auf Kosten von über 1,4 Millionen Menschen in der Bundesrepublik Deutschland, weitere Millionen Menschen in der Europäischen Union und weltweit der FFF, Klima Demonstrantinnen und Demonstranten artikulieren und obendrein dafür noch Applaus bekommen werden und beim geneigten Publikum lautes Gelächter auslösen werden. Die deutsche und internationale Industrie wie zum Beispiel der Automobilindustrie, Pharma Konzerne  würde es ihren Erfüllungsgehilfinnen und Erfüllungsgehilfen in den politischen Parteien mittels Aufträge, Posten und monetäre Zuwendungen danken.

Daher ist es allen möglich sich wetterfeste Kleidung anzuziehen, sich ökologisch und gerecht gehandelten vegetarisch oder veganen Proviant vorzubereiten und Fairtrade Kaffee, Kräutertee in einer Thermokanne auf die FFF Demonstrationen mitzunehmen. Von Menschen aus Südkorea habe ich vor vielen Jahren in meinem Leben gelernt, das diese ziemlich gerne eine warme Suppe in einer Thermokanne transportieren um dies außer Haus zu genießen. Vielleicht ist dies in kalten Zeiten auch etwas für die Menschen im Herzen oder Westen von Europa, bzw. der Europäischen Union.

Quelle:

https://fridaysforfuture.de

Bodo Wartke – Hambacher Wald

https://www.youtube.com/watch?v=tTKcnlp0x_Y

Urheberrecht
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Grafikquelle      :

Wellington, Neuseeland, 15. März 2019

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Fridays For Future Köln

Erstellt von DL-Redaktion am 22. September 2019

Ein globales Signal

Datei:Bundesarchiv B 422 Bild-0086, Köln, Rheinufer, Hochwasser.jpg

Quelle           :      Scharf   —  Links 

Von Jimmy Bulanik

Köln – weit über 70.000 Menschen aus allen Segmenten der Zivilgesellschaft aus natürlichen Personen, juristische Personen kamen zwecks Fridays For Future Klimastreik, Demonstration um 11 Uhr zum DGB Haus am Hans – Böckler – Platz bis zum Hohenzollernring. Mit mittels Absperrungen, Beeinträchtigungen für den Verkehr auf den Straßen von Köln. Das Mobilfunknetz in Köln war zeitweilig überlastet. Köln stellt in NRW die größte Anzahl der Teilnehmerinnen und Teilnehmer und somit einer der größten Demonstrationen in der Bundesrepublik Deutschland. In NRW haben sich über 270.000 Menschen an den Veranstaltungen beteiligt. Bundesweit handelt es um über 1,4 Millionen Demonstrantinnen und Demonstranten. Begleitet wird dies von Gewerkschaftlerinnen und Gewerkschaftler wie Verdi, DGB als auch dem Künstlerinnen und Künstler, wie beispielsweise der Band Cat Ballou welche für ihr Lied „Et jitt kei Wood“ bundesweit bekannt ist. Sehr viele anwesende Demonstrantinnen und Demonstranten werden im Bundesland NRW künftig Erstwählerinnen und Erstwähler werden. In jedem Fall leidenschaftlich politisiert und im harmonischem Einklang mit der Generation ihrer Eltern und Großeltern. Die Ziele bestehen in der so zeitnah als möglich Einleitung einer Energiewende insgesamt Sowohl persönlich (mit der Auswahl des Stromanbieter wie Greenpeace Energy eG, der persönliche Pizza Konsum) als auch gemeinschaftlich als Binnenmarkt und international.

Mittlerweile konstatieren Ökologische Strom Anbieter wie Greenpeace Energy eG das nicht allein natürliche Personen zu ihren Kundschaft zählen, als auch juristische Personen wie Büros von den Bündnis 90 / Die Grünen. Selbst eine Gesellschaft mit Bussen und Züge in grüner Farbe gehört zu solch einem Geschäftskunden.

Es werden künftig mehr Geschäftskunden werden. Das Bewusstsein bei den Menschen in der gesamten Gesellschaft besteht seit langem, wächst jedoch weiter. Dies bemerken auch Lebensmittelgeschäfte bei ihren Verkaufszahlen von fleischlosen Lebensmittel.

Die Sonne schien in Köln bei zirka 13 Grad Celsius. Die Stimmung war fröhlich und ausgelassen. Die Menschen, welche am Köln Bahnhof West der Route der Demonstration leben, zeigten aus geöffneten Fenstern mit ihrem Zuwinken und Daumen in Richtung blauen Himmel zeigend ihre Zustimmung.

Tatsache ist das die ökologischen Themen von allen demokratisch wählbaren Parteien aufgegriffen werden. Über Modalitäten des Sparens von Energie wird vielfältig gerungen.

In meinen Interviews mit den Demonstrantinnen und Demonstranten vor Ort in Köln wurde die massive Förderung eines egalitär bezahlbarer DB Bahnkarte 100 der zweiten Klasse im Jahres Abo verlangt. Somit wird der Verkehr auf den Straßen, Autobahnen gravierend entlastet. Ungeachtet der Form des Energieträgers ob fossil oder basierend auf regenerativ gewonnener Strom für Batterie oder noch besser Wasserstoff. Ziemlich verteidigend waren die (jungen) Leute zum Thema Windräder. Sie erkannten für sich das mit den modernen und effizienten Windrädern welche heute größer sind, als der Kölner Dom die Energiewende steht.

Der Internationalismus kommt bei den Fridays For Future Demonstrantinnen und Demonstranten nicht zu kurz. Sie artikulieren mitunter das es für alle Menschen nur eine Welt besteht in der wir gemeinsam leben, sich darin gegenseitig brauchen. Die Informationen über die Anzahl derer welche heute global für das Klima von ihrem verbrieften Grundrecht auf Versammlung den öffentlichen Raum friedlich und demokratisch in Anspruch nehmen motiviert die anwesenden in Köln.

Alles in allem steht eine stärkere Verbindung von Ökologie, produzierender Ökonomie mit ebensolchen Erwerbsarbeitsplätzen in der Bundesrepublik Deutschland bevor. Von der Bundesrepublik Deutschland kann ein Mondscheineffekt für andere Volkswirtschaften darstellen.

Dies zu bewerkstelligen obliegt uns allen.

 Jimmy Bulanik

 Quellen:

 https://fridaysforfuture.de

 https://www.greenpeace-energy.de

 https://www.gruene.de

 Cat Ballou – Et jitt kei Wood

 https://www.youtube.com/watch?v=VF6p-BGQcl4

Urheberrecht
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Grafikquelle        :        Namensnennung: Bundesarchiv, B 422 Bild-0086 / Sers, Günter / CC-BY-SA 3.0

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Der Antisoziale Patriotismus:

Erstellt von DL-Redaktion am 16. September 2019

Die Rentenpläne der AfD

Maischberger - 2018-01-24-1895.jpg

Von Christoph Butterwegge

Vor den anstehenden Landtagswahlen in Brandenburg, Sachsen und Thüringen im September beziehungsweise Oktober inszeniert sich die ostdeutsche AfD als Fürsprecherin der Benachteiligten – und all jener, die sich benachteiligt fühlen. Allerdings zeigt sich die vermeintliche „Kümmererpartei“ gerade hinsichtlich ihres Rentenkonzepts nicht nur zutiefst gespalten, sondern auch hochgradig unsozial. Dort, wo vielen Menschen aufgrund längerer Arbeitslosigkeit und/oder schlecht bezahlter (Leih-)Arbeit künftig Altersarmut droht, plädiert der völkisch-nationalistische und in weiten Teilen rechtsextreme Parteiflügel um Björn Höcke, dem Landes- und Fraktionsvorsitzenden der thüringischen AfD, für einen „solidarischen Patriotismus“, der all jenen zugutekommen soll, die eine deutsche Staatsbürgerschaft besitzen. Dagegen setzt der national- bzw. wirtschaftsliberale Flügel um Bundessprecher Jörg Meuthen und die Bundestagsfraktionsvorsitzende Alice Weidel weniger auf staatliche Interventionen als auf den (Finanz-)Markt, das Prinzip Eigenverantwortung und individuelle Selbstvorsorge.

Obwohl die Richtungsgruppierungen innerhalb der AfD in vielen Politikbereichen konträre Positionen vertreten, gelang es ihnen bisher fast immer, zugunsten einer möglichst breiten Akzeptanz in der Wählerschaft für alle Strömungen tragbare Kompromisse zu schließen. Dabei bildet die „Massenmigration“ von Flüchtlingen das Schlüsselthema, mit dem die Partei alle übrigen Themenkomplexe zu verbinden und die konträren Lager zu einen versucht.[1] Dies gilt auch für das Problem der Altersarmut, obwohl es mit der Fluchtthematik nichts zu tun hat: Erstens erhalten Flüchtlinge (noch) keine Rente. Und zweitens hat der Bundestag bereits lange vor dem „Sommer der Migration“ im Jahr 2015 beschlossen, dass das Sicherungsniveau der Renten von damals 53 auf bis zu 43 Prozent vor Steuern im Jahr 2030 sinken kann, ohne dass der Staat eingreift.

Auch sechseinhalb Jahre nach ihrer Gründung hat die AfD immer noch kein Rentenkonzept verabschiedet. Die Vielzahl unausgegorener Papiere der verschiedenen Parteigruppierungen sollte eigentlich im September dieses Jahres auf einem Sonderparteitag zur Sozialpolitik in einen Beschluss münden. Doch da die AfD in der Rentenpolitik nach wie vor heillos zerstritten ist, verschob ihr Bundesvorstand den Parteitag kurzerhand auf das kommende Jahr. Bis dahin kann jede Strömung ihr eigenes Konzept als mehrheitsfähig präsentieren – und damit auf Wählerfang gehen.

Eigentum als Alterssicherung

Die Werbetrommel wird bereits seit längerem kräftig gerührt. Im Mai 2018 stellte Uwe Witt, nordrhein-westfälischer AfD-Bundestagsabgeordneter und Vorsitzender der „Alternativen Vereinigung der Arbeitnehmer“ (AVA) dieser Partei, zusammen mit dem Oberurseler Stadtverordneten Peter Lutz ein Diskussionspapier mit dem Titel „Alterssicherungskonzept für die Bürgerinnen und Bürger Deutschlands“ vor. Ausgehend von der These, dass die Rentenversicherungsbeiträge zu hoch, die Renten zu niedrig und die Zukunftsaussichten katastrophal seien, nahmen sie das jahrzehntelange Hinausschieben „notwendiger Anpassungsmaßnahmen“ ins Visier.[2] Gemeint waren damit offenbar Rentenkürzungen, denn Witt und Lutz lehnen Beitragserhöhungen ebenso ab wie höhere Steuerzuschüsse. Was sie als „Flexibilisierung durch Lebensarbeitszeit“ bezeichnen, läuft auf eine Verlängerung der Lebensarbeitszeit und eine Anhebung des durchschnittlichen Renteneintrittsalters hinaus: „Wir müssen uns […] in Zukunft von einem fixen Renteneintrittsalter entfernen und allein die geleistete ‚Lebensarbeitszeit‘ zum Maßstab des Renteneintritts nehmen. Wer mit 15 Jahren anfängt zu arbeiten und Rentenbeiträge zu zahlen, sollte auch mit 60 Jahren abschlagsfrei in Rente gehen dürfen. Wer sich hingegen mit seiner Ausbildung viel Zeit lässt, muss dann auch die Konsequenz ziehen und erst später in die Rente eintreten.“[3] Abgesehen davon, dass schon heute kaum noch jemand die 45 Beitragsjahre des „Standardrentners“ erreicht, hieße dies, dass für Akademiker*innen mit entsprechend langen Ausbildungszeiten die Rente mit 70 oder 75 Jahren zur Regel würde.

Neben einer Verlängerung der Lebensarbeitszeit soll die Einnahmebasis der Rentenversicherung um Beamte und Selbstständige erweitert und das „Lohnabstandsgebot“[4] beachtet werden. Darüber hinaus fordern Witt und Lutz einen „On Top Zuschuss“ zur Rentenbeitragszahlung der Niedriglohnempfänger*innen von bis zu 40 Prozent.[5] Weiter setzt die AVA auf ein Drei-Säulen-Modell – bestehend aus staatlicher, betrieblicher und privater Vorsorge –, bei dem sich die Unterstützung der betrieblichen und der privaten Altersvorsorge „an Effizienzkriterien zu orientieren“ habe: „Insbesondere in der dritten Säule, der privaten Vorsorge, wollen wir neue Wege gehen. Denn wir fordern hier eine deutlich höhere staatliche Förderung bei der Schaffung von selbstgenutztem Wohneigentum für jeden Erwerbstätigen wie auch die staatliche Unterstützung bei der Bildung von Unternehmenseigentum in Arbeitnehmerhand.“[6] Staatlich subventioniertes Eigentum soll also an die Stelle von Sozialleistungen treten – ohne ihn zu nennen, greift die AVA dabei die Idee des „Volkskapitalismus“ von Ludwig Erhard auf, während ansonsten wenig originelle Ideen entwickelt wurden.

Völkische Sonderregelungen

Ebenfalls bereits im Mai des letzten Jahres veröffentlichte Markus Frohnmaier ein „Impulspapier“ zu Rentenpolitik. Er ist langjähriger Bundesvorsitzender der Jungen Alternative, verfügt über gute Kontakte in die rechtsextreme Szene und ist heute AfD-Bundestagsabgeordneter. Frohnmaier spricht sich für einen „Volkskapitalismus“ im Sinne einer „Volksrente“ nach Schweizer Vorbild aus. Das bisherige Umlageverfahren soll zwar nicht abgeschafft, sein Schwerpunkt aber zu einem „kapitalgedeckten“ – in Wirklichkeit: zu einem finanzmarktabhängigen – Rentensystem verschoben werden.

Die geplante „Volksrente“ verfügt über drei Bestandteile: erstens eine „Grundrente“ für „alle Menschen mit deutscher Staatsangehörigkeit weltweit“, die sie durch Pflichtbeiträge finanzieren, sofern ihr Jahreseinkommen mindestens 15 000 Euro beträgt; zweitens eine „Lebensrente“ als „kapitalgedeckte private Teilzwangsversicherung“, welche die Lebensleistung widerspiegeln und im Idealfall den Löwenanteil der Ausgaben eines Ruheständlers decken soll; drittens eine „rein private und freiwillige Zusatzrente“, durch die sich der Lebensstandard im Alter dem Lebensstandard im Arbeitsleben noch stärker angleichen soll.[7]

Beiträge zur Grundrente wären an die Höhe des Einkommens, aber auch an die Zahl der Kinder gekoppelt (pro Kind würden sie halbiert).[8] Nichtdeutsche hätten jedoch stets den vollen Grundrentenbeitrag zu entrichten und erhielten auf ihr „Lebensrentenkonto“ im Unterschied zu deutschen Staatsbürger*innen auch keinen staatlichen Zuschuss.

File:2017-04-23 AfD Bundesparteitag in Köln -68.jpg

Zwei Ärsche ohne Kopf – ergeben keinen Zopf

Ganz im Sinne einer völkischen Ideologie werden Deutsche privilegiert und wird die traditionelle Familie hochgehalten: „Eine deutlich bessere Absicherung im Alter als jedes Rentensystem [sind] nach wie vor die eigenen Kinder“, so Frohnmaier; mit ihnen könne „auf eine höhere Lebensrente im Zweifel einfacher verzichtet werden“.[9] Frohnmaier gehört folglich zu den Verächtern, nicht zu den Verteidigern des modernen Sozialstaates, glaubt er doch, man könne die Altersvorsorge im 21. Jahrhundert wie in einer altertümlichen Gesellschaft organisieren, in der Kinder den Reichtum ihrer Eltern darstellten und diese im Alter mit „durchfütterten“. Statt jedoch die Konsequenz aus seiner absurden Vorstellung zu ziehen und den Eltern mehrerer Kinder, die sie im Alter versorgen könnten, eine staatliche Rente vorzuenthalten, macht Frohnmaier das Gegenteil und möchte sie gegenüber Kinderlosen privilegieren.

Nichtdeutsche dürfen derzeit nicht gegenüber Deutschen diskriminiert werden, denn das Sozialversicherungssystem finanziert sich durch verfassungsrechtlich nach Art. 14 Abs. 1 GG als Eigentum geschützte Beiträge von Arbeitnehmer*innen und Arbeitgebern. Wer also gewisse Rentenbestandteile deutschen Ruheständler*innen vorbehalten will, verstößt gegen die Verfassung – weshalb Frohnmaier auch eine Grundgesetzänderung anstrebt. Zugleich will die AfD, wie in ihrem Bundestagswahlprogramm angekündigt, zum Blutrecht zurückkehren und sowohl Mehrfachstaatsangehörigkeiten als auch Einbürgerungen nach dem seit knapp zwanzig Jahren geltenden Territorialprinzip wieder abschaffen.[10] Hier lebende Nichtdeutsche hätten dann keine Möglichkeit mehr, die deutsche Staatsbürgerschaft und damit volle Rechte als Rentenbezieher*innen zu erhalten.

»Staatsbürgerrente« für deutsche Geringverdiener

Quelle           :         Blätter         >>>>>          weiterlesen

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Grafikquellen       :

Oben     —         MAISCHBERGER am 24. Januar 2018 in Köln. Produziert vom WDR. Thema der Sendung: Ganz unten: Wie schnell wird man obdachlos? Foto: Christoph Butterwegge (Armutsforscher)

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Anlass zur Unruhe

Erstellt von DL-Redaktion am 7. September 2019

AfD gewinnt, LINKE verliert deutlich

Quelle     :          AKL   

Von Claus Ludwig

Dass die AfD in keinem Bundesland zur stärksten Partei geworden ist, ist kein Grund zur Entwarnung. Die Landtagswahlen vom 1. September markieren eine Stabilisierung der offen rechtsextrem auftretenden AfD auf hohem Niveau und bestätigen deren Ergebnisse der Bundestags- und Europawahlen.

Die gestiegene Wahlbeteiligung basiert teilweise darauf, dass es eine Anti-AfD-Mobilisierung in letzter Minute gab, die überwiegend den jeweiligen Parteien des Ministerpräsidenten – CDU in Sachsen, SPD in Brandenburg – nutzte. Die Parteien der Berliner Koalition sind Wahlverlierer, doch mit dem blauen Auge davongekommen, weil es keine sichtbare Alternative zu ihrer Regierung gab.
Trotz des beschämenden Wahlergebnisses der SPD in Sachsen wird diese dort zum Regieren dringlicher gebraucht als je zuvor. Ihr Absturz beschleunigt nicht das Ende der sogenannten GroKo, sondern stabilisiert diese zunächst.
Aufgrund der gestiegenen Wahlbeteiligung legen AfD, Grüne, FDP in beiden Ländern bei den absoluten Stimmen zu, ebenso die CDU in Sachsen und die SPD in Brandenburg. Die LINKE hingegen wird in beiden Ländern prozentual fast halbiert, verliert in Brandenburg fast 48.000 (CDU: 30.000) und in Sachsen 85.000 (SPD: 38.000) Stimmen.
Die schwelende Krise der Partei, mit Schwächen bei mehreren Landtagswahlen, einem mittelmäßigen Ergebnis bei der Bundestagswahl 2017 und dem schwachen Abschneiden bei der Europawahl hat damit einen akuten Zustand erreicht.

Profillose LINKE verliert

Dafür gibt es nicht nur einen Grund. Der erste und wichtigste Schritt raus aus dem Tief der LINKEN wäre, nicht mehr so viel falsch zu machen, selbst wenn man noch nicht so genau wüsste, was danach käme. Brandenburg ist ein Paradebeispiel für die verheerende Wirkung der Regierungsbeteiligung.
Die Brandenburger LINKE hat dem repressiven Polizeigesetz zugestimmt. Sie hat entgegen dem bundesweiten Programm die Ausdehnung des Braunkohle-Abbaus mitgetragen. Sie hat Kürzungsmaßnahmen im öffentlichen Dienst beschlossen und keinen Ansatz geboten, die Probleme von Provinzflucht, schlechter Versorgung und geringer Mobilität anzugehen. 70% äußerten in einer Umfrage, die LINKE hätte „in der Landesregierung nichts durchgesetzt, was mir besonders aufgefallen wäre“. [1]

Das ist in Sachsen nicht grundlegend anders. Hier erbringt DIE LINKE den Beweis, dass man auch als Oppositionskraft eine staatstragende Haltung an den Tag legen kann.
Während diese Tatsachen für jede*n klar erkennbar sind, gehen Teile der Partei- und Fraktionsführung, vor allem die Vorsitzende Katja Kipping und der Fraktionsvorsitzende Dietmar Bartsch in die Offensive, um die Bereitschaft für das Mitregieren in Ländern und im Bund zu erhöhen. Angesichts des grünen Höhenflugs ist R2G rechnerisch wieder wahrscheinlicher geworden. Doch politisch ändert dies nichts.

Eine Zusammenarbeit mit dieser SPD und diesen Grünen ist nur um den Preis der politischen Selbstaufgabe der LINKEN zu haben. Im Osten hat die Partei ihre Funktion als soziale Protestpartei bereits weitgehend verloren, sie wird als Teil des Establishments gesehen und wird überflüssig, weil die Grünen den Spagat zwischen fortschrittlich klingenden Versprechungen und kapitalistischer Realpolitik eleganter aussehen lassen.
Es mag Zwischenhochs geben wie aktuell in Berlin oder Anfangseuphorie wie in Bremen. Am Ende kommt die Rechnung dafür, von einer grundlegend anderen Politik geredet, aber nicht geliefert zu haben.
Nichtregieren allein ist auch keine Lösung. Die sächsische LINKE gebärdet sich seit Jahren wie eine Regierungspartei im Wartestand. In ihrem Programm zur Landtagswahl spricht sie von einer „Privatisierungsbremse“, aber nicht davon, Privatisierung komplett abzulehnen und die schon privatisierten Betriebe wieder in öffentliches Eigentum zu überführen. Den sozialen Wohnungsbau
wolle man „ankurbeln“, aber die Aussage, dass das Land und die Kommunen die Wohnungen bauen werden, wollte die sächsische LINKE nicht treffen.

Soziale Frage unterbetont?

In der LINKEN wird seit Längerem darüber gestritten, ob man die „soziale Frage“ genug betone. Vor allem die Anhänger*innen von Sarah Wagenknecht behaupten, die LINKE hätte diese vernachlässigt und wäre den Grünen zu ähnlich, als großstädtische Partei, die auf Fragen wie Antirassismus und Umweltschutz setze.
Natürlich sind die bereits erlittenen sozialen Abstiege im Osten, niedrige Löhne, prekäre Jobs und Sorgen bezüglich kommender wirtschaftlicher Verwerfungen oder Altersarmut und auch die realen Erfahrungen mit der LINKEN an der Regierung Teil des Frustrations-Mixes, auf dem die Angst-
Propaganda der Rechtspopulisten basiert.
Allerdings waren soziale Gerechtigkeit und wirtschaftliche Probleme nicht die ausschlaggebenden Faktoren bei dieser Wahl. 58% in Brandenburg und 75% in Sachsen sind mit ihrer wirtschaftlichen Lage nach eigenen Angaben zufrieden. Hingegen fürchten 63% in Sachsen, dass „der Klimawandel unsere Lebensgrundlagen zerstöre“ und 60%, der „Einfluss des Islam“ werde in Deutschland „zu stark“. [2]
Es nutzt nichts, die „soziale Frage“ wie eine Monstranz vor sich her zu tragen. Sie muss konkret beantwortet werden. Dazu gehört, eine klare antirassistische Position zu formulieren. Die LINKE sollte in der Klimafrage in die Lücke stoßen, welche die Grünen lassen: Für eine radikale ökologische Wende eintreten und gleichzeitig dafür kämpfen, dass nicht die Arbeiter*innenklasse dafür bezahlt, sondern die Reichen und die Konzerne.

Klimaschutz und Arbeitsplätze

Die AfD hat flächendeckend unter „Arbeitern“ [3] gut abgeschnitten, zudem war sie im Lausitzer Braunkohlerevier erfolgreich. Mit einer Ausnahme ist sie dort in allen Wahlkreisen stärkste Partei geworden. Das Gegeneinander-Ausspielen von Ökologie und Ökonomie, von Klimaschutz und Arbeitsplätzen hat gegriffen. Wohl aus Sorge um ihre Jobs haben viele Arbeiter*innen die Klimaleugner-Partei gewählt. Hier hilft weder der opportunistische Kurs der Brandenburger LINKEN, die an der Braunkohle festhalten will noch die ignorante Haltung der Grünen, sich um die Jobs nicht zu scheren. Hier müsste eine Linke agieren, die ohne Zögern für den Ausstieg aus dem Klimakiller Braunkohle kämpft und genauso kompromisslos dafür eintritt, dass die Löhne der Braunkohle-Beschäftigen unbefristet weiterbezahlt werden bis eine gleichwertige Anschlussbeschäftigung gesichert ist. Dies wird nicht funktionieren, wenn man sich scheut, die Eigentumsfrage – die notwendige Vergesellschaftung der Energiewirtschaft unter demokratischer Kontrolle – aufzuwerfen.

Hahn Wahlkampfauftakt, August 2009 - by Die Linke Sachsen.jpg

Nachvollziehbar ist auch, dass die Braunkohle-Arbeiter*innen allgemeinen Versprechungen von Ersatzarbeitsplätzen und Strukturprogrammen angesichts Kohls historischer Lüge von den „blühenden Landschaften“ nicht trauen. Die LINKE müsste für ein umfassendes öffentliches Programm zum ökologischen Umbau der Industrie eintreten, dafür aktiv auf die Straße gehen, müsste auch in den Gewerkschaften für diese Position argumentieren und den Beschäftigen eine Perspektive aufzeigen, wie diese selbst aktiv werden können, um ihren Lebensstandard zu verteidigen.

System change

Die „soziale Frage“ lediglich defensiv aufzugreifen, im Sinne eines zweiten Aufgusses der Sozialdemokratie, wird nicht funktionieren. Es gibt keinen Platz für eine „Kümmererpartei“, welche sich anbietet, den ausgefransten Sozialstaat zu flicken. Die Klassenfrage ist untrennbar mit den großen Zukunftsfragen Migration und Klima verbunden, mit der Frage, wie wir leben wollen und wer darüber entscheidet. Die Partei sollte die „soziale Frage“ nach vorne gerichtet aufgreifen. Dazu müsste sie offensiv antikapitalistisch agieren.
Das System befindet sich, ungeachtet des noch im Bewusstsein wirkenden relativen Aufschwungs in Deutschland, in einer strukturellen ökonomischen, ökologischen, sozialen und politischen Krise. Die LINKE wird nur aus ihrer strategischen Klemme herauskommen, wenn sie Antworten auf diese Krise bietet und in den konkreten Auseinandersetzungen zeigt, dass sie sie einen Gebrauchswert hat, weil sie dies Auseinandersetzungen inhaltlich und praktisch befördern kann.
Solange der LINKEN der Mut zur grundlegenden Infragestellung des Kapitalismus fehlt, solange sie Fragen wie Klimaschutz, Wohnungsnot, Rassismus und Armut durch die Augen einer Werbeagentur sieht und sich fragt, welches Thema man wann auf die Plakate schreiben soll, gar einige einen Widerspruch darin sehen anstatt verschiedene Aspekte einer Krise des Systems, wird die Partei den Entwicklungen hinterherlaufen. Die Partei muss die Vision einer grundlegenden anderen Gesellschaft vermitteln, sie braucht eine sozialistische Perspektive, die mit konkreten
Vorschlägen untermauert werden muss.
Weder die weitere Anpassung an SPD und Grüne noch gegenseitige Schuldzuweisungen und neue Personaldebatten helfen der Partei jetzt weiter. Die LINKE muss umschwenken von einer parlamentarisch fixierten, auf die Establishment-Parteien starrenden Politik, hin zu Kampagnen, rein in die sozialen Auseinandersetzungen, muss sich als aktive Kraft beweisen, die einen Gebrauchswert für die Menschen vor Ort hat. [4]

AfD zeckt sich fest

Die Krise des Systems, das Auseinanderdriften der EU und gewachsene Widersprüche zwischen den Regionen der Welt führen zu einer Polarisierung – nach links und nach rechts. Nur findet die Polarisierung nach links, die sich aktuell in großen antirassistischen Protesten sowie der Bewegung Fridays for Future ausdrückt, keine Entsprechung auf Wahlebene. Der AfD ist es gelungen, die rechte Polarisierung bei Wahlen nahezu zu monopolisieren.

Die AfD verfügt über Eigenschaften einer „Protestpartei“. So sagen 87% der AfD-Wähler*innen in Brandenburg und 83% in Sachsen, das wäre die einzige Partei, mit der man einen Protest gegen die Etablierten ausdrücken könne.
Doch es handelt sich dabei nicht um einen fehlgeleiteten Sozialprotest, der sich leicht nach links umlenken lassen würde. Nur 14% der AfD-Wähler*innen in Brandenburg gaben an, Löhne und Renten wären ausschlaggebend für ihre Wahlentscheidung gewesen, 11% in Sachsen sagten dies über die soziale Sicherheit. 97% in Brandenburg und 99% in Sachsen gaben an, dass sie die AfD gut fänden, weil diese „den Zuzug von Ausländern und Flüchtlingen begrenzen“ will, 30% bzw. 34% sagten, Forderungen in diese Richtung wären ausschlaggebend für ihre Wahlentscheidung gewesen. [5]

Erfolg für den „Flügel“

Horst Kahrs von der Rosa-Luxemburg-Stiftung schreibt in seiner Wahlanalyse: „Wer AfD wählt, will eine andere Gesellschaft.“ Das ist vereinfacht, aber nicht falsch. Der Protestcharakter der AfD
basiert auf tiefsitzenden völkischen und rassistischen Einstellungen, sie schwimmt mit auf der weltweiten Welle reaktionärer Antworten auf die Krise des Kapitalismus. Nur 24% der AfD-Anhänger*innen sind der Meinung, die Lebensumstände hätten sich massiv verschlechtert. Aber
92% sorgen sich vor dem Einfluss des Islam und 80%, dass sich „unser Leben“ zu stark verändere.
Das erklärt auch, warum die klare Rechtsentwicklung der Partei kaum deren Beliebtheit einschränkt. Die Landesverbände in Sachsen und Brandenburg sind zur aktivistischen, militanten Rechten hin offen, der Brandenburger Spitzenkandidat Kalbitz selbst hat Kontakte zu bekennenden Nazis. Im gesamten Osten ist der völkische, aggressiv rassistische „Flügel“ um Bernd Höcke dominant.
So schnell werden wir die AfD nicht los. In einer Phase, in der soziale Kämpfe nicht offen ausgetragen werden und die Klassenfrage in den Hintergrund tritt vor scheinbaren „Wertefragen“ kann die AfD die Widersprüche zwischen ihre prokapitalistischen Wirtschafts- und Sozialpolitik und der Demagogie, sich als Vertreterin der „kleinen Leute“ zu gebärden, relativ einfach verschleiern.
Ihr Aufstieg ist kein Grund zur Panik, aber sollte Anlass zur Unruhe sein. Die AfD in der Opposition verschiebt den politischen Diskurs nach rechts und treibt vor allem die CDU vor sich her.
Durch die Wahlerfolge im Stammland von Höckes „Flügel“ wird der völkische, offen rechtsextreme Teil der Partei gestärkt. Höcke hat bereits angekündigt, sich auf die im Herbst anstehenden Wahlen für den Parteivorstand vorzubereiten. Gleichzeitig wird die AfD einem stärkeren
Anpassungsdruck ausgesetzt sein. Bald werden die Stimmen in der sächsischen oder brandenburgischen CDU lauter werden, die AfD „einzubinden“, sie zu „entzaubern“.
Eine Regierungsbeteiligung der AfD würde dem Protest- und Anti-Establishment-Gehabe der Partei einigen Schwung nehmen. Die österreichische Erfahrung zeigt allerdings, dass die Rechtspopulisten nicht durch diese derartige „Entlarvung“ strukturell geschwächt werden. Dort konnten sie sich festigen und treiben die gesamte etablierte Politik weiter nach rechts.

Zum Autor

Claus Ludwig lebt in Köln und ist Mitglied im Landessprecher*innen-Rat der Antikapitalistischen Linken NRW und im Bundesvorstand der Sozialistischen Alternative.

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[1] Zitiert nach: Kahrs, Horst: Die Wahl zum 7. Landtag Brandenburg und zum 7. Sächsischen Landtag am 1. September 2019, Wahlnachbericht, erste Kommentare und Daten, Rosa-Luxemburg-Stiftung.

[2] Ebd.

[3] In der Wahlanalyse sind damit Arbeiter*innen im klassischen Sinn, Handarbeiter*innen in der Industrie und im Handwerk, gemeint.

[4] Zitiert nach: Kahrs, Horst: Die Wahl zum 7. Landtag Brandenburg und zum 7. Sächsischen Landtag am 1. September 2019, Wahlnachbericht, erste Kommentare und Daten, Rosa-Luxemburg-Stiftung.

[5] Ebd.

akl - Antikapitalistische Linke

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Grafikquellen      :

Oben       —        von Foto René Lindenau auf scharf – links

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Unten       —          Dr. André Hahn bei Wahlkampfauftakt der sächsischen LINKEN

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Besetztes Haus in Köln

Erstellt von DL-Redaktion am 1. August 2019

DB schmeißt obdachlose Frauen raus

Alte Wagenfabrik Scheele, Vogelsanger Straße 321, Köln-9639.jpg

Aus Köln Anett Selle

Kölner*innen hatten für obdachlose Frauen ein leerstehendes Haus der Deutschen Bahn besetzt – und sie wollten es kaufen. Nun wurde es geräumt.

 „Meine Söhne wissen noch nicht, dass ich Hausbesetzerin geworden bin“, sagt die 79-jährige Erika Henning. Sie sitzt auf einer Kunstledercouch und räufelt ihren Rocksaum von den Knien auf die Oberschenkel. Draußen sind 35 Grad und durch die offenen Fenster kommt keine Brise. Vor der Couch steht ein Holztisch mit Kerzenständer, daneben eine alte Schirmlampe. Das Bett ist eine Matratze in der Ecke.

Sie schaut sich im Zimmer um und lächelt mit Zahnlücken. „Es ist ein so schönes Haus. Hohe Decken. Laminat – das ist vom Saubermachen her leicht. Fließendes Wasser. Toilettenspülung. Ich kann eine Tür zumachen und meinen Körper ausruhen. Alles ist so schön.“ Das war vor einer Woche.

Henning gehörte zu einer Gruppe obdachloser Frauen – die meisten über 70 –, die in Köln anderthalb Wochen lang in einem vormals leerstehenden Haus lebten. An diesem Mittwoch hat die Polizei das Haus geräumt, auf Drängen des Eigentümers, der Deutschen Bahn.

Das Haus steht in Köln-Ehrenfeld, Vogelsanger Straße 230. Die „Elster“, wie die Frauen es nannten, hat zwei Obergeschosse und einen Keller, Strom und Heizung, Gas und fließendes Wasser. Seit Jahren steht es leer. Bis am 19. Juli eine Gruppe von Kölner*innen das Haus besetzte.

Nicht an die Besetzer*innen verkaufen

Die Besetzer*innen sind lose organisiert, einige gehören zum Autonomen Zentrum Köln oder zur sozialistischen Selbsthilfe Mülheim, andere zu einer Gruppe, die sich Frauen der 1006 nennt. Es sind obdachlose Frauen, die in der Vergangenheit – angefangen bei der Bergisch-Gladbacher Straße 1006 – selbst Häuser besetzten. Auch das Haus in der Vogelsanger Straße soll anderen obdachlosen Frauen zur Verfügung stehen. Der Plan ist, das Haus von der Bahn zu kaufen.

Doch die Bahn, genauer ihre Tochter DB Immobilien, will das Haus zwar verkaufen, aber nicht an die Besetzer*innen und ihre Unterstützer*innen.

Aus aktuellen Statistiken der Landesregierung geht hervor, dass die Obdachlosigkeit in Nordrhein-Westfalen binnen eines Jahres um fast 40 Prozent gestiegen ist. „Wohnungslosigkeit ist nach Hunger das schlimmste Zeichen von Armut“, sagte Sozialminister Karl-Josef Laumann (CDU). In Köln bauen Bürger*innen für obdachlose Mitmenschen inzwischen Wohnkästen aus Spanplatten. Die Stadt Köln hat rund 6.000 Menschen als wohnungslos erfasst. Die tatsächliche Zahl dürfte höher liegen. Nach Angaben der Stadt ist vor allem die Zahl der wohnungslosen Frauen gestiegen.

42 Jahre lang hat Erika Henning gearbeitet und alleinerziehend drei Söhne großgezogen. Ihr ältester Enkel ist 27 Jahre alt und studiert in Weimar. Zweimal hat sie Krebs überlebt. Dann keine Wohnung gefunden, trotz Rente. Mit 77 wurde sie obdachlos. In den zwei Jahren ihrer Obdachlosigkeit hat Erika Henning in Bahnhöfen geschlafen. Mehrfach sei sie bestohlen und geschlagen worden, auch in Notunterkünften. „Ich bin 1940 geboren: Ich musste mich immer durchbeißen“, meint sie nur.

„Wir helfen uns gegenseitig, das war die Idee“, sagt eine 22-jährige Kölnerin, die die obdachlosen Frauen schon länger unterstützt. Sie nennt sich Sascha Fink und war eine von vielen Unterstützer*innen, die Betten und Matratzen organisierten, Lebensmittel heranschafften und sich um Verhandlungen mit der Deutschen Bahn bemühten.

Oben Wohnen, unten Beratung

„Frauen, die obdachlos waren oder sind, sprechen andere Frauen an und helfen“, erläutert Fink die Idee für die neue Nutzung der Vogelsanger 230. „Wenn du eine wohnungslose Frau bist, konntest du einziehen.“ Ziel war es, in der „Elster“ ein feministisches soziales Zentrum zu schaffen. Oben Wohnen, unten Platz für Frauenberatungsstellen. Zwei Kölner Initiativen, denen gerade die Räume gekündigt wurden, sollten mit einziehen.

Quelle      :      TAZ        >>>>>        weiterlesen

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Grafikquelle        :      File:Alte Wagenfabrik Scheele, Vogelsanger Straße 321, Köln-9639.jpg

Alte Wagenfabrik Scheele

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Polizeigewalt-Ende Geländer

Erstellt von DL-Redaktion am 11. Juli 2019

„Natürlich kommt es zu Fehlern“

Ende Gelände crossing wall infront of motorway 06.jpg

Bekommen die Schlägertruppen des Staates ihren Strom Frei Haus ?

Von Anett Sell, Köln

Felix K. sagt, ein Polizist habe ihm bei den Protesten von Ende Gelände den Schädel gebrochen. Die Aachener Polizei erklärt, jede Anzeige werde geprüft.

 „Letzte Woche war ich dreimal im Krankenhaus. Erst haben sie gesagt, der Bruch müsse operiert werden: Augenlid aufschneiden und den Bruch schienen. Jetzt meinten sie, die OP sei zu gefährlich und der Bruch heile vielleicht von selbst. Wegen des Auges soll ich in drei Wochen noch mal kommen. Der Zahnarzt meinte, es könnte sein, dass meine oberen Schneidezähne absterben. Die reagieren zurzeit verzögert auf Kälte – aber das könne auch an der Schwellung liegen.“

Felix K. ist 35 Jahre alt und hat einen Schädelbasisbruch. Die Verletzung habe ihm ein Polizist zugefügt, als er am 22. Juni an einer Aktion von Ende Gelände im Rheinischen Braunkohlere­vier teilnahm, sagt K. Rund 6.000 Kli­ma­aktivist*innen hatten damals nach Angaben von Ende Gelände den Tagebau Garzweiler und die Bahnschienen zu zwei Braunkohlekraftwerken besetzt. Die Polizei Aachen erklärt, sie habe Tausende Beamt*innen im Einsatz gehabt. Einer von ihnen, sagt K., habe ihm den Schädel gebrochen.

„Ich hatte den Zeitpunkt verpasst, um in den Tagebau zu kommen, und war auf dem Rückweg. Zu den Polizisten hab ich gesagt, ‚Ich geh jetzt, ich geh jetzt‘“, berichtet K. der taz. „Die waren aber nicht offen für Kommunikation.“ Einer habe ihn in Disteln geschubst und, als er einen Weg heraus gesucht habe, „den gepanzerten Polizeihandschuh in die Schläfe gedroschen“.

Laut Ende Gelände hat die Polizei fünf Menschen so verletzt, dass sie ins Krankenhaus kamen. K. war einer davon. Die Polizei gibt insgesamt 16 Poli­zis­t*innen an, die verletzt wurden oder sich selbst verletzten – etwa durch Umknicken oder Stürze. Die Beeinträchtigungen seien überwiegend so leicht gewesen, dass die Betroffenen ihre Arbeit fortsetzen konnten. In vier Fällen sei vermerkt worden, dass die Verletzung im Zusammenhang mit einer Widerstandshandlung aufgetreten sei.

Ende Gelände wirft der Polizei vor, „Menschen grundlos verprügelt“ zu haben. Eine Sprecherin der Polizei Aachen sagt der taz: „Die Polizei hat in unserem Rechtsstaat die gesetzliche Legitimation zur Ausübung von Zwang und damit auch Gewalt, um polizeiliche Maßnahmen durchzusetzen.“ Die rechtlichen Voraussetzungen müssten natürlich vorliegen. „Die Polizei ist gesetzlich dazu verpflichtet, falls ein Fehlverhalten von Beamtinnen oder Beamten festzustellen ist, die entsprechenden Konsequenzen folgen zu lassen.“

„Das generelle Gewaltverbot gilt auch für die Polizei“

Police in front of a motorway junction at Ende Gelände 28-10-2018 01.jpg

Als ich noch an der Hand meines Vaters ging stellte er mir den Ordnungshüter in unserer Straße vor. Da sprach die Gesellschaft noch von Polizisten und Wachmänner als Respektspersonen. Heute werden sie abfällig Bullen genannt. Ob dieses wohl einzig ihrer Hörigkeit gegenüber korrupten PolitikerInnen geschuldet ist?

Welche Konsequenzen das in der Regel sind, damit beschäftigt sich Tobias Singelnstein. Der Professor für Kriminologie an der Ruhr-Universität Bochum sowie Strafrechtler führt aktuell eine der größten Studien zu Körperverletzung im Amt, sogenannter Polizeigewalt, durch, die es in Deutschland bislang gegeben hat. Sein Team sei in kontinuierlichem Austausch mit allen Ebenen der Polizei, mit führenden Beamten wie mit Polizist*innen in Einsatzhundertschaften: „Beamte kommen auf uns zu und berichten ihre Erfahrungen, auch Beamte, die selber zu Tätern geworden sind.“

Aus den Statistiken der Staatsanwaltschaften geht hervor, dass jährlich 2.100 bis 2.500 Verfahren gegen Polizist*innen angestrengt werden, denen rechtswidrige Gewaltanwendung vorgeworfen wird. 2017 – das sind die aktuellsten Zahlen – lag die Anklagequote unter zwei Prozent. Der Anteil an Verfahren, die eingestellt würden, sei „praktisch nirgendwo so hoch wie in diesem Bereich“, sagt Singelnstein.

Quelle        :        TAZ       >>>>>        weiterlesen

Ministerin über Ende Gelände

Populismus statt Politik

Sie hat die Haare schön und trat schon mit 15 Jahren in die CDU ein, da sie die „Birne“ verehrte

Ein Kommentar von Malte4 Kreutzfeldt

Bei Protesten gegen Braunkohle-Abbau sind Klimaschützer über zwei Felder gelaufen. Julia Klöck­ner hat sich nun empört darüber geäußert.

Hurra! Endlich nimmt CDU-Landwirtschaftsministerin Julia Klöck­ner die Sorgen der Bauern im Rheinland ernst und spricht sich mit klaren Worten gegen die landwirtschaftlichen Schäden durch Klimawandel und Tagebaue aus …

Ach nein, sorry: gegen die landwirtschaftlichen Schäden durch Gegner von Klimawandel und Tagebauen. Denn die haben etwas Skandalöses getan: Bei ihren Protesten gegen die Klima- und Landschaftszerstörung, die mit dem Abbau der Braunkohle einhergeht, sind sie doch tatsächlich über ein Petersilien- und ein Karottenfeld gelaufen. Landwirtschaftliche Ressourcen zu zerstören sei ein „elitäres, ignorantes Verhalten“, zürnte Klöckner in einer Pressemitteilung und bescheinigte den Klimaaktivisten ein „Glaubwürdigkeitsproblem“.

Quelle     :         TAZ        >>>>>        weiterlesen

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Grafikquelle        :

Oben     —        Ende Gelände Aktivisten überqueren einen Wall vor einer Autobahn um auf die dahinterliegende Hambachbahn zu kommen. Die Polizei hält einen Teil auf.

2.) von Oben    —     Die Polizei vor einer Auffahrt auf eine Autobahn bei einer Ende Gelände Demonstration.

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Unten        —       Julia KlöcknerBundestagsbüro Julia Klöckner

Picture of Julia Klöckner, Member of the German Bundestag (CDU/CSU parlamentary group)

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Einfach Rassismus in Köln

Erstellt von DL-Redaktion am 6. Juni 2019

Polizei fixiert Unschuldige in Köln
Rennende Muslime? Gefährlich!

Hbf Köln Eingangsbereich.jpg

Von Sibel Schick

In Köln wurden zehn Muslime in der Wahrnehmung von Fahrgästen am Bahnhof zur Terrorgefahr. Dabei wollten sie nur ihren Zug erreichen.

Wer kennt das nicht: Es ist Weihnachten, Familienbesuche. Eigentlich hat man keine Lust, aber was muss, das muss. Fertiggemacht, losgefahren, die Zeit aber doch unterschätzt und am Hauptbahnhof muss man rennen, um schnell noch den Zug zu bekommen.

Ja, alle kennen das. Aber nicht alle machen dieselbe Erfahrung, wenn sie es eilig haben. Zumindest nicht in Deutschland. So sperrte am Dienstag die Polizei beide Ausgänge des Kölner Hauptbahnhofs und fixierte zehn „verdächtigte“ Männer auf dem Boden, nur um herauszufinden, dass es keine Terroristen sondern ganz normale Typen waren. In einem Tweet erwähnt die Polizei Köln, dass die Männer „im Laufschritt“ unterwegs waren. Warum soll das Rennen an einem Bahnhof verdächtig sein? Weil es Muslime sind, die rennen und dabei noch weiße Gewänder tragen. Mehr trägt die Polizei zur Begründung nicht vor. Ganz so als wäre es selbsterklärend, worin das „Missverständnis“ liegen könnte.

An jenem Tag handelte es sich um den ersten Tag des Ramadan-Festes am Ende der Fastenzeit in einem der drei Heiligen Monate des Islams. Es ist Tradition, sich an Festtagen schick anzuziehen und Verwandte zu besuchen. In meiner Kindheit war es üblich, dass Kinder „Bayramlık“ geschenkt bekamen – schicke Kleidung extra für die Festtage. Ein Blick auf die betroffenen Männer reicht aus zu verstehen, dass es genau darum ging. Auf dem Foto, das die Bild in ihrer Meldung einbettete, sieht man einen jungen Mann von hinten, der mühsam frisiert, und sauber und frisch angezogen ist. Er trägt eine traditionelle Weste, die man von Festtagen und Hochzeiten kennt.

Estación central de Colonia.JPG

Stellen Sie sich vor: Sie machen sich schick für einen festlichen Besuch und werden gerade deshalb mit Gewalt auf den Boden geschmissen. Es sollen andere Bahnfahrer*innen gewesen sein, die die Polizei alarmierten. Sie sahen also festlich gekleidete Männer und dachten gleich an Terroristen. Wir wissen nicht, wer diese Männer sind. Es ist gut möglich, dass es Deutsche sind. Deutsche, die in Deutschland geboren und aufgewachsen sind, arbeiten gehen, Steuern zahlen.

Rassistische Karikatur

Laut einer Rechnung des Bamf aus 2015 lebten dato circa 4,7 Millionen Muslim*innen in Deutschland, darunter auch Deutsche. Auch wenn das Grundgesetz das Deutschsein mit der Staatsangehörigkeit begründet, herrscht in der Mehrheitsgesellschaft ein anderes Bild: Deutsche sind jene mit blonden Haaren, blauen Augen, heller Haut und angeblich keiner Zuwanderungsgeschichte. Wer außerhalb dieser Beschreibung bleibt, ist entweder minderwertig oder gefährlich. Rassismus wie aus dem Schulbuch.

Quelle        TAZ           >>>>>           weiterlesen

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Grafikquellen         :

Oben        —          Eingangsbereich des Kölner Hauptbahnhofs

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Ein Verlag im letzten Akt

Erstellt von DL-Redaktion am 3. März 2019

Der Aufstieg und Fall von DuMont

Alfred Neven DuMont - Empfang im Rathaus.JPG

Von Steffen Grimberg

DuMont ist an der digitalen Zeitungswende gescheitert. Das traditionsreiche Verlagshaus hat in den vergangenen Jahren nicht alles falsch gemacht.

Wenn es um Alfred Neven DuMont ging, wurde die Wortwahl gern ein wenig üppiger – etwa als DuMont-Aufsichtsrat Hans-Werner Kilz den 2015 verstorbenen Verleger würdigte. Von der „monumentalen Lebensleistung“ eines Sprosses, der aus den „glanzvollen Verhältnissen einer alten Kölner Patrizierfamlie“ stammt, war die Rede. In der Domstadt herrschte stets ein gesundes Selbstbewusstsein.

Entsprechend groß ist nun die Aufregung, dass das Medienhaus, das seinen Namen trägt, Abschied nehmen will von dem, was es einst groß machte, als es noch stolz „M. DuMont Schauberg – Expedition der Kölnischen Zeitung“ hieß. Thomas Manns Buddenbrooks kommen einem in den Sinn, wobei es hier nicht nur „Verfall einer Familie“, sondern „Verfall eines Verlags“ heißen müsste.

Was ist passiert? Eigentlich nichts Ungewöhnliches, mitten in der digitalen Zeitenwende: Ein altehrwürdiger Verlag hat es versucht. Hat sich nach allen Regeln der Kunst, mit viel Trial und noch mehr Error mit der digitalen Welt zu arrangieren bemüht, neue Geschäftsfelder erspäht, konsolidiert und sich zum Medienhaus umgebaut – auf dem Papier zumindest.

Und ist dabei von ebendiesem Papier und der gedruckten re­gionalen Zeitung doch weiter so abhängig geblieben, dass man nun den Schlussstrich zieht. Einen Schluss, den andere schon hinter sich haben: Springer ist längst aus diesem Markt ausgestiegen und hält auch nur noch aus übergeordneten Gründen an Bild und Welt fest.

Doch als sich nach einigem Hin und Her Isabella Neven DuMont und Christian DuMont Schütte Mitte dieser Woche „in eigener Sache“ in ihren Blättern zu Wort melden, bekommen sie natürlich gleich wieder ihr Fett weg: Viel zu unkonkret und hinhaltend, gar konfus sei das alles im Namen der dem Aufsichtsrat vorsitzenden Familienstämme formuliert. Schließlich fänden sich ganze Passagen des dürren Briefleins, das komischerweise das Wort „Verkauf“ der Zeitungen gar nicht erst enthalte, schon in den Ansagen an die eigenen MitarbeiterInnen und in Pressestatements wieder.

Von der Wirklichkeit überrollt

Auf den zweiten Blick offenbart der Text aber die tiefe Ehrlichkeit eines Hauses ohne Verleger: „DuMont ist ein über Jahrhunderte hinweg erfolgreiches Unternehmen, weil es sich zu jeder Zeit der Wirklichkeit der Märkte gestellt hat. Die jeweiligen Bedingungen zu identifizieren und auf dieser Grundlage nachhaltige Geschäftsmodelle zu realisieren, ist die Verantwortung eines jeden Unternehmers“, heißt es da. Und nun sind die Wirklichkeiten der Märkte über das seit elf Generationen familiengeführte Haus hinweggerollt.

Der letzte Verleger, Alfred Neven DuMont selbst, hat das alles schon geahnt. Und durch seine Entscheidungen bzw. Nichtentscheidungen in der letzten Dekade seines Lebens befördert. Dieser bürgerliche Fürst, dem alle zu Füßen lagen, hatte viel zu lange keine natürlichen Feinde mehr. Im Verlag versuchte seine Entourage die möglichen Gedankengänge des Alten zu erahnen, wenn der mal wieder auf seiner mallorquinischen Finca statt am Rhein weilte.

Alfred Neven DuMont - Empfang im Rathaus-0473.jpg

Widerspruch hat DuMont zwar geduldet, aber nur in Maßen, und seine „despotischen Züge“ haben es sogar in Kilz’ Trauerrede geschafft: Sie würden ihm „nicht zu Unrecht nachgesagt, beschreiben aber nur die eine Seite seines Wesens“. Die andere, das war vor allem der „echte“ Verleger, über den sich die Berliner Zeitung so freute, als er sie 2009 im dritten Anlauf übernahm. „Alfred Neven DuMont hatte immer höhere Ziele als nur Rendite. […] Das Herzblut seiner Zeitungen war für ihn das geschriebene Wort. Das hat ihn zuletzt auch verleitet, notleidende Blätter zu kaufen, um sie zu erhalten“, fasste Kilz dieses Verlegercredo damals zusammen.

Ein Wunsch nagte an ihm

Quelle         :       TAZ          >>>>>          weiterlesen

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Grafikquellen     :

Oben     —         Der Kölner Oberbürgermeister Jürgen Roters empfängt den Verleger Alfred Neven DuMont im Hansasaal des Kölner Rathauses zu Ehren seines 85. Geburtstages. Dankesrede von Alfred Neven DuMont

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Urheberrechtsreform-Piraten

Erstellt von DL-Redaktion am 24. Februar 2019

Demo gegen Artikel 13 ein voller Erfolg

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Der grimmige Linke Steckerzieher von der Saar ?

Quelle     :          Scharf  –  Links

Von Piratenpartei

In Köln gingen am Samstag erneut tausende Menschen auf die Straße, um gegen Artikel 13 in der geplanten Urheberrechtsreform zu protestieren [1]. Nach Meinung der Piratenpartei führt dieser zwingend zur Einsetzung sogenannter Uploadfilter, welche die freie Meinungsäußerung im Internet massiv einschränken würden.

Sebastian Alscher, Vorsitzender der Piratenpartei kommentiert:

„Die Urheberrechtsreform soll nach Jahren an die Anforderungen der Gegenwart angepasst werden. Es kann nicht sein, dass nach Jahren des Verhandelns auf Druck von Lobbyisten nun auf der Zielgeraden eine Änderung eingearbeitet wird, die bestehende Geschäftsmodelle schützt und an anderer Stelle eine Zensurinfrastruktur aufbaut, die die Kreativen einschränkt und neue Geschäftsmodelle schwächt. Nachdem sie jahrelang übergangen wurden, bringen tausende Kreative und Fans ihren Protest aus dem Netz auf die Straße. Sie fühlen sich von denjenigen hintergangen, die sich irrtümlich als ihre Vertreter ausgaben, und die die Lobbyisten pflegen – diejenigen Verleger, die diesen Politikern zu medialer Aufmerksamkeit und Öffentlichkeit verhelfen.“

Dennis Deutschkämer, stellvertretender Bundesvorsitzender und einer der Redner in

Köln ergänzt: „Artikel 13 zeigt, dass nicht nur das Internet nicht verstanden wurde, sondern eine ganze Kultur und Generation.Innerhalb kürzester Zeit konnten tausende Menschen auf die Straße geholt werden, das zeigt, in der Bewegung steckt sehr viel Energie.“

Datei:Spielbudenplatz Hamburg St. Pauli.jpg
Die Piratenpartei ruft gemeinsam mit den Partnern der #Saveyourinternet Kampagne am 23. März zu europaweiten Demonstrationen auf [2], bevor voraussichtlich Ende März final über die Urheberrechtsgesetzgebung im Europaparlament abgestimmt werden soll.

Quellen: [1] Eindrücke Demo 23.02 Köln [2] Europaweiter Demotag: www.piratenpartei.de/2019/02/14/23-maerz-demo-gegen-uploadfilter/

Urheberrecht
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Grafikquellen      :

Oben    —      Seen on the „Freedom not Fear“ protest rally against global internet surveillance at 7.9.2013 in Berlin,Germany: „Grumpy cat has to build a new (GNU) Internet because the NSA killed (bugged) the current one.“ The picture is a remix for the pirate party of germany of the original painting of Inti Orozco, see: https://plus.google.com/101156459815428661581/posts/BwLcunSAxsR

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Unten    —         Spielbudenplatz Hamburg St. Pauli

Quelle http://fotos.nocke.de/Piratenpartei/esso-hochhaeuser/
Urheber Frank Nocke
w:de:Creative Commons
Namensnennung
Diese Datei ist unter der Creative-Commons-Lizenz „Namensnennung 3.0 nicht portiert“ lizenziert.

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Krass und verdienstvoll:

Erstellt von DL-Redaktion am 1. Februar 2019

TV-Ikone Hella von Sinnen wird 60

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von Jan Feddersen

Als sie zum Fernsehen kam, war sie kulturell längst in einem schönen, aufregenden, interessanten Prozess der Selbstfindung ganz und gar bei sich: Hella von Sinnen war, als RTL sie mit Hugo Egon Balder 1988 für die Show „Alles nichts oder?!“ auf die Bühne des Aufzeichnungsstudios stellte, keine Newcomerin, in Köln vor allem keine Unbekannte: Sie lebte längst im lesbisch-schwulen Establishment von Köln, war mit Dirk Bach busenbefreundet, lernte bei der Theater- und Camp-Legende Walter Bockmayer das boulevardeske Theaterspielen, kannte Göttin & die Welt im LGBTI*-Kulturen gegenüber nicht gerade verschlossenen Rheinland, ortsüblich mit allen per Du.

Die Hella, das war ein Geschöpf ohne viel Kunstgetue, aber mächtig künstlerischem Vermögen. Sie gilt als schräg, schrill, laut, ja, vorlaut, als ungehörig, undamenhaft. Alles an ihr und durch sie lärmt, auch die Klamotten, deren Auswahl offenbar unter der Überschrift ausgesucht wurden: beige, in der lichtschluckend fahlen Variante? Ohne mich und niemals.

Dirk bach hella von sinnen 20061130.jpg

Sie konnte Slapstick. Sie hatte nichts dagegen, in, für die feinsinnigen Gemüter, trashigsten Shows sich mit Torten bewerfen zu lassen. Sie konnte sich entblößen, weil sie sich nicht zu blamieren wusste. Und Hella Kemper, gebürtige Gummersbacherin, ist politisch seit eh und je. Sie drehte diesen genialen TV-Sport zu Aids: Sie, Hella von Sinnen, sitzt im Supermarkt an der Kasse und will einem jungen Mann die Präservative abkassieren. Er hofft auf Diskretion. Aber Hella, die Frau mit dem guten Herz, grölt mit tragender Stimme, die es selbst gegen im Sturm wogende Kornfelder aufnehmen könnte, durch den Laden: „Tiiina, wat kosten die Kondome?“ Lernziel: Über das Sexuelle nicht schweigen, Aids verdient Aufklärung, nicht Angstmache.

Quelle     :        TAZ             >>>>>              weiterlesen

Da es so schön war :

Hier der Werbespot auf YouTube

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Grafikquellen      :

Oben     —           Hella von Sinnen bei der Deutschlandpremiere von „Mara und der Feuerbringer“, am 29. März 2015, im Cinedom Köln

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Ein Desaster für die AfD!

Erstellt von DL-Redaktion am 23. Dezember 2018

KÖLNER KLIMA FÜR ALLE RECHTEN NICHT GUT!

Quelle     :    Scharf – Links

Von Horst Hilse

Das musste auch vorgestern, am Do.20.12. die Rechtspartei der Armleuchter f. DE erfahren, die erstmals kackenfrech städtische Räume für ihre Hetzveranstaltung in Anspruch nahm. In einen“Bürgerdialog“ wollten die 4 Kölner Abgeordneten der Partei eintreten und beanspruchten die Räume der zentral gelegenen Volkshochschule am Neumarkt.

Die Raumvergabe geschah erst auf juristischen Druck hin, nachdem der Stadtrat von Köln sich gegen die Vergabe gewehrt hatte. Für die Veranstaltung mussten sie ihre Minitrupps aus dem Niederrhein und dem Kölner Umland zusammenkarren. Der angebliche „Bürgerdialog“ sollte dann allerdings durch Einlasskontrollen stark eingeschränkt werden, was auf polizeiliche Anweisung misslang. NOCH entscheiden nicht die Hetzer, wer zu den „Bürgern“ einer Stadt gehört.

Gegenprotest

Vor dem VHS Forum organisierte das Bündnis „Köln stellt sich quer“ eine schöne Protestkundgebung, (DANKE!) für ca. 700 Menschen, während dann drinnen die Hetzveranstaltung vom team braun/blau ausfallen musste. Genauer- sie konnte erst mit zweistündiger Verspätung nach Auszug der „Bürger“ mit übriggebliebenen Zipfelmützen beginnen. Bei 300 Plätzen ein wirkliches Armutszeugnis, woran nach rechter Heul – Propaganda nun natürlich wieder „Linke“ schuld sind.

Etwa 40 Personen, die die Bühne gestürmt hatten, wurden erkennungsdienstlich behandelt und erhielten Platzverweise. Eine Person, die sich in einem Redebeitrag gegen den Vorwurf verwahrt hatte, dass die Demonstranten „wie 33“ agierten und auf die Denunziationsseiten der Partei für Schüler verwies, erhielt eine Anzeige wegen Zeigens des „Stinkefingers.

Die „rote SA“

Die Propagandaabteilung der Arml. f. DE verkünden über Twitter,die Gegendemonstranten hätten einen Polizisten schwer verletzt. Dazu erklärte die Kölner Polizei, der Beamte sei bei dem Versuch, einen Demonstranten von der Bühne zu zerren, umgeknickt und auf das Knie gefallen. Es hätte keine Angriffe auf Polizeibeamte gegeben.

Urheberrecht
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Grafikquelle     :      Scharf – Links    –  Heftiger Protest im Veranstaltungsraum: Foto: Horst Hilse

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Klimaschutz + Klassenkampf

Erstellt von DL-Redaktion am 13. November 2018

Linke und der Hambacher Forst

Der «Rote Finger» der Ende Gelände Aktion am 27.

Quelle     :    untergrund-blättle

von Leo Lüdemann / lcm

Anfang November blockierten an die 6500 Aktivist*innen der Kampagne »Ende Gelände« aus verschiedensten Teilen Deutschlands und Europas Teile der Kohleinfrastruktur im Tagebau Hambach – der grössten CO2 Quelle Europas.

Sie besetzten in einer Aktion zivilen Ungehorsams für 24 Stunden die Gleise der Hambach-Bahn, welche die drei umliegenden Kohlekraftwerke mit Kohle aus den Minen versorgt. Eine Gruppe blockierte für mehrere Stunden einen Kohlebagger. Das Ziel der vielfältig aufgestellten Aktivist*innen, vielen von ihnen aus Zusammenhängen der radikalen Linken, war es, weiteren Druck auf RWE auszuüben. Der Konzern befindet sich nach dem umstrittenen Versuch der Räumung der widerständigen Strukturen im Hambacher Forst in einer angreifbaren Position und hat im Zuge der Proteste gegen die Räumung auch wirtschaftlichen Schaden erlitten. Nach der Räumung wurden Warnungen an Aktionär*innen ausgegeben und Dividenden konnten nicht ausgezahlt werden.

Die Besetzung im Hambacher Forst hat als Ziel die letzten Reste des auf 220 Hektar dezimierten, letzten Primärwaldes Europas zu schützen. Sie wird durch ein breites Netzwerk an Unterstützer*innen und Aktivist*innen ermöglicht und erfährt durchaus Unterstützung der lokalen Bevölkerung in den Gemeinden, die zukünftig abgerissen und in den Tagebau eingegliedert werden sollen. »Ende Gelände« handelt in Solidarität mit den Aktivist*innen im Hambacher Forst und ist die grösste bekannte Aktion zivilen Ungehorsams gegen Kohleabbau in Deutschland.

Die Grösse der Kampagne und die Bereitschaft sich durch Aktionen zivilen Ungehorsams für den notwendigen Kohleausstieg einzusetzen ist wichtig, vor allem weil dadurch Menschen, die bisher wenig Erfahrung mit widerständigen Aktionen gemacht haben, zu politisieren und eine radikale Perspektive zu eröffnen. Die Teilnehmer*innen haben verstanden, dass ein Kohleausstieg ohne politischen Druck nicht passieren wird. Sie erleben durch die Aktion die Gewalt des deutschen Staates, der am Sonntag mit einem Zug von RWE gewaltsam die Blockade auflöste. Dies bietet Anschlusspunkte für Menschen die zuvor womöglich ausschliesslich an den Einfluss von liberalen NGOs geglaubt haben und sich nicht in linkspolitischen Kontexten bewegten. Allerdings bleibt unklar, worin die längerfristige Strategie der Bewegung besteht.

Arbeiter*innen in der Hand von RWE

Die Aktivist*innen und die Beschäftigten bei RWE sind gespalten und es gibt wenige Versuche diese Spaltung zu durchbrechen und eine gemeinsame Politik mit den Arbeiter*innen in der Kohleindustrie zu suchen. Dies liegt einerseits an den Arbeiter*innen selbst, die sich von RWE dazu verleiten lassen akut die Interessen des Konzerns zu vertreten und nicht erkennen, dass eine langfristige Lösung ihrer Probleme erfordert, selbst wieder mehr Einfluss auf die Gewerkschaft zu nehmen und ihre Interessen gegen den Konzern zu verteidigen.

Ende Gelände November 2017 - Activists in the pit 4.jpg

Zum Anderen zeigt sich fehlende Klassenanalysen der Umweltaktivist*innen welche nicht genug Anstrengungen zeigen gemeinsam mit den Beschäftigten des Unternehmens zu kämpfen und die Zentralität von Arbeiter*innen in politischen Kämpfen nicht in den Fokus ihrer Strategien setzen. Von vielen wird nicht erkannt wie schwierig es als Lohnabhängige ist einen Kohleausstieg zu befürworten, wenn dies laut Erzählungen der Kapitalisten zwangsläufig bedeutet, dass sie am Ende leer ausgehen und ihren Arbeitsplatz verlieren. Sie werden von machen als Feinde wahrgenommen, da sie ja einfach aufhören könnten für einen kapitalistischen Konzern zu arbeiten.

Eine Klassenanalyse erfordert zu erkennen, dass sich Lohnabhängige in systemischen Zwängen bewegen und sich nicht ohne eine Perspektive der finanziellen Absicherung gegen RWE stellen werden. Um als Bewegung stärker zu werden, muss eine klare Strategie erarbeitet werden, die über eine jährliche Aktion mit medialem Output hinausgeht, ansonsten werden wir als Klimaaktivist*innen nicht ernst genommen werden. Nachhaltiger Wandel ohne radikales Klassenbewusstsein ist nicht möglich.

RWE und die Gewerkschaft Bergbau, Chemie und Energie (IG BCE) mobilisierten am 25.10. ca. 30.000 Beschäftigte der Kohleindustrie auf die Strassen. RWE stellte hierfür Busse bereit und hat es geschafft sich selbst als Unterstützer und die Klimaaktivist*innen als Feinde der Arbeiter*innen darzustellen. Die IG BCE vertritt die Interessen von RWE und nicht die der Arbeiter*innen und fährt eine wettbewerbsorientierte Politik, welche den grundsätzlichen Forderungen der in ihr organisierten Beschäftigten widerspricht.

Standortargumente und Konkurrenzkampf werden benutzt um den Arbeiter*innen weiss zu machen, dass ihre Arbeitsplätze verloren gehen, wenn sie sich nicht bedingungslos für die Interessen der Kapitalisten einsetzen. Dies kann nur durch Basisorganisierung und Solidarisierung mit Beschäftigten in anderen Betrieben durchbrochen werden; dafür zu kämpfen wäre die eigentliche Aufgabe der Gewerkschaft. RWE hat als grösster Deutscher Energiekonzern im Jahr 2017 2,7 Milliarden Euro Profit verzeichnet und bezeichnet sich selbst als „ein wichtiger Brückenbauer und das Rückgrat der sich wandelnden Energiemärkte in Europa“.

Der Kohleausstieg wird kommen, die Frage ist wie

Der Kohleausstieg ist in Deutschland zwar noch nicht offiziell beschlossen, allerdings hat Deutschland die Forderungen der Klimakonferenz unterzeichnet und mit der Kohlekommission eine Instanz ins Leben gerufen, welche zur Aufgabe hat die verschiedenen Ausstiegsszenarien zu beleuchten und Vorschläge für den daraus folgenden Strukturwandel zu geben.

Der Kohleausstieg und die folgliche Umstellung der Energieproduktion sind zur Einhaltung von 2°C als Obergrenze der noch kontrollierbaren Erderwärmung unausweichlich. Dieser müsste zur Einhaltung des vom Deutschen Staat unterzeichneten Ziels bis 2030 erfolgen. RWE ist in vollem Bewusstsein dieser Lage und hätte schon seit Jahren an einer Umstrukturierung des Konzerns arbeiten können. Um trotz Kohleausstieg weiter Profite zu generieren wird der Konzern eine solche Umstrukturierung durchführen müssen und sich zwangsläufig hin zu anderen Formen der Energiegewinnung bewegen um Profite für seine Aktionär*innen garantieren zu können. Bis jetzt verlässt RWE sich auf den Rückhalt der Arbeiter*innenschaft um das Geschäftsmodell nicht verändern zu müssen und fährt damit die für den Konzern profitabelste Strategie.

Die Interessen werden durch die Kapitalistennähe der IG BCE und der nordrhein-westfälischen SPD geschützt. Es wird kein ökonomischer Druck aufgebaut, sodass der Konzern weiterhin Profite macht (1,1 Milliarden im ersten Halbjahr von 2018). Die Beschäftigten werden durch Standortargumente, Erzählungen vom internationalen Wettbewerb und Mythen der Alternativlosigkeit dazu bewegt sich für die Interessen des Konzerns einzusetzen.

Die Beschäftigten, entgegen dieser Argumente, für eine revolutionäre Perspektive zu gewinnen ist und bleibt eine schwierige Aufgabe, da dies in ihrer Wahrnehmung zwangsläufig den Verlust des Arbeitsplatzes und damit ihrer Grundsicherung bedeutet. Die Initiative »Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter für Klimaschutz«, deren Mitglieder aus Ver.di, IG Metall und der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) kommen, versucht hier durch gezielte Forderungen von verminderter Arbeitszeit, Umschulungen und einem demokratisch geplanten Strukturwandel zu intervenieren und die Perspektiven von Klimaschützer*innen und Beschäftigten zu verbinden.

Eine Forderung nach verminderter Arbeitszeit bei gleichem Lohn ist hier ein wichtiger Anfang. RWE wird in den nächsten Jahren seine Kohleproduktion verringern müssen und zumindest die Rodung des Hambacher Forsts ist vorerst gestoppt. Die benötigte Arbeitskraft wird sich verringern. Hier ist eine Forderung nach weniger Arbeit bei gleichbleibendem Lohn vorerst eine Perspektive die Arbeitsplatzerhalt mit einem Angriff auf die Profite des Konzerns verbindet.

Eine nachhaltige Perspektive für eine nachhaltige Bewegung

Die Kohleabbaugebiete sind sozialstrukturell schwache Regionen, die in Zeiten von Hyperkonkurrenz im Neoliberalismus ohne Selbstorganisierung verloren sind, da staatliche Unterstützung immer weiter abgebaut wird. In der Lausitz, nahe Berlin zum Beispiel, machen Bergbau und Energieversorgung ca. 50% des verarbeitenden Gewerbes aus. In der Region um den Hambacher Forst ist die Situation ähnlich.

File:Red lines hambi puppet.jpg

Ein von der Regierung umgesetzter Kohleausstieg wird zwar versuchen einen Strukturwandel in den Regionen zu unterstützen und alternative Arbeitsplätze zu schaffen. Allerdings sind die Arbeiter*innen zurecht skeptisch gegenüber einer Energiewende von oben und sehen ihre eigenen Interessen bedroht. Zudem ist es notwendig der nationalistischen Politik der IG BCE eine internationalistische Perspektive entgegenzusetzen. RWE hat mit 0,5% der globalen Treibhausgasemmisisonen einen erheblichen Anteil am antropogenen Treibhauseffekt – die vom Menschen durch Ausstoss von klimaaktiven Gasen verursachte Erderwärmung.

Die Effekte der Erwärmung werden in den ausgebeuteten Gebieten des Globalen Südens aufgrund klimatischer Bedingungen sehr viel mehr Schaden anrichten als in den kapitalistischen Zentren. Ein Kleinbauer aus Peru klagte beispielsweise 2016 gegen RWE und versuchte den Konzern für Teile eines präventiven Staudamms zahlen zu lassen, da sein Dorf durch das Abschmelzen von Gletschern von Überschwemmungen bedroht ist.

Wenn der Kohleausstieg der Parlamentarischen Demokratie und ihrer Kohlekommission überlassen wird, dann wird das Resultat weder den Forderungen der Kohlegegner*innen, noch den wirtschaftlichen Interessen der RWE Arbeiter*innen entsprechen. Der Fokus muss auf einer selbstbestimmten Politik liegen, durch die die Arbeiter*innen ihre eigenen Interessen kämpferisch vertreten und ihre eigene Macht als Produzierende wahrnehmen können. So lange keine solche Perspektive geboten wird werden sie weiterhin an der Seite von RWE stehen, da dies zumindest kurzfristig eine Sicherung ihrer Lebensgrundlage bedeutet.

Langfristig ist diese Kapitalnahe Position allerdings auch für sie nicht nachhaltig, da ein Kohleausstieg auf ihrem Rücken erfolgen wird. Gleichzeitig müssen die Aktionen von »Ende Gelände« in Zusammenarbeit mit den Kämpfen der Beschäftigen erfolgen, und sich somit neu aufstellen. Dabei sollte sich zum Ziel gesetzt werden, grösseren ökonomischen Schaden für den Konzern anzurichten um realen Druck von unten aufzubauen. Solang die Arbeiter*innen ihre Macht entgegen den Interessen von RWE nicht wahrnehmen und die Klimaaktivist*innen deren notwendige Rolle in einem revolutionären Kampf für den Kohleausstieg nicht erkennen, haben beide Seiten keine wirklich nachhaltige Perspektive und werden sich nicht gegen die Interessen der Profiteur*innen und des deutschen Staates wehren können.

Die Beschäftigten müssen erkennen, dass ihre Forderung nach Arbeitsplatzerhalt und Grundsicherung längerfristig nur umsetzbar sind, wenn auch sie die Profite des Konzerns angreifen und eine grössere Umverteilung von oben nach unten erkämpfen. Dies wird nicht geschehen solang nicht versucht wird die ideologische Hegemonie von RWE in der Arbeiter*innenschaft durch Interventionen und klassenbewusste Politik zu durchbrechen. Dann können wir uns alle gemeinsam gegen die Profite des Konzerns stellen und eine progressive Energiewende ermöglichen.

Soweit nicht anders angegeben und keine Quellenangabe (Name einer Organisation oder Internet-Adresse) vorhanden ist, gilt für die Texte auf dieser Webseite eine Creative Commons Lizenz (CC)

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Grafikquellen       :

Oben      —       Der «Rote Finger» der Ende Gelände Aktion am 27. Oktober. / Leonhard Lenz (PD)

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2.) von Oben       —       Ende Gelände 2017: Aktivistinnen und Aktivisten im Tagebau Hambach.

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Die Uroma der Demokratie

Erstellt von DL-Redaktion am 12. November 2018

Frauenwahlrecht in Deutschland

Von Johanna Roth

Sie war geschieden, alleinerziehend, Sozialdemokratin. Ach ja: Und Marie Juchacz hielt als erste Abgeordnete eine Rede im Parlament.

Frau und Abgeordnete, diese beiden Begriffe beschreiben Marie Juchacz, geborene Gohlke, schon sehr gut; viel besser als „Dame“, eine solch gehobene Bezeichnung würde sie für sich selbst nie wählen. Sie ist aber nicht irgendeine Frau und nicht irgendeine Abgeordnete. Sie schreibt gerade Geschichte: Zum ersten Mal hält mit Marie Juchacz an diesem Tag eine Frau eine Rede vor dem deutschen Parlament.

Marie Juchacz spricht in der frisch konstituierten Nationalversammlung der noch jungen Weimarer Republik, als Abgeordnete der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands – und sie spricht als eine von vielen, denen dieser Moment alles bedeutet. Diese Nationalversammlung ist die erste, in der Frauen überhaupt vertreten sind. Und es ist die erste, bei deren Wahl Frauen wahlberechtigt waren. Daran ist Marie Juchacz nicht ganz unschuldig.

Ich möchte hier feststellen und glaube, damit im Einverständnis vieler zu sprechen, dass wir deutschen Frauen dieser Regierung nicht etwa in dem althergebrachten Sinne Dank schuldig sind. Was diese Regierung getan hat, das war eine Selbstverständlichkeit: Sie hat den Frauen gegeben, was ihnen bis dahin zu Unrecht vorenthalten worden ist.

Zeitungen statt Puppen

Maries Leben beginnt in Landsberg an der Warthe, einem hübschen Städtchen in der Provinz Posen, das heute Gorzów Wielkopolski heißt und zu Polen gehört. Hier wird sie am 15. März 1879 als Marie Luise Gohlke in eine liebevolle Familie geboren. Ihre Mutter lässt sie draußen herumtoben, ihr Vater, ein Zimmermann, und ihr älterer Bruder Otto geben Marie und ihrer jüngeren Schwester Elisabeth Zeitungen zu lesen, anstatt sie nur mit Puppen spielen zu lassen, wie es für Mädchen üblich ist. Marie weiß so schon früh Bescheid über die unruhige Entwicklung ihrer Zeit.

Da hatte die SPD noch Mitglieder.

Nach acht Jahren Volksschule – eine höhere Schule können die Eltern sich nicht leisten – arbeitet die 14-Jährige als Dienstmädchen, kurz in einer Fabrik und dann zwei harte Jahre lang in der örtlichen Nervenheilanstalt als Krankenwärterin, bis sie sich ihre Ausbildung leisten kann. Als Näherin finanziert sie in der folgenden Zeit nicht nur sich selbst, sondern auch den Unterhalt der Familie. „Still, klug, fleißig und strebsam“, so lernt sie der Schneider Bernhard Juchacz kennen, den sie eher aus Pragmatismus heiratet, als sie schon mit der gemeinsamen Tochter schwanger ist. Sie gebärt zwei Kinder, erst Lotte und dann Paul, die sie selbst ihr „großes Glück“ in der nicht glücklichen Ehe nennt.

Durch die politische Gleichstellung ist nun meinem Geschlecht die Möglichkeit gegeben zur vollen Entfaltung seiner Kräfte. Mit Recht wird man erst jetzt von einem neuen Deutschland sprechen können und von der Souveränität des ganzen Volkes.

Marie Juchacz arbeitet weiterhin als Näherin und interessiert sich, auch durch Anregung ihres Bruders, für die SPD. Trifft sie sich mit Bekannten, wird über Politik diskutiert, und wenn sie liest, dann Politisches. Aber bislang darf sie nicht mal wählen. Dabei tobt jetzt, im Jahr 1906, in Deutschland ein heftiger Streit ums Wahlrecht. Um Frauen geht es dabei allerdings überhaupt nicht, sondern um die Aufteilung der Wahlkreise und die Wahlberechtigung für Niedrigverdiener – männliche, wohlgemerkt. Währenddessen führt Finnland als erstes europäisches Land das Frauenwahlrecht ein.

Aber auch Marie Juchacz hat eine Wahl getroffen: Sie zieht nach Berlin, gemeinsam mit den Kindern und ihrer Schwester. Und ohne ihren Mann. Bernhard hat sie geschlagen, nachdem sie ihn wegen Löchern in der Haushaltskasse zur Rede stellte, das ist das eine. Zum anderen weiß sie, dass sie im kleinen Landsberg keine politische Heimat finden wird. Also wagt sie das Unmögliche: 1906 geht sie als alleinerziehende Mutter, mitten in politisch und wirtschaftlich unsicheren Zeiten, in die ihr völlig unbekannte Riesenstadt Berlin, deren Einwohnerzahl gerade die Zweimillionenmarke geknackt hat. Von ihrem Mann behält sie nur den Nachnamen. Dass das schwer werden wird, weiß sie. „Es war unser Ziel, wirtschaftlich Fuß zu fassen, und ich machte mir keinerlei Illusionen“, erzählt Marie später ihrem Neffen und Biografen Fritzmichael Roehl.

In Berlin, das schon damals für Freiheit und Weltgeist steht, will Marie sich politisch engagieren, endlich an großen Versammlungen teilnehmen. Aber zunächst hat sie dafür keine Zeit, denn sie muss ihre Kinder ernähren. Paul und Lotte sind erst ein und drei Jahre alt. Über ihren Bruder findet sie Arbeit als Näherin, wenn sie arbeiten muss, passt die Schwägerin auf die Kinder auf, auch die mitgereiste Schwester Elisabeth hilft. Wenn Marie wieder Zeit hat, wird getauscht. Die Work-Life-Balance funktioniert ganz gut in dieser Wohngemeinschaft, und so gehen Marie und Elisabeth abends manchmal zu einem „Frauen-Leseabend“, als welche sich politische Versammlungen von und für Frauen zu diesem Zeitpunkt noch tarnen müssen. Das große Thema dieser abendlichen Treffen: das Frauenwahlrecht.

Die gesamte Sozialpolitik überhaupt, einschließlich des Mutterschutzes, der Säuglings- und Kinderfürsorge, wird im weitesten Sinne Spezialgebiet der Frauen sein müssen. Die Wohnungsfrage, die Volksgesundheit, die Jugendpflege, die Arbeitslosenfürsorge sind Gebiete, an denen das weibliche Geschlecht besonders interessiert ist und für welche das weibliche Geschlecht ganz besonders geeignet ist.

„Zwei Frauen, die reden konnten“

Oder kurz: „Familie und das ganze Gedöns“. Dass ein SPD-Kanzler 90 Jahre später diese Themen mal so abwatschen wird, würde Marie Juchacz sicher empören, aber das ist in ihrer Gegenwart ebenso wenig vorstellbar wie ein sozialdemokratischer Kanzler selbst. Bevor Frauen politische Fachgebiete bearbeiten können, müssen sie erst mal mitmischen dürfen in der Politik. Daran arbeiten die Schwestern jetzt immer energischer. Elisabeth heiratet 1907 und zieht nach Schöneberg um, Marie und die Kinder ziehen mit. Clara Zetkin veröffentlicht ihre Broschüre „Das Frauenstimmrecht“, Marie und Elisabeth treten 1908 in die SPD ein und machen sich dort bald durch ihr Charisma und ihre klugen Reden einen Namen. Und zwar nicht nur – nach einem erneuten Umzug – im Ortsverein Rixdorf, heute Neukölln. Sie werden von der Partei für Versammlungen auch bis ins Berliner Umland angefordert.

Quelle         :     TAZ           >>>>>         weiterlesen

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Grafikquellen    :

Oben     —      Marie Juchacz um 1919

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2.) von Oben       —           Die weiblichen Abgeordneten der MSPD in der Weimarer Nationalversammlung am 1. Juni 1919. Marie Juchacz sitzt in der vorderen Reihe, 3. von rechts.

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Revolution: Frontstadt Köln?

Erstellt von DL-Redaktion am 8. November 2018

Konrad Adenauer und der Kölner Arbeiter- und Soldatenrat
November 1918: Revolution in der Frontstadt Köln?

File:Bundesarchiv Bild 183-R27436, Köln, Rückkkehr deutscher Truppen.jpg

Quelle     :        untergrund-blättle

Von Werner Rügemer  arbeitsunrecht.de

Durch Streiks und Proteste gegen die Kriegsführung des Deutschen Kaiserreiches und durch die politische Radikalisierung in der Arbeiterschaft waren ab 1917 die Monarchie und der Kapitalismus in Deutschland gefährdet.

In Köln wandte der christlich firmierende Oberbürgermeister Konrad Adenauer die „Gefahr des Bolschewismus“ ab. Er hatte im Krieg enge Beziehungen zu rheinischen Investmentbankern und Unternehmern des Ruhrgebiets und auch zur lokalen SPD-Spitze aufgebaut.

Köln als Frontstadt des Deutschen Kaiserreiches

Nach dem Sieg Preussens über Frankreich und der Gründung des deutschen Kaiserreiches 1870/71 wurde Köln an der Rheingrenze zur hochgerüsteten Frontstadt gegen den Erzfeind Frankreich ausgebaut. Die Stadt wurde zur deutschen „Wacht am Rhein“.[1] Köln wurde Festungsstadt mit Forts, Schützengräben, militärischen Gleisanlagen. Der preussische Militärgouverneur befahl über das Militärgefängnis und die Garnison mit ständig 8.000 Soldaten. Der Neumarkt war ihr Exerzierplatz. Im benachbarten Porz-Wahn wurde der schon länger bestehende Truppenübungsplatz weiter ausgebaut.

Köln war nach Berlin, Hamburg und München die viertgrösste Stadt des Deutschen Kaiserreiches. Gleichzeitig unterstand Köln noch dem preussischen Königreich. Der deutsche Kaiser war doppelte Autorität, denn er war zugleich preussischer König. Der „Eiserne Kanzler“ des Reiches, Fürst Otto von Bismarck, war ebenso Kölner Ehrenbürger wie Generalfeldmarschall Helmuth Graf von Moltke. Die Plätze der Innenstadt waren übersät mit Reiterstandbildern des Königs und preussischer Generäle.

Bürgertum verfällt dem Bismarck-Kult

1903 hatte die Kölner High Society mit der inoffiziellen preussischen Nationalhymne „Die Wacht am Rhein“ im Villenviertel Köln-Marienburg begeistert den mächtigen Bismarck-Turm eingeweiht: „Sie sollen ihn nicht haben, den freien deutschen Rhein, ob sie wie gier‘ge Raben sich heiser danach schrei’n“. In einer Ölwanne auf der Spitze des Turms wurden an Bismarcks Geburtstag hunderte Liter Öl entzündet, und die Kölnische Zeitung schwadronierte dann, dass „die Flammen der vaterländischen Begeisterung weithin leuchten.“[2]

Kölner Dom: Glocke aus französischen Geschützen

Köln war das Zentrum des rheinischen Katholizismus. Das preussische Königshaus war – noch vor der einheimischen Investmentbank Sal. Oppenheim – der Hauptfinanzier für die Vollendung des katholischen Kölner Doms: Das Erzbistum war 600 Jahre lang nicht in der Lage gewesen, die geplanten beiden Domtürme selbst zu finanzieren. So versöhnte und militarisierte Preussen das katholische Rheinland.

In einem der Domtürme hing eine der grössten Kirchenglocken der Christenheit: 1874 war die „Kaiserglocke“ aus dem Metall von 22 Geschützen gegossen worden, die das preussische Militär im Krieg gegen Frankreich erbeutet hatte. (Der „dicke Pitter“ heute ist nur deshalb nicht die direkte Nachfolgeglocke, weil Kirche und Kaiser im 1. Weltkrieg die Kaiserglocke 1918 nun für den deutschen Kriegsbedarf eingeschmolzen haben und nach dem Krieg das Ding mit neuem Material in alter Grösse neu gegossen werden musste.)

Wichtige Kölner Unternehmen wie Stollwerck (mit Werken in den USA), Felten & Guilleaume (Weltmarktführer bei Kabelherstellung), Colonia Versicherungen, das Warenhaus Tietz und die Investmentbanken Sal. Oppenheim, Levy, J.H. Stein und Schaafhausen gehörten zu den „Gründungsgewinnlern“ des Reiches, über Oppenheim lief ein Teil der Reparationszahlungen Frankreichs.

Medienmetropole: Meist gelesene Zeitung des Reiches

Die Kölnische Zeitung aus dem Verlag DuMont, Vorläufer des Kölner Stadt-Anzeigers, war damals die meistgelesene Tageszeitung im Kaiserreich. Die Zeitung wurde von Bismarck aus dem geheimen Welfenfonds mitfinanziert. Damit gab der Verlag auch eine deutschsprachige Zeitung für das im Krieg gegen Frankreich eroberte Elsass heraus. Die Berliner Redaktion hatte ein inniges Verhältnis zu Bismarck, wurde von ihm bei Bedarf mit Regierungsinterna versorgt und machte Regierungspropaganda.[3]

Die Kölnische Volkszeitung war kleiner, war ebenfalls kaisertreu und die führende Tageszeitung des katholischen deutschen Milieus und mit der katholischen Zentrumspartei verbunden. Köln war auch ein Zentrum der christlichen Arbeiterbewegung. Dazu gehörten die katholischen Kolping-Gesellenvereine und die christlichen Gewerkschaften. Die erst 1892 gegründete Rheinische Zeitung der SPD spielte dann erst gegen Ende des 1. Weltkriegs eine lokale Rolle.

Im Königreich Preussen galt bis Ende des 1. Weltkriegs das Drei-Klassen-Wahlrecht. Von den 640.000 Einwohnern Kölns waren bei den letzten Kommunalwahlen 1915 nur 40.000 erwachsene Männer über 24 Jahre wahlberechtigt. Sie wurden nach der Höhe ihrer Steuern eingestuft – je höher die Steuerklasse, desto mehr zählten die Stimmen. Im Stadtrat waren nur zwei Parteien vertreten: Die Liberalen, die Partei der Banker und Industriellen, und das katholische Zentrum mit Anwälten, leitenden Beamten, Kleinunternehmern und Handwerkern. Die SPD war ausgeschlossen.

Köln im Ersten Weltkrieg: Rüstungs- und Logistikzentrale

Mit Beginn des Ersten Weltkriegs bekam die Frontstadt für die kriegswirtschaftliche Steuerung eine herausragende Bedeutung. Es galt das Kriegsrecht, die Befehlsgewalt über die Stadt hatten der Militärgouverneur – ab 1917 Generalleutnant Kurt Kruge – und der preussische Regierungspräsident.

Köln war ein wichtiger Standort der in Westeuropa entstehenden Flugindustrie. Mit ihr wurde ein neues Element der Kriegsführung des modernen Kapitalismus entwickelt: Terror gegen die Zivilbevölkerung grosser Städte durch Bombardierung aus der Luft.

Zeppeline gegen Lüttich: Erster Bombenangriff auf eine städtische Zivilbevölkerung in Europa

Die ersten Bomben wurden von Luftschiffen, gebaut von der Kölner Rüstungsfirma Clouth, über die belgische Stadt Lüttich (Liège) in der Nacht auf den 6. August 1914 abgeworfen, also am ersten Tag des Krieges. Weitere Ziele waren dann etwa Antwerpen und London. Erst drei Jahre später liess auch Grossbritanniens Kriegsminister Winston Churchill Bomben aus der Luft auf Köln abwerfen.[4]

Die Stadt wurde während des Krieges zur Rüstungszentrale ausgebaut. Ausrüstung, Munition und Geschütze mussten möglichst schnell an die Front geschafft werden. 1917 beherbergte die Stadt schliesslich 700 Rüstungsbetriebe; die grössten waren Felten & Guilleaume (Kabel), BAMAG, Schütte, Clouth (Luftschiffe, Marineausrüstung) und die Gasmotorenfabrik Deutz (Infanteriefahrzeuge). Die grossen deutschen Rüstungs- und Chemiekonzerne wie Bayer, Stinnes und Flick errichteten in Köln Niederlassungen. Diese Industrie hatte schliesslich 100.000 Beschäftigte und stellte die Hälfte der Arbeiter und Arbeiterinnen.

Köln war der westliche Verkehrsknotenpunkt des Reiches für Strassen, Schienen, Luft und den Rhein. Über Kölns Hauptbahnhof, Häfen, Flugplatz und die Innenstadt liefen Transporte für zivile und militärische Güter und für den Frontnachschub. Personal, Rohstoffe und Nahrungsmittel mussten beschafft, bezahlt, kontingentiert und verteilt werden. Hunderttausende Soldaten mussten zur Front und zum Urlaub durchgeschleust und versorgt werden, Verwundete überfüllten die Krankenhäuser. Bis zu 50.000 feindliche Soldaten wurden auf dem Truppenübungsplatz Köln-Wahn gefangen gehalten. Adenauer leitet die kriegswirtschaftliche Steuerung der Frontstadt

Adenauers Partei, das katholische Zentrum, war im Kaiserreich zur Regierungspartei aufgestiegen. 1912/1913 unterstützte das Zentrum die Kriegsvorbereitungen (Heeres- und Flottenvorlage). Auch Adenauer und das Zentrum feierten den von Kaiser Wilhelm II. ausgerufenen „Burgfrieden“: „Ich kenne keine Parteien mehr, sondern nur noch Deutsche.“ Dieser Burgfrieden bestand aus völkischer deutscher Einheit, die dazu noch den überkonfessionellen Segen Gottes bekam: „Noch nie ward Deutschland überwunden, wenn es einige war. Vorwärts mit Gott!“, so hiess es in Kaiser Wilhelms II. „Aufruf an das deutsche Volk“.[5] Der Sekretär der christlichen Gewerkschaften in Köln, Jakob Kaiser, meldete sich sofort als Kriegsfreiwilliger.

Adenauer war seit 1909 als Erster Beigeordneter Chef der Stadtverwaltung. Mit Kriegsbeginn übernahm er die kriegswirtschaftliche Steuerung der Stadt. Dazu stimmte er sich mit dem Militärgouverneur und dem Regierungspräsidenten ab.

Bekannt wurde er als Vorsitzender der Lebensmittelkommission, die sich vor allem um Grundnahrungsmittel wie Kartoffeln und Brot kümmerte. Wichtiger war das Einkaufsamt, das Adenauer leitete und zur zentralen Steuerstelle ausbaute.[6] Er baute die gesamte Stadtverwaltung auf Kriegsbedürfnisse um. Ende 1917 zählte die kriegswirtschaftliche Abteilung 4.500 Beschäftigte.[7] Ab 1916 vollzog die Stadtverwaltung auch das Vaterländische Hilfsdienst-Gesetz: alle nicht zum Militär einberufenen Männer zwischen 17 und 60 Jahren wurden in die Rüstungsindustrie zwangsverpflichtet.

Stabilisierung der Heimatfront: Sorge um die unteren Schichten

Die „städtische Kriegsgesellschaft“ musste auch politisch und sozial zusammengehalten werden. Deshalb sorgte Adenauer wesentlich mehr für die unteren sozialen Schichten als er vorher getan hatte und später tun wird. So unterstützte die Stadt Arbeiterfamilien, die wegen Lohnausfalls des zum Militär eingezogenen Vaters bei ihren Mietern in Rückstand waren. Kriegerwitwen wurden besonders unterstützt. Die Stadtverwaltung musste die bevorzugte Versorgung der Rüstungsarbeiter sicherstellen. Dazu gehörte es unter anderem, dass für die Kinder der immer zahlreicheren Frauen, die hier eingesetzt wurden, zusätzliche Kindergärten einzurichten waren. In den Schulen wurde den Kindern arbeitender Frauen Frühstück ausgegeben.[8]

Zu wohltätigen Arbeiten zog Adenauer neben der Stadtverwaltung Mitglieder der bürgerlichen und unternehmerischen Eliten heran. Dazu gehörten konfessionelle, besonders katholische Frauenvereine. Sie gaben Essen für Hungernde aus und betreuten Kranke. Da engagierten sich die Frauen aus dem Bankhaus J.H.Stein und die Töchter des Grossindustriellen Gustav von Mevissen. Die Männer dieses Milieus engagierten sich durch grosse Spenden, patriotische Aufrufe zu Kupfer-, Messing-, Zinn-, Aluminium- und Geldsammlungen und zu Kriegsanleihen. Dabei arbeitete Adenauer eng etwa mit der Kölnischen Zeitung und der Industrie- und Handelskammer zusammen. Sollmann: „Der Proletarier: Befreiungskampf für seine Klasse!“

Auch die SPD stimmte bekanntlich dem Kriegseintritt zu, nachdem sie die längste Zeit vorher das Gegenteil erklärt hatte. Dabei war „Die Kölner Sozialdemokratie stramm rechts, und früher noch als ihre nationale Parteispitze schwenkte sie auf die Kriegslinie ein.“[9] Hier spielte Wilhelm Sollmann eine führende Rolle. Er war seit 1911 Redakteur des SPD-Organs Rheinische Zeitung. Wegen seiner Kriegsbegeisterung war er im ersten Kriegsjahr auch in den Kölner Parteivorstand aufgestiegen.

Die Kölner SPD-Zeitung stilisierte den Kriegsdienst der Proletarier zur befreienden Vollendung des Klassenkampfes gegen das Kapital. Am 4. August 1914, am selben Tag, an dem Kaiser Wilhelm das deutsche Volk zum Krieg aufrief, hiess es in der Rheinischen Zeitung:

„Der gereifte, hartgearbeitete Proletarier in Uniform! Aus dem Frondienst für das Kapital, aus dem Befreiungskampf für seine Klasse, aus dem schweren Ringen für des Lebens Notdurft wird er zum Schutze für das bedrohte Land gerufen. Er gibt alles hin was er hat: sein Leben, seine Familie, seine Organisation.“[10]

Klassenkampf als freudige Hingabe des eigenen Lebens für Kaiser und Kapital – diese irrsinnige Kapriole muss man sich mal vergegenwärtigen!

Entgegen der vor allem von der Kölnischen Zeitung und der Kölnischen Volkszeitung beschworenen allgemeinen Kriegsbegeisterung war es in Wirklichkeit anders, vor allem in der Arbeiterschaft, zumindest noch einige Wochen vor dem Krieg. Deshalb hatte die Kölner SPD am 28. Juli 1914, also eine Woche vor der Kriegserklärung, noch eine Massendemonstration mit 10.000 Menschen organisiert und eine Protestresolution gegen den Krieg verabschiedet. Auch einen Tag später durfte die Arbeiterjugend noch eine Protestversammlung abhalten. Aber die SPD-Führung mit Sollmann liess in Abstimmung mit der Polizei eine anschliessende Demonstration der Arbeiterjugend auseinandertreiben.[11]

Sollmann: „Wie der Krieg sozialistisch denken lehrt“

Während des Krieges wurde die Lage der Arbeiter und Arbeiterinnen immer wichtiger. Die Arbeitszeiten, nicht nur in der Industrie, sondern in allen Bereichen, auch in der Stadtverwaltung, wurden auf 50 bis 60 Stunden erhöht, um den Ausfall der zum Militärdienst eingezogenen Beschäftigten auszugleichen. In der Metallindustrie mussten 95 Prozent der Beschäftigten Akkord leisten.[12] Viele Löhne wurden während des Krieges gesenkt und verloren ohnehin an Kaufkraft.

Nach drei Jahren Krieg verstärkten sich Kritik und Hass auf die monarchische Ordnung. Zur Domestizierung der Arbeiter und Kritiker hatten die Parteien der Liberalen und des Zentrums, die nur elitäre Honoratioren-Clubs waren, keine Instrumente. Die katholische Arbeiterbewegung, die mit ihrer Leitfigur Jakob Kaiser in Köln besonders stark war, hatte zwar den Krieg begeistert begrüsst, distanzierte sich nun. Deshalb zog Adenauer auf der kommunalen Ebene – im Unterschied zu seiner aussenpolitischen Haltung -, die SPD heran, jedenfalls in kleinen Dosen.

Die Rheinische Zeitung verbreitete ab Mitte 1917 einerseits die Parole „Nieder mit dem Kapitalismus“, nannte aber keinen einzigen Kapitalisten. Zugleich sah die SPD die notwendige militärische, staatliche und kommunale kriegswirtschaftliche Steuerung als Beginn des Sozialismus: „Wie der Krieg sozialistisch denken lehrt“, hiess es zum Beispiel mit dem Verweis auf die Massenspeisungen aus der Kölner Stadtküche: „Jetzt führt die Not der Zeit ganz von selbst zu sozialistischen Massnahmen.“[13]

Ziemlich beste Freunde: Monarchist Adenauer & Kapitalismus-Kritiker Sollmann

So berief Adenauer den ultralinken Kapitalismuskritiker und zugleich kaisertreuen Kriegssozialisten Sollmann 1915 als Mitglied in die städtische Lebensmittel-Kommission, 1917 in die Deputation für die Wohnungsfürsorge. Adenauer, der in den ersten Kriegsjahren ausschliesslich in der kaisertreuen Kölnischen Zeitung zu Wort kam, schwenkte nun schnell zu Sollmanns Zeitung um: „Die Rheinische Zeitung benötigte er dringend, um seine Vorsorgemassnahmen den durch die übrigen Zeitungen nicht erreichbaren Bevölkerungsgruppen mitzuteilen.“[14]

Obwohl die SPD wegen des Drei-Klassen-Wahlrechts in der Stadtverordnetenversammlung nicht vertreten war, liess Adenauer 1916 sechs Sozialdemokraten zumindest in kommunale Ausschüsse einziehen. Als 1916 der bisherige SPD-Abgeordnete im Reichstag starb, verzichteten Zentrum und Liberale für die Nachwahl auf eigene Kandidaten. Man einigte sich, dass der – kaisertreue Kriegsbefürworter der Kölner Sozialdemokraten, Jean Meerfeld, als Kandidat aufgestellt wurde. Bei den Nachwahlen zur Stadtverordnetenversammlung 1917 – nach Adenauers Wahl um Oberbürgermeister – gestanden Zentrum und Liberale der SPD schnell noch drei Sitze von 60 zu, ausserhalb des weiter geltenden Drei-Klassen-Wahlrechts.[15]

Das war aber nicht genug, um der wachsenden Kritik an Krieg und Kriegswirtschaft, an militärischer Schlächterei im Krieg und an Verarmung und Hunger in der Bevölkerung Herr zu werden. In Köln suchten Deserteure Unterschlupf, ihre Zahl wurde auf 16.000 bis 18.000 geschätzt. 1917 gründeten Sollmann-Kritiker in Köln eine Unabhängige Sozialdemokratische Partei, USPD, die den Krieg schnell beenden wollte. Am 22. April 1917 wurde in einer ungewöhnlich gut besuchten Versammlung des Kölner Metallarbeiter-Verbandes „scharf gegen die Macht der Junker und Grossgrundbesitzer polemisiert und grössere Rechte für das arbeitende Volk verlangt.“[16]

Unruhe ab 1917: Streiks der Kölner Strassenbahnschaffnerinnen + Metallarbeiter

Der Protest sollte aber nicht zu radikal werden, so die Führung der Metallgewerkschaft. Ab Juni 1917 streikten in Köln dann zwar nicht die SPD-treuen Gewerkschaften, aber zehntausende Unorganisierte. Es begann bei den Strassenbahnschaffnerinnen und griff nach Vorbildern in Sachsen und Berlin auf Rüstungs- und Metallbetriebe über. Am 6. Juli versammelten sich 12.000 Arbeiter, trotz Warnung der SPD-treuen Gewerkschaften, die dabei sich noch mit den christlichen Gewerkschaften absprachen. Am selben Tag streikten rechtsrheinisch 10.000 Arbeiter. Ihnen mussten sogar Lohnerhöhungen, bezahlte freie Tage und in der Metallindustrie sogar ein Tarifvertrag zusätzlich mit Arbeitszeitverkürzungen zugestanden werden.[17]

Sollmann: „Nieder mit dem Kapitalismus!“ – aber schont Adenauer!

Die Kölner SPD unter der Führung von Wilhelm Sollmann gab sich nun noch radikaler. Er rief er bei der Protestkundgebung gegen Krieg und soziale Verelendung am 8. Juli 1917 in Köln aus:

„Es geht eine starke Bewegung durch das Volk…. Die Regierung ist aber immer wieder zurückgewichen vor drei Götzen des Kapitalismus: vor dem Privateigentum an Produktionsmitteln, vor der sogenannten persönlichen Freiheit und vor dem kapitalistischen Profittrieb. Man verschone uns mit dem Gezeter über die Habsucht der Bauern. Alle Zweige des Kapitalismus beuten uns aus… Nieder mit dem Kapitalismus!“

Das traf auf grosse Zustimmung. Das hätte sich allerdings schnell gegen den heimlichen Verbündeten, Oberbürgermeister Adenauer, richten können. Deshalb fügte Sollmann sofort hinzu:

„Bei solcher Auffassung sind wir vor dem spiessbürgerlichen Fehler bewahrt, einzelne Personen als Sündenböcke zu suchen, Oberbürgermeister zum Beispiel. Das ist eine masslose Überschätzung der Menschenkraft und Amtsgewalt selbst des tüchtigsten Oberbürgermeisters.“[18]

Marxistisch angemasste Ultraradikalität verbunden mit Opportunismus – mit solchen Leuten konnte Adenauer arbeiten.

Adenauers Milieu mochte solche Radikalität trotzdem nicht, sei sie nun echt oder gespielt. Adenauers wichtigster Förderer, der Bankier Louis Hagen, IHK-Präsident, bezeichnete die Streiks der Arbeiter als „bedauerliche Veranstaltung.“ Verhandlungen mit den Arbeitern und der SPD lehnte er ab.[19]

„Heldenmut des für immer geeinten Volkes“

Aber Adenauer empfing eine Delegation der Arbeiter. Sie verlangte mehr Nahrungsmittel, vor allem Gemüse und Kartoffeln. Adenauer sagte zu, dass er sich bemühen wolle und bat um Vorschläge. Er bezog nun auch – gegen IHK und Zentrum – Initiativen und Gruppen ein, die von der Arbeiterbewegung, zum Teil erst im Krieg, geschaffen worden waren: Konsumgenossenschaften, Volksküchen und Vereine zur gegenseitigen Hilfe.[20]

ArminiaVorstand2.jpg

Vorstand der K.St.V. Arminia Bonn im Wintersemester 1896/97, rechts Konrad Adenauer

Das brachte zu diesem Zeitpunkt nicht mehr viel, diente aber der Befriedung. Adenauer machte deutlich, dass „mir die Hände durch Massnahmen der Z.E.G. und der Berliner Kriegswirtschaftsstellen gebunden sind.“[21] Z.E.G. war die zentrale Einkaufsgesellschaft des Deutschen Reiches in Berlin. Sie war mit Kriegsbeginn vom Chef der grössten Reederei HAPAG, Albert Ballin, gegründet worden, zusammen mit den Bankiers Carl Melchior und Max Warburg. Es handelte sich um eine privatwirtschaftliche Institution, eine GmbH, in der die Interessen des kriegführenden Staates, der Obersten Heeresleitung, der Grossindustrie und des Grosshandels eine Einheit bildeten.[22]

Hier versteckte sich Adenauer hinter den zentralen Vorgaben des kriegführenden Staates und des Grosskapitals. Dabei nannte er freilich deren genaue Interessen und Praktiken nicht. Dieses feige Versteckspiel bildet auch einen Kontrast zu der selbstgefälligen Selbststilisierung, mit der er sich bei seiner Amtseinführung präsentiert hatte und die die Legendenbildung bis heute prägt: Adenauer, der mit der Erfindung eines billigen, mit Maismehl angereicherten Brotes den Hunger der Kölner Bevölkerung stillt.[23]

Adenauer war mit den führenden Industriellen und Bankiers auch persönlich befreundet. Wie sie lehnte er 1917 Friedensverhandlungen ab. Er lehnte die Richtung des Zentrums ab, die mit Matthias Erzberger sich für die Beendigung des Krieges und für einen Verständigungsfrieden einsetzte. Adenauer blieb aussenpolitisch auf der Linie der rechten Zentrumsführung, der Obersten Heeresleitung und des Kaisers. Die strauchelnde Monarchie setzte auf Druck der Rüstungsproduzenten wie Krupp (Kanonen), Stinnes (Rüstungsgüter) und Bayer (Sprengstoffe, Gas) eine neue Durchhalte-Regierung ein. Max Wallraf, Vorgänger Adenauers als Oberbürgermeister, wurde Staatsminister in der neuen Durchhalte-Regierung.

1917 wählten Zentrum und Liberale Adenauer zum Oberbürgermeister. Auch die wichtigsten Liberalen wie der Bankier Louis Hagen und der Verleger der Kölnischen Zeitung unterstützten ihn. Am 18. Oktober 1917 legte er zum vierten Mal den Eid auf König Wilhelm ab, er hatte dies schon als Gerichtsreferendar, Beigeordneter und Erster Beigeordneter getan. Adenauer geisselte in seiner Antrittsrede die „feindliche Eroberungsgier“, die „dem Rhein und seiner Metropole“ gelte und lobte völkisch den „Heldenmut des… für immer geeinten Volkes“. Er schloss kaisertreu:

„Wie könnten wir diese für Köln so bedeutungsvolle Stunde würdiger schliessen als mit dem von heisser Dankbarkeit durchglühten Schwur der Treue zu Kaiser und Reich, dem Rufe: Seine Majestät, unser allergnädigster Kaiser und König, er lebe hoch, hoch, hoch!“ [24]

„Sie sind gestorben für Deutschland“

Über die Toten des britischen Bombardements an Pfingsten 1918 erklärte deshalb der zivile Kriegsmanager: „Sie sind gestorben für Deutschland“. Er hoffte auf die neue Offensive im Westen und forderte in der Stadtvertretung die Kölner Bevölkerung auf, „alle Unbilden des Krieges weiterhin mit Ausdauer und Vaterlandsliebe zu ertragen.“[25]

Nicht zufällig war Köln ausgewählt worden, um die 1917 zum Tode verurteilten „Rädelsführer“, die Matrosen Albin Köbis und Max Reichpietsch, hinrichten zu lassen. Sie hatten Verbindung zu den Kriegsgegnern in der USPD im Reichstag aufgenommen. Weitab von den aufrührerischen Regionen Norddeutschlands und Berlins, ohne örtliche Proteste wurden die beiden auf dem Militärgelände in Porz-Wahn bei Köln am 5. September 1917 erschossen.[26]

Der Kaiser und die Oberste Heeresleitung waren mit dem Kölner Oberbürgermeister hochzufrieden. Im März 1917 wurde er als einer der ersten mit dem kurz zuvor gestifteten preussischen „Verdienstkreuz für Kriegshilfe“ ausgezeichnet. Im letzten Kriegsjahr 1918 bekam der Durchhaltepolitiker noch das Eiserne Kreuz am Friedensband 2. Klasse und dann noch den Roten Adler-Orden 4. Klasse.[27]

Der Kaiser berief ihn gegen Kriegsende noch in das Preussische Herrenhaus, die erste, legislative Kammer des Preussischen Landtags. Dort gab es keine gewählten Mitglieder und keine Sozialdemokraten, auch hier galt das preussische Drei-Klassen-Wahlrecht, hier dominierten die ostelbischen Junker.[28]

Nach dem Krieg wird hier im selben Haus Adenauer übrigens bis 1933 die Funktion des Präsidenten des Preussischen Staatsrates ausüben, in der er ein Bollwerk gegen die Demokratisierung der Weimarer Republik sah.

Sollmann: „Der Imperialismus ist geschlagen – vorwärts zum sozialistischen Deutschland“

Die Annäherung zwischen Adenauer und der Sollmann-SPD wurde auch weiter fruchtbar. Adenauer hatte in der kriegswirtschaftlichen Steuerung für den sozialen und nationalistischen Zusammenhalt der Stadtgesellschaft, wie erwähnt, wichtigen Teilen der armen Schichten und Arbeiterfamilien mehr zukommen lassen als zu Friedenszeiten. Sollmann hatte ihm dabei geholfen, mit der Aussicht, selbst aufsteigen zu können.

Es handelte sich dabei nicht um eine grundsätzliche Anerkennung der Bedürfnisse und Forderungen der zudem an Zahl schnell wachsenden Arbeiterklasse, sondern um ein taktisches, kriegsbedingtes Zugeständnis. Deshalb ging Adenauer weiter mit Sollmanns Hilfe am Ende des Krieges sofort und ebenso pragmatisch zum scheinbaren Gegenteil über: Niederhaltung und Bekämpfung der Arbeiter.

Als die Niederlage Deutschlands nicht mehr zu kaschieren war und sich die politische Revolution abzeichnete, rief Sollmann am 23. Oktober 1918 in einer von der SPD einberufenen Volkskundgebung im Gürzenich-Saal zu Waffenstillstand und Frieden auf. Er schwadronierte: „Der deutsche Imperialismus ist geschlagen. .. Unser alter Lehrsatz ‚Der Weltkrieg ist die Weltrevolution‘ ist Wahrheit geworden… Deutschland hat ewigen Bestand… Vorwärts für das sozialistische Deutschland der Zukunft.“[29]

Bei diesem nationalistisch-völkisch untersetzten Ultraradikalismus warnte er zugleich vor einer Hetze gegen den Kaiser und ebenso vor dem „Bolschewismus“.[30] Diesen selben Hauptfeind hatte auch Adenauer.

Der Kölner Arbeiter- und Soldatenrat

Am 4. November war in Kiel der erste Arbeiter- und Soldatenrat gegründet worden. Am 6. November 1918 fuhren 200 revolutionäre Matrosen mit dem Zug in Richtung Köln. Sie wollten ihre inhaftierten Kameraden befreien – das von der Küste weit abgelegene Köln beherbergte das Gefängnis der Marine.

Adenauer verlangte vom Festungskommandeur, er solle die Matrosen nicht nach Köln hereinlassen, sondern „festsetzen“. Doch der Militärchef konnte und wollte der Aufforderung nicht nachkommen: Soldaten und sogar Offiziere wollten nicht oder waren abgehauen. Damit wurde „wahrscheinlich ein Blutbad verhindert“, schreibt Adenauer-Biograf Werner Biermann.“[31]

Die Matrosen gelangten so am 7. November zum Kölner Hauptbahnhof, wurden von einer grossen Menschenmenge begeistert empfangen. Sollmann und die SPD-Führung, die sich mit Adenauer, dem Militärgouverneur und den beiden bürgerlichen Parteien verständigt hatten, waren vor Ort, konnten sich aber kein Gehör verschaffen. Sie beriefen eine Massenversammlung für den nächsten Vormittag auf dem grössten Platz, dem Neumarkt ein und glaubten die Situation damit beruhigt zu haben. Aber die Matrosen befreiten in der Nacht, ohne auf Widerstand zu treffen, ihre gefangenen Kameraden, öffneten aber auch die übrigen Gefängnisse. Die Kölner Garnison, zu der 60.000 Soldaten gehört hatten, befand sich ohnehin in Auflösung und geriet ohne Kampf in die Hand der Aufständischen.

Sollmann wird Vorsitzender des Arbeiter- + Soldatenrats | Adenauer zeigt sich geschmeidig

Am 8. November verkündete Sollmann auf dem Neumarkt die Bildung des Arbeiter- und Soldatenrats. Eine Wahl gab es nicht, Sollmann gab die zwischen SPD und USPD vereinbarte Zusammensetzung bekannt, die akklamiert wurde. Sollmann war Vorsitzender, einige Arbeiter und Soldaten gehörten dazu. Von Sozialismus war keine Rede mehr. Nicht mehr der Kapitalismus sollte abgeschafft werden, sondern das monarchische Militär: „Abschaffung aller Dynastien“, „Einstellung aller militärischen Einberufungen“ und „Abschaffung des militärischen Grusses“ – das waren nun die Parolen.[32]

Adenauer drehte sich wendig um 180 Grad und stellte dem neuen Souverän im Rathaus Räume, Telefone, Schreibkräfte, Schreibmaschinen, Papier und Lebensmittel zur Verfügung. Die unerfahrenen Revolutionäre freuten sich über diese unerwartete freundliche Behandlung. Dabei vergassen sie, die wichtigsten Vertreter der bisherigen Ordnung beziehungsweise Unordnung abzusetzen, nämlich vor allem Adenauer. Adenauer konnte bleiben, übrigens noch 10 Jahre. Der Festungskommandeur trat zurück und bekam von der noch amtierenden Regierung eine lebenslange Pension.

Die ersten revolutionären Anordnungen trugen zwar den Stempel des Arbeiter- und Soldatenrats, aber auch das Wappen des preussischen Königs.[33] Die von den Matrosen besetzte, aber leere Garnison war auch kein Machtinstrument.

Mit deutschen Nationalismus: Gemeinsame Rettung vor dem „Bolschewismus“

So blieb der Monarchist und Kriegstreiber im Amt, obwohl der Kaiser ihn wie alle Militärs und Beamten vor seiner Flucht am 9. November vom Eid entbunden hatte. Adenauer aber fühlte sich an den Eid gebunden und hielt selbstverständlich an seinem Amt als Oberbürgermeisterfest: Nach altem preussischem Recht war er für 12 Jahre gewählt worden. Das galt dann auch in der neuen Demokratie weiter. Und Sollmann sah das genauso.

Adenauer verurteilte scharf die „schändliche, verhängnisvolle Flucht“ des Kaisers. Nun könne „das Land dem Bolschewismus in die Arme treiben.“[34] Deshalb blieb Adenauer, sozusagen an Kaisers Stelle, nach preussischem Recht und königlichem Eid weiter mit hohem Gehalt und hohen Nebeneinkünften im Amt, um den „Bolschewismus“ zu verhindern.

Das konnte Adenauer nun mithilfe des Arbeiter- und Soldatenrats durchziehen. Sollmann gründete zudem im Soldatenrat einen kleinen Aktionsausschuss von 10 Mitgliedern. Das war der Leitungsausschuss, dem allerdings nur Parteifunktionäre angehörten: 5 von der SPD, 5 von der USPD. Die USPD in Köln hatte nur 300 Mitglieder, Sollmann umwarb sie und sie freute sich, mitmachen zu dürfen. Arbeiter und Soldaten gehörten nicht zum Leitungsausschuss.[35]

Sollmann setzte wie Adenauer auf deutschen Nationalismus sowie auf „Recht und Ordnung“. Sollmann betonte die gemeinsam mit Adenauer praktizierte Haltung: „Unsere erste Sorge galt, wie es echten Deutschen auch in einer grossen Revolution geziemt, der Wiederherstellung und Aufrechterhaltung der Ordnung.“[36]

Geschickter Schachzug: Wohlfahrtsausschaus als Alternative zum A+S-Rat

Vor allem gründete Adenauer gleichzeitig den „Wohlfahrtsausschuss“. Ein solcher wurde auch in anderen Städten gegründet. Der Begriff erinnerte an die Französische Revolution. Adenauer berief Vertreter der Gewerkschaften, dann auch des Zentrums und der Liberalen genauso als Mitglieder wie auch Unternehmer und seinen Bankiersfreund und IHK-Präsidenten Hagen – und auch den Vorsitzenden des Arbeiter- und Soldatenrats, Sollmann. Der war für diese Doppelrolle eine Idealbesetzung. Selbstverständlich liess sich Adenauer selbst zum Vorsitzenden des Wohlfahrtsausschusses akklamieren.

Der Arbeiter- und Soldatenrat durfte Beauftragte in alle städtischen Gremien entsenden – hatte, verlangte und bekam aber keine Macht. Generalfeldmarschall Paul von Hindenburg und General Wilhelm Groener, die beiden Chefs der Obersten Heeresleitung, luden am 10. November 1918 Sollmann ins Grosse Hauptquartier im belgischen Spa ein und schickten einen Befehl an alle Heeresformationen: Soldatenräte nach Kölner Muster einrichten![37]

Ausserdem rechneten Adenauer und Sollmann darauf, dass die bald einziehende britische Besatzungsmacht den Arbeiter- und Soldatenrat nicht tolerieren würde: Sie löste die letzten Reste im März 1919 endgültig auf.

Abgesang: Adenauer rangiert die SPD aus und nähert sich der NSDAP

Adenauer hatte in seinem Selbstverständnis an Stelle des fahnenflüchtigen Kaisers die Gefahr des „Bolschewismus“ abgewendet. Er rühmte sich in seinem Leben immer wieder, mit dem Kölner SPD-Chef Sollmann den Arbeiter- und Soldatenrat ausgetrickst und damit „die Rettung der Stadt aus der Revolution“ geschafft zu haben.[38]

Der Übergang mithilfe der erfreut aufgewerteten Sozialdemokraten – eine Art informeller grossen Koalition – in kapital- und privilegienschonende Verhältnisse war gelungen. Allerdings war für Adenauer auch diese Koalition nur ein taktisches Zugeständnis auf Zeit.

Während der Weimarer Republik arbeiteten Adenauer und die von Sollmann im Kölner Stadtrat geführte SPD-Fraktion zunächst gut zusammen. Wenn es sein musste, um die SPD auszumanövrieren – beim Grossprojekt Mülheimer Brücke – machte der Oberbürgermeister auch ein kurzzeitiges Bündnis mit der verhassten KPD.

Gegen Ende der Weimarer Republik beendete Adenauer schrittweise das ebenso nur taktische Bündnis mit der SPD. In Berlin, wo er seit 1921 ununterbrochen Präsident des Preussischen Staatsrates war, setzte er sich mit der rechten Führung des Zentrums ab 1932 in der preussischen Staatsregierung für das taktische Bündnis mit der NSDAP ein.[39]

Werner Rügemer
arbeitsunrecht.de

Fussnoten:

[1] Max Wallraf: Aus einem rheinischen Leben. Hamburg und Berlin 1926, S. 86

[2] Die Bismarcksäule oder wie die Villa des reichsten Kölners verschwand, in: Werner Rügemer: Bis diese Freiheit die Welt erleuchtet. Transatlantische Sittenbilder aus Politik und Wirtschaft, Geschichte und Kultur, Köln 2017, S. 82ff.

[3] Gordon Craig: Deutsche Geschichte 1866 – 1945, München 1999, S. 87

[4] Mario Kramp: 1914: Vom Traum zum Albtraum. Köln und der Beginn des Bombenkriegs in Europa. Köln 2014, S. 9ff.

[5] Wilhelm: An das deutsche Volk! Ansprache vom 4.8.1918

[6] Hugo Stehkämper: Konrad Adenauer. Oberbürgermeister von Köln. Festgabe der Stadt Köln zum 100. Geburtstag ihres Ehrenbürgers. Köln 1976, S. 63

[7] Mergel S. 5

[8] Thomas Mergel: Köln im Ersten Weltkrieg, https://www.rheinische-geschichte.lvr.de/Epochen-und-Themen/Themen/koeln-im-ersten-weltkrieg/ S. 9

[9] Mergel S. 3

[10] Zitiert nach Mergel S. 5

[11] Mergel S. 5

[12] Kölner Metallarbeiter-Zeitung Nr. 19, 12. Mai 1917, in: Witich Rossmann: Vom mühsamen Weg zur Einheit. Lesebuch zur Geschichte der Kölner Metall-Gewerkschaften, Bd. 1, Hamburg 1991, S. 422

[13] Zitiert nach Simon Ebert: Wilhelm Sollmann. Sozialist-Demokrat-Weltbürger. Bonn 2014, S. 107-110

[14] Stehkämper S. 76

[15] Mergel S. 12f.

[16] Kölner Metallarbeiter-Zeitung Nr. 19, 12. Mai 1917, zitiert nach Rossmann S. 422f.

[17] Rossmann S. 428ff.

[18] Rossmann S. 434

[19] Rossmann S. 433

[20] Biermann S. 94

[21] Rossmann S. 430

[22] Die Z.E.G. war so eng mit der Kriegsführung verbunden, dass Albert Ballin am Tag der Abdankung Kaiser Wilhelms II. am 9. November 1918 Selbstmord beging.

[23] www.kas.de/wf/de/33.43801 (kas = Konrad Adenauer-Stiftung)

[24] Verhandlungen der Stadtverordneten-Versammlung zu Cöln, 23. (Ausserordentliche) Sitzung vom 18. Oktober 1917, S. 236f.

[25] Kramp S. 84

[26] Porz am Rhein wurde erst 1975 von Köln eingemeindet. Quelle zur Wilhelmshavener Matrosenrevolte: Christoph Regulski: „Lieber für die Ideale erschossen werden als für die sogenannte Ehre fallen“. Albin Köbis, Max Reichpietsch und die deutsche Matrosenbewegung 1917. Wiesbaden 2014

[27] Website der Konrad Adenauer-Stiftung, https://www.konrad-adenauer.de/biographie/ehrungen/orden-und-ehrenzeichen , abgerufen 5.11.2018

[28] Wallraf S. 112

[29] Zitiert nach Ebert S. 137

[30] Felix Hirsch: Wilhelm Sollmann 1881 – 1951, in: Bernhard Poll: Rheinische Lebensbilder Bd. 6, Köln 1975, S. 264

[31] Biermann S. 109

[32] Ebert S. 141

[33] Mergel S. 22

[34] Zitiert nach Biermann S. 113

[35] Mergel S. 22

[36] Sollmann: Revolution in Köln. Ein Bericht über Tatsachen, Köln 1918, S. 11

[37] Hirsch S. 265; diese Darstellung Sollmanns ist allerdings umstritten, siehe Ebert S. 146

[38] Hans-Peter Mensing: Adenauer im Dritten Reich. Rhöndorfer Ausgabe, Berlin 1991, S. 108

[39] Werner Rügemer: Bis diese Freiheit die Welt erleuchtet, Köln 2017, S. 79f.

Soweit nicht anders angegeben und keine Quellenangabe (Name einer Organisation oder Internet-Adresse) vorhanden ist, gilt für die Texte auf dieser Webseite eine Creative Commons Lizenz (CC).

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Grafikquellen       :

Oben    —           Deutzer Brücke, Köln. Dies sind keine Revolutionäre: Kaiserliche Truppen ziehen sich nach der Kapitulation der Obersten Heeresleitung im belgischen Spa am 11. November 1918 wohlgeordnet über den Rhein zurück. / Bundesarchiv, Bild 183-R27436 (CC BY-SA 3.0

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Unten        —          Vorstand der K.St.V. Arminia Bonn im Wintersemester 1896/97, rechts Konrad Adenauer

OnbekendK.St.V. Arminia Bonn 1863-1988, Bonn 1988, von Fifat in die deutschsprachige Wikipedia geladen.

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Folgenschwere Niederlage

Erstellt von DL-Redaktion am 8. Oktober 2018

 für die schwarz-gelbe NRW-Landesregierung
am Hambacher Forst

Quelle       :         Scharf – Links

Von Horst Hilse

Seit 40 Jahren kämpft die Umweltbewegung in NRW gegen die Landvernichtung durch den RWE-Konzern.

Seit Monaten setzte der NRW Innenminister Reul (CDU) auf eine Eskalationsstrategie gegen die Umweltbewegung, die mit der üblichen schwarzen Propagand belegt wurde: „versponnen“, realitätsfern“, öko-terroristisch“ etc.etc.

Der Kampf um die Baumbesetzungen im Hambacher Forst wurde bewusst politisch eskaliert und ein junger Mann verlor sein Leben, zahlreiche andere Menschen wurden verletzt.

Unbeirrt wurde die Polizei trotz vielfacher Kritik im Konzerninteresse im „Waldeinsatz“ von dem schwarzen NRW – Sheriff instrumentalisiert. Selbst der „Bund deutscher Kriminalbeamter“ kritisierte das schliesslich.

Die Unterstützerbewegung für eine neue Energiepolitik wuchs rapide an und alles steuerte auf eine große Konfrontation zu, als die Großdemonstration vom vergangenen Samstag von der Polizei verboten worden war. Eine Konfrontation schien unvermeidlich und hätte durchaus die Dimenionen dvon Wackersdorf oder Stuttgart 21 erreichen können.

Eskalationspolitik gestoppt

Hätte, denn diese Eskalationsstrategie der Landesregierung wurde durch zwei Gerichtsurteile gestoppt. Das Oberverwaltungsgericht in Münster hielt die Begründungen des Konzerns für die Abholzungen in dem 5 qkm großen noch übriggebliebenen Waldgebiet für nicht ausreichend belegt und verfügte einen vorläufigen Rodungsstopp. Die entgültige Entscheidung im Hauptsacheverfahren vor dem Verwaltungsgericht Köln fällt möglicherweise nicht vor 2020.

Hätte, denn das Aachener Verwaltungsgericht kippte auch das von der Polizei verhängte Demoverbot und hielt die „Sicherheitsbedenken“ der Polizei für nicht ausreichend.

Beide Urteile stoppten die Eskalationsstrategie der Landesregierung NRW und binnen weniger Stunden schaltete der NRW-Ministerpräsident auf einen anderen Sender und man vernahm ein Angebot : Er könne sich einen „runden Tisch“ mit allen beteiligten Interessengruppen vorstellen.

Sicherlich gehören zu den gemeinten „beteiligten Interessengruppen“ auch die SPD-geführten Großstädte im Ruhrgebiet, die 25% der RWE Aktien halten und nun vor einer Gewinnwarnung des Konzerns zittern müssen. Seit Tagen fallen die Kurswerte des Energiekonzerns. Eine solche Warnung würde große Löcher in die Kommunalhaushalte reissen. Auch Niedersachsens SPD dürfte ein ähnliches Szenario mit dem Einbruch bei VW erwarten, da auch dort die meisten betroffenen Aktionärs – Kommunen SPD-regiert werden. Wer im Profitsystem mitspielen möchte, für den gilt auch heute noch die alte Volksweisheit: mitgegangen – mitgehangen!

Die Großdemo am 6. Oktober

Die Demo am Samstag war mit ihren ca. 50 000 Teilnehmern ein großer politischer Erfolg. Da Polizeiangaben bekannterweise die Demozahlen immer wieder runterreden, um mediale Politik zu machen, hatten die Veranstalter an den Zugangswegen Menschen mit Zähltackern aufgestellt und die Zahlen wurden zur zentralen Demoleitung regelmäßig durchgegeben. Immer wieder trafen Demozüge mit tausenden überwiegend jungen Menschen ein, die sich auf den Zugangsstraßen zusammengefunden hatten. Viele jedoch erreichten den Kundgebungsort gar nicht, da ab 10.30 die S-Bahnzüge in Buir gar nicht mehr hielten und die Züge bis Horrem durchfuhren. Zwar wurde von den Veranstaltern dankenswerterweise ein Shuttlesystem eingerichtet, das jedoch völlig überlastet war. Daher irrten mehrere „Demozüge“ von einigen Tausend Menschen zu Fuss rund um den Kundgebungsort in der Landschaft und im Wald herum. Auch die entsprechenden Autobahnabfahrten waren völlig verstopft und dort ging stundenlang auch nichts mehr. Auf der A4 kam es zu einem 10km Stau und entnervt stellten viele ihren Wagen auf der Autobahn ab und machten sich zu Fuss auf den Weg zu dem von Staubböen ständig umwehten Kundgebungsacker. Trotz Hitze und Staub – es herrschte eine entspannte fröhliche Athmosphäre bei den zigtausend Protestlern, zumal die Polizei sich im Hintergrund hielt.

Die Veranstalter sprachen von „ca.“ 50 000. Es mögen aber auch sehr viel mehr gewesen sein..

Dass die Grünen ihren Landesparteitag am Sonntag, dem Tag nach der Demo in einem großen Zelt auf dem Kundgebungsplatz abhalten, wurde von mehreren NRW Regierungsmitgliedern als „Provokation“ bewertet. Ebenfalls negativ wurde bei der Landesregierung registriert, dass auch der NRW Verband der Partei die Linke in der Mobilisierung zur Demo eine engagierte Rolle spielte.

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Grafikquelle      :    Scharf-Links  —   Foto: Tim Wagner, Ende Gelände

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Die Mitte zeigt Zähne

Erstellt von DL-Redaktion am 7. Oktober 2018

„Das ist die Mitte der Gesellschaft“

 - Besichtigung neuer Rodungen im Hambacher Forst für den Braunkohletagebau Anfang 2017, in der vorletzten Rodungssaison

Eine Reportage von , Hambacher Forst

Zehntausende demonstrieren am Hambacher Forst – gegen die Rodung und eine Politik, die den Mehrheitswillen ignoriere. Sie feiern diesen Tag als Zäsur in der Klimapolitik.

Für die Großdemo am Hambacher Forst hat Bernd Jung sein bestes Hemd aus dem Schrank gekramt. Am frühen Samstagmorgen hat er sich aus dem Saarland auf den Weg ins Braunkohlerevier zwischen Köln und Aachen gemacht. „Auch im Büro trage ich immer Pullover, aber heute ist mir wichtig zu zeigen, dass hier nicht nur Ökos auf die Straße gehen, sondern ganz normale Menschen“, sagt Jung und zupft sich das weiß-blau gestreifte Textil zurecht.

Schon aus der Ferne sieht der 45 Jahre alte Bauingenieur die riesige Staubwolke, die sich am Rande des Hambacher Forsts über den vertrockneten Acker gelegt hat, den ein Landwirt den Veranstaltern zur Verfügung gestellt hat. Auf dem Platz herrscht Volksfeststimmung. „RWE verliert. Hambi bleibt“, ruft ein Redner von der aufgebauten Bühne. Die Demonstrantinnen und Demonstranten werfen die Arme in die Luft und jubeln.

An zahlreichen Ständen, die mit Holzlatten notdürftig zusammengenagelt wurden, verteilen Umweltschutzorganisationen Demo-Schilder mit Anti-Braunkohle-Slogans. Eine Samba-Truppe aus Koblenz trommelt Gute-Laune-Rhythmen, Krisen-Pianist Davide Martello spielt an seinem schwarzen Flügel Imagine von John Lennon. Der süddeutsche Straßenmusiker mit italienischen Wurzeln hat schon während der blutigen Proteste gegen den türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdoğan am Taksim-Platz in Istanbul und in der ukrainischen Hauptstadt Kiew gespielt. Um auch aus der Luft gesehen zu werden, haben die Demonstranten eine riesige, kreisrunde Plane ausgerollt. „We will end coal“, steht darauf geschrieben.

Solidarität aus den Nachbarländern

Mehrere hundert Reisebusse aus dem gesamten Bundesgebiet, aber auch aus Polen, Tschechien, Holland und Frankreich säumen die Straßen. 25.000 Menschen haben die verantwortlichen Umweltverbände erwartet, etwa 50.000 Menschen sollen an diesem sonnengetränkten Herbsttag gekommen sein: Psychologinnen, Hausverwalter, Gastronomen, Arbeiter, Filmemacher, Studentinnen, Landwirte, Eltern mit ihren Kindern und auch solche, die einfach dabei sein wollen an diesem 6. Oktober 2018, den die Veranstalter als mögliche Zäsur in der Klimapolitik feiern. „Das hier ist die Mitte der Gesellschaft“, sagt Bauingenieur Jung. Er ist bewegt von den Massen, die über Stunden mit bunten Fahnen und selbst gebastelten Schildern von den Zufahrtsstraßen und den überlasteten Bahnhöfen zum Kundgebungsgelände laufen.

Dabei herrschte am Freitagmorgen noch Tristesse auf Seiten der Aktivisten. Die Polizei hatte die letzten Baumhäuser im umkämpften Waldgebiet geräumt. RWE hatte damit begonnen, den Forst mit Gräben und Mauern einzufrieden, um Mitte Oktober mit der geplanten Rodung zu beginnen. Obendrein hatte die Aachener Polizei die lange angekündigte Großdemo wegen eines fehlenden Sicherheitskonzepts verboten. Doch dann überschlugen sich die Ereignisse. Am späten Freitagvormittag verschickte das Oberverwaltungsgericht Münster ein Urteil, das sowohl Braunkohlegegner als auch RWE überraschte. Die Richter verhängten nach Beschwerde des BUND per Eilbeschluss ein vorübergehendes Rodungsverbot, weil der Energiekonzern nicht überzeugend habe belegen können, dass die Abholzung für die Energieversorgung wirklich notwendig sei. Kurz darauf kippte auch noch das Verwaltungsgericht Aachen das Demonstrationsverbot.

Datei:Ende Gelände November 2017 - Activists at brim.jpg

Die Justiz hatte den Konzern in die Schranken gewiesen und die schwarz-gelbe Landesregierung blamiert, die mit einem für Nordrhein-Westfalen historischen Großaufgebot der Polizei ein paar Dutzend Baumbewohner vertreiben ließ. Die RWE-Aktie stürzte in der Spitze um 8,5 Prozent ab, das Unternehmen sah sich genötigt, eine Ad-hoc-Meldung an die Anleger zu verschicken. Der Rodungsstopp könne aufgrund der Rechtsunsicherheit noch bis 2020 andauern, warnte RWE, pro Jahr drohe ein wirtschaftlicher Schaden im dreistelligen Millionenbereich. Die Zukunft von 4.500 Mitarbeitern stehe auf dem Spiel. Bei den Braunkohlegegnern hingegen brach Partystimmung aus.

„Die Politik wird aufpassen müssen, wie sie in Zukunft handelt“

Quelle      :      Zeit-online              >>>>>            weiterlesen

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Gtafikquellen    :

Oben    —         Hambinfo – wikimedia commons (CC BY-SA 4.0)

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Unten    —       Ende Gelände 2017: Aktivistinnen und Aktivisten an einer Abbruchkante im Tagebau Hambach.

Quelle Eigenes Werk
Urheber Leonhard Lenz

Diese Datei wird unter der Creative-Commons-Lizenz „CC0 1.0 Verzicht auf das Copyright“ zur Verfügung gestellt.

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Diktatur der Konzerne

Erstellt von DL-Redaktion am 3. Oktober 2018

Debatte Hambacher Forst

RWE Bagger 291 Hambach.jpg

Von Olaf Georg Klein

Wie sich die Politik von RWE am Hambacher Forst vorführen lässt, stellt die Demokratie in Frage. Eine Warnung aus ostdeutscher Perspektive.

In was für einer Demokratie leben wir eigentlich? Warum kann und darf ein Unternehmen wie RWE die Handlungsfähigkeit und das Gewaltmonopol des Staates in Frage stellen? Fragen wie diese drängen sich auf, wenn man das absurde Geschehen am Hambacher Forst beobachtet.

Der Energiekonzern RWE will einen 12.000 Jahre alten Wald abholzen, um Braunkohle abzubauen – also vollendete Tatsachen schaffen, obwohl eine von der Bundesregierung eingesetzte Kohlekommission gerade über den baldigen, strukturierten Kohleausstieg berät. Viele Bürger – besonders Ostdeutsche – erkennen darin die offene Kriegserklärung eines Konzerns an das Regierungshandeln, und dieser Angriff kommt einem Paradigmenwechsel in unserer Demokratie gleich.

Die Große Koalition scheint so sehr mit sich selbst beschäftigt, dass sie nicht mehr willens oder in der Lage ist, selbst bei Interessen, die die Gesamtbevölkerung heute und in Zukunft betreffen, einzugreifen – zum Beispiel ein Moratorium gegen die Abholzung zu verhängen, damit RWE zumindest die Entscheidung der Kohlekommission abwarten muss.

Dass Polizei und Feuerwehr missbraucht werden, um auf Veranlassung der Bauministerin der Landesregierung Nordrhein-Westfalens, trotz anhängiger Gerichtsverfahren gerade jetzt die Naturschützer aus dem Forst zu zerren und ihre Baumhäuser zu zerstören, ist ungeheuerlich. Die nordrhein-westfälischen Politiker, von Ministerpräsident Laschet bis zu Innenminister Reul, wirken wie traurige Marionetten von RWE.

Erinnerungen an eine Diktatur

Denn jahrelang waren die Baumhäuser geduldet. Und acht Wochen lang herrschten im Sommer Temperaturen über 30 Grad, trotzdem durften die Baumhäuser stehen bleiben. Jetzt, im Herbst, wurden von einem auf den anderen Tag über 3.000 Polizisten in den Wald geschickt, um die 60 Baumhäuser „aus Brandschutzgründen“ zu entfernen.

Dieses Handeln erinnert an eine überwunden geglaubte Diktatur. Für wie dumm hält man die Bevölkerung eigentlich? Es ist verlogen zu behaupten, die Räumung der Baumhäuser hätte nichts mit der geplanten Abholzung durch RWE zu tun, sie diene dem Schutz der Baumhausbewohner. Auch, dass die Baumhäuser mal eben zu Wohnanlagen uminterpretiert wurden, ist absolut willkürlich. Und wie kann es sein, dass die Polizei, die eigentlich die Verfassung und den Staat schützen soll, von einzelnen Mitgliedern der NRW-Landesregierung zu einer Hilfstruppe für RWE gemacht wird? Das erinnert viele – gerade im Osten – massiv an das Vorgehen der Polizei gegen die Bürgerrechtler zum Ende der DDR.

Ende Gelände November 2017 - Activists in the pit 4.jpg

Wo Politiker regieren hinterlassen sie Wüsten. Geld, Geld  – wir sollte es ihnen in die leeren Köpfe merkeln.

Nach einer Umfrage von Zeit online vom 19. September lehnen 75 Prozent der Deutschen die Rodung des Hambacher Forstes ab. Das sind immerhin rund 60 Millionen Bürger. Welche Partei, welche Politik vertritt eigentlich deren Interessen in dieser demokratischen Republik?

Quelle     :         TAZ          >>>>>          weiterlesen

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Grafikquellen     :

Oben    —     RWE Power AG Bagger 291 im Tagebau Hambach im August 2018

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Hambi bleibt!

Erstellt von DL-Redaktion am 2. Oktober 2018

Der Hambacher Forst und RWE

File:Widerstand im Blätterdach,Hambacher Forst,NRW.jpg

Quelle   :   untergrund-blättle

Von Rüdiger Haude / Artikel aus: Graswurzelrevolution Nr. 432,

Oktober 2018, www.graswurzel.neton

Der Hambacher Forst („Hambi“) zwischen Köln und Aachen ist zu dem Symbol für die Klimakämpfe in Deutschland geworden.

Medien in der ganzen Welt berichteten in den letzten Wochen über die brutale Räumung der Waldbesetzung und über die kreativen Aktionen, die eine wachsende Zahl von Klimaschützer*innen dem entgegensetzen. Alles, was hier im Rheinland passiert – jeder gefällte Baum, jeder Kampfgriff in die Augen friedlicher Protestierer*innen, jede kaltschnäuzige Lüge des NRW-Innenministers Reul – ist ein Statement in dieser symbolisch aufgeladenen, aber auch existentiellen Frage: Wollen wir dem Klima auf dem Planeten Erde noch eine Chance geben?

Was ist das Wesen des Konflikts um den Hambacher Forst? Schauen wir uns kurz die Hauptakteure an.

RWE

Die RWE-Managerin Katja von Doren erklärte am 6. September 2018 in einem Interview mit der WAZ, im Hambacher Forst gehe es „um vor langer Zeit beschlossene Pläne, für die es eine klare Rechtsgrundlage gibt“. (1) Das beschreibt die Position des Konzerns ganz gut. Dass es nach den vor langer Zeit beschlossenen Plänen gewisse Entwicklungen gab, die mit der Existenzmöglichkeit menschlicher Zivilisation auf der Erde zu tun haben, namentlich die Einsicht in die Dramatik des menschengemachten Klimawandels, steht im Widerspruch zu RWEs „klarer Rechtsgrundlage“.

Man muss immer wieder daran erinnern: Am 12. Dezember 2015 hat die Weltgemeinschaft auf der Pariser Klimakonferenz (COP 21) beschlossen, eine „Begrenzung des Anstiegs der globalen Durchschnittstemperatur auf deutlich unter 2°C über dem vorindustriellen Niveau, wenn möglich auf 1,5°C über dem vorindustriellen Niveau“ zu erzielen. (2) Dass dies nur geht, wenn Deutschland bis 2040 seine CO2-Emissionen auf Null zurückfährt und im Stromsektor dieses Ziel deutlich früher erreicht, haben Klimawissenschaftler wie Professor Quaschning nachvollziehbar vorgerechnet.

RWE leugnet diesen Sachverhalt einfach und pocht auf Genehmigungen aus einer anderen Realität. Der Konzern lebt in einem Paralleluniversum, in dem die Zeit letztlich im 19. Jahrhundert stehen geblieben ist. Man kann dies RWE nicht vorwerfen, weil die Logik eines kapitalistischen Unternehmens nun einmal Profitmaximierung und nichts anderes ist. Wird die Grundlage dieses Profits in anderen Sphären schädlich, kann die Kursänderung nur von anderen Akteuren kommen.

Der rheinische Braunkohlekomplex ist der grösste CO2-Emittent Europas. Die RWE-Kraftwerke Neurath und Niederaussem nehmen die Plätze 2 und 3 in der „Hitparade“ der klimaschädlichsten Kraftwerke Europas ein. (3) Beide werden vom Tagebau Hambach mit Brennstoff beliefert. Dass sie beim Ergebnis der derzeit tagenden „Kohlekommission“ zu den ersten Abschaltkandidaten gehören, ist klar. RWE will davon nichts wissen und hat sogar den Neubau eines neuen Kraftwerksblocks in Niederaussem beantragt („BOA-Plus“), der 1100 MW Leistung haben und noch auf Jahrzehnte 27 Millionen Tonnen CO2 jährlich in die Atmosphäre pusten soll. (4)

Diese Planung ist höchstwahrscheinlich Fake. Sie hat denselben Zweck wie die überschnelle Zerstörung des Hambacher Forsts: So zu tun, als habe man gutgläubig Gigantisches für die Aufrechterhaltung des Braunkohlesystems geleistet, und sich dann den (ohnedies aus betriebswirtschaftlichen Gründen geplanten) Verzicht mit Milliarden an Steuergeldern versilbern zu lassen.

Der BUND hat Ende August nachgewiesen, dass RWE den Hambacher Wald schon seit langem „auf Vorrat“ rodet. Statt der erlaubten zwei Jahre Vorlauf der Abholzung vor der Abbaggerung rodet RWE bis zu fünf Jahre im Voraus. (5) Das ist illegal, geniesst aber die volle Rückendeckung des politischen Systems. RWE ist jetzt begierig darauf, den Wald endgültig zu zerstören – nicht aus irgendeiner Notwendigkeit der Betriebsabläufe heraus, sondern um der Klimaschutzbewegung durch Demütigung das Genick zu brechen.

„Die Politik“

Darin sind sie sich mit den etablierten Kräften des politischen Systems einig. Hier, wo eigentlich nicht die Konzernbilanz den Horizont einengen sollte, regiert gleichwohl eine atemberaubende Faktenverleugnung. Ein Beispiel: Eine Entschliessung des Regionalrats der Bezirksregierung Köln formulierte im Jahr 2016, der Neubau von „BOA-Plus“ solle unbedingt durchgeführt werden, weil er einen „Beitrag zur CO2-Reduzierung und dem Erreichen der Klimaziele von Bund und Land“ darstelle. Dieser Antrag wurde von CDU, SPD und FDP unterstützt, die damit verdeutlichten, dass sie klima- und energiepolitisch offensichtlich unter Realitätsverlust leiden. (6)

File:Red lines hambi puppet.jpg

Aber kommen wir zurück zum Hambi. Hier ist die schwarzgelbe Landesregierung der entscheidende Akteur des offiziellen politischen Systems. Die am 13. September mit 3500 Polizeibeamten gestartete Räumung der Waldbesetzung wurde veranlasst durch die Ministerin für „Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung“, Ina Scharrenbach (CDU). Sie machte geltend, die (unmittelbar zuvor erst rechtlich zu „Gebäuden“ erklärten) Baumhäuser müssten sofort entfernt werden, weil sie nicht den Bestimmungen des Brandschutzes entsprächen; es gehe also um einen Schutz der Bewohner*innen vor drohender Gefahr. Kurz zuvor hatte die Polizei noch Feuerlöscher der Besetzer*innen konfisziert, weil diese zu Waffen umfunktioniert werden könnten! Die unkonventionelle Idee der Ministerin, sich für die Belange der „Heimat“ mit einer Waldvernichtung einzusetzen, spiegelt natürlich die Schwierigkeit wieder, irgendeinen Vorwand für die Räumung zu finden.

Aber es steckt auch eine starke politische Botschaft darin: Hallo Klimaschützer*innen, hallo Rechtsstaat, ihr könnt uns alle mal am Arsch lecken! Wir setzen die RWE-Interessen sowieso durch!

Die Botschaft lautet auch: Hallo Gewerkschaft der Polizei, hallo Kirchen, hallo Umweltschutzverbände! Hallo, Stadt Kerpen und Landratsamt Düren, die ihr diesen Irrsinns-Beschluss aus dem Hause Scharrenberg umsetzen müsst – geht doch heulen! Fürwahr ein grossartiger Dienst an der politischen Kultur im Lande.

Die Klimaschützer

Seit Ende August 2018 hat das Konglomerat aus Landesregierung und RWE-Konzern mit der Eskalation des Konflikts begonnen. Der Hambacher Forst und selbst der benachbarte Ort Kerpen-Buir wurden zum „gefährlichen Ort“ erklärt, in dem die Polizei anlasslos Menschen kontrollieren und durchsuchen darf. Das Wiesencamp der Besetzer*innen wurde durchsucht und teilweise demoliert; in den Baumhaus-Siedlungen wurden alle Strukturen am Boden zerstört – unter dem Namen des „Aufräumens“. Die Besetzer*innen haben sich durch dieses Anziehen der Gewaltschraube ganz überwiegend nicht provozieren lassen.

Der bürgerliche Widerstand ist in derselben Zeit massiv gewachsen. Bereits seit Ende 2017 – seit der ersten erfolgreichen „Rodungsverhinderungssaison“ – gibt es in vielen Städten insbesondere des Rheinlands Hambi-Support-Gruppen, die die Waldbesetzung unterstützen.

Die seit über vier Jahren durchgeführten „Waldspaziergänge“ des Waldpädagogen Michael Zobel nahmen immer mehr den Charakter politischer Demonstrationen an. Am 9. September 2018 war die Teilnehmer*innenzahl erstmals vierstellig, am 16. September versammelten sich vielleicht 7000 Menschen, um für den Schutz des Waldes zu demonstrieren, dessen Zerstörung durch die Räumung der Waldbesetzung inzwischen begonnen hatte. Wenn man die Stimmung dieser Grossveranstaltung zwischen Fröhlichkeit und berechtigtem Zorn bei den Demo-Teilnehmer*innen und der überwiegend bräsigen Ausdruckslosigkeit der uniformierten Befehlsausführer alleine als Bemessungsgrundlage nehmen kann, dann hat der Widerstand längst gewonnen. Aber bei all dem Singen und Tanzen, den Familien mit Kindern jedes Alters und den zur Wiederaufforstung mittels mitgebrachter Setzlinge entschlossenen Aktiven der Aktion „Auf-Bäumen“ wurde wenige hundert Meter weiter im Wald das kalte Zerstörungswerk an der Waldbesetzung weiterhin fortgesetzt.

Mich hat das Video enorm beeindruckt, in dem eine Waldbesetzerin unmittelbar nach ihrer Räumung, flankiert von zwei Polizisten in Kampfmontur, unter Tränen die Logik dieses Konflikts auf den Punkt bringt: „Sie denken wahrscheinlich, sie hätten gewonnen. Aber sie können nicht gewinnen, weil sie den Wald genauso brauchen […], und das einfach nicht verstehen …“ (7) Die Frau schildert dann das utopisch-anarchistische Potenzial der Waldbesetzung, das sicher ein weiterer Grund für die armseligen Politikerdarsteller in Düsseldorf ist, gerade diese Gemeinschaft zu zerschlagen. – Nicht nur mich bewegt dieses Video. Es ist, während ich diese Zeilen schreibe, unfassbare 2,8 Millionen mal angesehen worden. Wenn es eines Beweises bedurft hätte, dass RWE und die Landesregierung diesen Konflikt bereits verloren haben, liegt er in diesem Video vor. Hambi bleibt, auch wenn RWE den letzten Baum vernichtet hat – als Erfahrung, als Inspiration, und als Menetekel.

Der Widerstand gegen die Zerstörung des Hambacher Waldes wird inzwischen von einem sehr breiten Spektrum der bürgerlichen Zivilgesellschaft unterstützt. Die Gewerkschaften Verdi und GdP (Gewerkschaft der Polizei) protestierten gegen die Schaffung vollendeter Tatsachen, während in Berlin die Kohlekommission über ein Ausstiegsdatum aus der dreckigen Braunkohle diskutiert. Desgleichen die Kirchen. (8)

Alle seriösen Medien äussern ihr Unverständnis über die Betonkopf-Politik des CDU-FDP-RWE-SPD-Lagers, bis hin zum (nicht gerade antikapitalistischer Umtriebe verdächtigen) „Handelsblatt“. (9) Medien auf der ganzen Welt berichten aus der rheinländischen Provinz.

Wo Deutschland seinen Ruf als klimapolitischer Vorreiter nicht schon längst verspielt hatte, steht es jetzt endgültig – zu Recht – in der Schmuddelecke. (10) Demokratietheoretische Lehren

Der Streit um den Hambacher Forst ist durch die beschriebene Frontstellung auch ein Test der Qualität unserer parlamentarischen Demokratie. Wenn sich die Betonköpfe nicht nur gegen Vernunft und Moral, nicht nur gegen die Überlebensfähigkeit der Menschheit auf dem Planeten Erde durchsetzen, sondern auch gegen fast die gesamte öffentliche Meinung und einen Grossteil der Bevölkerung, dann ist das die endgültige Bankrotterklärung dieses parlamentarischen Systems.

Das Betonkopflager spürt, wie es in die Defensive geraten ist und schlägt mit immer absurderen Aktionen um sich. Die Zerstörung der Waldbesetzung gehört ja bereits dazu. Aber es ist atemberaubend, was von der NRW-Landesregierung zur Begründung des grössten Polizeieinsatzes der Landesgeschichte vorgetragen wird. Wohl aus dem Innenministerium Herbert Reuls (CDU) wurde die frei erfundene Märchengeschichte über ausgedehnte Tunnelsysteme unter dem Hambi lanciert, die einigen Provinzjournalisten feuchte Alpträume von einer Neuauflage des Vietnamkrieges bescherten. (11)

Am 5. September präsentierte Reul der Presse Waffen, die im Hambacher Forst gefunden worden seien und die unmittelbar bevorstehende Polizeiaktion rechtfertigten. Später musste er einräumen, dass die Funde jahrelang zurücklagen und deshalb mit der aktuellen Situation nichts zu tun hatten. (12) In einem Interview mit dem Fernsehmagazin „Westpol“ entblödete er sich am 16. September nicht, diesen Skandal damit zu begründen, es sei ihm darum gegangen, „dass Transparenz hergestellt wird“. (13)

Diese freche Lügenpolitik setzt sich bis heute fort. Der Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) höchstselbst verbreitete am 16. September ein Tweet, wonach die Polizei auf „Fallen“ der Waldbesetzer gestossen sei, die mittels einer „Drahtseilkonstruktion“ einen Eimer voll Schutt und Beton in der Höhe fixierten, der dann auf Polizeiköpfe herunterfallen sollte.

Die Polizei Aachen bestätigte hingegen, dass es sich dabei um ein übliches Gegengewicht für ein Kletterseil handelte, das im Boden verankert war. (14)

Die in die Defensive geratene Betonkopffraktion weiss sich nicht anders zu helfen, als Öl in ein Feuer zu giessen, das sie am Ende selbst verschlingen könnte. Besonders interessant ist zu beobachten, was dieses Desperadotum mit den ausführenden Organen des Staates anrichtet.

Es gibt die Polizist*innen und Vollzugsbeamt*innen, bei denen das Gebaren ihrer Vorgesetzten zu den üblichen Verrohungen führt. Der widerwärtige „Augengriff“ eines Polizisten am 13. September, der sich anschliessend mit fünf weiteren männlichen Beamten begrapschend auf die einzelne Frau wirft, die zuvor fröhlich eine Polizeiabsperrung zum Wald überwunden hatte und völlig friedlich war, gehört hierhin. (15)

Bemerkenswert ist auch der durch Videoaufnahmen belegte Fall, dass sich ein Polizeibeamter mit einer Maschinenpistole im Anschlag auf der Hebebühne zu den Baumhäusern hoch hieven liess, was selbstverständlich vollkommen illegal ist.

Krasser noch ist der Fall einer traumatisierten Aktivistin, die in die Gefangenensammelstelle Aachen gebracht wurde und hinterher schilderte, dass ihre Zelle die ganze Nacht über mit den Geräuschen von Kettensägen beschallt wurde. Es ist noch fraglich, ob diese Angaben gerichtsfest bewiesen werden können; jedenfalls gibt es Beamte, denen dies ohne Weiteres zuzutrauen ist. Es handelt sich um einen eindeutigen Fall von Psycho-Folter.

Bullen in Miniröcken

Seit die Polizei den Wald zum „gefährlichen Ort“ erklärt und den Zugang erschwert bzw. schliesslich verhindert hat, hatte ich viele Kontakte mit Polizeibeamten. Am 17. September – die Räumung war in vollem Gange – sprach ich mit zwei Polizistinnen, die deutlich den Eindruck machten, stinksauer auf den Einsatz zu sein.

Sie wissen sehr gut, dass hier nur eine Demütigung der Klimaschutzbewegung durchgeführt werden muss, ohne dass klar ist, ob die unter dem Wald liegende Kohle überhaupt noch gefördert werden darf. Sie nahmen meine Ermunterung, sich über ihre Gewerkschaft und bei ihren Vorgesetzten über diesen Irrsinn zu beschweren, wohlwollend entgegen.

Daneben gibt es freilich Kollegen, die es geil finden, dass sie „legitim“ Gewalt ausüben können. Und jene vielen, die von ihren Vorgesetzten ideologisch aufgerüstet werden. Am 6. September, als man noch nach Polizeikontrollen in den Wald gelassen wurde, ging ich wohl ein paar Schritte zu weit auf die Baggerkante zu und bekam dadurch Gelegenheit, mit einer fünfköpfigen Wannenbesatzung zu sprechen. Die jungen Männer waren buchstäblich angepisst von den Erzählungen, dass ihre Kollegen im Wald mit Fäkalien beworfen worden sein sollten.

Es machte sehr den Eindruck, dass jeder tatsächliche Fall bei ihnen mit hundertfacher Verstärkung ankommt. Dasselbe mit den Zwillenschüssen. Der Rädelsführer dieser Wanne betonte mir gegenüber mehrmals, dass die von Besetzerzwillen katapultierten Kugeln eine höhere Durchschlagskraft hätten als die Kugeln aus seiner Dienstwaffe (die er lässig am Holster trug). Wer bringt den jungen Polizist*innen so etwas bei? Wo sind die Beweise? Wo die Opfer des Zwillenterrors?

Der Mann sprach weiter: Von der Polizei gehe niemals Gewalt gegen Personen aus, anders als umgekehrt (siehe Zwillen und Fäkalien). Zu dieser Zeit lag ein Aktivist, den man gewaltsam von einem Tripod geholt hatte, mit einem frischen, staatlich lizenzierten Armbruch im Krankenhaus. Ich wies den Beamten darauf hin, dass bereits sein Auftreten mit einem reichhaltigen Waffenarsenal um den Hosenbund für mich latente Gewalt verkörpere. Er entgegnete, wie bei allen meinen vorherigen Ausführungen zur Klimawandelproblematik, sein Mantra: „Und deswegen rechtfertigen Sie also die Gewalt der Besetzer?“

Diesmal fügte er aber noch einen denkwürdigen Satz hinzu: „Dann finden Sie also auch, dass eine Frau mit Minirock selbst schuld ist, wenn sie vergewaltigt wird?“ – Das ist auch so eine ironische Arabeske des Hambi-Konflikts: 3500 hochgerüstete Polizist*innen gegen 150 Besetzer*innen (bei denen ich wahrhaftig bei meinen vielen Besuchen keine Zwille gesehen habe), und diese martialische Übermacht geriert sich als das ultimative, wehrlose Opfer jener bösen, bösen Waldmenschen.

Jetzt nicht nachlassen!

Vielerlei Realitätsverleugnung also auf Seiten der staatlichen Akteure. Vergessen wir aber nicht, dass die weitere Forcierung der menschengemachten Klimakatastrophe die „Mutter aller Realitätsverleugnungen“ ist. Jede Megatonne Braunkohle, die verbrannt wird, schädigt das Klima in irreversibler Weise.

Deswegen ist das Verbrechen, das am Hambacher Forst begangen wird, letztlich ein Verbrechen an der gesamten Menschheit. Es ist jede Mühe wert, die ab Mitte Oktober anstehende Vernichtung der Waldreste zu verhindern. Kommt spätestens dann alle ins Rheinland! Und bringt eure Freund*innen mit zum zivilen Ungehorsam! Lasst uns den längst gezogenen Vergleich wahrmachen: Der Hambi, das ist das neue Wackersdorf!

Rüdiger Haude / Artikel aus: Graswurzelrevolution Nr. 432, Oktober 2018, www.graswurzel.net

Fussnoten:

(1) https://www.waz.de/wirtschaft/rwe-verteidigt-geplante-rodungen-im-hambacher-forst-id215270993.html

(2) https://de.wikipedia.org/wiki/Übereinkommen_von_Paris

(3) http://www.wwf.at/de/view/files/download/showDownload/?tool=12&feld=download&sprach_connect=2622

(4) https://de.wikipedia.org/wiki/Kraftwerk_Niederaussem

(5) https://www.bund-nrw.de/fileadmin/nrw/dokumente/braunkohle/2018_08_28_BUND-Antwort_auf_RWE_01.pdf

(6) https://www.bezreg-koeln.nrw.de/brk_internet/gremien/regionalrat/sitzungen_regionalrat/sitzung_09/14b.pdf

(7) https://www.facebook.com/solifuerhambi/videos/2067682313542298/

(8) Z.B. am 17.9. die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD): https://www.ekd.de/rodung-des-hambacher-waldes-fuer-den-kohleabbau-37546.html

(9) https://amp.handelsblatt.com/meinung/kommentar-energiekonzern-rwe-sollte-im-hambacher-forst-nicht-auf-sein-recht-pochen/23055182.html

(10) Vgl. z.B. die Berichterstattung der New York Times, https://www.nytimes.com/2018/09/14/world/europe/germany-forest-coal.html

(11) https://rp-online.de/nrw/panorama/hambacher-forst-polizei-entdeckt-tunnel_aid-32786277

(12) https://blog.wdr.de/landtagsblog/wie-reul-ein-wichtiges-detail-wegliess/https://blog.wdr.de/landtagsblog/wie-reul-ein-wichtiges-detail-wegliess/

(13) https://www1.wdr.de/mediathek/video/sendungen/westpol/video-westpol-512.html

(14) https://bildblog.de/102062/vermeintliche-falle-im-hambacher-forst-twittern-julian-reichelt-style/

(15) https://www.facebook.com/groups/327932583971119/permalink/1829930643771298/

Soweit nicht anders angegeben und keine Quellenangabe (Name einer Organisation oder Internet-Adresse) vorhanden ist, gilt für die Texte auf dieser Webseite eine Creative Commons Lizenz (CC).

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Grafikquellen     :

Oben    —       Baumhaus der Widerstandskämpfer, die sich gegen die Zerstörung des Hambacher Forsts einsetzen

Author MaricaVitt
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2. von Oben   —      Creative Protest Theater at Red Lines Action that brought close to a 1000 people to form a symbolic red line at the edge of the cut forest and the Coal Mine

Author Hambinfo
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Unten     —      Neuerrichtete Barrikaden und Umweltschützer (September 2018)

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Aus dem Forst in den Knast

Erstellt von DL-Redaktion am 30. September 2018

Wie geht es Aktivistin „Winter“?

https://de.indymedia.org/sites/default/files/2018/07/28899.JPG

Hier ein Foto von den bewaffneten Sklaven der Politik

Aus Köln Bernd Müllender

Die Rede einer anonymen Aktivistin aus dem Hambacher Forst wurde millionenfach angeschaut. Jetzt sitzt sie in Untersuchungshaft. Ein Besuch.

Die junge Frau, die sie in der JVA Köln-Ossendorf nur UP22 nennen, sitzt im Besuchsraum des Gefängnisses. Es ist ein grauer, trostloser Ort: neun abgewetzte Holztische, daran neun Häftlinge mit Besuch. Das bedeutet Dauerlärm, mal hört man ein paar Wortfetzen aus dem Klangbrei, auch Stimmen von Kindern, die ihren inhaftierten Papa besuchen. Dreißig Minuten Zeit. Zwei ihrer Freundinnen hatten die taz mitgenommen zum Besuchstermin in der Untersuchungshaft.

Es ist, außer einem Anwaltsbesuch, nach mehr als einer Woche der erste Kontakt von draußen. Winter hat Tränen in den Augen, als wir an ihren Tisch kommen und will gar nicht mehr aufhören, die beiden Freundinnen zu drücken. „Wie schön, dass ihr da seid. So schön.“ Winter ist eine sehr zarte Person, sie wirkt fast zerbrechlich.

Außerhalb des Gefängnisses im Kölner Norden ist UP22 bekannt geworden als „Winter“. So nannte sie sich als Aktivistin, die im Hambacher Forst gegen die Abholzung des Waldes kämpfte. Winter lebte in der Baumhaussiedlung Norden zusammen mit ihrer Mitstreiterin „Jazzy“. Gemeinsam hatten sie sich angekettet und waren am 15. September, dem dritten Tag der Räumung, heruntergeholt und festgenommen worden. Als die beiden am Waldrand auf den Abtransport warteten, musste Jazzy pinkeln. Winter blieb zwischen zwei Polizeibeamten stehen, in abgewetzten schwarzen Klamotten, noch Stroh in den Haaren, mit verschlammten Fingern.

Eine Journalistin filmte mit dem Smartphone. Winters Monolog wurde zu drei bewegenden Minuten im Kampf zwischen AktivistInnen, Staatsbehörden und RWE. Sie spricht mit brüchiger, von Heiserkeit leiser Stimme, unterbrochen von Tränen, dann wieder ganz klar. „Sie werden nie verstehen, wie es ist, mit Menschen zusammenzuleben, denen es scheißegal ist, wie du heißt, wie alt du bist oder was für einen Schulabschluss du hast. Was ich hier gelernt habe, hätte ich draußen in der Gesellschaft nie gelernt…“

Hier saßen schon Meinhof und Günter Guillaume

3,3 Millionen Aufrufe hatte Winters Video bislang allein bei Facebook; Twitter und Youtube kommen dazu. Die beiden Wachpolizisten, laut Armbinden aus Baden-Württemberg, guckten unter ihren Kampfhelmen woanders hin. Einer drehte sich dann immer wieder zu ihr hin. Man meinte zu ahnen, dass auch ihn das berührt. Winter sprach weiter: „Die denken wahrscheinlich, sie haben gewonnen. Die können nicht gewinnen, weil sie diesen Wald genauso brauchen. Die haben nicht verstanden, dass wir nicht für uns kämpfen sondern für uns alle. Ich weiß, dass ich das Richtige mache.“

Hambach Forest solidarity protest in front of RWE office in Berlin at 17th of September 2018 11.jpg

Der Gefängnisbau in Ossendorf ist ein einschüchternd hässliches Stück Welt – dreckiger Waschbeton, äußerlich vergammelt, Videokameras überall, Natodrahtrollen auf den Mauern. Die JVA wurde 1969 gebaut, es waren, kann man nachlesen, sogar Architekten beteiligt. Hier saßen auch mal Kanzleramtsspion Günter Guillaume ein, der Kindermörder Jürgen Bartsch und Ulrike Meinhof. Vor dem Besuch: Kontrollen, Warteräume, Kontrollen. Pausen. Warten auf Aufruf. Endlos.

Einen Tag nach der Festnahme hatte die Haftrichterin in Düren für beide Frauen Untersuchungshaft angeordnet. Wegen gemeinschaftlich begangenem Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte im besonders schweren Fall – das erlaubt §113 Abs. 2 StGB. Wären beide einzeln im Baum gewesen, wären sie wahrscheinlich auf freiem Fuß geblieben. Nächste Woche wird ihr Anwalt bei einem Haftprüfungstermin versuchen, die Freilassung zu erwirken.

Quelle     :       TAZ        >>>>>          weiterlesen

So geht es zum Video mit der jungen Frau auf YOUTUBE

>>>>> HIER >>>>>

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Grafikquellen       :

Oben    —        de.indymedia.org

Creative Commons by-sa: Weitergabe unter gleichen Bedingungen

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Unten       —         Solidarität

tskundgebung mit der Besetzung im Hambacher Forst, gegen die Räumung der Baumhäuser, vor dem RWE Lobbybüro in der Friedrichstraße 95 in Berlin-Mitte.

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Raus aus der Braunzone!

Erstellt von DL-Redaktion am 30. September 2018

Der Hambacher Forst und Chemnitz liegen meilenweit auseinander.

Maischberger - 2018-01-24-1895.jpg

Von Gastautor Christoph Butterwegge

Unser Autor warnt davor, politische Strömungen von rechts- und linksaußen gleichzusetzen. Die Extremismustheorie diffamiere die antikapitalistische Linke und verharmlose rassistische Gewalt.

Bei der Räumung des Hambacher Forstes für den Braunkohleabbau durch den Energiekonzern RWE wurden mehrere Tausend Polizisten gegen Umweltaktivisten und sich wehrende Baumhaus-Bewohner eingesetzt, während die Staatsmacht bei den Hetzjagden am Rande der Demonstration von Rassisten, Rechtsextremisten und Neonazis in Chemnitz am 27. August in Unterzahl und weitgehend untätig blieb. Gleichwohl klagte die stellvertretende Chemnitzer SPD-Vorsitzende Sabine Sieble im „Vorwärts“ mit Blick auf den Protestzug unter dem Motto „Herz statt Hetze“ am 1. September über den „fröhlich-unbedarften Demotourismus“ auswärtiger Teilnehmer und die „militante Antifa“, um abschließend zu bemerken: „Wir müssen als Sozialdemokraten mit klarer Haltung und wahrhaftig für unsere Demokratie und ihre Werte einstehen und dürfen im Kampf gegen Rechtsextremismus nicht den Falschen die Hand reichen, allein weil es ‚gegen rechts‘ geht. Dann sind wir auch überzeugend(er) für die Mehrheit, die jetzt oftmals noch schweigt und die wir so dringend brauchen.“

Welch ein strategischer Irrwitz, welche Ignoranz gegenüber den Lehren aus dem Sieg des Hitlerfaschismus im Gefolge der Weltwirtschaftskrise 1929/32! Menschen, die den teilweise als „Populismus“ verharmlosten Rechtsextremismus bekämpfen, begegnet heute wieder der Einwand, genauso gefährlich wie dieser sei der „Linksextremismus“, weshalb man Verfassungsfeinden, Fanatikern, „Hasspredigern“ oder politisch motivierten Gewalttätern ganz allgemein entgegentreten müsse. Dabei hat nichts den Kampf gegen Rechtsextremismus, Rassismus und Gewalt in der Vergangenheit stärker behindert als die reflexartige Gleichsetzung von Nationalsozialismus und Kommunismus in der Weimarer Republik, Hitlerfaschismus und Stalinismus im Kalten Krieg sowie Rechts- und Linksextremismus bzw. -populismus oder Fundamentalismen aller Art in der Gegenwart.

Antisemitismus in den eigenen Reihen wird für die Mehrheitsgesellschaft erträglicher, wenn er nicht bloß Rechtsextremisten, sondern auch der Labour Party unter Jeremy Corbyn und Muslimen im eigenen Land angelastet werden kann. So behauptete der junge CDU-Bundestagsabgeordnete Paul Ziemiak in der Sendung „Anne Will“ am 16. September, dass sich „alle Extreme“ im Antisemitismus einig seien, der bei Rechtsradikalen, Linksradikalen und Islamisten gleichermaßen auftrete. Als der frühere Spiegel-Chefredakteur Georg Mascolo das Signum des gegenwärtigen Zeitalters im „Toben der Extreme“ sah und die AfD mit den in der Bedeutungslosigkeit versunkenen Republikanern verglich, war das Thema „Die Demokratie gemeinsam retten“ endgültig durch.

Die falsche Gleichung der Extremismustheorie

Extremismustheoretiker bieten statt einer Definition nur eine Addition von Merkmalen; sie klassifizieren bloß, erklären aber nichts, weder die Ursachen einer politischen Strömung noch die Handlungsmotivation von deren Akteuren oder dahinterstehende Macht- und Herrschaftsinteressen. Todfeinde wie Faschisten und Kommunisten befinden sich nunmehr „im selben Boot“, wohingegen ihrer Herkunft, ihren geistigen Wurzeln und ihrer Ideologie nach eng mit dem Rechtsextremismus verwandte Strömungen wie Deutschnationalismus und Nationalkonservatismus einer anderen Strukturkategorie zugeordnet werden. Grau- bzw. „Braunzonen“, ideologische Grenzgänger und inhaltliche Überschneidungen zwischen (National-)Konservatismus und Rechtsextremismus, wie sie bei den Themen „Zuwanderung“, „demografischer Wandel“ und „Nationalbewusstsein“ offen zutage treten, werden nicht thematisiert oder sogar tabuisiert.

Aus diesem Grund ist „Extremismus“ ein völlig inhaltsleerer Kampfbegriff, welcher als Diffamierungsinstrument gegenüber der Linken fungiert. Nur wer noch in den politisch-ideologischen Schützengräben des Kalten Krieges liegt, kann beispielsweise auf die Idee kommen, AfD und Linke hätten mehr gemeinsam als AfD und CSU, deren Kernforderung nach einer „Obergrenze“ bei der Flüchtlingsaufnahme auch Rechtspopulisten, Rechtsextremisten und Neofaschisten zustimmen, während die Linke mit ihrer Forderung nach offenen Grenzen auf der Grundlage unserer Verfassung genau das Gegenteil vertritt. Deren in Artikel 1 Absatz 1 des Grundgesetzes enthaltene Fundamentalnorm lautet eben nicht: „Die Würde des Deutschen ist unantastbar“, sondern: „Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.“

Datei:Hambacher Forst und A4 von Brücke Etzweiler Weg 2016 LBA 4799 Panorama.jpg

Um punktuelle Gemeinsamkeiten zwischen zwei Vergleichsgegenständen – Linksextremismus und Rechtsextremismus – besonders akzentuieren zu können, blenden Extremismustheoretiker deren zentrale Differenz aus: Während der Rechtsextremismus die Beseitigung der Demokratie anstrebt, geht es dem Sozialismus um die Überwindung des Kapitalismus (und eine Verwirklichung oder Vervollkommnung der Demokratie, die hierzulande stark darunter leidet, dass sich Arme im Gegensatz zu Reichen kaum noch an Wahlen beteiligen). Daraus folgert Richard Stöss, dass der Rechtsextremismus prinzipiell, also von seiner Idee her und den Zielen nach antidemokratisch, der Sozialismus/Kommunismus aber nur dann „Linksextremismus“, d.h. gegen die Demokratie gerichtet ist, wenn er (im Sinne einer „Diktatur des Proletariats“ oder des Politbüros einer KP) missbraucht oder pervertiert wird.

Quelle         :          KONTEXT: Wochenzeitung         >>>>>        weiterlesen

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Grafikquellen     :

Oben     —        MAISCHBERGER am 24. Januar 2018 in Köln. Produziert vom WDR. Thema der Sendung: Ganz unten: Wie schnell wird man obdachlos? Foto: Christoph Butterwegge (Armutsforscher)

Diese Datei ist lizenziert unter der Creative-Commons-Lizenz „Namensnennung – Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0 international“.

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Petition – an RWE

Erstellt von DL-Redaktion am 28. September 2018

Für jeden Baum, den Sie im Hambacher Forst stehen lassen, behalten Sie 1 Kunden

Liebe Naturschutzfreunde und Freunde des Baumes,

unter dem obigen Link ist eine Petition zu finden, die sich an den Vorstand des Stromkonzern RWE richtet, und zwar in Bezug auf dessen Vorhaben, den noch bestehenden Rest des „Hambacher Forstes“ in NRW, etwas westlich von Köln, zu roden, um dann die darunter liegende Braunkohle abzubauen. Dagegen wehr sich diese Petition. Bitte unterschreibt sie, leitet sie weiter, bewerbt sie (wenn ihr es euch leisten könnt). Bitte unterschreibt die Petiiton aus Solidarität auch dann, wenn ihr selbst nicht direkt betroffen seid … denn letztlich sind wir es doch alle !!

zahlreiche Verbände, Organisationen, Parteien, Wählerlisten und Einzelpersonen und vor allem, last but not least, die Naturschützer direkt vor Ort, setzen sich gut begründet, für den Erhalt des noch existierenden „Hambacher Forstes“ ein. Wenn ein Sprecher  der RWE vor einigen Wochen vor laufender Kamera meinte, der Hambacher Forst müsse gerodet und abgebaut werden, weil ansonsten die Stromversorgung der Republik gefährdet sei, ist nicht nur Angstmacherei, sondern auch faktisch sofort widerlegbar und daher Unfug. Nur ein Punkt von vielen: Wenn endlich die Stromtrassen von der Nordsee bis in den Süden Deutschlands fertig gestellt würden, könnte der Hambacher Forst mehr als 20x stehen bleiben. Also üben Sie Druck auf die Politik aus,  und nicht auf die in NRW durch noch weniger Sauerstoff und Kühle gefährdeten Menschen und Fauna.

~~~ Für jeden Baum, den Sie im Hambacher Forst stehen lassen, behalten Sie einen (1) Kunden!  ~~~

Für den Naturschutz – hier: Baumschutz und Baumerhalt – allgemein und ganz konkret für den „Hambacher Forst“ gibt es verschiedene Gründe:

1. Ethisches Argument: Es steht in der Macht des modernen Menschen, die Natur zu zerstören

2. Pragmatisches Argument: Die Menschheit benötigt die sog. Naturgüter (natural ressources) zum Leben und Überleben

3. Anthropobiologisches Argument: Der Mensch (zumindest gilt dies für viele Menschen) erlebt in einer in sich harmonischen freien Landschaft unmittelbare innere Bereicherung. Als Folge mangelnder Beziehung zur Natur kommt es zu einer Verkümmerung der Lebensquellen.

4. Historisch-kulturelles Argument: Naturschutz bezieht sich keineswegs nur auf Landschaften oder Landschaftsteile, die vom Menschen bisher wenig berührt worden sind, sondern auch auf die durch Jahrhunderte bäuerlicher Tätigkeit geprägten Kulturlandschaften.

Das Bundesumweltverträglichkeitsgesetz wurde 1990 erlassen und ist immer noch gültig. In der Anlage 4 zu diesem Gesetz heißt es in Punkt 4, Buchstabe b:

„Die Darstellung der Umweltauswirkungen soll den Umweltschutzzielen Rechnung tragen, die nach den Rechtsvorschriften, einschließlich verbindlicher planerischer Vorgaben, maßgebend sind für die Zulassungsentscheidung. Die Darstellung soll sich auf die Art der Umweltauswirkungen nach Buchstabe a erstrecken. Anzugeben sind jeweils die Art, in der Schutzgüter betroffen sind nach Buchstabe b …“

“ … Im Rahmen des Genehmigungsverfahrens werden auch mögliche Auswirkungen des Vorhabens auf die verschiedenen im Umweltverträglichkeitsgesetz verankerten so genannten Schutzgüter ermittelt und mit den angedachten erforderlichen Ausgleichmaßnahmen in dem so genannten landschaftspflegerischen Begleitplan aufgeführt.
– Schutzgut Mensch (z.B. Schall- und Staubimmissionen)
– Schutzgut Flora und Fauna (z.B. FFH-Gebiete (FFH steht für Fauna, Flora und Habitat) und Artenschutz)
– Schutzgut Boden (z.B. Mutterbodenschutz)
– Schutzgut Wasser (z.B. Grundwasser)
– Schutzgut Klima
– Schutzgut Landschaftsbild und Erholung
– Schutzgut Kultur- und Sachgüter (z.B. Denkmäler)

Übrigens gibt es auch in Süddeutschland Kunden der RWE.

Mit umweltfreundlichen Grüßen,

Stefan Weinert, Ravensburg (Nähe Bodensee)  – Tauziehen für Vernunft

Unabhängiger Bundestagskandidat 2017 im Wahlkreis 294

zur Petition Change  – ORG

>>>>>        HIER        <<<<<

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Grafikquellen      :

Oben      —    privat Stefan Weinert

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Unten    —      Abbruchkante des Tagebaus Hambach mit dem Hambacher Forst und Aktivisten im Hintergrund (November 2017)

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Vergiss-meyn-nicht !

Erstellt von DL-Redaktion am 21. September 2018

Der Schock nach dem Absturz – im Hambacher Forst

Datei:Gemeinsam stark,Hambacher Forst,NRW.jpg

Von Bernd Müllender

Nach dem Tod eines Menschen im Hambacher Wald ruhen die Räumungen auf unbestimmte Zeit. Alle Beteiligten halten geschockt inne – und doch beginnen längst Schuldzuweisungen. Niemand weiß, wie es weitergehen kann – ein Augenzeugenbericht aus dem Hambacher Forst nach dem tödlichen Sturz von Steffen Meyn.

Am Donnerstagmorgen brennen überall Kerzen – an der Mahnwache kurz vor dem Wald und seit dem Abend auch drinnen unter den Baumhäusern. Die Menschen im Hambacher Wald befinden sich im Schockzustand. Die Tweets von @HambiBleibt haben ein schwarzes Logo. Am Morgen läuft ein stummer Film, 30 Minuten lang, leise Schwenks aus einem Baumhaus über die Wipfel: „Hambacher Forst: Sonnenaufgang und Schweigen“. Der News-Ticker ruht.

Am Mittwoch um 15.45 Uhr war Steffen Meyn aus rund 20 Meter Höhe von einem Baumhaus in den Tod gestürzt. Ich war zufällig Augenzeuge.

Plötzlich war da so ein Krachen im Geäst, das da nicht hingehörte. Den Kopf gedreht, da fällt etwas, nicht mehr als 20 Meter entfernt, waagerecht, ausgestreckt. Was ist das? Eine Puppe, ein Dummy? Wahrscheinlich, so meine späteren Gedanken, kam ich auf diese Vermutung, weil es keinen Schrei gab, kein Armrudern, nichts. Dann der harte Aufschlag, auf den Rücken. Rundum ein Atemzug Stille. Dann sofort Schreie „Hilfe, Sanitäter … Unfall … Notarzt …“.

Rettungskräfte sind nach einer Minute da. Wiederbelebungsversuche. Weggucken oder hingucken? Das kann doch alles nicht … Ein Sichtschutz kommt. Eine Menschentraube aus Sicherheitskräften drumherum. Nach fast fünf Minuten immer noch Wiederbelebungsversuche.

Aus dem Wald rundherum Entsetzensrufe, schrill und panisch. Knapp zwanzig AktivistInnen kommen schreiend angelaufen. Wutreflexe: „Verpisst euch, Bullen …, ihr Mörder, Mörder …“ Kurz danach verstummt alles. Die Schreier sitzen. Auch sie, so nahe dran, in Schockstarre. Eine Frau weint.

Dabei hatte der Tag so beschaulich begonnen. Am späten Vormittag lernte ich die BewohnerInnen der Baumhaussiedlung „Kleingartenverein“ kennen. Natürlich könne ich da mal eine Nacht schlafen, sagt der freundliche „Moses“, charmante Idee, findet er, mal den Alltag bei permanenter Räumungsdrohung zu dokumentieren. Schlafsack dabei, Isomatte? „Klar.“ – „Willkommen!“

Hubschrauber kommt, Rettungswagen schon da

Mit Klettern, fragt Moses noch, ganz oben ins Baumhaus „RentnerInnenglück“? Ich bin unschlüssig, lieber im halbhohen Haus, das mit Strickleitern erreichbar ist. Oder doch klettern? Gerade gibt hier eine junge barbusige Frau einen Kurs. Ein junges Paar macht das behände mit: „Ihr seid echt gut“, lobt sie die beiden. Sie kommen, schon auf zehn Meter Höhe, ganz bedächtig und vorsichtig wieder runter. Die beiden erzählen, sie wollten im Wald einziehen. Ein paar Bäume weiter werden gerade unverdrossen zwei neue Häuser gezimmert. Bis heute Abend, Moses.

An der Unglücksstelle ist der Abgestürzte mittlerweile im Notarztwagen. Alle Räumungsaktivitäten sind abgebrochen. Überall Hektik und bedrückte Gesichter, auch manche der Polizisten scheinen momentweise nicht so recht zu wissen, wohin mit sich. Nach einer halben Stunde fliegt an der Rodungskante ein Rettungshubschrauber ein. Gleichzeitig setzt sich der Notarztwagen die vielleicht 300 Meter in Bewegung.

Absperrungen zählen kaum mehr. Neben mir gibt es jenseits der Einsatzkräfte fünf andere mittlerweile registrierte Zeugen des „Vorfalls“, wie die Polizei den Absturz ungewollt zynisch nennt. Der leitende Beamte einer Hundertschaft aus Bochum bittet uns eindringlich, zu bleiben. „Zeugenaussagen sind unmittelbar danach am wertvollsten. Wir müssen eine Dienststelle suchen, die nicht am Einsatz hier beteiligt ist.“ Wegen der Objektivität, dass es keinen Anlass zu Mauschelvorwürfen geben könne. Leicht wird das nicht: Allein am Mittwoch waren Einheiten aus Bochum, Gelsenkirchen, Essen, Aachen, aus Hamburg, Bayern, Baden-Württemberg und andere vor Ort.

Unter den ZeugInnen ist auch eine sehr junge Berlinerin, die zehn Minuten zuvor gleich daneben von einer Hubbühne in aller Ruhe ohne jeden Widerstand heruntergeholt wurde, keine 30 Meter entfernt. Sie steht jetzt unter Schock und braucht Betreuung. Ein Zeuge berichtet, er habe gesehen, wie ein SEK-Mann, der bei der Räumung beteiligt war, unmittelbar vor dem schrecklichen Absturz an Seilen gerüttelt habe, die zum Baumhaus hoch gingen. Das ist ein Vorwurf, der kaum schwerer wiegen könnte.

File:Hambacher Forst 30.03.2014 01.jpg

Eine andere Zeugin, eine Fotojournalistin, berichtet von einer Situation tags zuvor. Da habe ein Baumhausbewohner auf einer Holztraverse, ungesichert hoch oben, gedroht zu springen, wenn die Einsatzkräfte nicht abrückten. „Gleichzeitig wurde ein Stück weiter mit Motorsägen ungerührt weitergemacht. Ich habe einem RWE-Mann gesagt, die sollten sofort damit aufhören. Das triggert den doch nur.“ Der RWE-Mann habe nur geantwortet: „Ach, springen – das sagen die doch immer alle …“

Der Hubschrauber steht. Was bedeutet das?

Der Hubschrauber steht immer noch da. Kann das ein gutes Zeichen sein? Nach anderthalb Stunden, kurz vor 18 Uhr, fliegt er davon, Richtung Köln. Da geht’s in die Uniklinik? Gleichzeitig kommt die Todesnachricht. Steffen Meyn, Journalist, sei seinen schweren Verletzungen erlegen. Neuer Schreck: Steffen? Nein, der Steffen?

Ein paar Mal war ich Steffen im Forst begegnet, zuletzt am Beginn der Räumungssaison. Und vor drei Tagen noch telefoniert. Markenzeichen war sein rötlicher Bart, die zusammengeknoteten langen Haare mit dem kleinen Pferdeschwänzchen hinten und die markante schwarze Brille. Immer war er mit Helm und einer kleinen Helmkamera darauf unterwegs. Ein erfahrener, umsichtiger Kletterer, sagen alle. Er lebte nicht im Wald, höchstens einmal für eine Nacht zwischendurch, aber er war seit Jahren immer dabei. Ganz nah dran, überall, für eine Langzeitdokumentation, wie er einmal erzählt hatte. Deshalb war er am Mittwochnachmittag auch oben. Ein leiser, unaufgeregter Mensch, immer sachlich, keiner der gebrüllt hätte gegen die Rodung, gegen die Polizei.

Jeder im Wald kannte Steffen Meyn. In der Sache sicher einen von ihnen. 13 Minuten vor seinem Sturz hatte er von oben einen letzten Film gepostet. Auf seinem Twitteraccount nannte er sich „Regisseur/Künstler/Journalist“; sein Name dort war, wie furchtbar, Vergissmeynnicht.

Die Kommentare: trauernd, berechnend, zynisch

Quelle          :       TAZ          >>>>>         weiterlesen

Kommentar Todesfall Hambacher Wald

Kommt jetzt mal runter

File:Hambacher Forst Protest (17939108078).jpg

Kommentar von Martin Kaul

Der Unfall im Hambacher Wald muss eine Pause bewirken. Und zwar bei allen Beteiligten: Aktivisten, Polizisten, Politikern – und bei RWE.

„Selbst Schuld!“, schreibt jemand im Internet. Wieso sei der Mann auch da oben herumgeklettert? „RWE“, schreibt jemand anderes, habe diesen „Mord“ zu verantworten. Viele Menschen, viele Trolle, viele Bots schreiben gerade bei Twitter und Facebook ungehöriges Zeug – wenn es um den Unfalltod eines Mannes geht, der am Mittwoch von einem Baumhaus hinabgestürzt ist in den Tod. Es ist ja auch immer wieder so einfach: von Schuld zu sprechen und davon, dass die anderen sie tragen.

Schuld, das ist ein Wort, mit dem man alles erschlagen kann. Aber man sollte damit nicht auf die Würde eines Menschen zielen.

 

Dies ist gerade nicht die Zeit für Parolen. Und vor allem ist der tragische Unfall vom Mittwoch kein Anlass, daraus politisch Kapital schlagen zu wollen. Der Tod im Hambacher Wald ist Anlass für Demut und Respekt vor dem Leben.

Als vor einigen Wochen Aktivisten, Politiker und Journalisten auf die bevorstehende Räumung im Hambacher Wald blickten, fürchteten viele, dort könne „ein zweites Wackersdorf“ entstehen. Dort war einst durch Protest eine atomare Wiederaufbereitungsanlage verhindert worden. Auch im Rahmen dieser Proteste kamen vor über 30 Jahren Menschen ums Leben. Eine Frau erlitt einen Herzinfarkt, ein Mann starb an den Folgen eines Asthmaanfalls, nachdem die Polizei CS-Gas eingesetzt hatte.

Es ist nicht richtig, dass Menschenleben zur Währung für politische Erfolge werden.

Eine Pause muss her

 

 

Quelle      :        TAZ           >>>>>        weiterlesen

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Grafikquellen      :

Oben      —        Baumhaus der Widerstandskämpfer, die sich gegen die Zerstörung des Hambacher Forsts einsetzen

Urheber MaricaVitt /    Eigenes Werk
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2.) von Oben     —       Hambacher Forst, Tag 1 nach der Räumung u. Rodung

Author Andreas Magdanz  /    Own work

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Unten     —      Protest-Camp und Protestaktivitäten im Hambacher Forst. Die Aktivitäten richten sich gegen Rodungen zur Erschließung des Geländes für den Braunkohletagebau des Unternehmens RWE

w:en:Creative Commons
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Zerstört den Kapitalismus

Erstellt von DL-Redaktion am 18. September 2018

Zerstört den Kapitalismus – nicht das Klima!

Bildergebnis für Wikimedia Commons Bilder Demo im Hambacher Forst

Quelle     :      AKL

Solidaritätserklärung des Länderrates der Antikapitalistischen Linken, 16.09.2018

Die AKL erklärt sich solidarisch mit den Besetzungen und den Protestaktionen im Hambacher Forst

Auf der Erde ist es heiß geworden: die letzten Jahre waren die wärmsten seit es Aufzeichnungen von Temperaturmessungen gibt. Wenn man den derzeitigen Berichten von Dürren, Waldbränden oder Ernteausfällen folgt, wird auch das Jahr 2018 einen weiteren Wärme-Rekord aufstellen können. Die kapitalistische Wirtschaftsordnung ist nicht fähig, Lösungen für die Klima-Katastrophe anzubieten. Durch die Konkurrenzsituation auf dem Weltmarkt und das Gesetz der Profitmaximierung sind Konzerne sogar gezwungen im Zweifel gegen Umweltinteressen und Klimaschutz zu agieren. Ein immer größer werdender Ressourcen- und Energieverbrauch wird notwendig, um größere Gewinne zu realisieren.

Klimazerstörung und fossilen Kapitalismus beenden!

Beispielhaft hierfür steht RWE: Der Energiekonzern rodet seit Jahrzehnten den Hambacher Forst im Rheinischen Revier, um Braunkohle abzubauen und damit die fossile Energiegewinnung voranzutreiben. Die Verbrennung von Kohle ist eine der hauptsächlichen Ursachen der Klimazerstörung.

Gleichzeitig ist der Hambacher Forst einer der ältesten Mischwälder Europas. Der Konzern nimmt seine Zerstörung billigend in Kauf, um seine Gewinne in der Energieerzeugung zu sichern. Ohne einen sofortigen und konsequenten Kohleausstieg wird die Erhaltung der Natur gegenüber den Kapitalinteressen weiterhin nachrangig bleiben und das Klima würde nachhaltig vernichtet werden.

Wenn Widerstand zur Pflicht wird…

Um den schnellstmöglichen Ausstieg aus der fossilen Energiegewinnung zu erreichen, verlassen wir uns nicht auf Regierungen. In Brandenburg beteiligt sich DIE LINKE an einer Politik, die der Kohlewirtschaft das Wort redet. Damit macht sich die Linkspartei dort völlig unglaubwürdig. Für eine sozial-ökologische Umwandelung der Gesellschaft wird stattdessen eine Partei wie DIE LINKE gebraucht, die außerparlamentarischen Druck mitträgt. Die AKL kämpft um eine Linkspartei, die in Bewegungen wie der Umweltbewegung aktiv ist, anstatt in Parlamentssessel zu versauern. Deswegen rufen wir alle Mitglieder der Partei sowie insbesondere Amts- und Mandatsträger*innen auf: Kommt in den Hambi und unterstützt die Protestaktionen. Derzeit wird der Wald durch einen unverhältnismäßigen Polizeieinsatz geräumt. Waldbesetzer*innen werden gewaltsam und brutal aus den Baumhäusern entfernt. Mitte Oktober sollen dann die Rodungen beginnen. Dagegen formiert sich massiver Widerstand: ziviler Ungehorsam wird nun zur Pflicht, um die Rodungen zu verhindern.

Wir werden nicht mehr zusehen, wie unsere Umwelt zerstört wird. Der Kapitalismus vernichtet jegliche Lebensgrundlage und baut den Planeten zu einer Kraterlandschaft um. Es wird höchste Zeit, sich diesem System zu widersetzen! Wir werden uns dem Profitwahnsinn der Kohle-Lobby entgegenstellen. Deswegen unterstützen wir die Proteste rund um den Hambacher Forst. Wir beteiligen uns an dem Widerstand der Klimagerechtigkeitsbewegung. Wir sind solidarisch mit allen Formen des Widerstandes: Hambi bleibt!

Eine sozial-ökologische Welt ist möglich – jenseits des Kapitalismus.

akl - Antikapitalistische Linke

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Grafikquelle     :    Ein Baumhaus in „Oaktown“ im Hambacher Forst

Quelle:
https://hambacherforst.org
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Hambacher Forst + Klima

Erstellt von DL-Redaktion am 16. September 2018

Die Zeit zum Handeln ist jetzt

Von Bernhard Pötter

Der Hambacher Forst ist mehr als ein Symbol und es geht nicht nur um ein paar Bäume. An ihm entscheidet sich die deutsche Klimapolitik. Auch in Wackersdorf ging es nicht um den Taxöldener Forst, sondern um die Atomindustrie

Auf Klimakonferenzen hört man immer wieder: „Die Zeit zum Handeln ist jetzt!“ Leider passiert dann wenig. Auch die Bundesregierung hat sich für „Jetzt nicht“ entschieden und ihr Klimaziel für 2020 mit einem Schulterzucken entsorgt. Dabei geht es beim Abschied von Kohle, Öl und Gas nicht mehr um das Ob oder das Wie, sondern nur noch um das Wann. Ein guter Ort für das Wo ist der Hambacher Forst. Hier kann sich entscheiden, ob der Klimaschutz in Deutschland endlich Fahrt aufnimmt.

Sicherlich ist das umstrittene Gehölz nicht das ökologisch wertvollste Stück Deutschlands. Es könnte aber dazu werden. Die tatsächliche und symbolische Bedeutung des Kampfs um den Wald am Hambacher Loch ist hoch. Auch in Wackersdorf ging es nicht um den Taxöldener Forst, sondern um die Atomindustrie.

Mit dem „Hambi“ hat die Umweltbewegung endlich konkrete Symbole für eine unsichtbare und unfassbare Bedrohung gefunden. Kohlendioxid ist unsichtbar, die Täter sind wir alle und deshalb niemand. Aber die Buchen und Eichen kann man anfassen und schützen. Nicht umsonst hat das Waldsterben die deutsche Umweltbewegung groß gemacht.

Gleichzeitig ist der Wald mehr als ein Symbol. Bleibt er stehen, erleiden einige der größten Klimakiller in Europa, die Braunkohlekraftwerke im Rheinland, einen echten Rückschlag. Der Ausstieg, der schon aus wirtschaftlichen Gründen eher früher als später kommen wird, müsste dann plötzlich ernst genommen werden.

Den Unterschied zwischen legal und legitim kennen

Fällt allerdings der Wald, während in Berlin die „Kohlekommission“ tagt, könnte deren Suche nach einem Kompromiss scheitern. Gut möglich, dass RWE und die Regierung in NRW genau darauf spekulieren. Der Konzern hat das Recht auf seiner Seite, sollte aber den Unterschied zwischen legal und legitim kennen. Und wissen, dass sein Handeln einen Prozess bedroht, der wie beim Atom einen Großkonflikt in Deutschland entschärfen soll: mit viel Geld für die Konzerne und milliardenschweren Investitionen in den betroffenen Regionen.

Quelle      :        TAZ        >>>>>         weiterlesen

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Grafikquellen   :

Oben      —       Abbruchkante Hambacher Forst mit Aktivisten (November 2017)

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Unten     —        Im Protestcamp (2013)

 

 

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Razzia in Dortmund

Erstellt von DL-Redaktion am 9. Juli 2018

Hausdurchsuchung im Kulturzentrum «Langer August»

Logo des Freien Sender Kombinats Hamburg.

Quelle    :     Untergrundblättle

von  pm

LKA Köln nimmt Hamburger Radiosender FSK 93.0 vom Netz „Ein eklatanter Eingriff in die Presse- und Rundfunkfreiheit“.

Bei der Razzia im Dortmunder Kulturzentrum „Langer August“ am Mittwoch den 4. Juli hat das Landeskriminalamt Köln einen Server beschlagnahmt, auf dem die Website des unabhängigen Hamburger Radiosenders FSK 93.0 gehostet ist.

Neben der redaktionellen Website ist damit auch ein wichtiger Verbreitungsweg des Radioprogramms, der Livestream, faktisch abgeschnitten. Offiziell soll nicht das FSK Ziel der Maßnahme gewesen sein. Auch diverse andere Webseiten des Hosters sind von der Polizeimaßnahme betroffen. „Die Entwendung des Servers stellt einen eklatanten Eingriff in die Presse- und Rundfunkfreiheit dar“, so ein Mitglied der FSK-Geschäftsführung.

„Der Verlust der Website und das faktische Abschneiden unseres Livestreams ist eine erhebliche Beeinträchtigung unserer unabhängigen Berichterstattung. Wir fordern die sofortige Rückgabe des Servers! Eine etwaige polizeiliche Auswertung betrachten wir als illegal.“ Zu den Jahrestagen des G20-Gipfels in Hamburg wird am heutigen Donnerstag das breit angekündigte „Massencornern“ stattfinden, was über FSK 93.0 von 19 bis 24 Uhr akustisch begleitet wird. Auch in den nächsten Tagen wird es Sondersendungen zu den Jahrestagen geben.

Schon während des letztjährigen G20-Gipfels in Hamburg hat es massive Einschränkungen der Pressefreiheit gegeben. Diese wurden bisher politisch und juristisch nicht einmal im Ansatz zurückgewiesen.

In der Vergangenheit wurde FSK immer wieder Ziel illegaler Polizeimaßnahmen: 2016 wurde der Einsatz der Verdeckten Ermittlerin Iris P. gegen das FSK als rechtswidrig festgestellt [1]. Bereits 2010 hatte das Bundesverfassungsgericht eine Durchsuchung der Räume des Radiosenders und die Sicherstellung von Redaktionsunterlagen als verfassungswidrig erklärt [2]. Ungeachtet dessen werden wir, auch in diesen Tagen, unsere Arbeit fortführen.

Soweit nicht anders angegeben und keine Quellenangabe (Organisation oder Internet-Adresse) vorhanden ist, gilt für die Texte auf dieser Website eine Creative Commons Lizenz (CC).

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Grafikquelle   :     Logo des Freien Sender Kombinats Hamburg. / FSK

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Kölner Karneval: 2018

Erstellt von DL-Redaktion am 1. Juli 2018

Unfall mit Pferdekutsche ohne Konsequenzen?

Datei:2011-05-26-Pferde-1a.JPG

Quelle   :  Scharf – Links

Offener Brief an OB Reker von Netzwerk für Tiere Köln

Sehr geehrte Frau Oberbürgermeisterin Reker,
der Unfall beim Kölner Rosenmontagszug am 12. Februar 2018 mit einer Pferdekutsche ist nun über vier Monate her, doch noch immer ist nichts passiert. Ganz anders in Düsseldorf, wo das Comitee Düsseldorfer Carneval aus Gründen der öffentlichen Sicherheit bereits ein Verbot von Pferdekutschen im Rosenmontagszug erlassen hat.

Der mächtige Einfluss des Kölner Karnevals und der Erhalt der Tradition wiegen offenkundig höher als die öffentliche Sicherheit. Dem „kölschen Klüngel“ wird auch unter Ihrer Führung leider nicht Einhalt geboten. Unsere zahlreichen Einladungen zu einer öffentlichen Diskussion am 23. März 2018 im Studio DuMont unter Beteiligung namhafter Pferdeexperten wurde sowohl von Ihnen selbst, Ihren Kolleginnen und Kollegen der Kölner Politik, der Polizei, dem Veterinäramt sowie Vertretern des Kölner Karnevals sämtlich ausgeschlagen. Bis heute warten wir zudem auf einen Anhörungstermin im Ausschuss für Anregungen und Beschwerden, der uns nach unserem Antrag vom 12. Dezember 2017 längst hätte eingeräumt werden müssen. Stattdessen erhalten wir nun von Ihnen eine E-Mail, der der Gefahrensituation von Pferden im Karneval, insbesondere im Kölner Rosenmontagszug, in keiner Weise gerecht wird. Auch Sie verkennen und verharmlosen die Situation auf grob fahrlässige Weise. Deshalb wählen wir nun diese Form des offenen Briefs, um die Öffentlichkeit auf das immens große Risiko durch Pferde hinzuweisen, welchem sie bei einem Besuch des Kölner Rosenmontagszugs ausgesetzt sind.

Pferde in einem Karnevalsumzug der heutigen Zeit sind Tierquälerei und ein nicht beherrschbares Sicherheitsrisiko. Wir laden Sie ein, sich unser Film-material der Kölner Rosenmontagszüge 2017 und 2018 anzusehen: www.youtube.com/watch?v=A6Vmj_vZr1o

Neben extrem gestressten, offenkundig leidenden Tieren sehen Sie dort in mehreren Szenen, wie neben dem Reiter bis zu 3 Personen auf dem Boden nur mit allergrößter Mühe und unter Einsatz von Gewalt die Tiere zu bändigen versuchen.

Ist das Ihr Verständnis von trainierten, „geeigneten“ Tieren, die zuvor eine Gelassenheitsprüfung absolviert haben, wie Sie es in Ihrer E-Mail an uns schrieben?

Setzt bei einem dieser gestressten Tiere der Fluchtinstinkt ein, lässt es sich durch nichts und niemanden bremsen – hunderten Kilo und großer Kraft kann der Mensch nichts entgegen setzen. Ein in Panik durchgehendes Pferd ist nicht zu stoppen, es nimmt nicht einmal mehr Schmerzen wahr, sieht nicht, wohin es rennt und kann nicht mehr beeinflusst werden.

In unserem Film ist auch der Unfall des letzten Rosenmontagszugs zu sehen, der das Gesagte mehr als deutlich macht. Die Pferde haben mit ihrer Kutsche alles „niedergemäht“, was sich ihnen in den Weg gestellt hat, erst eine LKW-Tribüne hat sie letztlich gebremst. Nur mit riesengroßem Glück ist keiner der überrannten und –rollten Menschen zu Tode gekommen. Haben Sie sich einmal ausgemalt, was passiert wäre, wenn statt des LKWs eine Zuschauermenge im Weg gestanden hätte? Wollen Sie tatsächlich für so einen Fall die Verantwortung tragen?

Der bekannte Pferdetrainer Uli Höschler bezeichnet den Kölner Rosenmontagszug mit seinen mittlerweile 1,5 Millionen Zuschauern, einer aggressiven Grundstimmung, der Dauerbeschallung mit lauter Musik (teilweise über 100 Dezibel), dem umherfliegenden Wurfmaterial, der langen Dauer, dem schlechten Bodenbelag, den engen Gassen etc. als „Champions League“. Will man dort Pferde einsetzen, wären diese seiner Meinung nach zuvor mindestens zwei Jahre täglich zu trainieren. Die aktuellen Regeln und Vorschriften sind Lichtjahre davon entfernt und suggerieren eine

Scheinsicherheit. Doch das Fluchttier Pferd mit seinen übersensiblen Sinnesorganen, die allesamt auf Flucht ausgerichtet sind, lässt auch mit noch so viel Training nie seine Natur hinter sich. Ihre Vergleiche, Frau Reker, beispielsweise mit einem Pferdeturnier, sind absurd und eine Beleidigung für Menschen mit Sachverstand.

Sie achten penibel auf Sicherheit gegen Gefahren von außen (Terror etc.), leben aber mit einem unkalkulierbaren, lebensbedrohlichen Risiko mitten im Rosenmontagszug!

In unserem Schreiben an Sie wollen wir besonders auf den Sicherheitsaspekt eingehen. Nicht unerwähnt lassen möchten wir aber auch, dass der Einsatz von Pferden im Kölner Rosenmontagszug gegen § 3, insbesondere Absatz 6, des Tierschutzgesetzes verstößt. Unser Bild- und Filmmaterial belegt eindeutig die Schmerzen und das Leid der Pferde.

Der Bevölkerungswille ist in dieser Frage übrigens eindeutig: Wir haben 5.000 Unterschriften für ein Verbot von Pferden im Kölner Rosenmontagszug gesammelt. Umfragen beim Kölner Express und bei change.org haben sogar fast 31.000 (Express, Anteil 59%) bzw. 35.000 (change.org) Verbotsforderun-gen ergeben.

Abschließend fassen wir nochmals unmissverständlich zusammen:
Alle Pferdeexperten – selbst Mitglieder der Reitercorps (Podiumsdiskussion Studio DuMont 23. März 2018) – sind sich einig, dass keine Ausbildung und keine Zucht den Instinkt eines Pferdes außer Kraft setzen kann, es verbleibt IMMER ein unkalkulierbares Restrisiko mit immens großem Gefährdungspotenzial!

Ihnen, Frau Reker, sind unsere Argumente spätestens seit unserem viersei-tigen Antrag vom 11. November 2016 ausführlich bekannt. Sie und jeder weitere Entscheidungsträger, der trotz der durch den Unfall im Kölner Ro-senmontagszug am 12. Februar 2018 untermauerten Fakten, die eindeutig gegen den Einsatz von Pferden sprechen, weiterhin daran festhält, handelt grob fahrlässig und trägt die Verantwortung für jeden weiteren Unfall!

Das Netzwerk für Tiere Köln legt jedenfalls mit diesem offenen Brief die Ver-antwortung in Ihre Hände.

Wir hoffen im Interesse von Mensch und Pferd sehr, dass letztlich doch die Vernunft über die Tradition siegen und ein Verbot erlassen wird. Wie ein Re-porter des WDR nach dem Unfall zusammenfasste: Es bleibt bei Pferden im Rosenmontagszug ein „ungutes Gefühl“.
Das will niemand beim Spaßevent Karneval.

Tradition darf nicht über der Gesundheit der Menschen stehen.

Mit freundlichen Grüßen

Netzwerk für Tiere Köln

Das Netzwerk für Tiere Köln (NTK) ist ein Zusammenschluss mehrerer, teilwei-se seit Jahrzehnten etablierter Vereine und Organisationen aus dem Kölner Raum, die sich jeweils verschiedenen Themen des Tierschutzes widmen. Das NTK hat sich dem Wohl von Mensch und Tier und dem harmonischen Miteinander verschrieben.

Urheberrecht
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Grafikquelle    :     Pferde, gesehen in Altenbeken, NRW

Urheber   –  R-E-AL (talk | contribs | Gallery)  (German Wikipedia)

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Mein Mausefallen Erlebnis

Erstellt von DL-Redaktion am 31. Mai 2018

Wie das Stadtleben so spielt

File:Mausefalle 001.jpg

Eine nicht ganz alltägliche Einkaufstour entlang der Venloer – Str. in Köln – Ehrenfeld. Schon seit einiger Zeit hatte ich das Gefühl in meinem Keller einen ungebetenen Gast zu beherbergen. Die wöchentliche Einkaufstour führte mich mit meinen Rollkoffer als erstes in ein Geschäft welches dafür bekannt ist, neben allgemeine Haushaltswaren auch viele weitere Nutz- oder weniger nutz- bare Dinge anzubieten. Beim Weg durch die Regale erblickte ich eine ältere Dame welche sich von einen Verkäufer leiten ließ, und erkundigte mich bei Diesen nach den Liegeplatz für Mausefallen.

Die Dame hatte fortan mit mir den gleichen Weg und fand auch ihre Dinge in derselben Regalwand

Nachdem der Verkäufer uns allein gelassen und sich anderen Aufgaben zugewandt hatte, suchte die Dame das Gespräch mit mir: Dieses entwickelte sich in etwa wie folgt (aus dem (Gedächtnis).

Sie wollen Mausefallen kaufen ? Warum halten sie keine Katze?

Ich wollte das Gespräch nicht abwürgen, da ich neugierig auf den weiteren Verlauf war.

Meine Frau hat eine Katze besorgt, aber wir wollen diese auf natürliche Weise füttern.

Mit Mäusen ?

Ja, welche wir für sie fangen.

Die armen Mäuse bekommen doch einen Schlag ins Genick und sterben. Kann die Katze die Mäuse denn nicht selber fangen?

Das weiß ich nicht, ich habe es noch nicht probiert. Aber glauben sie, es wäre für die Mäuse angenehmer bei lebendigen Leib gefressen zu werden? Auch halte ich es für eine größere Tierquälerei eine Katze im dunklen Keller einzusperren, welcher zu dem so voll gepackt ist, so das die Katze der Maus nicht in jede Ecke folgen kann.

Darauf bekam ich keine Antwort mehr. So wünschte ich der Dame noch einen schönen Tag und machte mich auf den Weg zur Kasse an der einige weitere Kunden auf ihre Abfertigung warteten. So schloss sich nach wenigen Minuten auch meine Gesprächspartnerin direkt hinter mir der Schlange an. Durch einen lauten Satz wurde ich aus meiner Lethargie aufgeweckt.

Können sie nicht zwei Tage warten bevor sie die Fallen aufstellen ? Morgen haben wir einen katholischen Feiertag !

Ich gehöre aber keiner Religion an !

Ich auch nicht!

Ich schlage ihnen aber einen Kompromiss vor! Sollte ich die Maus sehen werde ich sie nach ihrer Religion fragen.

Die kann aber nicht Antworten !

Wenn es der Große Allmächtige möchte, wird sie mir Antworten ! Im Keller bin ich mit der Maus so wie so alleine und keine weiteren Zeugen anwesend; die besten Voraussetzungen für ein Wunder wären so gegeben. Der Mann der mit den Mäusen sprach.  Der Allmächtige wird im Umgang mit Kirchmäusen sicher seine Erfahrungen haben.

Unterdessen war die Warteschlange in Front der Kasse auch auf unsere Debatte aufmerksam geworden und alle zeigten ein heiteres Grinsen. Ich bezahlte also meine 2,45 Euro, verabschiedete mit noch einmal von der Dame und ging dann meiner Weg.

DL – Red. – IE

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Grafikquelle   :     Klassische Mausefalle mit der Hausmaus

Source Own work
Author Ludwig Schneider
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Der Kampf ums Trottoir

Erstellt von DL-Redaktion am 27. Mai 2018

Nun wehren sich die Fußgänger.

Bildergebnis für Wikimedia Commons Bilder Gehweg

Von

Elektro-Skateboards, fahrende Untersätze, bald auch Kindervelos: Der Gehweg verkommt zur Fahrspur. Nun wehren sich die Fußgänger.

Sie nennen sich selber „die schwächsten Verkehrsteilnehmer“. Sie haben recht – und liegen dennoch falsch. Denn eigentlich müssten sie die Lieblinge jeder Stadtregierung sein, besonders jener, die sich anschicken, eine 2.000-Watt-Gesellschaft zu werden: die Fußgänger. Wer zu Fuß geht, macht keinen Lärm, stößt null CO₂ aus, braucht weder Strom noch Benzin und dazu kaum Platz. Konkret: weniger als einen Quadratmeter. Das ist 16-mal weniger als ein Mensch, der in einem Bus fährt, der mit 50 Stundenkilometern unterwegs ist. Und sogar 41-mal weniger als ein Velofahrer, der mit 30 Stundenkilometern zur Arbeit fährt. So hat es der deutsche Mobilitäts-Blogger Martin Randelhoff ausgerechnet. Ist der Fußgänger an seinem Ziel, braucht er weder ein Parkleitsystem noch einen historischen Parkplatzkompromiss. Er parkiert seine Füße bequem unterm Pult, wenn er im Büro arbeitet. Oder bleibt auf ihnen stehen, wenn er in die Fabrik muss.

Doch statt auf Händen getragen, damit er bleibt, was er ist, und nicht zum Umsteiger wird, um im Stau zu stehen oder in die S-Bahn zu drängeln, wird der Fußgänger bedrängt. Immer neue Geräte und Gefährte gesellen sich zu ihm auf den Gehweg: Elektro-Trottinette, fahrende Untersätze, Kindervelos, E-Bikes. Lieferanten machen halt, um ihre Waren umzuschlagen. Der Elektriker, der keinen Parkplatz findet, versperrt ihn für Stunden. Und die Post testet Roboter für die Paketzustellung und braucht dazu, selbstverständlich, das Trottoir.

Dabei wäre klar, das Trottoir ist „den Fussgängern vorbehalten“. So steht es in Artikel 43 des Straßenverkehrsgesetzes.

Nun ist der Bundesrat daran, ebendieses zu revidieren. Er möchte Jugendlichen bis zwölf Jahren erlauben, auf dem Trottoir Velo zu fahren.

Bevor der bundesrätliche Vorschlag im Sommer in die Vernehmlassung geschickt wird, hat der Verband Fussverkehr Schweiz mit seiner Petition „Rettet das Trottoir“ dieser Idee – und damit der Tendenz, dass Trottoirs zu Fahrbahnen werden – den Kampf angesagt. „Die Belastung wird immer größer“, sagt Thomas Hardegger, der den Verband präsidiert. „Bevölkerungswachstum, der E-Bike-Boom und die neuen, strombetriebenen Trend-Fahrzeuge wie die E-Trottinette oder die Hoverboards drängen auf die Straße.“ Die Frage ist, auf welche. Bis anhin hieß die naheliegende Lösung: Im Zweifel auf die Schwachen. Also aufs Trottoir.

Hardegger und seine Mitstreiter, darunter die Langsamverkehrsorganisation „Umverkehr. Zukunft inkl.“ und Behindertenverbände, wollen nun dafür sensibilisieren, dass das Naheliegende nicht immer das Richtige ist.

Sie fordern ein Veloverbot für über Achtjährige auf den Trottoirs. „Man stelle sich vor, wie eine Gruppe Zwölfjähriger, die ja nicht mehr mit den Eltern, sondern gerne im Rudel unterwegs sind, übers Trottoir fegen“, sagt Hardegger. „Das fördert nicht einmal die Sicherheit. Nicht nur wegen der Fußgänger, sondern auch wegen der vielen unübersichtlichen Situationen auf einem Trottoir: Hauseingänge, Zufahrten, Pflanzungen.“

Wer darf wo fahren?

Nicht nur Velos sollen vom Trottoir verschwinden, sondern auch die Spaßkarossen und die motorbetriebenen Transportfahrzeuge. Diese förderten weder die Gesundheit noch die Bewegung, sagen die Petitionäre, und müssten auch aus ökologischen und Energiespargründen abgelehnt werden. Für kurze Distanzen, finden sie, braucht es keinen Motor.

„Im Zweifel aufs Trottoir: Naheliegend und billig, aber falsch“

Außerdem brauche es verständliche Regeln zur Frage, wer wo fahren darf. Denn auch diese seien im bunten Trottoir-Jekami untergegangen, sagt Hardegger. Manchmal wüssten nicht einmal Fachleute, selbst Polizisten nicht, was nun gelte. „Viele Städte haben die Trottoirs abschnittsweise für den Veloverkehr freigegeben, und es ist nicht mehr klar, wo Velos offiziell erlaubt sind und wo verboten, damit geht vielen Velofahrenden das Unrechtsbewusstsein verloren“, sagt Hardegger. Kommt hinzu, dass E-Bikes, diese boomenden Schnellräder (siehe Artikel rechts), überall dort fahren dürfen, wo Velos erlaubt sind. Mitunter also auch auf dem Trottoir.

Quelle :      Zeit-online        >>>>>       weiterlesen

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Grafikquelle    ;         Gehweg an der Fitz-Schäffer-Promenade in Passau.

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Thies Gleiss zu #fairLand

Erstellt von DL-Redaktion am 22. Mai 2018

„VORWÄRTS IMMER, RÜCKWÄRTS NIMMER“

Zwei Edel-Linke auf der Flucht?

Quelle    :   AKL

von Thies Gleiss zu #fairLand

1.

Jetzt ist das Ei also aus dem Nest gefallen und die Oologen und Embryologen machen sich darüber her, um zu mutmaßen, was für ein Vögelchen es wohl werden wird oder hätte werden können: Die „neue linke Sammlungsbewegung“ von Sahra Wagenknecht, Oskar Lafontaine und ihrem Umfeld.

#fairLand – ein Name wie er seit Wochen und Monaten aus den Fenstern im Stadtteil, den Betriebskantinen und Stammtischen erschallt, wie er in den Internetmedien millionenfach durchgeklickt wird? Ach nee, doch nicht – eher ein Name der puren Künstlichkeit, der seinen Ursprung in einer wenig begabten PR-Agentur nicht verbergen kann und mag. Offenkundig wurde noch nicht einmal ein minimaler Markenabgleich vorgenommen, um zu prüfen, mit was für merkwürdigen Namensvettern und –kusinen das Projekt wird kämpfen müssen. Es ist zu befürchten, dass der erste Spott, der auf dieses Kunstwerk regnet, von ähnlicher Boshaftigkeit sein wird, wie es vergleichbare Synthetikprodukte aus den Agenturen von SPD, FDP oder ähnlichen Läden erlebt und oft nicht überlebt haben.

Mein Mitleid wird sich in Grenzen halten. Denn eines ist klar: Dieses Kunstprodukt ist nicht neu, es ist nicht links und es wird nicht viel bewegen. Ob es mehr sammelt als Internetadressen, ist ebenso fraglich.

2.

Die Künstlichkeit dieses Projektes ist wirklich erstaunlich. Es gibt keinerlei Bezüge zu einer wirklichen Welt. Es wird im Aufruf „Für ein gerechtes und friedliches Land“ durchweg von einem „Wir“ gesprochen, aber wer das „Wir“ ist, bleibt ein Geheimnis.

Das wäre nicht ganz so schlimm, wenn wenigstens dargelegt werden würde, wer das „Wir“ nicht ist – welche Akteure für die Zustände in dieser Welt verantwortlich sind, und wer folglich abgelöst werden soll. Aber auch das wird verschwiegen.

Die aus dem Umfeld der SchöpferInnen dieses Kunstproduktes häufiger zitierten Referenzen – die „La France Insoumise“-Bewegung in Frankreich; die Bewegung „Momentum“ in Britannien; die Bewegung und jetzt Partei „Podemos“ im spanischen Staat oder die Wahlkampagne von Bernie Sanders in den USA – haben allesamt Bezüge in realen gesellschaftlichen Prozessen und lebendige Beziehungen zu lebendigen Akteuren. Vor einiger Zeit wäre wahrscheinlich auch noch die griechische Bewegung und dann Partei „Syriza“ als nachahmenswertes Modell aufgelistet worden. Das geht heute leider nicht mehr, weil Syriza mittlerweile das linke Lager zugunsten schnöder kapitalistischer Krisenverwaltung verlassen hat.

Die einzige Begründung für solche Referenzen scheint nur zu sein, dass sie „erfolgreich“ bei Wahlen waren, tiefer wurde nicht in die Vorgänge der jeweiligen Länder hineingeschaut.

Lassen wir die Präsidentschaftswahlkampagne von Bernie Sanders in den USA einmal weg, weil die Unterschiede doch gewaltig sind. Aber auch dort ging es nicht nur mit virtuellen Kampagnen, sondern um Organisierung von realen Menschen in Kampagnen-Strukturen und es ging um ein konkretes Projekt, einen neuen Präsidenten zur Wahl zu verhelfen.

Auch In Frankreich drehte es sich um Präsidentschafts- und Parlamentswahlen. Die Sozialistische Partei ist fast völlig zerrieben und zerstört, unterstützte noch nicht einmal ihren eigenen Präsidentschaftskandidaten. Es ging um den Aufbau einer realen linken Alternative und die Polarisierung gegenüber der Rechten war die zentrale Parole. Le Pen oder Mélenchon – das war die Frage. (Es ist wirklich unglaublich, aber wahr: Im Aufruftext von #fairLand kommt nicht ein einziges Mal der rechte Aufschwung und das Kürzel AfD vor. Sie gibt es in Deutschland offenkundig nicht –gaukelt der Text vor). Die neue Bewegung La France Insoumise konnte auf reale linke Strukturen zurückgreifen und nutzen, oder auch mal zur Seite drängen: Die Linkspartei, die Kommunistische Partei und viele andere. Heute sucht La France Insoumise die enge Verbindung zu den großen sozialen Protesten gegen die Politik Macrons, oft mit Problemen, die aus der arg abgehobenen und Melenchon-fixierten Entstehung und Struktur von La France Insoumise erwachsen. Der Autoritarismus und die Führer-Fixiertheit werden jetzt, nach dem Wahlerfolg zu einem großen, kaum lösbaren Problem. Die Kopie in Deutschland von #fairLand will mit diesen Problemen gleich loslegen.

Die Bewegung Momentum in Britannien hatte nur ein Ziel, das konkreter kaum zu formulieren geht: Holt euch die kaputte Labour Party zurück. Sie organisierte – mit anderen Kräften – einen riesigen Masseneintritt in Labour, der die alte Partei zur mitgliederstärksten linken Partei in Europa machte.

Podemos im spanischen Staat ist Produkt realer Massenbewegungen gegen Wohnungsnot, Verarmung und politische Krise der etablierten Parteien. Eine Bewegung, die erst nach ihrer Entstehung die Wahlbeteiligung diskutierte und die Verwandlung in eine parteiähnliche Vereinigung durchlief – mit aktuell vielen Problemen, die sehr den bekannten Erfahrungen früherer Zeit und anderer Parteien und Länder entsprechen: Prominentenkult, fehlende innere Demokratie, prinzipienlose Taktik gegenüber anderen Parteien und in der Regierungsfrage.

#fairLand kümert all dies nicht. Die Initiative ignoriert die Krise der SPD, sie ignoriert reale soziale Bewegungen; sie ignoriert die Gewerkschaften; sie will – angeblich – nicht auf Wahlen orientieren und keine neue Partei sein. Es gibt weder eine Ausgangs- noch eine Zielgruppe. Eine schräge Initiative aus dem Off, bei dem dann auch die peu à peu nachgereichten Promi-UnterstützerInnen nichts mehr ändern werden.

Ein Bin-ich-nicht-und-will-ich-nicht-Projekt, das selbst die am leichtesten zugänglichen politischen Projekte und besten Beziehungen zu bestehenden Parteien und Gruppen mit Missachtung bestraft und dennoch von einem Aufbruch spricht. Noch nicht einmal einer Debatte innerhalb ihres Ursprungsmilieus, der Partei DIE LINKE und ihrem Umfeld, wurde sich getraut zu stellen.

Ein Aufbruch sollte ja eigentlich etwas auf brechen und mit den derart freigesetzten Kräften dann zu irgendetwas konkret Neuem aufbrechen. Aber das wird von der PR-Agentur dieser Initiative bei aller Aufregung und allem Bemühen, sich bloß nicht mit dem realen Leben und seinen AkteurInnen anzulegen, nicht gemacht und – wie wir vermuten – nicht gewollt.

3.

Fast überflüssig bleibt zu sagen, dass der papierne Aufruf zu dieser Initiative #fairLand deshalb mit völlig leblosen Textbausteinen daherkommt. Null Begeisterung, null Empörung, sondern sterile Plattitüden und Stilblüten zum Verzweifeln. Wer schreibt zum Beispiel so einen Satz: „Wir bauen die besten Autos, aber unsere Kinder schicken wir in marode Schulen“? Oder: „Wir wollen die Parteien zwingen, unseren Interessen Rechnung zu tragen.“

Es gab in der Vergangenheit politische Aufrufe von Einzelpersonen oder kleinen intellektuellen Kollektiven, die wirklich aufrüttelten („Empört euch!“ von Stéphane Hessel; „Der Terror der Ökonomie“ von Viviane Forrester, „Der kommende Aufstand, vom *Unsichtbaren Komitee“; Texte von Jean Ziegler u.a.), jede Rede von Papst Franziskus hat mehr Rebellengeist und Esprit. Aber hier wird ein Text präsentiert, der lässt einen ratlos zurück. Ist es nur Labor-Auszug, dem die konkreten Messwerte noch eingefügt werden müssen? Haben sich dort AutorInnen schon im kleinsten Kreis in die Haare gekriegt und konnten sich nicht auf eine auf klare und scharfe Sprache einigen?

4.

All das hier Kritisierte verurteilt Aufruftext und Initiative von #fairLand ziemlich sicher zum Schicksal einer reinen Schreibtischgeburt, die so schnell vergehen wird, wie die nächste solche Kopfgeburt auf dem Markt erscheint. Viele Worte dazu zu verlieren, wäre nicht nötig, wenn nicht ein wirklich ärgerlicher und möglicherweise gravierender Kollateralschaden damit einherginge.

Die Initiative #fairLand geht bekanntlich von der Fraktionsvorsitzenden der LINKEN im Bundestag, Sahra Wagenknecht und dem Fraktionsvorsitzenden der LINKEN im Saarland, Oskar Lafontaine, aus. Es wurde schon lang und breit darüber geschrieben, dass vom Rest der Fraktionen und schon gar der Partei DIE LINKE, vom Vorstand der Partei und den diversen inhaltlichen Arbeitsgemeinschaften der LINKEN niemand in die Vorbereitung und Diskussion dieser Initiative einbezogen wurde. Das Büro Wagenknecht hat dem Parteivorstand offiziell mitgeteilt, sie würde nicht mit ihm zusammenarbeiten, weil „sie sich schlecht behandelt fühle“. Im Wahlkreis von Sahra Wagenknecht weiß niemand etwas von dieser Initiative.

Aber trotzdem wird das Ergebnis dieser Initiative – Aufruf, Sammlung und alles was noch kommt – selbst dann zerstörerisch auf die LINKE wirken, wenn sie von Umfang und Bedeutung so gering ausfallen, wie von mir vermutet.

Diese Initiative verdient nur einen zusammenfassenden Titel: Sie ist ein Rückschritt in Inhalt, Form und Bedeutung dessen, was die LINKE (und über sie die gesamte Linke) in Deutschland schon erreicht hat.

5.

Rückschritt Nr. Eins: Wer den Aufruftext liest und die Gründungsgeschichte von WASG und LINKE miterlebt hat, bekommt ein Déjàvu-Erlebnis. Mit solchen inhaltsarmen, stilblütenreichen Aufrufen begann 2003 und 2004 die Geschichte des bisher erfolgreichsten linken Parteigründungsprojektes in Deutschland. Damals ging es kaum konkreter; auf jeden Fall erfüllten die Aufrufe ihren Zweck: Es begann eine Debatte, ein Abtasten der verschiedenen Akteure, die dann – nachdem der Schritt in die große Öffentlichkeit gewagt wurde – sehr schnell zur echten, wachsenden und handlungsfähigen Partei aufstiegen.

Inhaltlich-programmtisch wurde ein Prozess der zunehmenden Vertiefung der Analyse und Aufklärung gesellschaftlicher Verhältnisse durchlaufen. Über die programmatischen Eckpunkte bis zum Erfurter Grundsatzprogramm; über hunderte lokaler, Landes-, Bundes- und Europawahlprogramme; über tausende von Flyern, Arbeiten der inhaltlichen Landes- und Bundesarbeitsgruppen, individuellen Arbeiten bis zu den nicht mehr zählbaren wissenschaftlichen Arbeiten rund um die Rosa-Luxemburg-Stiftung hat sich die LINKE im weitesten Sinne einen tollen Platz im gesellschaftlichen Diskurs erobert. DIE LINKE ist – längst nicht so, wie es noch zu wünschen oder sogar heute schon möglich ist, aber trotzdem wahrnehmbar – ein politischer Faktor in der ersten Liga der gesellschaftlichen Auseinandersetzungen. Sie ist präsent, lebendig in den Orten und in allen Parlamenten.

Die LINKE ist weit davon entfernt, in einer ähnlichen tiefen strategischen Krise wie die italienische, französische, spanische, britische oder deutsche Sozialdemokratie zu sein. Sie benötigt keinen Impuls einer äußeren „Aufruf-Bewegung“, die „die Partei zwingen will, ihren Interessen Rechnung zu tragen“. Sie verdient viele Impulse auf ihre diversen inhaltlichen Debatten, aber sie müssen von innen kommen, nach innen wirken und vor allem inhaltlich reichhaltiger und konsistenter sein als dieses dünne Süppchen von #fairLand.

Diese Initiative will einer lebendigen Partei das Aroma von Friedhofsruhe und Zombietum einhauchen.

6.

Rückschritt Nr. Zwei: Die LINKE hat 63.000 Mitglieder, sie wächst zurzeit mehr als alle anderen Parteien und mobilisiert vor allem junge Leute. Sie organisiert ein breites Spektrum aus allen gesellschaftlichen Sektoren, mit Ausnahme der Klasse der KapitalistInnen. Weder das kleine und mittlere (das laut der Wirtschaftsanalyse von Sahra Wagenknecht angeblich so fortschrittlich und nützlich sei) noch das große Kapital investieren auch nur einen Cent oder einen Mann oder Frau in diese programmatisch eindeutig zu verortende linke Partei.

Die LINKE ist als eine Sammlungsbewegung übriggebliebener Linker aus West- und wenig später Ostdeutschland entstanden. Es war ein bunter Haufen, eine „fast undenkbare Einheitsfront von ReformistInnen und RevolutionärInnen, von gefrusteten SozialdemokratInnen, nach Anerkennung gierenden Ostlinken, Alt-68ern und Betroffenen der Agenda 2010“ (wie Peter Brand in der Zeitschrift „Sozialismus“ gerade einen älteren Artikel von mir zitiert hat).

Diese Sammlungsbewegung erreicht heute ein WählerInnenpotenzial von ungefähr 10 Prozentpunkten, das entspricht 5-6 Millionen Stimmen. Das ist ungefähr so groß wie das Potenzial von La France Insoumise bei Parlamentswahlen, oder der Sozialistischen Partei in den Niederlanden, nur wenig geringer als das von Podemos, bedeutend geringer als da aktuelle Einflusspotenzial von Labour. Geringer auch als das von Syriza in Griechenland und – jedenfalls nach aktuellen Umfragen – der Partij van de Arbeid in Belgien.

Die LINKE hat zudem Fortschritte gemacht bei der Etablierung dauerhafter Arbeitsstrukturen der Partei – von den Mitgliedsverbänden am Ort, den Arbeitsgemeinschaften bis zu dem Format „LINKS-Aktiv“.

Die Ausgangsthesen der Initiative #fairLand, die LINKE würde heute stagnieren, in anderen Ländern wäre es deutlich besser und ein weiteres Wachstum der LINKEN wäre nicht möglich, sind allesamt kompletter Unsinn, bestenfalls Spekulation von Leuten, die von der Wirklichkeit der Partei DIE LINKE keine Ahnung haben.

Menschen, die heute noch in der SPD oder den Grünen sind, werden diese Partei sicherlich nicht verlassen, wenn das alternative Angebot ein inhaltlich diffuser Aufruf und sonst gar nichts ist. In diesen Parteien verbleiben, aber nur den Aufruf zu unterschreiben, das ginge theoretisch noch, wenn damit jedoch ein anderes Verhalten bei der Wahl verbunden ist oder erwartet wird, fällt auch dies weg.

Für die Mitglieder der LINKEN, die ein deutlich positiveres und festeres Verhältnis zu ihrer Partei haben, bedeutet die #fairLand-Initiative im besten Fall auch gar nichts, in vielen schlechteren Fällen wird sie aber auch als eine schlichte Verarschung ihres bisherigen parteipolitischen Erfahrungsprozesses angesehen werden.

Wenn #fairLand organisatorisch irgendwie erfolgreich sein sollte (mehr als „0ffene Wahllisten, die die LINKE schon immer hatte), so geht dies nur auf Kosten der LINKEN. Neue Kräfte werden nicht mobilisiert, wenn nicht sogar direkt gegen die LINKE in Stellung gebracht (wie das dann aussieht, ist an dem furchtbaren Projekt „Team Sahra“ heute schon zu besichtigen: Tolle Frau in Scheißpartei, das ist das Standardniveau).

Selbst dann, wenn es keine bewusste Absicht der Initiative #fairLand ist, die LINKE auf diese Weise programmtisch auszudünnen und organisatorisch zu schwächen, so wird dies dennoch der wesentliche Effekt sein.

7.

DIE LINKE hat heute ganz sicher eine Reihe von Problemen.

Sie beginnen mit der Klärung inhaltlicher Fragen, deren Ungeklärtheit seinerzeit die Gründung der LINKEN erst ermöglichte, die angesichts der aktuellen gesellschaftlichen Entwicklung aber nicht mehr ungeklärt bleiben dürfen. Vorrangig sind dabei die Fragen von Flucht und Migration und die systematische Kritik an der EU.

Ich bin der Ansicht, dass die LINKE die Strukturen und die Kräfte hat, diese Debatten zu führen und wünsche, dass der im Juni neugewählte Vorstand auch die Kraft findet, dies zu organisieren.

Größer sind vielleicht noch die organisatorischen und strukturellen Probleme. Sie ist – ich habe das schon mehrfach ausführlich analysiert – in gewisser Weise Opfer ihrer Erfolge. Es wirkt, wie in anderen linken Parteien vor ihr, eine Dialektik der partiellen Errungenschaften. Insbesondere der große und wachsende Block von parlamentarisch eingebundenen Mitgliedern (Abgeordnete und MitarbeiterInnen) entwickelt bremsende und konservative Kräfte.

Ich habe an verschiedenen Stellen Vorschläge gemacht, wie diese Probleme abgeschwächt werden können: Befristung von Mandaten, keine Ämterhäufung, Rotation bei den MitarbeiterInnen, Trennung von Amt und Mandat usw.

Gerade die aktuellen Vorgänge in der LINKEN und die Entstehung von „team Sahra“ und #fairLand zeigen, wie lebenswichtig die Verteidigung des politischen Primats der Partei gegenüber den Fraktionen und der Souveränität der Mitglieder gegenüber den Vorständen sind.

Am wichtigsten aber ist die hartnäckige, kontinuierliche Verankerung des wahlpolitischen Einflusses der LINKEN in wirklich gesellschaftlichen Einfluss. Dauerhafte Mitgliederstrukturen in den Betrieben, Schulen, Universitäten, im Stadtteil und auch als Foren und Mitmachstrukturen in den sozialen Netzwerken im Internet sind für eine linke Partei schlicht alternativlos. Die Verankerung und auch politische Meinungsführerschaft in alten (Gewerkschaften) wie neuen sozialen Bewegungen sind ebenso unerlässlich.

Für all das bietet #fairLand keine oder zerstörerisch falsche Antworten und Ansätze. Der Vorwurf, hier wären spalterische Kräfte am Werk, ist subjektiv vielleicht eine böse Unterstellung, angesichts der wahrscheinlichen praktischen Folgewirkung der Initiative aber voll berechtigt. Mein Stil ist es nicht, mit Unterstellungen und Verschwörungstheorien zu arbeiten. Ich fürchte Ursprung und Idee von #fairLand haben viel profanere Ursachen: Verselbständigung eines Teils der Parlamentsfraktion und dessen wachsende Verblödung.

akl - Antikapitalistische Linke

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Raffgier in Kölner CDU

Erstellt von DL-Redaktion am 11. Mai 2018

So inszenierte Andrea Horitzky ihren Rücktritt

File:Karikatur Merkel Politikerdiäten.jpg

Von Markus Schwering

Dieser Rücktritt war seit langem – genauer: seit Bekanntwerden der unappetitlichen Details – fällig. Das wussten alle, nur eine wusste es nicht: die Rücktrittlerin selbst, Andrea Horitzky. Am Dienstag nun erreichte nach Wochen eines quälenden Sichverweigerns und Hinhaltens die Öffentlichkeit die Nachricht, auf die sie gewartet hatte: Die ehemalige CDU-Landtagskandidatin legt ihre Parteiämter mit sofortiger Wirkung nieder.

Alles in Ordnung? Nein, denn die Inszenierung des Rücktritts sagt viel aus über das Selbstverständnis einer Politikerin, die sich offensichtlich nicht mit eigenen Fehlern befassen will, die mit Retourkutschen von diesen ablenkt und die Schuld grundsätzlich bei anderen sucht. Da wird eine „mediale Schlammschlacht“ geltend gemacht und auf den Kölner CDU-Vorsitzenden Bernd Petelkau eingedroschen, der, selbst involviert in die Börschel-Affäre, mit Steinen aus seinem Glashaus werfe.

Recht ist nicht gleich Moral

Der Vorwurf an Petelkaus Adresse ist triftig. Nur: Werden eigene Verfehlungen weniger erheblich, indem man auf andere zeigt? Und die Medien? Diesbezüglich sitzt Horitzky einer interessierten Selbsttäuschung auf: Die Medien haben keine Hexenjagd betrieben, sondern im öffentlichen Interesse Licht in einen unbestritten dubiosen Vorgang gebracht.

In einem engen juristischen Sinn ist an dem, was Horitzky getan hat, vielleicht gar nicht mal etwas auszusetzen – wenngleich hier ein abschließendes Urteil solange nicht möglich ist, wie das städtische Rechnungsprüfungsamt seine angekündigte Stellungnahme nicht abgegeben hat. Aber Recht ist eben noch etwas anderes als Moral.

Horitzky hätte Hotel-Deal nicht eingehen dürfen

Quelle     :         Kölner Stadt-Anzeiger        >>>>>        weiterlesen

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Strittige Personalie in Köln

Erstellt von DL-Redaktion am 7. Mai 2018

Ohne Kompass in der Klüngelstadt

File:OB-Wahl Köln 2015, Wahlabend im Rathaus-0998.jpg

Das sagt sich allgemein sehr leicht: In Köln herrscht immer Karneval – zumindest was das Politische angeht. Es gibt hier mit Sicherheit mehr Strippenzieher als Strippen vorhanden sind. Da klatschen sich dann auch Teile aus der Verwaltung mit den entsprechenden Richtern des Verwaltungsgericht gegenseitig in die Hände. Da feiert dann der alten preußischen Korpsgeist seine glorreiche Auferstehung. DL – Red. – IE

Von Christian Werthschulte

Schwarz-grüne Strippenzieher sind daran gescheitert, SPD-Fraktionschef Börschel einen lukrativen Job im Stadtwerke-Konzern zuzuschanzen.

KÖLN taz | Am Samstag schien in Köln die Sonne – nur für die Grünen nicht. 130 Mitglieder des Kölner Kreisverbands hatten sich drei Stunden lang in einem Hörsaal der Universität versammelt, um sich ihrer Grundsätze zu versichern: Transparenz, Chancen- und Geschlechtergerechtigkeit. „Wir brauchen eine andere politische Kultur“, erklärte die Kölner Parteivorsitzende Katja Trompeter im Anschluss an die Sitzung. Ihr Appell richtet sich auch an einen ihrer Parteikollegen: Jörg Frank, langjähriger Fraktionsgeschäftsführer der Kölner Grünen.

Seit fast drei Jahrzehnten sitzt Frank im Rat der Stadt, er gilt als einer der mächtigsten Männer im Rathaus. Jetzt soll er abtreten, fordert seine Partei. Der Personalwechsel müsse „schnellstmöglich eingeleitet“ werden, beschlossen die Grünen­ auf ihrem Sonder-Delegiertenrat.

Denn Jörg Frank hatte kräftig geklüngelt – und ist damit gescheitert. Mitte April wurde bekannt, dass der Kölner SPD-Fraktionsvorsitzende und Landtagsabgeordnete Martin Börschel mithilfe Franks zum hauptamtlichen Geschäftsführer beim Kölner Stadtwerke-Konzern erkoren wurde, zu dem unter anderem das Nahverkehrsunternehmen KVB, die Rheinenergie und die Müllbetriebe AWB gehören.

500.000 Euro jährlich für neuen Geschäftsführerposten

Börschel sitzt dort seit 14 Jahren im Aufsichtsrat, zuletzt als Vorsitzender. Bis zu 500.000 Euro jährlich sollte der 45-jährige Jurist ab September erhalten – für einen Posten, den es bislang nicht gibt und der ohne Ausschreibung und Bewerbungsverfahren besetzt werden sollte.

Ein Gremium des Stadtwerke-Aufsichtsrats, der „Ständige Ausschuss“, hatte ihn kurz zuvor eingerichtet. In dem saßen neben dem – mit einem SPD-Parteibuch ausgestatteten – amtierenden Aufsichtsratsvorsitzenden und einem CDU-nahen Arbeitnehmervertreter, beide von der Gewerkschaft Verdi, noch zwei schwarz-grüne Lokalpolitiker: Kölns CDU-Chef Bernd Petelkau und der Grüne Frank. Ein Hinterzimmer-Deal.

Zustande kam der, weil Börschel der Verlierer bei einem anderen Hinterzimmer-Deal gewesen war. Bis vor Kurzem war er Vize-Fraktionsvorsitzender der SPD im Düsseldorfer Landtag – mit Ambitionen auf den Chefposten. Weil aber der designierte NRW-Parteivorsitzende Sebastian Hartmann aus demselben SPD-Bezirk kommt wie Börschel, musste er zurückstecken – und organisierte sich einen neuen Job.

File:Pressekonferenz zum Amtsantritt von Henriette Reker als Oberbürgermeisterin von Köln-2986.jpg

Oberbürgermeisterin Reker stoppte anrüchigen Deal

Antreten kann er ihn aber nicht. Anfang vergangener Woche hat die parteilose Kölner Oberbürgermeisterin Henriette Reker bei einer Sitzung des Stadtwerke-Aufsichtsrats das Verfahren gestoppt. Jetzt soll erst einmal geprüft werden, ob der neue Geschäftsführerposten überhaupt nötig ist.

Am Donnerstag traten die Beteiligten zum Büßergang im Stadtrat an. Martin Börschel entschuldigte sich. Er hätte auf einer Ausschreibung der Stelle bestehen müssen: „Das war ein Fehler – zwar nicht juristisch, aber politisch.“ CDU-Chef Petelkau erklärte im Rat, er wolle nun verlorenes Vertrauen wiedergewinnen. „Ich entschuldige mich vor der Bürgerschaft ausdrücklich“, sagte Petelkau, der bereits zuvor aus dem Stadtwerke-Aufsichtsrat zurückgetreten war.

Ebenso wie der Grüne Frank. „Solche Dinge schwitzt man nicht einfach in den Anzug aus“, sagte der und bedauerte den „großen Fehler“. Seine Parteikollegin Kirsten Jahn, ebenfalls Mitglied im Stadtwerke-Aufsichtsrat, sagte, die Grünen hätten „ihren Kompass“ verloren. „Das wird nicht mehr passieren“, versicherte sie. Nur: Über die Hintergründe, die zu ihrem merkwürdigen Agieren geführt haben, schwiegen sich alle Beteiligten aus.

Für die Grünen ist die Affäre mehr als heikel: Köln ist eine ihrer Hochburgen, in neubürgerlichen Stadtteilen wie Ehrenfeld und Nippes erreichen sie bei Wahlen bis zu 30 Prozent. Möglich wurde dies, weil sich die Grünen lange als Alternative zum Klüngel von SPD und CDU stilisieren konnten.

Probleme mit den „guten Sitten“

 

Quelle     :   TAZ         >>>>>         weiterlesen

 

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Deutsch: OB-Wahl Köln 2015, Wahlabend in der Piazetta des Historischen Rathauses von Köln
Foto: Martin Börschel, Fraktionsvorsitzender der SPD im Rat der Stadt Köln, wird zur Niederlage des SPD-Kandidaten von RTL interviewt
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Author Raimond Spekking

Attribution – © Raimond Spekking / CC BY-SA 4.0 (via Wikimedia Commons)

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Unten    —   Pressekonferenz zum Amtsantritt von Henriette Reker als Oberbürgermeisterin von Köln

The image is credited with „© Raimond Spekking / CC BY-SA 4.0 (via Wikimedia Commons)“

 

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CDU-Politik + Hotel-Affäre

Erstellt von DL-Redaktion am 11. April 2018

CDU-Politikerin kann bis zu 2,5 Millionen für Flüchtlinge kassieren

Bf-dellbrueck.jpg

Ein Beispiel mehr, worum es in der Politik wirklich geht. Letztendlich zählt nur das Geld, welches in den Taschen der Volksetrüger hängen bleibt. Sei es im Kleinen – auf Stadtebene, oder ganz Oben, in der Regierung, für die Bevölkerung bleibt da weder Zeit noch Geld übrig, und die Verwaltungen spielen mit den Parteien ihre einheitlich klingenden Lieder. DL-Red. IE

Autor Andreas Damm

In der Affäre um ein als Unterkunft für Flüchtlinge genutztes Hotel der CDU-Politikerin Andrea Horitzky gerät die Stadtverwaltung in Erklärungsnot. Der Vertrag mit der Dellbrücker Hoteleigentümerin wurde im Oktober 2017 unterzeichnet – zu einem Zeitpunkt, an dem die Flüchtlingszahlen längst wieder gesunken waren und die Stadt auf die teure Art der Unterbringung hätte verzichten können.

Dennoch entschied das Wohnungsamt, die Vereinbarung mit Horitzky mit einer siebenjährigen Laufzeit zu versehen. Kein anderes der rund 40 Kölner Hotels, in denen geflüchtete Menschen leben, hat einen derart langfristigen Vertrag – der dem Vernehmen nach obendrein unkündbar sein soll. Fakt ist, dass Horitzky für ihr Zehn-Zimmer-Hotel 84 Monate lang mit jeweils mehr als 32000 Euro aus der Stadtkasse rechnen kann – insgesamt mit mehr als 2,5 Millionen Euro.

Eine weitere Frage, die die Verwaltung in dem Zusammenhang beantworten muss: Warum hat sie die Angelegenheit entschieden, ohne den Stadtrat zu informieren? Die Kölner Vergabeordnung, ein selbst auferlegtes Regelwerk, scheibt vor, dass Geschäfte im Umfang von mehr als einer Million Euro der politischen Zustimmung bedürfen.

File:Karikatur Merkel Politikerdiäten.jpg

„Es geht hier um die Verwendung von Steuergeldern in Millionenhöhe. Intransparente Hinterzimmer-Politik und skrupellose Geschäftemacherei mit dem Leid geflüchteter Menschen können wir nicht akzeptieren“, sagte der sozialpolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Michael Paetzold, am Dienstag.

Das Presseamt hält sich bedeckt

Die Verwaltung habe ihre Entscheidung „an allen politischen Gremien vorbei getroffen“. Die SPD kündigte eine Anfrage für die kommende Sitzung des Sozialausschusses an. „Wer in der Stadtverwaltung war in diese Vorgänge involviert? Wie wurde sichergestellt, dass alle Vorschriften zur Korruptionsprävention lückenlos eingehalten worden sind?“

Das Presseamt hält sich mit Antworten zurück. „Die Oberbürgermeisterin hat einen umfassenden Prüfauftrag zu den verschiedensten Aspekten und Fragestellungen hinsichtlich der Unterbringung von Geflüchteten in Hotels und Beherbergungsbetrieben erteilt“, hieß es. Ergebnisse sollen bis Ende der Woche vorliegen. „Nach Auswertung werden wir entsprechend informieren“, so Presseamtsleiter Alexander Vogel.

Hotelunterbringung teilweise sinnvoll

Quelle   :     Kölner Stadt – Anzeiger        >>>>>        weiterlesen

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Oben    —    Dellbrück Railway Station, Cologne, Germany

 

 

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Kölner Verwaltungsidiotie

Erstellt von DL-Redaktion am 18. Januar 2018

Köln ist das schlimmere Berlin

File:Kölner Rhein.jpg

Von Christian Werthschulte

Neun Jahre hat es gedauert, bis ein Prozess zum Kölner U-Bahn-Baudesaster beginnen kann. Wie kann das sein? Es ist halt „typisch Köln“.

Ah, Sie denken, in Berlin regiert die Wurschtigkeit. Da kennen Sie Köln nicht. Wie sonst ist zu verstehen, dass es neun Jahre dauerte, bis der Prozess gegen die Verantwortlichen, die den Kölner U-Bahn-Bau zum Desaster verkommen ließen, vor dem Kölner Landgericht beginnt?

Zur Erinnerung, weil es so lange her ist: 2009 stürzte das Kölner Stadt­archiv ein beim Bau der daneben geplanten U-Bahn. Massiv waren Messprotokolle der Schlitzwände gefälscht und für die Statik relevante Eisenteile der sogenannten Bewehrungskörbe geklaut und verscherbelt worden. Zwei Menschen wurden beim Einsturz in den Tod gerissen.

Immerhin, könnte man sagen, wird der Prozess endlich eröffnet. Nur, jetzt hat man gerade mal ein Jahr Zeit, den Prozess zu Ende zu führen, denn 2019 ist der Einsturz verjährt.

„Typisch Köln“, rufen die Leute. Erst ist man zu doof, eine U-Bahn zu bauen, dann bekommt es die Staatsanwaltschaft zu lange nicht hin, ein Gutachten in Auftrag zu geben, das aussagekräftig genug ist, um darauf einen Prozess zu begründen. Und jetzt müsste alles sehr schnell gehen. Das wird es vermutlich nicht. Und wenn es tatsächlich nichts wird, dann ist das „typisch Köln“.

Wer sich fragt, was Typisch-Köln ist, dem sei gesagt, es ist wie Typisch-Berlin, nur mit mehr Narzissmus und rührseliger Selbstverliebtheit.

Stolz auf den Mist, den man baut

Berlin hat eine Dauerbaustelle anstelle eines Großflughafens, eine Kanzler-U-Bahn ohne Anschluss, ein Kongress-Zentrum mit Asbest, einen funktionierenden Flughafen (Tegel), dessen Betriebsgenehmigung widerrufen ist, der aber läuft, weil die Rechtslage fröhlich gedehnt wird, ein löchriges Gefängnis und ein schlechtes Gewissen ob all dieser Missstände.

Aber in Köln ist man noch stolz auf den Mist, den man baut, und verweist dann gern auf die zweitausendjährige Geschichte der Stadt. Was so lange funktioniert, muss gut sein.

Wenn in Köln über Projekte, die in den Sand gesetzt wurden, berichtet wird, dann treibt das niemandem die Schamröte ins Gesicht, stattdessen erstellt man ein Ranking. Die „Top Ten der verhunzten Projekte“ listete das Boulevardblatt Express auf. Man hat nichts, aber darauf ist man stolz. Da ist eine Feuerwache, die dreimal so viel kostet wie geplant – typisch Köln. Da ist eine alte Mülldeponie, die vor Jahren als neuer Landeplatz für Rettungshubschrauber ausgewählt wurde, nur dass der Berg mittlerweile droht abzurutschen, weil die Statik nicht sorgfältig geprüft wurde – typisch Köln. Die Renovierung des Kölner Schauspiels und der Oper wiederum musste 2015 drei Monate vor der Wiedereröffnung abgesagt werden. Über Monate waren niemandem eklatante Baumängel aufgefallen – typisch Köln. Die Neueröffnung ist momentan für 2023 geplant, die Kosten sind von 250 auf 570 Millionen Euro gestiegen.

Eine „neue Fehlerkultur“

Quelle      :      TAZ         >>>>>          weiterlesen

 

„Feine Sahne“ über den Verfassungsschutz

„Das ist eine Schweinebehörde“

Bundesamt für Verfassungsschutz Logo.svg

Jedes Hämple kriegt sein Ämtle ?

Das Interview führte Annika Glunz

Die Band Feine Sahne Fischfilet macht mit ihrer Musik Mut gegen Rechts. Jetzt steht die nächste Tour an. Ein Gespräch über Wut, den NSU und Zusammenhalt.

taz: Herr Gorkow, Herr Bobzin und Herr North, im April kommt eine Doku über Feine Sahne Fischfilet in die Kinos („Wildes Herz“), gerade ist Ihre neue Platte „Sturm und Dreck“ erschienen. Wie hängen diese beiden Projekte zusammen?

Jan „Monchi“ Gorkow: Charly Hübner hat mich angequatscht, wir haben als Band gesagt: „Machen wir“, und er hat uns dann einfach die letzten drei Jahre begleitet. „Sturm und Dreck“ ist der Soundtrack dazu. Im Grunde war es wie in dem Song „Alles auf Rausch“ auf dem neuen Album: Genau in dieser Zeit, wo für uns eins nach dem anderen kam und es tatsächlich wie im Rausch war, ist der Film entstanden.

Die Tour „Noch nicht komplett im Arsch“, bei der Sie im Spätsommer 2016 durch Mecklenburg-Vorpommern getourt sind, um vor den Landtagswahlen gegen den dortigen Rechtsruck mobil zu machen, war sehr beeindruckend. Viele Menschen fragen sich, wie sie rechten Tendenzen effektiv entgegentreten können.

Gorkow: Wir haben das Privileg, viele Leute erreichen zu können. Für uns war klar, dass wir da was machen wollen. Und so sind wir auf die Dörfer gefahren und haben diese Aktion gerissen. Wir haben nicht den Anspruch, mit unserer Musik die Welt zu verändern. Die ganzen Aktionen, die wir in kleinen Orten mit ganz vielen Menschen zusammen gemacht haben, hatten zum Ziel, dass bei den Leuten ankommt: Hier geht noch was. Es gibt was Anderes als diesen Rechtsruck. Und wir haben da nicht das Rad neu erfunden, sondern wir haben gegrillt mit den Leuten, wir haben Fußballspiele gemacht, wir haben Konzerte gespielt – das kann jede andere Band auch.

Bei Konzerten für Optimismus und Zusammenhalt zu sorgen ist die eine Sache. Nur scheint sich dieses Gefühl im politischen Alltag oft zu verlieren, und die Gruppen vereinzeln sich wieder.

Gorkow: Ja, schade.

15-07-31 Rocken am Brocken Feine Sahne Fischfilet 35.jpg

Max Bobzin: Ich sehe es nicht als unsere Aufgabe an, daran etwas zu ändern. Wir können nur von außen einen Anstoß geben, den Rest müssen die Leute dann selber machen. Da muss man dann halt auch mal über seinen eigenen Schatten springen. Auch meine politischen Vorstellungen entsprechen schon längst nicht mehr dem, wovon ich mal geträumt habe.

Gorkow: Wir können nur das machen, was wir können. Darauf haben wir Bock. Und jeder muss halt selber in seinem eigenen Mikrokosmos irgendwie existieren. Dann soll er das machen, aber dann soll er mir damit nicht auf den Sack gehen.

Bobzin: Wir sind gesellschaftlich gesehen nicht an dem Punkt, wo wir uns über Kleinigkeiten streiten können. Wir sind an einem dramatisch anderen Punkt.

Jacobus North: Genau das ist es auch, weshalb ich glaube, dass das Album auch wieder ein bisschen wütender geworden ist. Ich hab das vor allem als ein Wachrütteln gesehen.

Was war zuerst da, die politische Motivation oder die Musik?

Gorkow: Also, ganz zu Anfang war Feine Sahne einfach dazu da, um Musik zu machen. Da ging’s auf jeden Fall nicht um Politik, sondern scheißegal. Wir haben die ganze Zeit über Titten und Muschis gesungen und übers Saufen.

North: Da reden wir nicht drüber.

Gorkow (lacht): Anfangs war uns das total latte. Aber wenn du immer in so Dörfern wie Demmin gespielt hast und erst mal übers Saufen und Ficken singst, dann finden das halt auch Nazis geil. Als wir das dann gecheckt haben, dachten wir uns, da müssen wir uns positionieren.

Bobzin: Politische Musik ist jetzt vielleicht nicht unser Gründungsmythos, ich würde aber sagen, dass das schon zeitnah miteinander einherging.

Gorkow: Eigentlich kommen die Themen auf uns zu. Bei „Angst frisst Seele auf“ beispielsweise geht es um eine Band namens „Erschießungskommando“, die ein Lied geschrieben hat über eine Freundin von mir, Katharina König-Preuß, die im thüringischen NSU-Untersuchungsausschuss sitzt. In deren Lied geht es drei Minuten lang nur darum, wie sie ermordet wird. In unserem Song lauten dann die Textzeilen „Wenn alle mutlos sind, dann halt dich an mir fest und schlag zurück“. Für mich ist das ein hochpolitisches Lied.

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2.)  von Oben    —    25. November 2010: Bergungsbauwerk (vorne). In dem schwarzen Zelt werden die vom Bagger geborgenen Archivalien erstversorgt

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Mobilität ohne Auto

Erstellt von DL-Redaktion am 12. Januar 2018

Plädoyer für eine umfassende Verkehrswende

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von Winfried Wolf

Spätestens seit dem Dieselgate ist klar: Die Mobilität, wie wir sie kennen, steckt in der Krise. Durch die Enthüllungen wurde offenbar, dass die deutschen Autokonzerne, angeführt von VW, ein Jahrzehnt lang die Software der Dieselmotoren derart manipuliert haben, dass die Schadstoffgrenzwerte nur auf dem Prüfstand eingehalten werden. In „freier Wildbahn“ hingegen blasen die Dieselautos das Vielfache des Erlaubten in die Luft – mit erheblichen Konsequenzen für die menschliche Gesundheit. Zugleich spitzt sich die Klimakrise dramatisch zu – davon zeugt nicht zuletzt die im vergangenen Sommer besondere Häufung von Starkregen, Stürmen und Sintfluten weltweit. Dass es sich hierbei nicht um Ausnahmeerscheinungen handelt, sondern um Indizien für die sich beschleunigende Klimaerwärmung, machte auch die Bonner Klimakonferenz im November deutlich. An dieser bedrohlichen Lage hat die Art und Weise, wie wir uns gegenwärtig fortbewegen und Güter transportieren, einen erheblichen Anteil. Doch die Politik scheint angesichts all dessen hilflos, ein Ausweg aus der Krise ist nicht in Sicht. Im Gegenteil: Mit der Zustimmung des baden-württembergischen Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann zur Aushebelung der Fahrverbote für Diesel-Pkw sind nun alle Jamaika-Parteien auf eine Politik des „Weiter so“ eingeschworen.

Dabei liegen beim Dieselgate längst konkrete Beweise für organisierte Kriminalität vor. So wird in einem elfseitigen Dokument aus dem Audi-Konzern mit der Überschrift „Risikoeinschätzung“ aus dem Jahr 2013 detailliert der Code zur Manipulation der Dieselmotoren beschrieben. Auch heißt es dort, es handele sich um eine illegale Betrugssoftware, die im Fall der Aufdeckung massive juristische und finanzielle Konsequenzen nach sich ziehen würde.

Im Zuge der Dieselgate-Enthüllungen wurde auch bekannt, dass es mehr als zwei Jahrzehnte lang geheime, bis ins Detail durchorganisierte Treffen aller deutschen Autokonzerne gab, auf denen offensichtlich die gemeinsame Diesel-Strategie abgesprochen wurde. Die Kartell-Geheimtreffen fanden just zu der Zeit statt, als die Manipulation der Dieselmotoren ihren Ursprung nahm. Da inzwischen auch bei Daimler und Porsche Manipulationen an den Dieselmotoren festgestellt wurden, deutet vieles darauf hin, dass die Betrugssoftware ein essenzielles Element – wenn nicht gar Kernbestandteil – der Kartellabsprachen war. Dafür spricht auch, dass die Verkaufszahlen von Diesel-Pkw ziemlich genau seit zwei Jahrzehnten explosionsartig ansteigen. 1995 lag deren Anteil bei Neuzulassungen noch bei 14,5 Prozent. Bis 2016 war dieser Wert bereits auf 45,9 Prozent hochgeschnellt. Die absoluten Zahlen bezogen auf den Gesamtbestand an Pkw sind nicht minder drastisch: Im Jahr 1998 waren in Deutschland 41,4 Mio. Pkw zugelassen, darunter 5,4 Mio. Dieselautos – ein Anteil von 13 Prozent. 2016 fuhren auf deutschen Straßen bereits 45,1 Mio. Pkw, darunter 15,1 Mio. oder 33,5 Prozent Dieselfahrzeuge.

Für den engen Zusammenhang von Dieselgate und Autokartell spricht auch die Tatsache, dass die deutschen Hersteller sich spätestens im Jahr 2010 darauf einigten, in ihren Diesel-Pkw nur kleine sogenannte AdBlue-Tanks einzubauen. AdBlue ist ein Harnstoff-Wassergemisch, mit dem die Stickoxide in den Motoren zu einem großen Teil neutralisiert werden können, was den Ausstoß dieser stark gesundheitsschädlichen Emissionen reduziert. Das „Handelsblatt“ zitierte jüngst aus einem Papier der deutschen Autohersteller mit dem Titel „Clean Diesel Strategie“ aus dem Jahr 2010, in dem explizit von einem „Commitment der deutschen Automobilhersteller auf Vorstandsebene“ die Rede ist, „künftig kleine AdBlue-Tanks“ zu verwenden.  Und tatsächlich sind diese seither mit zwischen 8 bis 12 Litern so gering dimensioniert, dass das AdBlue bei normalem Dauereinsatz spätestens nach 5000 bis 6000 Kilometern oder nach rund acht Tankfüllungen verbraucht wäre. Doch alle deutschen Hersteller von Diesel-Pkw beruhigen ihre Kunden damit, dass ein Nachfüllen der AdBlue-Behälter mit der klebrigen Flüssigkeit nur alle rund 30 000 Kilometer erforderlich wäre und somit im Rahmen der Kundendienstintervalle stattfinden könne. In der zitierten Präsentation steht sogar explizit: „Kunde darf mit AdBlue nicht in Berührung kommen.“ Das kann jedoch nur heißen: Der Einbau illegaler Abschaltvorrichtungen war von vornherein fest eingeplanter Teil des Systems. Denn nur mit einer geheimen Software, die die AdBlue-Einspritzung erheblich reduziert oder gar ganz abschaltet, wenn der Pkw nicht gerade geprüft wird, kann der viel zu geringe Vorrat an Harnstoff-Flüssigkeit über die 30 000-Kilometer-Distanz gestreckt werden. Mit dieser Abmachung der Automobilhersteller wurde damals stillschweigend die Maxime formuliert, die sich nun auch Merkel, Kretschmann und Co. zu eigen machen: Der Schutz der Motoren geht vor – auf Kosten der menschlichen Gesundheit.

Verkehr als Klimakiller

File:Düsseldorf, Corneliusstraße, Staucafé 1994 (2).jpg

Doch nicht nur über die Gesundheit der Menschen setzt sich die Autoindustrie hinweg. Auch der Klimaschutz ist für ihre Geschäfte ein ärgerliches Hindernis. Dabei wissen wir seit drei Jahrzehnten: Es gibt die menschengemachte Klimaerwärmung – und der Straßen- und Luftverkehr treiben sie zunehmend entscheidend an. Setzt sie sich fort, werden sich die Bedingungen für menschliches Leben auf dem Planeten massiv verschlechtern; Millionen Menschen werden zu Klimaflüchtlingen. Anfang November, im Vorfeld der Bonner Klimakonferenz, wurde die dramatische Lage nochmals bestätigt: Um durchschnittlich drei Grad Celsius wird sich der jährliche Mittelwert der Welttemperatur bis zum Ende des Jahrhunderts erhöhen, wenn die 200 Unterzeichner des Pariser Abkommens nur bei den vor zwei Jahren beschlossenen Maßnahmen bleiben und nicht kräftig nachlegen. Erstmals wurde damit offiziell, nämlich durch das Umweltprogramm der Vereinten Nationen (UNEP), ausgesprochen, dass die als notwendig erachtete Beschränkung der Klimaerwärmung auf maximal zwei Grad Celsius nicht mehr mit den beschlossenen Maßnahmen eingehalten werden kann. Dabei ist der UNEP-Bericht noch zurückhaltend formuliert; andere Indikatoren legen eine deutlich drastischere Negativ-Bilanz nahe.  Der ständig wachsende Autoverkehr, der sich explosionsartig steigernde Flugverkehr und die globalisierte Seeschifffahrt sind für gut ein Viertel der Treibhausgasemissionen verantwortlich – Tendenz in allen drei Bereichen stark steigend.

Das Problem bei der Automobilität sind dabei gar nicht primär Dieselfahrzeuge. Zwar sind sie für einen beträchtlichen Anteil der klimaschädigenden Kohlendioxide verantwortlich, da Dieselautos überwiegend schwere Fahrzeuge mit einem hohen Kraftstoffverbrauch sind. In der Summe sind es jedoch in erster Linie die Benziner, die in einem wachsenden Maß zur Klimabelastung beitragen. Und auch hier ist Betrug im Spiel: Vor 15 Jahren lag der reale Kraftstoffverbrauch von Diesel- und Benzin-Pkw noch um knapp 10 Prozent über dem offiziell ausgewiesenen. Heute beträgt diese Diskrepanz bereits 40 Prozent. Grund dafür ist, dass die offiziell behaupteten Reduktionen des durchschnittlichen Spritverbrauchs in den letzten 20 Jahren – Klimaanlagen und andere technische Neuerungen berücksichtigt – fast nur auf dem Papier stattfanden. Das heißt auch: Die realen Treibhausgasemissionen aller Pkw (und auch diejenigen der Lkw) sind deutlich höher als behauptet, die Schädigung des Klimas ist entsprechend größer.

Die Politik des »Weiter so«

Auf Einsicht kann man bei den Autokonzernen jedoch nicht hoffen: Deren Top-Vertreter haben wiederholt deutlich gemacht, dass sie nur dann zu Konzessionen bereit sind, wenn der Druck auf sie massiv steigt und ihr Profit bedroht ist. Ausgerechnet in den USA war dies beim Dieselgate tatsächlich der Fall: Hier mussten VW und Porsche viele zehntausend Diesel-Pkw mit extrem hohen Stickoxid-Emissionen zurücknehmen; die Kunden in den USA erhielten dafür neue Pkw mit niedrigeren Emissionen oder auch bares Geld. Viele dieser Pkw landen nun jedoch in anderen Regionen der Welt, etwa in Russland und in anderen osteuropäischen Ländern. Ein Hersteller deutscher Luxuskarossen ging sogar dazu über, seine deutschen Mitarbeiter, darunter auch Betriebsräte, mit auf diese Weise repatriierten Dieselautos zu versorgen – oder sollte man schreiben „zu bestechen“? Was in den USA wegen massiver Beeinträchtigung der menschlichen Gesundheit verboten ist, ist bei uns schließlich erlaubt. Und es geht in Europa nicht, wie in den USA, um einige zehntausend Fahrzeuge, die diese extrem gesundheitsschädigenden Abgaswerte aufweisen. Vielmehr handelt es sich um einige Millionen Dieselautos – oftmals weitgehend typengleich mit den in den USA nicht mehr zugelassenen Modellen –, die auf unserem Kontinent mit nur minimalen „Software-Updates“ weiter verkehren dürfen.

Auch auf politischer Ebene ist man weit davon entfernt, die Autoindustrie tatsächlich in die Pflicht zu nehmen. Angela Merkel, immerhin Ex-Umweltministerin und nach eigenem Verständnis „Klimakanzlerin“, tönte: „Der Dieselmotor ist unverzichtbar für den Klimaschutz.“ Und auch Winfried Kretschmann will den Diesel nicht missen: „Ich hab’ mir einen Diesel zugelegt […] Neulich habe ich für meinen Enkel eine Tonne Sand geholt: Da brauche ich einfach ein gescheit‘s Auto.“  Der alte und neue niedersächsische Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) ließ die Entwürfe seiner Dieselgate-Landtagsreden jeweils vorab dem VW-Vorstand zukommen, der die Reden entsprechend den Konzerninteressen umschrieb. Dennoch entrüstet sich Weil zu Recht darüber, dass man sich überhaupt entrüstet. Schließlich besteht die enge Zusammenarbeit zwischen der niedersächsischen Landesregierung und VW seit vielen Jahren. Man muss davon ausgehen, dass sich die Investor-Relation-Abteilungen der Autokonzerne oft bauchrednerisch betätigen – nicht nur bei Äußerungen der Ministerpräsidenten in Hannover, Mainz, Stuttgart, München und Erfurt, sondern wohl auch bei der Kanzlerin.

Angesichts dieser engen Verflechtung von Politik und Autoindustrie verwundert es kaum, dass die Beschlüsse des Dieselgipfels im September viel zu zaghaft ausfielen. Laut Einschätzung von Experten werden die dort vereinbarten Softwareupdates nie und nimmer ausreichen, um die Stickoxid-Grenzwerte bei Diesel-Pkw einzuhalten. Zudem soll es auch weiter den systematischen Betrug geben: Auch in Zukunft sind sogenannte Thermofenster bei Motoren erlaubt, in denen die Abgasreinigung abgeschaltet bleibt. Und das neue, EU-weite Verfahren zur Messung der Abgaswerte (Real Driving Emissions, RDE) im Straßenverkehr erlaubt deutlich höhere Grenzwerte für Schadstoffe als auf dem Prüfstand. Demnach fahren auch zukünftig angeblich saubere Diesel-Pkw bei entsprechend kalten Temperaturen überwiegend im „Schmutzmodus“. Nicht Jürgen Resch von der Deutschen Umwelthilfe, sondern die „Auto-BILD“ kommentierte dies wie folgt: „Die Beschlüsse des Diesel-Gipfels sind wertlos, solange […] Thermofenster und andere Abschalteinrichtungen die Abgasreinigung außer Kraft setzen.“

Wer die aktuellen Debatten zur Verkehrspolitik im Allgemeinen und diejenigen zum Dieselskandal im Besonderen verfolgt, der nimmt erstaunt zur Kenntnis: Es scheint längst eine Lösung für all die neu aufgetauchten Probleme der Pkw-Mobilität zu geben. Diese Lösung trägt das grüne Label „e-mobility“. Und es sind dieselben Top-Manager der Autobranche, die über ein Jahrzehnt mit Motoren-Betrugssoftware hunderttausende Menschen weltweit gesundheitlich schwer schädigen ließen, die nun behaupten, mit dem Elektroauto gewissermaßen die eierlegende Wollmilchsau gefunden zu haben.

Der Mythos vom klimafreundlichen Elektroauto

Quelle     :    Blätter      >>>>>       weiterlesen

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Grafikquellen    :

Oben    —     „Staucafé – Mobil ohne Autos“. Düsseldorf, Corneliusstraße, am 1. Juni 1994.

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2.) von Oben   — 

Description
Deutsch: „Staucafé – Mobil ohne Autos“. Düsseldorf, Corneliusstraße, am 1. Juni 1994.
Date Taken on 
Source Own work
Author Kürschner (talk) 09:08, 7 May 2017 (UTC)
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3.) von Oben   —     KVB-Räder am Neumarkt in Köln

 

 

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Linke Angst vor Zuspitzung

Erstellt von DL-Redaktion am 9. Januar 2018

Die Partei DIE LINKE zum Jahreswechsel 2017-2018

Bildergebnis für Wikimedia Commons Bilder Ruben Neugebauer sea watch

ANGST VOR ZUSPITZUNG, DEMOKRATIEDEFIZITE UND REVIVAL DER ETAPPENTHEORIE

Quelle  :    AKL

Von Thies Gleiss, Köln

Die LINKE steht am Ende von 2017 auf dem ersten Blick ziemlich gut da. Sie hat im letzten Jahr allein 8000 neue Mitglieder auf die heutige Gesamtzahl von 63000 Mitgliedern gewonnen. Sehr viele der neuen Mitglieder sind unter 35 Jahren und nur noch eine Minderheit der Mitglieder hat eine persönliche Vergangenheit in den Vorläuferorganisationen PDS und WASG, die sich vor zehn Jahren zur LINKEN zusammenschlossen. Und für die Idioten: Nur noch eine kleine Minderheit hat eine persönliche Vergangenheit in der SED.

Die LINKE spielt in der ersten Liga der politischen Auseinandersetzungen eine stabile und eigenständige Rolle. Sie erreicht Millionen von Menschen und ihr Potenzial bei Wahlen zum Bundestag liegt zwischen fünf und sechs Millionen WählerInnenstimmen. Bei der Wahl von 2017 hat sie trotz eines sehr konventionellen und handzahmen Wahlkampfes – mit „SpitzenkandidatInnen“, weichgespülten Wahlparolen und allen sonstigen Gefälligkeiten, die die bürgerliche Medienwelt so liebt – mit 9,2 Prozentpunkten und viereinhalb Millionen Stimmen ihr zweitbestes Ergebnis bei Bundestagswahlen erreicht. Dies wurde nur 2009 übertroffen, als sich die Welt in der tiefsten Krise des dominierenden kapitalistischen Produktionssystems seit Ende der 1920er Jahre befand und die LINKE als fast „natürliche Antwort“ auf diese Systemkrise empfunden wurde – und auch, weil die LINKE deutlich weniger auf den parlamentarischen Blödsinn mit „SpitzenkandidatInnen“ und Waschmittelparolen setzte (oder vielleicht auch: sich auf so etwas nicht einigen konnte), sondern einen deutlich profilierteren Wahlkampf führte.

Wichtiger als die parlamentarische Welt ist die reale. Und hier ist die LINKE aus dem gesellschaftlichen Diskurs nicht mehr auszulöschen. Die Sprache wird klarer und verständlicher: Deutschland ist eine Klassengesellschaft. Hier herrscht der Kapitalismus. Die Polarisierung zwischen Reich und Arm nimmt zu. Die Möglichkeiten eines gesellschaftlichen Aufstiegs schwinden, die eines Abstiegs sind größer und bedrohlicher. Die sozialen Konflikte sind keine Ausrutscher und Unglücke, sondern Elemente eines Klassenkampfes.

Aus Sicht eines Bundessprechers der Antikapitalistischen Linken in der LINKEN könnte dies alles noch viel deutlicher werden, aber verglichen mit der Zeit vor dem Jahrzehnt der LINKEN ist der gesellschaftliche Diskurs schon ganz ordentlich aufgemischt worden. Nicht nur durch die LINKE, aber auch durch sie.

Die Sprache wird natürlich auch auf der Gegenseite deutlicher. Es herrscht Klassenkampf von oben. Der zentrale Schlachtruf des Kapitals „Die Arbeitskraft ist zu teuer“ wurde bereits vor 15 Jahren von der damaligen SPD-geführten Regierung erhört. Das Ergebnis ist ein fast flächendeckender Rückgang bei Löhnen und Gehältern, die Senkung der Lohnquote, die Einführung eines großen Niedriglohnsektors als dauerhafter Druck auf die Gesamtheit der Arbeitseinkommen und der Verschärfung der Konkurrenz unter den Beschäftigten, und last not least ein rigides Regiment gegenüber den Erwerbslosen mit Sanktionen und faktischer Zwangsarbeit.

Der Schlachtruf des Kapitals ertönt heute wieder. Immer noch sollen die Kosten für das variable Kapital – wie bei Marx die Lohnkosten heißen – gesenkt und der absolute Mehrwert gesteigert werden. Aber heute wird er durch einen zweiten „Programmpunkt“ erweitert: Mehr Flexibilisierung und damit faktische Verlängerung der täglichen, wöchentlichen, jährlichen und Lebensarbeitszeit. Auch das steigert die Masse des absoluten Mehrwerts und seit geraumer Zeit vernachlässigt das Kapital angesichts der Erfolge auf diesem Gebiet die Investitionen in Rationalisierungen und Produktionsverdichtung, also Steigerungen des relativen Mehrwertes. Und schließlich ertönt nach der kurzen Schockstarre in Folge der Krise von 2008-10 auch der Ruf nach noch mehr Privatisierung, also Ausplünderung staatlichen und gesellschaftlichen Eigentums, als drittes Kriegsziel des Kapitals im Heimatland. Zu den Zielen am Weltmarkt, dem Börsengezocke und dem Freihandelsgeschrei des Kapitals später mehr.

Weil es einige in der LINKEN so fanatisch anders sehen, sei hier angemerkt: Diese Schlachtrufe, dieses „Programm des Kapitals“ sind nicht Eigenarten nur der großen Konzerne, sondern das kleine und mittlere Kapital gehört dabei zu den lautesten Krakeelern.

Deutschland ist kein Land der großen sozialen Eruptionen. Die Zahl der Streiktage – immer schon im weltweiten Vergleich sehr niedrig – ist wieder gesunken. Statt wie anderswo über einen Generalstreik nachzudenken, haben die Gewerkschaften – Führung wie Basis – die Lohnsenkungen fast ein Vierteljahrhundert lang hingenommen. Die TeilnehmerInnenzahlen bei sozialen Protesten gehen auch zurück. Der gewerkschaftliche Organisationsgrad schwindet.

Aber dennoch ist Deutschland auch kein Land der Friedhofsruhe. Es gab einige spektakuläre Tarifkämpfe und Streiks, bei ErzieherInnen, Pflege- und Reinigungskräften. Es gab regelmäßig große und größere Mobilisierungen der Umweltbewegung, gegen einzelne Projekte wie Stuttgart 21 oder gegen die Atomkraft, den Kohleabbau, die Zerrüttung der Landwirtschaft und allgemein die Klimazerstörung. Es gab viele lokale Proteste gegen Arbeitsplatzabbau und vor allem die drängende Wohnungsnot in fast allen Großstädten. Es kam zu Mobilisierungen gegen den Überwachungsstaat und seit ein paar Jahren erleben wir wieder Demonstrationen nicht nur am 8. März gegen die bleibende, wenn nicht gar wachsende Frauendiskriminierung. Allein die Anti-Kriegs- und Friedensbewegung steckt weiterhin in einer Identitätskrise, in die sie nach dem Ende der Blockkonstellation auf der Welt, geraten ist. Aber auch von ihr gibt es wenigstens regelmäßige kleinere Lebenszeichen.

Bei fast allen diesen Aktivitäten ist die LINKE maßgeblich beteiligt. Ihre Mitglieder sind bei den Aktionen dabei, verteilen und verbreiten Solidaritätserklärungen; die parlamentarischen Vertretungen leisten umfangreiche Unterstützung und liefern ihren Beitrag zu einer Gegenöffentlichkeit.

Es gibt selbstverständlich immer Steigerungsmöglichkeiten bei dieser realen Solidarität mit sozialen Bewegungen und die LINKE-Strukturen sind , nicht nur durch ihre starke parlamentaristische Fixierung, eher müde, schlapp und schwer auf die Beine zu bekommen. Aber die LINKE steht immer auf der richtigen Seite und große Mengen an Mitgliedsbeiträgen und Staatsknete kommen, von der LINKEN weitgehend altruistisch vergeben, den sozialen Bewegungen zugute.

Letztlich sind die LINKE und die mit ihr verbundenen Strukturen, wie die Rosa-Luxemburg-Stiftung, Jugend- und Studierendenverband oder die parlamentarischen Vertretungen, auch eine beachtliche Jobmaschine für Arbeitssuchende, für junge AkademikerInnen oder SozialwissenschaftlerInnen, die anderswo verbrannt sind. Wir verbuchen das ausdrücklich unter den positiven Bilanzwerten der zehn Jahre LINKE in Deutschland, auch wenn das Einige anders sehen. Die LINKE hat großen Anteil an einem Wiederaufleben linker, sozialistischer oder marxistischer Theorie- und Bildungsarbeit.

Dem gegenüber steht auf der negativen Seite fast ausschließlich das Kapitel „Regierungsbeteiligungen“. Nirgendwo – weder in Berlin, noch in Brandenburg, Thüringen oder den vielen kommunalen Gelegenheiten – ist die Beteiligung von LINKEN an der Exekutive zu einem Leuchtfeuer für eine wirkliche Wende in der Politik geworden. Und nur das ist für uns Maßstab. Kleine Reförmchen sind unter jeder Regierung abzutrotzen oder anderswie möglich, aber der Bruch mit der bisherigen Politik und die Ermutigung für radikale Schritte in eine andere Richtung, das wäre unter einer wirklich linken Regierung möglich, wenn die Bedingungen stimmen, ist aber in keinem einzigen Fall geschehen.

Es gab stattdessen Rumkrebserei um – wie aus sozialdemokratischen Zeiten nur zu gut bekannt – „das Schlimmste zu verhüten“, es gab Raubbau am Image der LINKEN als radikale, antikapitalistische Protest- und Alternativpartei und es gab leider auch das: Eine Reihe von Maßnahmen, die LINKE Politik niemals machen darf: Zustimmung zu Kürzungen; zu Privatisierungen; Beteiligung an der Überwachung, sogar der eigenen Basis; Abschiebungen und Drangsalierung von Geflüchteten; Zustimmung zu Aufrüstungsmaßnahmen von Polizei, Bundespolizei und Armee. Diese realen Fehlentscheidungen prägen noch nicht das Gesamtbild der Partei DIE LINKE, sie sind deshalb auch kein Anlass, die Partei aus linker, antikapitalistischer Sicht zu spalten oder individuell zu verlassen – aber jede dieser Maßnahmen unterminiert die wichtigste Währung die linke Parteien haben: die politische Glaubwürdigkeit.

Alles gut, oder doch nicht…

Soweit der erste Blick und der von außen auf das Ganze. Bei einer Analyse der Lage der Partei DIE LINKE in einer Innensicht, sieht das Bild deutlich trüber aus.

Auch in Deutschland marschiert die Rechte. Die AfD hat große Wahlerfolge zu verbuchen und es ist ihr gelungen, sowohl rechte Konkurrenzgruppen an die Seite zu drängen, als auch – ein deutlich größeres Kunststück – mindestens drei verschiedene rechte Strömungen (eine wirtschaftsliberal-nationalistische, eine christlich-fundamentalistische und eine völkisch-rassistische Strömung) in einer Partei zusammenzuhalten, trotz mehrerer bereits erfolgter Abspaltungen.

Aber es ist der AfD nicht gelungen, einen gleichzeitigen Aufschwung der LINKEN zu verhindern.

Um einer Geisterdebatte entgegenzutreten: Die AfD ist keine politische Mobilisierung der ärmsten und untersten Schichten der ArbeiterInnenklasse, obwohl immer wieder das Gegenteil behauptet wird. Der politische Ursprung der AfD und auch ihre größten WählerInnenanteile befinden sich in der von Abstiegsängsten – realen oder eingebildeten – geplagten Mittelschicht und bei den von diversen nationalistischen, traditionalistischen und kleinbürgerlichen Dünkeln geprägten besserverdienenden Oberschicht der Lohnarbeitenden, vielfach in ländlichen Gebieten. Die wirklichen untersten Schichten gehen weiterhin kaum zu bürgerlichen Parlamentswahlen, zum Teil, weil ohne deutschen Pass, dürfen sie auch gar nicht wählen. Alle Wahlanalysen der letzten Zeit belegen diese Einschätzung.

Das Programm der AfD entspricht den seit langem von den Herrschenden und ihren Massenmedien gepredigten Konzepten der Leistungsorientierung, sozialen Selektion der Besten und rassistischen Vorurteilen. Die AfD verkauft sich, wie alle rechten Erfolgsparteien, als konsequente Durchführung und Fortsetzung der heute angeblich notwendigen bürgerlichen Politik, zu der die „Altparteien“ nicht mehr die Kraft und den Mut haben.

Die AfD ist nicht Ergebnis einer falschen Politik der LINKEN und eines verlorenen Konkurrenzkampfes der LINKEN mit der AfD. Die gesellschaftliche Polarisierung vom Oben gegen Unten und die andauernde Legitimationskrise der bürgerlichen Parteien bringen fast immer eine politische Polarisierung Rechts gegen Links mit sich. Die Existenz und die praktische lebendige Politik der LINKEN ist deshalb die wichtigste Maßnahme gegen die AfD. Wer diese Polarisierung verwischen will, nach dem Motto, die AfD-AnhängerInnen wären doch auch irgendwie Protestierende oder „objektiv AntikapitalistInnen“, der oder die begibt sich in existenzielle Gefahr für die Partei DIE LINKE.

Trotz der bestechenden ökonomischen Erfolgsdaten in Deutschland befindet sich die politische Herrschaft des Kapitals auch hier in einer schon lang andauernden und sich vertiefenden Legitimationskrise.

Das hat zwei Gründe. Zum einen lassen sich die Verlierer der neoliberalen Phase des Kapitalismus auch in Deutschland nicht kaschieren. Zu viele Menschen erleben die angeblichen Erfolge der „Wirtschaft“ in Deutschland als persönliche Bedrohung oder gar schon erfolgten Abstieg. Gleichzeitig führen die Globalisierung und die weltweite Transparenz durch die neuen Informationsmedien auch immer mehr die weltweiten Kosten dieser deutschen Sonderrolle vor Augen. Abstiegsängste und reale Begegnung mit den Geflüchteten aus aller Welt, die Katastrophenberichte und gefühlt schnellere Abfolge von Krisen kombinieren in den Köpfen der Menschen die weltweite ungleiche und ungleichzeitige Entwicklung des Kapitalismus zu einer komplexen Gemengelage von Zukunftsängsten.

In fast allen Ländern – auch in Deutschland – gilt die wichtigste Formel für stabile Produktions- und Machtverhältnisse nicht mehr: Dass die Elterngeneration den Kindern überzeugend vermitteln kann, dass es ihnen einmal besser als einem selbst gehen wird. Darin drückt sich die verallgemeinerte Krise des weltweiten Kapitalismus am intimsten aus.

Der andere Grund für die Legitimationskrise der Herrschenden auch in Deutschland ist die fast finale Krise des wichtigsten Projektes des deutschen Kapitals: Die Bildung und Stärkung der Europäischen Union als schlagkräftige Bastion im Konkurrenzkampf mit anderen Sektoren des Weltkapitalismus, vor allem Nordamerika und Asien. Mit der EU wurde eine Erfolgsgeschichte verbunden, mit der eine neue Akzeptanz der Menschen für den Kapitalismus, eine reale lang anhaltende Wachstumsperspektive und in letzter Instanz sogar ein europäisch-nationalistisches Heimatgefühl in der Bevölkerung zu erreichen sei. Diese Geschichte wurde kein Erfolg, sondern ein großer Flop. Der bürgerlichen Klasse in Europa ist mit der tiefen Krise der EU ihr einziges mit Hoffnung für die Gesamtheit der Bevölkerung verbundenes Projekt verloren gegangen. Deshalb unterliegt sie zurzeit auch so heftig der Angst-Mobilisierung der rechten Parteien in fast allen europäischen Ländern. Eine Angstkampagne kann nur mit einer Hoffnungskampagne wirklich bekämpft werden. Das gilt auch für die LINKE.

Die LINKE hätte große Chancen, sowohl in der Mobilisierung gegen Rechts als auch in der Kritik und Mobilisierung gegen die EU ihr Profil und ihre Akzeptanz als glaubwürdige, moderne und scharf antikapitalistische Kraft zu schärfen und auszubauen. Dazu wäre es nötig, ein radikales Programm zur Überwindung des Kapitalismus in populärer Sprache und mit eingängigen Forderungen zu verbreiten. Im Zentrum eines solchen Programms müsste mehr stehen als die heute von der LINKEN geforderte Umverteilung: Ein alternatives Europa von Unten, mit regionaler und dezentraler Ökonomie, mit breitester demokratischer Verfassung. Dazu ein Programm der Enteignung der großen Konzerne. Ein Programm der radikalen Arbeitszeitverkürzung für alle ohne Lohneinbußen. Ein Programm der weltweiten Beendigung der Kriege, Stopp der Rüstungsproduktion und weltweite soziale Rechte für alle Menschen, einschließlich des Rechtes auf Freizügigkeit, der Umverteilung von den reichen in die armen Länder, der Begrenzung der Freizügigkeit für das Kapital und der Aufbau fairer Austauschbeziehungen. Ein Programm des radikalen, weltweiten Schutzes des Klimas und der Biosphäre. Hört sich schwierig an, so etwas zu formulieren, ist es aber nicht.

Leider nutzt die LINKE diese Chancen nicht.

Der Grund dafür liegt in ihrer inneren Entwicklung in den zehn Jahren der Existenz. Es sind eine Reihe von inneren Kräften losgetreten worden, die eine weitere positive Entwicklung der LINKEN stark bremsen, wenn nicht gar verhindern.

Zerknirscht am eigenen Erfolg

Der Erfolg der LINKEN hat – so ist leider fast immer die Geschichte oppositioneller Parteien – auch zu Stärkung wachsender Teile in der Mitgliedschaft geführt, die ihre Lust, den Kapitalismus zu überwinden, schon im hohen Maße verloren haben und sich mit ihren persönlichen und den parteilichen Erfolgen von heute nicht nur zufrieden geben, sondern sie mit der für solche Kräfte eigentümlichen konservativen Grundhaltung verteidigen. Zum Teil werden mit dem Zuwachs an neuen Mitgliedern auch direkt solche politisch zaudernden Kräfte angezogen oder von den entsprechenden Parteikräften zur Unterstützung bewusst rekrutiert.

Die LINKE ist zehn Jahre alt. Das heißt, ein wachsender Teil der Funktionäre und des Mittelbaus der Partei hat schon zwei oder mehrere Amtsperioden hinter sich. Die Statuten der Partei sehen für Parteiämter als Sollbestimmung eine maximale Dauer von acht Jahren vor. Die Fälle, in denen diese Satzungsempfehlung übergangen wird, häufen sich. Gleichzeitig breitet sich Ämterhäufung immer mehr aus. Es entsteht eine Schicht von halb oder ganz professionellen Parteifunktionären, die sich selber immer mehr als „unersetzlich“ inszeniert, entsprechende, unterstützende Seilschaften aufbaut und leider auch von der Partei in der Folge immer häufiger als angeblich „unersetzlich“ angesehen wird. Kommt – bei professionellen MitarbeiterInnen der Partei und ihres Umfeldes – noch Geld mit ins Spiel, so verfestigt sich dieses „bürokratische“ Eigeninteresse einer Schicht von Parteimitgliedern noch.

Wir setzen „bürokratisch“ hier in Anführungszeichen, weil es natürlich nicht um echte „Kratie“, also Herrschaft, geht, wie beispielsweise in den Großgewerkschaften, der SPD oder gar in den früheren nicht-kapitalistischen Staaten nach dem Modell der UdSSR. Aber die Wirkung dieser Mechanismen ist auch in einer mittelgroßen Partei wie der LINKEN sehr ähnlich.

Noch fataler, weil jede zeitliche Beschränkung fehlt, ist die Wirkung von parlamentarischen Ämtern auf die Entwicklung der LINKEN. Jeder und jede auch nur einigermaßen aufgeklärte Linke weiß, dass der bürgerliche Parlamentarismus spätestens mit dem Aufkommen großer ArbeiterInnenparteien mit Parlamentsfraktionen nicht viel mehr als ein teures Unterfangen der herrschenden Klasse wurde, oppositionelle Parteien einzufangen, zu besänftigen, zu integrieren und zu korrumpieren. Jede weitergehenden Möglichkeiten und Rechte wurden nötigenfalls gewaltsam beschnitten.

Nach fünf oder gar zehn Jahren Parlamentsarbeit ist jedeR Abgeordnete ein anderer Mensch. Die parlamentarische Scheinwelt gaukelt ihm oder ihr eine Wichtigkeit vor, die dann auch in das tägliche Verhalten eingeht.

Wenn große, erfolgreiche ArbeiterInnenparteien (und oft genug auch kleine) ihren Charakter veränderten, sich nach rechts und in Richtung Zustimmung zu den gesellschaftlichen Zuständen bewegten, die sie in ihrem Programm eigentlich bekämpfen wollten, dann standen immer die Parlamentsfraktionen im Mittelpunkt dieser Rechtsentwicklung. Ausnahmslos.

Der klassische Weg solcher Parteien ist mit der Formel „Die Mitglieder der Partei haben gar nichts, die Vorstände wenig und die Fraktionen alles zu sagen“ etliche Male beschrieben worden.

In der LINKEN ist die Herausbildung einer Schicht von ParlamtaristInnen schon sehr weit fortgeschritten. Fast kein Kreisverband, kein Landesverband und auch nicht der Bundesverband werden nicht in erdrückender Weise von den MandatsträgerInnen und deren loyalen MitarbeiterInnenstäben bestimmt.

Die ebenso dramatischen wie befremdlichen Vorgänge in der Bundestagsfraktion der LINKEN nach der Wahl im September 2017 sind ein letztes Beispiel, wo die politische Vormachtstellung der Partei und Macht der breiten Mitgliedschaft fast putschartig durch die Fraktionsspitze an den Rand gedrängt wurden.

Das sind wahrlich keine neuen und überraschenden Vorgänge. Wer auch nur im kleinen Umfang die Debatten der ArbeiterInnenbewegung seit der großen Spaltung zwischen einer rechtsgewendeten Sozialdemokratie und radikalen SozialistInnen Anfang des zwanzigsten Jahrhundert bis heute nachvollzieht und die theoretischen Ergebnisse eines damals entstehenden „Marxismus des subjektiven Faktors“ aufarbeitet, der oder die wird mehr oder weniger lakonisch zur Lage in der LINKEN von heute sagen: Alles schon mal dagewesen, alles schon etliche Male diskutiert worden.

Neu und ziemlich verwegen ist allerdings, dass die LINKE in Deutschland fast nichts davon wissen will, wie solche Mechanismen gestoppt oder zumindest verlangsamt werden können. Fast keine andere linke Partei irgendwo auf der Welt leistet sich diese Ignoranz.

Dabei wäre es (noch) relativ einfach, diese wichtigste Basis der Krise und Unzufriedenheit in der und mit der LINKEN zu entschärfen:

Es beginnt mit einer systematischen Aufklärung in den Kreisverbänden und anderen Mitgliedsstrukturen, wie der bürgerliche Parlamentarismus funktioniert, wo die Grenzen der repräsentativen bürgerlichen Demokratie sind und worin die Alternative einer kollektiven, solidarischen, sozialistischen Demokratie besteht. Dazu gehört die systematische Erziehung, dass ein parlamentarisches Mandat eine große politische Privilegierung bedeutet, aber gleichzeitig auch nicht das Kernziel von linker politischer Aktivität sein darf. Die Mitglieder brauchen eine andere politische Erziehung als sie heute in der LINKEN vorherrscht, wo allseits das Parlamentsmandat als Klimax der politischen Glückseligkeit verkauft wird.

Gleichzeitig müssten sämtliche Parteiämter und vor allem parlamentarische Mandate befristet werden. Maximal zwei Legislaturperioden sind mehr als genug, besser wäre es noch, nach jeder Wahl die Parlamentsfraktionen fast komplett auszutauschen.

Alle materiellen, in Geld oder geldwerten Vorteilen ausgedrückte Privilegien müssen umfassend transparent gemacht und mit für alle geltenden Regeln beschränkt werden.

Die Trennung von Parteiamt und parlamentarischen Mandaten sollte viel rigider als heute in der LINKEN umgesetzt und auf die MitarbeiterInnen der Abgeordneten ausgedehnt werden.

Letztlich muss Ämterhäufung stark geächtet und verhindert werden. Eine linke, systemoppositionelle Partei, die aktivistisch und kämpferisch ist, braucht ein starkes Fundament an wechselnden, gerne auch rotierenden FunktionärInnen auf allen Parteiebenen. Die Geschichte von solchen Parteien zeigt, dass eine Quote von dreißig Prozent der Mitgliedschaft, die solche Ämter ausfüllen, eine realistische Größe ist.

Eine linke, an Parlamentswahlen teilnehmende Partei muss sich der Gefahren der Abhängigkeit von Staatsknete stets bewusst sein. Es gibt in verschiedenen linken Parteien in Europa eine Fülle von Mechanismen, die die giftige Wirkung solcher staatlichen Finanzierung bremsen (und gleichzeitig nicht der Eintritt in die Illegalität und Verbrecherkarriere bedeuten). Es ist allerhöchste Zeit, dass die LINKE in Deutschland sich solcher Fragen annimmt.

Die Scheintheorie der Verknöcherten

Die hier beschriebene konservative Schicht an Parteimitgliedern, die zu den ProfiteurInnen der Dialektik der partiellen Errungenschaften gehören, bedient sich fast immer einer merkwürdigen Scheintheorie, um ihr Verhalten zu erklären. Es sind dies diverse Schattierungen der „Etappentheorie“.

Versucht das Parteiprogramm – auch das der LINKEN, das sogenannte Erfurter Programm, was darin sogar ganz gut ist – eine ganzheitliche Analyse des gesellschaftlichen Systems des Kapitalismus zu geben und die Opposition dagegen als eine Einheit verschiedener Kämpfe darzustellen, die sich bündeln und vereinheitlichen müssen, so treten die berufspolitischen Zauderer in den Parlamentsfraktionen oder einigen Parteivorständen regelmäßig mit Behauptungen auf, dass tagespolitisch nicht das Programm die Richtschnur sein könne, dass darin nur Forderungen und Ziele für die „ferne Zukunft“ stehen würden und alles „zu radikale“ nicht „vermittelbar“ sei. Je nach Laune und Aufgabenstellung wird aus dieser Rechtfertigungshaltung auch mal eine komplette theoretische Weltanschauung, dass der Sozialismus, und damit Herz, Verstand und Seele der LINKEN, gar nicht aktuell sei, dass nur kleine Schrittchen und Pirouetten im parlamentarischen Zirkus auf der Tagesordnung stehen.

Es wird auf diese Weise in der Praxis ein täglicher und tagespolitischer Widerspruch zu den einfachen aktiven Parteimitgliedern hergestellt. Die erleben nämlich immer, dass es notwendig ist, die kompletten gesellschaftlichen Zusammenhänge in der tagespolitischen Auseinandersetzung aufzuzeigen, Kämpfe und Opposition auszudehnen und zu radikalisieren. Sie erleben jeden Tag die von Karl Marx so treffend analysierte Realität einer Klassengesellschaft in Form des Prinzips Klasse gegen Klasse. Und sie erleben damit in jeder einzelnen Aktion die Aktualität einer umfassenden gesellschaftlichen Alternative in Form des Sozialismus. Zum 200. Geburtstag von Karl Marx ist dies so aktuell wie immer.

Nur der oder die ruhiggestellte BerufspolitikerIn kann sich den „Luxus“ einer Etappentheorie leisten oder will ihn sich sogar – je nach Gemütslage – ausdrücklich leisten, um allzu viel Radikalität und damit Bedrohung seines oder ihres Vorgartens zu verhindern.

Die LINKE erlebt gerade ein furchtbares Paradebeispiel der Auswirkungen dieser Pseudotheorie des „Etappismus“. Die klug ausgearbeitete programmatische Positionierung der LINKEN zur Frage von Migration und Flucht wird von Teilen der Fraktion und ihr loyal folgenden MitarbeiterInnen und anderen Gefolgsleuten als angeblich nicht aktuell, sondern für die „ferne Zukunft gedacht“ dargestellt. Dies ausgerechnet in einer Zeit, wo die Positionen der LINKEN so nötig wie nie zuvor sind. Eine größere Herausforderung des weltweiten Kapitalismus als durch die Millionen von Freihandel, Krieg und Umweltzerstörung zur Flucht getriebenen Menschen gab es seit dem zweiten Weltkrieg nicht mehr. Nirgends könnte die Notwendigkeit einer weltweiten sozialistischen Gemeinschaft und die Notwendigkeit einer neuen Internationale, die dafür kämpft, besser begründet und in tagespolitische Kämpfe integriert werden, als an der Frage von Flucht und Migration.

Eine weltweite Umverteilung, die Beendigung von Rüstung und Kriegen und faire gleichberechtigte Wirtschaftsbeziehung auf der Welt sind wichtige Voraussetzungen, Fluchursachen zu bekämpfen. Wichtiger ist aber noch das weltweit soziale Recht auf Mobilität der Menschen, auf Freizügigkeit der Arbeitskraft, um die Spaltungsmöglichkeiten des Kapitals gegenüber der ArbeiterInnenklasse zu mindern.

Stattdessen flüchtet ein Teil der konservativen oder konservativ gewordenen Schicht aus FunktionsträgerInnen in der LINKEN in ein absurdes Herumdrucksen, man müsste ja den Menschen helfen, könne es aber nicht; in ein Konstrukt, dass der Weltkapitalismus seine Probleme doch bitte lieber in nationale Grenzen stecken solle und ähnlichem Unsinn. Es wird mit nationaler Beschränkung der Politik und Trennung von Asyl und Migration gespielt, ohne klar zu sagen, wer solche Beschränkungen durchführen soll und wie sie aussehen könnten ohne Polizeistaatsmaßnahmen durchzuführen, wie sie die Rechten fordern.

Je simpler solche Reden daherkommen, um so weniger sind sie leider unterscheidbar von der rechten Kritik an den kapitalistischen Zuständen, die bekanntlich keine Kritik, sondern Bestätigung ist.

Flucht nach vorn zurück

Es gibt auch – allerdings nicht sehr überzeugend – den theoretischen Versuch, dass die Erstarrung der LINKEN und ihre parlamentarische Desorientierung deshalb als so krisenhaft und unattraktiv empfunden werden, weil sie noch nicht breit und ausführlich genug geraten sind. Da wird sozusagen das Kind nicht nur mit dem Bad ausgeschüttet, sondern mit den Wassermassen auch noch anschließend ertränkt.

Das jüngste Beispiel dafür ist die These von Oskar Lafontaine, statt einer demokratischen , aktivistischen Mitgliederpartei, müsse eine „linke Sammlungsbewegung“ aufgebaut werden. Diese solle zwar „die traditionellen Parteistrukturen überwinden“, aber losgehen soll es erstmal mit einer Allianz mit der alten SPD. Aber die ist ja schon mit dem „Rot-Rot-Grün“-Lockmittel nicht zu einer Änderung ihrer prokapitalistischen Politik bereit gewesen.

Eine solche Sammlungsbewegung ist ein praktischer und theoretischer Rückschritt, hinter die von Marx so historisch prägend ausgearbeitete Notwendigkeit einer politisch von der Bürgerklasse unabhängigen ArbeiterInnenpartei, als erste Voraussetzung der Überwindung des Kapitalismus. Ich habe dazu schon vor kurzem folgendes ausgeführt:

„Dafür wird – wieder unter der Führung von Oskar Lafontaine – als neueste Marotte erklärt, die Form der Partei DIE LINKE wäre überholt und müsse durch eine neue linke Sammlungsbewegung ersetzt werden, die das gesamte Spektrum von alter Sozialdemokratie bis zu neuen linken Jugendlichen abdecken würde. Sie müsste sich – so Lafontaine – an PODEMOS im spanischen Staat, an France Insoumise von Jean Luc Mélenchon in Frankreich, oder auch an den Kampagnen von Bernie Sanders in den USA und Jeremy Corbyn in Britannien orientieren.

Es wäre leicht, diesen Vorschlag von Oskar Lafontaine zu belächeln und ihn mit dem Hinweis, „in Deutschland nicht möglich“ abzutun. Solche Sammlungsbewegungen sind dann erfolgreich, wenn eine oder auch mehrere linke politische Parteien weitgehend erodiert oder – wie in den USA – historisch noch gar nicht entstanden sind. Da solche Sammlungsbewegungen – bei Lafontaines Vorstellungen sogar mehr als anderswo – über Wahlen aufgebaut werden, ist ein Land mit Mehrheitswahlrecht, wie Frankreich, Britannien, USA, dafür leichter zu benutzen. Selbst im autoritätsgläubigen Deutschland wären in kürzester Zeit mehrere mit einander konkurrierende „FührerInnen“ auf dem Plan, die solche Sammlungsbewegung bestimmen wollen. Sein zusätzlich erwähntes Vorbild „PODEMOS“ in Spanien hat eine völlig andere Geschichte und ist stark an die Existenz großer, neuer sozialer Protestbewegungen gekoppelt. Dieses Modell ähnelt der Entstehungsgeschichte der Grünen in Deutschland und ist bereits heute in den gleichen Vorstufen einer tiefen Krise wie die Grünen ab 1986, weil sie den radikalen Impuls einer Bewegungspartei durch eine undemokratische, auf das Parlament und Regierungsoptionen fixierte Reformpartei ersetzen will oder – schlimmer noch – ohne es bewusst zu wollen ersetzt hat.

Doch das ist die unwichtigste Kritik an Lafontaines Vorschlägen. Viel gravierender ist es, dass er auch damit – wie mit seinen wirtschaftspolitischen Vorstellungen, bei denen er auch von Sahra Wagenknecht unterstützt wird – einen Rückschritt weit hinter die Positionen von Marx und Engels vollzieht, die damit zu ihrer Zeit die moderne sozialistische oder zumindest antikapitalistische ArbeiterInnenbewegung begründeten.

Lafontaine ähnelt sehr dem großen Gegenpart von Marx, Ferdinand Lassalle. Dessen Vorstellung einer straff von ihm allein geführten Sammlungsbewegung mit Stützpunkten höchstens in einzelnen Arbeitervereinen, war schon damals nicht in der Lage, die Aufgaben eines politischen Klassenkampfs der Arbeiterinnen und Arbeiter zu bewältigen. Das trifft auf die heutigen – bisher immer nur vage angedeuteten – Ideen von Lafontaine noch viel mehr zu. Seine Idee einer Sammlungsbewegung auf Basis einer national beschränkten, etatistischen Kritik am Kapitalismus in Kombination mit proudhonistischen Wirtschaftsvorstellungen, bedeuten in jeder Hinsicht einen politischen Rückschritt.

Die seit Marx’ Zeiten entwickelte Konzeption einer demokratischen und aktivistischen Mitgliederpartei, die von unten nach oben aufgebaut ist, die einen pluralen und umfassend demokratischen innerparteilichen Diskurs pflegt und die vor allem auf einem Programm der vollständigen politischen Unabhängigkeit der ArbeiterInnenbewegung von den bürgerlichen politischen Kräften und Parteien aufbaut , ist ein großer politischer Fortschritt, der unzählige Erfolge der demokratischen und sozialistischen Bewegung – einschließlich revolutionärer Brüche – überhaupt erst möglich gemacht hat.

Lafontaines Vorschläge bedeuten gerade in Deutschland, dem Mutterland einer politischen ArbeiterInnenbewegung, einen großen theoretischen und praktischen Rückschritt, der zu einer Partei oder einem parteiähnlichen Gebilde führen wird, das undemokratisch und beliebig den Störmanövern der bürgerlichen politischen Gegenkräfte ausgesetzt ist und von ihnen manipuliert werden kann. Die Entstehung der Partei DIE LINKE ist zum Teil die Geschichte einer linken Sammlungsbewegung auf dem Fundament einer nicht sehr starken sozialen Bewegung. Sie muss diese Bewegungsverankerung stärken und den Charakter einer Sammlungsbewegung gerade in Richtung einer „echten demokratischen Mitgliederpartei auf einem klaren Programm verlassen.

Es gibt zu einer demokratisch verfassten Partei, bei denen die Mitglieder alles entscheiden, die politische Strömungen und Debatte zulässt und organisiert und die jeden Tag die Gefahren einer Versumpfung im bürgerlichen Parlament erfasst und bekämpft wird keine Alternative, wenn nicht das Ziel, den Kapitalismus zu überwinden preisgegeben wird.

Das sollte selbst dann breit diskutiert und verworfen werden, wenn die Ideen von Lafontaine schon viel früher und vordergründiger am Scheitern sind.“

Neuaufstellung

So bleibt als Fazit, dass die LINKE sich zügig und besonders im Vorfeld ihres für 2018 geplanten Parteitages neu aufstellen sollte.

Problembewusstsein für die parlamentarische Erstarrung, programmatische Zuspitzung der Kritik am realen Kapitalismus und der Aufbau einer demokratisch strukturierten aktiven, an den sozialen Bewegungen ausgerichteten Mitgliederpartei – das sind die Stichpunkte für das neue Jahr.

akl - Antikapitalistische Linke

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Grafikquelle   :    Der Schrei / The Scream, undated drawing Edvard Munch, Bergen Kunstmuseum

Edvard Munch Eigenes Werk

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Zukunft des Zirkus

Erstellt von DL-Redaktion am 26. Dezember 2017

Salto mortale

Von Dominik Baur

Die Abgesänge auf den Zirkus häufen sich, viele große Namen sind verschwunden. Dafür boomen heute die Weihnachtszirkusse. Eine Liebeserklärung.

Beginnen wir diese Geschichte dort, wo sie fast immer beginnen, die Geschichten vom Zirkus: in der Kindheit. Fünfziger Jahre, Wilhelmsburg, ein Arbeiterstädtchen in Niederösterreich. Hier wächst Bernhard Paul auf. Eines Nachts kommt ein Zirkus in die Stadt: der große Rebernigg. Hunderte bunte Zirkuswagen überschwemmen den Ort. Weil der Zirkusplatz zu klein ist, stehen sie in jeder Gasse. „Du wachst auf, gehst raus und denkst dir: Was ist denn da los? Boah!“ Es sind zwei, drei Tage, an denen Wilhelmsburg farbig wird. Als hätte Willy Brandt mal eben auf einen Knopf gedrückt.

Paul verbringt jede freie Minute auf dem Zirkusplatz. Exotik, Erotik, Artistik – und natürlich die Clowns! Der Junge ist infiziert, hat sich die schönste und hartnäckigste aller Kinderkrankheiten eingefangen. Natürlich will er am letzten Tag mit dem Zirkus durchbrennen. Wer will das nicht damals? Er kommt bis zur Ortsausfahrt. Dort zieht ihn der Vater aus dem Wagen.

Die sprichwörtliche Lücke, die etwas hinterlässt – beim Zirkus ist sie sichtbar. Der leere Zirkusplatz, wo tags zuvor noch die Pferde ihre Kreise zogen, die Clowns ihre Sketche darboten, die Feuerspucker Feuer spuckten. Alles weg. Wo gestern noch Farbe war, herrscht wieder grauer Alltag.

Anderntags geht der verhinderte Ausreißer zum Zirkusplatz. Am Boden zeichnet sich nur noch ein Kreis aus Sägemehl ab. „Ich bin da gesessen und hatte das Gefühl, meine Familie hat mich verlassen. Dann habe ich im Sägemehl noch ein paar Pailletten gefunden, die habe ich heute noch.“

Es war ziemlich genau zu dieser Zeit, als im Spiegel ein Artikel über den Ruin des Zirkus erschien. Darin hieß es: „So teuer die Erinnerungen an das kindliche Staunen über die Manegenwunder dem Herzen des heutigen Großstädters sein mögen, niemand sieht daran vorbei, dass ein Asphalt-Mensch auf den traditionellen Fez mit Tschingdarassa, Trommelwirbel und ,Allez-hopp‘ so wenig anspringt wie ein Sack feuchtes Sägemehl.“ Und 1970 erzählte der Schriftsteller Wolfdietrich Schnurre: „Vor zwei Jahren ging ich wieder in den Zirkus. Ich wollte wissen, ob er schon tot ist oder nicht.“ Schließlich sei er „heute schon ein vollkommener Anachronismus“. Die Sitte, seinen Tod anzukündigen, gehört zum Zirkus wie Pferde und Popcorn, sie ist so alt wie die ersten Filmprojektoren. Mindestens.

So ganz grundlos waren die Prophezeiungen ja nie. Sind sie auch heute nicht. Viele Großzirkusse sind in den vergangenen Jahrzehnten zugrunde gegangen. Williams, Althoff, Hagenbeck, Busch-Roland et cetera. Auch viele der großen Namen auf internationaler Bühne von Benneweis in Dänemark bis Mora Orfei in Italien sind von der Bildfläche verschwunden. „The Greatest Show on Earth“ nannte sich der Ringling Bros. and Barnum & Bailey Circus in den USA. Im Mai gab er in einem Vorort von New York seine letzte Vorstellung.

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Es sind die fehlenden Plätze in den Städten, die immer höheren Transportkosten, die Bürokratie und der Lärmschutz, die es für den Zirkus heute so schwer machen. Vor allem aber ist es die unglaubliche Konkurrenz, die Fernsehen, Internet und großstädtisches Nachtleben bieten.

Früher, da hatte der Zirkus noch einen ganz anderen Stellenwert, Namen wie den des Jongleurs Enrico Rastelli, des Dompteurs Kapitän Schneider oder des Clowns Grock kannte jeder. Der Zirkus brachte Stars hervor wie sonst nur das Kino. Und selbst dort war der Zirkus allgegenwärtig. Chaplin verneigte sich vor dem fahrenden Volk genauso wie Fellini.

Und heute? Da weckt das Wort Zirkus bei vielen Menschen nur noch Assoziationen irgendwo zwischen Tierquälerei, Kindergeburtstag und Horrorclowns. Und doch: Die Weihnachtszirkusse boomen, einige Spartenzirkusse ebenso. Und im neuen Jahr feiert er seinen 250. Geburtstag, der Zirkus. Tschingderassa.

Vielleicht liegt es an Menschen wie Bernhard Paul. Welche, die sich das kindliche Staunen nicht haben austreiben lassen. Die den Zirkus der Vergangenheit lieben und den der Zukunft gestalten wollen. 1974 beschloss Paul, alles hinzuschmeißen – um Zirkusdirektor zu werden. Er war damals ein erfolgreicher Art Director in Wien, arbeitete zuletzt in einer Werbeagentur, als die große Sinnfrage auf ihn herniedersauste. Konnte das schon alles gewesen sein? Es konnte nicht. Die Liebe zum Zirkus hatte Paul ohnehin nie verloren – obwohl sie in seinem Umfeld auf wenig Verständnis stieß. So meinte der Künstler Manfred Deix, guter Freund aus Studientagen, nur: „Wos hast’n mit deinem Zirkus, bist du deppert?“ Man muss dazu wissen: Damals war der Zirkus gerade auf einem seiner Tiefpunkte angelangt. Dann machen wir es halt besser, sagte sich Paul und gründete – kurzzeitig mit André Heller an seiner Seite – den Circus Roncalli. „Wer nicht verrückt ist, ist nicht normal“, sagt Paul.

Bernhard Paul sitzt in seinem Wohnwagen, Salonwagen wäre wohl das passendere Wort. Draußen fährt die Münchner Trambahn vorbei. Heinz Rühmann, Gert Fröbe, Andy Warhol, Musiker, Schriftsteller, Bundespräsidenten – mit allen ist er hier schon an diesem Tisch gesessen. Paul trägt sein übliches Outfit: dünne Lederjacke, Schal, nur die Brillengläser sind nicht mehr ganz so groß wie früher. 70 ist er jetzt. „Ich habe mir gedacht: So wie damals beim Rebernigg, so will ich es auch“, erzählt er. Und so begann er, wo immer es sie noch gab, alte Zirkuswagen aufzukaufen und zu restaurieren. Zur Würstelbude wurde der über 100 Jahre alte Raubtierwagen von Carl Krone, dem Begründer des Circus Krone.

Die Gitterstäbe, durch die gefüttert wurde, waren noch dieselben, nur die Richtung hatte sich geändert. Und der rote Mohair-Samt, mit dem die Logenstühle bezogen sind, kommt von dem Hersteller, der auch das Wiener Burgtheater beliefert. Hier ist nichts dem Zufall überlassen, alles durchgestylt bis hin zum Mülleimer. „Perfektionisten sind arme Schweine“, lautet einer von Pauls Lieblingssätzen. Er muss es wissen, er ist einer von ihnen.

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Roncalli – allein der Name! Klingt nach Rastelli und Houdini. Duftet nach Sägemehl und Bratwurst. Dass es auch der bürgerliche Name des zirkusaffinen Papsts Johannes XXIII. war, der Heller und Paul bei der Namensgebung inspirierte – eine nette Randnotiz. Und dann die Vorstellung: Von Anfang an hatte Roncalli Nummern im Programm, an die sich andere nie getraut hätten. Elvira Lühr etwa. Ganz hohe Schule, was sie mit ihrem Pferd vollführte. Doch die Frau war bereits gute 70 Jahre alt. Eine Rentnerin in der Manege? Die Zirkuswelt schüttelte den Kopf, das Publikum applaudierte.

Oder David Shiner: Paul hat den Amerikaner in Knickerbockers vor dem Centre Pompidou aufgegabelt. Clown? Straßenkünstler! Beim Pariser Festival „Zirkus von morgen“ hätten sie ihn fast disqualifiziert. Paul engagierte ihn – und wenig später schrieb Shiner mit seiner Melange aus Improvisation, Pantomime und Publikumsbeteiligung mit an der Roncalli-Erfolgsgeschichte. Lange stand auch Paul selbst als Dummer August in der Manege, nannte sich Zippo.

Statt einer Aneinanderreihung von Nummern bot Roncalli eine Gesamtinszenierung. Die Musik natürlich live. Und immer ein bisschen mehr Theater als Leistungsschau. Ein Salto mehr oder weniger, wen kümmerte es? Den Superlativen der Spitzenartistik, derer sich die Großzirkusse der Siebziger rühmten, setzte Roncalli die „größte Poesie des Universums“ entgegen.

Draußen laufen die letzten Vorbereitungen für die Abendvorstellung. Vor dem Eingang stehen Hunderte Menschen Schlange. Dann der große Moment. Die Kapelle spielt auf, der Einlass beginnt. Die Künstler begrüßen die Besucher, reichen Bonbons, werfen Konfetti. Auch zwei komische, mannshohe Vögel sind da. Das Popcorn wird frisch zubereitet. Die Musiker spielen „Here Comes the Sun“, die beiden Vögel tanzen.

Das Spiel kann beginnen. Da ist das Schleuderbrett-Trio Csàszàr, man kennt es schon aus den Neunzigern, als der Spitzenjongleur Ty Tojo noch gar nicht geboren war. Karl Trunk präsentiert die Größten und Kleinsten der Pferdewelt. Und Paolo Casanovo ist Roncalli in Reinform, wenn er etwa auf einem Hochrad in die Manege einfährt und einem Roboterhund ein Herz schenkt, dazu der Soundtrack von „Die fabelhafte Welt der Amélie“. Der große Star aber ist Beatboxer Robert Wicke. Wieder so ein Straßenkünstler. Am Ende hat er das Publikum so weit, dass es im Chor Brahms’ Wiegenlied anstimmt: „Morgen früh, wenn Gott will …“

Was also macht diese Faszination des Zirkus aus, lässt Buben durchbrennen und veranlasst eine Oma in Wien am Tag nach der Vorstellung mit der Tram zum Zirkus zu fahren, nach dem Direktor zu fragen und ihm einen selbstgebackenen Guglhupf zu überreichen: „Herr Roncalli, ich wollt’ Ihnen eine Freude machen. Es war so schön.“ Ja, was?

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Es geht um das Wesentliche

„Der große Reiz ist das Miteinander“, sagt Stefan Langmeyer. „Da arbeiten verschiedene Natio­nen zusammen und es funktioniert.“ Vor Langmeyer liegen zwei Aktenordner, daneben hängt an einem Ständer ein Wimpel mit dem Logo der Gesellschaft der Circusfreunde in Deutschland e. V. „Wir sind nicht diese Vereinsmeier“, sagt er. Der 44-jährige Krankenpfleger ist seit 2014 im Präsidium der Gesellschaft. Vor 62 Jahren wurde die Gesellschaft der Circusfreunde gegründet, 2.000 Mitglieder hat sie. Einmal im Monat trifft sich Langmeyer mit Gleichgesinnten im Hinterzimmer des Rumpler, einer Gaststätte im Münchner Glockenbachviertel. Die Tapete ist grün, das Essen gutbürgerlich. Zu fünft sind sie heute.

„Zirkus ist etwas, was jeder versteht“, sagt Langmeyer. „Vom Kind bis zu den Großeltern, vom Akademiker bis zum Hilfsarbeiter.“ Warum der Zirkus nicht mehr zeitgemäß sein soll, versteht er nicht. „Das kann ich auch über die Oper sagen.“ Langmeyer hat ein paar Raritäten aus seiner Sammlung mitgebracht, das wertvollste Stück: ein Programmheft von Barnum & Bailey auf der Deutschland-Tournee 1900. 20 Heller hat es damals gekostet. Und dann sagt er noch: „Zirkus ist ein Live-Erlebnis für alle Sinne. Man sieht’s, man hört’s, man riecht’s.“

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In der Tat erfasst uns der Zirkus ohne Umwege und – so paradox die zirzensische Metapher klingen mag – ohne Netz und doppelten Boden. Ernst Bloch nennt ihn „die einzige ehrliche, bis auf den Grund ehrliche Darbietung, die die Kunst kennt“, Ernest Hemingway „den einzigen Ort der Welt, wo man mit geöffneten Augen träumen kann“, und Walter Benjamin findet: „Im Zirkus muss ja selbst dem Borniertesten aufgehen, um wie viel näher am Wesentlichen, wenn man will, am Wunder gewisse physische Leistungen stehen als die Phänomene der Innerlichkeit.“

Das Ehrliche, das Wesentliche, genau darum geht es. Im Zirkus treffen wir auf Grenzgänger, die uns Zuschauer mitnehmen, im besten Fall mitreißen, während sie bis zum Äußersten gehen. So gewähren sie uns einen kurzen, wenn auch ungefährlichen Blick in den Abgrund.

Und dann hat der Zirkus natürlich immer auch mit früher zu tun, mit den Erinnerungen, die man hat oder auch nur zu haben vermeint. Er befriedigt die Nostalgie, dieses Bedürfnis, in einem unbeobachteten Moment wider besseres Wissen einmal dem Gefühl nachhängen zu dürfen, dass früher halt doch alles besser gewesen sei.

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Grafikquelle   :

Oben     —     Circus roncalli

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Adenauer und Böll

Erstellt von DL-Redaktion am 23. Dezember 2017

Der rechte und der linke Schuh der Demokratie

von Heribert Prantl

Vor 100 Jahren wurde der Schriftsteller Heinrich Böll in Köln geboren. 1917 wurde Adenauer dort auch Oberbürgermeister. Wie die zwei später zu Wegweisern der Bundesrepublik wurden.

Kurz vor Weihnachten ist ein besonderes Jubiläum: Vor einhundert Jahren, am 21. Dezember 1917, wurde der Schriftsteller Heinrich Böll in Köln geboren. Das Jahr 1917 war auch das Jahr, in dem Konrad Adenauer erstmals Kölner Oberbürgermeister geworden war. Bölls erstes Buch erschien dann 1949, also in dem Jahr, in dem der Bundestag Adenauer zum ersten Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland wählte. Adenauer und Böll: Ihre Lebenslinien berühren und verstricken sich.

Dieser Newsletter heute ist eine kleine Hommage an Heinrich Böll zum einhundertsten Geburtstag. Und ich mag darin auch ein bisschen nachdenken über Adenauer und Böll, die beiden so gegensätzlichen Figuren der bundesdeutschen Nachkriegsgeschichte. Sie waren Gegenspieler; und doch repräsentieren beide die frühere Bundesrepublik in komplementärer Weise.

Die Jagd nach Brot, Zigaretten und Liebe

Gehen wir mit Heinrich Böll durchs zertrümmerte Köln der frühen Jahre: Am 8. Mai 1945 kehrte der junge Soldat Hans Schnitzler heim in den Trümmerhaufen, der von der Stadt Köln übrig geblieben war. Die meisten Straßen waren nicht zu begehen. Schutt und Dreck türmten sich bis zu den ersten Stockwerken der ausgebrannten Häuser, über einigen Straßenzügen hing noch Qualm in großen dichten schweren Schwaden. Aus manchen Geröllhalden waren schon grüne Hügel geworden, auf denen Bäumchen wuchsen.

Böll begleitete Hans Schnitzler auf seinem Weg in die Keller der zerbombten Häuser, in Elendsquartiere, Notspitäler und in zerstörte Kirchen; er folgte ihm bei seiner animalischen Jagd nach Brot, nach Kohlen, nach einem Mantel, einem trockenen Bett, nach Zigaretten und Liebe.

Der Roman, den Böll daraus machte, war sein erster und heißt „Der Engel schwieg“. Wir lesen, wie Schnitzler die Stelle wiederfindet, an der das Mietshaus stand, in dem er gewohnt hatte: „Vielleicht war es die Zahl der Schritte, die von der Straßenkreuzung noch zu gehen waren, oder irgend etwas an der Anordnung der Baumstümpfe, die einmal eine hohe und schöne Allee gebildet hatten. Irgendetwas veranlasste ihn, plötzlich haltzumachen, nach links zu sehen, und da war es: Er erkannte den Rest des Treppenhauses, stieg über die Trümmer langsam dorthin; er war zu Hause.“

Wir werden sehr oft traurig sein

Zu Hause? Viele Heimkehrer hatten das Gefühl, dass es keine Heimat auf dieser Welt mehr gibt. Zu Hause – das waren Gestank, Schwarzmarkt, Hunger, Diebstahl, Faustrecht und Betrug. Das war in Köln so und in Hamburg, in Berlin, Hannover, Dresden, München und Kassel. Im Inneren der Menschen setzte sich die äußere Verwüstung fort; die Zukunft war ein bombentrichtergroßes Loch. Zu einer jungen Frau, die er in den Trümmern findet und die seine Gefährtin wird, sagt Hans Schnitzler den Satz: „Wir werden sehr oft traurig sein.“

Durch Bölls ganzes Werk zieht sich diese Traurigkeit, die sich manchmal zum heiligen Zorn steigert. Böll war zornig über Adenauer, über dessen restaurative Politik, über die Wiederbewaffnung; über die Springer-Presse und ihr Geifern gegen die Studentenbewegung der Achtundsechziger. Böll und viele andere Intellektuelle haben Gift und Galle gespuckt gegen Adenauer, der für sie Inbegriff einer miefigen, verlogenen und bigotten Nachkriegsgesellschaft war. Das war verständlich, das war so oft berechtigt. Adenauer titulierte die Gegner der Wiederbewaffnung öffentlich als „Dummköpfe ersten Ranges“ und als „Verräter“. Auch Böll gehörte, wie der spätere Bundespräsident Gustav Heinemann, zu diesen angeblichen Dummköpfen; später gehörte Böll – angeblich – zu den Sympathisanten der RAF, weil er – zu Recht – die Fahndungshysterie kritisierte. Die Politik war und ist immer wieder schnell fertig mit ihren Kritikern.

Quelle    :     Sueddeutsche-Zeitung      >>>>>     weiterlesen

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Grafikquellen :

Oben    —    Warnhinweis vor dem Dom 1945

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2.) von Oben  —  Die Kölner Innenstadt nach einem Luftangriff 1942

 

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Gericht stoppt Rodung,

Erstellt von DL-Redaktion am 30. November 2017

– Besetzer feiern
in Baumhäuser für den Hambacher Forst

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Autor Bernd Müllender

Der Wald muss weg, sagt RWE. Der Wald bleibt, verlangen die Besetzer. Über den militanten Widerstand gegen den Braunkohleabbau.

HAMBACHER FORST taz | Für RWE hatte der Tag schon nicht besonders gut angefangen. In der Nacht auf Dienstag schlich sich jemand aus dem Aktivistenlager zielgenau in den Bereich, der ab Sonnenaufgang weiter weggeholzt werden sollte. Obwohl Polizei und Werkschutz rund um die Uhr Wache geschoben hatten. Gerüchte machten am Morgen die Runde, es sei sogar jemandem gelungen, einen Baum zu erklettern. Die Sägen jedenfalls blieben erst mal stumm.

Ein dichter Kordon aus Polizisten in Kampfuniformen und vielen Werkschützern mit weißen Helmen und gelben Jacken riegelt das Gelände ab. Einige hundert sind hier. Ein Dutzend Schreiber, Fotografen und Kameraleute will das Geschehen dokumentieren. Wir stehen an der Straße, die senkrecht auf das größte Loch Deutschlands zuführt, 400 Meter von der 400 Meter tiefen Grube entfernt.

Der Werkschutz sagt: Kein Meter, weiter; Hausrecht. Die Polizei sagt, der Werkschutz bestimme. Geht man dann weiter im Wald parallel zur Straße als polizeilicher Demarkationslinie, laufen gleich ein oder zwei Beamte parallel mit. Ein albernes Spiel. Bewegungen im besetzten Wald werden sofort durchgegeben: „Gruppe von etwa 20 Leuten unterwegs in westlicher Richtung.“ Zu dieser Zeit ahnte noch niemand, was am späten Nachmittag in Münster passieren würde.

Am Telefon bestätigt RWE-Pressesprecher Guido Steffen: „Ja, eine Dame hockt im Baum.“ Sie werde aber bald mit einem Hubkran heruntergeholt. Wie kommen wir Presseleute dahin, soll und kann uns jemand vom Werkschutz begleiten? Ausgeschlossen, zu gefährlich, sagt Steffen. Und nein, da können Sie auch nicht auf eigene Gefahr hingehen: „Ich kann uns ja nicht fernmündlich aus der Haftung nehmen.“

Die Besetzer: „Der Hambi muss bleiben“

Der Hambacher Forst liegt auf halber Strecke zwischen Aachen und Köln. Längst ist der Wald Symbol des Kampfes der Klimabewegung geworden gegen die Braunkohle, gegen die Bagger, die Umweltvergiftung durch die Kohleverstromung, gegen das Kapital, den Kapitalismus und überhaupt. „Der Hambi muss bleiben“, haben die Gegner auf Transparente geschrieben. Zwischen den Bäumen hindurch seilt sich gerade eine andere Besetzerdame über eine der zahllosen Barrikaden im Wald und hängt ein neues Banner auf: „Ob friedlich oder militant, wichtig ist der Widerstand.“

Tags zuvor ist es rabiat losgegangen, als im strömenden Regen die ersten Bäume dieser Rodungssaison fallen, knapp außerhalb des großen besetzten Terrains. Protestler hätten Steine auf Polizisten geworfen und wollten zum Rodungsbereich vordringen, heißt es. Dokumentiert ist massiver Einsatz von Pfefferspray von der Gegenseite. Leichtverletzte gibt es auf beiden Seiten. Die Stimmung: aggressiv. Aachens Polizeipräsident Dirk Weinspach, der als ausgesprochen liberal gilt und weiter „auf Transparenz, Dialog und Deeskalation“ setzen will, wird später sagen: „Der Spielraum ist kleiner geworden“, der Einsatz von Schlagstöcken und Pfefferspray sei auch weiterhin nicht auszuschließen. Zumal man am Montag Christbaumkugeln gefunden habe, mit unbekannten chemischen Substanzen gefüllt. „Bombenartige Gegenstände“, so die Aachener Nachrichten.

Im Innern des Waldes ist die Stimmung gut an diesem Dienstag. Klar, sagt einer der vielen Vermummten, das sei schon „eine tolle Sache“, den Baum zu besetzen. Wie die Frau heiße, die den Baum erklommen hat? „Thomas“, sagt er, nennen wir sie Thomas. Hier haben alle Aliasnamen. Neuerdings tauschen die Besatzer dabei auch die Geschlechter. Eine Gruppe Englischsprachiger bekommt den kurzen Dialog übersetzt. Von Lady Thomas ist die Rede. Und sie hocke da nicht, erklärt der Vermummte, sondern hänge oben im Geäst in einer schönen Hängematte, warm eingepackt, gut versorgt mit Speis und Trank. Per Handy sei man im Kontakt. „Doch, der geht’s gut.“ Kran? Bislang nicht.

Der heutige Hambacher Forst ist nur noch ein Rest, aber von großem symbolischem Wert. Von einst 5.500 Hektar sind keine tausend mehr übrig vom letzten europäischen Stieleichen-Hainbuchen-Maiglöckchen-Wald, so der botanische Name, 12.000 Jahre alt. Stellenweise zauberhaft schön im Frühjahr, „rheinische Everglades“, hat mal jemand gesagt. Alles andere ist seit 1978 weggebaggert im größten rheinischen Tagebau: Dutzende Dörfer sind verschwunden. Zwei Orte, traurige Geisterdörfer längst, stehen noch auf der Liste. Auch die alte Autobahn A 4 musste weichen. Stattdessen gibt es vier Kilometer südlich eine neue A 4.

Verhärtete Fronten seit Jahrzehnten

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Niemand weiß, wann die Räumung der Baumhäuser ansteht. Überhaupt noch in diesem Winter? Wo genau will RWE weiter roden? Ob RWE die Staatsmacht um präventive Räumung bittet – eine Frage der Strategie. Und eine juristische: Ein Aktivist glaubt, für jedes einzelne Baumhaus müsse, sofern man nicht mit Gefahr im Verzug argumentiere, ein Richter einen Räumungsbefehl unterschreiben, wie bei einer ganz normalen Wohnung. „Die trauen sich aber nicht hier rein und manche wollen auch nicht.“ Um den Braunkohletagebau nicht weiter zu fördern.

Die Fronten sind seit Jahrzehnten verhärtet: Die Bevölkerung rund um die rheinischen Tagebaue befürwortet den Heimatfraß vielfach mit Hingabe; klar, man wird satt entschädigt oder ist gleich bei RWE angestellt. Da wird dann auf die Chaoten, Anarchisten und Gewalttäter geschimpft, oft werden auch Sanktionen gefordert, die mit dem Rechtsstaat nicht mehr viel zu tun haben. In den Onlinekommentaren der Aachener Zeitung klang das am Mittwoch so: „Diese Kreaturen . . ., dieses Schmarotzerpack . . ., dieser Dreck . . .“ Einer antwortete mit Ironie: „Ja, das sind alles kleine nordkoreanische Despoten!“

Wie aus einem Kubikmeter Holz eine Barrikade wird

Quelle      :        TAZ        >>>>>       weiterlesen

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Grafikquellen      :

Oben    —  Protest-Camp und Protestaktivitäten im Hambacher Forst. Die Aktivitäten richten sich gegen Rodungen zur Erschließung des Geländes für den Braunkohletagebau des Unternehmens RWE

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Lasst der Natur die Räume

Erstellt von DL-Redaktion am 18. August 2017

Halsbandsittiche erobern das Rheinland

Rose-ringed Parakeet (Psittacula krameri) feeding on Indian Coral Tree at Kolkata I IMG 3989.jpg

von Lutz Debus

Der kleine grüne Vogel mit dem roten Halsband und dem roten Schnabel ist entlang der Rhein-schiene in den letzten Jahrzehnten heimisch geworden. Nicht überall wird der Halsbandsittich jedoch geliebt

Den Kölnern ist ja wenig heilig. Ihr Dom ist ihnen heilig, natürlich der Karneval und – ihre spärlichen Parkplätze. Auf Letztere hat es eine ganz besondere Art von Migranten abgesehen. Es gibt Plätze und Straßen, besonders in der im alternativen Milieu beliebten Südstadt, da ist das Parken von Autos, das Flanieren oder auch nur das Sitzen auf Bänken unmöglich geworden. Hunderte von kleinen grünen Papageien finden sich in den Abendstunden in den Kronen der hohen Platanen ein, um gemeinsam die Nacht zu verbringen. Dabei machen die Halsbandsittiche ohrenbetäubenden Lärm und erleichtern sich. Unter den Bäumen bildet sich schnell eine Kruste von Vogel­exkrementen.

Als sich der zuständige grünalternative Bezirksbürgermeister ein Bild von dem öffentlichen Ärgernis machen wollte, wurde sein Fahrrad in kurzer Zeit so sehr verschmutzt, dass er sofort ein erklärter Gegner der aus Asien und Afrika stammenden Vögel wurde. Der Umweltausschuss beschloss umgehend, die zuständigen Behörden zu beauftragen, die Papageien zu vertreiben. Bis jetzt konnte man sich allerdings noch nicht auf eine praktikable Methode einigen, die auch Tierschützern annehmbar erscheint.

Falken und Vogelscheuchen

Sollen die Vögel mit Wasserschläuchen vertrieben werden? Soll man sie mit Scheinwerfern blenden oder mit Lärm beschallen? Soll man ihre Bäume mit Netzen verhängen oder die Bäume gar fällen? Auch der Einsatz von Falken und Vogelscheuchen wurde diskutiert. Passiert ist bislang nichts. Das ist vielleicht auch gut so. In der Nachbarstadt Düsseldorf hat man inzwischen erkannt, dass der Kampf gegen die inzwischen im ganzen Rheinland heimischen Papageien einem Kampf gegen Windmühlen gleicht. In der Landeshauptstadt ließen sich die Vögel ausgerechnet an der edlen Königsallee nieder. Inzwischen hat man dort mit den zwitschernden und verdauenden Tieren Frieden geschlossen, nutzt sie gar als Touristenattraktion.

Tatsächlich gibt es zumindest aus ökologischer Sicht bisher keinen Grund, gegen die Halsbandsittiche vorzugehen, weiß Sebastian Kolberg vom Naturschutzbund Deutschland (Nabu). Die Vögel seien zwar eine gebietsfremde, aber keine invasive Art. Diesen Unterschied machen Naturschützer und Behörden, um das weitere Vorgehen festzulegen. Gebietsfremd seien alle Arten von Tieren und Pflanzen, die durch den Menschen, ob beabsichtigt oder nicht, ins heimische Ökosystem eingebracht wurden.

Geschah dies nach dem Jahr 1492, gelten sie als sogenannte Neobiota. War es davor, so spricht die Fachwelt von Archäobiota. Die Festlegung auf das Jahr 1492 wählte man aufgrund der Entdeckung Amerikas und damit der Neuen Welt. Gebietsfremd sind somit nicht nur der Halsbandsittich, sondern auch die Kartoffel.

Eine invasive Art hingegen ist nicht nur ortsfremd. Sie gefährdet das bestehende Ökosystem, indem sie entweder heimische Arten auf ihrem Speiseplan hat und damit droht, sie auszurotten, oder sie verdrängt sie, weil sie deren Nahrung und Lebensraum beansprucht. Auch können gewisse Arten wie zum Beispiel bestimmte eingeführte Flusskrebse durch die Übertragung von Krankheiten heimische Bestände gefährden. Letztlich fallen auch die Lebewesen unter die invasiven Arten, die eine Gefährdung für den Menschen darstellen. Dies ist beim Riesenbärenklau der Fall. Die Pflanze aus dem Kaukasus verursacht gefährliche Quaddeln auf der Haut, wenn man mit ihr in Berührung kommt und Sonnenlicht auf die Kontaktfläche scheint. Hat sich der Bärenklau erst einmal angesiedelt, ist ihm nur noch mit mehrmaligem Pflügen beizukommen.

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Grafikquelle    :     Rose-ringed Parakeet Psittacula krameri in Kolkata, West Bengal, India.

 

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Besuch bei Bruder Walter

Erstellt von DL-Redaktion am 8. August 2017

„Er war der Kleine, der erst mal kapieren musste“

Von Lars Langenau, Köln

Was Walter Schulz, Lokalpolitiker in Köln-Nippes und großer Bruder von Martin, mit dem Kanzlerkandidaten der SPD verbindet. Ein Treffen.

Walter Schulz ist etwas kleiner und grauer als Martin Schulz, sieht aber sonst genauso aus: Die verbliebenen Haare zur praktischen Halbglatze geformt und ein Vollbart, der morgens unkompliziert zu stutzen ist. Eine randlose, schmale Brille, die die wasserblauen Augen betont. Doch bei aller Ähnlichkeit ist Walter Schulz ein ganz anderer Mensch als Martin Schulz.

Martin, 61, der Pragmatiker. Walter, 70, der Linksradikale. Martin, der Europaparlamentspräsident und Kanzlerkandidat. Walter, der kleine Kommunalpolitiker aus Köln-Nippes. Martin, seit Ewigkeiten in der SPD – und jetzt ihr Chef. Walter, erst 2009 eingetreten, was bei seinem Bruder zunächst Ungläubigkeit und dann ein lautes, befreiendes Lachen auslöste.

Endlich sei der „alte Quertreiber handzahm geworden“. Walter gniggert in sich hinein, wenn er davon erzählt und dabei einen schiefen Schneidezahn zeigt, was ihn zugleich uneitel als auch schelmisch aussehen lässt. Er, dem die SPD so lange nicht antikapitalistisch genug war. Er, der der SPD zu links war und der dem Radikalenerlass von Willy Brandt anno 1974 zu verdanken hatte, dass er einen Job verlor und bei einem anderen chancenlos war. Und nun sind Schulz und Schulz bereits seit acht Jahren Genossen.

Martin Schulz hat viele Details seiner Biografie öffentlich gemacht. Würselen, immer wieder Würselen. Man weiß, dass er Alkoholiker war und das überwunden hat. Man glaubt, ihn gut zu kennen. Aber tun man das wirklich? Deshalb also der Versuch einer Annäherung über den Bruder.

Als Kind, so glaubt Walter, habe Martin ihn bewundert, „weil ich weit weg war und deshalb geheimnisvoll“. Kurz nach Martins Geburt war er auf ein Internat gewechselt. „Wir sind Brüder und heute ganz enge Freunde, aber diese Freundschaft haben wir erst richtig als Erwachsene entwickelt.“

Seine Helden hießen Che Guevara, Martin Luther King und Amílcar Cabral

Wie sein Bruder ist Walter Fußballfan und kickt selbst auch noch heute gerne. Sein Spitzname auf dem Platz ist „Pastörchen, der kleine Pastor“. Seine Leidenschaft für den 1. FC Köln führte dazu, dass er mit 19 Jahren aus einem Priesterseminar in Bonn geworfen wurde. Um ein seltenes Spiel seines Vereins im Europapokal zu sehen, schlich er sich davon. Er wurde entdeckt und musste sich sagen lassen, dass Fußball und Kirche nicht zusammenpassen. Walter aber fand, dass dann Walter und die Kirche nicht zusammen passen. Er zog die Reißleine, nahm Quartier im Haus des Sozialistischen Deutschen Studentenbundes (SDS) und begann im damaligen Regierungssitz der Bundesrepublik Politikwissenschaften zu studieren. Sein kleiner Bruder Martin war da noch ein guter Schüler am Heilig-Geist-Gymnasium im Würseler Stadtteil Broich.

Mit Ferienjobs als Dachdecker und in der Chemieindustrie finanzierte sich Walter sein Studium, er war SDS-Mitglied und seine Helden hießen Che Guevara, Martin Luther King und der afrikanische Intellektuelle Amílcar Cabral. Kurzum: Walter lebte das Leben des klassischen 68ers. Und Martin begann in der Schule langsam abzurutschen.

Als Benno Ohnesorg von einem Polizisten erschossen wurde, hing das für Walter mit der unverarbeiteten deutschen Geschichte zusammen: „Wir wussten, wer in der Nazizeit und jetzt wieder im Staat Verantwortung trug, aber das interessierte doch keinen. Die Adenauer-Ära war für uns damals die – ich verkürze – verlängerte, patriarchalisch geprägte Naziüberlebenszeit.“ Sein fast neun Jahre jüngerer Bruder Martin allerdings hat eine völlig andere Sicht auf diese Zeit, sagt Walter.

In der Zeit, als Martin nach zweimaligen Sitzenbleiben in der elften Klasse das Gymnasium verlassen musste, ging Walter nach Berlin. Dort sind die Archive über die DDR-Sportpolitik, über die er seine Doktorarbeit schrieb. Während der Olympiade 1972 in München verglich er da die DDR- und BRD-Berichterstattung vor dem Fernseher. Amüsiert erzählt er von der Schlagzeile der Bild, die damals beim Gewinn der Weitsprung-Medaille von Heide Rosendahl „‚Erstes Gold für Deutschland‘ feierte, dabei hatte die DDR zu diesem Zeitpunkt schon acht Medaillen“.

„Endlich waren die Preußen weg“

Quelle   :   Sueddeutsche-Zeitung >>>>> weiterlesen

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Grafikquelle   :    Martin Schulz auf dem SPD Bundesparteitag am 19. März 2017 in Berlin

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Ich fühle mich so schuldig

Erstellt von DL-Redaktion am 22. Mai 2017

NSU – Tribunal im Schauspiel Köln

von Dorothea Marcus

Fünf Tage lang klagt das erste NSU-Tribunal an: laut und präzise. Nach viel Recherche werden Agenten, Neonazis und Politiker der Beihilfe beschuldigt.

Beate Zschäpe wälzt sich schluchzend auf dem Boden. „Unschuldige Menschen sind gestorben! Ich fühle mich so schuldig, dass ich nicht in der Lage war, auf Uwe Mundlos entsprechend einzuwirken“, ruft sie tränenerstickt. Und referiert gleich darauf, dass im Gefängnis das Haare tönen ein Schnäppchen ist.

Schauspielerin Lucia Schulz schafft es auf der Bühne des Depot 1 im Schauspiel Köln sehr schön, die Einlassungen der Hauptangeklagten wortgetreu wiederzugeben und dabei ihre Scheinheiligkeit vorzuführen. Die Inszenierung „A wie Aufklärung“ des Kölner Nö-Theaters bringt die Absurdität der NSU-Aufarbeitung auf den Punkt – laut, schrill, bösartig und präzise. Die Performer spielen nach, wie Akten geschreddert und Beweismittel abtransportiert wurden, fünf Zeugen angeblich einfach so starben. Aber kann man mit Theater dem NSU-Komplex überhaupt angemessen begegnen?

Das Schauspiel Köln, in direkter Nachbarschaft der Keup­straße gelegen, wo 2004 das NSU-Nagelbombenattentat verübt wurde, arbeitet schon lange daran, das Trauma der Straße aufzuarbeiten. Etwa mit Stücken wie „Die Lücke“, in der Anwohner selbst auf die Bühne kamen. Für das Tribunal „NSU-Komplex auflösen“ hat es allerdings nur die Infrastruktur bereitgestellt und den eigenen Spielbetrieb unterbrochen.

Rund zwei Jahre lang haben rund hundert Aktivisten, Künstler und Antifa-Gruppen ein selbst­organisiertes Gegentribunal vorbereitet, das den bisherigen Prozessen und Untersuchungsausschüssen zum NSU noch etwas zur Seite stellt. So etwas gab es in Deutschland bislang noch nicht – hat aber als prominentes historisches Vorbild die „Russell-Tribunale“ , wie die Pariser Historikerin Chowra Makaremi am ersten Abend erläutert: Bereits 1966 rief der britische Philosoph und Literaturnobelpreisträger Bertrand Russell Gegengerichte ein zur Untersuchung der US-Kriegsverbrechen in Vietnam, seitdem wurden so Unterdrückung in Brasilien, der Irakkrieg, der Nahostkonflikt bearbeitet.

Es gab sogar einen noch früheren Vorläufer: Als 1933 der Reichstag brannte, organisierte der deutsche Verleger und Kommunist Willi Münzenberg noch vor dem Berliner NS-Fake-Prozess in London ein Gegentribunal. Kritik indes gab es an der selbstorganisierten Justiz, die vor allem Gegenöffentlichkeit schaffen will, allerdings auch immer wieder: sowohl an der Einseitigkeit der angerufenen Zeugen als auch an den Ergebnissen, die stets im Voraus festzustehen schienen.

NSU-Recherche auf eigene Faust

Das ist in Köln auch nicht anders, verstört darum aber auch nicht weniger: das akribisch zusammengetragene Recherchematerial zeigt, wie Deutschland durchzogen wird von einem absolut gewaltbereiten und immer aktiveren rechtsradikalen Netz.

Eindrucksvoll wird das belegt von Gruppen wie „NSU Watch“, die beim Tribunal täglich die neuesten Ergebnisse zusammenfassen und einen neuen Überblick geben über bereits bekannte beklemmende Beweisvernichtungen und Verschleierungen, Aktenschredderungen und Verfassungsschutz-Verstrickungen.

Auch ein Workshop der Jugend-Gerichtswerkstatt „TRAFO“ aus Chemnitz demonstriert das eindrücklich: Angeleitet durch Streetworker und unterstützt durch das Kulturbüro Sachsen, treffen sich hier regelmäßig Jugendliche und erforschen auf eigene Faust, wo das NSU-Trio untertauchte, zeichnen ihre Wege nach, interviewen die Bankangestellten, die damals überfallen wurden, und kommen zu ganz eigenen Ergebnissen. Darüber etwa, wie frei sich Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe im „Untergrund“ in Chemnitz bewegen konnten und dass das erbeutete Geld noch nicht einmal ausreichte, ihre Urlaube zu bezahlen. Wie aber wurden sie sonst finanziert?

Quelle  : TAZ  >>>>>  weiterlesen

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Grafikquelle  :  Keupstraße (2007)

  • CC BY-SA 3.0Weiternutzungshinweise ausblenden
  • File:Keupstrasse.jpg
  • Erstellt: 16. Februar 2007

 

 

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„Bitterer Erfolg“ für LINKE

Erstellt von DL-Redaktion am 17. Mai 2017

NRW-Wahl: Schulz-Zug entgleist

Mit der Wahl in Nordrhein-Westfalen konnte die CDU auch die dritte Landtagswahl in diesem Jahr für sich entscheiden. Der Hype um den neuen SPD-Vorsitzenden und Kanzlerkandidaten Martin Schulz ist einem Katzenjammer gewichen. Manche Kommentatoren sehen die Bundestagswahl schon entschieden. Statt einem Wechsel sieht zur Zeit tatsächlich mehr danach aus, dass Angela Merkel weiterhin Kanzlerin bleiben kann, möglicherweise in einer Koalition mit FDP und Grünen. DIE LINKE gewinnt und verliert zugleich. Vier Monate vor den Bundestagswahlen stellen sich viele Fragen.

Von Sascha Staničić und Claus Ludwig

Angesichts der Tatsache, dass niemals so viel schön geredet wird, wie nach Wahlen, müssen ein paar Dinge in die richtige Perspektive gerückt werden.

  1. Die CDU hat nicht gewonnen, sondern SPD und Grüne haben verloren. Das CDU-Ergebnis ist das prozentual zweitschlechteste in der Geschichte des Landes.
  2. Trotz eines signifikanten Anstiegs der Wahlbeteiligung im Vergleich zu den letzten Landtagswahlen, ist diese weiterhin niedrig und sind die NichtwählerInnen „stärkste Partei“. Gerade die „untersten“ Schichten der Arbeiterklasse werden in dem Wahlergebnis weniger repräsentiert.
  3. Nur 0,1 Prozent oder 8.600 Stimmen mehr und die Debatte über das Wahlergebnis der LINKEN würde komplett anders aussehen. Entscheidend für die Bewertung des Wahlergebnisses darf aber nicht die undemokratische Fünf-Prozent-Hürde sein, sondern die Tatsache, dass DIE LINKE ihre Stimmenzahl verdoppeln konnte und so verhältnismäßig mehr hinzugewonnen hat, als jede andere Partei mit Ausnahme der AfD, die ja erstmals bei den Landtagswahlen angetreten war.

Widerstand gegen neue Regierung nötig

Das Wahlergebnis markiert eine deutliche parlamentarische Rechtsverschiebung.Nach dem Ausscheiden der Piraten wird der künftige Düsseldorfer Landtag nur aus Parteien des Establishments und der Kapitalisten bestehen. Die AfD wird sich als einzige Fundamentalopposition präsentieren können, was den Druck auf die zu erwartende CDU/FDP-Regierung von rechts erhöhen wird. Leider ist zu befürchten, dass diese dem nur allzu leicht nachgeben wird, auch wenn der designierte Ministerpräsident Armin Laschet aus Aachen als liberaler Konservativer gilt. Auf jeden Fall werden Lohnabhängige, SchülerInnen und Studierende, MigrantInnen und andere Minderheiten von der kommenden Landesregierung ins Visier genommen. Widerstand dagegen wird keine Unterstützung aus dem Landtag bekommen und sich auf der Straße und in den Betrieben, Schulen und Hochschulen formieren müssen.

Gründe für das Wahlergebnis

Es ist davon auszugehen, dass sowohl landes- als auch bundespolitische Faktoren eine gewichtige Rolle beim Wahlergebnis gespielt haben. Hierbei bildeten bundesweite und auch internationale Faktoren die Basis auf der sich dann die spezifischen landespolitischen Aspekte entfalten konnten. Diese Basis besteht erstens vor allem aus der vergleichsweise stabilen ökonomischen Entwicklung und dem niedrigen Niveau an Klassenkämpfen und sozialen Bewegungen und zweitens einer immer instabiler und bedrohlicher werdenden internationalen politischen und wirtschaftlichen Situation. Letzteres gibt ersterem ein umso größeres Gewicht.

In der Wahlanalyse der Rosa Luxemburg-Stiftung wird zurecht fest gehalten: „Bereits seit einigen Jahren ist festzustellen, dass die wirtschaftliche Lage in Umfragen mehrheitlich positiv gesehen wird. Dies trifft sowohl auf die Länder als auch auf den Bund zu. Gaben in NRW in den Jahren 2005 81% und 2010 73% der Befragten an, dass die wirtschaftliche Lage schlecht sei, während 18% bzw. 24% die wirtschaftliche Lage als gut bewerteten, sahen 2012 nur noch 52% eine schlechte wirtschaftliche Lage, wohingegen 46% die Lage als gut einschätzten. Bei der Landtagswahl 2017 hat sich dieses Verhältnis erstmals seit über 17 Jahren umgekehrt. Nur ein Drittel (34%) der Befragten sah die wirtschaftliche Lage als schlecht an, während knapp zwei Drittel (64%) die wirtschaftliche Lage als gut bewerteten.“ Das hilft immer denen mit der engsten Verbindung zur „Wirtschaft“ und den (bundesweit) Regierenden – . also der CDU und auch der FDP (welche ohne den Makel der Regierungsverantwortung als Projektionsfläche bürgerlicher Opposition diente). 22 Prozent haben als wahlentscheidend die bedrohliche internationale Situation angegeben. Siebzig Prozent sagen in Umfragen, dass Angela Merkel dafür sorge, „dass es uns in einer unruhigen Welt gut geht“ Auch das hilft der CDU. Unterstützung für die Konservativen also eher aus Angst, denn aus positiver Unterstützung für ihr Programm. Dass es „uns“ in Wirklichkeit nicht gut geht, sondern für viele prekäre Arbeitsverhältnisse und Arbeitsdruck zugenommen und Löhne stagniert haben, erscheint angesichts der Krisenentwicklungen im Rest der Welt weniger dramatisch.

Während bei den Landtagswahlen im letzten Jahr noch fast ausschließlich die AfD von einer gestiegenen Wahlbeteiligung profitierte, gewinnen mittlerweile auch andere Parteien aus dem Nichtwählerbereich. Das ist auch eine Reaktion gegen die AfD bei einer Schicht früherer NichtwählerInnen, die eine Stärkung der Rechtspopulisten fürchten und verhindern wollen. Hier kommt der CDU zu Gute, dass ihre Flüchtlingspolitik vordergründig „funktioniert“ hat, zumindest aber das Flüchtlingsthema nicht mehr dominant ist. Das gilt schon eher für das Thema Innere Sicherheit, das angesichts der Debatten um die Kölner Silvesternächte der letzten beiden Jahre besonders in NRW von Bedeutung ist und durch die bürgerlichen Medien stark hervorgehoben wurde. Auch das ist ein Thema von dem eher CDU und rechte Parteien profitieren, umso mehr, wenn ein SPD-Innenminister im Kreuzfeuer der Kritik steht.

Davon konnte auch die AfD profitieren, deren Ergebnis zwar sicher enttäuschend für die Rechtspopulisten ist, aber zeigt, dass die Partei sich parlamentarisch etabliert hat und ein Einzug in den Bundestag – trotz innerparteilicher Streitereien und geringerer Dominanz ihrer Kernthemen – wahrscheinlich bleibt. In NRW kommt hinzu, dass die Debatten der vergangenen Jahre (Fluchtbewegung, Kölner Silvester) das Potenzial der Rechtspopulisten vergrößert haben, was diese teilweise, regional unterschiedlich, abrufen konnten. Nicht zu vergessen ist auch die Vorarbeit der Pro-Gruppierung in Sachen Islamhass.

So kann man unterm Strich sagen, dass die Tatsache, dass klassenspezifisch-soziale Themen eine geringe Bedeutung bei diesen Wahlen hatten, den Parteien rechts von SPD und Grünen geholfen hat. Hier wirken sich zweifellos die massive Propaganda zu Migration und Innere Sicherheit aus, die von rechts dominiert wird. Es besteht kein Zweifel, dass bei zentralen sozialen Fragen, die programmatischen Positionen der LINKEN (Mindestlohn, Umverteilung von oben nach unten, Ausbau des Gesundheitswesens, Senkung des Arbeitsdrucks etc.) weiterhin breite Unterstützung genießen, diese sind aber gerade nicht ausschlaggebend für die wahlentscheidung vieler Menschen.

Ende des Schulz-Hypes

Diese genannten Faktoren bedeuten ungünstige Voraussetzungen für DIE LINKE. Dass aber die SPD dermaßen abgestürzt ist und das schlechteste Ergebnis ihrer Geschichte eingefahren hat – und das nach dem der „Schulz-Zug“ im Januar und Februar eine solche Fahrt aufgenommen hatte – ist nur mit landespolitischen Faktoren zu erklären. Die entscheidenden Themen waren Bildung, Wohnen und Innere Sicherheit in den Meinungsumfragen. Hier wurde der Landesregierung – zurecht – ein schlechtes Zeugnis ausgestellt. Insbesondere die Weigerung der SPD/Grüne-Landesregierung das Abitur nach acht Jahren Gymnasium (G8) wieder in Frage zu stellen und die schüler- und lehrerfeindliche Umsetzung der Inklusion haben WählerInnen der Kraft/Löhrmann-Regierung den Rücken kehren lassen. Die Landesregierung hatte in den letzten Wochen dramatisch sinkende Zustimmungswerte zu verzeichnen und wurde immer unbeliebter.

Und was ist mit Schulz? Immerhin ist NRW sein Heimatbundesland. Der Schulz-Effekt ist offenbar verpufft. Nicht ausgeschlossen, dass er sich sogar ins Gegenteil verkehrt. Wolfgang Münchau schreibt in der Financial Times zurecht: „Als die Menschen vor vier Monaten Herrn Schulz einen Vertrauensvorschuss gaben, missinterpretierte er dieses Zeichen. Er legte kein Programm vor. Er klärte seine Position zur Frage, ob er eine Koalition mit der Linkspartei eingehen würde, nicht. Als er im Januar zu Gewerkschaften sprach, machte er den Eindruck, sich von den Wirtschaftsreformen zu distanzieren, die die SPD zuvor unterstützt hatte. Als er kürzlich zu Wirtschaftsführern sprach, hat er die SPD als wirtschaftsfreundlich dargestellt. Ich sehe in der Wirtschaftspolitik keinen materiellen Unterschied zwischen den beiden größten Parteien, außer dass Frau Merkels Christdemokraten den Haushaltsüberschuss für unbedeutende Steuersenkungen verwenden will, während die SPD ein unbedeutendes Investitionsprogramm vorschlägt.“

Tatsächlich scheitern Schulz und seine SPD an sich selbst. Dem medial inszenierten Aufbruch zur sozialen Gerechtigkeit folgte die Weigerung auch nur minimalste konkrete Inhalte zu präsentieren. Spätestens als Schulz dann erklärte, er könne sich eine Koalition mit der „kleinen Partei des großen Kapitals“, der FDP, vorstellen, wurde immer mehr Menschen klar, was wir schon vor Wochen schrieben: Schulz ist fake news. Und in NRW bedeutete Wahlkampf für soziale Gerechtigkeit, einen Wahlkampf gegen sich selbst zu machen. Dieser Widerspruch ist Menschen aufgefallen, denn sie sind nicht blöd – auch wenn sie immer wieder von den etablierten Parteien für dumm verkauft werden.

Trotzdem hat der so genannte Schulz-Effekt etwas wichtiges gezeigt. Denn die kurzzeitige Zunahme der Unterstützung für die SPD und die Parteieintritte waren Ausdruck von der Tatsache, dass sich ein Teil der lohnabhängigen Bevölkerung (also der Arbeiterklasse) nach sozialen Reformen sehnt, die diesen Namen verdienen, also nach dem was vor Jahren einmal sozialdemokratische Politik war. Kurzzeitig ließ Schulz die Hoffnung nach einer re-sozialdemokratisierten Sozialdemokratie aufflammen, um diese dann schnell wieder zu enttäuschen. Dass die SPD dem vagen Versprechen nach sozialer Gerechtigkeit kein Programm für soziale Gerechtigkeit folgen lässt, ist darin begründet, dass in der heutigen Phase des kapitalistischen Wirtschaftssystems die Umsetzung eines solchen Programm zwangsläufig zum Konflikt mit den Banken und Konzernen führt und eine antikapitalistische Perspektive nötig macht.

DIE LINKE

Die deutliche Steigerung an Stimmen kann umso positiver gewertet werden, da die Ausgangslage für DIE LINKE nicht günstig war. Dass es so denkbar knapp dann doch nicht gereicht hat, ist bitter – aber trotz der Steigerung eben auch ein Hinweis darauf, dass die Partei ihr Potenzial nicht ausschöpft. Dieses ist höher als 4,9 Prozent, was sich an den großen regionalen Unterschieden ablesen lässt. Nicht nur ist DIE LINKE in den Städten stärker als auf dem Land, was darauf hinweist, welche Bedeutung das Vorhandensein einer lokalen Parteiorganisation für das Wahlergebnis hat, auch in den Städten differieren die Ergebnisse. In Köln, Bielefeld, Dortmund und anderswo konnten die Ergebnisse überdurchschnittlich verbessert werden. In anderen Städten mit sehr aktiven Wahlkampagnen, wie zum Beispiel Essen, gelang das nicht, was ein Hinweis darauf sein kann, dass die Verankerung der Partei zu gering war und dies durch einen engagierten Wahlkampf nicht wett gemacht werden kann (denn dieser dient oftmals eher dazu, die vorherigen Aktivitäten ins Gedächtnis zu rufen). Denn engagiert war der Wahlkampf und es wurden bei Hausbesuchen, Straßenaktivitäten und Kundgebungen viele Menschen erreicht. Viele neue, jüngere Mitglieder haben sich eingebracht. Der Landesverband hat einen an den Inhalten des guten, antikapitalistischen Wahlprogramm geführt, ist kämpferisch aufgetreten und alleine das hat sich von den „Frauenversteher“- und „Aus Liebe zu Meck-Pomm“-Wahlkämpfen in Ostdeutschland positiv abgehoben. So konnten auch neue Mitglieder für DIE LINKE gewonnen werden.

Es ist schwer bis unmöglich über die Gründe für das Verfehlen des Einzugs in den Landtag Beweisführungen anzuführen. Nichtsdestotrotz sollte in der Partei eine breite Debatte über die Lehren des Wahlkampfs geführt werden. Dazu würden wir folgende Punkte zur Diskussion stellen:

  • Immer wieder wurde in Interviews der SpitzenkandidatInnen Wille und Fähigkeit zur Regierungsbeteiligung betont, SPD und Grüne wurden zu einem Kurswechsel aufgefordert, in einer Art, die dies als reale Möglichkeit erscheinen ließ. Abgesehen von der grundsätzlichen Frage, dass eine Änderung von SPD und Grünen nicht möglich ist und jede Regierungsbeteiligung real zur Aufgabe des linken Programms führen müsste, erwies sich dieses Vorgehen auch im kurzfristig-taktischen Sinne als falsch. Erstens wurde R2G in der Schlussphase des Wahlkampfes rechnerisch unwahrscheinlicher. Zweitens erteilte die SPD der LINKEN eine klare Abfuhr, eine fälschlicherweise „Machtoption“ genannte Regierungsoption war damit hinfällig. Stattdessen hätte DIE LINKE mehr ihre radikale Opposition gegen das System ausdrücken, Wut- und Anti-Establishment-Stimmung formulieren müssen, um die Schichten zu erreichen, die von den bürgerlichen Parteien abgestoßen sind und sich weiterhin in großer zahl nicht an Wahlen beteiligen. Dies hätte möglicherweise die entscheidenden fehlenden Stimmen bringen können. Mittelfristig wird DIE LINKE nur gestärkt, wenn sie ihren Gebrauchswert für praktische Kämpfe vor Ort deutlich macht und sich als Opposition gegen alle etablierten Parteien präsentiert und ihre Angst vor der eigenen Courage ablegt, radikal zu sein und gegen den Strom zu schwimmen.
  • Der Landesverband hatte es vermieden, offensiv mit dem Thema Geflüchtete und Migration umzugehen. Inhaltlich wurden korrekte Positionen vertreten, aber auf Plakaten und im zentralen Wahlkampfmaterial wurde der Antirassismus nicht betont. Es hieß, die soziale Frage sei entscheidend. Zumindest unterschwellig aber war die Flüchtlingsfrage immer ein Thema. Einige Mitglieder (darunter auch SAV-Aktive) hatten davor gewarnt, dass gegeneinander zu diskutieren und betont, dass es darum ginge, Antirassismus und soziale Frage zusammen zu bringen. Der Kreisverband Köln hatte eigene Plakate gedruckt – „Zeig Stärke – für gleiche Rechte auch für Geflüchtete“, um das Thema zu betonen. In Köln wurde ein überdurchschnittliches Ergebnis erreicht. Der Ortsverband Köln-Kalk, in dem viele SAV-Mitglieder aktiv sind, hatte die Mobilisierung gegen den AfD-Parteitag zu einem Schwerpunkt gemacht, mit Flyern, Plakaten und Transparenten und hat ebenso überdurchschnittliche Ergebnisse erzielt (zum Teil wurde das Ergebnis fast verdreifacht). Man kann also zumindest feststellen, dass ein offensives Aufgreifen dieser Fragen keine Stimmen gekostet hat.
  • Sahra Wagenknecht wurde bei der Wahlwerbung in den Mittelpunkt gestellt und hat als einzig wirklich Prominente größere Kundgebungen durchführen können. Gleichzeitig waren ihre Äußerungen zu Migration und Innere Sicherheit (die sie im Wahlkampf nicht wiederholte) eine Hypothek für DIE LINKE. Sie haben Mitglieder demotiviert und unter antirassistischen Aktiven für Unmut gesorgt, darüber sicher auch MultiplikatorInnen gekostet. Dies könnte einer der Gründe sein, warum Piraten und Die Partei zusammen 1,6 Prozent erhalten haben (sowie DKP und MLPD 0,2 Prozent und diverse andere fortschrittlich klingende Kleinstparteien zusammen ein Prozent – was zusammen immerhin fast drei Prozent sind).
  • Fehler der Vergangenheit, am Beispiel Duisburg. In Duisburg, einer ehemaligen Hochburg, hat die lokale Regierungsbeteiligung Anfang der 2010er Jahre die Partei gelähmt und fast zerlegt. Dort erzielt die LINKE heute im großstädtischen Vergleich unterdurchschnittliche Ergebnisse.
  • Das Wahlkampf-Material war nicht gut (genug). Die Plakatserie „Zeig Stärke“ war gut gedacht, verfehlte aber eine positive Wirkung, weil die eigentlichen Forderungen/Parolen zu klein waren und die Plakate optisch unauffällig. Sie richtete sich auch nicht an diejenigen abgehängten, prekarisierten und entfremdeten Schichten, die sich in diesem Kapitalismus zur Zeit eher vereinzelt und nicht „stark“ fühlen. Klare Forderungen, dazu im Stil der Bundespartei (schwarz auf weiß) wären besser gewesen. Die zentrale Wahlkampf-Zeitung war politisch weichgespült. Im Mittelpunkt stand die Losung „soziale Sicherheit“. Von radikaler Opposition keine Spur. Ob dieses Material direkt Stimmen kostete, lässt sich nicht sagen. Aber zumindest war es nicht besonders förderlich.

Daraus können und sollten für den Bundestagswahlkampf Schlussfolgerungen gezogen werden. Die wichtigste müsste unserer Meinung nach sein:

– Wahlkampf als Klassenkampf – soziale Bewegungen unterstützen und Verankerung in den Stadtteilen und Betrieben voran treiben!

– Keine Präsentation der Partei als Koalitionspartner von SPD und Grünen im Wartestand, sondern selbstbewusst als sozialistische Anti-Establishment-Kraft. Eine neue Linke wird nicht als Partner der SPD, sondern notwendigerweise auf den Trümmern der Sozialdemokratie aufgebaut werden, denn ein „linkes Lager“ aus bestehenden Parteien ist ein Luftschloss. Die deutsche Sozialdemokratie ist angesichts der Gewinner-Lage der deutschen Ökonomie auf Kosten der Nachbarn noch nicht ganz so weit unten wie die PASOK, die PvdA, die französische PS oder die irische LP, aber sie ist auf einem guten Weg. Vor diesem Hintergrund ist es die falscheste Reaktion, wenn Vertreter der Parteiführung nun betonen, dass der SPD ein Ausschließen von Koalitionen mit der LINKEN nicht gut bekommt und sie auffordern, dies zu ändern.

– Klare und konkrete Forderungen für soziale Verbesserungen und gegen die obszöne Reichtumskonzentration und die Macht der Banken und Konzerne.

– Kein Schwanken in der Solidarität mit den Geflüchteten und internationalistischen Positionen und offensives Verbinden von Antirassismus mit der sozialen Frage.

DIE LINKE in NRW hat unterm Strich einen engagierten Wahlkampf hingelegt, viele Menschen erreicht und auch neue Mitglieder gewonnen. Das kann dazu genutzt werden, bei den Bundestagswahlen am 24. September ein deutlich besseres Ergebnis zu erzielen, vor allem aber aus diesem Superwahljahr mit einer gestärkten Partei hervorzugehen – denn darum geht es: eine Kraft aufzubauen, die Lohnabhängige und Jugendliche organisiert und den Kampf für eine sozialistische Veränderung in Zukunft erfolgreich führen kann.

Sascha Staničić ist Bundessprecher der SAV und aktiv in der LINKEN Berlin-Neukölln. Claus Ludwig ist Sprecher des LINKE-Ortsverbands Köln-Kalk und Mitglied des SAV Bundesvorstands. Beide sind aktiv in der Antikapitalistischen Linken (AKL)

Zuerst erschienen hier: https://www.sozialismus.info/2017/05/nrw-wahl-schulz-zug-entgleist/

Quelle :  AKL
akl - Antikapitalistische Linke

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Grafikquelle  : Twitter

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Wahlkampf in NRW

Erstellt von DL-Redaktion am 14. Mai 2017

 Kölner Impressionen vom NRW – Wahlkampf

Ach richtig, da war noch was. Am Freitagmorgen, so um 6 Uhr, führte mich mein Weg zum Zeitungskiosk 50 Meter von meiner Wohnung entfernt. Da sah ich etwas Buntes aus meinen Briefkasten hervorgucken. Habe mir schon gedacht, ein Werbeflyer in Rot. Als ich ihn herauszog, erkannte ich eine 12 seitige Hochglanzbrosche der Linken aufwendig gedruckt, in Form der „Bunten“ ähnlich. Eine typische Wagenknecht Fassade. Kein Inhalt, aber Luxus im outlook.

Ein 12 seitiger Wunschkatalog an deren Ende stehen müsste: „So werden alle Wünsche war“. Christian Andersens Märchenstunde ? Auf der Titelseite leuchteten mir  die Augen der NRW Immigrantin Sahra entgegen. Sie äußert sich wie folgt:

von Sahra Wagenknecht

Jahrzehntelang haben die Menschen optimistisch in die Zukunft geschaut. Das ist vorbei. Die Unsoziale Politik von  Union, FDP, SPD und Grünen hat den Hoffnungen auf ein gutes , sicheres Leben die Grundlage entzogen. Abstiegsängste sind selbst in weiten Teilen der Mittelschicht präsent.

Sie schreibt nicht : Das gute Leben hat die CDU gebracht solange die sogenannte „Soziale Rheinische Schiene“ innerhalb der CDU noch funktionierte. Da gab es Die Linke noch gar nicht. Erst seitdem die Linke aktiv ist, geht es den Menschen immer schlechter, da diese sich damit zufrieden gibt einige ihrer Leute an die Tröge der Steuerzahler gebracht zu haben und es ihre Vertreter vorziehen durch die Fernsehstudios und bunten Blättchen zu tingeln. Sie merken dabei noch nicht einmal nur benutzt zu werden, um auch Gegenstimmen dem teilweise  naiven  Wähler anbieten zu können.

Auch die NRW Landesregierung von SPD und Grünen hat nichts dagegen unternommen, dass die Schere zwischen Arm und Reich immer weiter auseinandergeht. (Ganz richtig aber auch die Opposition nicht, obwohl sie dafür die Stimmen und das Geld der Bürger kassiert hat.) Gerade in unserem  (Wohnsitz Silwingen Saarland) vom Strukturwandel geplagten Land (das ist weniger eine Plage, sondern der Lauf der Zeiten) wäre eine aktive Wirtschaftspolitik bitter nötig (wäre vielleicht auch nicht, wenn sich die faulen Politiker aktiv an der Wohlstandsmehrung des Volkes beteiligen würden und es nicht aussaugten – siehe VW Dividende an Politiker , welche sich das Kapital zuvor aus dem Volk besorgten). Stattdessen belegt NRW im Ländervergleich bei den öffentlichen Investitionen den vorletzten Platz. Augenscheinlich haben SPD Ministerpräsidentin und ihre Vorgänger versagt. Soziale Ängste und Hoffnungslosigkeit in der Region gehen auf ihr Konto. Reicht das Geld noch für die Miete, die Kinder und den täglichen Einkauf? Werde ich meinen Job behalten? Das sind Fragen , mit denen immer mehr Familien beschäftigen müssen. Die Politik hat nie Arbeitsplätze geschaffen sondern eher vernichtet.

Das muss nicht so bleiben. (Jetzt kommen die gleichen faulen Säcke wie zuvor. Auch sie sind nicht in der Lage sich selber zu ernähren und vom Trog der Wähler abhängig. Welche nicht weder im Leben, Firma, oder Partei einen nachweis erbrachten Menschen führen zu können.) Eine andere Politik ist möglich! Wir brauchen in NRW (Achtung das Merkel WIR – statt Kinder bei Merkel wird hier versucht die Wähler zu streicheln. ) eine Politik (des Kommunismus oder Sozialismus) der sozialen Sicherheit. Wie geht das? Zum Beispiel mit einen Mindestlohn von 12 Euro, zum Beispiel durch eine Millionärssteuer: (Da hat sie recht, aber wenn, dann auch bei den Politikern) Dann ist Geld da für ein Investionsprogramm, damit vor Ort Schulen und Infrastruktur nicht weiter vergammeln. Die Landesregierung braucht dringend Druck von links . Ein Politisches „Weiter so!“ würde die soziale Spaltung nur noch mehr vertiefen. Das haben die Menschen in unserem Land nicht verdient. (Merkels „unser“)

Deshalb: Geben Sie bei der Landtagswahl Ihre Stimme der LINKEN. Setzen Sie damit ein deutliches Zeichen für die dringend nötige soziale Wende in NRW.

Seid zehn Jahren, dieselben Versprechungen. Sie ziehen natürlich den Laden durch einen stetigen Verlust an Wählerstimmen nach unten. Ich habe zum Beispiel hier in Köln nicht einen einzigen Wahlstand in den ganzen Wochen gesehen. So konnten mir auch keinerlei  Informationen überreicht werden. In den Jahren zuvor war es schon schwierig den Werbern aus den Weg zu gehen. Diese Zeitung am Freitag, war die erste Werbung der Partei, welche ich in diesem Jahr gesehen habe. Für mich ist das in Ordnung. Ich informiere mich sowie so, dann wenn ich es möchte. Neue Leute braucht das Land verbreitet die Zeitung. Leute welche alle nicht bereit sind für ihre Sache zu arbeiten und ich teiweise persönlich getroffen habe? Ich kann nur noch lachen über diesen Arbeitseifer.

IE

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Grafikquelle:  Blogsport

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Kraut = Linkes Unkraut?

Erstellt von DL-Redaktion am 19. April 2017

Kraut verlässt Linke-Fraktion wegen
„unüberbrückbarer Differenzen“

von  (gala)

Die Linke hat jetzt ihren Fraktionsstatus im Hückelhovener Rat verloren. Dirk Kraut bleibt als Parteiloser aktiv. Beide Seiten äußern Enttäuschung.

Die Linke hat im Hückelhovener Stadtrat keinen Fraktionsstatus mehr. Dirk Kraut hat die Fraktion verlassen, wie der Vorstand der Ortsgruppe in einer Pressemitteilung informierte. Der Partei hatte der Millicher nie angehört. Mit Boris London war er durch einen Listenplatz in den Rat eingezogen und hatte mit ihm eine Fraktion gebildet. Es sei in Ordnung, wenn ein Parteiloser mit einem Parteimitglied eine Fraktion bilde, bestätigte auf Anfrage die Verwaltung. Doch das Tischtuch zwischen London und Kraut ist zerschnitten: „Unüberbrückbare Differenzen“ nennt Kraut das auf Anfrage. Er will nun als Parteiloser und „Einzelkämpfer“ sein Mandat ausüben.

Quelle : RP-ONLINE >>>>> weiterlesen

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Grafikquelle : Panoramamontage Rathaus Hückelhoven

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Unsere Meldung des Tages

Erstellt von DL-Redaktion am 23. Februar 2017

Das könnte doch zum Günter paasen. Fanatisierte Fahnenschwenker im Stundenlohn

Da hat er offensichtlich in Köln eine sehr gute Schule besucht und den „Kölner Klüngel“ auf das genaueste studiert. Dieser alte SED Trick ist einfache genial und übertrifft die Wahl „Des neuen Hans Guck in die Luft“ um Längen. Er sollte Steinmeier eine Lehrstunde verkaufen, damit auch dieser das nächste mal einstimmig gewählt wird.

Als Kreissprecher der Linken in Bottrop schreibt er in  seiner eigenen Blocks Rubrik über seine eigene Wahl, zum Direkt Kandidaten für den Landtag. Fritsche-Schmidt und Roswitha Busch wurden im Laufe des Abends – ebenfalls einstimmig – als Bottroper Delegierte zum Landesparteitag

Aber genau so kennen wir Ihn, die Anzahl der Anwesenden Wahlberechtigten wurden vorsorglich nicht erwähnt und so können wir aus   eigenen Erfahrungen mit den Linken davon ausgehen , dass nur die drei gewählten auch auch anwesend waren. Vielleicht an einen geheimen Ort und somit nicht öffentlich ausgeschrieben?

Zum Schluss sollte hier noch erwähnt werden das Günter bereits etliche, negative Erfahrungen als Wahl Kandidat hinter sich gebracht hat und selbst als Landesgeschäftsführer einige Niederlagen einstecken musste. Na, vielleicht hat er im reifen Alter ja mehr Erfolg. Nur an seiner fehlenden  Bodenhaftung scheint sich nichts geändert zu haben.

Redaktion DL /IE

Blocks zum Direktkandidaten der LINKEN gewählt : „Für mehr soziale Gerechtigkeit“

Einstimmig wurde am Montagabend bei der Wahlversammlung der LINKEN deren Kreissprecher Günter Blocks (58) zum Bottroper Direktkandidaten für die Landtagswahl gewählt. Blocks erklärte zu seiner Wahl: „In NRW verrotten Brücken, Straßen, Schienen und Schulen. Die Verantwortung hierfür tragen die NRW-Regierungsparteien der letzten 20 Jahre: SPD und Grüne, CDU und FDP. Es wird höchste Zeit für einen grundlegenden Politikwechsel. Meine Kandidatur steht für mehr soziale Gerechtigkeit sowie für den Erhalt und Ausbau der sozialen, kulturellen und wirtschaftlichen Infrastruktur.“

Leiter der Essener Projekte für EU-Zuwanderer

Blocks leitet beim Kommunalen Integrationszentrum Essen sechs Projekte, die auf bessere Integration der Zuwanderer aus der Europäischen Union in Essen abzielen: von Fällen der Wohnungslosigkeit bis hin zur Arbeitsmarkt-Integration.

Quelle: Lokalkompass >>>>>> weiterlesen

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Fotoquelle: Wikipedia – Blömke/Kosinsky/Tschöpe

Diese Datei ist unter der Creative-Commons-Lizenz „Namensnennung – Weitergabe unter gleichen Bedingungen 3.0 Deutschland“ lizenziert.

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Kölscher Klüngel

Erstellt von DL-Redaktion am 9. Februar 2017

Wohnungsmarkt

https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/d/d3/K%C3%B6lner_Stadtanzeiger_-_Leuchtreklame_%284266-68%29.jpg

Drei Mitarbeiter von GAG und Stadt Köln sollen Schmiergeld erhalten haben

Um kurz vor 9 Uhr am Mittwoch sammeln sich etwa zehn Ermittler im Eingangsbereich des Kalk Karrees am Ottmar-Pohl-Platz. Mit einem Durchsuchungsbeschluss in der Tasche besteigen sie einen Aufzug und fahren in die zweite Etage, Amt für Wohnungswesen. Zeitgleich werden Polizisten in vier Niederlassungen des städtischen Immobilienunternehmens GAG vorstellig, außerdem bei drei Privatwohnungen in Köln.

Kurz darauf äußert eine Stadtsprecherin in einer ersten Stellungnahme Entsetzen darüber, dass es in den eigenen Reihen zu Fällen von Bestechung gekommen sein soll. Bestürzung auch in der GAG-Zentrale in Müngersdorf, der Vorstand beraumt eine Krisensitzung an. Nur die Bewohner des Waldbadviertels in Ostheim ahnen in diesem Moment noch nicht, dass ihre Siedlung im Zentrum der Ermittlungen steht. In der Straße Bertha-Benz-Karree sind in den vergangenen Jahren bereits mehrere Neubauten entstanden, andere befinden sich noch im Bau. Auch am Mittwochvormittag werden dort Dächer gedeckt und Dämmmaterial verbaut.

Offizielle Wartelisten sollen umgangen worden sein

Einige fertige Wohnungen stehen noch leer, viele sind schon vergeben. In manchen Häusern sollen sich die Wohnungen befinden, die ein 32 Jahre alter GAG-Mitarbeiter mit einer Kollegin (53) und einer städtischen Mitarbeiterin (51) des Amts für Wohnungswesen gegen Schmiergeld an Flüchtlinge vermittelt haben soll. 3000 Euro, so die bisherigen Ermittlungen der Staatsanwaltschaft, sollen pro Wohnung geflossen sein.

Quelle : Kölner – Stadtanzeiger >>>>> weiterlesen

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Fotoquelle: © Raimond Spekking / Wikimedia Commons
  • CC BY-SA 3.0
  • File:Kölner Stadtanzeiger – Leuchtreklame (4266-68).jpg
  • Erstellt: 7. März 2010

 

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Unsere Meldung des Tages

Erstellt von DL-Redaktion am 1. Februar 2017

Kritik an Jobs für Expolitiker

https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/3/3f/OB-Wahl_K%C3%B6ln_2015%2C_Wahlabend_im_Rathaus_01.jpg

Oberbürgermeisterwahl in Köln 2015 – Wahlabend in der Piazetta des Historischen Rathauses. Wahlleiterin Gabriele Klug verkündet das vorläufige amtliche Endergebnis.

Warum nur sollte es in der EU anders sein als im eigenen Land. Auch hier verkaufen viele zuvor, von Ihren Parteien „Demokratisch“ bestimmte Volks-Abzocker, ihr, in der Politik und Partei so erworbenes Wissen, wie ihre Verbindungen an die Wirtschaft weiter. Auffällig, aber durchaus verständlich das diese Verbindungen von allen Parteien überwiegend stillschweigend hingenommen werden. Hofft doch insgeheim fast ein Jeder, bald selber diese Chance geboten zu bekommen.

Da braucht es schon einer APO um auf diese mafiösen Machenschaften unter den Parteienclans hinzuweisen. Arbeiten wollen diese Barden ja nicht, sondern sie lassen die eigenen Kassen viel lauter klingeln, wenn sie Tipps anbieten wie sich von Ihnen zuvor verabschiedete Gesetze am besten unterlaufen lassen. Auch verkaufen Sie meistbietend Ihre weiter gepflegten Verbindungen zu Ihren Nachfolgern. So nutzen sie Ihre, durch die Partei und Steuergelder gebotenen Möglichkeiten zum Nachteil Ihrer ehemaligen WählerInnen Schamlos aus.

Redaktion : IE

Politiker in der Wirtschaft

Bei Google kennt man die EU sehr gut

Immer mehr Europapolitiker wechseln nach ihrer Amtszeit zu Lobbyfirmen. Das hat absurde Folgen – und nährt den Politikverdruss.

Viviane Reding, Neelie Kroes, José Manuel Barroso – gleich drei ehemalige EU-Kommissare machten Negativschlagzeilen, weil sie nach ihrem Abschied von der Behörde als Lobbyisten für Privatfirmen anheuerten. Grund für die Antikorruptions-NGO Transparency International (TI), sich die „Drehtüren“ in Brüssel näher anzuschauen.

„Wenn EU-Politiker Lobbyisten werden“ heißt die Analyse, die am Dienstag veröffentlicht wurde– und sie birgt Sprengstoff. Denn die drei ehemaligen Kommissare sind nur die Spitze eines Eisbergs. Ein Drittel der früheren Spitzenbeamten der EU-Behörde arbeitet nun für private Firmen, hat TI herausgefunden. Besonders beliebt sind Uber, ArcelorMittal, Goldman Sachs, VW und die Bank of America. Auch 30 Prozent der ehemaligen, ursprünglich nur ihren Wählern verpflichteten Abgeordneten des Europäischen Parlaments sind inzwischen im EU-Lobbyregister verzeichnet. Viele arbeiten bei Brüsseler Beratungs- und Lobbyfirmen, einige haben sogar eigene Agenturen eröffnet.

Unter den gut bezahlten Lobbyisten sind auch bekannte deutsche Exabgeordnete wie Silvana Koch-Mehrin und Wolf Klinz (beide FDP). Nicht aufgeführt wird der frühere deutsche EU-Botschafter Wilhelm Schönfelder, der nach dem Ende seiner Amtszeit zu Siemens wechselte. Am dollsten hat es aber der Portugiese Barroso getrieben. Der frühere Kommissionschef wechselte von Brüssel nach London, wo er für die US-Investmentbank Goldman Sachs arbeitet. Er hat also gleich zweimal die Seite gewechselt – vom öffentlichen in den Privatsektor und von der EU in die USA.

Quelle:  TAZ >>>>> weiterlesen

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Fotoquelle : Urheber – Elke WetzigEigenes Werk

  • CC-BY-SA 4.0
  • File:OB-Wahl Köln 2015, Wahlabend im Rathaus 01.jpg
  • Erstellt: 18. Oktober 2015

 

 

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NSU und kein Ende

Erstellt von DL-Redaktion am 31. Januar 2017

MigrantInnen über rechten Terror und Rassismus

Anschlagsort in der Keupstraße / Köln

Autor:  Uli Gellermann

Buchtitel: Die haben gedacht, wir waren das
Buchautor: Kemal Bozay / Bahar Aslan / Orhan Mangitay / Funda Özfırat
Verlag: Papyrossa

Noch hat der NSU-Prozess kein Ende gefunden, da hat die NPD, die Partei der NSU-Freunde, schon einen Freispruch zweiter Klasse bekommen. Noch ist das NSU-Netzwerk nicht annähernd aufgeklärt, da darf einer dieser NPD-Nachfolgepolitiker von der AfD ungestraft vom tausendjährigen Deutschland fabulieren. In diese politische Landschaft hinein schreibt eine ganze große Gruppe von Menschen mit Migrationshintergrund ihre Erfahrungen, ihre Erkenntnisse und ihre Gefühle zum NSU-Verbrechen. Sie kommen aus allen möglichen  politischen Gegenden: CDU-Mitglieder sind unter ihnen, Leute von der LINKEN und den GRÜNEN, auch Sozialdemokraten. Sie alle eint der schwere Schock des Generalverdachtes, den die deutschen Medien und Behörden während der Mordserie wagten in die Welt zusetzen: „Die haben gedacht, wir waren das!“ Ein Streit unter türkischen Geschäftsleuten wurde vermutet, Verbindungen zum Rotlichtmilieu, dem Drogenhandel und zur Türsteherszene wurden unterstellt. Der Sicherheitsminister Otto Schily schloss schon am Tag nach dem Attentat einen terroristischen Hintergrund aus. Die Deutschen waren sich ziemlich einig: Diese Mordserie konnte nicht von Deutschen, sie musste von irgendwelchen Ausländern verübt worden sein.

Fünf Jahre nach der Aufdeckung der Morde und Bombenanschläge des rechten Terrornetzwerks »Nationalsozialistischer Untergrund« (NSU), das in der Öffentlichkeit gerne auch mit dem Terrortrio Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos und Beate Zschäpe in Verbindung gebracht wird, fünf Jahre nach kontinuierlicher politischer Auseinandersetzung mit dem NSU-Komplex durch Journalisten, Juristen, Schriftsteller, Untersuchungsausschüsse und antirassistische Initiativen sowie nach drei Jahren andauerndem NSU-Prozess in München hat sich zwar Einiges bewegt, doch offen bleibt die Ausgangsfrage: Wir wissen tatsächlich immer noch nicht, wer der NSU wirklich war und welche rechtsextremen Netzwerke mit dem NSU in Verbindung standen? Offen ist auch, inwieweit staatliche Sicherheitsdienste informiert und involviert waren. 

Wie kann ein Trio 14 Jahre lang aus dem Untergrund all diese Morde, Bombenanschläge und Raubüberfälle durchführen – ohne dass staatliche Sicherheitsbehörden aufmerksam darauf geworden sind? 
Nicht zu übersehen ist auch ein Vertrauensbruch und Riss, der die gesamte Gesellschaft zum Nachdenken anregt. Wo bleiben Wut und Widerstand? Erinnern wollen die Autoren an die Lichterketten aus den 1990er Jahren, als im Zuge der Brandanschläge in Hoyerswerda, Rostock, Mölln und Solingen Hunderttausende auf die Straßen gingen. Auch fünf Jahre nach der Aufdeckung der NSU-Morde und -Anschläge herrscht weiterhin Schweigen! Daher begreift sich das vorliegende Buch am 5. Jahrestag der Aufdeckung der NSU-Morde als Manifest von Migranten zu rechtem Terror und Rassismus.

Die Autoren erinnern auch dran, dass der NSU keine plötzliche, unerklärliche Erscheinung ist, sondern gesellschaftliche Wurzeln hat: In Äußerungen des höchst achtbaren Historikers Hans-Ulrich Wehler, der lauthals verkünden durfte: „Die Bundesrepublik hat kein Ausländerproblem, sie hat ein Türkenproblem. Diese muslimische Diaspora ist im Prinzip nicht integrierbar. Man soll sich nicht freiwillig Sprengstoff ins Land holen“. Im angehäuften Sprengstoff einer Jahre währenden Nicht-Integrationspoltik, die darauf setzte, dass die Ausländer alle „nach Hause“ gehen würden, obwohl manche inzwischen in der zweiten Generation in Deutschland lebten. In den üblen Thesen des Sozialdemokraten Thilo Sarrazin, dessen Buch „Deutschland schafft sich ab“ seinen Resonanzboden beim SPIEGEL, der BILD-Zeitung und in unzähligen Talkshows fand. Jenen Schaukampf-Buden, in denen sich nahezu die selben Leute nur wenig später über Pegida erstaunten. 

Mit „Die haben gedacht, wir waren das“ liegt ein Buch vor, dass eine Zeitenwende in der Bundesrepublik markiert: Von der gewöhnlichen Ausländerfeindlichkeit über den ausgeprägten Rassismus  bis hin zum rechten Terror. Schon jetzt ist das Buch ein historisches Dokument.

Buchpräsentation
DIE HABEN GEDACHT WIR WAREN DAS
Özge Pinar Sarp – Politologin aus Berlin
Kemal Bozay – Professor für Angewandte Sozialwissenschaften, Köln

Am 21. 02. 2017 um 20.30 Uhr
Im Berliner Buchhändlerkeller, Carmerstr.1, 10623 Berlin-Charlottenburg

Es moderiert: Uli Gellermann

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Fotoquelle: Autor —  christophbrammertz (Christoph Brammertz)  http://www.flickr.com/photos/27565078@N07

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Grüne kritisieren Kölner Polizei

Erstellt von DL-Redaktion am 2. Januar 2017

Klagemauer 1994

Die Kölner Polizei hat sich für ihren resoluten Silvester-Einsatz selbst gelobt – nachdem sie zuvor mit einem Tweet für Irritationen gesorgt hatte. Kritik an der gezielten Überprüfung nordafrikanischer Männer kam von Grünen-Chefin Peter.

Grünen-Chefin Simone Peter hat sich kritisch zum Einsatz der Kölner Polizei bei den Silvesterfeierlichkeiten geäußert. „Das Großaufgebot der Polizei in Köln und anderen Städten hat Gewalt und Übergriffe in der vergangenen Silvesternacht deutlich begrenzt“, sagte sie der „Rheinischen Post“. Allerdings stelle sich die Frage nach der Rechtmäßigkeit, „wenn insgesamt knapp 1000 Personen alleine aufgrund ihres Aussehens überprüft und teilweise festgesetzt wurden“, sagte Peter.

Der migrationspolitische Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion, Volker Beck, äußerte sich zurückhaltend. „Bevor ich nicht von jeder Seite ihre Version des Vorgangs kenne, will ich mich nicht über das Verhalten der Kölner Polizei äußern“, sagte er der „Rheinischen Post“. Polizeiliche Maßnahmen müssten durch Gefahrenlagen oder das Verhalten einer Person begründet sein, nicht in ihrer Identität. Alles andere würde gegen die Antirassismus-Konvention der Vereinten Nationen verstoßen, betonte Beck.

Der CSU-Innenexperte Stephan Mayer wies die Kritik an der Kölner hingegen klar zurück. Das Vorgehen gegen Menschen nordafrikanischer Herkunft habe „nichts mit Diskriminierung zu tun“, sagte der innenpolitische Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag im gemeinsamen Morgenmagazin von ARD und ZDF. Die Beamten hätten „konsequent und entschieden“ Straftaten und sexuelle Übergriffe wie vor einem Jahr verhindert.

„Vergleichbar aggressiv“

Die Kölner Polizei hatte zuvor eine positive Bilanz gezogen: „Durch konsequentes Einschreiten“ seien ähnliche Straftaten wie im Vorjahr verhindert worden, hieß es bei einer Pressekonferenz. „Wir hatten Personengruppen, die vergleichbar aggressiv waren“, sagte Polizeipräsident Jürgen Mathies. Erneut seien mehrere Hundert junge Nordafrikaner nach Köln gereist. Der große Unterschied zum Jahr davor sei gewesen, dass die Polizei diesmal konsequent eingeschritten sei. Die im Bereich des Doms eingerichtete Schutzzone habe zu einer Befriedung des Bereichs geführt.

Quelle: Tagesschau

Polizei verteidigt Silvestereinsatz

Quelle: Junge Freiheit

Kölner Polizei hat richtig gehandelt

Die Kölner Polizei hat in der Silvesternacht gezielt Hunderte Nordafrikaner überprüft und damit eine Debatte ausgelöst: Handelte es sich hierbei um „racial profiling“, also das Kontrollieren nur aufgrund der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gruppe? Während die Polizei ihr Vorgehen verteidigt, kritisierte etwa Grünen-Chefin Simone Peter die Verhältnismäßigkeit beim Vorgehen der Beamten.

Quelle: NDR   

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Fotoquelle : Autor — Ziko-CEigenes Werk

Köln, so genannte „Klagemauer“

 

 

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ICH BIN WIEDER HIER!

Erstellt von DL-Redaktion am 2. Januar 2017

Ich bin wieder hier, in meinem Revier,
war nie wirklich weg, hab mich nur versteckt.
Ich rieche den Dreck, ich atme tief ein
und dann bin ich mir sicher, wieder zu Hause zu sein.

Nach langer Abwesenheit melde ich mich wieder zurück. Gewiss nicht im alten Zustand, aber mit großer Hoffnung wieder der Alte zu werden, da sich die Erinnerungen aus der letzten Zeit, immer stärker in den Vordergrund drängen.

So weiß ich auch u.a. über viele persönliche Erlebnisse zu berichten und auch belegen, über Vorkommnisse welche mir während des Aufenthalt in der Klinik und auch anschließend widerfahren sind. Ich hätte solche Vorfälle in diesem, von selbstherrlichen PolitikernInnen geführten Rechtsstaat nicht für möglich gehalten. Erlebnisse wie zum Beispiel der Versuch einer Entmündigung vom Krankenbett aus! Was einem in den ersten Tagen alles so zur Unterschrift vorgelegt wird, einfach unglaublich. Wie sehr gesundheitliche Schwächen ausgenutzt werden. Wieder zu Hause angekommen wird man so beschäftigt, das für die benötigte Ruhe, kaum Zeit verbleibt.

Am Freitag den 09. 12. 16 verstarb 95 jährig Frau Hildegard Hamm-Brücher in München. Bereits im Jahre 2002 aus der FDP ausgetreten hinterließ Sie uns folgende Erkenntnis:

Parteipolitik ?

Heute würde ich das nicht mehr machen.

Es gibt so viele andere wichtige Bereiche,

von Greenpeace bis Amnesty, man kann

sich genauso ohne Partei politisch

engagieren, ohne diese „Erniedrigungen des Aufstiegs“.

Eine späte Erkenntnis, aber immerhin. Von vielen der heutigen Möchtegern-Politikern werden wir dergleichen nie zu hören bekommen. Dachte Sie wohl an die, den Fäkalien-gruben gleichenden Parlamenten in welchen die dicksten Klumpen, den größten Auftrieb haben und immer wieder nach oben drängeln?

Wir danken für die Treue und wünschen allen unseren Lesern, Kommentatoren sowie Schreibern ein gesundes und erfolgreiches „Neues Jahr“.

i.A. Redaktion / IE

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Fotoquelle: Autor SiebbiMarius Müller-Westernhagen

  • CC BY 3.0
  • File:Marius Müller-Westernhagen Berlinale 2010.jpg
  • Erstellt: 11. Februar 2010

 

 

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Butterwegge for Präsident

Erstellt von DL-Redaktion am 19. November 2016

Linke nominiert gefragten Hartz-IV-Experten

Prof Dr Christoph Butterwegge.jpg

Als Armutsforscher ist Christoph Butterwegge ein gefragter Experte. Bekannt ist er besonders für seine Kritik an Hartz IV (hier im Interview mit t-online.de: „Armut wird in Deutschland politisch gefördert“). Jetzt sorgt der Politikwissenschaftler aus ganz anderem Grund für Wirbel: Der parteilose Professor aus Köln wird aller Voraussicht nach für das höchste Staatsamt kandidieren – auf Wunsch der Linken.  

edenfalls stehe er grundsätzlich bereit und werde sich am Montag den Führungsgremien der Partei vorstellen, sagt er. Dann will die Linkspartei den 65-Jährigen nominieren, um ihn am 12. Februar ins Rennen zu schicken – gegen Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD), auf den sich Union und SPD als künftigen Bundespräsidenten geeinigt haben.

„Ja, ich lehne mich weit aus dem Fenster“

Doch Butterwegge hat keine Chance, ins Schloss Bellevue einzuziehen. Warum kandidiert er trotzdem?

„Ich würde eine Kandidatur nutzen, um mein zentrales Anliegen – die soziale Gerechtigkeit – in den Mittelpunkt des öffentlichen Interesses zu rücken“, sagt Butterwegge. „Ja, ich lehne mich weit aus dem Fenster, aber ich könnte die Zeit bis zur Bundesversammlung nutzen, um deutlich auf die sich vertiefende Kluft zwischen Arm und Reich in unserem Land hinzuweisen.“

Für Butterwegge steht einiges auf dem Spiel. „Das Risiko ist groß, dass ich nach der Wahl des Bundespräsidenten nur noch als unterlegener Kandidat gesehen werde und als Wissenschaftler weniger ernst genommen werde.“ Er will ein Zeichen setzen – und das wäre ihm den ungewöhnlichen Einsatz wert.

Forschungsschwerpunkt: Armut in allen Varianten

Schon 2012 hatte die Linkspartei Butterwegge gebeten, seinen Hut in den Ring zu werfen – damals gegen Joachim Gauck. Doch der Kölner gab den Linken kurzfristig einen Korb, als die Partei plötzlich noch mit zwei weiteren Namen – der Nazi-Jägerin Beate Klarsfeld und der Bundestagsabgeordneten Luc Jochimsen – um die Ecke kam.

„Ich wollte nicht gegen zwei honorige Frauen kandidieren“, erinnert sich der Politikwissenschaftler. Diesmal gibt es ganz offensichtlich nur ihn.

Butterwegge lehrt seit 1998 an der Uni Köln, am Institut für vergleichende Bildungsforschung und Sozialwissenschaften. Der renommierte Armutsforscher hat zahlreiche Bücher verfasst, darunter „Krise und Zukunft des Sozialstaates“ (2014), „Hartz IV und die Folgen“ (2015) oder „Armut in einem reichen Land“ (2016).

Seine Schwerpunkte sind die Felder Kinderarmut, Entbehrung im Alter, soziale Ausgrenzung, die gesundheitlichen Folgen von Armut sowie das immer stärkere Auseinanderdriften von Mittellosen und Reichen. Von ihm stammt der Begriff „Paternoster-Effekt“, der meint: „Die einen fahren noch oben, die anderen nach unten.“

„Reichtumsförderung statt Armutsbekämpfung“

Butterwegge war mal SPD-Mitglied. Aus Protest gegen Hartz IV trat er 2005 aber aus. Er ist Gegner des umstrittenen Reformpakets „Agenda 2010“, das auch Hartz IV umfasst und 2003 vom damaligen SPD-Bundeskanzler Gerhard Schröder verkündet worden war. Der Kölner geht hart ins Gericht mit der großen Koalition unter Angela Merkel (CDU). Sie betreibe „Reichtumsförderung statt Armutsbekämpfung“. Der Mindestlohn ändere wenig an einem wachsenden Niedriglohnsektor.

Dass Steinmeier als Architekt der „Agenda 2010“ gilt, dürfte Butterwegge zusätzlich antreiben, diesem die Bühne nicht ganz kampflos zu überlassen. Nach Ansicht der Linkspartei steht die „Agenda 2010“, die für mehr Wachstum und Beschäftigung sorgen soll, für die Zerstörung des Sozialstaats. Und hier ist der parteilose Wissenschaftler ganz nah bei der Linkspartei.

Privat steht Butterwegge einer Politikerin der Linken sehr nahe: Seine Frau Carolin (42) saß 2010 bis 2012 für die Linksfraktion im nordrhein-westfälischen Landtag. Auch sie will wohl kandidieren – für die Landtagswahl im kommenden Mai. Die beiden haben zwei Kinder, einen einjährigen Sohn und eine acht Jahre alte Tochter. Der aus dem Münsterland stammende Forscher war in Bremen tätig, hatte auch Lehraufträge in Münster, Duisburg, Erfurt, Magdeburg oder Potsdam, bis er nach Köln kam. Seit August ist er pensioniert. Aber, wie er sagt: Angesichts seiner kleinen Kinder, vieler Publikationen und Vorträge „im Unruhezustand.“

Quelle:   t -online

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Fotoquelle: Dirk Schneider (ds-foto)Eigenes Werk (own work ) by ds-foto: http://dsfoto.wordpress.com

 

  • CC BY-SA 3.0
  • File:Prof Dr Christoph Butterwegge.jpg
  • Erstellt: 15. März 2013

 

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Später Dank an Guido Westerwelle

Erstellt von DL-Redaktion am 11. Oktober 2016

Vor einem halben Jahr verstarb Guido Westerwelle.
Deutschland schuldet ihm späten Dank

Das Vermächtnis des früheren Außenministers wird heute sichtbar. Seine Entscheidung, damals nicht in Libyen einzumarschieren, war mutig und richtig

Vergangene Woche gab es wieder dramatische Bilder von der Küste vor Libyen. Fast 5.000 Flüchtlinge wurden an einem Tag aus Seenot gerettet, eine junge Mutter gebar kurz nach der Rettung noch auf See Zwillinge, die Wehen hatten unter den Strapazen früher eingesetzt.

Libyen, das ist das neue Syrien. Von dort kommt der Strom, dort tobt ein unentwirrbarer Bürgerkrieg, im medialen Schatten des Assad-Reiches, auf dessen Boden sich die USA und Russland zunehmend offen einen Krieg liefern.

In Libyen ist passiert, was so oft im Nahen Osten passiert.

Das Muster ist immer das Gleiche: Ein Diktator unterdrückt sein Volk, es beginnt zu brodeln, der Westen greift ein, der Diktator ist irgendwann weg. Dann aber geht das Brodeln erst richtig los. Und ist von nichts und niemandem mehr unter Kontrolle zu kriegen, wie bei einem großen Störfall in einem Kernkraftwerk.

Mutiger Alleingang im UN-Sicherheitsrat

In Libyen nahm das Verhängnis im Frühjahr 2011 seinen Lauf. Diktator Muammar al-Gaddafi hatte das Land seit Jahrzehnten unter Kontrolle, aber zu einem enormen Preis, den die Bevölkerung zu zahlen hatte. Seine Herrschaft wurde zunehmend erratischer und despotischer, ein Bürgerkrieg zog auf. Der französische Staatspräsident Nicolas Sarkozy wollte Stärke zeigen, nicht zuletzt um von innenpolitischen Problemen abzulenken. Die USA, angeführt von Barack Obama, der zu keinem Zeitpunkt seiner Präsidentschaft im Nahen Osten ein glückliches Händchen hatte, willigten in einen Einsatz ein.

Deshalb, posthum: Danke, Guido Westerwelle. Sie haben mutig und richtig gehandelt. Auch wenn das seinerzeit keiner wahrhaben wollte.

Quelle : Cicero >>>>> weiterlesen

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Fotoquelle : Kölner Melaten Friedhof

Autor – Udo Röbenack (de:Benutzer:Supercoach)Selbst fotografiert

Grabstätte eine Woche nach der Beisetzung (2016)

 

 

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Ermittlungen Böhmermann eingestellt

Erstellt von DL-Redaktion am 4. Oktober 2016

Ermittlungen gegen Jan Böhmermann eingestellt

Datei:Jan Böhmermann in Rostock 2014.jpg

Die Staatsanwaltschaft Mainz hat ihre Ermittlungen gegen den ZDF-Moderator Jan Böhmermann wegen Beleidigung des türkischen Staatschefs Recep Tayyip Erdogan eingestellt. Wie die Behörde mitteilte, „waren strafbare Handlungen nicht mit der erforderlichen Sicherheit nachzuweisen“.

Der TV-Satiriker und Grimme-Preisträger Böhmermann hatte sein Gedicht „Schmähkritik“ Ende März in seiner Sendung „Neo Magazin Royale“ vorgetragen. Er wollte damit nach eigenen Angaben den Unterschied zwischen in Deutschland erlaubter Satire und verbotener Schmähkritik aufzeigen.

Bewusstes Beispiel für Überschreitung der Meinungsfreiheit

Die Staatsanwaltschaft begründete die Einstellung nun unter anderem damit, dass Böhmermanns Schmähgedicht „als Beispiel für eine Überschreitung der Meinungsfreiheit dienen sollte“. Zudem sei eine Karikatur oder Satire keine Beleidigung, wenn „die Überzeichnung menschlicher Schwächen“ keine „ernsthafte Herabwürdigung der Person“ enthalte.

Der Text des „Schmähgedichts“ handelte unter anderem von Sex mit Tieren und Kinderpornografie und transportiert außerdem Klischees über Türken. Erdogan hatte daraufhin Anzeige wegen Beleidigung eines ausländischen Staatsoberhaupts erstattet. Die Ermittlungen waren möglich geworden, nachdem die Bundesregierung eine entsprechende Ermächtigung wegen des Strafverlangens der türkischen Regierung erteilt hatte.

Quelle : t-online >>>>> weiterlesen

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Fotoquelle:

Urheber Jonas Rogowski / eigenes Werk

Diese Datei ist unter der Creative-Commons-Lizenz „Namensnennung – Weitergabe unter gleichen Bedingungen 3.0 nicht portiert“ lizenziert.

 

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Bosbach möchte nicht mehr

Erstellt von DL-Redaktion am 24. August 2016

CDU-Politiker Wolfgang Bosbach möchte nicht mehr kandidieren.