Flegel der Gert
gegen Alzheimer in der Politik – Gert Flegelskamp in seiern un-nachahmlichen Art
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NachDenkSeiten
Die Nachdenkseiten – Veröffentlichungen von Albrecht Müller und Wolfgang Lieb – der Weg zu einer Gegenöffentlichkeit
Söder stürzt in neuer Umfrage ab – AfD jetzt zweitstärkste Kraft
Schlechte Umfragen für Markus Söder: Der CSU-Chef tourt pausenlos durchs Land – doch an seiner Beliebtheit scheint das nichts zu ändern.
Dafür gewinnt die AfD dazu.
Gut einen Monat vor der Landtagswahl in Bayern kommt die CSU von Ministerpräsident Markus Söder in den Umfragen weiter nicht in Schwung: In der neuesten Umfrage von Civey, im Auftrag von „Augsburger Allgemeine“ und „Spiegel“ büßt sie sogar zwei Prozentpunkte ein, kommt nun nur noch auf 36 Prozent. So wenig Zuspruch gab es in einer Umfrage für die CSU in Bayern zuletzt im Januar vergangenen Jahres.
Die rechtspopulistische AfD scheint zu profitieren: Sie kommt in der zweiwöchentlichen Online-Erhebung jetzt auf 17 Prozent, das ist ein deutliches Plus um vier Zähler. Damit überholen sie die Grünen, die bei 15 Prozent stehen. Zum Vergleich: Vor einem Jahr trennten Grüne und AfD noch zwölf Prozentpunkte.
Die Freien Wähler von Vize-Regierungschef Hubert Aiwanger, wegen dessen Flugblatt-Affäre die Regierungskoalition zuletzt in eine Krise gestürzt war, liegen stabil bei 12 Prozent. Das Bündnis von CSU und Freien Wählern kommt damit auf 48 Prozent in der Umfrage – der Wahlabend dürfte spannend werden.
Saar-Linken-Chefin Spaniol über Streit in ihrer Partei
„Ich würde Sahra Wagenknecht gerne wieder öfter treffen“
Interview | Homburg · Die Linken im Saarland sind nach der krachenden Niederlage bei der Landtagswahl 2022 mit nur 2,6 Prozent nicht mehr im Saar-Parlament vertreten. Die bundesweit bekannteste Linke aus dem Saarland, Sahra Wagenknecht, soll mit dem Gedanken spielen, eine neue Linkspartei zu gründen. Wie sieht die Saar-Linken-Vorsitzende Barbara Spaniol, 59, die Lage ihrer einst vom 2022 ausgetretenen Oskar Lafontaine mit gegründeten Partei?
Von Dietmar Klostermann
Wie oft treffen Sie sich mit der bundesweit bekanntesten Saar-Linken Sahra Wagenknecht, die in Merzig-Silwingen wohnt, zum Meinungsaustausch?
SPANIOL Ich würde Sahra Wagenknecht gerne wieder öfter treffen. Früher war das so. Sie war mehrmals hier in Homburg, wir hatten große Veranstaltungen dazu organisiert, etwa im Saalbau. Aber leider besteht der Kontakt so gut wie nicht mehr. Das finde ich sehr schade.
Vor rund 20 Jahren startete die taz ihre Serie über Einzeitungskreise. Es ging um Regionen, wo es keine lokale oder regionale Konkurrenz mehr auf dem Zeitungsmarkt gab.
Damals war das in 299 von seinerzeit 443 Kreisen bzw. kreisfreien Städten der Fall. Heute gibt es nur noch 401 Kreise und kreisfreie Städte. Aber nochmal Einzeitungskreise nachzählen macht nur traurig. Denn die Tendenz steigt.
Besonders in Ostdeutschland, wo die fatale Medienpolitik nach der Wende dafür gesorgt hatte, dass es nach dem kurzen Boom 1989/90 den blühenden Presselandschaften sofort an die Wurzeln ging. Die Treuhand verramschte an Westverlage, Neugründungen hatten nie eine Chance. Von ganz wenigen Ausnahmen überlebt haben nur die alten, vielfach von ihren Vorteilen aus DDR-Zeiten zehrenden ehemaligen SED-Blätter. Damit es keine Missverständnisse gibt, die waren nach dem Austausch der Parteijournalist:innen okay bis gut gemacht, die meisten jedenfalls. Sie schlugen sich im Vergleich zur Lokalberichterstattung made in Westdeutschland mindestens ebenbürtig. Denn die zeichnete sich eher durch gepflegte Langeweile aus, während im Osten in den 1990er Jahren mächtig was los war.
Auch in Luckau, wo 1813 Napoleon eine kalte Nacht verbrachte. Davon übrig ist eine Anekdote über eine Wärmflasche, die sich Napoleon angeblich ins Bett bringen ließ und die heute im Niederlausitzmuseum in der Kulturkirche besichtigt werden kann. Bestimmt haben sie da auch ein Exemplar der Luckauer Kreiszeitung, die bis 1943 erschien und dann der Presseplattmache der Nazis erlag.
1813 war sicher nicht anders als 2023. Napoleon würde heute sicher die Einreise verweigert werden. Wer zweimal aus dem Leben rennt, den heute Niemand mehr erkennt. Sei es nun mit – oder ohne Wärmflasche. Und dieses selbst im benachbarten Saarland.
Heute wird Luckau mit der Lausitzer Rundschau (LR) aus Cottbus versorgt. Die LR ist traditionell für die Gegend von Cottbus bis Guben, den Spreewald, die Region Elbe-Elster und Teile Nordostsachsens zuständig. Natürlich lässt sich bei Schlagzeilen wie „Das sind die neuen Pläne für ein WC in der Stadt“ die Nase rümpfen. Aber komm du mal nach ein paar Bier und vier Stunden auf dem Rad in Luckau an und hab ein menschliches Bedürfnis. Neben zu viel Einzeitungskreisen ist Deutschland schließlich auch das „Viel zu wenig öffentliche Toiletten“-Land. Die LR berichtet auch über Ärztemangel in Luckau, über Gewalt an örtlichen Schulen, aber auch über schöne Sachen wie das Luckauer Vereinsleben. Lebenswirklichkeit nennt sich das.
CDU-Chef Friedrich Merz nennt seine Partei eine „Alternative für Deutschland mit Substanz“. In Stuttgart kopieren die Christdemokrat:innen Inszenierungsstrategien von rechtsaußen und wollen jetzt keine Geflüchteten mehr aufnehmen. Obwohl sie wissen, dass die Stadt das gar nicht entscheiden kann.
Im Amtsblatt der Landeshauptstadt frohlockt die AfD, die „Stuttgart Altparteienfront“ habe „in Sachen unbegrenzter Flüchtlingsaufnahme Risse bekommen“. Wie nicht anders zu erwarten, wenn sich rechte Populisten zu Wort melden, enthält ein einzelner Satz eine Menge Unsinn. Angesichts der buchstäblich tödlichen Migrationsabwehr, mit der Europa seine Außengrenzen vor dem Andrang Schutzsuchender bewahrt, braucht es erstens eine Menge Chuzpe, noch immer das Gerücht von unkontrollierter Zuwanderung oder gar „unbegrenzter Flüchtlingsaufnahme“ zu bemühen. Und zweitens setzt es eine beneidenswerte Kreativität voraus, in der Stuttgarter Kommunalpolitik eine „Altparteienfront“ herbeizufantasieren. Eigentlich genügt ein Blick in den Gemeinderat und wie dort eine Diskussion über die angemessene Höhe von Parkgebühren zum ideologisch aufgeheizten Grundsatzkonflikt zwischen Linken und Liberalen, Grünen und Konservativen ausufern kann.
Zutreffend ist allerdings, dass ein bislang humanitärer Konsens seit vergangener Woche nicht mehr gilt. Als sich Stuttgart im April 2020 unter dem Eindruck der desaströsen Bedingungen im Massenlager von Moria zum „Sicheren Hafen“ für Geflüchtete erklärte, war die CDU zwar dagegen und der heutige Bundestagsabgeordnete Maximilian Mörseburg unterstellte im Namen der Fraktion: „Wer die Legalisierung von Flüchtlingswegen über das Mittelmeer fordert, der lässt dabei außer Acht, dass er damit auch das Geschäft der Schlepper betreibt.“ Damals war es für ihn aber zumindest noch „vollkommen selbstverständlich, dass Deutschland weiter Menschen auf der Flucht aufnimmt“. Heute sieht das anders aus. Alexander Kotz, Fraktionsvorsitzender der CDU im Stuttgarter Rathaus, hält die „Belastungsgrenze hinsichtlich der Integrationsmöglichkeiten und der sozialen Infrastruktur in unserer Stadt“ für erreicht. Den Bau neuer Flüchtlingsunterkünfte in Stuttgart lehnt seine Partei daher ab.
Nun gehört das Wissen um die Zuständigkeiten bei der Unterbringung von Geflüchteten zu den Grundkenntnissen kommunalpolitischer Arbeit. Die Stadt Stuttgart hat keinerlei Entscheidungskompetenz darüber, ob und wie viele Geflüchtete sie aufnimmt. Nach einem Vorschlag der Verwaltung sollen an fünf Standorten 950 neue Plätze geschaffen werden. Und CDU-Oberbürgermeister Frank Nopper kommentiert die Forderung der CDU-Fraktion: „Wir sehen keine rechtliche Möglichkeit, dass die Landeshauptstadt Stuttgart die Aufnahme von Flüchtlingen verweigert.“ Die Alternative zum Bau neuer Unterkünfte sei daher „die Belegung von Turn- und Versammlungshallen oder von anderen öffentlichen Einrichtungen – was wir Ihnen nicht empfehlen können“.
In ihrer Pressemitteilung zur „Integrationsgrenze“ schreibt die CDU-Fraktion hingegen: „Für uns ist die Unterbringung nicht nur eine Frage der Quantität, eben gerade nicht nur Raum und Bett, sondern auch der Qualität. Es geht vor allem um das soziale Miteinander und die Integration in unsere Gesellschaft.“ Wie passt das zu einem Abstimmungsverhalten, das auf Notunterkünfte und Massenlager in Turnhallen hinausläuft und damit Schulsport verhindern würde? Eine Anfrage der Redaktion, ob diese Variante wirklich bevorzugt wird, lässt der Fraktionsvorsitzende Kotz unbeantwortet, auf ein Gesprächsangebot reagiert er nicht.
Wahlkampfmanöver statt Sachpolitik
Viel spricht dafür, dass es der CDU mit ihrer Verweigerungshaltung weniger um lösungsorientierte Sachpolitik geht als um ein Wahlkampfmanöver, das auf mangelhafte politische Bildung der Allgemeinbevölkerung setzt. „In der Konkurrenz um die Öffentlichkeit haben Politiker Professionalität in der Platzierung und Inszenierung von Ereignissen wie auch in der Sachinformation entwickelt. Im Verlauf dieser Metamorphose wandelt sich sachbezogene, auf verbindliche Entscheidungen bezogene Politik zunehmend in symbolische Politik“, lautete eine Diagnose aus dem bereits 1995 erschienenen „Bericht zur Lage des Fernsehens“, den Bundespräsident Richard von Weizsäcker in Auftrag gegeben hatte. Der politische Auftritt verlange zudem „darstellerische Qualitäten, die in keinem notwendigen Zusammenhang zu politischen Leistungen stehen, aber über den politischen Erfolg entscheiden“, während umgekehrt „politische Leistungen [verblassen], sobald das Talent zur Media Performance fehlt“.
Anknüpfend daran schrieb der Politikwissenschaftler Thomas Meyer 2004 in einem Essay: „Die Regeln der medialen Politikdarstellung – unterhaltsam, dramatisierend, personalisiert und mit Drang zum Bild, allesamt der Darstellungskunst des Theaters entlehnt – greifen auf das politische Geschehen selbst über.“ Dabei vollziehe sich ein folgenreicher Rollenwechsel: „Während in der Parteiendemokratie die Medien die Politik beobachten sollen, (…) beobachten in der Mediendemokratie die politischen Akteure das Mediensystem.“ Entscheidend sei dabei die Frage, „ob das, was es dabei zu besichtigen gibt, noch Information über Politik, einen Einblick in ihr tatsächliches Geschehen erlaubt und auf diesem Wege mündige Entscheidungen über sie möglich macht“.
Zwei Jahrzehnte nach Meyers Ausführungen haben sich die benannten Tendenzen nicht nur verschärft. Mit dem heutigen Stellenwert sozialer Netzwerke haben sich ganz neue Inszenierungsmöglichkeiten ergeben. Nicht nur weil Würdenträger auf Tiktok herumhampeln, um am Puls der Jugend zu bleiben. Sondern insbesondere, weil es inzwischen bedeutend leichter ist, politische (Pseudo-)Inhalte zu verbreiten, ohne dabei auf das Fernsehen oder eine Zeitung angewiesen zu sein.
Die AfD hat sehr früh erkannt, wie sich die Mechanismen der Mediendemokratie ausnutzen lassen – und ihr Wahlvolk scheint sich von der phänomenal schlechten Performance der Partei in den Parlamenten nicht wirklich abschrecken zu lassen. Für die Inszenierung hingegen ist Realität mitunter völlig unerheblich. Diese Strategie, für die der Tatsachenbezug zweitrangig ist, hat für die Stuttgarter CDU offenbar Vorbildcharakter. Als es im November 2022 große Aufregung um Tampon-Spender auf den Herrentoiletten des Stuttgarter Rathauses gab, versuchte die konservative Fraktion einen Beschluss zu skandalisieren, für den sie selbst gestimmt hatte. „Wir machen uns bundesweit zum Gespött“, sorgte sich damals Stadtrat Kotz. Jüngst erließ die Verwaltung unter Oberbürgermeister Nopper eine Allgemeinverfügung gegen Klimakleber, die verbietet, was bereits verboten ist – aber einen entschiedenen Einsatz im Sinne der Autofans vorgaukelt. Und im Fall der Flüchtlingsunterbringung tut die Stuttgarter CDU nun so, als ob sie etwas verweigern könnte, das sie nicht verweigern kann.
Zu den Äußerungen des CSU-Bundestagsabgeordneten Peter Ramsauer, der Geflüchtete mit Ungeziefer gleichsetzt, meint Lorenz Gösta Beutin, stellvertretender Vorsitzender der Partei DIE LINKE:
Wer Geflüchtete mit Ungeziefer vergleicht, spricht ihnen das Menschsein ab. Ungeziefer wird bekämpft und vernichtet. Wenn Ramsauer Geflüchtete mit „Ungeziefer“ vergleicht, schwingt die Geschichte des Holocaust mit, die Entmenschlichung, die der Vernichtung vorausging. Das ist lupenreine Volksverhetzung. Da spricht kein x-beliebiger Neonazi, sondern Mitglied einer bürgerlichen Partei. Ramsauer muss sein Bundestagsmandat zurückgeben. Sollte er es nicht tun, muss Fraktionschef Merz handeln und den Abgeordneten aus der Fraktion ausschließen.
Wir erleben einen gefährlichen Rechtsruck in der Gesellschaft. Wenn Merz versucht, die Union auf kommunaler Ebene für eine Zusammenarbeit zu öffnen, wenn er die Abschaffung des individuellen Rechts auf Asyl befürwortet, spielt er mit dem Feuer. Wenn Sachsens Ministerpräsident Kretschmer ihm beispringt und gegen das „parteipolitische Kleinklein“ einen „nationalen Konsens“ fordert, spielt er mit den Grundfesten unserer Verfassung, die auf Pluralität und Meinungsfreiheit beruhen. Ein behaupteter „Konsens“ setzt immer voraus, dass Menschen anderer Meinung ausgegrenzt werden.
Der Soziologe Zymunt Bauman hat einmal der Staat als Gärtner bezeichnet. Die extremste Konsequenz könne die Vernichtung dessen sein, was als nicht in die staatliche Ordnung passend erklärt wird. Eine Vorbedingung des Holocaust. Die Äußerung Ramsauers darf nicht ohne Konsequenzen bleiben. Die Radikalisierung der Sprache führt irgendwann zu Taten, zu Angriffen auf Geflüchtete und Brandanschlägen. Ramsauer ist der Brandstifter im Anzug des Biedermanns. Er verdient mit Roter Karte vom Platz gestellt zu werden.
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Wenn -ProSieben Sat.1- Stoiber in die Schlacht schickt
Eine Kolumne von Steffen Grimberg
Es gibt ja immer wieder Sachen, die für eineN neu sind. Zum Beispiel, dass ProSiebenSat.1 (P7S1) einen Beirat hat. Vorsitzender ist niemand Geringeres als Bayerns Ex-Ministerpräsident Edmund Stoiber (CSU). Der Beirat soll die Privatfernsehgruppe bei ethischen und gesellschaftspolitischen Fragen beraten.
Ob dazu auch gehört, warum P7S1 gerade mal wieder 400 Stellen abbaut? Oder Sat.1 inhaltlich und quotentechnisch in der Bedeutungslosigkeit verschwunden ist? Dabei war das mal der innovativste Privatsender, dem wir unter anderem mit „Talk im Turm“ den später von den Öffentlich-Rechtlichen geklauten TV-Talk verdanken. Doch heute liegt Sat.1 marktanteilmäßig hinter Vox, und inhaltlich sieht’s ganz arm aus.
Dazu hört man von Ede Stoiber aber nichts. Dafür hat sich der Beirat gerade mit einem „Weckruf“ an die Medienpolitik gemeldet. Denn er sieht das „duale System“, in dem sich Private und Öffentlich-Rechtliche in friedlicher Koexistenz beschimpfen, „in ernster Gefahr“. Denn „unsere Gesellschaft und ihr bröckelnder Zusammenhalt erfordern mehr denn je einen qualitativ hochwertigen Journalismus, der in unruhigen Zeiten Orientierung gibt“. Damit meint der Beirat aber keineswegs, dass sich die Beitragskommission KEF bei der Neuberechnung der Kohle für ARD und ZDF ab 2025 nicht so zimperlich anstellen soll. Im Gegenteil, die stehen voll fies mit den privaten Sendern „in vielen Bereichen in einem ungleichen Wettbewerb“, geht es in dem Brandbrief weiter. „In diesem Kontext muss auch diskutiert werden, wo und wie sich der öffentlich-rechtliche Rundfunk öffnen kann.“
Wer hat den denn von seinen Bahnsteig entführt, wo er so lange auf einen Zug gewartet hat?
Nachtigall, ick hör dir trapsen, ließe sich rufen, wenn Sat.1 noch in Berlin säße und nicht zum lieblosen Anhängsel des Münchner TV-Konzerns geworden wäre. Denn das Aufbohren der Grenzen zwischen privat und öffentlich-rechtlich ist das große Mantra von P7S1-Vorstandschef Bert Habets. Bei jeder Gelegenheit fordert der, dass ARD und ZDF samt Mediathek ins P7S1-Streaming-Angebot Joyn gehören. So will Habets die Welt und vor allem seinen Laden retten. ARD wie ZDF winken allerdings stets höflich ab. Wäre ja auch dumm, denn damit wäre das duale System nicht nur „ernsthaft gefährdet“, sondern keines mehr.
Unten — A walking puppet of Edmund Stoiber with the dictionary Deutsch-Politiker / Politiker-Deutsch Buchmesse07 PICT0027
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Dem Künstler und Professor Rudolph Bauer flatterte jüngst ein Strafbefehl des Amtsgerichtes Stuttgart ins Haus. Er soll den Gesundheitsminister Lauterbach beleidigt haben.
Und dieser Beleidigung wegen soll Rudolph Bauer eine Geldstrafe in Höhe von 30 Tagessätzen zahlen. „Der Tagessatz wird auf 100,00 EUR festgesetzt. Die Geldstrafe beträgt somit insgesamt 3.000,00 EUR“.
Gericht beleidigt Impf-Skeptiker
Woher kann das Gericht wissen, dass Bauer den Gesundheitsminister beleidigt haben soll? Bauer hatte dem inhaftierten Demokraten Michael Ballweg zwei Bildbände aus seiner Kunstproduktion ins Gefängnis geschickt. Die Bände, so behauptete das Gericht, hätten „Feindbilder aus dem Coronaleugner-/Impfgegner-Milieu“ enthalten. Das Gericht bediente sich in seinem Strafbefehl des Hetzwortes „Coronaleugner“, obwohl weder Bauer noch die Mitglieder der Demokratiebewegung ein Virus leugnen. Auch besteht das Demokratie-Milieu kaum aus Impfgegnern. Nicht wenige der aktiven Demokraten haben sich gegen Masern oder Pocken impfen lassen. Das Gericht beleidigt also jede Menge ihm unbekannter Menschen. Diese notorischen Lügen sind offenkundig am Jargon erkennbar, politisch motiviert. Eine Anzeige wegen Amtsmissbrauchs gegen die Stuttgarter Rechtsbeuger wäre also fällig.
Gericht gegen Grundgesetz
Aber die Stuttgarter Rechtsbrecher haben sich einer weiteren Rechtsverletzung schuldig gemacht: Sie haben, ohne dazu befugt zu sein, die Post des Häftlings Ballweg gelesen. Dann haben sie in ihrer amtlich bezahlten Zeit, statt echten Verbrechen nachzugehen, die Bildbände des Künstlers Rudolph Bauer studiert. Dieses Studium hat aber leider ihren Bildungshorizont nicht erweitert, sonst wäre das Stuttgarter Gericht nie auf die Idee gekommen, eine Bildmontage Bauers, die den Lauterbach als Hitler karikiert (siehe Bild unten) für strafwürdig zu halten. Denn natürlich fällt die Montage unter den Artikel 5 des Grundgesetzes, der die Kunstfreiheit garantiert. Das ist derselbe Artikel, der auch die Meinungsfreiheit verbürgt.
Drohung gegen Fußball-Profi
Dass Bauer zu einer Meinung über Lauterbach kommt, die ihn in der Nähe des fanatischen, zwangsorientierten Hitler sieht, liegt am besessenen Impf- und Pharma-Freund Lauterbach selbst. Es war Lauterbach, der dem Fußball-Profi und Impf-Skeptiker Joshua Kimmich anbot „dass ich ihn selbst impfe“. Doch nicht genug der Drohung, die fraglos nicht nur dem Profi Kimmich galt, sondern jener Allgemeinheit, die Distanz zum Pharma-Risiko hatte. Der Impfwahn Lauterbachs ging bis zur diktatorischen Prophetie: „Wir kommen jetzt in eine Phase hinein, wo der Ausnahmezustand die Normalität sein wird. Wir werden ab jetzt immer im Ausnahmezustand sein“. Auch in seinen politischen Erpressungs-Lügen war Lauterbach dem Diktator ähnlich, wenn er behauptete: „Klar ist aber, dass die meisten Ungeimpften von heute bis dahin (März 22) entweder geimpft, genesen oder leider verstorben sind, denn das Infektionsgeschehen mit schweren Verläufen betrifft vor allem Impfverweigerer“. Mit dem Begriff „Impfverweigerer“ stigmatisierte der Pharma-Agent Lauterbach gezielt jene nachdenklichen Menschen, die trotz des Medien-Trommelfeuers für die Spritzung noch in der Lage waren, Risiken abzuwägen. Die inzwischen bekannten Spritzschäden geben ihnen heute Recht.
Selbst die Gerichte schreiben manchmal schmutzige Geschichten !
Wo Unrecht Schule macht, wird Widerstand zur Pflicht
Bleibt die Frage, auf welchem Weg die Post Bauers, die nur für Michael Ballweg gedacht war, an Minister Lauterbach gelangte, der sich prompt beleidigt fühlte und der dann ebenso prompt Strafantrag gegen Professor Bauer stellte. Weder die Gefängnisleitung noch Lauterbach, noch das Stuttgarter Gericht hatten das Recht, diese Post zum Zwecke eines Strafantrages einzusehen. Aber kriminelle Vergehen waren im Umfeld der organisierten Corona-Hysterie gern gesehen: Die Einschränkung der Versammlungsfreiheit unter dem Vorwand des Gesundheitsschutzes durch die Regierung wurde sogar durch deutsche Gerichte sanktioniert. Wo Unrecht Schule macht, wird Widerstand zur Pflicht. Da mußte sich der Bürger Rudolph Bauer mit seiner Kunstaktion geradezu vor den Artikel 19 GG stellen. Denn die Einschränkung der Versammlungsfreiheit berührt ein Grundrecht. Dazu formuliert das Grundgesetz im seinem Artikel 19: „In keinem Falle darf ein Grundrecht in seinem Wesensgehalt angetastet werden“.
Verstehen können oder wollen
Wer nicht versteht, dass Bauers Montage eine künstlerische Umsetzung des sprichwörtlichen „Wehret den Anfängen!“ bedeutet, der kann entweder oder will nicht begreifen, dass der Schutz vor einem imaginären Killer-Virus nur ein Vorwand für den drakonischen Abbau der Demokratie war. Wer das nicht kann, der gehört mangels demokratischem Verständnis nicht in den Justiz-Dienst. Und wer das nicht begreifen will, der sollte zum Schutz der Demokratie umgehend aus diesem Dienst entfernt werden.
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„Ein Kind, das an Hunger stirbt, wird ermordet. Dieser Massenvernichtung begegnet die öffentliche Meinung des Westens mit eisiger Gleichgültigkeit,“ schrieb Jean Ziegler, als er UNO-Sonderberichterstatter für das Recht auf Nahrung war.
Seitdem hat sich die Situation für die Armen widerlich verschlechtert, während die 500 reichsten Menschen im ersten Halbjahr 2023 einen Vermögenszuwachs von 852 Milliarden US-Dollar verbuchen konnten. Das ist eine schier unvorstellbare Zahl, die man erst einordnen kann, wenn man sie den 828 Millionen Menschen gegenüber stellt, die jeden Abend hungrig zu Bett gehen müssen. Oder den 330 Milliarden US$, die laut einer Oxfam-Studie notwendig sind, den Hunger auf der Welt bis 2030 zu besiegen. Es ist schlichtweg eine Schande für die wertegetriebenen westlichen Staaten, dass diese hier nicht ex cathedra einschreiten und diese leistungslosen Vermögenzuwächse mindestens teilweise dem Gemeinwohl der Menschen zugute kommen lassen. Die akute Notlage in der Welt wäre auf einen Schlag gelindert.
Geradezu vorbildlich verfährt da die chinesische Regierung. Sie will keinen brutal kapitalistischen Wettbewerb auf Kosten kleiner Unternehmen und der Verbraucher und stellt die menschlichen Interessen in den Mittelpunkt. In diesem Sinne forderte sie die beiden großen Anbietre von E-Autos, BYD und Tesla, auf, ruinöse Preiskämpfe zu unterlassen. Und siehe da, der geldgeile Musk (Tesla) bekennt sich prompt in China zu den dort geltenden sozialistischen Grundwerten. Da kann man wohl nur von einer tiefen Geistesspaltung ausgehen, wenn der größte Kapitalist der Welt in China seine Meinung ändert, um seine Marktposition abzusichern. Perverser geht’s nimmer!
Bereits 2021 beklagte sich David Beasley, dass wir uns schämen sollten, wenn täglich 24.000 Menschen an Hunger sterben, während gleichzeitig auf dem Höhepunkt der Corona-Pandemie das Nettovermögen der Milliardäre um 5,2 Milliarden US$ pro Tag steigt. Und Schande rief er über unser Nichtstun, wenn stündlich 1.000 Menschen an Hunger sterben und in der gleichen Zeit das Netto-Vermögen der Milliardäre um 216 Millionen US$ steigt. Und das Geldschäffeln ohne Ende geht blind für die Nöte der Welt weiter mit der Produktion von Waffen und Munition (Streubomben), mit die Natur zerstörendem Fracking für LNG usw.
An Hunger und Nöte aller Art ist der kapitalistische Westen nur dann interessiert, wenn damit umgekehrt proportional Geld gemacht werden kann. Solange BlackRock, Musk, Zuckerberg, Bezos bis hin zum König der Briten und Konsorten den Lauf der kapitalistischen Welt beherrschen und ihre Gewinne der Besteuerung trickreich entziehen und so dem Gemeinwohl vorenthalten, wird sich an dieser unglaublichen Ungerechtigkeit nichts ändern, bis hin zu den Flüchtlingsströmen wegen Hunger und Not, die wir nicht sehen wollen und als Missbrauch unseres Wohlstandes gedankenlos verhindern wollen.
Unsere Multimilliardäre sind ganz offenbar in die Gedankenwelt des ’Pecunia non olet’ („Geld stinkt nicht“) zurückgefallen und übersehen selbstgefällig, dass es sich nicht um stinkende Pisse handelt, sondern um den Leichengeruch verhungerter Menschen.
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File:Karikatur Das Verhältnis Arbeiter Unternehmer.jpg
Erstellt: 1. Januar 1896
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Unten — Want to wake them up? Make a sound by throwing coins in their plastic cup. It serves as their alarm clock, signalling that there’s a help coming from heaven…
Ob die nun beschlossene Krankenhausreform etwas rettet oder die Versorgung noch schlechter macht, ist umstritten. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) behauptet, eine Revolution einzuleiten. Verdi und viele Beschäftigte glauben das nicht und protestieren in Friedrichshafen.
Als der baden-württembergische Gesundheitsminister Manfred Lucha (Grüne) ans Mikrofon tritt, schallt ihm ein Pfeifkonzert entgegen. Hinter Lucha aufgereiht stehen seine Amtskolleg:innen und versuchen, neutral zu gucken. Vor Lucha, auf der Wiese am Bodenseeufer, stehen 600 Frauen und Männer, die im Gesundheitswesen arbeiten. Und die genug haben von zu wenig Kolleg:innen, von zu geringer Bezahlung, von einem System, das Krankenhäuser auf Gewinnerzielung trimmt anstatt aufs Heilen. Deshalb pfeifen sie.
Es ist Gesundheitsministerkonferenz (GMK) in Friedrichshafen, Lucha ist gerade deren Vorsitzender und verhandelt im Graf-Zeppelin-Haus mit seinen Länderkolleg:innen über die geplante Krankenhausreform von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD). Der bezeichnet sie als Revolution. Warum, ist unklar. Denn eine Revolution wäre ja ein Systemwechsel, doch den sieht die Reform nicht vor. Grob zusammengefasst sollen Kliniken sich nur noch zum Teil über Fallpauschalen finanzieren, zudem sollen sie Geld bekommen für Leistungen, die sie vorhalten. Wie viel das sein wird, soll sich wiederum nach Versorgungsstufen richten, in die die Kliniken eingeteilt werden.
Im Rahmen der Prüfung, welche Kiniken welche Leistungen anbieten sollen, lässt sich dann feststellen, welches Haus geschlossen werden soll. Dass dies notwendig ist, davon sind viele Minister:innen – auch Manfred Lucha – und liberale Ökonomen seit Jahren fest überzeugt: Sie meinen, Deutschland ist mit Krankenhäusern überversorgt.
Überversorgt sehen sich Beschäftigte (und wahrscheinlich auch die meisten Patient:innen) derzeit eher nicht. Laut der Deutschen Krankenhausgesellschaft gibt es 30.000 unbesetzte Pflegestellen, auch Ärzt:innen fehlen zunehmend. Beschäftigte in outgesourcten Abteilungen wie Hauswirtschaft, Putzen, Therapie verdienen schlecht. Und wer als Patient:in ins Krankenhaus muss, kann vielfältige Geschichten erzählen von Ärzt:innen, die nicht zuhören, Pfleger:innen, die sehr lange auf sich warten lassen, und vom Krankenhauskeim sowieso.
Das Gesundheitswesen ist Teil der Lieferkette
Also hat Verdi seine Mitglieder im Gesundheitswesen aufgerufen, nach Friedrichshafen zu kommen, um der GMK ihre Forderungen mit auf den Weg zu geben. Zentral: ein Gesundheitssystem, das alle Patient:innen optimal versorgt, den Beschäftigten gute Arbeitsbedingungen bietet, sich nicht rechnen muss und das kein Spielball von privaten Betreibern mit Renditeerwartungen sein darf. Auf der Wiese vor dem Graf-Zeppelin-Haus lauschen die Demonstrierenden den Reden von Betriebsrät:innen und hauptamtlichen Verdianer:innen, begrüßen einen Trupp Radfahrer:innen aus Dresden, der bei seiner fünf Tage dauernden Anreise gegen ein gewinnorientiertes Gesundheitssystem protestiert hat, sie gehen mit Protesttransparenten ins Wasser und genießen die Sonne am See.
Die drei von der Ampel
Besonders gut an kommt die Rede von Achim Dietrich, Betriebsratsvorsitzender von ZF in Friedrichshafen, dem größten Industriestandort in der Region. Die Politik rege sich über ein paar fehlende Halbleiter auf, die die Lieferkette unterbrechen, sagt er. „Warum aber nimmt man hin, dass Patient:innen keine ausreichende Versorgung bekommen? Auch dieser Teil der Lieferkette muss funktionieren.“ Wenn Arbeitnehmer:innen keine Termine beim Facharzt bekommen, mit Schmerzen zur Arbeit gehen und lange krank sind, schade auch das der Wirtschaft. „Wenn die Kapitalisten keine Menschlichkeit kennen, dann müssen wir sie bei dem packen, was sie interessiert: dem Profit.“ Steige bei ZF der Krankenstand um ein Prozent mehr als vorausgesehen, koste das den Konzern vier Millionen Euro im Jahr. „Das Geld wäre besser im Gesundheitssystem angelegt als in der Krankenverwaltung“, findet Dietrich, der als Gesamtbetriebsratsvorsitzender 50.000 Patient:innen vertrete, wie er sagt.
Autos bauen lohnt sich mehr
Wieder zur Lieferkette gehören, also arbeiten, möchten manche Klient:innen von Torsten Lang. Der Sozialarbeiter schafft im Gemeindepsychiatrischen Zentrum des Klinikums Stuttgart und betreut psychisch kranke Menschen. „Manche lernen, trotz Ängsten wieder einkaufen zu gehen, andere unterstützen wir, eine Tagesstruktur einzuhalten“, sagt er. Psychosen, Depressionen, Borderline, Messiesyndrom – die Krankheiten, mit denen Menschen zu ihm und seinen Kolleg:innen kommen, sind vielfältig. Lang mag seinen Beruf, aber dabei selbst gesund zu bleiben, sei schwierig, sagt der 56-Jährige. Da wünscht er sich mehr Bemühungen von den Arbeitgeber:innen und auch mehr Anerkennung. „Monetäre.“ Der Beruf sei belastend, Klient:innen seien oft aggressiv. „Da frage ich mich schon, wie das im Verhältnis steht zu Arbeitern bei VW am Band. Die verdienen mehr als wir.“ Was allerdings mit dem gewerkschaftlichen Organisationsgrad zusammenhängen könnte, der bei VW sehr hoch und im Gesundheitswesen eher niedrig ist.
Arbeiten wie am Fließband kennt Anna Gioftsirou. Die 47-Jährige ist Altenpflegerin – ursprünglich aus Überzeugung. „Weil ich mit meinen Großeltern aufgewachsen bin. Da fühlt man sich wie ein Baum mit ganz starken Wurzeln.“ Doch der Job hat sie gesundheitlich ausgelaugt. „Geteilte Schichten sind sehr anstrengend. Dann diese Minutenpflege wie am Band – das ist nicht gut“, sagt sie. Zudem gehe die Arbeit auf die Knochen: „Ich hatte einen Patienten, der wog sehr viel und war querschnittsgelähmt. Aus dem Bett heben, in die Dusche, wieder in den Rollstuhl, anziehen …“ Irgendwann brach sie zusammen. Burnout, und zwei Lendenwirbel „liegen quasi aufeinander“. Lange war sie krank, der Wiedereinstieg schwierig. Nun arbeitet sie im sozialen Dienst im Krankenhaus mit geregelten Arbeitszeiten. Auf ihrem ganzen Weg – Krankheit, neuer Job, Fortbildung – habe Verdi ihr stets geholfen. „Das vergesse ich nicht. Ich bin bei jeder Aktion dabei.“ Außerdem würde sie gerne Lauterbach treffen. „Ich möchte ihm sagen, wie schlimm das in der Pflege ist!“
Das gelingt ihr nicht. Zwar kommt der Bundesgesundheitsminister später überraschend doch noch, nachdem es zunächst hieß, ihn halten die Haushaltsverhandlungen in Berlin. Doch sein Auftritt ist kurz. Dafür souveräner als der von Manfred Lucha. Der zeigt deutlichen Widerwillen vor der Menge, die ihm nicht freundlich gesonnen ist, auch weil Baden-Württemberg das Land mit den meisten Krankenhausschließungen in den vergangenen Jahren ist. Wie bei jeder Verdi-Demo betont er, dass er Gewerkschaftsmitglied ist. „Hau ab!“, hört er aus der Menge. Er versucht, zu erklären, dass die Gesundheitsminister:innen gerade eine historische Gelegenheit hätten, „Kliniken, die am Markt am Start sind, gut auszustatten“. „Buh!“ Als er noch sagt: „Wir waren noch nie so nah an einer bedarfsgerechten Versorgung bei besten Bedingungen fürs Personal“, ist die Menge kurz vor dem Explodieren. „Auch du wirst mal alt!“, ruft einer.
Vor 50 Jahren hatte die Umweltbewegung am Oberrhein einen ersten, großen Erfolg. Die Verantwortlichen des Energiekonzerns Badenwerk (heute EnBW) und die Landesregierung erkannten, dass der Atomkraftwerksstandort Breisach politisch nicht durchsetzbar war. Zu stark war der Protest der mehrheitlich konservativen Bevölkerung am Kaiserstuhl. Kurzerhand wurde die Planung 13 Kilometer nach Norden verschoben. Am 19. Juli 1973 wurde erstmals der neue Standort eines Atomkraftwerkes in Wyhl bekannt.
Es war eine spannende Zeit des Umbruchs in einer Phase extremer Umweltverschmutzung in Nachkriegsdeutschland und Europa. Nach den noch eher zaghaften Protesten gegen die Verschmutzung der Wutach und gegen die AKW in Breisach und Schwörstadt verstärkte sich der Protest. Der Nachkriegsglaube an das unbegrenzte Wachstum bekam erste Risse. Aus konservativen Nur-Naturschutzverbänden wurden politische Umweltverbände und im Elsass, in der Nordschweiz und Südbaden schwoll der Protest gegen umweltvergiftende Industrieanlagen und geplante Atomkraftwerke zu einer massiven Protestbewegung an.
Die heutigen (Teil-)Erfolge für Mensch und Umwelt in Sachen Luft- und Wasserqualität sind auch diesen frühen Kämpfen zu verdanken.
Es ging den Menschen nicht nur um die Bedrohung durch das AKW in Wyhl sondern auch um ein, im benachbarten Marckolsheim (F) geplantes, extrem umweltbelastendes Bleichemiewerk. Bei einem vergleichbaren Bleiwerk in Nordenham waren damals gerade sechzehn Kühe an Bleivergiftung gestorben, 69 Rinder mussten notgeschlachtet werden …
Die Menschen auf beiden Seiten des Rheins begannen erstmals nach dem Krieg in einer kleinen, alemannischen Internationale grenzüberschreitend zusammenzuarbeiten. Sie träumten und realisierten den Traum vom grenzenlosen Europa der Menschen und der verzweifelte Kampf gegen Blei und Atom begann.
Ein „Fenster der Möglichkeiten“ öffnete sich und beherzte Menschen aus dem Elsass und Baden begannen mit Informationsarbeit, Demonstrationen und der Vorbereitung der beiden Bauplatzbesetzungen in Wyhl und Marckolsheim(F). Aus den frühen erfolgreichen Kämpfen für Luftreinhaltung 1974 auf dem besetzten Platz in Marckolsheim entwickelte sich der Kampf gegen das Waldsterben 1.0. Langfristig gesehen liegen auch wichtige Wurzeln der heutigen Klimaschutzbewegung in diesen frühen Konflikten.
Die erfolgreiche AKW-Bauplatzbesetzung in Wyhl 1975 war ein wichtiger Impuls für die Besetzungen in Kaiseraugst(CH) und Gerstheim(F). Auch der Traum von einem schlagbaumlosen Europa der Menschen und von den kommenden erneuerbaren Energien wurde geträumt und angegangen. Doch nach kurzer Seit schloss sich das „window of opportunity“ und in Grohnde und Brokdorf war eine Wiederholung der Erfolge von Ober- und Hochrhein nicht mehr möglich.
5 Jahrzehnte nach diesen trinationalen Umwelt-Konflikten, nach dem Streit um Gorleben und Wackersdorf und den Atomkatastrophen in Tschernobyl und Fukushima wurden in Deutschland die letzten Atomkraftwerke abgestellt. In diesen 50 Jahren gab es (gerade auch beim aktuellen Atomausstieg) immer ein zentrales Hintergrund-Thema, das bei den Konflikten um Kohle und Atom und beim Streit für die erneuerbaren Energien in der öffentlichen Debatte selten erwähnt wurde. Der Streit der Lobbyisten für Atom, Gas, Öl- und Kohle und ihr jahrzehntelanger Kampf gegen die Erneuerbaren war immer ein Konflikt um das Energieerzeugungsmonopol und um die Gewinne der mächtigen Energiekonzerne.
Die Verhinderung des AKW in Wyhl, des Bleiwerks in Marckolsheim und der Atomausstieg am 15.4.23 waren schon erstaunlich. Seit wann setzen sich in a »rich man´s world« die Vernunft gegen die Macht, die Nachhaltigkeit gegen die Zerstörung und die Kleinen gegen die Großen durch?
Axel Mayer, Mitwelt Stiftung Oberrhein
Der Autor war Sprecher der ehemaligen BI Riegel, (alt-)Bauplatzbesetzer und dreißig Jahre lang BUND-Geschäftsführer in Freiburg
Dieser „Grabstein“ wurde Ende der 1970er Jahre in Waldkirch i. Br. unter dem Eindruck der Proteste gegen das AKW Wyhl aufgestellt. Unter der später angebrachten Aluplatte mit dem Wort „MAFIA“ war ursprünglich das Wort -„KRAFT“ zu lesen. Rechts stehen die Namen der Landespolitiker Rudolf Eberle (CDU), Lothar Späth (CDU), Norbert Nothhelfer (CDU) und Alois Schätzle (CDU) sowie Wolfgang Zimmer (Bürgermeister von Wyhl).
Herta Däubler-Gmelins Expertise ist gefragt: als Vorsitzende der Berliner Kommission „Vergesellschaftung großer Wohnungsunternehmen“ ebenso wie zur Kriminalisierung der Letzten Generation. Die Ex-Bundesjustizministerin (SPD) in einem Exklusiv-Beitrag für Kontext.
Die Aktionen der Letzten Generation spalten die Öffentlichkeit. Viele von uns unterstützen ihre Ziele mit gutem Grund: Wir wissen längst, dass nur noch wenig Zeit bleibt, um die Klimakrise nicht vollends zur Klimakatastrophe zu machen. Wir alle sehen auch, dass die Verantwortlichen in Regierungen und Parlamenten die notwendigen Veränderungen zu zögerlich vorantreiben können, weil der Einfluss der Lobby zu stark und die Trägheit vieler Bürgerinnen und Bürger zu groß ist. Viele lassen sich auch allzu gern von populistischen Beschwichtigern einlullen, obwohl wir jeden Tag mehr erleben, dass jedes weitere Verschieben der längst bekannten überfälligen Entscheidungen doppelt kostet und sich rächen wird.
Also: Alle müssen mehr tun, wir müssen unsere gewohnte Lebensweise verändern. Und zwar bald. Darauf muss immer wieder aufmerksam gemacht werden. Durch bessere politische Kommunikation – das ist eine wichtige Aufgabe nicht nur für Politiker:innen und Parteien, sondern auch für Journalisten, die sich heute viel zu viel darauf begrenzen, genüsslich den Streit und die Konflikte in der Regierung zu beschreiben.
Demonstrationen und Aktionen der Zivilgesellschaft gehören dazu. Die gibt es glücklicherweise, und sie sind, ebenso wie Kritik, nicht nur erlaubt, sondern geradezu Bürgerpflicht. Sie können Öffentlichkeit und Druck erzeugen und auf diese Weise mithelfen, die längst als erforderlich erkannten Änderungen gerade noch rechtzeitig genug umzusetzen.
Mehr Kreativität und Hirn
Das muss gelingen. Die Nachdenklichen unter den jungen Leuten wissen, was alle spüren: Heute wird über ihre Zukunft entschieden. Meine Enkelinnen und Enkel und weitere Generationen müssen die Chance bekommen, auch künftig selbstbestimmt in einer Gemeinschaft mit Freiheit, Schutz und Solidarität leben zu können. Das fordern sie in vielen Demonstrationen und Aktionen, von denen die meisten beeindruckend kreativ sind und bemerkenswert wenig über die Stränge schlagen.
Nicht so manche Aktivitäten der Letzten Generation: Deren Aktionen des zivilen Ungehorsams verletzen häufig Vorschriften, auch Gesetze. Das ist ein Problem, ohne Zweifel; in jedem Einzelfall müssen Ziel und Mittel in rechtsstaatlicher Balance stehen. Ihre Klebeaktionen beispielsweise sind ein Grenzfall. Sie nerven nicht nur die für die Trägheit politisch Verantwortlichen, sondern auch viele „normale“ Bürger, die sich ungern behelligen lassen, obwohl auch sie aufgerüttelt werden müssen: Wer, wie ich, im E-Auto in Berlin (nicht in Tübingen, da hat sich OB Palmer vernünftigerweise mit den Aktivisten auseinandergesetzt) mehr als eine Stunde in einem Kleber-Stau stand, hat für den Zorn vieler Aufgestauter durchaus Verständnis. Allerdings bleibt die Frage unbeantwortet, ob die Empörten, die bei solchen Gelegenheiten am liebsten in die Reporter-Mikrofone beißen würden, sich in den heute normalen verkehrsbedingten Staus vergleichbar echauffieren.
Ich finde auch die Farb- oder Kartoffelbreiattacken auf berühmte Museumsbilder und manches andere schlicht blöd und wünsche mir mehr Kreativität und Hirn, um durch bessere Demonstrationsformen die notwendige Klimapolitik im Mittelpunkt der öffentlichen Aufmerksamkeit zu halten und nicht durch die Aufregung über zweifelhafte Methoden abzulenken. Die Forderung der Letzten Generation nach „Bürgerräten“ halte ich für politisch falsch und für eher naiv. Zwar sehe ich, dass damit die Zuständigkeit der verfassungsgemäß gewählten Parlamente keineswegs verdrängt werden soll. Ich sehe jedoch nicht, warum und wie Bürgerräte eine weniger träge oder weniger durch Lobbyisten beeinflusste Klimapolitik durchsetzen könnten. Vorgeschaltete Beratungen von Bürgerräten würden die Willensbildung nur weiter verlängern. Tempo 30 in Ortschaften und Tempo 100 im Übrigen wäre konsequenter und wirksamer.
Söder sollte besser Bäume umarmen
Söder – Holz zu Holz und Hirn zu Hirn
Kritik ist also nicht nur an der Trägheit der Regierenden und unserer Gesellschaft geboten; ich halte auch die Auseinandersetzung über manche Aktivitäten der Letzten Generation für völlig berechtigt!
Aber ist es deshalb vertretbar oder gar richtig, diese Gruppe als „Terroristen“, „Ökoterroristen“ oder Kriminelle abzustempeln, wie das von besonders prägnanten Lautsprechern der politischen Rechten mittlerweile geschieht? Und ist es zulässig, Mitglieder dieser Gruppe durch Polizei und Justiz entsprechend strafrechtlich zu verfolgen? Klare Antwort: nein, ganz sicher nicht.
Lange hat die Linke gebraucht, um mit Wagenknecht zu brechen. Deren Anhänger werben für die Abspaltung, die anderen rücken zusammen.
Wenigstens ihren Zweckoptimismus hat die Linke noch nicht verloren. „Unser Plan 2025: Comeback einer starken LINKEN“, ist das Strategiepapier überschrieben, das der Bundesvorstand der zerzausten Partei auf seiner letzten Sitzung beschlossen hat. Der erste Satz: „Die LINKE wird dringend gebraucht.“ Der letzte Satz: „Wir ziehen souverän wieder in den Bundestag ein.“ Klingt eigentlich ganz einfach. Allerdings stehen zwischen dem ersten und dem letzten Satz mehr als 9.000 Zeichen – und ein übergroßer Berg an Problemen, die in einem Namen kulminieren: Sahra Wagenknecht.
Die Linke hat lange gebraucht, um zu begreifen, dass es keinen gemeinsamen Weg mit der chronisch quertreibenden Bundestagsabgeordneten und ihren Anhänger:innen mehr gibt. Einen letzten Versuch, zu retten, was längst nicht mehr zu retten ist, haben die Parteivorsitzenden Janine Wissler und Martin Schirdewan am 25. Mai gestartet.
Da trafen sie sich zu einem vertraulichen Gespräch mit Wagenknecht. Bei dem Treffen, an dem auch die beiden Bundestagsfraktionsvorsitzenden Dietmar Bartsch und Amira Mohamed Ali teilnahmen, stellten sie Wagenknecht ein Ultimatum, zeitnah und öffentlich von Plänen zur Gründung eines konkurrierenden Parteiprojektes Abstand zu nehmen und entsprechende Vorbereitungen umgehend einzustellen.
Nachdem Wagenknecht dazu nicht bereit war, beschloss der Parteivorstand am 10. Juni einstimmig: „Die Zukunft der Linken ist eine Zukunft ohne Sahra Wagenknecht.“ Und nicht nur das. Auch alle, die sich am Projekt einer konkurrierenden Partei beteiligten, sollten ihre Mandate zurückgeben.
Heftig empört
Umgehend meldeten sich sechs Bundestagsabgeordnete zu Wort, die dem Wagenknecht-Lager zugerechnet werden, unter anderem Sevim Dagdelen und Klaus Ernst. Niemand bestritt die Vorwürfe des Vorstands in Bezug auf die Pläne zur Gründung eines Konkurrenzprojekts und dass Ressourcen aus für die Linkspartei gewonnenen Mandaten für den Aufbau genutzt werden. Und niemand distanzierte sich von den Spaltungsaktivitäten.
Aber allesamt empörten sie sich heftig darüber, dass der Linken-Vorstand solch eindeutig parteischädigendes Treiben nicht mehr länger hinnehmen will. Mit dem Parteivorstandsbeschluss werde „der Kurs der Parteiführung in Richtung einer bedeutungslosen Sekte noch verschärft“, twitterte Dağdelen.
Die Co-Fraktionsvorsitzende Mohamed Ali schrieb, sie halte den Beschluss „für einen großen Fehler und einer Partei unwürdig, die sich Solidarität und Pluralität auf die Fahnen schreibt“. Damit stellte sie sich gegen Dietmar Bartsch, der am Dienstag überraschend der Parteiführung beipflichtete. „Ich will in großer Klarheit deutlich machen, dass ich es auch als völlig inakzeptabel ansehe, wenn man den Versuch unternimmt, eine neue Partei zu gründen, oder Gespräche führt, eine neue Partei ins Leben zu rufen“, sagte er. Bisher war die Fraktionsspitze stets bemüht, Einigkeit zu vermitteln. Jetzt zeigt der Konflikt, wie blank die Nerven liegen.
Wagenknechts Partei
Selbst Gregor Gysi, der sich lange um Sahra Wagenknecht als Fraktionsmitglied bemühte, geht mittlerweile auf Distanz zu ihr: „Wenn sie eine neue Partei gründet, dann muss sie ihr Mandat niederlegen“, erklärte der frühere Partei- und Fraktionschef am Freitag. „Alles andere wäre unmoralischer Mandatsklau“.
Die Frage, ob Wagenknecht ein Konkurrenzprojekt zur Linken gründet, ist längst keine politische mehr, sondern nur noch eine technische. Und daran lässt die 53-Jährige inzwischen auch selbst keinen Zweifel. Eine Partei, „die dann auch erfolgreich sein soll“, ließe sich „nicht mal eben so“ gründen, bekundete sie am Dienstag in einem Interview mit dem WDR. Viele würden jedoch derzeit versuchen, die Voraussetzungen dafür zu schaffen.
„Wenn die Voraussetzungen einer neuen Partei nicht geschaffen werden, dann werde ich mich nach Ende dieser Legislatur ins Privatleben zurückziehen“, sagte sie. „Aber ich müsste damit den Anspruch aufgeben, politisch noch etwas zu verändern, und ich würde mir schon wünschen, ich könnte noch etwas verändern.“
Das war der ertse Versuch
Bis spätestens Ende des Jahres will sie sich entscheiden, ob sie den Sprung wagen will. Ein denkbares Szenario ist der Bruch im Oktober nach der Landtagswahl in Hessen, bei der die Linkspartei wohl ihre letzte parlamentarische Vertretung in einem westdeutschen Flächenland verlieren wird.
Abspaltungszentrum in Sachsen
Möglich ist auch eine Abspaltung im zeitlichen Umfeld des für Mitte November geplanten Bundesparteitags. Um ein konkurrierendes Wahlbündnis für die Europawahl im Juni 2024 zu schmieden, wäre allerdings auch eine Trennung bis Anfang nächsten Jahres ausreichend.
Für den Bundestagsfraktionschef Bartsch hat die Bewahrung des Fraktionsstatus, der schon beim Abgang von drei Abgeordneten verlustig gehen würde, oberste Priorität. Gleichzeitig ist er alarmiert, denn selbst aus seinem eigenen Landesverband in Mecklenburg-Vorpommern gibt es eindeutige Signale, dass es so nicht weitergehen kann. Denn die Abspaltungstendenzen sind unübersehbar. Der Spiegel schreibt sogar, es gebe „Screenshots von Mails und SMS aus mehreren ostdeutschen Landesverbänden“, die belegen würden, dass Kommunalpolitiker:innen direkt von Wagenknechts engerem Kreis angesprochen wurden, ob sie am Konkurrenzprojekt teilnehmen wollten.
Ein Zentrum der Spaltungsaktivitäten ist Sachsen, in den 1990ern und den Nullerjahren eine Hochburg der damaligen PDS. Im größten ostdeutschen Landesverband versucht die Ex-Bundestagsabgeordnete Sabine Zimmermann, offensiv Mitglieder aus der Linken für das geplante Konkurrenzprojekt zu gewinnen.
Als die Landesvorsitzenden Susanne Schaper und Stefan Hartmann Wind davon bekamen, schrieben sie Zimmermann einen Brief, baten sie um Stellungnahme und warnten: „Wenn Du Dich weiterhin an der Neugründung einer Partei beteiligen willst, legen wir Dir nahe, unsere Partei zu verlassen.“
Selbst Gregor Gysi geht nun auf Distanz zu Sahra Wagenknecht
Direkt antwortete Zimmermann den Absender:innen nicht. Die Reaktion der 62-jährigen Gewerkschafterin konnten sie stattdessen am Mittwoch in der Chemnitzer Freien Presse lesen. In dem Interview bestritt Zimmermann die Abwerbeversuche keineswegs, vielmehr freute sie sich über den Zuspruch: „Da verkennt die Partei die Lage, wie viele mitgehen werden“, sagte sie. Ansonsten könne sie keine Details nennen, sondern nur sagen, „dass wir vom Wagenknecht-Flügel uns in einem konstruktiven Klärungsprozess befinden“. Alles hänge von Wagenknecht ab. „Ohne sie würde eine Neugründung kaum Sinn machen“, so Zimmermann. „Wir müssen schnell handeln können, sobald die Entscheidung steht.“
Eine solche Wagenknecht-Partei, die sich gesellschafts- und migrationspolitisch rechts und sozialpolitisch links verortet, würde zuvorderst auf Stimmen aus dem Nichtwähler:innenspektrum und auch derzeitiger AfD-Wähler:innen setzen, wäre aber für die schwer kriselnde Linke gleichwohl existenzbedrohend.
Oben — 26.06.2019 Für eine soziale Politik Leipzig Der bisher heißeste Tag im Jahr mit Temperaturen um die achtunddreißig Grad Celsius konnte an die 1000 Leipziger*innen nicht davon abhalten, sich auf dem Marktplatz zu versammeln. Die Kundgebung bei der Sahra Wagenknecht zu den Standpunkten sozialer Politik der Bundestagsfraktion Die Linke sprach, wurde musikalisch von der Gruppe Karussell begleitet, welche in Leipzig ein Heimspiel hatten.
Anlässlich der Verleihung des Karlspreises 2023 an den ukrainischen Oberbefehlshaber und dem ihm unterstehenden ukrainischen Volk für seinen Opfergang im übergeordneten NATO-Interesse, sehen sich Kirche und herrschende Staatsreligion aufgefordert, auch ihrerseits einen unbedingt offensiv-konstruktiven Beitrag zur herrschenden Kriegsmoral und Kriegspropaganda zu leisten.
1. Ein patriotisches Bekenntnis
Dies gemäss kirchlich-religiöser Tradition in Form einer Predigt und in Gestalt eines kirchlichen Würdenträgers, eines Bischofs. Eines Bischofs, der „bewusst als Angehöriger meines Volkes…als Deutscher“1 spricht. Das patriotisch-parteiliche Bekenntnis von Kirche und etablierter Staatsreligion zur demokratisch herrschenden „weltlichen Obrigkeit“ und ihrer jeweiligen Staatsräson ist erstens verlangt und zweitens Grundlage der staatlich erlaubten und gebotenen Freiheit der religiösen Verkündung und Betätigung.
Drittens gebietet das religiöse Selbstverständnis von sich aus, dem Bösen und Sündhaften entgegen zu treten. Diesen drei Maximen entsprechend haben Vatikan, Kirche und Staatsreligion seit jeher, von einigen wenigen und insofern harmlosen Abweichlern abgesehen, jede Gewalttat und Schlächterei ihres irdischen Oberhirten und Herren befürwortet und den kirchlich-religiösen Segen einschliesslich der Sieges-Hoffnung für das eigene Allgemeinwohl erteilt: sei es durch affirmatives Schweigen oder gleich als offensiv-militantes Bekenntnis zur herrschenden Kriegsmoral. Die hat heute dieses Gesicht:
Mit dem Ukrainekrieg und der von ihm – angeblich sachzwangmässig – ausgelösten »Zeitenwende« hat sich in Kürze eine Kriegsmoral durchgesetzt, die die neuen Zeiten beinahe euphorisch als Beendigung der westlichen Agonie des Zauderns und Zögerns begrüsst. Militarisierung, erfolgreiche Kriegsführung, innere Feindbekämpfung und eine unverbrüchliche Partnerschaft mit den Freiheitskämpfern der Ukraine geben den Ton an und abweichende Meinungen werden immer weniger toleriert. (N.Wohlfahrt/J.Schillo,2023)2
Die kirchlich-religiöse Befürwortung der jeweils geltenden Kriegsmoral, Kriegspropaganda und eines geplanten oder laufenden Krieges ist zwar im Westen nichts Neues. Wie sich gegenwärtig das militant-gewaltbereite, religiöse deutsche Bekenntnis in seiner Predigt und Fürbitte für den Sieg über Russland unter Indienstnahme der ukrainischen Bevölkerung vorträgt und begründet, ist einer kurzen, näheren Betrachtung würdig.
2. Der Krieg als anthropologische Verharmlosung
Dass die demokratische Obrigkeit jederzeit gewaltbereites Subjekt und Veranstalter des Krieges und der damit angeordneten Gewalttat und Schlächterei mithilfe modernster Waffengattungen um des Kriegsziels und Sieges willen ist, ist ein unangenehmer Sachverhalt und wirft kein gutes Licht auf dieses zu jeglicher Gewaltanwendung bereite politische Subjekt. Dieser Sachverhalt bedarf einer grundsätzlichen Umdeutung und kirchlich-religiösen Ermahnung:
„die Gewalttätigkeit des Menschen hat ihren Ursprung nicht etwa in der Religion selbst, sondern im Herzen des Menschen. Gewalt entsteht immer zuerst in unserem eigenen Denken, Sinnen und Trachten.“
Entschuldigt und aus der Schusslinie genommen sind somit Religion und Staat: Erstere in neuerer Geschichte als Befürwortung und Seligsprechung staatlicher und kriegerischer Gewalt, Letzterer als Urheber und Autor der diversen Schlachtfelder und des Abschlachtens. Die „Gewalttätigkeit“, die in uns allen lauert, bricht sich einfach, grundlos und unberechenbar ab und zu Bahn und ergibt dies moralisch und menschlich-human nicht hinzunehmende Resultat:
Und wie der Krieg so alle Gewaltausbrüche Einzelner oder im Kollektiv spontan oder als organisierter Mob auf der Strasse oder in Hooligan-Fan-Gruppen im Sport oder in netzwerkartig organisierter Kriminalität.
Dergestalt die staatliche Gewaltbereitschaft zum Krieg und die demokratisch organisierten Kriege in eine anthropologische Natureigenschaft urmenschlicher Böswilligkeit verharmlost und entpolitisiert, ruft, sehnt sich nach einer überlegenen ordnenden Gewalt, die der böswilligen menschlichen Gewalt, dem „dauernden Drang zur Selbstgerechtigkeit, denn das ist die Quelle aller Gewalt im Herzen des Menschen: die isolierte Selbstbezogenheit“ Einhalt gebietet.
3. Gewalt und Krieg – Höhepunkt der abendländischen Zivilisation und Menschlichkeit
Gottlob, aber keineswegs zufällig, steht die Errettung der Menschlichkeit und Menschheit gegenüber ihrer eigenen böswilligen, anthropologisch verankerten Gewaltbereitschaft längst vor der Tür; und tritt als zivilisatorischer Höhepunkt dem urzeitlich-paläogenetischen Willen zur Gewaltbereitschaft entschieden gewaltbereit entgegen:
Jahrtausende unserer europäischen Geschichte hat es gebraucht, bis wir das strikte Gewaltmonopol des Staates erreicht hatten. Zu dieser zivilisatorischen Errungenschaft gehört es, dass ausschliesslich Polizeikräfte und das Militär Gewalt einsetzen dürfen, dies aber wiederum nur im Rahmen des Rechtsstaates zur Sicherung und Durchsetzung des Rechts im Inneren und zur Verteidigung der staatlichen Sicherheit nach aussen im Rahmen des Völkerrechts.
Die als offensiv-konstruktiver Beitrag zur herrschenden Kriegsmoral und Kriegspropaganda vorgetragene Predigt und Fürbitte seitens der Kirche und Staatsreligion feiert die deutsch-europäische und westliche staatliche Gewalt mit ihren Kriegen als eine „zivilisatorische Errungenschaft“, die „wir“, als der europäische, also der vorbildlichste Teil der Menschheit, „uns“ gegeben haben. Die Rechtfertigung und Lobpreisung dieser „zivilisatorischen Errungenschaft“ machen andererseits einige Auslassungen in der historischen Erinnerungsarbeit notwendig: Kriegsführung nach dem Prinzip Shock and Awe („Angst und Entsetzen“), hie und da ein kleiner Wort- und Völkerrechtsbruch, hie und da ein Krieg auch ohne UN-Mandat, hie und da Erschaffung von und Kooperation mit Diktaturen, „Autokratien“ und ähnlichen „Werte-Partnern“, inklusive Folter und eigenen Foltergefängnissen, natürlich blacksites – und dergleichen mehr. Solche Erinnerungen vertragen sich nicht gut mit der herrschenden Kriegsmoral und Kriegspropaganda.
Und kommen sie doch zur Sprache so ist ausgemacht, dass sie der russischen Fehl- und Desinformation, Faktenfälschung, Putinversteherei und Putin-Parteinahme im ausschliesslich russisch geführten Informationskrieg entspringen. Gleichermassen und insbesondere gilt dies der 30-jährigen Vorgeschichte und gegenwärtigen Geschichte zum Krieg in der Ukraine: Vorgeschichte und gegenwärtige Geschichte sind öffentlich so zubereitet, dass die kriegsmoralisch und kriegspropagandistisch relevante Frage von Schuld und Bösartigkeit, von Unschuld und Gutwilligkeit, von Aggression und Verteidigung, von Täter und Opfer keine öffentliche Frage mehr ist. Die Rollenverteilung ist auch für Kirche und Staatsreligion geklärt, denn: „Es gilt das gesprochene Wort“.
Die auf diese Weise moralisch bereinigte westliche Gewaltbereitschaft und Gewalt ist nur gerecht: Im Krieg des Westens gegen die Russische Föderation mittels des ukrainischen Territoriums und der ukrainischen Bevölkerung erweisen sich kontinuierlich eskalierende Waffenlieferungen, die Aufherrschung eines gnadenlosen Stellungs-, Graben- und Zermürbungskrieges bis hin zur Hinterlassenschaft einer ruinierten, gegebenenfalls auch atomar verseuchten Ukraine3 als gerechter Krieg (bellum justum). Der erteilt seinen kriegsmoralischen Segen dem demokratisch ohnehin beschlossenen Krieg (jus ad bellum) gegen Russland einschliesslich der Beachtung des humanitären Rechts im Krieg (jus in bello). In dem zählt ausschliesslich der kompromisslose militärische und weltpolitische Sieg über Russland. Und da geht es um nichts Höheres als:
„Das weit verbreitete Wort ist wahr: Krieg ist eine Niederlage der Menschlichkeit.“
Und, wie bekannt, sind Kriege zur Verteidigung der Wahrheit, der Menschheit und der Menschlichkeit gegen das Unwahre und Unmenschliche die rücksichtslosesten und grausamst geführten Kriege. Dieser „zivilisatorischen Errungenschaft“ des Westens und der NATO nach sieht die Ukraine gegenwärtig aus.
In der kriegsmoralischen und kriegspropagandistisch öffentlich erzeugten Betrachtungsweise stellt die weltweit agierende, kriegsträchtige, NATO-bewaffnete europäische Friedensordnung die „Höhe der Zivilisationsgeschichte der Menschheit“ dar. Diese Friedensordnung hat es neben ihren in aller Handlungsfreiheit veranstalteten zahllosen Kriegen zur faktischen Eingemeindung der Ukraine in die NATO und in das Projekt der endgültigen Herabstufung oder Zerstörung Russlands mittels des Krieges in der Ukraine gebracht. Diese „grossen zivilisatorische Errungenschaft der Menschheit“ gilt es mit aller gebotenen Gewalt zu verteidigen. Will heissen, zu ihrem erfolgreichen Abschluss zu bringen.
4. Das ukrainische Erfolgsmodell – zivilisatorisches Schutzschild gegen das Böse
Das westliche Angebot an die Ukraine, sich im Krieg gegen Russland zu bewähren und in diesem westlicherseits ihm angetragenen Überlebenskampf seine Staats- und Nationenwerdung als antirussischer NATO-Frontstaat zur Vollendung zu bringen, lässt sich die ukrainische Führung nicht zweimal sagen. Mittels Eingemeindung in EU und NATO sich einen rein ukrainischen Erfolgsweg zu eröffnen und sicherzustellen, um innerhalb uns ausserhalb der EU ein respektables aussenpolitisches Gewicht zu erlangen, ist längst ukrainische Staatsräson und geht konform mit dem westlichen Kriegsziel der Benutzung der Ukraine als Waffe zur weltpolitischen Zurückstufung oder definitiven Zerstörung Russlands. Dementsprechend herrscht Einigkeit in der Bestimmung des gegenwärtigen, realen Hauptfeindes – als Verkörperung des Aggressiven und Emanation des Bösen schlechthin: kriegsmoralisch, kriegspropagandistisch und kirchlich-religiös gewendet. In ukrainischen Worten:
Ukraine is now the wall that protects European civilization, so it is in the interests of Western partners to provide the Armed Forces of Ukraine with as many modern weapons as possible. We tell them [NATO] that even after the victory, Russia will not change immediately… This means that we are the eastern shield of European civilization that continues to defend European civilization. We are the wall, as the famous TV series [Game of Thrones] shows, on which we stand and hold the defense and will continue to do so.4
Kein Wunder also, dass sich die anthropologische Natureigenschaft urmenschlicher Böswilligkeit wie von selbst gegenwärtig in Russland Bahn bricht. Wie Zeitenwende und Kriegsmoral gebieten, offenbart sich, wie kann es anders sein, der „dauernden Drang zur Selbstgerechtigkeit…die isolierte Selbstbezogenheit..“ in Russland: „Das sage ich bewusst als Angehöriger meines Volkes.“ Dem so eindeutig identifizierten Bösen mit dem seiner Natur entsprechenden „verbrecherischen Angriffskrieg“ nicht entschlossen und mit aller Gewalt entgegenzutreten, bedeutete:
Ihn zu akzeptieren oder gar akzeptabel machen zu wollen durch beschwichtigendes oder wahrheitswidriges Appeasement, verletzt und verlässt die Höhe der Zivilisationsgeschichte Europas und der Europäischen Einigung.
5. Das Evangelium der Zeitenwende
„Das Geheimnis der Göttlichen Dreifaltigkeit“ in Form der bischöflich-religiöse Segnung, Feier und Verherrlichung westlicher „Gewalt als Mittel der Politik“ stellt klar, dass die demokratisch geläuterte Staatsreligion, „hier insbesondere die christliche“, keinesfalls „immer neu aus der Betrachtung der Heiligen Schrift“ als Quelle ihre geistliche Inspiration gewinnt. Vielmehr und ganz im Gleichklang mit seinem irdischen Herren, liefert das Gebot „Haltet Christus heilig in euren Herzen als euren einzigen Herrn!“ mit seinem kriegsmoralisch-patriotischen Bekenntnis einen konstruktiv-militant gemeinten Beitrag dazu, dem ukrainischen und NATO-Kriegsziel rückhaltlos zuzustimmen und jeglichen pazifistischen Anflug als „beschwichtigendes oder wahrheitswidriges Appeasement“ moralisch herabzusetzen und zu exkommunizieren.
Sosehr sich die etablierte Staatsreligion vorbehaltlos für „die Verbindung der Religion mit der Gewalt“ ausspricht hinsichtlich der heute gültigen, produktiven Arbeitsteilung „Nur der Staat trägt das Schwert, nicht aber die Religion!“; und in dem Sinn „Staat, Nation und Kirche eins werden“, sowenig kann davon die Rede sein: „Das Reich Christi ist nicht von dieser Welt.“ Mehr Weltgebundenheit des Reiches Christi in der gegenwärtigen Zeitenwende-Zivilisation, da Staat, Nation und Kirche einschliesslich der medialen Öffentlichkeit sich hinsichtlich des Hauptfeindes einig sind und „keine kritisch-konstruktive Distanz mehr zueinander wahren“, ist schwer vorstellbar.
Die exklusive Quelle auch der geistlich-religiösen Inspiration ist die weltpolitische Zurückstufung oder Zerstörung Russlands. Darin ist das Evangelium der Zeitenwende zusammengefasst. In dem Sinn das Gebet und die Fürbitte: „…möchte ich auch als Deutscher die Verleihung des Karlspreises an Präsident Selenskyj und an das ukrainische Volk heute ausdrücklich begrüssen!… Amen.“
2 Norbert Wohlfahrt/Johannes Schillo Die deutsche Kriegsmoral auf dem Vormarsch Lektionen in patriotischem Denken über »westliche Werte«, Berlin, 2023: 125.
Norbert Wohlfahrt/Johannes Schillo, Die deutsche Kriegsmoral auf dem Vormarsch Lektionen in patriotischem Denken über »westliche Werte«, Berlin, 2023 vgl. auch unter:
Aktuelle atomare Gefahren im Dreyeckland: AKW Beznau, AKW Leibstadt, Zwilag Würenligen, atomares Endlager & neue AKW in Fessenheim?
Die letzten deutschen AKW sind seit dem 15.4.2023 abgeschaltet und auch die beiden Schrottreaktoren in Fessenheim (F) wurden 2020 endgültig abgestellt. Die Umwelt- und Anti-Atombewegung im
Dreyeckland kann sich jetzt also beruhigt zurücklehnen und auf alten Erfolgen ausruhen?
Von wegen ausruhen!
Der mühsam erkämpfte deutsche Ausstieg aus der Gefahrtechnologie war der Einstieg in die massiv bekämpften erneuerbaren Energien. Gegen die Macht der atomar-fossilen Seilschaften müssen wir jetzt die Klimaschutzbewegung noch stärker als bisher unterstützen und die Energiewende durchsetzen.
Und am Ober- und Hochrhein häuft sich weiterhin das grenznahe atomare Risiko:
Direkt neben den beiden Uralt-AKW in Beznau steht das zentrale Schweizer Zwischenlager für Atommüll (Zwilag). In einer schlecht gesicherten Castorhalle wird der hochradioaktive Schweizer Atommüll zwischengelagert wird und in einem Plasma-Ofen wird Atommüll verbrannt.
spricht für eine gewisse Verzweiflung der AKW-Betreiber und verheißt nichts Gutes. Ein atomares Endlager in einer viel zu dünnen Schicht Opalinuston über einem Permokarbontrog … Wie soll das gut gehen? Atommüll, der eine Million Jahre sicher verwahrt werden muss, braucht eine gute Geologie und nicht gute Worthülsen.
Neue AKW nach Fessenheim?
Das altersschwache AKW ist zwar abgestellt, aber die EDF hat nie auf den Standort am Rhein verzichtet. Mit seiner Rentenreform und einer neoliberalen Politik treibt der französische Staatspräsindet Macron gerade die Menschen in die Fänge des rechtsradikalen Front National. Gerade Marine Le Pen wäre der
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Am Mittwoch, den 31.Mai 2023 haben mehrere Vertreter*Innen von Organisationen und Parteien (Adelheid Rupp, Rechtsanwältin, Landessprecherin Die Linke Bayern, Kathrin Flach Gomez, Landessprecherin Die Linke Bayern, Jörg Jovy, noPAG, Sebastian Felsner, mut, Achim „Waseem“ Seeger, Die Urbane, Dr. Theo Glauch, Physiker und Klimaforscher, Lisa Pöttinger, Klimaaktivist:in, Layla Sommer, „Letzte Generation“) Strafanzeige/Strafanträge gegen den bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder, die beiden Minister Joachim Herrmann (Innen) und Georg Eisenreich (Justiz) sowie Generalstaatsanwalt Reinhard Röttle wegen der bundesweiten Razzien gegen Mitglieder der „Letzten Generation“ gestellt. Die Strafanzeigen/Strafanträge gehen von der Verwirklichung der Tatbestände der Verleumdung und Beleidigung aus.
Bei den Razzien wurden die Wohnungen von Unbeteiligten durchsucht und von bayerischen Behörden falsche Behauptungen über die Beschuldigten verbreitet. Besonders gravierend ist, dass eklatant gegen den Grundsatz der Unschuldsvermutung, mit der Behauptung „Letzte Generation“ sei eine kriminelle Vereinigung, verstoßen wurde. Der Generalstaatsanwalt überschritt vorsätzlich und wider besseres Wissen seine Kompetenz, in dem er die „Letzte Generation“ in der öffentlichen Meinung herabwürdigte, seine Missachtung zum Ausdruck brachte und diese als kriminelle Vereinigung diskreditierte. Damit ist der Tatbestand der Verleumdung und der Beleidung erfüllt. Es steht schlicht der Verdacht im Raum, dass die Dursuchung von Wohnungen und die Beschlagnahmung von Spendengeldern sowie die Manipulation der Landingpage der „Letzten Generation“ politisch motiviert sind. Die Strafanzeigen gegen die Verantwortlichen sollen dazu beitragen, die Umstände des völlig überzogenen Vorgehens gegen die „Letzte Generation“ aufzuklären. Ein Rechtsstaat verdient diesen Namen nur, wenn Polizei und Justiz unabhängig von politischer Einflussnahme und allein nach Maßgabe geltenden Rechts handeln. Diese Unabhängigkeit haben die bayerische Justiz und Polizei aufgegeben, als sie die „Letzte Generation“ als „kriminelle Vereinigung“ öffentlich stigmatisiert haben.
Überzogene Maßnahmen der Strafverfolgungsbehörden sind in Bayern nichts Neues. So wurden zahlreiche Aktivist*innen in mehrwöchige Präventivhaft genommen und damit an der Ausübung ihres Demonstrationsrechtes gehindert. Die Vereinten Nationen haben auf die Bedeutung des Klimawandels und des Protests gegen die Untätigkeit von Unternehmen, Behörden und Regierung hingewiesen. Dies rechtfertigt auch Aktionen des zivilen Ungehorsams, die zwar im Einzelfall rechtswidrig sein mögen, aber keine pauschale Kriminalisierung des Protests rechtfertigen. Und immer muss ein Gericht darüber entscheiden, wann Protest schützenswerte Rechte anderer verletzt. In keinem Fall kann dies im Ermessen von Polizei und Staatsanwaltschaft stehen.
Die Erstatter*innen der Strafanzeigen fordern eine lückenlose Aufklärung der Razzien und ihrer Begleitumstände. Wer die politische Verantwortung für jahrzehntelange Versäumnisse in der Klimapolitik trägt, muss auch den Protest gegen seine Politik ertragen. Wer stattdessen der Verlockung erliegt, mit staatlicher Repression Kritik mundtot zu machen, hat sich für Staatsämter disqualifiziert und muss zur Rechenschaft gezogen werden.
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Jeden Tag: Kampagnen gegen den Klimaschutz und gegen die Umweltschutzbewegung
Quelle : Mitwelt Stiftung Oberrhein Venusberg 4, 79346 Endingen – Jeden Tag: Kampagnen gegen den Klimaschutz und gegen die Umweltschutzbewegung
Von : Axel Mayer
Für die Kriegsgewinnler und Klimakatastrophenverantwortlichen Chevron, BP, Shell, TotalEnergies und ExxonMobil war 2022 ein profitables Jahr. Die schmutzigen „Big Five“ erwirtschafteten einen gemeinsamen Jahresgewinn von knapp 200 Milliarden US-Dollar. (Eine Milliarde sind unglaubliche 1000 Millionen!) Auch die deutschen Energieversorger haben satte Profite eingefahren. Die Inflation, unter der die Menschen leiden, ist eine Gier-Flation, ausgelöst durch die Konzerne.
Schon jahrzehntelang wissen die Konzernspitzen der Öl-, Gas- und Kohlekonzerne von den Gefahren der von ihren Firmen verursachten Klimakatastrophe. Mit den mörderischen Methoden und Desinformationskampagnen der Tabakindustrie haben sie die Verbreitung dieses Wissens aggressiv und erfolgreich bekämpft und bekämpfen lassen. Sie tragen Verantwortung für millionenfachen Tod und Leid. Die Klimaterroristen in den Konzernzentralen werden nicht etwa bestraft, sondern mit Milliardenprofiten satt belohnt.
Wir brauchen uns nicht zu wundern, wenn die alten, schmutzigen Energiekonzerne privat finanzierte Windräder und private Solaranlagen auf Hausdächern nicht mögen. Ähnliches gilt für Wärmepumpen und die Wärmewende in den Haushalten. Für Öl- und Gaskonzerne geht es bei diesem Streit um satte Profite.
Darum lassen (nicht nur) die Energiekonzerne die Energiewende in BürgerInnenhand auch aggressiv bekämpfen. Ein Beispiel sind die durch Erdöl reich gewordenen amerikanischen Koch-Brüder. Charles und David Koch stecken viel Geld nicht nur in die US-Politik, in KandidatInnen, Verbände, Denkfabriken und in die Organisationen der Energiewendegegner und Klimawandelleugner. So kämpfen sie erfolgreich gegen Steuern für Reiche, gegen Umweltauflagen, gegen Klimaschutz, für ein absolut freies Unternehmertum und gegen den demokratischen Staat. Ihre marktradikalen und rechtspopulistischen Netzwerke sind weltweit gespannt und Geld fließt auch nach Deutschland. Sie gefährden nicht nur das Klima, sondern auch die Demokratie.Auch wenn sich über manche Aktionsform zurecht trefflich streiten lässt: Dass junge verzweifelte Umweltaktive von Klimakatastrophenverantwortlichen als „Klima-Terroristen“ (AfD), als Mitglieder einer „Klima-RAF“ (CSU) und „Klima-Chaoten“ (Bayerisches Innenministerium) denunziert werden, ist mehr als ein Skandal. Diese Anwendung des Begriffs Klima-Terroristen kehrt die tatsächlichen Schuldverhältnisse um. Aktivistinnen und Aktivisten machen auf Missstände aufmerksam und werden dafür kriminalisiert. Der rechtsextreme Rand der Gesellschaft streut gemeinsam und erfolgreich mit marktradikalen Medien und der BILD-Zeitung Begriffe in die öffentliche Debatte, die an Orwellsches Neusprech erinnern. Die parlamentarischen Lobbyisten der Energiekonzerne in Deutschland sind insbesondere FDP, CDU, CSU und AfD. Um das Jahr 2012 war die Energiewende auf dem Weg, eine ökologisch-ökonomische Erfolgsgeschichte zu werden. Doch sie gefährdete zunehmend das Energieerzeugungsmonopol und die Profite der deutschen Energiekonzerne. Also wurde die Energiewende von den Partei-Lobbyisten mit Gesetzen, Vorschriften und Bürokratie erfolgreich geschrumpft.
Auch harte Medien-Kritik an Gesetzen und Aktionsformen ist eine politische Selbstverständlichkeit. Doch von ökonomischen Interessen geleitete Dauer-Kampagnen gegen den Klimaschutz sind etwas anderes. Angeführt werden die aktuell so makaber erfolgreichen Lobbykampagnen gegen die Klimaschutzbewegung und die Energiewende von der Springerpresse und vornehmlich von der BILD-Zeitung. Diese führt ihren alten, hasserfüllten Kampf von 1968 gegen die Studierenden-Bewegung jetzt als Kampf gegen die Klimaschutzbewegung, Umweltbewegung und gegen „Rest-GRÜN“ im Parlament fort.
Der rechts-libertäre Kampagnen-Journalismus der Murdoch-Presse und von Fox-News hat die demokratiegefährdende Spaltung der US-Gesellschaft vorangetrieben. Ähnliches wiederholt sich gerade in Deutschland und Europa.
Ein großes Problem ist die erkennbare Naivität und Hilflosigkeit der Klima- und Umweltbewegung angesichts solcher machtvollen Kampagnen. Die Jugendumweltbewegung befasst sich beeindrucken intensiv und wissenschaftlich fundiert mit den Ursachen des Klimawandels. Mit den Fragen der Macht und den Konzepten der Mächtigen setzt sich die Umweltbewegung zu wenig auseinander. Ein erster Schritt wäre es, die Kampagnen als Kampagnen und deren ökonomischen Hintergründe überhaupt zu erkennen und dann Gegenstrategien zu entwickeln. Die Studierenden-Bewegung von 1968 wusste zumindest noch, was in der Bild-Zeitung steht.
Axel Mayer, Mitwelt Stiftung Oberrhein
Der Autor ist seit 50 Jahren in der Umweltbewegung aktiv und war 30 Jahre lang BUND-Geschäftsführer in Freiburg
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Razzia bei der Letzten Generation ist ein Anschlag auf den Rechtsstaat
Wer sich als Freistaat bekennt, sollte auch der „Letzten Generatin“ den Freistaat bieten ! Im anderen Fall strecken die Bürger-innen den Freistaat die Zungen heraus.
Heute fand eine bundesweite Razzia gegen Aktivist*innen der Letzten Generation statt. Den Aktivist*innen der Klimagerechtigkeitsbewegung wird vorgeworfen eine kriminelle Vereinigung gegründet und Geld für Straftaten gesammelt zu haben. Beschlagnahmt wurden Konten und die Homepage der Letzten Generation. Auf der Webseite der Letzten Generation war über Stunden folgender Text zu lesen: „Die Letzte Generation stellt eine kriminelle Vereinigung nach § 129 StGB dar!“
Offenbar wurde im Freistaat Bayern die Gewaltenteilung aufgehoben. Kein Gericht hat nämlich jemals geurteilt, dass die Letzte Generation eine kriminelle Vereinigung ist. Dennoch maßt sich das bayerische LKA an, dies als Feststellung zu veröffentlichen.
Die Razzia gegen die Letzte Generation ist durch nichts zu rechtfertigen. Der Vorwurf der Bildung einer kriminellen Vereinigung greift ins Leere. Die Aktivist*innen der Letzten Generation begehen keine Verbrechen, sondern leisten zivilen Ungehorsam um Aufmerksamkeit auf die Folgen des Klimawandels zu lenken. Mit symbolischen Aktionen fordern sie die Politik auf, endlich wirksame Maßnahmen gegen die Erd-Erhitzung zu ergreifen. Selten war eine politische Basisbewegung friedfertiger und defensiver in ihren Aktionsformen.
Die Aktivist*innen der Letzten Generation nehmen große Nachteile und ihre Kriminalisierung in Kauf damit unsere Kinder und Enkel auch zukünftig noch in einem erträglichen Klima leben können. Wie traumatisierend die heutige Razzia für die direkt Betroffenen war, zeigt ein Video, in dem Carla Hinrichs ihre heutigen Erlebnisse schildert:
Hinrichs schildert die Angst, als die Polizei mit gezogener Waffe ihre Wohnung stürmte. Noch größer ist jedoch ihre Angst vor der kommenden Klimakatastrophe. Diese viel größere Angst teilen viele tausende Aktivist*innen. Deswegen sind Einschüchterung, Gewalt und Repression keine Mittel die Klimaproteste einzudämmen.
Das Mittel gegen Klimaproteste ist wirksame Klimapolitik. Hier jedoch versagen diejenigen, die politische Verantwortung tragen. Der Planet steuert auf eine Temperaturerhöhung von 4 Grad Celsius zu. Überall sind dadurch die Ökosysteme gefährdet, das Artensterben wird vorangetrieben, Katastrophen wie Dürren oder Überschwemmungen nehmen zu – bei gleichzeitiger Verknappung des Süßwassers. Milliarden Menschen, vor allem im globalen Süden, werden durch die Folgen des Klimawandels ihrer Lebensgrundlagen beraubt und die meisten dieser Menschen werden sterben, ebenso wie übrigens viele Kranke und Ältere in den sich überhitzenden Städten auf der Nordhalbkugel.
Dass dennoch die Bundesregierung keine wirksamen Maßnahmen gegen den Klimawandel beschließt, ist unverantwortlich. Weder kann die Wärmewende länger aufgeschoben werden, noch kann weiter so gewirtschaftet werden wie bisher. Der Ausstieg aus der von fossilen Energien angetriebenen Profitmaschine und der Einstieg in eine klimaneutrale, nachhaltige Kreislaufwirtschaft ist überfällig. Politische Realität ist jedoch, dass die Bundesregierung selbst Maßnahmen wie ein Tempolimit auf Autobahnen und ein Verbot von Inlandsflügen nicht anpackt.
Wenn sie nun statt auf wirksame Klimapolitik auf brutale Repression gegen Menschen, die zivilen Ungehorsam leisten, setzt, verlässt sie zusätzlich den Boden des Grundgesetzes. Deswegen ist die Solidarität mit der Letzten Generation auch ein Kampf um den Rechtsstaat.
Edith Bartelmus-Scholich, 24.5.2021
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Der ehemalige Staatstrojaner-Hersteller FinFisher muss sich vor Gericht verantworten. Die Staatsanwaltschaft hat vier ehemalige Geschäftsführer angeklagt. Sie wirft ihnen vor, Überwachungstechnologie ohne Genehmigung an den türkischen Geheimdienst verkauft zu haben. Anlass ist unsere Strafanzeige.
Die Staatsanwaltschaft München I hat Anklage gegen die Staatstrojaner-Firmengruppe FinFisher erhoben. Vier Geschäftsführer des ehemaligen Firmengeflechts müssen sich jetzt vor dem Landgericht München I verantworten. Ihnen wird vorgeworfen, ihr Staatstrojaner-Produkt ohne die dafür notwendige Genehmigung in die Türkei verkauft zu haben.
Anlass ist unsere Strafanzeige, die wir 2019 gemeinsam mit der Gesellschaft für Freiheitsrechte, Reporter ohne Grenzen und dem Europäischen Zentrum für Verfassungs- und Menschenrechte verfasst und eingereicht haben. Bisher hat FinFisher die Vorwürfe immer bestritten.
Die Staatsanwaltschaft hat über drei Jahre ermittelt und 15 Liegenschaften durchsucht, darunter auch die Firmenzentrale in München. Zudem haben sie Schweden, Zypern, Malaysia, Bulgarien und Rumänien um Rechtshilfe gebeten.
Laut Anklage haben die Angeschuldigten neue Exportrichtlinien nach 2015 umgangen, indem sie „die Ausfuhr der Überwachungssoftware auf dem Papier ohne Genehmigung über eine in Bulgarien sitzende Gesellschaft“ abgewickelt haben. „Die Entwicklung der Überwachungssoftware fand tatsächlich aber weiterhin durch das Entwicklungsteam der FinFisher Labs GmbH, federführend in Person des Angeschuldigten H. in München, unterstützt durch die in Rumänien tätigen Entwickler, statt.“
Im Januar 2015 haben die Angeklagten laut Anklageschrift einen Vertrag über fünf Millionen Euro mit der Türkei abgeschlossen. Leistungsempfänger war demnach der türkische Inlandsgeheimdienst MİT. Laut Staatsanwaltschaft hat FinFisher den Empfänger verschleiert und „eine tatsächlich nichtexistierende ‚Generaldirektion für Zollkontrolle‘ in Ankara benannt“. Der Staatstrojaner von FinFisher wurde im Sommer 2017 gegen den Gerechtigkeitsmarsch der türkischen Zivilgesellschaft um den aktuellen Präsidentschaftskandidat Kemal Kılıçdaroğlu eingesetzt.
Jetzt müssen sich die Angeklagten vor Gericht verantworten. Seit einem Jahr sind die dazugehörigen Firmen bereits insolvent und aufgelöst. FinFisher ist für Stellungnahmen nicht mehr erreichbar.
Update (17:20): Die beteiligten NGOs haben eine gemeinsame Pressemitteilung veröffentlicht.
FinFisher hat offenbar jahrelang Überwachungssoftware illegal an autoritäre Regierungen verkauft, und damit weltweit zur Überwachung und Unterdrückung von Menschenrechtsverteidiger*innen, Journalist*innen und Oppositionellen beigetragen. Dass die Verantwortlichen nun endlich belangt werden, ist ein längst überfälliges Signal, dass solche Verstöße nicht ungestraft bleiben dürfen.
Bislang konnten Firmen wie FinFisher trotz europäischer Exportregulierung fast ungehindert weltweit exportieren. Die heutige Anklageerhebung ist längst überfällig und führt hoffentlich zeitnah zur Verurteilung der verantwortlichen Geschäftsführer. Aber auch darüber hinaus müssen die EU und ihre Mitgliedstaaten viel entschiedener gegen den massiven Missbrauch von Überwachungstechnologie vorgehen.
Verletzungen der Pressefreiheit gehen heute in vielen Fällen mit dem Einsatz von Überwachungssoftware einher. Für die Betroffenen bedeutet jeder einzelne Fall einen massiven Eingriff in ihre Persönlichkeitsrechte. In autoritären Staaten kann das für Journalisten und ihre Quellen, für Aktivistinnen und Oppositionelle dramatische Folgen haben.
Anklageerhebung wegen gewerbsmäßigen Verstoßes gegen das Außenwirtschaftsgesetz durch den nicht genehmigten Verkauf von Überwachungssoftware an Nicht-EU-Länder
Die Staatsanwaltschaft München I hat mit Anklageschrift vom 03.05.2023 Anklage wegen gewerbsmäßigen Verstoßes gegen das Außenwirtschaftsgesetz in drei tateinheitlichen Fällen in Mittäterschaft zum Landgericht München I – Große Strafkammer – gegen insgesamt vier Angeschuldigte erhoben. Ihnen wird vorgeworfen, als Verantwortliche der FinFisher-Unternehmensgruppe durch den Verkauf von Überwachungssoftware an Nicht-EU-Länder vorsätzlich gegen Genehmigungspflichten für Dual-Use-Güter verstoßen und sich damit strafbar gemacht zu haben.
Die spezialisierte Abteilung für politische Strafsachen der Staatsanwaltschaft München I hat in dem Themenkomplex umfangreiche und aufwändige Ermittlungen durchgeführt. Ermittlungsinitiierend für das Verfahren gegen die Angeschuldigten war eine gemeinsame Strafanzeige vom 05.07.2019 von vier Nichtregierungsorganisationen, die sich für Pressefreiheit und Menschenrechte einsetzen. Mit ihrer Strafanzeige legten sie Analysen von IT-Experten vor, welche zu dem Schluss kamen, dass die Überwachungssoftware FinSpy im Jahr 2017 über eine gefälschte Webseite der türkischen Oppositionsbewegung unter Vorspiegelung falscher Tatsachen zum Download angeboten wurde, um diese auszuspähen.
In Zusammenarbeit mit dem Zollkriminalamt und unter Unterstützung weiterer Strafverfolgungsbehörden hat die Staatsanwaltschaft München I am 06.10.2020 insgesamt 15 Objekte (Geschäftsräume und Privatwohnungen) rund um München und ein Unternehmen aus der Unternehmensgruppe in Rumänien durchsucht. Im Laufe der Ermittlungen wurden Rechtshilfeersuchen an Schweden, Zypern, Malaysia, Bulgarien und Rumänien gerichtet.
Die Staatsanwaltschaft geht in ihrer Anklage von folgendem, vor Gericht noch zu beweisenden Sachverhalt aus: Der Hauptgeschäftszweck der FinFisher Gruppe bestand in der Entwicklung und dem weltweiten Vertrieb von Software zum Einsatz durch Strafverfolgungsbehörden und Nachrichtendienste. In diesem Bereich zählte die Gruppe weltweit zu einem der führenden Unternehmen. Hauptprodukt war die als „FinSpy“ bezeichnete kommerzielle Spähsoftware, mit deren Hilfe es möglich war, die volle Kontrolle über PCs und Smartphones zu erlangen und dabei auch die laufende Kommunikation zu überwachen. Abnehmer waren Staaten in der EU, aber auch sog. „EU001“-Staaten (für die durch die EU eine Allgemeine Ausfuhrgenehmigung erteilt wurde: Australien, Island, Japan, Kanada, Neuseeland, Norwegen, Schweiz, Liechtenstein, UK, USA) und insbesondere sog. „Nicht-EU001“-Staaten, mit denen der wesentliche Teil des Umsatzes der FinFisher Gruppe erzielt wurde.
Mit der zum 01.01.2015 in Kraft getretenen Änderung der Verordnung (EG) Nr. 428/2009 (sog. Dual-Use-Verordnung) wurde die Ausfuhr von Überwachungstechnologien aus der EU der Genehmigungspflichtigkeit unterstellt, was für die FinFisher Gruppe eine existentielle Gefährdung bedeutete, da hierunter auch die von ihr entwickelte und verkaufte Überwachungssoftware fiel. Durch eine global verzweigte Firmenstruktur sollte der Anschein erweckt werden, dass auch nach Inkrafttreten der gesetzlichen Beschränkungen zum 01.01.2015 der Vertrieb der Überwachungssoftware in Ländern außerhalb der EU rechtskonform fortgeführt werde. Tatsächlich wurden alle geschäftlichen Aktivitäten der verschiedenen Unternehmen fortwährend von München aus gesteuert, geleitet und koordiniert. Die Angeschuldigten G., H., T und D. waren jeweils Geschäftsführer von GmbHs der FinFisher-Gruppe. D. war zudem der Finanzchef und Verantwortlicher der Exportkontrolle der Firmengruppe.
Um dennoch weiterhin Verträge mit sog. Nicht-EU001-Ländern abwickeln zu können, beschlossen die Angeschuldigten, die Ausfuhr der Überwachungssoftware auf dem Papier fortan ohne Genehmigung über eine in Bulgarien sitzende Gesellschaft R. abzuwickeln. Nach außen, d.h. durch Schaffen einer entsprechenden Papierlage, sollte der Eindruck entstehen, dass Verträge mit Kunden aus dem Länderkreis Nicht-EU001 mit Änderung der Rechtslage nicht mehr über die in München sitzenden Gesellschaften bedient wurden. Die Entwicklung der Überwachungssoftware fand tatsächlich aber weiterhin durch das Entwicklungsteam der FinFisher Labs GmbH, federführend in Person des Angeschuldigten H. in München, unterstützt durch die in Rumänien tätigen Entwickler, statt.
Ende Januar 2015 wurde ein Vertrag über die Lieferung von Überwachungssoftware, Hardware, technischer Unterstützung, Schulungen etc. in die Türkei im Wert von 5,04 Mio. EUR geschlossen. Zur Verschleierung, dass die vertraglich vereinbarten Lieferungen tatsächlich von den Angeschuldigten aus München bestimmt wurden und Leistungsempfänger der türkische Geheimdienst MIT war, waren in dem Vertragsdokument als Verkäuferin die bulgarische Gesellschaft R. und als Empfängerin der Lieferung eine tatsächlich nichtexistierende „Generaldirektion für Zollkontrolle“ in Ankara benannt.
In der Folge kam es ab dem 01.03.2015 zu drei Tathandlungen durch die jeweilige Übermittlung eines Links für den Download an den türkischen Geheimdienst MIT. Zugunsten der Angeschuldigten werden diese rechtlich als tateinheitlich begangen gewertet, da alle drei Tathandlungen auf dem einheitlichen Vertragsschluss beruhten. Die Software wurde in der Türkei auf zuvor breitgestellte Hardware heruntergeladen und aufgespielt, im Anschluss daran wurden Schulungen zur Anwendung durchgeführt.
Wie allen Angeschuldigten bewusst war, wurde die für die Ausfuhr der Überwachungssoftware erforderliche Exportgenehmigung bis zur Einstellung des Geschäftsbetriebs der FinFisher Gruppe zu keinem Zeitpunkt erteilt, und zwar auch nicht durch die bulgarischen Exportbehörden. In Deutschland wurde eine Exportgenehmigung nicht einmal beantragt. Den Angeschuldigten war ebenfalls bewusst, dass Geschäfte mit Ländern der Ländergruppe Nicht-EU001 der FinFisher Unternehmensgruppe und damit mittelbar auch ihnen selbst erhebliche Einnahmen brachten, sie handelten in der Absicht, sich durch diese Geschäfte eine fortlaufende Einnahmequelle von erheblichem Umfang zu verschaffen.
Über die Eröffnung des Hauptverfahren und damit über eine mögliche Terminierung der Hauptverhandlung wird die zuständige Große Strafkammer des Landgerichtes München I entscheiden.
Allgemeiner Hinweis zum Zeitraum zwischen dem Datum der Anklageerhebungen und der Veröffentlichung der Pressemitteilung: Nach den Richtlinien für das Straf- und Bußgeldverfahren (Nr. 23 Abs. 2 RiStBV) darf eine Anklageerhebung der Presse erst dann bekannt gegeben werden, wenn die Anklageschrift einem Angeschuldigten bzw. dessen Verteidigung nachweislich zugegangen ist.
Das Landgericht Augsburg entschied am 15. Mai, dass die Razzia gegen uns, das Offene Antifaschistische Treffen Augsburg, rechtswidrig war. Alle beschlagnahmten Gegenstände müssen uns umgehend ausgehändigt werden.
Aus den bereits länger vorliegenden Ermittlungsakten zur Razzia geht heraus, dass der Augsburger Staatsschutz keine Beweise gegen uns in der Hand hatte. Der Staatsschutz versuchte deshalb, einen hinreichenden Verdacht aus der Parole „AfD angreifen!“ zu konstruieren. Dieser Spruch ist auf einem unserer Spruchbanner zu lesen und wurde beim Angriff auf das AfD-Ehepaar Mailbeck vor deren Wohnung und Arbeitsplatz gesprüht. Dabei handelt es sich um eine schon lange etablierte kämpferische Parole in der antifaschistischen Bewegung, die von vielen verschiedenen Gruppen verwendet wird.
Das Landgericht hat hervorgehoben, dass die Durchsuchung eines offenen Treffens zwangsläufig Unbeteiligte treffen muss und es äußerte Zweifel daran, ob das Outing der AfDler*innen mit dem Vorwurf des „Gefährdenden Verbreitens personenbezogener Daten“ überhaupt kriminalisiert werden darf, während es den vom Staatsschutz konstruierten Zusammenhang mit der Parole auch für nicht haltbar erklärte.
Was hat das zu bedeuten?
Wir [1] und der Bundesvorstand der Roten Hilfe [2] verstehen die wiederholten brutalen Angriffe auf uns und die linke Bewegung in Augsburg auch als Experimente seitens des Repressionsapparates. Man möchte die Grenzen des Machbaren immer weiter aushebeln und nimmt sich dafür die noch jungen Strukturen vor Ort her. Diesen Versuchen konnte man nun auf juristischer Ebene ein Bein stellen und das ist ein Sieg, den wir nicht zuletzt der enormen landesübergreifenden Solidarität zu verdanken haben [3]. Dieses Urteil bedeutet einen Rückschlag für die rechtsbeugerische Praxis des Staatsschutzes, linke Aktivist*innen und Organisationen in Augsburg mit Durchsuchungen und Verfahren zu überziehen. Zuletzt geschehen bei Fridays for Future Augsburg [4], dem Klimacamp Augsburg [5] und der Roten Jugend Schwaben [6]. Der kreativen Beweisfindung der Augsburger Justiz muss langfristig ein Riegel vorgeschoben werden.
Weitermachen, denn der Staat steht nicht auf unserer Seite, egal was das Landgericht entscheidet!
Repressionen verfolgen das Ziel der Spaltung und Einschüchterung. Dem begegneten wir mit einer ungebrochenen Solidarität und Konsequenz in unserer Arbeit. Mit Stolz können wir sagen: Wir gehen gestärkt aus dieser Geschichte raus!
Vergessen wir nicht, dass sich die zunehmende Repression gegen Antifaschist*innen auch in einen bundesweiten Trend einordnen lässt. Bald schon steht Linas Verurteilung mit bis zu 7 Jahren Haft an [7]. Jo, Dy, Findus und viele weitere politische Gefangene sitzen weiterhin in Haft. Die nächsten Hafturteile stehen auch schon in Stuttgart aus [8] und im Zuge des Wahlkampfes in der Türkei wurden auch kurdische Genoss*innen in der BRD vermehrt in Haft genommen [9].
Wir lassen uns nicht unterkriegen! Wir haben das einzig Richtige getan: Weitermachen und uns in unserer Arbeit nicht einschränken lassen! Niemand ist weggebrochen, alle machen weiter – und zwar noch konsequenter!
Seit mehr als 2 Jahren sind wir der offene Anlaufpunkt in Augsburg, für alle, die sich antifaschistisch engagieren möchten!
Wir arbeiten konsequent gegen den Rechtsruck in der BRD, allen voran die AfD! Ob Demonstrationen, Gedenk- und Erinnerungsarbeit, Vorträge oder Infostände, wir organisieren das alles – und zwar regelmäßig!
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Dazu ist gestern eine Entscheidung des Landgerichts Karlsruhe ergangen und heute bekannt worden:
Aber zunächst einmal dazu,
wie es nach der Anklageerhebung weiterging
Nachdem die Staatsanwaltschaft ihre Anklageschrift an das Gericht gesandt hatte und dieses die Anklageschrift an Fabian weiterleitete, hatte Fabian bzw. seine Anwältin Gelegenheit, zu der Anklageschrift (vorliegend: bis zum 04.05.2023) Stellung zu nehmen (vgl. § 201 StPO). Diese Gelegenheit hat die Anwältin – m.E.: richtigerweise – auch genutzt.
Sodann hatte das Landgericht Karlsruhe zu prüfen, ob es
das sog. „Hauptverfahren“ (das Ermittlungsverfahren ist demgegenüber das „vorbereitende Verfahren“) eröffnet, das heißt: die Anklage zuläßt,
oder
ob es die Anklage nicht zuläßt und das Verfahren einstellt (vgl. § 199 Absatz 1 StPO).
Der gesetzliche Maßstab für diese Entscheidung ergibt aus § 203 Strafprozessordnung (StPO): „Das Gericht beschließt die Eröffnung des Hauptverfahrens, wenn nach den Ergebnissen des vorbereitenden Verfahrens der Angeschuldigte einer Straftat hinreichend verdächtig erscheint.“
Dies ist die erste erfreuliche Neuigkeit
Einen solchen „hinreichend[en]“ Tatverdacht hat das Landgericht Karlsruhe nun verneint – und zwar (nach Auskunft der Pressestelle des Landgerichts) aus zwei voneinander unabhängigen Gründen:
1. „es [ist] nach Auffassung der Kammer für den Straftatbestand des § 85 Abs. 2 StGB rechtlich erforderlich, dass die unterstützte verbotene Vereinigung zum Zeitpunkt der Tathandlung besteht bzw. teilidentisch fortbesteht. Ein Fortbestehen einer solchen verbotenen Vereinigung (linksunten.indymedia) ist jedoch weder in der Anklage beschrieben, noch durch den Akteninhalt belegt und auch sonst nicht ersichtlich.“
in meinem Artikel vom 11.02.2023, Abschnitt „BMI: ‚keine Erkenntnisse über eine Fortführung […] der […] Vereinigung ›linksunten.indymedia‹‘“.
2. „Zum anderen hat die Kammer den vom Angeklagten veröffentlichten Artikel nach umfassender Auslegung seines gesamten Inhalts im Lichte der Meinungs- und Pressefreiheit nicht als tatbestandsmäßige Unterstützung des organisatorischen Zusammenhalts und/oder der weiteren Betätigung einer verbotenen Vereinigung im Sinne des § 85 Abs. 2 StGB, sondern als zulässige Presseberichterstattung bewertet, auch unter Berücksichtigung des verwendeten Lichtbildes und der Tatsache, dass der Beitrag einen Link auf die statische Archivseite von linksunten.indymedia enthält.“
Dazu ist Folgendes anzumerken:
Es ist zutreffend, daß Fabians Artikel keine Unterstützung darstellt und auch nicht dargestellt hätte, wenn der angebliche Verein noch existieren würde.
Es ist aber unzutreffend, überhaupt der Idee zu verfallen, eine Äußerung, z.B. Linksetzung, könne eine „Unterstützung“ im strafrechtlichen Sinne sein. Denn das Gesetz unterscheidet gerade
zwischen Mitgliedschaft usw. und Unterstützung in § 84 StGB (in Bezug auf verbotene Parteien) und § 85 StGB (in Bezug auf verbotene Vereinigungen) einerseits und Verbreitung von Propagandamitteln in § 86 StGB und Verwendung von sog. Kennzeichen solcher Parteien bzw. Vereinigungen in § 86a StGBanderseits
sowie
zwischen Werbung (bis 1968 nicht nur in Bezug auf Kriminelle [§ 129 StGB] und später dann auch Terroristische Vereinigungen [§ 129a StGB], sondern auch in Bezug auf verbotene Vereinigungen und Parteien strafbar; seit 1968 in Bezug auf letztere aber gerade nicht mehr strafbar) und Unterstützung (bis und seit 1968 strafbar).
Das Ergebnis ist also erfreulich und die Begründung ist zumindest teilweise zutreffend – in zuletzt angesprochener Hinsicht aber gleichermaßen unzutreffend wie unerfreulich.
Auch darüber hinaus ist eine
Warnung vor voreiliger Entwarnung
geboten, denn: „Der Beschluß ist noch nicht rechtskräftig“, wie auf der Webseite von Radio Dreyeckland zutreffend heißt.
„(2) Gegen den Beschluß, durch den die Eröffnung des Hauptverfahrens abgelehnt oder abweichend von dem Antrag der Staatsanwaltschaft die Verweisung an ein Gericht niederer Ordnung ausgesprochen worden ist, steht der Staatsanwaltschaft sofortige Beschwerde zu.
(3) Gibt das Beschwerdegericht der Beschwerde statt, so kann es zugleich bestimmen, daß die Hauptverhandlung vor einer anderen Kammer des Gerichts, das den Beschluß nach Absatz 2 erlassen hat, oder vor einem zu demselben Land gehörenden benachbarten Gericht gleicher Ordnung stattzufinden hat. In Verfahren, in denen ein Oberlandesgericht im ersten Rechtszug entschieden hat, kann der Bundesgerichtshof bestimmen, daß die Hauptverhandlung vor einem anderen Senat dieses Gerichts stattzufinden hat.“
Die Staatsanwaltschaft Karlsruhe hat mir dazu auf Anfrage mitgeteilt: „Der Beschluss des Landgerichts wird hier geprüft und im Anschluss über das weitere Vorgehen entschieden werden.“
Eine zweite – erfreuliche – Neuigkeit
Fabian berichtete ja in seinem Artikel, der Gegenstand der Anklage war, über die Einstellung des Ermittlungsverfahren gegen angebliche Mitglieder des früheren BetreiberInnenkreises; dazu hieß es in dem Artikel:
„Bald fünf Jahre ist der konstruierte Verein Indymedia Linksunten nun verboten. Jetzt informiert die Autonome Antifa Freiburg darüber, dass das zugehörige strafrechtliche Ermittlungsverfahren wegen ‚Bildung einer krimineller Vereinigung‘ am 12. Juli nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt wurde. Die Staatsanwaltschaft habe keine Beweise finden können und damit keinen genügenden Anlass zur Erhebung einer öffentlichen Klage. ‚Bis heute konnte offenbar keiner der bei den linksunten-Razzien im August 2017 beschlagnahmten Datenträger entschlüsselt werden.‘ so die Autonome Antifa.“
Ich hatte dies (und auch die verlinkte Pressemitteilung der Autonomen Antifa Freiburg) so verstanden, daß ein Anklagen an Nicht-Entschlüsselung der Datenträger scheiterte, da dadurch Beweise für die angebliche Mitgliedschaft fehlen.
„Sebastian Meineck [schrieb am 03.05.2023 bei netzpolitik.org]: ‚Linksunten Indymedia war bis zum Verbot im Jahr 2017 ein wichtiges Informationsportal für Teile der linken Szene und eine Plattform für unter anderem Demonstrationsaufrufe und Bekennerschreiben. Das Innenministerium stufte die Seite damals allerdings nicht als Medium ein, sondern als Verein, um sie daraufhin mithilfe des Vereinsgesetzes zu verbieten. Schon damals verurteilte das etwa ›Reporter ohne Grenzen‹ als Angriff auf die Pressefreiheit. Vergangenes Jahr wurden Ermittlungsverfahren gegen Linksunten Indymedia eingestellt; das heißt, der Vorwurf der Bildung einer kriminellen Vereinigung ist viele Jahre später geplatzt.‘
Letzteres dürfte die Sache allerdings etwas zu freundlich interpretieren, denn in dem RDL-Artikel aus dem vergangenen Sommer hieß es ja:
‚Die Staatsanwaltschaft habe keine Beweise finden können und damit keinen genügenden Anlass zur Erhebung einer öffentlichen Klage. ›Bis heute konnte offenbar keiner der bei den linksunten-Razzien im August 2017 beschlagnahmten Datenträger entschlüsselt werden.‹ so die Autonome Antifa.‘
Das scheint mir nur zu heißen, daß sich die Staatsanwaltschaft Karlsruhe nicht in der Lage sah, den Beschuldigten eine Mitgliedschaft im BetreiberInnenkreis von linksunten nachweisen; aber nicht, daß sie von ihrer Auffassung abgegangen ist, daß der BetreiberInnenkreis eine kriminelle Vereinigung gewesen sei. – Sollte sich aus dem Einstellungsbescheid der Staatsanwaltschaft etwas anderes ergeben, wäre es wünschenswert, er würde von denen, die ihn haben, im Wortlaut veröffentlicht.“
Nun habe ich heute mal bei der Staatsanwaltschaft Karlsruhe nachgefragt, warum sie das alte Verfahren eigentlich eingestellt hat – und anders als von mir gedacht, kam dabei heraus:
„Nach Durchführung der Ermittlungen ließ sich nicht mit der für eine Anklageerhebung notwendigen hinreichenden Verurteilungswahrscheinlichkeit nachweisen, dass es sich bei dem u.a. von den Beschuldigten gebildeten Zusammenschluss mehrerer Personen zum Betrieb und zur Aufrechterhaltung der Internetplattform ‚linksunten.indymedia.org‘ um eine kriminelle Vereinigung gemäß § 129 StGB (in der a.F. bis zum 23.08.2017) gehandelt hat.
Es war nicht feststellbar, dass die auf der betreffenden Internetseite eingebrachten strafbewehrten Äußerungen nach ihrem Inhalt und ihrem Umfang derart dominierend waren, dass sie als ein bestimmender und prägender Zweck der Internetplattform ‚linksunten.indymedia.org‘ zu bewerten gewesen wären, d.h. dass der Zusammenschluss der Betreiber als Vereinigung also gerade mit der Zielsetzung der Begehung von Straftaten – hier in Form von Äußerungsdelikten – erfolgt wäre.“
Dazu stellte ich noch folgende Nachfrage:
„Heißt das: Die Mitgliedschaft der Beschuldigten wurde – trotz des Scheiterns der Datenträger-Entschlüsselung – für hinreichend wahrscheinlich angesehen – und die Anklage wurde (allein) deshalb unterlassen, weil nicht hinreichend wahrscheinlich war/ist, daß der Personenkreis unter die tatzeitpunktliche Definition von Krimineller Vereinigung fiel?
Und bezieht sich letzteres speziell auf § 129 III Nr. 2 StGB oder schon auf § 129 I StGB?“
und erhielt als Antwort:
„die im Zuge des Ermittlungsverfahrens gewonnenen Erkenntnisse ließen jedenfalls darauf schließen lassen, dass sich die Beschuldigten am Aufbau und Betrieb der Internetplattform ‚linksunten.indymedia.org‘ beteiligt hatten. Im Ergebnis kam es hierauf aber nicht (mehr) an, weil bereits der gesicherte Nachweis einer kriminellen Vereinigung aus den von mir erwähnten Gründen verneint wurde. Dies bezog sich insgesamt auf den § 129 StGB (in der a.F. bis zum 23.08.2017).“
Anmerkung:
Eine Sache ist, daß ich auch selbst schon längst mal hätte nachfragen können und sollen (sei es – wie jetzt – bei der Staatsanwaltschaft oder bei der Autonomen Freiburg).
Eine andere Sache ist, daß in der Pressemitteilung der Autonomen Antifa Freiburg der entscheidende Punkt nicht klar rüber kam.
Jedenfalls ist der Unterschied von erheblicher Bedeutung für die zukünftige politische Praxis: Die konkrete Beweislage wäre nur für das alte Verfahren relevant; der Satz,
„Es war nicht feststellbar, dass die auf der betreffenden Internetseite eingebrachten strafbewehrten Äußerungen nach ihrem Inhalt und ihrem Umfang derart dominierend waren, dass sie als ein bestimmender und prägender Zweck der Internetplattform ‚linksunten.indymedia.org‘ zu bewerten gewesen wären“,
läßt sich dagegen auch auf die HerausgeberInnenkreise von Medien mit ähnlichem Inhalt übertragen.
Dieses erfreuliche Ergebnis des Strafverfahrens wirft meines Erachtens die Frage auf, ob die Betroffenen im Rahmen ihrer Klage vor dem Bundesverwaltungsgericht, wo sie eine Mitgliedschaft im BetreiberInnenkreises in der Schwebe ließen (was zur Folge hatte, daß das Bundesverwaltungsgericht das Vorliegen der Verbotsgründe gar nicht erst prüfte – was von vornherein absehbar war), unnötig defensiv agierten; wobei ich aber anstandslos zugestehe, daß Vorsicht defensives Agieren gebot, da der Ausgang des Strafverfahrens nicht von vornherein sicher war. –
Interview beim Freien Sender Kombinat Hamburg mit mir zur heutigen Entscheidung des Landgerichts Karlsruhe:
Von mir noch vor der Entscheidung des Landgerichts:
BRD contra linke Texte – in Vergangenheit und Gegenwart. Buch „das info“ (Neuer Malik Verlag: Kiel, 1987), Broschüre „RAF – BRD“ (GNN: Köln, 1993) sowie linksunten-Archiv
Undurchdachtes Vorgehen. Einige Überlegungen zu den Fehlern der bürgerrechtlichen bis linksradikalen Reaktionen auf das Verbot von »linksunten.indymedia«
de.indymedia vom 28.03. und 04.04.2023:
Ein Gesprächs aus Anlass der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts in Sachen „linksunten.indymedia“
Die angekündigte Fortsetzung dazu folgt auch noch; wir haben nur jetzt erst einmal der Beschäftigung mit der Anklage gegen Fabian Vorgang vor der Aufarbeitung der Vergangenheit gegeben.
Urheberrecht
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Das Landgericht Karlsruhe hat Staatsanwaltschaft und Amtsgericht wegen der umstrittenen Razzien und Ermittlungen gegen den freien Sender „Radio Dreyeckland“ zurückgepfiffen. Der Sender hatte in einem Artikel auf die Archivseite des verbotenen Portals indymedia.linksunten verlinkt. Das Gericht sieht solche Verlinkungen als Teil der journalistischen Aufgaben.
Das Landgericht hat nun in einem laut der Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF) „wegweisenden Beschluss“ verkündet, dass die Verlinkung Teil der journalistischen Aufgaben und daher keine strafbare Unterstützung einer verbotenen Vereinigung sei. Damit stehe laut der Bürgerrechtsorganisation auch fest, dass die im Januar angeordneten Durchsuchungen von Wohnungen und Redaktionsräumen rechtswidrig waren. Das Landgericht ordnete außerdem wegen der hohen Bedeutung für das Redaktionsgeheimnis und den Informant:innenschutz an, dass die Polizei die angefertigten Kopien der ursprünglich beschlagnahmten Datenträger löschen muss.
Die GFF unterstützt den betroffenen Redakteur juristisch – und hatte auch eine Beschwerde beim Landgericht eingereicht, die allerdings noch nicht entschieden ist. Offen bleiben vorerst noch Beschwerden eines weiteren RDL-Mitarbeiters sowie von RDL gegen die Durchsuchung der Privaträume der Journalisten sowie der Redaktionsräume und der Beschlagnahme von Arbeitsmitteln und Speichermedien.
Wichtiges Signal für Pressefreiheit
Dennoch scheint das aktuelle Urteil klar die Richtung vorzugeben. „Die Entscheidung ist ein wichtiges Signal für freie und kritische Presseberichterstattung in ganz Deutschland. Das Gericht begründet ausführlich, dass vage Strafnormen mit Blick auf die Presse- und Rundfunkfreiheit einschränkend ausgelegt werden müssen“, sagt David Werdermann, Jurist und Verfahrenskoordinator bei der GFF. Der Beschluss sei wegweisend. „Er stellt klar, dass Verlinkungen zum geschützten Bereich der freien Berichterstattung gehören und Medien für die verlinkten Inhalte nicht ohne Weiteres strafrechtlich belangt werden können.“
„Der Staatsanwaltschaft und dem Freiburger Staatsschutz muss klar gewesen sein, dass sie sich juristisch auf äußerst dünnem Eis bewegen. Es ging ihnen offensichtlich von Anfang an um Einschüchterung und Ausforschung eines kritischen linken Mediums“, erklärt Andreas Reimann, dessen Privatwohnung wegen seiner Funktion als Verantwortlicher im Sinne des Presserechts ebenfalls durchsucht wurde, in einem Bericht des Senders.
Hintergrund der Razzien und Ermittlungen war, dass RDL im Juli 2022 über das Verbot von linksunten.indymedia.org 2017 durch das Bundesinnenministerium berichtet hatte. Dabei verlinkte der Sender auf die Archivseite des verbotenen Portals. Die zuständige Staatsanwaltschaft Karlsruhe warf dem freien Radiosender nicht bloß vor, dieses Archiv verlinkt zu haben, sondern mit der dazugehörigen Nachrichtenmeldung auch eine Straftat nach Paragraf 85 begangen und damit gegen ein Vereinigungsverbot verstoßen zu haben – und ordnete die Durchsuchung der Redaktionsräume sowie der Wohnungen zweier Redakteure an. Bei der Razzia beschlagnahmte die Polizei mehrere Laptops und versuchte sogar an die IP-Adressen der Menschen heranzukommen, welche die Website des Senders besucht hatten.
Mit der heutigen Entscheidung sei klar, dass dieses Vorgehen einen rechtswidrigen Eingriff in die Presse- und Rundfunkfreiheit darstelle, sagt die GFF. Journalist:innen machten sich in der Regel nicht strafbar, wenn sie im Rahmen der Berichterstattung auf rechtlich umstrittene Websites verlinken würden. Das Landgericht ziehe zudem in Zweifel, ob der verbotene Verein linksunten.indymedia überhaupt noch existiert. Ein nicht mehr existenter Verein könne auch nicht unterstützt werden.
Schon Verbot von indymedia.linksunten war umstritten
Linksunten Indymedia war bis zum Verbot im Jahr 2017 ein wichtiges Informationsportal für Teile der linken Szene und eine Plattform für unter anderem Demonstrationsaufrufe und Bekennerschreiben. Das Innenministerium stufte die Site damals allerdings nicht als Medium ein, sondern als Verein, um sie daraufhin mithilfe des Vereinsgesetzes zu verbieten. Schon damals verurteilte das etwa „Reporter ohne Grenzen“ als Angriff auf die Pressefreiheit. Vergangenes Jahr wurden Ermittlungsverfahren gegen Linksunten Indymedia eingestellt; das heißt, der Vorwurf der Bildung einer kriminellen Vereinigung ist viele Jahre später geplatzt. Ob das Verbot von linksunten.indymedia die Pressefreiheit verletzt, wurde gerichtlich nie überprüft. Darauf bezogene Klagen vor dem Bundesverwaltungsgericht sowie eine Verfassungsbeschwerde wurden aus formalen Gründen abgewiesen.
Von : c/o Waltraud Andruet – Sprecherin FriedensNetz Saar und pax christi Saar
Fast täglich fliegen und üben Militärjets mehrere Stunden lang im Bereich der sogenannten Tra-Lautern Übungsflüge durch, auch über unsere Köpfe hinweg.
Hier dieser Tagesbericht für Montag, 08.05.2023, 5 Stunden und 28 Minuten Kampfjetflüge zwischen 09:26 und 17:02 Uhr, 1 Luftbetankung, ca. 215.800 Liter Treibstoff, ca. 595.608 kg CO?, ca. 1.726 kg NO? – entspricht 3.596.667 gefahrenen Autokilometern.
Und das ist erst der Anfang, denn im Juni blüht uns die größte NATO-Luftübung, welche jemals stattgefunden hat – die Air Defender 2023. Im Juni wird’s am Himmel über Deutschland eng. Bei einem groß angelegten, zweiwöchigen Nato-Manöver wird die Zusammenarbeit der verschiedenen Luftstreitkräfte eingeübt. Ein zentraler Ort wird die Airbase in Spangdahlem in der Eifel sein.
Dementsprechend plant das FriedensNetz Saar zusammen mit QuatroPax am 10. Juni 2023 eine Mahnwache. Wir alle wissen, dass sich die Welt weder diesen heißen noch einen Jahrzehntelangen Kalten Krieg leisten kann – angesichts der menschheitsbedrohenden Probleme, die nur global und gemeinsam gelöst werden können.
Durch den Ukrainekrieg gerät die größte Herausforderung des 21. Jahrhunderts – die Bewältigung der Klimakrise – in den Hintergrund. Die Welt braucht dringend eine radikale Abkehr von der herrschenden, lebensfeindlichen, wirtschaftlichen und militärischen Logik, welche die Menschheit und unseren Planeten in die Katastrophe treibt. Es braucht eine grundlegende sozialökologische Transformation, in der Bedürfnisse aller Menschen im Zentrum der Politik stehen. Diese scheint derzeit undenkbar. Doch was wäre die Alternative? Eine ungebremste Klimaerwärmung würde die gesamte Weltbevölkerung in die Katastrophe führen. Der Krieg mit seinen Waffensystemen und den Zerstörungen im Energiesektor heizt die Klimakrise nur noch an. Die Ukraine kommt zurzeit an fossilen Energieträgern nicht vorbei und die weltweite Waffenproduktion geschieht mit Sicherheit unter Verwendung umweltschädigender Kohleenergie.
Um das 1,5-Grad-Limit gegen den Klimawandel noch zu erreichen, verbleiben der Menschheit weniger als acht Jahre – entsprechend dem globalen CO2-Budget. Dafür sind gravierende Veränderungen in allen Bereichen dringend notwendig. Es brauche einen sogenannten „systemischen Wandel“, heißt es in dem Anfang April veröffentlichten IPCC-Bericht. Der militärische Sektor wird jedoch ausgeklammert. Zum Schlagwort „military“ finden sich insgesamt sechs Ergebnisse in dem knapp 3.000 Seiten langen Report. Man könnte meinen, der Bereich Militär spiele in Bezug auf die Klimakrise kaum eine Rolle. Die Realität sieht anders aus: Allein der Dauereinsatz von militärischem Gerät führt zu massiver Luftverschmutzung.
Unsere Forderung lautet: Militärische Aufrüstung stoppen, Spannungen abbauen, gegenseitiges Vertrauen aufbauen, Perspektiven für Entwicklung und soziale Sicherheit schaffen, Entspannungspolitik auch mit Russland aber auch mit China, da sich die NATO jetzt gerade warmläuft für die Konfrontation mit China. Deshalb ist es unabdingbar mehr zu verhandeln, dem Frieden zuliebe. Diese Einsichten werden wir überall in unserer Gesellschaft verbreiten. Damit wollen wir helfen, einen neuen Kalten Krieg bzw. die aktuelle Kriegsgefahr abzuwenden. Keine Erhöhung der Rüstungsausgaben – Abrüsten ist das Gebot der Stunde!
Die Bundesregierung plant, die Rüstungsausgaben zu verdoppeln, auf zwei Prozent der deutschen Wirtschaftsleistung (BIP). So wurde es in der NATO vereinbart. Allein 2019 wurde der Militärhaushalt auf 43,2 Milliarden Euro angehoben und ist damit größer als die Etats für Bildung und Gesundheit zusammen.
Wir können es uns aus globaler und nationaler Sicht nicht leisten, mehr fürs Militär und die Rüstung auszugeben. Deswegen sagen wir: NEIN dazu – Schluss damit! Abrüsten statt Aufrüsten! Militär löst keine Probleme – Eine andere Politik muss her!
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Die Staatsanwaltschaft Karlsruhe hat Anklage gegen einen Redakteur von „Radio Dreyeckland“ erhoben. Er hat eine Meldung verfasst, in der das Archiv des verbotenen Portals Linksunten Indymedia verlinkt war. Der Journalist sieht in der Anklage einen „skandalösen Eingriff in die Pressefreiheit“.
Mit einer URL kann man im Netz einfach und schnell auf eine Website zugreifen – aber man kann sich damit auch eine Anklage einfangen, wie der Fall von Radio Dreyeckland in Freiburg zeigt. Alles dreht sich um einen Link auf das Archiv des verbotenen Portals linksunten.indymedia.org. Die zuständige Staatsanwaltschaft Karlsruhe wirft dem freien Radiosender nicht bloß vor, dieses Archiv verlinkt zu haben, sondern mit der dazugehörigen Nachrichtenmeldung auch eine Straftat nach Paragraf 85 begangen zu haben.
Einfach ausgedrückt verbietet dieser Paragraf, verbotene Vereinigungen zu unterstützen. Genau das soll durch die betreffende Nachrichten-Meldung geschehen sein, wie die Staatsanwaltschaft argumentiert. Es drohen Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahre oder Geldstrafe.
Der Verfasser der Meldung, der Journalist Fabian Kienert, kritisiert die Anklage in einem Bericht auf Radio Dreyeckland als „skandalösen Eingriff in die Pressefreiheit“. Im Vorfeld der Anklage gab es zudem Razzien, unter anderem in der Redaktion von Radio Dreyeckland und in der Privatwohnung des Redakteurs. Obwohl die Meldung mit Kienerts Kürzel „FK“ gekennzeichnet war, sollten die Razzien mehr über die Hintergründe aufklären. Als „absurd“ und „völlig“ unverhältnismäßig bezeichnet das der Radiosender, der nun auch rechtlich gegen die Durchsuchungsbeschlüsse vorgeht.
Linksunten Indymedia war bis zum Verbot im Jahr 2017 ein wichtiges Informationsportal für Teile der linken Szene und eine Plattform für unter anderem Demonstrationsaufrufe und Bekennerschreiben. Das Innenministerium stufte die Seite damals allerdings nicht als Medium ein, sondern als Verein, um sie daraufhin mithilfe des Vereinsgesetzes zu verbieten. Schon damals verurteilte das etwa „Reporter ohne Grenzen“ als Angriff auf die Pressefreiheit. Vergangenes Jahr wurden Ermittlungsverfahren gegen Linksunten Indymedia eingestellt; das heißt, der Vorwurf der Bildung einer kriminellen Vereinigung ist viele Jahre später geplatzt.
„Überragende Bedeutung“ der Pressefreiheit
Bei der jüngst erhobenen Anklage gegen den Journalisten von Radio Dreyeckland geht es nicht nur um das Schicksal eines regionalen Radiosenders, sondern auch um den Stellenwert der Pressefreiheit in Deutschland. Jüngst ist Deutschland auf der Rangliste der Pressefreiheit im weltweiten Ranking weiter zurückgerutscht.
Die Bedeutsamkeit des Falls ist der zuständigen Staatsanwaltschaft offenbar bewusst. „Unstreitig kommt der Meinungs- und Pressefreiheit eine überragende Bedeutung zu“, schreibt etwa Staatsanwalt und Sprecher Matthias Hörster auf Anfrage. Dennoch sei eine Strafbarkeit gegeben, heißt es in der Antwort auf die Presseanfrage. Der Vorwurf ist die „gezielte Förderung“ der verbotenen Vereinstätigkeit. Wohlgemerkt: Von Linksunten Indymedia existiert seit Jahren nur ein Archiv.
Auch im Wortlaut der Nachrichtenmeldung kann Radio Dreyeckland keine Förderung erkennen, wie aus dem jüngsten Bericht des Senders hervorgeht. Die strittige Meldung sei „sachlich“ und „kurz“, heißt es dort. Radio Dreyeckland erinnert vor dem Hintergrund der aktuellen Anklage an die Vorgeschichte: Es war auch die Staatsanwaltschaft Karlsruhe, die Linksunten Indymedia selbst im Visier hatte – bis das Verfahren aber 2022 ohne Erfolg eingestellt wurde. Nun wolle die Staatsanwaltschaft „auch noch mit dem Mittel des Strafrechts bestimmen, wie über dieses Verfahren zu berichten ist“. Die Behörde sei „offensichtlich auf dem Kriegsfuß mit der Presse- und Medienfreiheit“, heißt es zudem in einem Audio-Beitrag des Senders.
Meldung im Nachrichtenstil
Wer möchte, kann sich selbst ein Bild von der Radio-Dreyeckland-Meldung machen, die der Staatsanwaltschaft ein Dorn im Auge ist. Der aus knapp 150 Wörtern bestehende Artikel ist nach wie vor online. Im Nachrichtenstil heißt es darin unter anderem:
Linke Medienarbeit ist nicht kriminell! Ermittlungsverfahren nach Indymedia Linksunten Verbot wegen „Bildung krimineller Vereinigung“ eingestellt […] „Wir sind alle linksunten“ – ob dem so ist, war auch ein Streitpunkt auf der Podiumsdiskussion über das Verbot der Internetplattform. […] Im Internet findet sich linksunten.indymedia.org als Archivseite.
Zunächst gab es nicht nur ein Verfahren gegen Kienert als Verfasser der Meldung, sondern auch gegen den „Verantwortlichen im Sinne des Presserechts“, Andreas Reimann. Eine solche Person müssen Publikationen in Deutschland benennen. Wenn es mal juristisch Ärger gibt, ist die Person üblicherweise die erste Anlaufstelle. Zumindest das Verfahren gegen Reimann wurde laut Radio Dreyeckland inzwischen eingestellt.
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Das Studio des Radio Dreyeckland befindet sich in diesem Gebäude auf dem Grethergelände in der Adlerstraße 12 in Freiburg Der Eingang ist unter der zentralen Treppe
Ausgerechnet mitten in München wollen Mieter ihr Haus übernehmen und selbst verwalten. Doch jetzt läuft ihnen die Zeit davon.
Armin Kasper haut mit der Faust auf den Tisch: „Wir müssen einfach kämpfen. Ein Haus in Haidhausen, das ist doch was! Und es ist unser Haus.“ Der 62-jährige Briefträger sitzt mit acht Mitstreiterinnen und Mitstreitern an einem langen Tisch in einer Wohnküche in ebenjenem Haus in Haidhausen. „Wir müssen es versuchen. Wenn wir scheitern, dann scheitern wir. Aber dann haben wir’s wenigstens versucht.“
Es ist die Küche der Nachbarn Verena Hägler und Andy Ebert im ersten Stock, die einmal in der Woche zum Krisenzentrum wird. Sie ist geräumig und gemütlich, hohe Decken, Stuck. Am Küchentisch beratschlagen sie sich nun schon seit Monaten jeden Donnerstag, wie sie es anstellen können, dass sie auch in ein paar Jahren noch hier wohnen – und das zu bezahlbaren Mieten. Seit sie die Annonce gesehen haben, dass ihr Haus zum Verkauf steht, herrscht Alarmstimmung in der Wörthstraße 8.
Betritt man das Haus, steht man zunächst zwischen Kinderwagen auf einem Mosaik, das stolz das Baujahr des Hauses verkündet: 1894. Ein unsanierter Altbau mit Holzfußboden, Kastenschlössern und allem, was dazugehört. Die alte Holztreppe knarzt beharrlich, von den Wänden im Treppenhaus blättert Farbe ab, aber sonst – das haben sich die Bewohner von Gutachtern bestätigen lassen – ist das Haus gut in Schuss. Über den Briefkästen am ersten Treppenabsatz wacht ein kleiner Buddha aus Gips, draußen am Hauseck eine steinerne Madonna.
13 Wohnungen hat das Haus und 29 Bewohner. Von der Schneiderin über den Schreiner und die Grafikerin bis zur Tierärztin ist alles vertreten. Aufkleber an einer Tür zeugen davon, dass sich hier, nur drei Kilometer vom Sechzgerstadion entfernt, sogar St.-Pauli-Fans niedergelassen haben. Unten befinden sich noch ein Schreibwaren- und ein Schmuckladen sowie ein Friseursalon.
Haidhausen also. Man tritt dem übrigen München sicherlich nicht zu nahe, wenn man behauptet, dass dies eines der schöneren Stadtviertel ist. Am rechten Isarhochufer zentral gelegen, findet man hier noch reichlich Altbauten; das Viertel hat den Krieg für Münchner Verhältnisse gut überstanden. Laut Wikipedia sind sogar zwei Drittel der Gebäude über 100 Jahre alt. Biergärten gibt es hier, Cafés, kleine Läden, den bayerischen Landtag und sogar eine richtige inhabergeführte Metzgerei. Ein Dorf mitten in der Stadt, schreiben die Reiseführer.
Nur den Bunten Würfel gibt es nicht mehr, das Kabarett, in dem Karl Valentin Anfang 1948 seine letzte Vorstellung gegeben hat. Es war gleich um die Ecke in der Preysingstraße. Als man ihn dort versehentlich über Nacht in der kalten Garderobe eingesperrt hat, soll er sich die Lungenentzündung geholt haben, an der er kurz darauf starb.
Aber zurück in die Wörthstraße 8. Eine Woche vor dem Krisentreffen, zweiter Stock. Wer bei Katrin Göbel vor der Tür steht, auf den richten erst einmal die Cartwrights ihre Colts. Als gelte es, die Ponderosa gegen Eindringlinge zu verteidigen. Hinter der Tür, an der die „Bonanza“-Postkarte klebt, trifft man im Wohnzimmer dann neben Katrin Göbel auch Andy Ebert und Hendrik Wirschum. Die drei gehören zum harten Kern der Hausgemeinschaft und erzählen von ihrem eigenen Häuserkampf. Göbel, 57 Jahre alt, wohnt bereits seit 33 Jahren in der Wörthstraße 8. Gemeinsam mit einer anderen Hausbewohnerin betreibt sie den Schreibwarenladen Kokolores im Erdgeschoss. Ebert, 48, arbeitet als Informatiker, Wirschum, 39, als Gewässerökologe.
„Wird unser Haus UNSER Haus?“ lautet die Frage, die auf den Flyern und Postkarten prangt, die sie haben drucken lassen. Eine große Frage. Mit einem großen Fragezeichen. Denn in der Tat ist es etwas gerade in München ziemlich Einzigartiges, was diese Menschen hier planen: „Unsere drei Hauptziele“, erzählt Wirschum, „sind, dass wir erstens mal dieses Haus für immer dem Spekulationsmarkt entziehen, dass wir sozialverträgliche Mieten garantieren können und dass wir selbstverwaltet sind.“
Dass sie von der Annonce erfahren haben, war reiner Zufall. Eine Bewohnerin des Hauses wurde im vergangenen Sommer von einer Bekannten auf die Anzeige in einem Immobilienportal hingewiesen: „Das ist doch euer Haus.“ 6,5 Millionen Euro, das war die Summe, die der Eigentümer für das Haus wollte – genau genommen für eine Hälfte davon, denn die andere gehörte seiner Schwester.
Gesprächsbereite Vermieter
Als die Mieter daraufhin die Eigentümer kontaktierten, lernten sie zwei relativ gesprächsbereite Exemplare der Gattung Vermieter kennen, die ihren Mietern auch gern dauerhaft bezahlbare Mieten sichern würden.
So ergab sich in den folgenden Gesprächen ein Plan, der kompliziert, aber vielversprechend erschien: Der eine Eigentümer würde seinen Anteil der Hausgemeinschaft verkaufen und sich mit fünf Millionen Euro begnügen, von denen zwei Millionen erst in fünf Jahren bezahlt werden müssten. Seine Schwester, die mittlerweile in der Schweiz lebt, würde ihre Hälfte der dortigen Confoedera-Stiftung überschreiben, die dann wiederum ihre Hälfte des Gebäudes gegen die andere Hälfte des Grundstücks eintauschen würde, um daraufhin das Gesamtgrundstück der Hausgemeinschaft in Erbpacht zu überlassen. Das Modell der Stiftung sieht ohnehin vor, Grundstücke der Spekulation zu entziehen und mit dem Pachtzins „das freie Kultur- und Geistesleben“ zu fördern. Gehört der Stiftung einmal ein Grundstück, darf sie es nicht mehr verkaufen.
Damit der Deal funktioniert, müsste die Hausgemeinschaft sich nun also nur noch das nötige Geld leihen, um den Bruder auszubezahlen, und das zu Konditionen, die ihnen erlaubten, mit ihrer Miete den Kredit abzubezahlen, den Erbzins von jährlich 75.000 Euro zu begleichen und das Haus instand zu halten.
Fünf Millionen Euro sind viel Geld, für ein Haus in Haidhausen jedoch eine überschaubare Summe. Hätten die beiden Geschwister das Haus als eine Einheit zum Verkauf angeboten, hätten sie auf dem freien Markt einen Investor gefunden, der 14 Millionen dafür gezahlt hätte, schätzt Ebert, oder auch 15.
Man muss vielleicht kurz in Erinnerung rufen, wie das sonst so abläuft in einer Stadt wie München. Katrin Göbel bekommt es fast täglich zu hören in ihrem Laden. Da kommen die Leute aus dem Viertel vorbei und erzählen ihre Geschichten. Dass da einfach mal unangekündigt das Wasser abgestellt wird, gehört zu den harmloseren. Es wird schon auch mal ein angeblich sanierungsbedürftiges Dach abgedeckt, woraufhin der Vermieter plötzlich die Handwerker nicht mehr bezahlen kann. Die Mieter sitzen dann in ihrem Haus unter dem offenen Dach, und es regnet hinein. Oder die Toiletten sollen ersetzt werden: Die Kloschüsseln werden auch schnell ausgebaut – doch dann kommen die Handwerker nicht mehr, um die neuen einzubauen.
Viele Vermieter, sagt Andy Ebert, spekulierten auch einfach nur auf die Steigerung des Bodenwerts. Die hätten Geld und Zeit. Solche Investoren kauften ein Haus und säßen dann einfach zehn Jahre aus. „Danach können sie es spekulationssteuerfrei weiterverkaufen, und bis dahin wird es runtergeritten.“ Irgendwann hat man die lästigen Mieter dann los.
Eine Neuvermietung unter 20 Euro pro Quadratmeter kalt? Gibt es in der Gegend praktisch nicht mehr.
„Seit 2008 ist hier gefühlt jedes Haus saniert und verkauft worden“, sagt Ebert. Neuvermietungen unter 20 Euro pro Quadratmeter kalt? Gebe es in der Gegend praktisch nicht mehr. Vor drei Wochen habe er eine Anzeige für eine Wohnung direkt im Nachbarhaus gesehen, erzählt Ebert: 105 Quadratmeter für 2.700 Euro kalt.
Das Mietshäuser Syndikat
Häuser „Die Häuser denen, die drin wohnen“, lautet das Motto des Mietshäuser Syndikats. In dem Verbund haben sich mittlerweile schon 184 Projekte selbstverwalteten Wohnens zusammengefunden. Die Projekte befinden sich verstreut über ganz Deutschland, besonders viele gibt es in und rund um Berlin sowie Freiburg, wo die Idee für das Syndikat Ende der Achtziger geboren wurde.
Kaufen Die Initiative richtet sich an Gruppen, die sich ohne größeres Eigenkapital gemeinsam ein Haus kaufen oder bauen wollen und bereit sind, die Immobilie dauerhaft dem Immobilienmarkt zu entziehen. Käufer des Hauses ist dann eine GmbH, die zu gleichen Teilen der jeweiligen Hausgemeinschaft und dem Syndikat gehört. Die Mieter treffen Entscheidungen über ihr Haus selbst, das Syndikat verhindert durch sein Vetorecht einen Verkauf der Immobilie. Finanziert wird der Kauf großteils über Kredite von Unterstützern.
Damit es ihr nicht genauso ergeht, will sich die Hausgemeinschaft jetzt dem Mietshäuser Syndikat anschließen. Die Idee des Syndikats entstand Anfang der Neunziger in Freiburg, seither wurden bereits 184 Projekte umgesetzt. Ziel der Initiative ist es, möglichst viele Häuser oder Grundstücke aus dem Spekulationsmarkt herauszukaufen.
Dazu schließen sich die Bewohner eines Hauses zu einem Verein zusammen, der zusammen mit dem Syndikat eine GmbH gründet, der wiederum das Haus gehört. Durch das Konstrukt wird verhindert, dass die Bewohner das Haus doch irgendwann verkaufen. Gekauft wird die Immobilie mit geliehenem Geld. Bislang gibt es in München aber nur ein einziges Projekt, das auf diese Weise ein Mietshaus dem freien Markt entzogen hat – in der Ligsalzstraße im Westend.
Das Geld für den Kauf der Wörth 8 soll über Direktkredite von Menschen reinkommen, die das Projekt unterstützen wollen. In den vergangenen Wochen gingen bereits Absichtserklärungen für Kredite in Höhe von fast 1,5 Millionen Euro ein. Laufzeit und einen Zins von bis zu einem Prozent dürfen die privaten Finanziers selbst bestimmen.
Geht der Plan auf, könnten die Bewohner den Kauf des Hauses mit akzeptablen Mieten stemmen. Derzeit zahlen sie im Schnitt nur 9 Euro pro Quadratmeter, künftig wären sie bereit, auf 12 Euro hochzugehen.
Klingt natürlich gut. Endlich mal eine positive Geschichte aus dieser Stadt, in der Wohnen längst zum Luxusgut geworden ist. Das dachten die Bewohnerinnen und Bewohner des Hauses zunächst auch. Sie machten sich ans Werk, bastelten eine Homepage, berieten sich mit Experten des Mietshäuser Syndikats, warben um Direktkredite. Doch dann der Dämpfer: In einem Telefonat erklärte der Hauseigentümer plötzlich, das Ganze gehe ihm nun doch zu langsam, sei ihm zu unsicher. Er werde sich wieder auf die Suche nach anderen Käufern machen. Kurz darauf kamen bereits Interessenten zur Hausbesichtigung.
Vor zehn Jahren wurde das Mehrzweckgebäude in Stuttgart-Stammheim als historisch bedeutend eingestuft. Jetzt muss der Schauplatz der RAF-Prozesse dem neuen Justizvollzugskrankenhaus weichen. Ein letzter Rundgang – auch durch fast 48 Jahre blutiger Zeitgeschichte.
Ein paar Monate, ehe die Bagger kommen, ist es im geräumigen Gerichtssaal fast so wie damals im Mai 1975, als alles begann. 50 Plätze für die Presse, deren Vertreter:innen zu oft nur erst nach Leibesvisitation ihrer Arbeit nachgehen durften, deutlich mehr fürs Publikum, das an den allermeisten der sage und schreibe 192 Verhandlungstage im Strafverfahren gegen Andreas Baader, Gudrun Ensslin und Jan-Carl Raspe aus Sympathisanten der „Rote Armee Fraktion“ bestand. Die vierte, die bekannteste Angeklagte war Ulrike Meinhof, die sich ein Jahr nach dem Beginn der Hauptverhandlung in ihrer Zelle erhängte.
In der Reihe vor ihren Mandanten saßen die Wahlverteidiger, darunter der ebenso brillante wie hoch aggressive Otto Schily, von dem kein Mensch sich hätte vorstellen können, dass er gut zwei Jahrzehnte später ein Law-and-Order-orientierter Innenminister dieser Republik sein würde. Damals jedenfalls, in einer von Angst und Schrecken aufgewühlten Zeit, wollte er US-Präsident Richard Nixon im Zeugenstand sehen und Bundeskanzler wie Willy Brandt und Helmut Schmidt. Den Angeklagten sei nämlich der Status von Kriegsgefangenen zuzuerkennen, im Kampf gegen eine Bonner Regierung, die den völkerrechtswidrigen Krieg der USA gegen Vietnam unterstützte.
Feindseligkeiten wurden oft brutal ausgetragen
Ganz hinten aus der Sicht des Saaleingangs, unter dem Landeswappen, das den Abriss überleben und wiederverwendet wird, hockten die fünf Mitglieder des 2. Strafsenats des Oberlandesgerichts Stuttgart mit ihrem Vorsitzenden Theodor Prinzing. „Heil, Dr. Prinzing!“ rief ihm der Wahlverteidiger Rupert von Plottnitz eines Tages von der Verteidigerbank zu. Die Feindseligkeiten zwischen den Prozessbeteiligten wurden oft fast brutal ausgetragen.
Wenn Baader und seine Mitangeklagten nicht länger an der Verhandlung teilnehmen wollten, war das leicht zu machen. Anreden wie „du Sau“ oder „du faschistisches Staatsschwein“, oft emotionslos und fast geschäftsmäßig ausgesprochen, führten wie gewünscht zum Abgeführtwerden. Unvergesslich der Augenblick, da das RAF-Mitglied Klaus Jünschke vom Zeugenstand aufsprang, über die Richterbank hechtete und mit den Worten „Für Ulrike, du Schwein!“ Prinzing zu Boden riss. Derselbe Jünschke übrigens kam als einer der ersten Terroristen noch in der Haft zur Besinnung. Die vermeintlich revolutionären Taten der ersten RAF-Generation bezeichnete er brieflich unumwunden als „Barbarei“, die Mitglieder der zweiten als „verkommenen Haufen“. Wie viele Menschen, fragte er, „wollt ihr noch unglücklich machen?“
Der Aufstieg eines Menschen in die Politik – Von den Grünen einerlei in die SPD als Ministerlein
Könnten diese Mauern reden, sie hätten sehr viel zu erzählen darüber, wie zwei Welten zusammenprallten. Gutes wäre kaum dabei. An einer Stelle sind die Hinterlassenschaften selbst ohne Worte aussagekräftig, in Pastellfarben, die so gar nicht zur tristen, inzwischen verschlissenen Umgebung passen wollen. Klaus Pflieger, später Baden-Württembergs langjähriger Generalstaatsanwalt, hat Anfang der 1980er-Jahre als Anklagevertreter im ersten Prozess gegen den RAF-Terroristen Peter-Jürgen Boock hoch oben an der Wand die Tradition begründet, in der Art von Häftlingen in ihren Zellen jeden Sitzungstag mit einem Strich zu symbolisieren. Inzwischen sind etliche Dutzend Verfahren festgehalten, auch die späteren gegen Rockerbanden und Rechtsradikale, gegen PKK-Funktionäre oder Aktivisten von Ansar al Islam. Überleben wird die Dokumentation den Abriss nicht – die Kreide ist nicht übertrag- und nicht konservierbar.
Um vieles andere haben sich die Häuser der Geschichte in Stuttgart und Bonn bemüht. Kleine Post-its verraten die endgültige Verwendung verschiedener Objekte. Die orange-gelben Plastikstühle werden verteilt auf Gerichte und Verwaltungen. Nein, sagt Tanja Stahlbock aus dem Referat Justizvollzug bei „Vermögen und Bau Baden-Württemberg“, eine Versteigerung oder ein Verkauf sei nicht geplant gewesen. Womit auch die Gefahr gebannt ist, dass aus Einzelteilen nach insgesamt 1.300 Verhandlungstagen gegen RAF-Mitglieder und -Unterstützer:innen Liebhaber-Objekte werden.
Das Mehrzweckgebäude mit seinen gut 600 Quadratmetern Grundfläche war 1973 zügig für gerade mal zwölf Millionen Euro hochgezogen worden. Der Saal ist bis heute, abgesehen von dem des Bundesverfassungsgerichts in Karlsruhe, der berühmteste der Republik, eine „monströse Justizhöhle“, wie Gerhard Mauz im „Spiegel“ über die Urteilsverkündung im zweiten Prozess gegen Boock schrieb. Der war dabei, als 1977 die vier Begleiter von Arbeitgeberpräsident Hanns-Martin Schleyer im Kugelhagel starben. 33 Striche hat Klaus Pflieger angebracht für dieses Verfahren. Er hätte ihnen eine Fußnote verpassen müssen. Denn das Oberlandesgericht Stuttgart machte allen Ernstes Ulrich Berroth zum Vorsitzenden Richter. Der hatte über Boock schon im ersten Verfahren Recht gesprochen, also das teilweise aufgehobene Urteil mitzuverantworten. Von der verlangten Neuauflage konnte keine Rede sein. Ein deshalb am allerersten Tag gestellter Befangenheitsantrag der Verteidigung ging glatt durch, ein für alle Beteiligten einmaliges Erlebnis. Und der Vorsitz wurde neu besetzt.
Die Erfüllung meiner Wünsche lassen mir FDlügel wachsen
Von Johanna Henkel-Waidhofe
Die Beförderung von Beamt:innen ist so wichtig für das Funktionieren des deutschen Staatswesens, dass die Regeln dafür Eingang ins Grundgesetz fanden: Nach „Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung“ muss entschieden werden. In Baden-Württemberg geht’s auch anders, sogar an der Spitze der Polizei.
Eine Hoffnung musste die CDU schon begraben. Der parlamentarische Untersuchungsausschuss mit dem sperrigen Titel „Handeln des Innenministers und des Innenministeriums im Fall des Verdachts der sexuellen Belästigung gegen den Inspekteur der Polizei und Beurteilungs-, Beförderungs- und Stellenbesetzungsverfahren“ konnte seine Arbeit nicht im Schnelldurchlauf bis spätestens Ende Februar beenden. Im Gegenteil: Nur eine Handvoll der insgesamt fast 50 Zeug:innen ist bisher gehört worden. Nach heutigem Stand wird bis tief ins nächste Jahr getagt werden.
Die zweite, noch größere Hoffnung handelt davon, dass Thomas Strobl, Vize-Regierungschef und Landesvorsitzender der Union, doch mit einem dezent blauen Auge davonkommen möge. Hier stehen die Aussichten so schlecht nicht. Viele Details des Falls sind kompliziert und kleinteilig, gravierende Verfehlungen und Missstände dringen einfach nicht so recht durch bis zum Publikum. Und: Der grüne Ministerpräsident Winfried Kretschmann hält seine schützende Hand weiterhin über seinen schwarzen Stellvertreter. „Die Maßstäbe sind einfach verrutscht“, klagt Sascha Binder, Vize in der SPD-Landtagsfraktion und Obmann im Ausschuss. Baden-Württemberg habe einen Innenminister, der sich „praktisch alles leisten kann“. Nach den Kriterien früherer Jahre hätte er „längst zurücktreten oder der Ministerpräsident hätte ihn entlassen müssen“.
Längst geht es nicht mehr nur um den Auslöser der ganzen Affäre: Gegen den Inspekteur der Polizei (IdP), Andreas Renner, war ein Disziplinarverfahren eingeleitet worden wegen des Verdachts sexueller Übergriffe, und sein oberster Dienstherr Strobl gab einen Brief von Renners Anwalt weiter an den Journalisten Franz Feyder von den „Stuttgarter Nachrichten“. Inzwischen musste der Innenminister deshalb eine saftige Zahlung über 15.000 Euro berappen. Obendrein, eine jener filigranen und zugleich – nach früheren Kriterien – rücktrittsauslösenden Erkenntnisse, hatte der Innenminister der ermittelnden Justiz monatelang verschwiegen: nämlich dass er selber den Brief durchgestochen hatte, also wissentlich ins Leere ermitteln ließ.
Noch schwerer wiegen die Umstände von Renners Beförderung. Zeugenaussagen vor dem Ausschuss ergaben, dass Strobl wenige Monaten vor der Berufung zu Baden-Württembergs ranghöchstem Polizisten nicht nur den smarten Aufsteiger zu seiner „Zielvorstellung“ erklärt hatte, wie einer der Spitzenbeamten vor dem Ausschuss formulierte. Er verlangte sogar zugunsten seines Favoriten eine „rechtskonforme Besetzung“, was logischerweise überhaupt nur dann erwähnenswert ist, wenn daran Zweifel bestehen könnten. Der Gipfel ist, wie allen Mitbewerber:innen, unter anderem von Landespolizeipräsidentin Stefanie Hinz persönlich, per Telefon die Präferenz des Ministers und die Aussichtslosigkeit der eigenen Bewerbung mitgeteilt wurde.
Eine Turbo-Karriere von Strobls Gnaden
„Auf Biegen und Brechen“, kritisiert Binder, habe die „beispiellose Turbo-Beförderung an der Spitze der Landespolizei“ möglich sein müssen. Von der im Grundgesetz verlangten Bestenauslese könne überhaupt keine Rede sein, denn eine „Clique von Entscheidungsträgern“ sei „vorbei an Recht und Gesetz“ vorgegangen, habe die Auswahl getroffen, und versuche, diese im Nachhinein als rechtmäßig hinzustellen. Es gebe sehr strenge Regeln für den Aufstieg, sagt auch die FDP-Obfrau Julia Goll, aber die seien außer Kraft gewesen.
Wunschbeförderungen rechtskonform zu organisieren, ist kompliziert, weil das System die ja eigentlich ausschließen will. Artikel 33, Absatz 2 beschreibt das Prinzip der Bestenauslese: „Jeder Deutsche hat nach seiner Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung gleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amte.“ Dieser Anspruch könne mit Hilfe der Verwaltungsgerichte durchgesetzt werden, heißt es in einem der vielen Kommentare. Dabei gehe es nicht um einen „Anspruch auf Beförderung, sondern um einen Abwehranspruch gegen die Beförderung eines weniger geeigneten Mitbewerbers“. Ziel einer Klage sei die Feststellung, „dass der ausgeschriebene Dienstposten nicht mit dem Konkurrenten besetzt und das Auswahlverfahren unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts wiederholt wird“.
All dem war die Führung des Ministerium aus dem Weg gegangen, so dass Renner, gemäß dem Wunsch des Chefs, als einziger Kandidat für den Spitzenposten übrig blieb. Zum 1. November 2020 trat er sein Amt an, weil er, so Strobl bei Übergabe der Ernennungsurkunde, „genau das richtige Format“ dafür habe. Ob er es damals schon hätte besser wissen müssen, kann erst in künftigen Zeugenvernehmungen geklärt werden.
Sekt zum Feierabend. Auch für die Chefin
Dass seltsame Sitten herrschten, ist bereits offenbar. Im Innenministerium gab’s unter Beamt:innen schon mal Feierabendbier, wie der frühere Amtschef Julian Würtenberger bestätigt. Von den Runden hat er gehört, dabei war er nie, abgestellt hat er die Gepflogenheit aber nicht. Dabei kamen sogar Gäste von außen, darunter der CDU-Landtagsabgeordnete und Strippenzieher Siegfried Lorek, selber früher Polizist, heute Staatssekretär im Justizministerium. Und Renner ging ohnehin deutlich weiter, denn in seinem Büro wurde Sekt ausgeschenkt, wenn Mitarbeiter:innen-Gespräche fließend ins außerdienstliche Beisammensein übergingen. Auch an jenem 12. November 2021, an dem sich der Vorfall der sexuellen Belästigung einer Untergebenen ereignet haben soll.
Grün ist hier aber nur der Wald im Hintergrund.
Die Polizistin hatte sich schon einmal höher qualifizieren wollen, war aber gescheitert. Ob und wieso überhaupt ausgerechnet der IdP der Richtige sein soll, um eine Vorbereitung für einen Neuanlauf in seine Hände zu nehmen, müssen künftige Zeugenvernehmungen klären. Immerhin war er maßgeblich für Beförderungen zuständig. Bekannt ist aber der konkrete Ablauf dieses Spätnachmittags und Abends. Denn Landespolizeipräsidentin Hinz kam nach Ende des offiziellen Teils des Gesprächs in das Büro, ist wieder gegangen, dann doch wiedergekommen, eine Dreiviertelstunde geblieben, und sie habe ein Glas Sekt getrunken: „Vor dem Hintergrund der wirklich weitreichenden Folgen für die Mitarbeiterin habe ich diesen Abend und das, was da passiert ist, sehr oft hinterfragt.“
Oben — Serie: Regionalkonferenz der CDU Baden-Württemberg am 21. November 2014 in Appenweier zur Vorstellung der Bewerber für die Spitzenkandidatur bei der Landtagswahl 2016 Bild:Thomas Strobl
Frieden muss verhandelt werden. – Mahnwache mit Infostand am Mittwoch: 29. März 2023 17.00 bis 18.00 Uhr Saarlouis, auf dem Kleinen Markt vor Peek & Cloppenburg.
Der völkerrechtswidrige Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine hat zu unzähligen Toten und Verletzten sowie zu Millionen Geflüchteten geführt. Infolge des Krieges sind die Beziehungen zwischen NATO und Russland an einem besorgniserregenden Tiefpunkt angelangt, wodurch auch die Wahrscheinlichkeit eines Atomkriegs zugenommen hat. Zusätzlich zu den riesigen Rüstungsetats planen Deutschland und andere Staaten weitere Milliarden Euro in Aufrüstungsprojekte zu stecken. Wir warnen: Die ungehemmte Aufrüstung, immer mehr Krieg, zunehmende soziale Ungleichheit sowie Umweltzerstörung und Klimakrise führen die Menschheit in den Abgrund!
Wir fordern die Staaten und Regierungen weltweit zum Umdenken auf. In Kooperation, nicht in Konfrontation liegt die Lösung der globalen Probleme. Nur durch internationale Zusammenarbeit werden Abrüstung, eine atomwaffenfreie Welt und die Bewältigung der Klimakrise möglich! Von Russland fordern wir das Ende des Krieges gegen die Ukraine! Die Bundesregierung fordern wir auf, endlich wieder Friedensinitiativen zur Beendigung des Krieges zu starten und die Verhandlungsbereitschaft aller involvierten Parteien zu fördern. Die Menschen in der Ukraine brauchen dringend Friedensperspektiven. Immer mehr Waffenlieferungen schaffen keinen Frieden und werden die Spirale der Gewalt nicht durchbrechen. Dies ist nur durch einen Waffenstillstand, Verhandlungen und langfristig durch Versöhnung möglich – in der Ukraine und den Konflikten weltweit!
Wir zeigen uns solidarisch mit allen von Kriegen und Konflikten betroffenen Menschen, wie etwa in Afghanistan, Äthiopien, Irak, Jemen, Mali, Myanmar, Syrien oder der Ukraine. Daher fordern wir die Aufarbeitung von Kriegsverbrechen sowie Asyl und Schutz für alle Menschen, die vor Kriegen fliehen, den Kriegsdienst verweigern oder desertieren.
Für Frieden, Abrüstung und Gerechtigkeit gehen wir Ostern auf die Straße und rufen alle zur Teilnahme an den Ostermärschen auf. Selten war es dringender!
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Oben — Kleiner Markt in Saarlouis, Blick in die Französische Straße
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—Xocolatl (talk) 18:42, 11 April 2010 (UTC) / Source : Self-photographed / Date : 2010
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Es ist schon dunkel in der Stuttgarter Altstadt, als ich mich auf die Suche nach der Vergangenheit mache. Ich gehe durch die Richtstraße, eine düstere Kopfsteinpflasterschleuse, die bis Anfang des 19. Jahrhunderts Scharfrichtergäßle hieß.
Hier wohnte einst der Herr, der unliebsame Mitmenschen auf der benachbarten Hinrichtungsstätte, dem heutigen Wilhelmsplatz, einen Kopf kürzer machte. Die Gasse endet vor der Hauptstätter Straße, die das alte Stadtzentrum tranchiert und mit ihrem Namen ebenfalls auf die Enthauptungen hinweist. An dieser Ecke des Rotlichtviertels steht ein mitgenommener Bau, das Alte Armenhaus aus dem 16. Jahrhundert. Am Fenster klebt ein Plakat: Es soll saniert und ein „Geschichts- und Versammlungsort“ werden. „Eine künftige gastronomische Nutzung ist ausgeschlossen.“
Zuletzt war im Alten Armenhaus das Café Mistral, ein Milieu-Lokal. Bis 1991 hatten hier die Lichter der legendären Sissy-Bar geleuchtet. Dieses Etablissement im einst gut belebten Leonhardsviertel war Treffpunkt honoriger Herrschaften, die zwischen Drinks und Damen ihre Geschäfte abwickelten. Und Konrad Kujaus Stammlokal. Geführt wurde es von den Eltern des heute 56-jährigen Kfz-Meisters F., den ich seit vielen Jahren gut kenne. Als Jugendlicher hat er miterlebt, wie sich Kujau, oft im Gestapo-Look, das Bier in einem für ihn reservierten Krug mit aufgedrucktem SS-Totenkopf bringen ließ. Nazi-Reliquien standen damals im Luden-Milieu nicht unbedingt auf dem Index; am 20. April wurde auch gern mal auf „Adi“ angestoßen.
F. erzählt, dass er sich darüber aufgeregt habe, wenn der „Hitler-Tagebücher“-Fälscher Kujau in der Öffentlichkeit hofiert und als lustiges Schlitzohr verharmlost worden sei. In der Sissy-Bar habe er oft mit anhören müssen, wie der Kerl Nazi-Verherrlichungen und rassistische Beleidigungen abgesondert habe. „Conny“ habe sich gerühmt, ein Nazi zu sein. Fakt ist: Schon dank seines Militaria-Ladens mit Nazi-Devotonalien in der Schreiberstraße hatte er einschlägige Kontakte in die Fascho-Szene.
„Champagner-Conny“ fiel kaum auf
Im Mai 1983 gab es keine Zweifel mehr, dass Adolfs Kladden, die das Hamburger Magazin „Stern“ für mehrere Millionen Mark gekauft hatte, von Kujau geschrieben und gefertigt wurden. Jetzt, 40 Jahre später – 23 Jahre nach Kujaus Tod – hat der NDR die in alter deutscher Schreibschrift verfassten „Tagebücher“ transkribiert und veröffentlicht. Diese Enthüllung beweist, dass die „Stern“-Manager im Profitwahn unter Einfluss der Droge Hitler bereit waren, Texte zu veröffentlichen, die den Diktator und seine Gräueltaten verniedlichen. Hitler erscheint als schrulliger Typ, eigentlich ein guter Mensch, der seine Partnerin Eva Braun mit seinen Blähungen nervte – und von den Massenmorden an den Juden nichts wusste. Auszug: „23. Mai 1943: Sorgen macht mir unser Judenproblem. Nach den mir vorliegenden neuesten Meldungen will sie keiner haben.“ Kurzum: ein Akt von Holocaustleugnung.
Die Propaganda des Hamburger Magazins, die Geschichte des „Dritten Reiches“ müsse „teilweise neu geschrieben werden“, ist heute ein geflügeltes Wort. Und die aktuelle Aufklärung über Kujaus Machwerk umso brisanter, als erst vor einem Jahr der ehemalige „Stern“-Herausgeber Henri Nannen, ein gefeiertes Journalisten-Vorbild, als Lügner und antisemitischer Propaganda-Hetzer der Nazis enttarnt wurde. Der „Henri-Nannen-Preis“ für Journalismus wurde vor Kurzem in „Stern-Preis“ umbenannt. Der NSDAP-Insider Nannen hatte die Veröffentlichung der „Hitler-Tagebücher“ trotz seiner intern geäußerten Skepsis akzeptiert. Als der Bluff nach zwei Ausgaben mit dem „Führer“-Fake aufflog, trat er von „der aktiven Herausgeberschaft“ zurück.
Nachdem Kujau 1985 zu vier Jahren Haft verurteilt und wegen seiner angeschlagenen Gesundheit – Kehlkopfkrebs – nach drei Jahren entlassen wurde, habe ich ihn einige Male getroffen. Einen gemachten Mann mit zwei Gesichtern: mal ausgebuffter Plauderer, mal übellauniges Lügenmaul.
Als ich jetzt von den NDR-Enthüllungen las, wollte ich mich eigentlich nicht mehr mit dem Thema beschäftigen. Die Erinnerungen wirken unangenehm. Dunkle Flashbacks. Heute wissen nicht mehr allzu viele, wie es Anfang der achtziger Jahre war, in der Stadt zwischen Wald und Reben, zwischen Hängen und Würgen, nach Mitternacht ein geöffnetes Lokal jenseits des Rotlichts zu finden. Die Altstadt war ein Zufluchtsort für Nachtgestalten aller Art. Der Stuttgarter Dörflichkeit zum Trotz hatte sich eine durchaus urbane Szene gebildet, eine Subkultur, in der Betuchte und Loser, Gangster und Juristen, Künstler und Kleindealer in denselben Kneipen und Kaschemmen saßen. Da fiel auch „Champagner-Conny“ kaum auf, wenn er brandneue Hunderter als Trinkgeld spendierte.
Oben — Konrad Kujau, author of the Hitler-Diaries, King of Forger and Fright of all Historians, in front of one of his Works. This photo was shot in 1992 in his Galerie in Stuttgart, Germany.
Die öffentlich-rechtliche ARD-Sendung „Fakt“ hat alle ErstunterzeichnerInnen des Manifestes für Frieden von Sarah Wagenknecht und Alice Schwarzer angeschrieben. In diesem Schreiben hat die Redaktion angeblich „Rechte“ entdeckt. Und behauptet, „dass die von den Initiatorinnen angekündigte Abgrenzung gegen rechts in der Realität bei der Veranstaltung nicht funktioniert hat“. Dass es so rechts wie nur möglich ist, wenn man Waffen in die Ukraine sendet, um vorgeblich einen Krieg zu beenden, ist den ideologisch beschränkten Redakteuren nicht zugänglich. Auch, dass Frau Barbock ebenso eine rechte Kriegstreiberin ist wie Frau Strack-Zimmermann, dürfen ARD Redakteure bei Strafe eines Karriereverlusts nicht zugeben. Den ARD-Leuten ist nicht mal die historische Kontinuität klar: Militarismus war ein wesentliches Merkmal der Nazis.
Suche nach „Rechten“ objektiv?
Aber es wäre doch toll, wenn Angestellte eines Senders, der von den Gebühren der Bürger finanziert wird, sich wenigstens an ihren eigenen Staatsvertrag halten würden. Staatsverträge sind die rechtlichen Grundlagen, auf denen die diversen Sender ihre Arbeit leisten sollten. Im Staatsvertrag des Mitteldeutschen Rundfunks (MDR), der die Sendung „Fakt“ für das 1. ARD-Programm produziert, steht zum Beispiel: „Der MDR hat in seinen Angeboten einen objektiven und umfassenden Überblick über das internationale, europäische und nationale Geschehen zu geben“. Ist die öffentliche Suche nach angeblichen Rechten in einer Aktion für den Frieden „objektiv“? Oder doch eher pure Indoktrination?
Hälfte der Deutschen rechts?
Und weiter im Text des Staatsvertrages: „Der MDR ist in seinen Angeboten an die verfassungsmäßige Ordnung gebunden und der Wahrheit verpflichtet.“ Entspricht der Sender dem Friedensgebot des Grundgesetzes, wenn er ausgerechnet eine Aktion für den Frieden als „rechts“ denunziert?
Der MDR stellt sicher, steht in seinem Staatsvertrag, dass „die Vielfalt der bestehenden Meinungen und der religiösen, weltanschaulichen, politischen, wissenschaftlichen und künstlerischen Richtungen im Gesamtangebot der Anstalt in möglichster Breite und Vollständigkeit Ausdruck findet“. In Umfragen, die auch der ARD zugänglich sind, wendet sich etwa die Hälfte der Befragten gegen deutsche Waffenlieferungen in der Ukraine. Aber bei „Fakt“ wird diese Hälfte als „rechts“, also zumindest als falsch oder böse denunziert. „Fakt“ sendet also im Fall Wagenknecht und Schwarzer statt Breite und Vollständigkeit schlichte Regierungsideologie.
Andere Meinungen sind Staatsverbrechen
„Der MDR hat in seinen Angeboten die Würde des Menschen sowie die sittlichen, religiösen und weltanschaulichen Überzeugungen anderer zu achten.“ So steht es in den Angebotsgrundsätze des Senders. Davor hat der MDR, wenn er die Unterzeichner diffamiert, natürlich Null Achtung. Stattdessen fragt er die Unterzeichner: „Würden Sie das „Manifest für Frieden“ erneut unterzeichnen? Wenn ja, warum? Wenn Sie sich anders entscheiden würden, können Sie uns die Gründe dafür nennen?“. Der Sender will von den Angeschriebenen einen Rückzieher, auf alle Fälle verlangt er Rechenschaft von Menschen, die seine Gebühren zahlen und anderer Meinung als die Regierenden sind und mit dieser Haltung auch die Meinung des Senders negieren. Eindeutig hält der MDR andere Meinungen für Staatsverbrechen.
Blanker Hass
„Der MDR stellt sicher“, kann man weiter im Staatsvertrag lesen, „dass das Gesamtangebot der Anstalt nicht einseitig einer Partei oder Gruppe, einer Interessengemeinschaft, einem Bekenntnis oder einer Weltanschauung dient“. Nicht nur, dass der Sender diesen Grundsatz mit seiner Anschreibe-Kampagne demonstrativ verletzt. Mit seiner Politik der Denunziation und der Diskriminierung erfüllt er darüberhinaus den Tatbestand der Volksverhetzung, der im § 130 des Strafgesetzbuches so definiert wird: „Ebenso wird bestraft, wer in einer Weise, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören“. (…) Und wenn er „einen Teil der Bevölkerung zum Hass aufstachelt“. Denn was der MDR mit seiner FAKT-Kampagne unternommen hat, das hat mit Nachricht, mit Objektivität, mit Öffentlich-Rechtlichem nichts zu tun. Das ist blanker Hass gegen eine Gruppe in der Bevölkerung, die eine andere Meinung hat als die Regierung und die Sender-Chefs.
ARD und MDR müssen vor ein ordentliches Gericht
Der MDR und mit ihm die ARD, müssen vor ein ordentliches Gericht. Sie müssen wegen Bruch des Staatsvertrages und wegen Volksverhetzung angeklagt werden. Nicht, dass sich ein Gericht in diesem Land trauen würde, ein ordentliches Urteil zu fällen. Aber schon der Weg zu einer Anklage kann volkspädagogisch sinnvoll sein. Und vielleicht findet sich ein Gericht, das die Klage zulässt. Dann wäre bereits eine medienöffentlliche Klage ein Schritt in die Richtung der Wahrheit und in Richtung des Friedensgebotes des Grundgesetzes.
Gibt es einen mutigen Anwalt?
Für den Weg zum Gericht braucht man einen Anwalt. Der Herausgeber der RATIONALGALERIE, Uli Gellermann, ist als Gebührenzahler unmittelbar von den Rechtsbrüchen der ARD betroffen. Er ist bereit, gegen die Sendeanstalten zu klagen.
Gellermann braucht einen Anwalt aus Berlin: Wegen der notwendig kurzen Wege zwischen ihm und dem Anwalt. Liebe Anwältin, lieber Anwalt, bitte melden Sie sich, bitte melde Dich. Per Mail an post@rationalgalerie.de.
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„Wenn das AKW Wyhl nicht gebaut wird, gehen in Baden-Württemberg die Lichter aus“, sagte Ministerpräsident und Marinestabsrichter a.D. Hans Filbinger 1975. „Wenn wir die letzten drei AKW abschalten, gehen in Deutschland die Lichter aus“, drohen die atomar-fossilen Seilschaften heute. Die Zeiten ändern sich, aber die perfekt organisierten und immer wirksamen Angstkampagnen bleiben.
1975, vor bald einem halben Jahrhundert, in der heißen Phase des Wyhl-Konflikts, beauftragte die damalige Badenwerk-AG die Hamburger Werbeagentur Drews Verfahrensstrategien zu entwickeln, die eine zügige Überwindung des Widerstandes der Bevölkerung garantieren sollten. Das Manager Magazin und der Spiegel berichteten über die Vorschläge der Werbeagentur, die u.a. die folgenden Taktiken vorgeschlagen hatte:
Negativtaktik: Dramatisierung aller Probleme, die durch den Nichtbau von Kernkraftwerken entstehen. Die Ängste der Gegenwart durch die Ängste der Zukunft überdecken.
Verschleierungstaktik: Herunterspielen der Probleme, die im Zusammenhang mit Kernkraftwerken in der Bevölkerung auftauchen. Die Ängste durch Verfremdung der Probleme verdrängen.
Verschönerungstaktik: Einseitige, positive Informationen über alle Fragen (fast alle) der Kernenergie. Die Ängste einfach negieren und ein positives Bild aufbauen.
Dieses alte Strategiepapier kommt einem angesichts mancher heutigen Argumente der Atomlobby seltsam bekannt vor. Die damaligen Angst-Strategien werden heute noch verwendet, gerade wenn es gilt, für die Laufzeitverlängerung der AKW Neckarwestheim-2, Emsland und Isar-2 oder für den Neubau von Atomkraftwerken zu werben.
Mit Fakten für die Laufzeitverlängerung zu werben, ist nach Tschernobyl und Fukushima schwierig geworden.
Selbst die Ökonomie spricht seit einigen Jahren gegen die Atomkraft. Strom aus Wind und Sonne ist nicht nur umwelt- und menschenfreundlicher, sondern auch wesentlich kostengünstiger als Strom aus neuen AKW.
Erstaunlicherweise werben auch nicht mehr die alten deutschen Energiekonzerne für die Gefahrzeitverlängerung, denn diese können rechnen. Für die Laufzeitverlängerung werben aktuell die alten und neuen Atomparteien CDU, CSU, FDP und AfD und die ihnen nahestehenden Medien, rechts-libertäre Seilschaften und die Netzwerke der Klimawandelleugner. Vor fünf Jahrzehnten fanden die inhaltlichen Auseinandersetzungen noch direkt zwischen Konzernen und Umweltbewegung statt.
Heute tarnt sich die Atomlobby „scheinbar klimafreundlich“ nach amerikanischem Greenscamming-Vorbild. Greenscamming ist eine PR-Technik, bei der umweltfreundlich klingende Namen und Bezeichnungen für Organisationen oder Produkte ausgewählt werden, die nicht umwelt- oder klimafreundlich sind. Eine häufig angewandte Greenscamming-Methode besteht z.B. darin, dass sich Anti-Umwelt-Organisationen klimafreundlich bzw. „grün“ klingende Namen geben, die ein Interesse am Umweltschutz suggerieren, um die Öffentlichkeit über ihre wahren Absichten und Motive zu täuschen.
Negativtaktik heute: Dramatisierung aller Probleme, die durch den Nichtbau von Kernkraftwerken entstehen. Die Ängste der Gegenwart durch die Ängste der Zukunft überdecken.
Blackout-Angst:
Fachleute, unter anderem die Bundesnetzagentur, halten einen unkontrollierten, großflächigen Stromausfall für äußerst unwahrscheinlich. Laut dem Branchendienst Energate schließt der größte Übertragungsnetzbetreiber Tennet einen Blackout aus. Geschürt wird die Angst insbesondere von PolitikerInnen und Medien, die den Übergang zu den umweltfreundlichen und kostengünstigen Energien jahrzehntelang behindert haben, weil das Energieerzeugungsmonopol der Energiekonzerne durch die Energiewende gefährdet war. Medien in der Schweiz haben gerade aufgedeckt,
finanziert. 1975, kurz nach den Filbinger-Äußerungen wurde während eines Fußball-Länderspiels ein „Mini-Blackout“ in Südbaden inszeniert … Ob das wiederkommt?
Strompreis-Angst:
Die Strompreise werden steigen, wenn wir die AKW abstellen, wird in vielen Medienberichten suggeriert. Diese Angstkampagne der atomar-fossilen Seilschaften hat eine doppelte Zielsetzung. Sie stärkt die Atomindustrie und sie lenkt von tatsächlichen Verursachern der explodierten Energiepreise ab. Für die
Chevron, BP, Shell, TotalEnergies und ExxonMobil war 2022 ein profitables Jahr. Die schmutzigen „Big Five“ erzielten einen gemeinsamen Jahresgewinn von knapp 200 Milliarden US-Dollar. (Eine Milliarde sind unglaubliche 1000 Millionen!)
Das Märchen vom billigen Atomstrom:
Gerade weil wir aktuell von den Energiekonzernen ausgeplündert werden, wirkt das Märchen vom scheinbar billigen Atomstrom immer noch. Doch im Atomstromland Frankreich ist der Strompreis nur scheinbar billig. Die Schulden des teilverstaatlichten französischen Atom-Konzerns EDF stiegen im vergangenen Jahr von 43 auf unglaubliche 64,5 Milliarden Euro. (64.500.000.000 Euro)Den realen Preis für den Atomstrom werden die Menschen in Frankreich über ihre Steuern bezahlen. Ein schwerer Atomunfall hätte auch in Frankreich verheerende Folgen. Eine Regierungsstudie rechnet mit 430 Milliarden Euro Kosten. Sei es Atomkraft,
oder Übergewinne. Konzerne und Milliardäre freuen sich, dass sich Normalverdienende unter einer Milliarde Euro nichts vorstellen können.
In diesen Angst-Kampagnen zeigt sich die Macht der Mächtigen in diesem Land. Die Abschaltung der letzten 3 deutschen AKW ist Gefahrenabwehr. Der Kampf gegen die Atomkraft war aber 50 Jahre lang immer auch ein Kampf für Demokratie und für eine umwelt- und menschenfreundliche Energieversorgung.
Axel Mayer, Mitwelt Stiftung Oberrhein. Der Autor war 30 Jahre lang BUND-Geschäftsführer und Bauplatzbesetzer in Wyhl.
Oben — Photograph: Luftfahrer = Norbert Blau Beschreibung: Luftbild von Wyhl aufgenommen bei einer Ballonfahrt mit dem Ballonteam Norbert Blau Quelle: Selbst photographiert im Juni 2003 Weitere Luftbilder von Wyhl
Unten — Anti–AKW–Demonstration in Hannover gegen die Wiederaufbereitungsanlage (WAA) in Gorleben am 31. März 1979. Das Standbild aus einem Super 8 Schmalfilm zeigt ein Fahrzeug mit dem Schild „Whyl grüßt Gorleben“ und wurde vor dem Fabrikgebäude des Keksfabrikaten Bahlsen aufgenommen mit Blick auf das Eckgebäude an der Rühmkorffstraße.
Im Vorfeld der Münchner Sicherheitskonferenz hat das Bundesministerium der Verteidigung eine Seite eingerichtet, auf der der neue Leiter der Konferenz, Christoph Heusgen, den Kern und die Bedeutung der Konferenz erläutert.
„Wir sind konfrontiert mit einem Zivilisationsbruch durch Putin“, sagte Heusgen angesichts des russischen Überfalls auf die Ukraine. Ausgehend davon stehe die Frage im Mittelpunkt, wie die Grundlagen der regelbasierten internationalen Ordnung erhalten und gefestigt werden könnten. „Gilt die Stärke des Rechts – oder das Recht des Stärkeren?“ – diese Frage stellte Heusgen bewusst in den Raum. Er verband sie mit dem klaren Votum, dass sich die regelbasierte Ordnung, also die Stärke des Rechts, auch weiterhin durchsetzen müsse. Es dürften sich nicht jene politischen Führer durchsetzen, die das Recht nicht achteten. Straflosigkeit dürfe es in der internationalen Ordnung nicht geben.“[1]Kritische Zeitgenossen merken zu einer solchen Argumentation häufig an:
der Jugoslawien Krieg 1999, der von den USA und Deutschland und anderen geführt worden ist, sei doch der erste Krieg und Bruch der europäischen Friedensordnung gewesen, explizit gegen einen russischen Verbündeten, nämlich Serbien, geführt worden. Kriegsfürst und damaliger Kanzler Schröder wies und weist immer wieder daraufhin, dass dieser Krieg ausdrücklich ohne Autorisierung durch die UNO, also somit auch gegen die UNO geführt wurde.
Weiterhin werden die beiden Irak-Kriege der USA angeführt und deren dreisten Kriegsbegründungslügenden von angeblichen Massenvernichtungswaffen Husseins eine Absage erteilt.
Das Ganze mündet dann bei meinen kritischen Genossen in dem Vorwurf der Doppelmoral an den Westen.
Und dieses in der Sache nicht zutreffende Narrativ ist anscheinend von solcher Hartnäckigkeit, dass es mir in Jahren mühsamer Gegenargumentation nicht gelungen ist, auch nur ein wenig Boden gut zu machen. Zu allem Überfluss bin ich auch noch davon überzeugt, dass das nicht an meiner Argumentation liegt.
Dieses aber zu prüfen, lieber Leser, sei dir überlassen.
Der Vorwurf der Doppelmoral unterstellt zunächst eine höhere Instanz, einen ausserhalb der Welt hockenden Richter, der wohl und gerecht abwägend beide Positionen vergleicht, prüft und beurteilt.
Diesen Richter gibt es aber nicht und es wird ihn auch nie geben. Es ist nachzuzeichnen und zu verstehen, dass die immanente Logik einer moralischen Argumentation immer den zum Gottvater kreiert, der die moralische Argumentation auf die Tagesordnung setzt. Anders formuliert: Derjenige, der sich zum Moralfürst aufschwingt, hat stets seine Massstäbe inthronisiert und will diese auch in seinem Sinne anwenden. Nun wird alles und jeder andere abgemeiert, immer streng an den eigenen Massstäben gemessen, Krieg verwandelt sich dann schon mal rasch in eine Friedensmission. Eines macht jener Moralfürst aber nie, nämlich als humanistischer, parteiübergreifender Weltgeist antreten und ggf. im Büssergewand die reichlich vorhandenen eigenen Missetaten abarbeiten.
Am Beispiel: Mit der Brandmarkung der Schändlichkeiten gegen den russischen Dissidenten Nawalny ist doch niemals gemeint, dass die hiesigen Opfer, wie etwa Assange oder Muhammad Abu Jamale jemals freigesprochen werden. Im Gegenteil: Sie beschmutzen unser System und gehören bestraft. Irgendwie logisch, oder? Mit der Aussage, dass Putin die eurpäisch Friedensordnung gebrochen habe, ist doch nicht angedacht, jetzt zu überlegen, ob der Westen nicht auch schon, vielleicht sogar öfters oder permanent die so friedliche Friedensordnung gebrochen hat bzw. bricht.
Hier hat keiner was vergessen oder nicht bedacht, wie oft interpretiert. Vielmehr und positiv gewendet: Mit der schlichten Ignorierung der eigenen Taten in der Vergangenheit definiert die neue Konferenzleitung programmatisch,
dass sie selbst die Hausherren sind,
es demzufolge unsere Ordnung ist,
die wir schlechterdings nicht übertreten können, die anderen aber schon und dauernd,
d.h., jetzt geht es erst richtig los. Das ist genau genommen die Ankündigung einer gnadenlosen Offensive,
Moral dient also – immer dazu – in Freund und Feind zu sortieren und nicht – wie im Bild der Justitia eingemeisselt -, Gleiches gegen Gleiches auszuwiegen
Und wenn dann noch der Ewald-von Kleist-Preis vergeben wird:
„Der Ewald-von-Kleist-Gründerpreis, der traditionell bei der Münchner Sicherheitskonferenz verliehen wird, soll laut Heusgen in diesem Jahr an Schweden und Finnland gehen. Damit werde die Bewerbung der beiden Staaten um die NATO-Mitgliedschaft gewürdigt.“[2]
Den NATO -Gürtel noch weiter um Russland schnallen, also weitere Kriegsgründe schaffen, erhält hier den Rang eines Kulturgutes. Ist das jetzt Doppelmoral, Stichwort Kubakrise? Oder wäre es vorstellbar, dass Mexiko und Venezuela einem russischem Pakt beitreten – plus weiteren 16 USA Anrainerstaaten – könnten, ohne dass die USA aufs Schärfste intervenieren würden.
Nein, natürlich nicht! Dennoch keine Doppelmoral. Vielmehr einsinnig und stringent schwingt sich hier der Westen auf, seine Werte praktisch werden zu lassen. Besser umgekehrt formuliert: Die weltweite Ausbeutung lässt sich ja keiner freiwillig gefallen. Sie muss also militärisch abgesichert werden. Es geht offenbar um gegensätzliche Interessen, denen ein kriegsträchtiges Potential inhärent ist. Und das heisst nichts Gutes.
Die Realität überholt gelegentlich die Satire, bei der ihrerseits angesichts der gegenwärtigen Weltlage nicht wirklich Freude aufkommt. Sonst hätte ich gesagt: Finstere Zeiten, in denen ein Krieg aus Versehen erklärt wird und aus Sicht der Kritiker ein 3.Weltkrieg sich in seinem inneren Kern als auf einer Doppelmoral fussend begründet, was wie gezeigt, nicht einmal den Rang einer Erklärung, sondern eher den einer Entschuldigung für sich beanspruchen kann.
Das ist nicht gut und schon gar nicht hilfreich: Wie eifrig und konsequent dagegen Deutschland seit Jahren auf eine globale militärische Präsenz hinarbeitet, zeige ich in dem angehängten Artikel „Ein kleiner Zwerg will nach oben“[3] verfasst zur Münchner Sicherheitskonferenz 2020.:Vor allem auch – „warum“.
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Secretary of State Antony J. Blinken meets foreign ministers of the G7 nations in Munich, Germany, on February 18, 2023. [State Department photo by Ron Przysucha/ Public Domain]
Unten — Munich, Germany (February 17, 2023) Homeland Security Secretary Alejandro Mayorkas gave remarks during a lunch with other senior intelligence officials in Munich, Germany, at the HypoVereinsbank. (DHS photo by Sydney Phoenix)
Radikalenerlass: „Wir geben erst auf, wenn wir in die Kiste gehen“
Das wäre doch das rechte Verlies für politische „Leerer Banausen“!
Von Oliver Stenzel
Winfried Kretschmann hat Betroffene des Radikalenerlasses zu einem Gespräch empfangen. Sie fordern vom Land: eine Entschuldigung, Rehabilitierung und Einrichtung eines Fonds zur Entschädigung. Anfangs lächeln sie noch.
Es ist eisig kalt, aber die Sonne scheint. Und sorgt mit dafür, dass die Stimmung heiter ist. Zumindest ein bisschen. Rund 20 Menschen stehen vor der Pforte der Villa Reitzenstein, wo das baden-württembergische Staatsministerium seinen Sitz hat und der grüne Ministerpräsident Winfried Kretschmann. Die vor dem Tor Stehenden sind grob in seinem Alter, alle zwischen 70 und 80 Jahre alt, die meisten tragen große Pappschilder um den Hals: „Sigrid Altherr-König. Lehrerin. Berufsverbot von 1983 bis 1996. 13 Jahre als Verfassungsfeind abgestempelt.“ Oder: „Klaus Mausner. Beruf: Kunsterzieher. 1972: Ausbildungsverbot (in Baden-Württemberg nicht zur Referendar-Ausbildung zugelassen wg. DKP-Mitgliedschaft).“
Alle hier eint, dass der Staat sie einst als Verfassungsfeinde betrachtete, als potenziell gefährliche Radikale, und dass er sie deswegen mit Hilfe des 1972 beschlossenen „Radikalenerlasses“ vom Staatsdienst fernhielt. Mal vorübergehend, wie Altherr-König. Mal ein Leben lang, wie Mausner oder den Lehrer Andreas Salomon. Salomon, geboren 1949, ist aus dem bayerischen Rosenheim angereist, hat aber in Freiburg studiert und in Rastatt sein Referendariat gemacht. Nachdem er in Baden-Württemberg auch aus einer nicht-staatlichen Schule geflogen war, als dort sein Berufsverbot für öffentliche Stellen bekannt wurde, ging er nach Bayern, „ins Exil“, wie er sagt, fand eine Stelle an einer Privatschule, lebte aber ständig in der Angst, seine Geschichte würde auch dort bekannt und zum Jobverlust führen. Warum sah ihn der Staat als Gefahr? Weil er in der Hochschulgruppe des „Kommunistischen Bundes Westdeutschlands“ (KBW) aktiv war.
Betroffene in prekären finanziellen Verhältnissen
Die Gruppe steht vor der Villa Reitzenstein, weil sie eingeladen wurde vom Ministerpräsidenten – der in seiner Studienzeit ebenfalls Mitglied im KBW war. Mehrere Monate, nachdem eine vom Land in Auftrag gegebene Studie zum Radikalenerlass (Kontext berichtete) fertig geworden ist, hat Kretschmann am 19. Januar einen offenen Brief an die Betroffenen veröffentlicht und diesen zugleich ein Gespräch angeboten. Der Brief ist zwar inhaltlich enttäuschend (Kontext berichtete), unter anderem, weil Kretschmann nur sein „Bedauern“ äußert und kein Wort über eine Entschuldigung oder gar Entschädigung verliert. Die Einladung hat aber doch leise Hoffnung, geweckt, dass sich im direkten Gespräch vielleicht etwas ergeben, ein Prozess in Gang gebracht werden könnte. Und wenn es nur ein Mini-Schritt ist.
„Einerseits sehen wir, dass er Bedauern geäußert hat. Andererseits erwarten wir Rehabilitation, vollumfänglich“, sagt Sigrid Altherr-König. „Denn wir haben eine legale politische Tätigkeit ausgeübt. Und wir erwarten eine Entschädigung, denn viele von uns leben im Alter in prekären finanziellen Verhältnissen.“ Ein Fonds solle dafür eingerichtet werden, fordern die Betroffenen.
500.000 bis 600.000 Euro habe ihn bislang das Berufsverbot gekostet, hat Salomon überschlagen, weil er als Angestellter deutlich weniger verdiente als ein Beamter. Aber die will er gar nicht ausgeglichen haben, „mir würde es reichen, wenn mir der Unterschied zwischen meiner Rente und der Pension, die ich hätte bekommen müssen, bezahlt würde“, betont er. 1.500 Euro monatlich sei die Differenz.
Brezeln, Brötchen und „The Länd“ am Arm
Von 15 bis 16 Uhr ist das Gespräch mit dem Ministerpräsidenten anberaumt, gegen 14:45 Uhr werden Betroffene und Pressevertreter:inne allmählich herein gebeten. Die Pappen und Transparente bleiben vor dem Tor. Stattdessen bekommen alle ein Besucherschildchen zum Umhängen, auf dessen gelben Bändchen steht „The Länd“, der Claim der jüngsten Imagekampagne des Landes. „Wenn wir nur einen Teil des Geldes für die Kampagne für einen Entschädigungsfonds hätten“, sagt eine Betroffene. 21 Millionen Euro hat „The Länd“ gekostet. Zwei Millionen Euro in einem Entschädigungsfond wären schon eine große Hilfe, hat die Initiative gegen Berufsverbote ausgerechnet.
Baden-Württemberg – ein Land in dem alles Grüne ergraut !
Die Karawane zieht nun die Treppen hoch in die Villa, wird von Hauspersonal freundlich empfangen und in den prächtigen Gobelin-Saal geleitet. Tische und Bestuhlung in Carréform, man sitzt sich gegenüber, Brezeln, Brötchen und Getränke stehen da. Dann kommt Kretschmann, geht reihum, gibt jeder und jedem die Hand, manchmal werden ein paar Takte gesprochen, viel gelächelt. Eine kurze Begrüßung vom Ministerpräsidenten, dann müssen die Pressevertreter:innen raus.
Eine Stunde Gespräch ist anberaumt, am Ende sind es fast eineinhalb. Als die Tür aufgeht und die Betroffenen herauskommen, lächelt keiner mehr.
Andreas Salomon, der aus Bayern Angereiste, ist der erste, der etwas in die Kameras und Mikros sagt: „Wir sind alle schwer enttäuscht von dem, was gerade abgelaufen ist.“ Kretschmann sei von dem, was er in seinem offenen Brief geschrieben habe, um keinen Millimeter abgerückt. „Und er war nicht bereit, auf unsere Forderung nach einer Entschuldigung, einer Rehabilitierung und nach der Einrichtung eines Fonds einzugehen“. Salomon hat einen dicken Hals, mehrere Minuten redet er ohne Pause. „Der Ministerpräsident hat gerade gesagt, der Radikalenerlass sei ein Fehler gewesen, aber nicht ein Fehler von ihm. Und wir haben gesagt: Wenn Sie das als Fehler betrachten, dann ist doch notwendig, dass dieser Fehler korrigiert wird. Wir sind alle in einem Alter, in dem wir nicht mehr warten können.“ Die Betroffenen wären mit der symbolischen Einrichtung eines Fonds zufrieden gewesen, sagt Salomon, „wenn da wenigstens eine Bewegung hineingekommen wäre.“ Kretschmann hätte die Möglichkeit gehabt, „vor den anderen Ministerpräsidenten Deutschlands deutlich zu machen: Ich als grüner Ministerpräsident bin fortschrittlicher als die anderen. Ich setze mich ein, dass dieses Unrecht wieder zurückgenommen wird, und dass diesen Leute zu ihrem Recht verholfen wird.“
Der Einmarsch Russlands in die Ukraine jährt sich am 24. Februar 2023 zum ersten Mal. Aus diesem Anlass werden an einer Vielzahl von Orten Veranstaltungen und Kundgebungen gegen den Krieg, für den Frieden, für Verhandlungen stattfinden, an denen viele teilnehmen sollten.
Aktionstage für den Frieden – im Saarland am 24. und 25. Februar
Die Saarländische Friedensbewegung ruft am 24. und 25. Februar anlässlich des Jahrestages des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine zu Aktionen auf.
Anlässlich des Jahrestages des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine am 24. Februar 2023 ruft die Saarländische Friedensbewegung zu verschiedenen Aktionen auf.
„Wir schließen uns dem bundesweiten Aktionsbündnis STOPPT DAS TÖTEN IN DER UKRAINE an“ ,so Waltraud Andruet Sprecherin vom FriedensNetz Saar und von pax christi Saar.
STOPPT DAS TÖTEN IN DER UKRAINE! Für Waffenstillstand und Verhandlungen!
Geplante Aktionen zum Jahrestag des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine im Saarland.
Freitag, 24.02.2023 um 15.00 Uhr Mahnwache vom FriedensNetz Saar mit Musik und Redebeiträgen in Saarbrücken, Gustaf -Regler-Platz (am Rathaus)
Freitag, 24.02.2023 um 16.00 Uhr Mahnwache vom Neunkircher Forum für Freiheit und Demokratie und Antifaschismus in Neunkirchen auf dem Stumm-Platz
Freitag, 24.02.2023 um 19.00 Uhr Ev. Kirche Saarlouis „Friedensgebet: Richte unsere Füße auf den Weg des Friedens“ Ökumenischer Arbeitskreis Saarlouis
Samstag, 25.02.2023 von 10.30 Uhr bis 15.00 Uhr Mahnwache und Infostand von Attac Untere Saar und Aufstehen Saar, Französische- Straße in Saarlouis unter dem Pavillon
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Wir schreiben das Jahr 2023. Die letzten deutschen AKW werden (hoffentlich) abgestellt und die Brennelementefabrik in Lingen steht ohne russisches Uran vor dem Aus.
Wenn heute an Atomprotest am Oberrhein erinnert wird, dann gilt dieses Erinnern zumeist dem erfolgreichen Fessenheim-Protest oder den durch Bauplatzbesetzungen verhinderten AKW in Wyhl und Kaiseraugst(CH). Die erfolgreichen Proteste gegen das französische AKW in Gerstheim bei Strasbourg und gegen das geplante Hochrhein-AKW in Schwörstadt werden meist vergessen. Auch in Breisach am Kaiserstuhl war 1971 der Bau eines der größten AKW-Standorte der Welt (mehrere Reaktorböcke mit insgesamt 4000 MW!) geplant.
Häufig ganz vergessen wird der erfolgreiche Protest gegen die Brennelementefabrik BBR in Heitersheim, der im Jahr 1973 seinen Anfang nahm.
Bis 1973 profitierte die Wirtschaft in Heitersheim von Schacht III des Kalibergwerks Buggingen mit vielen Arbeitsplätzen. Als 1973 die Kalibergwerke in Heitersheim und Buggingen ihren Betrieb einstellten (und vor der Schließung, passend zum Zeitgeist, noch unsachgemäß Giftmüll eingelagert wurde), gingen über tausend Arbeitsplätze verloren. Es sollte dann dort eine Brennelementefabrik angesiedelt werden. Versprochen wurde zuerst, dass 2000 neue Arbeitsplätze geschaffen werden. Es zeigte sich allerdings, dass lediglich 150- bis 200 neue Arbeitsplätze in die Region gekommen wären. Im Herbst 1973 begannen nicht öffentliche, geheime Verhandlungen zur Ansiedlung einer Plutoniumfabrik. Im Herbst 1974 wurden diese Gespräche durch Whistleblower öffentlich. Es wurde öffentlich bekannt, dass beim gerade erst stillgelegten’Schacht 3′ der Kalisalz-Grube Buggingen eine Brennelementefabrik geplant war, die nicht nur Uran sondern evtl. auch Plutonium verarbeiten sollte. Es bestand die Gefahr, dass für die Brennelemente auch hochgiftiges Plutonium verwendet worden wäre.
Der giftigste Stoff der Welt
„Plutonium – sinnigerweise benannt nach Pluto, dem griechischen Gott des Totenreiches – ist der giftigste Stoff, den es gibt. Seine kurz reichende Alpha-Strahlung reißt gewissermaßen tiefe Schneisen in jedes lebende Gewebe und zerstört es. Dabei kann es nur schwer oder gar nicht ausgeschieden werden. Es setzt sich fest, reichert sich sogar an, die Strahlung ist bei einer Halbwertszeit von 24000 Jahren faktisch dauerhaft vorhanden. Bereits wenige Millionstel Gramm (Mikrogramm) können sofort, sogar nur etliche Milliardstel Gramm (Nanogramm) langfristig tödlich wirken …“ Zitat Frankfurter Rundschau
Schon vor dem Bekanntwerden dieser Pläne gab es wenige Kilometer von Heitersheim entfernt in Fessenheim und Breisach massive Proteste gegen geplante Atomanlagen. So kam es am nahen Kaiserstuhl im September 1972 zur ersten großen Kaiserstühler Treckerdemo mit 560 landwirtschaftlichen Fahrzeugen.
Die BBR-Nein-Gruppe in Heitersheim / Baden war ab 1973 aktiv, um die geplante Plutoniumfabrik, welche für das Atomkraftwerk Mülheim-Kärlich Plutonium-Brennelemente produzieren sollte, zu verhindern. Der BBR-Nein-Gruppe gelang es im Zusammenspiel mit einer erwachenden Umweltbewegung am Oberrhein, eine große Mehrheit gegen die Ansiedlung der Fabrik zu organisieren. Sie veröffentlichte u.a. die Broschüre „Die BBR in Heitersheim“. Vom AK Umweltschutz der Uni Freiburg erschien 1975 die Broschüre „Kein Plutonium nach Heitersheim“. Die Stimmung in der Bevölkerung wendete sich ab 1975 gegen die planende Betreiber-Firma. Während einer Bürgerversammlung wurden von der Gruppe ‚BBR Nein‘ zwei Korruptionsfälle aufgedeckt. Die frisch gegründete AGUS (Arbeitsgemeinschaft Umweltschutz Markgräflerland) half der örtlichen BI politisch und juristisch.
Risiko verhindert
Nicht produzierte Plutonium-Brennstäbe bedeuten: Keine noch extremere Gefahr für die Menschen bei schweren Atom-Unfällen und kein Atommüll, der eine Million Jahre sicher gelagert werden muss und 30.000 Menschheit-Generationen gefährdet.
Fehlinvestition verhindert
Wie so häufig in der Geschichte hat die Umweltbewegung in Heitersheim auch eine ökonomische Fehlinvestition verhindert. Die Heitersheimer Brennelemente waren für die vielen damals noch geplanten Druckwasserreaktoren des Herstellerkonsortiums Babcock-Brown Boveri Reaktor GmbH (BBR) vorgesehen. Doch das BBR-Reaktorkonzept war sehr umstritten und gefährlich. Nur ein einziges deutsches BBR-Kernkraftwerk wurde von 1975 bis 1986 in Mülheim-Kärlich gebaut. Das AKW wurde im September 1988 nach knapp zwei Jahren im Probe- und genau 100 Tagen im Regelbetrieb endgültig abgeschaltet.
Die Brennelementefabrik in Heitersheim war letztendlich politisch nicht durchsetzbar, auch weil sich immer mehr Winzergenossenschaften dem Protest anschlossen.
Diese frühen, verzweifelt-hoffnungsfrohen ökologischen Konflikte am Oberrhein (Heitersheim (D), Marckolsheim (F), Wyhl (D), Kaiseraugst (CH), Gerstheim (F)… brachen erstmals mit der vorherrschenden Nachkriegslogik der Gier, des Wachstumszwangs und der Zerstörung. Sie waren erste Zeichen der Hoffnung mit Fernwirkung und haben die globalen Zerstörungsprozesse entschleunigt. Mit der Schließung der letzten drei deutschen AKW endet im Jahr 2023 eine Phase, die vor einem halben Jahrhundert auch in Heitersheim begonnen wurde.
Doch die Macht der weltweiten Atomlobby zeigt sich immer noch. In den perfekten aktuellen Desinformationskampagnen zum Atomausstieg und wenn alle Energieimporte aus Russland nach Europa boykottiert werden, nicht aber der Import von russischem Uran nach Europa und wenn dies (fast) kein Medienthema ist.
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Unten — Eingangstor der Urananreicherungsanlage der Firma Urenco in Gronau
Die grüne Außenministerin Annalena Baerbock sieht Europa im Krieg gegen Russland. Ihre Partei, die ihre Wurzeln im Pazifismus hat, ruft nach Waffen. Wie geht das zusammen? Der Tübinger Autor Matthias Rude erklärt es auf wenigen Seiten. Eine zentrale Rolle spielt Joschka Fischer.
Das Motiv dicker Hals scheidet aus. Der Autor ist 1983 geboren. Also ein sogenannter Millennial, dessen Generation als „Egotaktiker“ bezeichnet wurde, die sich möglichst leichtfüßig durch die Work-Life-Balance zu schaukeln versucht. Keine blutige Nase am AKW-Zaun, kein Tränengas, keine enttäuschte Liebe, kein Joschka Fischer als Streetfighter, dessen Metamorphosen ihn verstört hätten. Stattdessen Pfadfinder in Sigmaringen. Mittendrin im Dreieck Kirche-Adel-CDU und doch nicht dabei. Matthias Rude sagt, er habe „nirgendwo reingepasst“.
Besser wurde es beim Studium in Tübingen. Der Sohn eines Mathelehrers wählte Philosophie und vergleichende Religionswissenschaft, traf dort auf Ordinarius Günter Kehrer, einen Marxisten und Atheisten, und schloss sich der Linksjugend an. Dass er auf diesem Weg später mit Oberbürgermeister Boris Palmer (Grüne) aneinandergeraten sollte, hatte eine gewisse Zwangsläufigkeit, der frühe Abschied von einer Karriere im bürgerlichen Sinn auch. Sein Brot verdient er als Social-Media-Redakteur bei einer Lebensmittelfirma, natürlich Bio, sein Herz hängt an Texten für das Magazin für Gegenkultur „Melodie & Rhythmus“, die „Junge Welt“, das „Neue Deutschland“, am Schmetterling-Verlag und jetzt an dem Buch „Die Grünen – Von der Protestpartei zum Kriegsakteur“.
Es kommt zur rechten Zeit. Kein Tag vergeht, an dem grüne Granden nicht nach Waffen für die Ukraine rufen. Lauter noch als Frau Strack-Zimmermann von der FDP. Baerbock, Habeck, Hofreiter kann es nicht schnell genug gehen mit den Panzern. Verwundert reibt sich der Mensch, der noch weiß, wer Petra Kelly war, vielleicht sogar in Mutlangen gegen Pershing-II-Raketen demonstriert hat, die Augen und fragt sich, was hier passiert ist? Ausgerechnet die Grünen, die Partei der Friedensbewegung, die betont, ihre Wurzeln lägen im Pazifismus. Wenn es passt.
Grün, Rot und die drei Undertaker ( Beerdigungsunternehmer )
Rude wundert sich nicht. Er hat nachvollzogen, wie sich die Partei in Friedensfragen entwickelt hat, wie die Fundis auch auf diesem Feld geschlagen wurden, wie die Ossi-Grünen den Realos in die Hände gespielt haben und warum Winfried Kretschmann, der Verfechter eines „grünen Kapitalismus“, zurecht behaupten kann, dass sie keine Linken mehr seien. Das liest sich gut und ist hilfreich für Debatten, in denen das Geahnte schnell als Gewissheit nachgeschlagen werden kann. Auf knappem Raum sind die Essentials erzählt, die Schlussfolgerungen gezogen: Es ist bloße Rhetorik, wenn das grüne Spitzenpersonal seine friedliebende Vergangenheit beschwört und gleichzeitig den Kriegseinsätzen auf dem Balkan (1999) und in Afghanistan (2001) zustimmt. Und Nebelkerzenweitwurf, wenn die Partei noch vor der Bundestagswahl 2021 verspricht: „keine deutschen Waffen in Kriegsgebiete“.
Fischer öffnet früh die Tür zur Nato
Als entscheidende Figur in dieser Geschichte sieht der Autor Joschka Fischer, der das „Nie wieder Auschwitz“ auf dem Bielefelder Kosovo-Parteitag 1999 zum Kampfbegriff gegen alle Antimilitaristen gemacht hat. Es galt, mit der Nato gegen Serbien zu ziehen, dem Mörder Milosevic mit Bomben Einhalt zu gebieten, und Fischer nannte es eine „humanitäre Intervention“, die mitzutragen sei, um nicht zum Alliierten eines „neuen Faschismus“ zu werden. Er bekam seine Mehrheit, ein roter Farbbeutel traf ihn am rechten Ohr, die Bundeswehr rückte zu ihrem ersten Auslandseinsatz nach dem Zweiten Weltkrieg aus.
Folgt man Rude, hat der einstige Straßenkämpfer bereits 1989 die Tür zur Nato aufgemacht. Auf Schloss Crottdorf im Bergischen Land, wo er, zusammen mit Otto Schily, auf die SPD-Spitzenpolitiker Egon Bahr und Horst Ehmke getroffen ist, die ihnen klar gemacht haben, dass gemeinsames Regieren nur mit einem klaren Bekenntnis zur Nato gehe. Die anwesenden Grünen hätten keinen Einspruch erhoben, hieß es später. Es klappte dann ja auch mit der ersten rot-grünen Koalition 1998. Bis hin zum Ja zur Nato-Osterweiterung. Rudes Fazit: „Der Bellizismus linker Provenienz hatte sich für ihn (Fischer) als Schlüssel zur Macht erwiesen.“
Das Lob der „New York Times“, die Fischers „anhaltende Verachtung für Krawatten“ durch einen „wachsenden Respekt für die Nato“ ausgeglichen sah, wird ihm geschmeichelt haben, die Freundschaft mit US-Außenministerin Madeleine Albright ebenso. Die Aussage von Annalena Baerbock, sie stehe auf den „starken Schultern“ von Joschka Fischer, dürfte der 74-Jährige wohlwollend zur Kenntnis genommen haben.
Während sich der grüne Patriarch heute mit scharfen Wortmeldungen zurückhält, sind seine einstigen Mitstreiter weiterhin laut. Besonders Ralf Fücks, 71, der in jungen Jahren Kriegsdienstverweigerer und beim Kommunistischen Bund Westdeutschland war, welcher dem Maoismus nahestand und die politische Macht aus den Gewehrläufen kommen sah. Danach wandte er sich mehr grüner Realpolitik zu, die er als „Motor“ des Kapitalismus empfand, der ihm als lernendes System erschien, das „Krisen in Innovationen verwandelt“.
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Created: 7 December 2021
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Unten — Turnschuhe von Joschka Fischer, in welchen er den Amtseid als erster Grüner Minister in Deutschland leistete. Aufgenommen im Ledermuseum Offenbach
Bildung ist zwar ein Menschenrecht und in vielen Abkommen geregelt, nicht aber in unserem GG. Bildung ist Ländersache mit der Folge, dass wir nur von einem Flickenteppich reden können. Dabei ist Bildung (neben dem persönlichen Ergeiz) eine der wichtigsten Aufgane des Staates, damit jeder unabhängigvon Herkunft und Stand die Möglichkeit hat, ein selbstbestimmtes Leben führen zu können.
Wenn ein Staat dem Bildungsaufrtag nicht nachkommt, führt das zwangsläufig zu einem Defizit in der Berufsausbildung und somit z.B. zum heute vielbejammerten Mangel an Fachkräften. Dieser Mangel ist auch ein Ergebnis unseres profitorientierten, kapitalgesteuerten Wirtschaftssystems, insbesondere in Großbetrieben, wo überall und immer wieder am Personal und dessen Entlohnung gespart wird, um den Profit zu maximieren. Ein geradezu makaberes Beispiel dafür ist Amazon. Der Besitzer dieses Unternehmens gilt als der reichste Mann der Welt, während die für ihn arbeitenden Menschen zu Hungerlöhnen wie Arbeitsroboter schuften müssen, um dann doch nur in die soziale Unterschicht abzurutschen. Ähnliche Zustände finden wir in Krankenhäusern, Betreuungs- und anderen Sozialeinrichtungen.
Anstatt nun Fachkräfte auszubilden, besser zu bezahlen und somit den Arbeitsplatz attraktierver und somit schlussendlich die Leistung hochwertiger (sprich wettbewerbsfähiger) zu machen, konzentriert sich Politik und Wirtschaft auf uralte kolonial-imperialistische Praktiken, billige Arbeits- und Fachkräfte aus ärmeren Ländern anzuheuern mit der Folge, dass die dann in ihrem Heimatland fehlen und bei uns menschenunwürdige soziale Spannungen entstehen, weil unser Sozialsystem weitgehend versagt. Das erinnert geradezu fatal an die Bulle „Dum Diversas“ des katholischen Papstes vom 18.6.1452 mit der Befugnis des Königs von Portugal, „die Länder der Ungläubigen zu erobern, ihre Bewohner zu vertreiben, zu unterjochen und in die ewige Knechtschaft zu zwingen“. Sklavenatbeit ist auch heute wieder ein Begriff für menschenunwürdige Arbeitsverhältnisse, insbesondere von ausländischen Arbeitnehmer:innen.
Bildung als Voraussetzung für eine gute Ausbildung nach eigenen Vorstellungen ist eine primäre Aufgabe des Staates. Abwiegelnde Erklärungen aus der Politik sind ein Armutszeugnis und Zeichen mangelnder Qualifikation für die Position, in die so mancher Politiker:in nur durch Parteigewürge gehievt worden ist.
Unser Land ist durch Migration zu dem geworden, was es heute ist. Solange der Politik und Wirtschaft der US-Kapitalismus mit gnadenloser Profitorientierung wichtiger ist als die Verantwortng für Bildung, Ausbildung, Fortbildung und Soziales, werden wir die Schere zwischen arm und reich immer nur kalffender und schärfer machen. Damit verzichteten wir bewusst auf das Potential vieler Menschen für eine qulifizierte Tätigkeit und ein erfülltes Leben aus eigner Kraft. „Die herrschenden Ideen eines Zeitalters waren immer nur die Ideen einer herrschenden Klasse“, stellte schon Karl Marx fest. Wir müssen uns von der nimmersatten Profitgier des US-geführten Kapitalismus trennen, wenn wir die Probleme der Menschen lösen wollen. „Wir brauchen eine andere Bildung für eine andere Gesellschaft und eine andere Gesellschaft für eine andere Bildung“, postulierte Marx ebenso ganz aktuell.
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Lange hat’s gedauert. Acht Monate nach Erscheinen einer Studie über den Radikalenerlass in Baden-Württemberg hat sich Ministerpräsident Kretschmann in einem offenen Brief endlich dazu geäußert. Doch das Ergebnis irritiert.
Die gute Nachricht: Winfried Kretschmann ist lernfähig. Der baden-württembergische Ministerpräsident schreibt in seinem vergangenen Donnerstag veröffentlichten offenen Brief zum Radikalenerlass: „Eine erste Erkenntnis ist für mich, dass die Anwendung des Erlasses unverhältnismäßig war.“ Respekt, das ist mal wirklich eine neue Erkenntnis.
Doch im Ernst: Eine Reaktion Kretschmanns auf die im Mai 2022 veröffentlichte, vom Land in Auftrag gegebene Studie über den sogenannten Radikalenerlass von 1972, dessen Anwendung in Baden-Württemberg und die Folgen für viele Anwärter:innen auf öffentliche Stellen war mehr als überfällig. Monatelang hatten Kretschmann und sein Staatsministerium immer wieder darauf verwiesen, dass noch geprüft werde, dass die Studie ja ziemlich dick sei, dass es drängendere Probleme gebe (Kontext berichtete). Das wirkte schon deshalb unangemessen, weil Kretschmann zum einen selbst in einem Interview Anfang 2022 die Erwartung genährt hatte, sich bald zu äußern, zum anderen, weil die Ergebnisse nicht unbedingt vom Himmel fielen – manche wurden noch vor Erscheinen der Studie im Blog des Heidelberger Forschungsprojekts veröffentlicht.
Sollte das Staatsministerium eine kompetente wissenschaftliche Abteilung haben, und das ist ihm zu wünschen, hätte sich diese wegen einer Bewertung also schon zeitig darum kümmern können. So aber entstand der Eindruck, der Ministerpräsident wolle einer Stellungnahme dazu aus dem Weg gehen, fühle sich unbehaglich damit. Oder spiele bei der Aufarbeitung und Fragen einer Entschädigung oder Rehabilitation auf Zeit, wie es etwa der Mannheimer SPD-Landtagsabgeordnete Boris Weirauch formulierte, bis die „biologische Lösung“ eintrete.
Zu spät und inhaltlich dürftig
Nun gibt es endlich eine Reaktion. Und die ist enttäuschend, da inhaltlich dürftig. Zwar zitiert Kretschmann gleich zu Beginn Willy Brandt, der als Bundeskanzler den Erlass 1972 mitbeschlossen hatte, ihn aber später als „politischen Irrtum“ bezeichnete. Doch diese Wertung macht er sich in der Folge nicht zu eigen, stattdessen die von Brandts Nachfolger im Bundeskanzleramt Helmut Schmidt, laut dem „mit Kanonen nach Spatzen“ geschossen worden sei – will sagen: Nicht der Erlass als solcher war ein Irrtum, sondern nur die Praxis seiner Anwendung.
Diese bewertet Kretschmann auch durchaus kritisch: Für ihn „hat der Radikalenerlass viel mehr Schaden angerichtet als Nutzen gestiftet“, bei der Umsetzung sei das erforderliche „Augenmaß verloren gegangen.“ Dass eine ganze Generation unter Generalverdacht gestellt worden sei, „war falsch“, schreibt der Ministerpräsident. Denn zwar mochten „einzelne … zu Recht sanktioniert worden sein“, aber „manche“ hätten „zu Unrecht durch Gesinnungs-Anhörungen, Berufsverbote, langwierige Gerichtsverfahren, Diskriminierungen oder auch Arbeitslosigkeit Leid erlebt“. Darauf folgt der zentrale Satz des Briefes: „Das bedauere ich als Ministerpräsident des Landes Baden-Württemberg sehr.“ Kretschmann bedauert, er entschuldigt sich nicht bei den Opfern, wie dies zunächst fälschlicherweise etwa die „Deutsche Presse-Agentur“ vermeldete.
Nun lässt sich darüber streiten, wie sinnvoll es ist, wenn sich ein Regierungschef heute für eine Regelung aus dem Jahr 1972 (bundesweit) beziehungsweise 1973 (in Baden-Württemberg) entschuldigt, an deren Umsetzung er nicht beteiligt war. Es könnte ein symbolischer Akt sein, und er hatte ihn vor einem Jahr immerhin in Einzelfällen in Aussicht gestellt. Jetzt verwendet Kretschmann weder das Wort „Entschuldigung“ noch „Rehabilitation“. Doch sein Brief irritiert noch aus einem anderen Grund.
Kretschmann hat sich, diesen Anschein erweckt das Dokument, ziemlich gequält mit dem Thema. Er war selbst einer der Betroffenen, und er geht breit auf diesen Abschnitt seines Lebens ein. Mehr als ein Fünftel des Briefes macht die Thematisierung der eigenen Biographie aus. Das mag man anerkennen, aber genau das ist das Problem: Kretschmanns Beschäftung mit oder eher die große Zerknirschung ob der eigenen Biographie überlagert seine gesamter Beurteilung des Themas. Es ist diese Zerknirschung über die „größte Verirrung meines eigenen Lebens“, die ihm, wie er schreibt, in der Studie gespiegelt werde, „nämlich der Linksradikalismus meiner Studienzeit“: „Mich erschreckt noch heute, dass ein Mensch, selbst wenn er das Glück einer guten Ausbildung hatte wie ich, einen solchen ‚Tunnelblick‘ entwickeln und sich derart in eine verblendete Weltsicht einbohren kann.“ Und er betrachtet es als „aus heutiger Sicht nur logisch und konsequent“, dass ein demokratischer Staat bei Menschen wie dem jungen Kretschmann „Zweifeln an der Verfassungstreue nachgeht“.
Aus dieser Perspektive einer eigenen Verirrung, einer, zugespitzt formuliert, eigenen Schuld, beschreibt Kretschmann dann die mögliche Läuterung und Buße: „Menschen, die abwegige und irrige Positionen vertreten, sind in fünf oder zehn Jahren vielleicht klüger geworden und denken anders“, und solche Lernprozesse müsse die liberale Demokratie fördern und wertschätzen. Eine Gesinnungsprüfung ist also laut Kretschmann nicht deshalb falsch, weil sie der Meinungsfreiheit widerspricht – sondern weil sich die Gesinnung ja ändern, weil sie sich im Sinne des Ministerpräsidenten bessern kann.
Die Betroffenen wollen eine Entschädigung
Eine hochproblematische Deutung, die überdies hinter die Ergebnisse der Studie zurückfällt. Denn es ist völlig irrelevant für die Bewertung des Erlasses, ob die von ihm betroffenen Menschen sich ändern, ob sie sich von ihren früheren Ideen verabschieden oder sie beibehalten, ob sie in Kretschmanns arg paternalistisch wirkenden Worten „klüger werden“. Relevant ist einzig, ob ihre Nichtzulassung zu oder ihr Ausschluss aus öffentlichen Stellen aufgrund eines konkreten Verdachts oder eines Nachweises „einer gegen die Sicherheit des Staates gerichteten Betätigung“ erfolgte. So formuliert es das Übereinkommen Nr. 111 der Internationalen Arbeitsorganisation (IAO/ILO), das sich mit „Diskriminierung in Beschäftigung und Beruf“ befasst – und übrigens bereits 1961 von der Bundesrepublik ratifiziert wurde.
Bundesweiter Streik der Universitäten und Fachhochschulen 1976/77 in Westdeutschland und Berlin.Demonstration gegen Berufsverbote am 28.01.1977 in Berlin.
Die 85-jährige Komponistin Inna Zhvanetskaya, eine ukrainische Jüdin, sollte gegen ihren Willen in eine Psychiatrie eingewiesen und geimpft werden. Seitdem „Querdenken“-nahe Medien den Fall aufgegriffen haben, ist die schwerkranke Frau verschwunden – und „Freiheitsaktivisten“ freuen sich.
Am vergangenen Montag berichtete mit „Fox News“ der meistgesehene Nachrichtenkanal der USA über einen Fall aus Stuttgart: „German court tries to force COVID vaccine on Holocaust survivor (Deutsches Gericht versucht Holocaust-Überlebender Covid-Impfstoff aufzuzwingen)“. Auch die „Jerusalem Post“, eine konservative Tageszeitung aus Israel, empört sich unter beinahe identischem Titel. Ein Kommentator hat unter den Text „Impfung macht frei“, geschrieben. Was um Himmels Willen ist passiert?
Die Jüdin Inna Zhvanetskaya, 1937 im ukrainischen Winnyzja geboren, wohnt im Stadtteil Stuttgart-Feuerbach und ist gesundheitsbedingt auf Pflege angewiesen. Ihre Betreuerin stellte beim Amtsgericht Stuttgart-Bad Cannstatt einen Antrag, die 85-Jährige in der geschlossenen Abteilung eines psychiatrischen Krankenhauses oder einer Pflegeeinrichtung unterzubringen. Dabei sollte sie – auch gegen ihren Willen – gegen Covid-19 geimpft werden. Zhvanetskaya wurde im Zuge des Verfahrens von einem Facharzt für Neurologie begutachtet, der ihr Demenz, eine organisch wahnhafte Störung, ein narzisstisches Größenselbstbild und Logorrhoe (krankhafte Geschwätzigkeit) attestierte. Mit Beschluss vom 6. Dezember 2022 genehmigte das Amtsgericht den Antrag auf Unterbringung – und die Einwilligung der Betreuerin in die „ärztliche Zwangsmaßnahme“, nach internistischer Prüfung der Impffähigkeit zwei Impfungen zur Grundimmunisierung gegen Covid 19 durchzuführen.
Zuerst berichtete das in Österreich ansässige Portal „Report24“ über den Fall. Autor Willi Huber macht klar, wie sich die Berichterstattung dort von den „Mainstream-Medien“ unterscheidet – in der eigenen Wahrnehmung zumindest: „Auf der einen Seite steht uneigennützige Menschenliebe, auf der anderen Niedertracht, Korruption und Gier.“ Am 10. Januar war hier zu lesen: „Morgen wird sie abgeholt: Deutsches Gericht verurteilt Holocaust-Überlebende (85) zu Zwangsimpfung.“ Im Text dazu ist ein Video mit Zhvanetskaya zu sehen, das die Komponistin mutmaßlich in ihrer Wohnung zeigt: Eine Frau mit langem weißem Haar, die vor einer Bücherwand sitzt. Sie berichtet unter anderem, dass sie ohne ihre Musik sterben würde. „Als Jüdin zählt sie zu den Überlebenden des Holocaust“, schreibt „Report24“. „Bis zu ihrem achten Lebensjahr mussten sie und ihre Familie davor zittern, ob sie abgeholt, deportiert und möglicherweise ermordet werden.“ Gegen Ende des Artikels heißt es: „Die Berufsbetreuerin hat Frau Zhvanetskaya mitgeteilt, so unser Wissensstand, dass sie morgen, am 11. Jänner 2023 abgeholt und vermutlich auch zwangsgeimpft werden soll.“
Das Who-is-Who der „Querdenker“schaltet sich ein
Die Geschichte verbreitete sich wie ein Lauffeuer. In Telegram-Kanälen empören sich bekannte Figuren der „Querdenken“-Szene: Etwa der Schwindelarzt Bodo Schiffmann, der inzwischen ein Hotel in Tansania betreibt. Oder die Anwältin Beate Bahner, die kürzlich eine Ärztin vor Gericht verteidigte, die in 4247 Fällen falsche Maskenatteste ausgestellt haben soll und sich neben einer Haftstrafe auch ein Berufsverbot einfing. Der Stuttgarter Arzt und Ex-AfDler Heinrich Fiechtner verbreitete, hier solle eine Holocaust-Überlebende weggeschleppt werden, um „dann potenziell tödliche Substanzen in sie hineinzuspritzen“.
Fiechtner teilte mit seinen über 20.000 Followern auch den ungeschwärzten Gerichtsbeschluss. Darin steht nicht nur Zhvanetskayas Wohnanschrift, sondern auch die ihrer Betreuerin. Genau wie die Vorsitzende Richterin am Amtsgericht Bad-Cannstatt wird sie seit der Veröffentlichung belästigt und bedroht. Martin Sichert, der gesundheitspolitische Sprecher der AfD-Fraktion im Bundestag, sagt, er habe gegen die beiden Anzeige erstattet, denn: „Niemand sollte gegen seinen Willen zur Teilnahme an einem medizinischen Experiment – egal welcher Art, auch nicht der Corona-Gentherapie – gezwungen werden.“
Alexander Wallasch, der früher regelmäßig Texte für taz, „Süddeutsche“ und die „Zeit“ verfasste, später bei „Tichys Einblick“ kolumnierte und heute auf seinem Blog „noch unzensierter, schärfer, freier“ schreibt, führte ein ausführliches Gespräch mit dem Anwalt Holger Fischer. Dieser sagt, dass Zhvanetskaya ihn als anwaltlichen Bevollmächtigten beauftragt hat: „Man kann das sogar als dementer Mensch. Man kann sogar, wenn man vergessen hat, dass man schon einen Anwalt hat, noch einen Anwalt beauftragen und noch einen.“ Einen Teilerfolg hatte Fischer mit einem Eilantrag beim Stuttgarter Landgericht, der die sofortige Wirksamkeit des Beschlusses aus Cannstatt insgesamt, also inklusive der Unterbringung in einer Psychiatrie, aussetzen sollte.
Dieser Fall erinnert an Gustl Mollath aus Nürnberg über welchen wir ausfühlich berichteten:
Als sie abgeholt werden sollte, war die Wohnung leer
Ausgesetzt wurde allerdings nur die Impfung. Ob die „ärztliche Zwangsmaßnahme“ einer Corona-Impfung im vorliegenden Fall nun legitim wäre oder nicht, ist dadurch nicht geklärt. Es heißt erst einmal nur, dass das Landgericht den Erfolg der Beschwerde nicht für ausgeschlossen hält. Die Einweisung der Frau in eine geschlossene Unterbringung wurde hingegen nicht ausgesetzt und eigentlich hätte die 85-Jährige am 11. Januar unter Begleitung der Polizei zuhause abgeholt werden sollen.
Im Beschluss des Amtsgerichts Bad-Cannstatt heißt es dazu: Die „Zuführung zur Unterbringung“ dürfe „erforderlichenfalls [mit] Gewalt“ erfolgen, und die „Wohnung der Betroffenen“ dürfe „auch ohne ihre Einwilligung […] gewaltsam geöffnet, betreten und durchsucht werden“. In der Begründung führt das Gericht aus: „Die Betroffene muss geschlossen untergebracht werden, weil sie massiv verwahrlosen würde und ihre dringend notwendige ärztliche Versorgung, auch der organischen Erkrankungen sowie eine regelmäßige Tabletteneinnahme nicht gewährleistet ist.“ Durch ihre geistige Behinderung fehle ihr „jegliche Alltagskompetenz“, sie bedürfe „ärztlicher Behandlung, die derzeit ohne geschlossene Unterbringung nicht geschehen kann“. Die Betroffene besuche, „da sie krankheitsbedingt den Überblick verloren hat, verschiedene Ärzte, die ihr sich teils widersprechende Medikamente verschreiben.“ Neben Adipositas leide Zhvanetskaya an heftigen Ödemen, die dringend behandelt werden müssten.
Doch als sie abgeholt werden sollte, war die Wohnung leer. Auf dem Portal „Reitschuster“ ist am gleichen Tag zu lesen: „Die Dame konnte an einem geheimen Ort in Sicherheit gebracht werden“, denn „offenbar sind die Freiheits-Aktivisten der Polizei zuvorgekommen“. Allerdings dürfe „schon jetzt als sicher gelten, dass die Staatsgewalt bei der Suche nach Zhvanetskaya – anders als in anderen Fällen – weder Kosten noch Mühen scheuen wird.“
Am 22. Januar 1963 wurde der deutsch-französische Freundschaftsvertrag (Élysée-Vertrag) von Bundeskanzler Konrad Adenauer und vom französischen Staatspräsidenten Charles de Gaulle unterzeichnet. Dieses wichtige Abkommen hat Deutsche und Franzosen nach den Schrecken des Ersten und Zweiten Weltkriegs ein wichtiges Stück zusammengeführt.
Wenn jetzt überall an 60 Jahre Élysée-Vertrag erinnert wird, dann ist das zumeist eine „von oben nach unten Erzählung mit folkloristischem Beiwerk“. Wir wollen an das von uns fünfzig Jahre lang erkämpfte, immer gefährdete Europa der Menschen, an das „Europa von unten am Oberrhein“ erinnern. Ein Europa, zu dem für uns immer auch die Schweiz zählte.
Auf den besetzten AKW-Bauplätzen inWyhl (D), Kaiseraugst (CH) und Gerstheim (F)haben wir drei Jahrzehnte nach Kriegsende den europäischen Traum vom grenzenlosen Europa geträumt und erkämpft und im Jahr 2020 grenzüberschreitend die Abstellung des Pannenreaktors in Fessenheim erreicht. Wir haben die realen und die inneren Grenzen und die alte, verlogene „Erbfeindschaft“ überwunden, Bauplätze und Brücken besetzt, Gifteinleitungen in Rhein und Luft abgestellt, für Leben und Zukunft gekämpft und gemeinsam viele ökologische Gefahren am Oberrhein abgewehrt. Und dies immer alles ohne europäische Fördertöpfe und Interreg-Gelder.
Dort wo nicht auf unsere Kritik gehört wurde, wie bei der Giftmülldeponie Stocamine, kommt das die Allgemeinheit heute teuer zu stehen und wir schauen aktuell mit Sorgen auf die Schweizer Endlagerpläne.
Die grenzüberschreitende Zusammenarbeit war immer eine Sache auf Gegenseitigkeit. Schon 1970 haben sich die AKW-GegnerInnen in Kaiseraugst und Fessenheim organisiert, 1971 dann die badischen PartnerInnen in Breisach, 1973 in Wyhl. Elsässische und Schweizer Aktive brachten wesentliche Ideen und Erfahrungen über die Grenze herüber nach Breisach und Wyhl, und nirgendwo wurde jemals nach der Staatsangehörigkeit gefragt. Der alemannische Dialekt hat in diesen frühen Konflikten immer eine wichtige Rolle gespielt. Wir waren stets selbstbewusst, trinational „provinziell“. Ohne die grenzüberschreitende Zusammenarbeit hätten wir an keinem der besetzten Plätze Erfolg gehabt und auch der Giftmüllofen in Kehl wäre nicht verhindert worden.
Auf den besetzten Bauplätzen in Wyhl, Marckolsheim, Gerstheim und Heiteren und bei vielen Demos und Aktionen wurde die alte deutsch-französische „Erbfeindschaft“ überwunden. Auch hier entstand das Europa der Menschen.Einige der vielen Wurzeln Europas und der deutsch-französischen Aussöhnung,
aber auch eine Wurzel der heutigen Klimaschutzbewegung liegt im elsässischen Marckolsheim. Hier haben wir 1974 den Bauplatz eines extrem umweltvergiftenden Bleiwerks besetzt und die Vision vom grenzenlosen Europa gesponnen. François Brumbt sang auf dem besetzten Platz:„Mir keije mol d Gränze über de Hüfe und danze drum erum“. Als endlich die Schlagbäume zwischen Frankreich und Deutschland fielen, hatten wir, wieder einmal, eines unserer Ziele erreicht.
Seit dieser Zeit erleben wir am Oberrhein immer wieder, wie geschickt, gezielt und erfolgreich in ökologisch-ökonomischen Konflikten (Fessenheim-Abstellung, Atommüll Schweiz, Flugplatz Zürich …) die Menschen gegeneinander ausgespielt werden, während gleichzeitig das Hohelied des Élysée-Vertrages, der Regio und wuchernden Metropolregion gesungen wird.
Immer wieder überlagern alte und neue, geschickt geschürte (noch kleine) Nationalismen und traurige Feindbilder auf beiden Rheinseiten die Europa-, Regio- und Dreyeckland-Mythen und diese Feindbilder werden aus ökonomischen Gründen gezielt aufgebaut. Erschreckend ist nicht, dass Konzerne und Lobbyisten versuchen, uns gegeneinander auszuspielen. Erschreckend ist, dass die „nationale Karte“ immer noch häufig sticht und sich auch in Wahlergebnissen ausdrückt.
Um so wichtiger ist unser Europa von unten, abseits aller Verträge und europäischer Fördertöpfe, Metropolregion-Pläne und Interreg-Gelder, bei der Stocamine, beim Hochwasser- und Naturschutz am Rhein, beim regionalen Klima- und Artenschutz. Überall wo sich in Zeiten zunehmender ökonomischer, ökologischer und sozialer Krisen Menschen grenzüberschreitend für Mensch, Natur, Umwelt, Zukunft, Nachhaltigkeit, soziale Gerechtigkeit und Freiheit engagieren.
60 Jahre Élysée-Vertrag sind ein guter Anlass, um zu feiern, um gleichzeitig aber auch das stets gefährdete „Europa der Umwelt und der Menschen“ zu thematisieren.
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Unten — For documentary purposes the German Federal Archive often retained the original image captions, which may be erroneous, biased, obsolete or politically extreme. Bundeskanzler Konrad Adenauer und der französische Staatspräsident Charles de Gaulle unterzeichneten am 22.1.1963 im Pariser Elysée-Palast einen Vertrag über die deutsch-französische Zusammenarbeit, der politische Konsultationen beider Regierungen und eine verstärkte Zusammenarbeit in der Außen- und Verteidigungspolitik sowie in Erziehungs- und Jugendfragen festgelegt. Regelmäßige Treffen zwischen den Regierungschefs und den zuständigen Ressortministern beider Länder sollen die praktische Durchführung des Vertrages gewährleisten. Im Bild (v.l.n.r.) am Tisch: Bundesminister des Auswärtigen, Dr. Gerhard Schröder, Bundeskanzler Konrad Adenauer, Staatspräsident Charles de Gaulle, Premierminister Georges Pompidou und der französische Außenminister Maurice Couve de Murville
Bundesarchiv, B 145 Bild-P106816 / Unknown author / CC-BY-SA 3.0
Warum Söder seinen Sitz im ZDF-Verwaltungsrat aufgibt
Eine Kolumne von Steffen Grimberg
Markus Söder hat im Dezember seinen Sitz im ZDF-Verwaltungsrat aufgegeben. In der Funktion kann er schlecht für das Aus der Rundfunkanstalt trommeln.
Es ist irgendwie auch tröstlich, dass Spitzenpolitiker*innen keine Zeit mehr für randständige Hobbys haben, sondern echt mal ranmüssen. Markus Söder hat im Dezember seinen Sitz im ZDF-Verwaltungsrat aufgegeben. „Die Mitgliedschaft im ZDF-Verwaltungsrat wurde nach vier Jahren niedergelegt, da umfangreiche Verpflichtungen in Bayern eine weitere Tätigkeit leider nicht zulassen“, teilt dazu die Bayerische Staatsregierung mit. Geht irgendwie auch klar. Schließlich hat der CSU-Chef über seine Kanäle die Kernaussagen der CSU-Medienpolitik so unbemerkt wie erfolgreich in die öffentlich-rechtliche Reformdebatte eingeschleust.
Dass er nun dem ZDF die kalte Schulter zeigt und die warme der Politik, um sich den anstehenden Landtagswahlen zu widmen, ist das eine. Schließlich geht’s im Oktober um die Weißwurst. Doch so wahnsinnig intensiv hatte sich Bayerns Landesvater eh nicht bei den Mainzern engagiert. Von den fünf Verwaltungsratssitzungen, die es 2022 beim ZDF gab, hat er gerade mal eine geschafft, wie die FAZ diese Woche vorgerechnet hat.
Doch bei Söder dürfte es noch um etwas ganz anderes gehen. Ein medienpolitisches Lieblingsprojekt der CSU ist schließlich die Zusammenlegung von ARD und ZDF. Sie hatte schon Söders Vorgänger Horst Seehofer immer mal wieder ins Spiel gebracht. Allerdings ohne sich hier die geringsten Chancen auszurechnen. Das sieht aktuell plötzlich ganz anders aus. Früher war bei ARD und ZDF schon die Diskussion darüber verboten.
Doch vor zwei Monaten hatte der damalige CSU-, pardon: ARD-Vorsitzende Tom Buhrow in seiner legendären Privatmann-Rede vor dem Hamburger Übersee-Club „Zusammenlegung jetzt!“ als denkbare Option ausgerufen. Buhrows Reformideen enthalten überhaupt viel Schönes aus dem medienpolitischen CSU-Werkzeugkoffer. Schließlich lässt sich der WDR-Intendant unter anderem von CSU-nahen Menschen beraten.
Kurz nachdem Joseph Ratzinger die Nachfolge von Karol Wojtyła auf dem päpstlichen Thron angetreten hatte, unternahm er seine erste Pilgerreise nach Polen, dem Land seines „großen Vorgängers“, wie er es ausdrückte.
Als Journalisten beobachteten wir damals, inwieweit die Polen, die daran gewöhnt waren, ihren Landsmann auf dem Heiligen Stuhl zu sehen, einen Deutschen als seinen Nachfolger akzeptieren würden.
Natürlich wurde Ratzinger als Papst in Polen nie so behandelt wie Wojtyła. Zwar mangelte es nicht an Ehrungen, aber man betrachtete ihn nicht als Nachfolger, sondern allenfalls als Stellvertreter. Ratzinger wirkte kein bisschen wie der Showman Wojtyła, der die kollektiven Emotionen der Gläubigen wie ein Berufspolitiker lenkte. Fotos von ihm mit der Brille von Bono von U2 gingen um die Welt. Ein solcher Moment in der Karriere von Benedikt XVI., dem todernsten Geistlichen aus Marktl, wäre unvorstellbar.
Heute ist der Ton, in dem über den einen und den anderen Papst gesprochen wird, in unserem Land hingegen auffallend ähnlich. Polen wird mehr denn je von der Empörung über die Missbrauchsskandale der Kirche erschüttert. Wenn sich vor nicht allzu langer Zeit mehr als 90 Prozent der Bevölkerung als Katholiken bezeichneten, geben heute nur noch 42 Prozent der Befragten an, ihren Glauben regelmäßig zu praktizieren. Die Unterlassungssünden beider Päpste sind für die Zeitgenossen schwer zu akzeptieren, und so finden sie sich Jahre später an der gleichen Stelle wieder.
Viele Tausende von Gläubige aus aller Welt nahmen dennoch an der Beerdigung von Benedikt XVI. teil. Auf die Frage, was ihnen an seinem Charakter wichtig war, antworten sie oft, dass es sich um theologische Schriften handelt. Ob dies auch aus polnischer Sicht der Fall ist, darf bezweifelt werden, denn die Polen kennen die Schriften Ratzingers kaum. Allerdings ist aus hiesiger Sicht vor allem die Diskussion über die christliche Theologie des Holocaust interessant, der Ratzinger viele Jahre seines Lebens gewidmet hat, noch bevor er Papst wurde.
Während seiner Pilgerreise 2006 gab es nur einen einzigen Ort, an dem Benedikt XVI. nicht in die Fußstapfen von Johannes Paul II. trat: das ehemalige deutsche Nazi-Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau. Viele Menschen erinnern sich noch gut an die Bilder dieses Besuchs und besonders an den Regenbogen, der erschien, als er seine Predigt hielt.
Dass junge, verzweifelte Umweltaktive von Klimakatastrophenverantwortlichen als „Klimaterroristen“, als Mitglieder einer „Klima-RAF“ und „Klima-Chaoten“ bezeichnet und in Präventivhaft genommen werden, ist mehr als ein Skandal. Auch wenn sich über die Aktionsformen streiten lässt: So wie der Begriff des Klimaterroristen bisher verwendet wird, ist dies eine typische, perfekt organisierte Täter-Opfer-Umkehr. Aktivistinnen und Aktivisten machen gewaltfrei auf Missstände aufmerksam und werden dafür kriminalisiert. Wer einmal den Begriff „Klimaterroristen“ bei der Bildsuchfunktion einer Suchmaschine eingibt, sieht, aus welcher Richtung der vergiftete Wind weht. Der rechte Rand der Gesellschaft streut gemeinsam mit rechts-libertären Medien und der BILD-Zeitung Begriffe in die öffentliche Debatte, die an Orwellsches Neusprech erinnern. In dieser Debatte zeigt sich nicht nur Definitionsmacht sondern auch tatsächliche Macht und dies in einer Zeit, in der die erkennbaren Folgen der Klimakatastrophe immer verheerender werden.
Die Umweltbewegung und der nachdenkliche Teil der Gesellschaft müssen endlich wieder die Begriffe zurechtrückenm zurückholen und die tatsächlichen Klimaterroristen benennen:
Ist umweltzerstörender Weltraumtourismus „just for fun“ nicht Klimaterror?
Der ESSO-Mutterkonzern ExxonMobil zählt mit einem Gewinn von 37,6 Milliarden Dollar in einer einzigen Jahreshälfte des letzten Jahres nicht nur zu den größten Kriegsgewinnlern im Ukraine-Krieg, sondern ist auch Kriegstreiber im Krieg gegen Mensch, Klima und Umwelt. Seit Jahrzehnten finanziert der Konzern Klimawandelleugner und Energiewendegegner. Er ist verantwortlich für Tod und Leid. Zählt ExxonMobil damit nicht zu den tatsächlichen Klimaterroristen?
Ein Versuch, dem Begriff des Klimaterrors wieder seine tatsächliche Bedeutung zurückzugeben, ist mein Wunsch, ihn zum Unwort des Jahres zu erklären.
18.12.2022 Sehr geehrte Damen und Herren
im Auswahlgremium zum Unwort des Jahres,
ich würde Ihnen gerne zwei Begriffe „zur Auswahl“ vorschlagen: Klimaterrorismus oder Klimaterroristen
Die beiden Begriffe werden aktuell stets im Zusammenhang mit jungen Klimaaktiven genannt. Menschen, die sich für Klimaschutz, für Mensch, Natur und Umwelt engagieren, sollen diskreditiert werden. Wenn Sie einmal bei der Bildsuchfunktion von GOOGLE den Begriff „Klimaterroristen“ eingeben, sehen Sie aus welchen Quellen diese Zuschreibung stammt.
Sie kommt von der AfD, von CDU, CSU und FDP, von Klimawandelleugnern, rechts-libertären Netzwerken und insbesondere auch von der Springer-Presse. Es ist erschreckend, dass in Deutschland die Klimakatastrophenverantwortlichen immer noch die Definitionsmacht haben.
Selbstverständlich gibt es Klimaterrorismus.
Ich meine damit allerdings nicht die jungen Umweltaktiven. Ich denke eher an die Spitzen der großen Öl-, Gas- und Kohlekonzerne und ihre globalen Netzwerke, die seit Jahrzehnten mit gezielter PR, mit Macht und Geld den ihnen bekannten menschengemachten Klimawandel und seine Folgen leugnen, verharmlosen und herunterspielen, und an die bezahlten Mietmäuler dieser Konzerne in Wissenschaft, Politik, Medien, industriegelenkten Initiativen und PR-Agenturen. Ihre Aktivitäten werden millionenfaches Leid und Tod verursachen.
Schon der Hitzesommer 2003, ein Vorgeschmack kommender Hitzesommer, hat ca. 70.000 Tote alleine nur in Europa gefordert.
Aus meiner Sicht spricht dies dafür, einen der beiden Begriffe „Klimaterrorismus oder Klimaterroristen“ zum Unwort des Jahres 2022 zu machen.
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„Auch der Unionsfraktionschef will in der Energiekrise sparen. Weihnachten feiert Merz nach eigener Aussage mit einem Baum mit echten Kerzen. Alleine dadurch erhöht sich natürlich die Raumtemperatur.“
„Wo kannst du noch Energie sparen“, sagt der CDU-Vorsitzende in einem Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur in Berlin. „Ich habe sowohl in meiner Berliner Wohnung als auch in unserem Haus in Arnsberg die Raumtemperatur reduziert und heize Räume nur, die ich auch nutze.“
Ist das nicht schön? Friedrich Merz spart Energie. Der Parteichef mit dem eigenen Privatflugzeug heizt sein Haus mit Kerzen. Ach da vergessen wir doch, dass Privatflüge pro Passagier 5- bis 14-mal umweltschädlicher als normale Verkehrsflugzeuge und 50-mal umweltschädlicher als Züge sind.
Ist das nicht schön? Friedrich Merz heizt nur die Räume, die er tatsächlich auch nutzt. Da vergessen wir doch gerne, dass er zu den Klimakatastrophenverantwortlichen zählt, die schon jahrzehntelang für Kohle, Öl, Gas und gegen ein Tempolimit streiten und dass er zu den obersten Energiewende-Gegnern zählt. Da vergessen wir doch gerne seine Zeit als Aufsichtsrats-Chef der deutschen Abteilung von Blackrock und die Blackrock-Verbindung zu Kohle- und Atom.
Die heutige DPA-Nachricht zeigt, in welch putzig-ablenkenden Nischen wir über Energiesparen und Klimawandel diskutieren und diskutieren sollen. Und dennoch die Meldung auch: Die schönsten Weihnachtsmärchen schreibt das Leben.
Weihnachtskrippe (Ausschnitt) der Familien Diewald, ausgestellt im Stadtmuseum Mülheim-Kärlich. Die Krippenlandschaft entwickelte sich seit den 1930er-Jahren über Jahrzehnte.
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Das Bundesverfassungsgericht hat die Verfassungsbeschwerden der Gesellschaft für Freiheitsrechte zur automatisierten Datenanalyse verhandelt. Hohe Streubreite und Zweckentfremdung der Daten legen eine Verfassungswidrigkeit nahe. Ein grundsätzliches Urteil zum Umgang mit KI bei der polizeilichen Datenauswertung ist dennoch nicht erwartbar.
Darf die Polizei all ihre Datenschätze zweckentfremden und mit Big-Data-Software auswerten? Können dabei gegebenenfalls auch die Daten von Unbeteiligten, Verbrechensopfern und Zeug:innen mit einfließen? In Hamburg und Hessen ist das möglich und zwar auf Grundlage zweier fast identischer Paragrafen in den Landespolizeigesetzen. In Hessen existiert bereits eine Software, die das umsetzt. Doch womöglich ist das nicht mehr lange so.
Denn das Bundesverfassungsgericht führte am Dienstag die mündliche Verhandlung von zwei Verfassungsbeschwerden der Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF) und weiterer Bürgerrechtsorganisationen, in denen eben diese Regelungen als unrechtmäßig gerügt werden. Die Bürgerrechtler:innen halten die Rechtsgrundlage für polizeiliche Big-Data-Analysen nach § 25a HSOG in Hessen respektive § 49 HmbPolDVG in Hamburg für verfassungswidrig. Die automatisierte Datenauswertung verletze das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung und weitere Grundrechte. Die GFF reichte daher im Namen verschiedener Beschwerdeführer:innen 2019 und 2020 Verfassungsbeschwerden in Karlsruhe ein.
Auf Grundlage der Regelung verwendet die hessische Polizei seit 2018 die Software HessenData des kommerziellen US-Anbieters Palantir. Sie ermöglicht es, die Daten zahlreicher polizeilicher Datenbanken und weiterer Quellen, wie Social Media, Mobilfunknutzung oder Meldebehörden, zu verknüpfen, um Beziehungen, Muster und andere Auffälligkeiten zu erkennen. In Hamburg könnte der Einsatz der Software demnächst folgen.
Anlasslos im Visier der Polizei
Unter den Beschwerdeführer:innen sind Journalist:innen, Jurist:innen, Bürgerrechtler:innen. Sie vereint die Sorge, Ziel unangemessener und intransparenter Durchleuchtung durch die Software zu werden. „Als Journalist:in/Rechtsanwält:in muss ich annehmen, im Kontakt mit Personen zu stehen, die als ‚gefährlich‘ gelten. Ich will nicht, dass mich eine Software deshalb selbst als Gefährder:in markiert – und die Polizei mir deshalb die Arbeit erschwert“, hieß es im Vorfeld der Verhandlung vonseiten der GFF.
Auch politische Aktivist:innen haben ein erhöhtes Risiko, in den automatisierten Analysen zu erscheinen. Denn „wer häufig in polizeilichen Datenbanken erfasst wird, hat ein hohes Risiko, dass die Datenanalyse auch zu ihm:ihr Querverbindungen zieht. Das können Zufälle sein – z. B. dass die Person auf der gleichen Versammlung polizeilich erfasst wurde wie eine Zielperson oder auf dem gleichen Foto war oder im gleichen Haus wohnt etc.“, erklärt Sarah Lincoln, Rechtsanwältin bei der GFF und Bevollmächtigte in der Verhandlung. Weitere eingriffsintensive Maßnahmen, wie Wohnungsdurchsuchungen oder Observationen, könnten sich daran anschließen.
Hohe Zahl an Unbeteiligten in der Auswertung
Das Anliegen der Beschwerdeführer:innen, als Unbeteiligte nicht in automatisierten Datenanalysen zu erscheinen, fand Anklang beim Landesdatenschutzbeauftragten Hessens, Alexander Roßnagel. Er kritisierte die hohe Zahl an Unbeteiligten, welche vor allem durch das Vorgangsbearbeitungssystem ComVor in die Analyse miteinbezogen werden. Denn darin werden alle Vorgänge der Polizei dokumentiert. Folglich befinden sich unter den erfassten Personen auch Opfer, Geschädigte, Zeug:innen und weitere Personen, die schlicht „zur falschen Zeit am falschen Ort waren“.
Dass die Sorgen der Beschwerdeführer:innen nicht unbegründet sind, bestätigte sich auch mehrmals anhand der Aussagen der Landesvertretung und Polizei. So ließ sich die hessische Ministerialrätin Elena Benz zu der Aussage verleiten, „aus kriminologischer Sicht können wir nie ausschließen, dass Daten nicht Ermittlungsansätze liefern“, und der in der Verhandlung angehörte Polizist Daniel Muth bemerkte: „Polizeilich kennen wir keine Unbeteiligten.“ Ihm zufolge sei die Einbeziehung der ComVor-Daten gerade deshalb so wichtig. Auch nach den Worten des hessischen Innenministers Peter Beuth (CDU), mit der „exponentiellen Entwicklung der Datenmengen“ müssten „die Sicherheitsbehörden Schritt halten“, um Leib und Leben der Bürger:innen schützen zu können, liegt es nahe, dass die Polizei künftig noch mehr Daten mit Software erschließen soll.
Massive Streubreite durch Funkzellendaten
Vor der Verhandlung war nicht bekannt, was eine Aussage des Landesdatenschutzbeauftragten Roßnagel klarmachte: Die gesamten Funkzellendaten aus den vergangenen zwei Jahren in Hessen werden im Quellsystem der Software gespeichert und können damit analysiert werden. Bei der Abfrage solcher Daten erhält die Polizei von den Mobilfunkbetreibern Informationen zu allen Handys, die in einem bestimmten Zeitraum in einem bestimmten Gebiet ins Netz eingewählt waren. Wenn man bedenkt, dass jede einzelne Abfrage laut dem Bundesdatenschutzbeauftragten Ulrich Kelber etwa 100.000 Datensätze enthält und jeder ermittlungsrelevante Treffer in den Daten zu einer Verlängerung der Speicherungsfrist führt, lässt sich dem Datenschützer zufolge von einer versteckten Vorratsdatenspeicherung sprechen.
Zwar hätten nach Angaben des hessischen Ministerialrats Bodo Koch auf diese Daten aktuell nur 50 Beamt:innen Zugriff. Diese Regelung hat sich die hessische Polizei jedoch selbst gegeben, das Gesetz sieht keine solche Begrenzung vor.
Einigkeit bei Datenschützern über mangelhafte Zweckbindung
Alle drei angehörten Datenschutzbeauftragten aus Hessen, Hamburg und für den Bund waren sich darin einig, dass mit der automatisierten Datenanalyse die Zweckbindung der Daten unzulässig aufgebrochen werde. Roßnagel zufolge seien die ComVor-Daten beispielsweise ursprünglich zu Dokumentationszwecken gesammelt worden, es handele sich um polizeiliche Verwaltungsdaten. Ihre Verwendung in der Software zur Analyse enthebe sie diesem Zweck. Er betont deshalb die Wichtigkeit der Klärung der Zweckbindung durch das Bundesverfassungsgericht.
Auch Richterin und Berichterstatterin des Verfahrens Gabriele Britz betonte durch ihre vielen Nachfragen zum Thema der Zweckbindung die Wichtigkeit. Sie stellte mehrfach die Frage an die hessischen Vertreter:innen, ob nicht eine Beachtung der Zweckbindung nur möglich sei, wenn der Ursprung der Daten in der Software-Anwendung gekennzeichnet sei. Das sei aber nach Angaben des hessischen Ministerialrats Koch nicht gegeben. Ihm zufolge fehlt bereits in den Quellsystemen die Kennzeichnung, weshalb auch in der Auswertung nicht feststellbar ist, ob Daten z. B. aus heimlichen und damit eingriffsintensiven Maßnahmen wie Wohnungsraumüberwachungen oder Staatstrojaner-Einsätzen stammen. Solche Daten unterliegen wegen ihrer hohen Eingriffsintensität engeren Zweckbindungen.
Selbst wenn im Nachgang einer Auswertung händisch überprüft würde, woher die Daten eigentlich stammen, wurden die Daten aus eingriffsintensiven Maßnahmen dann bereits ausgewertet, monierte einer der Bevollmächtigten der Beschwerdeführerseite, Tobias Singelnstein. Die Zweckentfremdung sei dann schon geschehen, selbst wenn sich im Nachhinein herausstellt, dass der entsprechende Anlass eigentlich nicht gegeben war.
Intransparenz von Palantir verunmöglicht Evaluation
Constanze Kurz war als technische Sachverständige für den Chaos Computer Club geladen. Sie betonte in ihrem Eingangsstatement, dass das Gesetz nicht bloß technikoffen gestaltet sei, sondern auch datenoffen. Es biete beispielsweise die Möglichkeit, über die aktuellen Quellen hinaus biometrische Daten in die Software einzuspeisen. Der Grundrechtseingriff werde damit ungleich drastischer.
Die Intransparenz des Softwareherstellers Palantir verunmögliche außerdem wissenschaftliche Begleitung. Eine dringend notwendige Evaluation der Maßnahme sei damit ausgeschlossen. Laut Koch gibt es bislang auch keine polizeiinterne Statistik über die Erfolgs- und Misserfolgsquoten der Maßnahme.
Fokus liegt auf polizeilicher Praxis statt Gesetzestext
Wie bereits anhand der Verfahrensgliederung erwartbar, drehte sich die Verhandlung in großen Teilen um die konkrete Praxis der hessischen Polizei. Ersichtlich wurde, dass diese Schranken und Sicherheitsmechanismen eingeführt hatte, um die Datenanalyse zu beschränken. Doch das tat sie größtenteils eigenverantwortlich, teilweise in Zusammenarbeit mit dem hessischen Landesdatenschutzbeauftragten.
Auch bemerkte die Rechtsanwältin Lincoln im Nachgang: „Das, was die Polizei da macht, also Datensysteme zusammenführen und durchsuchen, wirkte jetzt nicht besonders ausgefeilt und auch die Beispiele wirkten eher harmlos.“
Mehrmals versuchten die Beschwerdeführer:innen die Verhandlung deshalb von den anwendungsbezogenen Einzelheiten der Software und ihres Einsatzes weg, hin zum eigentlichen Gegenstand der Beschwerde zu lenken: dem Gesetzestext. Denn dieser ermöglicht weitaus mehr, als die Polizei in Hessen offenbar aktuell durchführt und was der Polizei in Hamburg demnächst ermöglicht werden soll.
Gefahr hoch, dass KI-Systeme eingeführt werden
So fragte Lincoln, ob es für die Zusammenführung von Daten, wie sie die Polizei in ihren Beispielen häufig fordert, wirklich die Ermächtigung zur komplexen Datenanalyse braucht. Der Gesetzestext erlaube alles von Excel-Tabellen bis hin zu KI-Systemen, die Personen mit einer zwanzigprozentigen Wahrscheinlichkeit, Terroranschläge zu begehen, ausspuckt. Von solchen Systemen gehe jedoch die Gefahr aus, dass die Polizei „auf dem Holzweg ist und dafür auch noch ein selbstfahrendes Auto bekommt“, warnte Lincoln. Fehlgeleitete Ermittlungsansätze würden verstärkt, strukturelle Diskriminierung in den Daten fortgesetzt.
Auch Roßnagel merkte an, dass die Einführung von KI nur eine Frage von Jahren sei und grundsätzlich jede Neuanbindung von Daten im Interesse der Polizei stehe. Bislang sei die Deutungshoheit darüber, was im Interesse der Sicherheit liegt, allein bei der Polizei. Der Gesetzestext selbst lasse im Grunde alles offen.
Großer Wurf bleibt vermutlich aus
Im Vorfeld war die Erwartung groß, dass vom Gericht Neuland betreten und erstmals Regelungen zum polizeilichen Einsatz von KI gefunden werde. Der Fokus der Richter:innen in der Verhandlung legte aber nahe, dass daran kaum Interesse besteht. Wahrscheinlich dürften kleinere Schritte sein, um die spezifischen polizeilichen Datenanalysen zu regulieren und die existierende Praxis einzuschränken.
Lincoln resümierte im Nachgang: „Es ist an den Fragen und Kommentaren der Richter:innen deutlich geworden, dass die Ermächtigungsgrundlagen zur automatisierten Datenanalyse so nicht stehen bleiben werden. Weil die Menge der einbezogenen Daten zu groß, die Zweckbindung nicht ausreichend sichergestellt und die Eingriffsschwelle zu niedrig ist.“
Die Chance, eine Grundsatzentscheidung zum Umgang mit KI zu treffen, dürfte aber wahrscheinlich ungenutzt bleiben.
Update: Wir haben den Text nach Veröffentlichung geringfügig aktualisiert.
Lizenz: Die von uns verfassten Inhalte stehen, soweit nicht anders vermerkt, unter der Lizenz Creative Commons BY-NC-SA 4.0.
Unten — Für Dokumentationszwecke bewahrte das Bundesarchiv häufig die Bildunterschriften, die sein können fehlerhaft, voreingenommen, veraltet oder politisch extrem. 18.12.1989 Bundesverfassungsgericht Karlsruhe I. Senat in alter Zusammensetzung (bis 15.6.1989) v.li.: Prof. Dr. Alfred Söllner, Dr. Otto Seidl, Prof. Dr. Hermann Heußner, Präsident Prof. Dr. Roman Herzog, Dr. Gisela Niemeyer, Prof. Dr. Johann Friedrich Henschel, Prof. Dr. Dieter Grimm, Prof. Dr. Thomas Dieterich
Bundesarchiv, B 145 Bild-F083310-0001 / Schaack, Lothar / CC-BY-SA 3.0
Weihnachten mit Kaspar, Meloni und anderen politischen Früchtchen unter einen Baum sitzen ?
Ein Schlagloch von Georg Seeßlen
Wie Kaspar, Onkel David und Herr Friedrich Weihnachten feiern. Und warum die Lichter am Lego-Kampfraumer von „Star Wars“ nicht angehen. Die haben schon beim Auspacken so deppert gegrinst, dass ich gewusst hab’: Das war das Richtige.
Fröhliche Weihnachten“, hat der Kaspar gesagt. „Gesegnetes Fest“, hat der Onkel David gemeint. Und der Herr Friedrich hat noch gesagt: „Und falls wir uns dann nicht mehr sehen, auch einen guten Rutsch.“ Und dann war Weihnachten auch fast schon wieder vorbei. Es ist halt immer früher vorher und dann umso schneller nachher. Umgekehrt wär’s mir lieber.
Heuer hat es viel mit HüHalloron gegeben. Das ist oft im Fernseh gewesen und hilft praktisch bei allem. Man kann es sich ins Haar schmieren oder auf die Haut oder in die Augen tropfen. Ich persönlich tät’s nicht mögen. Weil im Fernseh grinsen die Leut’ nach einem HüHalloron immer so deppert wie der Franz, wenn er eine Eins für seine Hausaufgaben kriegt. Der Franz kriegt immer eine Eins für seine Hausaufgaben. Die macht er immer gleich zwei oder drei Mal, und die verkauft er dann an die, wo die Hausaufgaben vergessen haben oder keine Lust nicht gehabt haben. Aber da macht er mit Absicht ein paar Fehler hinein, damit es nicht aufkommt und er trotzdem immer der Beste ist. Aus dem Franz wird noch was, das sagen alle.
Dass aus mir was wird, sagt eigentlich niemand. Höchstens ein Schwerverbrecher. Weil ich selten Lust für eine Hausaufgabe habe, ist so viel von meinem Taschengeld draufgegangen, dass Weihnachten auch schwierig geworden ist. Aber es hat gerade gereicht, dass ich für jeden was mit HüHalloron hab’ kaufen können. Da haben die schon beim Auspacken so deppert gegrinst, dass ich gewusst hab’: Das war das Richtige.
Ich hab einen Lego-Kampfraumer von „Star Wars“ bekommen. Da ist, glaub’ ich, kein HüHalloron drin. Der Onkel David und der Herr Friedrich haben mir dann beim Zusammenbauen geholfen. Gut, es sind ein paar Teile übrig geblieben, weil Onkel David gesagt hat, für so was braucht er doch keine Bauanleitung. Achtung! Hier Commander Tom. Wir haben ein paar ernsthafte Störungen für unseren Einsatz. (Weil, die Batterie für die Lichter an den Seiten ist irgendwie auch nicht gegangen.) Aber wir machen uns trotzdem bereit für den Angriff auf die feindliche Raumflotte. Hier Station eins. Unter dem Todesstern im grünen Zwischen-Kosmos befinden sich mehrere der glänzenden HüHalloron-Bomben. Sofort angreifen und unter Beschuss nehmen! Und wie Commander Tom die HüHalloron-Bomben angegriffen hat, da ist eine Kerze dumm verrutscht (weil, wir haben noch echte Kerzen am Christbaum, da gibt es nichts), und dann hat halt so ein Zweig von unserem Christbaum zum Brennen angefangen, und dann ist der Herr Friedrich aufgesprungen und hat sein Festbier darüber geschüttet. Und dann war wieder eine Ruhe, und alle haben den Herrn Friedrich bewundert. Nur dass man dem Onkel David angesehen hat, dass er mir am liebsten eine Watschen gegeben hätte, aber das ist nicht gegangen, weil ja der Herr Friedrich da war. Ich hab’ jetzt nicht mehr in die Nähe von dem Baum gedurft. Achtung, Station. Hier Commander Tom. Der Schutzschild um die HüHalloron-Bomben ist zu stark. Wir setzen jetzt unsere Distanzwaffen ein.
Jetzt hat es natürlich noch mehr Festbier gegeben. Und das war schlecht. Weil, normalerweise haben der Kaspar und der Onkel David so verschiedene Meinungen, dass sie miteinander gar nicht erst reden. Aber natürlich, wenn es ein Festbier gibt. Commander Tom, die massive Gegenwehr zwingt uns zu neuen strategischen Maßnahmen. Landen Sie zwischendurch neben dem Versorgungsteller. Das HüHalloron darf nicht in falsche Hände geraten! Jetzt hätte ich gern eine „Star Wars“-Serie im Fernseh angeschaut, weil wir haben jetzt auch Schdrieming und alles. Aber die Mama hat gesagt, dass sie zu Weihnachten überhaupt nichts von einem Krieg hören will. Und da hat der Onkel David gesagt, das soll sie einmal dem Putin sagen. Aber der Putin, der hört ja schon lang auf niemanden mehr. Das ist normal. Weil, in unserer Familie hört ja auch keiner auf jemand.
Zum Beispiel, dass wir immer noch einen alten Opel haben, wo doch ein BMW viel besser wär’. Der Franzl, den fährt sein Vater jeden Morgen mit dem BMW zur Schule, und so, dass man auch sieht. So weit kommt’s noch, hat die Mama gesagt, dass ich dich die paar Meter mit dem Auto zur Schule fahr. Es ist ja auch besser so, weil sonst sieht jeder, dass wir nur einen Opel haben. Achtung, Commander Tom! Ein kosmischer Sturm braut sich zusammen.
Oben — Keine frohen Weihnachten. Cartoon über eine Familie, die kein Geld für Weihnachtsgeschenke hat.
Transkription:
Weihnachten 2002 – Walter hatte gerade seine Stelle verloren, und wir mußten unsere Geschenke mit dem Haushaltsgeld kaufen. Dieses Jahr gab’s Erbsen und Möhren, Bohnen und Tomaten.
Wir dachten, wenn die angekündigten Krisen kommen, Wälder brennen, Atomkraftwerke im Krieg beschossen werden, Flüsse austrocknen, Menschen verdursten, Extremwetterereignisse sich häufen und immer mehr Arten ausgerottet werden, würden die Menschen den Zusammenhang von Umweltzerstörung, Gier und unbegrenztem Wachstum verstehen und die tatsächlichen Täter, Täterinnen und Klimakatastrophenverantwortlichen benennen. Wir haben die Macht der Mächtigen unterschätzt.
2022 war ein Scheiß-Jahr!
Der mörderische und völkerrechtswidrige Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine war das bestimmende Thema des Jahres 2022. Kriegszeiten sind Zeiten größtmöglicher Dummheit, Irrationalität und selektiver Wahrnehmung, in denen menschliches Denken und Handeln von stammesgeschichtlich erklärbaren, steinzeitlichen Reflexen geprägt ist. Der Krieg stärkte weltweit den organisierten Hass, die Kriegsgewinnler, Populisten und Vereinfacher, die das Rad des ökologischen und sozialen Fortschritts immer schon zurückdrehen wollten.
2022 war weltweit und regional ein Jahr der klimatischen Extreme mit sommerlichen Dürreperioden und Waldbränden. Nach den Aufzeichnungen des Deutschen Wetterdienstes war der Sommer 2022 in Deutschland einer der wärmsten und trockensten – und vor allem der sonnigste – seit Beginn der Wetteraufzeichnungen im Jahr 1881. Die Klimakatastrophe liegt schon lange nicht mehr „in der Zukunft“, sondern sie ist real. Und doch schafften es die alten, atomar-fossilen Seilschaften, die Klimakatastrophenverantwortlichen in enger Zusammenarbeit mit Klimawandelleugnern und der Springer-Presse perfekt, den Zorn auf die jungen Umwelt-Aktiven der „Letzten Generation“ zu lenken. Klimaterrorismus wäre ein gutes Unwort des Jahres 2022. Der gut organisierte Hass schwoll an, denn die Aktionen der jungen Aktiven störten Verdrängung, Apokalypseblindheit und Gewinnerwartungen.
Der Krieg, die von Konzernlobbyisten verhinderte Energiewende, die maroden französischen AKW und die von Putin und den Kriegsgewinnlern ausgelöste Energiekrise führte zur Gefahrzeitverlängerung von Kohle- und Atomkraftwerken. Die undemokratische Macht der Konzerne, der Umweltzerstörer und der Umweltzerstörungsparteien wurde sichtbar, als in Deutschland die menschengefährdende Kohle- und AKW-Gefahrzeitverlängerung beschlossen wurde, nicht aber ein menschen- und klimaschützendes Tempolimit. Klima- & Atomkatastrophen fallen nicht vom Himmel. Sie werden gemacht.
Die Krisenbewältigung durch die rot-grün-gelbe Bundesregierung war aus ökologischer Sicht bisher blamabel. Laufzeitverlängerung für Kohle und Atom, eine beschleunigte „Energiewende“ insbesondere bei LNG-Terminals, kein Tempolimit und ein peinliches JA zum CETA -Freihandelsabkommen zwischen der EU und Kanada … Von einer grünen Handschrift war wenig zu bemerken.
Leider hat sich auch die EU wieder einmal blamiert. Investitionen in Gas und Atom sollen ab 2023 als nachhaltig gelten. Mehr umweltzerstörender Greenwash war selten.
Ausgerechnet in der „befreundeten Diktatur Katar“ fand die Fußball-Weltmeisterschaft statt. Viele Menschen schauten „bewundernd“ auf die glänzenden Fassaden von Katar & auf die anderen Protzstädte am Golf, in denen eine kleine, superreiche & extrem umweltzerstörende Elite lebt. Die Städte wurden von Menschen im Schweiße ihres Angesichts erbaut, die häufig nicht einmal einen Euro Stundenlohn erhalten haben.
Ebenfalls in einer „guten, nützlichen“ Diktatur, in Ägypten, fand die Weltklimakonferenz statt. Auch hier zeigte sich die undemokratische Macht der alten fossilen Seilschaften. Sie verhinderten wieder einmal erfolgreich-verbrecherisch den Fortschritt beim Klimaschutz.
Die UN-Artenschutzkonferenz in Montreal brachte zumindest Teilerfolge.
2022 war das Jahr, in dem das Geld „verschwand“. Es war plötzlich weg, weniger, aufgelöst, verdunstet & verschwunden. Wohin unser Geld ging, wurde selten berichtet. Es ging von unten nach oben. Es bereicherten sich Kriegsgewinnler, Milliardäre, Gas-Konzerne in befreundeten Staaten & Öl-Konzerne in „befreundeten“ Diktaturen. Gerade die Konzerne, die jahrzehntelang die Klimakatastrophe aktiv gefördert haben, haben sich schamlos bereichert.
Oberrhein und Südbaden: Regionaler umweltpolitischer Jahresrückblick 2022:
Mit der Verschiebung der Brennelemente aus dem abgestellten AKW Fessenheim nach La Hague wurde regional die größte Unfallgefahr gebannt. Die riskante Stromerzeugung für eine Generation hat in Fessenheim Atommüll produziert, der noch eine Million Jahre strahlt und 22.000 Generationen gefährdet.
Für den Betrieb (nicht nur) der Schweizer Atomkraftwerke werden selbstverständlich immer noch Brennstäbe aus Russland importiert. Macht zeigt sich auch bei der Frage, welche russischen Exportenergien vom Westen boykottiert werden. Atomare Brennstäbe gehören nicht dazu.
Die Schweiz will das Endlager für Atommüll im Gebiet Nördlich Lägern wenige Kilometer südlich der deutschen Gemeinde Hohentengen bauen. Die häufig einseitige Berichterstattung zu den atomaren Endlagerplänen der Schweiz war erschütternd unkritisch. Kein Wort zum Permokarbontrog unter dem geplanten Endlager und zur erkennbaren Käuflichkeit der Regionalpolitik. Der Schweizer Franken scheint die optimale „Endlagerformation“ zu sein. Atomare Käuflichkeit schützt zwar nicht die nächsten 30.000 Generationen, passt aber gut in unsere Zeit der Umweltzerstörung und der Gier.
In der selbsternannten Ökoregion Südbaden wurde 2022 intensiver über den Bahnausbau und den Bau von Radwegen diskutiert, als über den geplanten klimazerstörenden Autobahnausbau.
Auch in diesem Jahr haben 945 Tonnen Chlorid das Grundwasser bei Buggingen versalzen. Seit dem Jahr 2008 gibt es ein „sanierungserzwingendes“ Gerichtsurteil. Ist dem Landratsamt Breisgau-Hochschwarzwald & dem Kreistag das Grundwasser und Trinkwasser eigentlich scheißegal?
Nicht nur in Endingen waren mit zunehmender Beschleunigung
worden. Das Landratsamt Emmendingen und das Regierungspräsidium Freiburg haben jetzt endlich für Rechtssicherheit gesorgt. Alle Eingriffe in Hohlwege sind genehmigungspflichtig. Nach der naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung sind sie vorrangig zu vermeiden.
Der Europa-Park will über dem extrem flächenfressenden PKW-Auslieferungszentrum der Firma Mosolf bei Lahr eine große Solaranlage bauen. Die beiden Firmen greifen damit eine alte BUND-Forderung aus dem Jahr 2014 endlich auf.
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Trocken gefallene Quellen, Probleme bei der Wasserversorgungen und ausgetrocknete Bäche. Der Sommer 2022 zeigte auch in Südbaden alle Gefahren der beginnenden Klimaveränderungen. Die aktuellen und die kommenden Probleme mit langen Trockenphasen und einzelnen Starkregenereignissen waren in aller Munde. Erstaunlich und erschreckend wenig wurde über die massiven Gefährdungen des Trink- und Grundwassers durch Nitrat, Altlasten und Versalzung gesprochen.
Weltweit, aber auch in der selbsternannten „Ökoregion“ Südbaden herrscht das „Prinzip Breisach“. Die massiven Nitrat- und Versalzungsprobleme der Stadt am Rhein wurden nicht etwa durch eine Bekämpfung der Ursachen angegangen, sondern durch das teure Ausweichen auf weit entfernte Quellen. Was interessiert die Menschen in Breisach jetzt der unsanierte Salz-Abraumberg in Buggingen, wenn das Wasser aus Hausen kommt?
Von der Kali-Abraumhalde in Buggingen werden pro Tag bis zu 2,58 Tonnen Salz ins Grundwasser gespült, auf das Jahr gerechnet sind das bis zu 945 Tonnen Chlorid. Jahrzehntelang hatte die K+S AG, früher Kali und Salz AG, versucht, die Sanierungskosten auf die Allgemeinheit abzuwälzen und erfolgreich auf Verzögerungen bei der Sanierung gesetzt.
Seit einem Urteil aus dem Jahr 2008 (!) ist Firma letztinstanzlich in der Pflicht, die Sanierung auf Konzernkosten durchzuführen.
„K+S geht derzeit davon aus, dass im nächsten Jahr mit der Sanierung begonnen werden kann.“ stand am 9.12.2020 in einem Bericht der Badischen Zeitung Im „nächsten Jahr“ wäre 2021 gewesen und nichts geschah. Jetzt sind wir kurz vor dem Jahreswechsel 2022/2023 und noch immer läuft die Salzbrühe ins Grundwasser.
Später hieß es dann, die Sanierung würde erst 2023 begonnen und könnte 8 Jahre dauern.
Ein Blick auf die viel schneller sanierten Abraumhügel im elsässischen Kalibecken zeigt, dass es auch besser und effizienter geht, als in der „Ökoregion“ Oberrhein.
Der mangelnde Druck auf die K+S AG und das erkennbare, jahrzehntelange Desinteresse der Kreisverwaltung Breisgau-Hochschwarzwald am schnellen Schutz unseres Grund- und Trinkwasser sind ein umweltpolitischer Skandal. Warum lässt sich der Kreistag dies seit so vielen Jahren gefallen?
WM, Wettbewerb und Beste Generation. Die deutsche Nationalmannschaft boykottiert die WM mit einer raffinierten Methode: dem Ausscheiden in der Vorrunde. Denn Wettbewerb isch out und over.
Flick dich, Deutschland, las ich irgendwann im trüben blauen Licht meines Handys, als es ruhig geworden war. Mir dämmerte: Die WM ist vorbei, zumindest für Bundestrainer Hansi Flick und die deutsche Nationalmannschaft. Ich selbst hatte sie ja von Anfang an – äh – boykottiert.
Meiner Tochter sei Dank, die hat ja jeden Abend Einschlaftraining. Leider spielen wir seit anderthalb Jahren in der dritten Liga, immer dieselbe Abfolge. Foul durch mich, Sit-up, Rolle zum Bettrand, Winken für die Fans da draußen, die dann die nächste Hymne anstimmen. Natürlich hätte ich die WM in Katar auch ohne unser abendliches Spiel boykottiert, Ehrensache. Genau wie die deutsche Mannschaft durch frühzeitiges Ausscheiden.
Denn das nenne ich doch mal gut umgesetzte, wertegeleitete Außenpolitik. Klar, bei der Frage der One-Love-Binde haben sie noch schön devot die fleißigen Fifa-Zwerge gegeben – um dann, durch eine interessante Verkettung von Umständen, den echten Trumpf auszuspielen: Vorrundenaus. Denn seien wir ehrlich, Fußball gucken ohne sich auf die Seite einer (der jeweils eigenen) Mannschaft zu schlagen, ohne dieses „Wir gegen die“-Gefühl, macht nur ganz wenigen Menschen Spaß.
Mein Freund gehört unverständlicherweise dazu, was ich ebenso befremdlich wie bewundernswert finde. Vielleicht hat das damit zu tun, dass sein Heimatland Israel so selten an einer WM teilzunehmen bereit ist.
Was womöglich ebenfalls kluge Außenpolitik von israelischer Seite ist: In Katar werden schon israelische Fans und Reporter übelst beschimpft und bedroht. Damit, unter solchen ungemütlichen Umständen auch noch die eigenen Sportler ins Ausland zu schicken, hat das Land in der Vergangenheit die schrecklichsten Erfahrungen gemacht (München 72). Und wer wirklich was drauf hat – so ist es ja auch im wahren Leben –, muss niemandem was beweisen.
Ans bayerische Abitur kommt qualitativ nichts heran
Wie schön wäre es, wenn das endlich Maxime unseres Denkens werden könnte. Bisher leben wir ja noch immer nach den sehr patriarchalen Maximen vergangener Jahrhunderte. Jeder muss sich ständig gegenüber allen beweisen. Vater, Chef, Nachbar, Buddy – und wer noch nicht im eigenen Team mitspielt, muss es doppelt und dreifach –, um es dann trotzdem nur auf die Auswechselbank zu schaffen.
Peinlicher jüngster Ausdruck dieses verramschten Denkens war diese Woche die Debatte über eine erleichterte Einbürgerung in Deutschland. Klar, dass man die in den Augen etwa eines Alexander Dobrindts nicht jedem in den Rachen werfen kann wie Smarties, andere haben – äh – schließlich hart dafür gearbeitet. Haha, Scherz.
Obwohl: Klar, ans bayerische Abitur kommt qualitativ nichts heran, ich muss es wissen, ich habe es selbst kaum geschafft. Aber anscheinend ist es für viele immer noch leichter, sich selbst in Zeiten dramatischen Fachkräftemangels noch in den eigenen Fuß zu schießen, als das alte binäre Schlechter-besser-Denken fahren zu lassen. Oder zumindest durch eine kurze Recherche Abschlüsse aus anderen Ländern mit den eigenen fair zu vergleichen. Aber ich verstehe schon: Um alte Muster zu durchbrechen, braucht es viele Jahre Analyse – die ich der CSU und manchen anderen hiermit wärmstens ans Herz legen möchte.
Unten — Der als „Bananensprayer“ bekannte Künstler Thomas Baumgärtel hat am 3. Februar 2018 vor dem Gebäude der Koalitionsverhandlungen von CDU, CSU und SPD sein 4 mal 5 Meter großes Riesenplakat mit der Aufschrift „Ohne Volksabstimmung ist alles Banane“ vollendet. Er fordert, dass die Bevölkerung selbst mitbestimmen kann. Weitere Infos hier:www.mehr-demokratie.de/news/2018/kunst-trifft-demokratie
Bald wird Millionen Christ:innen wieder die Geschichte von Maria und Josef rühren, die vergebliche Suche nach einer Herberge. In Baden-Württemberg ist es gerade auch nicht leicht, Unterschlupf zu finden. Ginge es nach der CDU, sollen ausgerechnet afghanische Ortskräfte schauen, wo sie bleiben.
„Alles geht den Bach runter“, schrieb Matthias Horx im Sommer 2016, das sei „eine Behauptung, die sich in der öffentlichen Debatte verfestigt.“ Von „Immerschlimmerismus“ spricht der Zukunftsforscher, von der Projektion des eigenen Pessimismus‘ auf die Zukunft, was oft allein den Rechten nütze. 2016 zeigte sich dies gegenüber Menschen auf der Flucht: Vorurteile und Verdächtigungen hatten sich verfestigt, weit über jene Kreise hinaus, die die Nationalist-innen vom rechten Rand bis dahin erreicht hatten. Profitiert hatte davon vor allem die „Alternative für Deutschland“ (AfD), die 2017 mit 12,6 Prozent der Wählerstimmen in den Bundestag einzog und heute in Umfragen wieder zwischen 14 und 16 Prozent steht. Die CDU, nicht mehr in der Bundesregierung, scheint nun auf dieser Welle mitreiten zu wollen. Und die „Methode Populismus“, wie die Grünen-Fraktionschefin im Bundestag Britta Haßelmann das Agieren der Union nennt, verfängt. Immer neue unbelegbare Vorwürfe bringen Prozentpunkte in der Demoskopie.
So beklagt der CDU-Vorsitzende und -Fraktionschef im Bundestag Friedrich Merz, dass Ukrainer-innen zwischen ihrer Heimat und Deutschland pendeln, um Sozialleistungen zu kassieren, nimmt das dann zurück und hat doch Zwist gesät. Nicht minder populistisch agiert die CDU bei anderen Themen: So gießt Thorsten Frey, Merz‘ Fraktionsvize und dem Vernehmen nach Favorit für höchste Ämter in Baden-Württemberg, immer weiter Öl ins Feuer im unappetitlichen Gefeilsche ums Bürgergeld. Zu diesem weiß in Stuttgart CDU-Fraktionschef Manuel Hagel – noch einer, der höher hinaus möchte – besonders kantig zu formulieren: „Der leistungsfeindliche Geist des bedingungslosen Grundeinkommens ist nun wieder zurück in der Flasche.“
Wie sich die vielen verwegenen Behauptungen über das Bürgergeld verfestigt haben, lässt ahnen, dass der Republik schwere Wochen und Monate bevorstehen, wenn die Union auf ähnliche Weise in der Flüchtlingspolitik agieren will. Etwa beim im Oktober von der Bundesregierung vorgestellten Bundesprogramm zur Aufnahme von früheren, hochgefährdeten afghanischen Ortskräften, die vor den Taliban fliehen. Ausgerechnet die Fortsetzung für besonders vulnerable Gruppen hat sich Baden-Württembergs Justizministerin Marion Gentges (CDU) als Exerzierfeld für die harte Gangart ausgesucht.
Justizministerin Gentges schreibt in AfD-Tonlage
„Vor dem Hintergrund der bereits erfolgten hohen Zugänge ist das nun verkündete Bundesaufnahmeprogramm Afghanistan mit geplanten bis zu 1.000 Menschen pro Monat aus Sicht des Ministeriums der Justiz und für Migration in keiner Weise verantwortbar“, schreibt Gentges an Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) in genau jener Tonlage, durch die vor sieben Jahren die AfD im Land stark wurde. Die Zahl ist aus der Luft gegriffen. Nach der Statistik aus ihrem eigenen Haus kamen im August 166 Schutzsuchende aus Afghanistan ins Land, im September 123, im Oktober 85 und im November bisher 132 (Stand 28. November).
Staunt denn niemand über die Tatsache das die Justizministerin einer republikanischen Partei schreiben und lesen kann ? Die Mauern werden doch schon in Bayern gebaut.
Und noch ein paar Fakten: Baden-Württemberg hat, Stand Ende 2021, gut elf Millionen Einwohner-innen. Zum Stichtag 31. August 2022 lebten zwei Millionen Ausländer-innen im Land, darunter knapp 130.000 Flüchtlinge mit unterschiedlichem Status, von anerkannten Asylbewerber-innen bis zu eigentlich Ausreisepflichtigen, die aber geduldet sind. Asylanträge stellten seit Jahresbeginn rund 23.000 Menschen, weitere etwa 140.000 flohen vor Putins Angriffskrieg auf die Ukraine in den Südwesten. Es geht also um weniger als drei Prozent der Bevölkerung oder um rein rechnerisch drei Neuankommende auf hundert Einheimische. Gentges aber schreibt an die Bundesinnenministerin: „Angesichts der nach wie vor rapide ansteigenden Zahl von Schutzsuchenden sehen wir uns als Land – und insbesondere unsere Kommunen – aktuell und künftig mit einer ungeheuren Belastungssituation konfrontiert.“ Und weiter: „Alle Ebenen unserer Aufnahme- und Ausländerverwaltung stehen am Rande ihrer Leistungsgrenzen.“
Besonders schräg nahmen sich die Klagen aus angesichts jüngster Analysen der EU. Dass ein 83-Millionen-Einwohner-Land wie Deutschland in absoluten Zahlen vergleichsweise viele Geflüchtete aufnimmt, liegt nahe. Die Realität beim Blick auf die Pro-Kopf-Aufnahme ist jedoch eine ganz andere. Denn da liegt Österreich an erster Stelle, vor Zypern und Kroatien. Deutschland liegt im Mittelfeld. Und die von der Justizministerin ins Spiel gebrachte Idee, sogar über die Neuverteilung von Ukraine-Vertriebenen nachzudenken, ist auch keine wirklich gute. Denn elf Millionen Baden-Württemberger-innen haben jene 140.000 aufgenommen, das 39 Millionen Menschen zählende Polen aber 3,5 Millionen.
Die Wutach, der kleine, schöne Fluss im Schwarzwald war einmal eines der besten Forellengewässer Europas und berühmt für seine Wasserqualität. Der exklusive Londoner „Bad Boll Fishing Club“ hatte auf einer Länge von 80 Kilometern die Angelrechte an der Wutach gepachtet und Bad Boll war damals ein kleines Schwarzwald-Bad am Rande der Wutach-Schlucht. Doch die ungeklärten Abwässer der Papierfabrik in Neustadt führten ab 1905 zu einem raschen Rückgang des Fischbestandes.
Vor 50 Jahren, im Jahr 1972 geschah in der kleinen, konservativen Schwarzwaldstadt Donaueschingen „Ungeheuerliches“. Die Umweltschützer und Paddler Roland Görger und Konrad Jäger, beide aktiv in der Freiburger Aktion Umweltschutz, dem späteren BUND, demonstrierten bei den Donaueschinger Musiktagen. Sie verteilten 1000 Infoblätter und verlangten die Abwasserklärung der fürstlichen Papierfabrik in Neustadt und die Beendigung der massiven Wasserverschmutzung der Wutach. Nach dem Krieg mussten die beiden Kajak-Fahrer die Plastifizierung der Ufer, die hemmungslose Gewässerverschmutzung und die immer schnellere Zerstörung der Bäche und Flüsse erleben und erleiden. Beide standen für eine neue, politischere Generation im Natur- und Umweltschutz, die sich auch mit Autoritäten anlegte. Der Zustand der Umwelt in Deutschland war 1972 teilweise entsetzlich und viele Bäche und Flüsse stinkende Kloaken. Es war eine Zeit, in der in Deutschland Kinder durch Luftverschmutzung krank wurden, Asbest-Gefahren wurden verharmlost und der Schweizer Atommüll noch im Meer versenkt. Es war die Zeit einer erwachenden Umweltbewegung, in der aus „Nur-Naturschutzverbänden“ politisch engagierte „Umwelt- und Naturschutzorganisationen wurden. Ein »Fenster der Möglichkeiten« öffnete sich am Oberrhein und wenige Jahre später kam es zu den großen, spektakulären Protestaktionen und Bauplatzbesetzungen gegen ein Bleiwerk in Marckolsheim (F) und gegen die AKW Wyhl, Kaiseraugst (CH) und Gerstheim (F).
Heute wäre so eine Aktion keine besondere Nachricht, damals war sie sehr ungewöhnlich. Sponsor der Donaueschinger Musiktage war der Fürst zu Fürstenberg, der auch Besitzer der Papierfabrik Neustadt war. Protest gegen „den Fürst“ war damals in Donaueschingen noch ein Sakrileg. Nach langem Streit und wirtschaftlichen Verwerfungen wurde endlich eine Kläranlage eingebaut. Ein erster Erfolg für den Wasserschutz und den Schutz unserer Bäche und Flüsse, an dem eine damals noch junge Umweltbewegung ihren Anteil hat. Wenn heute in Bächen und Flüssen wieder gebadet werden kann, wenn die Lachse langsam zurückkehren, dann sollten wir daran erinnern, dass diese Erfolge nicht vom Himmel gefallen sind, sondern teilweise hart erkämpft werden mussten.
Die frühen Kämpfe waren schwierig und mühsam und dennoch einfach, denn die Vergiftungen und Belastungen waren zumeist sichtbar, messbar und erkennbar. Die erfreulichen heutigen Kämpfe gegen Klimawandel, Artenausrottung, Atommüllproduktion und die Folgen unbegrenzten Wachstums sind schwieriger. Dennoch können wir aus den frühen Erfolgen Hoffnung und Kraft schöpfen. Axel Mayer, Mitwelt Stiftung Oberrhein, (Alt-)BUND-Geschäftsführer (Auf Wunsch sende ich Ihnen auch gerne einen umfangreichen Lang-Text zu diesem Thema zu.) Nachtrag:
„Die Umweltbewegung wird für das gelobt, was sie in der Vergangenheit getan und erreicht hat und sie wird heftig dafür kritisiert, was sie aktuell fordert und durchsetzen will“
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Die Wutach bei Tiengen zwischen Steina- und Schlüchtmündung. Blick flussaufwärts etwa bei Fluss-Kilometer 2,7. Die gedeckte Holzbrücke verbindet den Stadtteil Tiengen der Stadt Waldshut-Tiengen (links) mit dem Naherholungsgebiet Bürgerwald. Aufnahme vom 04. Mai 2006. Foto: G. Boll, Waldshut.
Hier kann Kretsche unter den Spaziergängern noch eine Grüne Zukunft erkennen !
Von Johanna Henkel-Waidhofer
Zum 40. Geburtstag der Grünen wusste Winfried Kretschmann noch, dass die unsichtbare Hand des Marktes das Klima nicht rettet. Den Konsequenzen aus dieser Erkenntnis verweigern sich viele Grüne, nicht zuletzt der Ministerpräsident. Deshalb soll jetzt sogar kritische Infrastruktur verscherbelt werden.
Die gute Nachricht zuerst: „Sie können mal sicher sein: Die Chinesen kriegen es nicht.“ Was Regierungschef Kretschmann sonst noch sagte zu dem Plan des landeseigenen Stromanbieters EnBW, 49,9 Prozent des Transportnetzbetreibers TransnetBW zu verkaufen, zeigt nur, in welche Sackgasse er sich beim Ausbau der erneuerbaren Energien manövriert hat. Eigentlich, so Kretschmann, müssten Milliarden rasch in den Ausbau investiert und sehr zügig neue Infrastruktur geschaffen werden. Aber: „Die Alternative zum Verkauf wäre eine Kapitalspritze durch das Land, ich sehe aber nicht, dass diese Alternative haushaltspolitisch möglich wäre.“
Also dürfen – neben der Idee, einen Teil der TransnetBW an die KfW abzutreten, wenn der Preis stimmt – Private ran. Einer der Interessenten für die TransnetBW-Anteile heißt Blackrock. Dabei hat die Hoffnung, Investoren würden die Energiewende wuppen, den Praxistest noch nie bestanden. Nicht im Zeitalter neoliberaler Blütenträume, als gewachsene Strukturen in der Erwartung zerschlagen wurden, dass fragmentierte Geschäftsmodelle und mehr Wettbewerb eine sichere und noch dazu kostengünstige Versorgung bieten können. Schließlich ist das allererste und wichtigste Interesse privater Geldgeber, dass die Rendite stimmt. Zur Zeit zeigt sich auf dem Atlantik, wohin das führt: Dutzende LNG-Tanker dümpeln wie auf Befehl vor sich hin und steuern keinen europäischen Hafen an – in der Hoffnung kapitalistischer Steuermänner auf einen kalten Winter und weiter steigende Preise. Im Netz ist tagesscharf nachzuverfolgen, dass die europäischen Länder keineswegs schon alle über volle Gasspeicher verfügen. Von der fehlenden Solidarität mit anderen Weltgegenden mal ganz abgesehen, die das Flüssiggas sehr gut gebrauchen, aber nicht ausreichend zahlen können.
Für Baden-Württembergs fehlgeleitete Klimapolitik stehen die Kurven, die Kretschmann neuerdings so gerne in die Kameras hält und die zeigen, wie wenig der Ausbau von Windkraft in der Vergangenheit vorangekommen ist. Sie sollen auch illustrieren, wie wenig Schuld seine Landesregierungen seit 2011 daran trage und wie viel der Bund mit seinen Ausschreibungsbedingungen. Der vom Grünen als hauptverantwortlich ins Visier genommene frühere Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) will die Kritik allerdings nicht auf sich sitzen lassen, er sieht vielmehr das Land ob der Zuständigkeit für die Genehmigungsverfahren in Mithaftung. So oder so ist es kurzsichtig, vor allem oder sogar allein auf Investoren zu setzen. Die wollen/müssen Geld verdienen.
1.000 Windräder bis 2026: völlig illusionär
Die EnBW, zu mehr als 99 Prozent in der Hand des Landes, des Zweckverbands Oberschwäbische Elektrizitätswerke und mehrerer kommunaler Kleinaktionäre, baut Windkraftanlagen auf der ganzen Welt, die größten offshore gerade in Großbritannien, onshore in der Türkei oder Schweden. Erhebliche Erwartungen werden mit den Ankündigungen einer Wind-Offensive durch die französische Regierung verbunden. Und fünf Räder sind in Weingarten nordöstlich von Karlsruhe geplant, ab 2024 könnten sie etwa 3.400 Haushalte versorgen. Sie wären dann wenigstens ein Teil jener hundert Anlagen jährlich, auf die sich Kretschmann neuerdings sogar im TV-Talk festlegen lässt. Der Koalitionsvertrag von 2021 hatte noch „bis zu tausend“ bis 2026 versprochen – eine inzwischen völlig illusionäre Zielmarke.
Windpark Stötten
Wenn Erneuerbare aber vor allem anderswo ausgebaut werden als zwischen Main und Bodensee, kommt den Netzen erst recht eine besondere Bedeutung zu. TransnetBW, die frühere EnBW Transportnetz AG, betreibt als eines der vier großen Unternehmen der Republik mit rund 1.200 Mitarbeiter:innen mehr als 3.000 Kilometern Hochspannungsleitungen in Baden-Württemberg. „Wir schaffen Verbindungen“, heißt es in einer der vielen Selbstbeschreibungen, „verstehen uns als Teil der Lösung für das Gelingen der Energiewende und bringen Energie von Nord nach Süd.“ Allein bis 2025 sollen zwölf Milliarden Euro investiert werden, darunter sechs Milliarden Euro in den Netzausbau.
Ein bundesweites Vorzeigeprojekt mit Schlüsselfunktion für die Energiewende sind die 700 Kilometer Erdkabel mit dem klingenden Namen „SuedLink“, deren Umsetzung TransnetBW mitverantwortet. Wenn Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) über die angeblich so ähnlichen Probleme der Südschiene bramarbasiert, lässt er wissentlich unter den Tisch fallen, wie weit die Planungsfortschritte dank der Strategie der EnBW und TransnetBW in Baden-Württemberg gediehen sind im Vergleich zu Bayern. „Seit 2014 wurden die Leitungen massiv bekämpft“, weiß Ludwig Hartmann, der Grünen-Fraktionschef im Maximilianeum. Söders Vorgänger Horst Seehofer bestritt vor Jahr und Tag sogar ganz schlicht deren Notwendigkeit.
Der Ausbau des Netzes ist den Grünen zu teuer
Über die Bedeutung des heimischen Netzbetreibers ist sich Baden-Württembergs Landesregierung jedenfalls im Klaren. Das Unternehmen trage wesentlich zur Gewährleistung der Versorgungssicherheit, dem Voranbringen der Energiewende und der Bezahlbarkeit von Strom bei, antwortet Gisela Splett, grüne Staatssekretärin im Finanzministerium, dieser Tage auf eine parlamentarische Anfrage der SPD-Landtagsfraktion. Zum Ausbau des Übertragungsnetzes seien „voraussichtlich sehr signifikante Investitionen zu leisten“, und vor diesem Hintergrund könne „eine potenzielle Transaktion dazu beitragen, die Finanzierung zu gewährleisten“.
Oben — Protest von FridaysForFuture und Anderen, sowie Ankunft der Verhandlungsteilnehmenden an der Messe Berlin zum letzten Tag der Sondierungsgespräche für eine Ampelkoalition.
Zum Spiegelbestseller:
’Die Vierte Gewalt’ von Richard David Precht und Harald Walzer (1)
’Malavita’ Café-Bar, Auf der Werth 2, 66115 Saarbrücken (gegenüber Kino Cinéstar)
Von Dr. Nikolaus Götz
Die Berichterstattung zu ’Corona’, zum ’Ukraine-Krieg’ oder zu der jetzt aktuellen ’Energiekrise’ verdeutlicht dem politisch interessierten Bürger: Die Medienlandschaft der BRD von FAZ bis TAZ, von ARD, ZDF und den Restsendern erscheint wie im Dritten Reich „gleichgeschaltet“. Deshalb verschaffen sich erneut aufgeklärte Bürger bei von den Leitmedien diskreditierten ’Querdenkerdemos’ frische ’Luft’, um in Ost- wie West-Deutschland dabei den angestauten politischen Druck und ihren Frust über das Regierungsgeschehen abzulassen. Doch längst haben engagierte Literaten die miserable Rolle der Leitmedien, des sogenannten „Mainstreams“ analysiert (2) und aufgezeigt, wie die Massenmedien ihre Politiksicht als Mehrheitsmeinung verkaufen wollen, obgleich sie damit ihrer eigentlichen Pflicht der „sachgerechten, objektiven Informationspräsentation“ nicht nachkommen. Auch der deutsche Vielschreiber und als „profiliertester Intellektueller des deutschsprachigen Raumes“ verkaufte ’Mitdenker’ Richard David Precht hat mit seinem Koautor Harald Welzer das Thema der Medienmanipulation in einem Buch aufgegriffen, das medienwirksam als neuster ’Spiegelbestseller’(Platz 1) die deutschen Mitbürger aufrüttelt. Selbst der ZDF-Talkmaster (dt.: ’Redemeister’) Markus Lanz erreichte mit der Prechtschen Medienschelte 3,5 Millionen Zuhörer (3), obgleich dieser Philosoph nur das verkündet, was die Spatzen längst überall von den deutschen Dächern pfeifen. „Die Vierte Gewalt“ manipuliert „Mehrheitsmeinung, auch wenn sie keine ist“. So resümiert der Untertitel verkürzt den Buchinhalt, wobei als Hauptthese gilt: Die Grenze zwischen politischem Journalismus und politischem Aktivismus in den Leitmedien wird immer fließender (4).
Um die veröffentlichte Medienkritik sachlich nachzuvollziehen, findet in der kommenden Woche eine öffentliche Lesung dieses Buches über die Presse als die ’Vierte Gewalt des Staatswesens’ statt. Trifft die Sachkritik des Analysten Precht zu oder ist sie unberechtigt, wenn das Autorenteam beispielsweise schreibt: „Das Mediensystem kolonialisiert in dieser Sicht das politische System und lässt es zunehmend nach den gleichen Regeln des Aufmerksamkeitskampfes funktionieren.“ (5) Alle Interessierte sind herzlich eingeladen einfach der kritischen Lesung zuzuhören oder auch kräftig mitzudiskutieren.
Saarbrücken: Mittwoch, 16. 11. 2022: 15-17 Uhr; Treffpunkt:
’Malavita’ Café-Bar, Auf der Werth 2, 66115 Saarbrücken (gegenüber Kino Cinéstar)
Anmerkungen:
1 Richard David Precht/Harald Walzer: Die Vierte Gewalt, Wie Mehrheitsmeinung gemacht wird, auch wenn sie keine ist, Frankfurt/M 2022.
2 Vgl. beispielsweise: Friedhelm Klinkhammer/Volker Bräutigam: Putins Gas statt Bidens Bomben, in: Ständige Publikumskonferenz der öffentlich-rechtlichen Medien e.V., veröffentlicht am 2.11. 2022; https://publikumskonferenz.de/blog/; Hannes Hofbauer: Zensur, Publikationsverbote im Spiegel der Geschichte, Wien 2022; Gerhard Wisnewski: 2022. Das andere Jahrbuch. Was 2021 nicht in der Zeitung stand, Rottenburg 2022.
3 Neu auf Platz 7 stieg „Lanz & Precht“ in die Liste ein. Der ZDF-Podcast erzielte 3,47 Millionen valide Downloads, überholte damit andere erfolgreiche Sendungen wie „Apokalpyse & Filterkaffee“ und „Geschichten aus der Geschichte“, siehe: www.google. com/search?client=firefox-b&q=Lanz+und+Precht+Podcast+Kritik&sa=X&ved=2ahUKEwjZ r4SIgKb7AhV_gv0HHXvwCVAQ1QJ6BAgAEAI.
Klimaaktivisten sollen in Bayern durch Präventivgewahrsam an ihren Blockaden gehindert werden. Das Polizeiaufgabengesetz, das eine solche Präventivhaft erlaubt, gehört reformiert. Denn niemand sollte wochen- oder gar monatelang ohne ein Gerichtsverfahren in Haft verschwinden, egal wie störend politische Aktionen auch sein mögen. Ein Kommentar.
Mehrere Menschen sollen in Bayern ohne Prozess für dreißig Tage einsitzen. Das teilte die Münchner Polizei am vergangenen Freitag mit: Zwölf Klimaaktivisten würden nach zwei Festklebeaktionen „vorbeugend“ eingesperrt, mindestens drei bleiben bis zum 2. Dezember in Haft. Die bayerische Polizei darf, ohne dass ein konkreter Tatverdacht vorliegt, zur Gefahrenabwehr eine Anordnung zu einem solchen Präventivgewahrsam erteilen.
Gesetzesgrundlage dafür ist das bayerische Polizeiaufgabengesetz (PAG). Die Novelle des Gesetzes im Jahr 2018 war hoch umstritten und von großen Demonstrationen begleitet.
Das härteste Polizeigesetz seit 1945 wurde dennoch rasch und geräuschlos im Mai 2018 durch den CSU-dominierten Landtag geschleust – nur fünf Tage nach einer Großdemonstration in München mit mehreren zehntausend Menschen. Heribert Prantl nannte den Polizeigewahrsam in der Süddeutschen Zeitung eine „Unendlichkeitshaft“, da das Gesetz anfangs vorsah, den Gewahrsam auf unbefristete Zeit verlängern zu können. Im geltenden Gesetz ist die Dauer dieser Vorbeugehaft auf zwei Monate begrenzt.
Die Unionsfraktion im Deutschen Bundestag fordert unterdessen schon härtere Sanktionen gegen die Aktivisten: Haft- statt Geldstrafe soll es hageln, schon „wenn es durch die Blockaden im Berufsverkehr zu langen Staus kommt“. Eine solche Haft wäre jedoch im Rahmen eines rechtsstaatlichen Strafverfahrens zu verhängen – und gerade nicht wie bei der bayerischen Präventivhaft auf Zuruf der Polizei.
Ohne einen Anwalt
Personen in Bayern können nach Paragraph 17 PAG sogar in Präventivgewahrsam genommen werden, ohne dass ein Anwalt beigestellt wird. Damit ist ein Betroffener schlechter gestellt als jeder Verdächtige einer Straftat, dem selbstverständlich ein Rechtsbeistand zusteht.
Der bayerische CSU-Innenminister Joachim Hermann hatte zwar angekündigt, man plane dazu eine Korrektur im Gesetz. Konkret sagt er im Interview mit dem Merkur im Jahr 2019: „Wo immer eine längerfristige Gewahrsamnahme erfolgt, muss unmissverständlich ein Rechtsanwalt eingeschaltet werden.“ Doch selbst mit dieser rechtlichen Verbesserung: Am möglichen mehrwöchigen Vorbeugegewahrsam an sich würde sich dadurch nichts ändern.
Update: Seit einer Änderung des Paragraphen 97 PAG aus dem Jahr 2021 muss Betroffenen dann ein Anwalt gestellt werden, wenn der Gewahrsam über Mitternacht des Folgetages hinaus andauert.
Das PAG erlaubte schon seit 2017, dass sogenannte „Gefährder“ mehr als zwei Wochen ohne Gerichtsverfahren eingesperrt werden dürfen. Diese Präventivhaft wurde im ersten Jahr nach Inkrafttreten in elf Fällen länger als zwei Wochen angewendet, wie eine Prüfkommission berichtete. Zwischen zwei Wochen und zwei Monaten habe die Zeit der Ingewahrsamnahme dabei betragen.
Als „Gefährder“ wurden zumeist Asylbewerber stigmatisiert und weggesperrt. Sie haben bekanntlich keine Lobby, wenn sie wochen- oder gar monatelang ohne ein Gerichtsverfahren in Haft verschwinden. Entsprechend gering fiel daher auch die mediale Aufregung aus.
Die Ohnmacht der bayerischen Polizei
Ganz anders ist dies nun in dem aktuellen Fall der inhaftierten Klimaaktivisten, der heiß diskutiert wird. Da die „Klimakleber“ wegen eines tödlichen Unfalls in Berlin gerade ohnehin die Gemüter bewegen, wird nun ausnahmsweise bundesweit über die fragwürdige polizeiliche Präventivhaft berichtet.
Wer will von Oben Trüffel teilen, der muss schon Grunzen – Heimlich – Leise.
Eigentlich zeigt sich durch den Präventivgewahrsam nur die Ohnmacht der Polizei, die in Bayern mit 40.000 Polizeibeschäftigten zwar einen riesigen Apparat hat, aber mit Klimaaktivisten und ihren Blockaden nicht umzugehen weiß. Die Regeln macht sich die Polizei aber nicht selbst. Die eklatante Ignoranz gegenüber rechtsstaatlichen Standards muss dem Gesetzgeber ins Stammbuch geschrieben werden. Denn diese Standards sollten eigentlich selbstverständlich sein.
Ein gefährliches politisches Klima
Ja, die „Klimakleber“ stören, viele Menschen sind verärgert, wenn sie in als sinnlos empfundenen Staus stehen müssen. Aber deswegen dürfen nicht Maßnahmen gutgeheißen werden, die wir in anderen Ländern zu Recht als willkürlich brandmarken würden.
Ohne Protest und Druck für politische Anliegen kann es keine Veränderung geben. Ob man dieses Anliegen teilt oder nicht: Wie Protestierende behandelt werden, daran muss sich ein Rechtsstaat messen lassen. Vielleicht ist dieses politische Klima, das sich derzeit ausbreitet, mindestens ebenso gefährlich wie die Klimakatastrophe, vor der die Aktivisten warnen.
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Dort also, ruht er sich mit seiner Krebs-Frau aus?
Von : Mohamed Amjahid
„Cherax wagenknechtae“ in Indonesien. Ein Entdecker aus Waiblingen hat aus Anerkennung zu Sahra Wagenknecht eine Süßwasserkrebsart nach ihr benannt. Kein Zufall, dass es ein Krebs ist.
Ein Entdecker aus Waiblingen (östlich von Stuttgart) hat auf einer Expedition in Indonesien eine Süßwasserkrebsart nach Sahra Wagenknecht benannt. „Cherax wagenknechtae“ hat relativ zur Körpermasse große Zangen. Erinnert politisch schon irgendwie an Wagenknecht. Der Entdecker erklärte auf Nachfrage, dass ihn die Linken-Politikerin darin inspiriere, „entschlossen für eine bessere und fairere Zukunft zu kämpfen“. Deswegen habe er sich für den Namen entschieden. Es existieren schon sonderbare Lebewesen auf dieser Erde.
Ich kenne in meinem Umfeld nur noch linke Wähler*innen, die sich von der Linkspartei abwenden – meistens wegen Wagenknecht. Diese Abneigung hat bestimmt auch etwas damit zu tun, dass ich meinen Bekanntenkreis liebevoll und bewusst kuratiere. Wagenknecht tut aber auch alles dafür, dass viele Menschen sich von der Linken wegbewegen. In einer Zeit, in der eine solidarische, progressive und soziale Politik eigentlich Konjunktur haben könnte. Das muss eine Politiker*in erst mal hinbekommen. Der Wähler*innenschwund der Linken grenzt an ein Naturwunder.
Wagenknecht hat als Spitzenkandidatin der Linken in Nordrhein-Westfalen bei der Bundestagswahl 2021 nur 3,7 Prozent der Wahlstimmen geholt und damit das Ergebnis ihrer Partei wie mit einer Zange halbiert. Daran zu erinnern ist wichtig, weil Wagenknecht behauptet, ihre Partei folge ihr nicht bedingungslos und verliere deswegen an Zuspruch. Dabei ist die Linke an vielen Stellen schon sehr wagenknechtae.
Wagenknecht ist längst „streitbare Autorin“ so in der Kategorie „Akif Pirinçci trifft auf Gabriele Krone-Schmalz“. Sie ist mehr Talkshowgast und Influencerin als Politikerin. Neulich behauptete sie in einem Video auf Twitter, die Grünen seien „die gefährlichste Partei im Bundestag“. Wagenknecht weiß, dass sie damit provoziert und die rechtsextreme Gefahr der AfD verharmlost. Aber diese Prioritätensetzung ist Teil ihres politischen Kalküls – und ihrer Überzeugung. Zumindest bemüht sie sich seit Jahren um rechte Sympathien, indem sie rechte Sprache bedient, Ängste schürt, rassistische Spitzen gekonnt platziert, Putin-freundliche Parolen pflegt, hier und da ein paar Verschwörungen beimischt: Mehr Troll als linke Bundestagsabgeordnete halt.
Oben — For documentary purposes the German Federal Archive often retained the original image captions, which may be erroneous, biased, obsolete or politically extreme. 30.11.1990 Wahlwerbung der Parteien für die Wahl zum ersten gesamtdeutschen Bundestag in Leipzig.
Bundesarchiv, B 145 Bild-F086568-0060 / Kirschner, Harald / CC-BY-SA 3.0
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Unten —Procambarus clarkii taken near a lake in Gironde, France.
Preis-Auszeichnungen von Politiker-innen sind meistens nur Selbstfeiern der Politik
Eine Kolumne von Stefan Grimmberg
Der Bayerische Fernsehpreis ist auch immer ein bisschen Selbstfeierei von Markus Söder. Und er ist schwer verliebt in Preisträger Markus Lanz.
Den Bayerischen Fernsehpreis gibt es seit 1989. Er ist weiß-blau staatstragend, was sich schon an der Trophäe ablesen lässt. Die ist nämlich ein weißer Porzellan-Panther mit Bayernwappen, natürlich aus der Manufaktur Nymphenburg. Weil Porzellan-Figurinen ein bisschen aus der digitalen Zeit fallen, heißt die Sause in diesem Jahr neu. Kommenden Dienstag wird der erste „Blaue Panther – TV & Streaming Award“ verliehen. Zum „Blue“ fehlte wohl der Mut? Obwohl Bayerns Oberpanther eigentlich kein Kind von Traurigkeit ist. Denn auch wenn das Ding anders heißt, bleibt das Personal natürlich dasselbe. Also Söder. Bayerns Ministerpräsident feiert sich mit dem Fernseh- & Strömungspreis auch immer ein bisschen selber und vergibt den Ehrenpreis höchstpersönlich. „Wieso werden Porzellan-Panther und keine Lion-Bitcoins verteilt? Der Löwe ist doch Bayerns Wappentier“, sagt die Mitbewohnerin.
Dieses Jahr geht das Ehren-Dings an Markus Lanz. Söder ist so in ihn verliebt, dass sie sich am Dienstag bestimmt auf offener Bühne Zungenküsse … Ach ne, geht nicht wegen Corona. Aber der CSU-Politiker liefert in seiner vorab veröffentlichten Laudatio einen derartigen Sermon ab, dass dagegen die „ultimative Lobhudelei“ aus „Zimmer frei“ blau vor Neid würde. „Markus Lanz ist ein kluger, hartnäckiger und immer akribisch vorbereiteter Talkmaster“, salbadert Söder.
„Dabei begegnet er seinen Gesprächspartnern mit einer geradezu trügerischen Leichtigkeit […]. So mancher Gast ist ihm so in die sprichwörtliche Falle gegangen.“
Die Linke steckt in einer tiefen Krise. Zahlreiche Politiker:innen der Partei plädieren nun für einen Bruch mit dem Wagenknecht-Flügel.
Bei allen vier Landtagswahlen in diesem Jahr unter drei Prozent: Keine Frage, die Linkspartei befindet sich in einem desaströsen Zustand. Ob sie überhaupt noch eine Zukunft hat, ist mehr als offen. „Die Linke ist in einer existenziellen Krise“, sagt der frühere Bundestagsabgeordnete Thomas Nord der taz. „Wenn sie in absehbarer Zeit nicht eindeutig klärt, wofür sie steht, fällt sie im Verlauf des kommenden Jahres in die Bedeutungslosigkeit.“
Das will der 64-jährige Ex-Linken-Bundesschatzmeister und langjährige brandenburgische Landesvorsitzende verhindern. Doch die Zeit drängt. Auf ihrem Höhepunkt 2009 verzeichnete die Linke noch mehr als 78.000 Mitglieder, inzwischen zählt sie gerademal etwas über 56.000 Mitglieder, wobei seit dem Frühling die Zahl der Austritte stark zugenommen hat. Mit einer ganzen Reihe von Mitstreiter:innen hat Nord nun einen Rettungsversuch gestartet. Es ist das Plädoyer für einen Bruch.
In ihrem der taz vorliegenden Aufruf zu einer Sammlung der progressiven Kräfte in der Linkspartei fordern sie als Ausweg aus der Krise nicht weniger als einen klaren Trennungsstrich zu Sahra Wagenknecht und ihrem Anhang: „Die Wiederherstellung der Handlungsfähigkeit der Linken erfordert, die Koexistenz mit dem Linkskonservatismus in der Partei zu beenden.“ Das ist eine klare Ansage.
Unterzeichnet haben den Aufruf etliche Bundes-, Landes-, Europa- und Kommunalpolitiker:innen der Linkspartei. Das Spektrum reicht von den Bundestagsabgeordneten Gökay Akbulut, Cornelia Möhring und Martina Renner über die Berliner Ex-Senatorinnen Elke Breitenbach und Katrin Lompscher bis zu der Europaabgeordneten Cornelia Ernst, der Leipziger Landtagsabgeordneten Jule Nagel und dem Pankower Bezirksbürgermeister Sören Benn.
Bemerkenswert ist, dass sich die Aufrufer:innen unterschiedlichen Parteiströmungen zuordnen. „Bewegungslinke“ wie der stellvertretende Parteivorsitzende Lorenz Gösta Beutin oder die Bremer Bürgerschaftsabgeordnete Sofia Leonidakis sind ebenso dabei wie die sächsische Landtagsvizepräsidentin Luise Neuhaus-Wartenberg, Bundessprecherin des reformerischen Forums Demokratischer Sozialismus (FDS). Es sei „an der Zeit, den Kampf um den progressiven Charakter der Partei auf allen Ebenen und über die Grenzen bisheriger Konflikte hinweg gemeinsam zu führen“, heißt es in dem Aufruf.
„Jede Glaubwürdigkeit der Partei zerstört“
Nach der Auffassung der Aufrufverfasser:innen hat Wagenknecht mit der Veröffentlichung ihres Buches „Die Selbstgerechten“ im April 2021 und der darin enthaltenen Konzeption eines „Linkskonservatismus“ eine Art Gegenprogramm vorgelegt. Dieser von Wagenknecht und ihrem Anhang vertretene Linkskonservatismus sei „radikal gegen das Programm der Partei gerichtet, bekämpft es aggressiv mit gesellschaftspolitisch regressiven, reaktionären Positionen und entsprechenden öffentlichen Aktivitäten“. Dadurch werde jede Glaubwürdigkeit der Partei zerstört und sie politikunfähig gemacht, konstatieren die Verfasser:innen.
Weit ist der Weg zurück ins Heimatland, soweit – soweit !
Egal ob es um Flucht und Migration, um Klimaschutz, um die Covid-19-Pandemie oder den Ukraine-Krieg geht: Tatsächlich vertraten und vertreten Wagenknecht und ihre geradezu religiös-fanatische Anhänger:innenschaft immer wieder Positionen, die in einem krassen Widerspruch zur offiziellen Parteilinie stehen. Ihr Kurs lässt sich als sozialpopulistisch, nationalistisch, antiökologisch und gesellschaftspolitisch konservativ beschreiben.
So attackiert die Ex-Bundestagsfraktionsvorsitzende in ihrem am Mittwoch nun auch als Taschenbuch erschienenen Bestseller mit scharfen Worten jegliche emanzipatorischen Bewegungen, denen sich die Linkspartei eigentlich verbunden fühlt: von Fridays for Future über Black Lives Matter bis zum Seebrücke-Bündnis – für Wagenknecht alles unerquickliche Veranstaltungen einer degenerierten „Lifestyle-Linken“, die den Bezug zu den wahren gesellschaftlichen Problemen verloren habe.
Oben — Politik, News, Bundesparteitag Die Linke: Eindruck vom Sitzungssaal; Symbolbild
Steffen Prößdorf
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Erstellt: 24. Juni 2022
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Unten — Wahlkampfveranstaltung mit Sahra Wagenknecht, Oskar Lafontaine und Susanne Hennig-Wellsow in ihrem Wahlkreis in Weimar. Foto: Martin Heinlein
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Hartz 4 war eine 15 Jahre alte Forderung, welche jetzt unter einen anderen Namen kaschiert wurde. Sollten nicht nur Forderungen gestellt werden, welche auch erfüllt werden können? Nach jeder Wahl lässt die Linke ihre Wähler im Regen stehen.
Von : Der Parteivorstand der Partei DIE LINKE hat heute einen Antrag der Parteivorsitzenden Janine Wissler und Martin Schirdewan beschlossen, dass Konzerne in Deutschland deutlich stärker besteuert werden sollen, um u.a. Entlastungspakete zu finanzieren.
Mit Hilfe der Quellensteuer können Steueroasen geschlossen werden und es wäre das Einspielen von bis zu 28 Milliarden Euro möglich. Gerechtigkeit in der Krise schaffen: Übergewinne und Vermögen konsequent besteuern!
Die Bundesregierung hat ein 200-Mrd.-Euro-Entlastungspaket angekündigt, mit dem die hohen Energiepreise für die Bevölkerung abgefedert werden sollen. Ein Schutzschirm für die Bevölkerung ist überfällig, besonders für Menschen mit kleinen und mittleren Einkommen, die nicht wissen, wie sie warm über den Winter oder satt bis zum Monatsende kommen sollen.
Aber: Die Preis-Explosion bedeutet eine Explosion der Profite. Die hohen Preise sind ein ungeheures Umverteilungsprojekt von den Verbraucher*innen zu den Konzernen. Für ein Mindestmaß an sozialer Gerechtigkeit und um die Grundidee unseres Steuersystems aufrecht zu erhalten, muss jetzt auf diese krisenbedingten Extragewinne zugegriffen werden. Das gilt umso mehr als der Investitionsstau in Pflege und Gesundheit, Bildung und Erziehung, bezahlbarem Wohnraum und Klimaschutz gerade nur aus der öffentlichen Debatte verdrängt ist. Im Alltag der Menschen wütet er weiter. Eine lebenswerte Zukunft setzt massive Investitionen voraus. Der Entwurf der Bundesregierung zu einer Besteuerung von „Zufallsgewinnen“ hat aber lediglich die Profite derjenigen Stromproduzenten und -anbieter im Blick, die nicht auf Gas als Quelle angewiesen sind (und die vom Merit-Order-Prinzip profitieren).
Die Übergewinne werden im Entwurf der Regierung zudem nicht anhand des Unternehmensgewinns nach deutschem Steuerrecht oder einem Näherungswert aus den Umsatzsteuervoranmeldungen bemessen. Das hat zur Konsequenz, dass die seit Anfang 2022 entstandenen Übergewinne aus dem laufenden Steuerjahr nicht rückwirkend abgeschöpft werden können. Darüber hinaus sind die in Deutschland erwirtschafteten Übergewinne der Mineralölkonzerne von etwa 60 Milliarden Euro nicht betroffen.
Andere europäische Länder gehen deutlich entschlossener vor. Italien etwa besteuert die lokale Wertschöpfung von Stromerzeugern und Mineralölkonzernen. Dafür wird die Differenz (Saldo) aus Verkaufserlösen und Produktionskosten im Krisenzeitraum mit dem Vorjahreszeitraum verglichen. Die Daten dafür stammen aus den monatlichen Umsatzsteuervoranmeldungen bei den Finanzämtern. Wenn wie in Italien auf die Umsatzsteuerdaten zurückgegriffen würde, wäre die Erhebung einer Übergewinnsteuer auch in Deutschland einfacher. Überträgt man die Erfahrungen aus Italien auf Deutschland, wären Einnahmen von über 28 Milliarden Euro für ein Jahr möglich – auch ohne weitere internationale Abstimmung.
Ein grundsätzliches Manko aller Übergewinnbesteuerungen ist bisher, dass nicht auf diejenigen Übergewinne zugegriffen werden kann, die Konzerne in Steueroasen und Förderländern verbuchen. Ein Großteil der in Deutschland erwirtschafteten Übergewinne wird dort verbucht. Doch diese Steuervermeidung lässt sich angehen – und dafür gibt es Vorbilder: In der EU ist für die Digitalkonzerne eine Digitalsteuer entwickelt worden, die Umsätze der Digitalkonzerne besteuern, die in den jeweiligen Ländern erwirtschaftet wurden – und nicht (nur) an ihrem Firmensitz in innereuropäischen Steueroasen wie Irland.
Quellen entdeckt – aber ganz ohne Steuern.
DIE LINKE fordert seit langem, den Wettlauf zur Steuervermeidung zu unterbinden. Wenn Gewinne in Niedrigsteuergebiete verschoben werden, müssen sie in den einzelnen Ländern, in denen der Konzern aktiv ist, nachversteuert werden. Konzerne müssen (stärker) am Ort ihrer wirtschaftlichen Aktivitäten und der Umsätze besteuert (=Quellensteuer) werden. Das gilt besonders für die Besteuerung von Übergewinnen.
DIE LINKE fordert:
Quellensteuer: Steuern werden am Ort der wirtschaftlichen Aktivität erhoben.
Steuerbefreiungen für ins Ausland abfließende Kapitalerträge müssen abgeschafft werden. Steuervorteile für in einem Niedrigsteuerland erzielte Kapitalerträge wollen wir beseitigen: Die Steuerdifferenz muss in Deutschland erhoben werden.
Übergewinnsteuer auf alle Extraprofite in der Krise, nicht begrenzt auf den Strommarkt. Angesichts des riesigen Bedarfs und der riesigen Extraprofite müssen die Steuersätze für die Übergewinne erhöht werden. Die österreichische Sozialdemokratie fordert sogar einen Steuersatz von 90% (auf die Übergewinne), Griechenland hat diesen Steuersatz bereits eingeführt.
Vermögensteuer: Seit 1998 sitzt jede Bundesregierung den Auftrag des Bundesverfassungsgerichts aus, eine Vermögensteuer zu erheben, die alle Vermögen gleichmäßig berücksichtigt. Auch in Krise und Krieg ist der Reichtum der Reichen massiv gewachsen. Höchste Zeit, sie endlich an den Kosten angemessen zu beteiligen.
Einen Riegel vor die Steuerhinterziehung: Durch eine Quellensteuer von 50 Prozent auf alle in nicht kooperative Staaten abfließenden Zahlungen, auf Dividenden, Zinsen und Lizenzabgaben von Unternehmen wollen wir Steuerflucht unattraktiv machen. Das ist auch im nationalen Alleingang sofort möglich. Die Beweislast muss bei den Unternehmen und Vermögenden liegen durch Anrechnung der Quellensteuer nur bei Offenlegung aller steuerrelevanten Informationen.
Urheberrecht
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Oben — Politik, News, Bundesparteitag Die Linke: die neu gewählten Parteivorsitzenden Martin Schirdewan und Janine Wissler
Steffen Prößdorf
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File:2022-06-26 Politik, News, Bundesparteitag Die Linke 1DX 1086 von Stepro (cropped).jpg
Erstellt: 26. Juni 2022
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Unten — Wahlkampfveranstaltung mit Sahra Wagenknecht, Oskar Lafontaine und Susanne Hennig-Wellsow in ihrem Wahlkreis in Weimar. Foto: Martin Heinlein
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Der Schweizer Atommüll soll nahe der deutschen Grenze endgelagert werden. Dass der Standort Nördlich Lägern aus geologischen Gründen gewählt wurde, bezweifelt unser Autor.
Wenn der ägyptische Pharao Cheops vor 4.550 Jahren nicht die berühmte Pyramide gebaut, sondern vier Jahre lang ein AKW betrieben hätte, dann wären neben vielen anderen hochgefährlichen Abfällen auch circa 1.000 Kilogramm Plutonium zusammengekommen. Bei einer Halbwertszeit von 24.110 Jahren (Plutonium 239) wären heute noch circa 877 Kilo vorhanden. Nach zehn Halbwertszeiten, also nach 24.1100 Jahren, müssten immer noch ca. 0,1 Prozent der Ausgangsmenge, also 1 Kilo Plutonium dauerhaft sicher gelagert werden.
Im Gegensatz zur Zeit des ägyptischen Pharaos Cheops sind in den sechs schweizer Atomreaktoren in den letzten Jahrzehnten große Mengen Atommüll angefallen. Jetzt soll dieser, gemeinsam mit anderen Atomabfällen, am Hochrhein endgelagert werden.
In vielen Medien werden bei der Auflistung der Schweizer Reaktoren nur fünf AKW gezählt, streng genommen sind es sechs. Denn das kleine Atomkraftwerk in Lucens wird gerne vergessen, vielleicht weil es heute als Lager für diverse Museen dient. Der Grund: Der schwere Atomunfall in Lucens am 21. Januar 1969. Es gab eine Kernschmelze in dem kleinen Versuchsreaktor, der zum Glück in eine Kaverne eingebaut war. Dieser schwere Atomunfall ist nahezu erfolgreich aus dem kollektiven Gedächtnis gelöscht, im Gegensatz zu den Atomunfällen und Kernschmelzen in Fukushima, Tschernobyl und Harrisburg.
Außerdem gibt es das marode innerschweizer AKW Mühleberg, das im Dezember 2019 abgeschaltet wurde; an der Aare im Kanton Solothurn steht das AKW Gösgen; drei weitere arbeitende Reaktoren stehen in nächster Nähe zur deutschen Grenze am Hochrhein: ein veralteter Siedewasserreaktor (Reaktortyp Fukushima) im neuesten Atomkraftwerk der Schweiz in Leibstadt in der Nähe von Waldshut sowie zwei Reaktoren in Beznau, wovon Beznau 1 das älteste Atomkraftwerk der Welt ist – es ging 1969 in Betrieb.
In der reichen Schweiz steht also ein überalterter, gefährlicher Kraftwerkspark, und die einflussreiche Atomlobby würde die vier in Betrieb befindlichen Atomkraftwerke gerne 60 Jahre im Betrieb lassen. Das wäre ein hochriskanter Atomversuch auf Kosten der Sicherheit der Menschen in der Schweiz und in Baden-Württemberg.
Die Schweizer Atomindustrie hat das globale Prinzip, nationale Vorteile zu genießen, Risiken aber international zu verteilen, perfektioniert. Ebenfalls an der Grenze befindet sich in Würenlingen das schlecht gesicherte, oberirdische Zwischenlager für den gesamten Atommüll der Schweiz und ein Plasmaofen, in dem verstrahlte Gegenstände verbrannt werden. Und wo soll jetzt der gesamte schweizer Atommüll endgelagert werden? Im Gebiet „Nördlich Lägern“, in nächster Nähe zur badischen Gemeinde Hohentengen.
Die perfekten Durchsetzungsstrategien
Es gibt viele wissenschaftlich begründete Zweifel an der geologischen Qualität des jetzt ausgewählten Endlagerstandorts. Die Akzeptanzbeschaffungs- und Durchsetzungsstrategien allerdings sind perfekt. Die direkte Demokratie der Schweiz bestimmt in vielen Bereichen den öffentlichen Diskurs. Und in den gerade auch in Deutschland so hochgelobten Volksabstimmungen sind „die Spieße häufig ungleich lang“, wie viele Aktive der schweizer Umweltbewegung sagen. Das heißt, dass beispielsweise bei Abstimmungen zum Thema Atomkraft die Befürworterseite mit unglaublich viel Geld in die Abstimmungskämpfe gehen kann.
Auch beim Thema Endlager zeigt sich: Je direkter die Demokratie, desto besser sind die Durchsetzungsstrategien. Die wichtigste Strategie ist die Perfektionierung der Salamitaktik. Die Nationale Genossenschaft für die Lagerung radioaktiver Abfälle (Nagra) wurde 1972 gegründet. Damals begann die Debatte um den Atommüll und erst ab dem Jahr 2050 sollen die radioaktiven Abfälle eingelagert werden. Die „Durchsetzungs-Salami“ ist damit 78 Jahre „lang“. Und die Nagra war stets bemüht, viele, viele kleine Scheiben von der Salami abzuschneiden, das heißt unendlich viele kleine Einzelentscheidungen zu treffen, die für die Öffentlichkeit und die Medien nicht spannend und wichtig waren.
Möglichem Widerstand ausweichen, um das Lager durchzusetzen, ist besonders wichtig. In manchen Standortregionen wehrte sich die Bevölkerung. Die Boulevard-Zeitung „Blick“ meldete vor vielen Jahren Ungeheuerliches aus der braven Schweiz: „Da nützen auch 50 Polizisten nichts. Nagra-Mitarbeiter in die Flucht geschlagen“. Im kleinen Ort Ollon, im französischsprachigen Teil der Schweiz, gab es Gorlebener Verhältnisse. Heute sind Protestregionen außen vor und die Menschen werden geschickt grenzüberschreitend gegeneinander ausgespielt. Nicht nur die Geologie steht im Mittelpunkt, sondern auch die politische Durchsetzbarkeit des Lagers.
Die andere Strategie war die Erzeugung der Illusion von Beteiligung. Es gab und gibt eine unglaubliche Vielzahl von Partizipationsveranstaltungen, bei denen die Teilnehmenden regelrecht zerrieben wurden. Die an der Suche nach einem Endlager „beteiligten“ grenzüberschreitenden Bürgerinitiativen am Hochrhein und die Umwelt- und Naturschutzverbände müssen sich fragen lassen, ob sie wirklich nach jeder Wurst schnappen müssen, auf der Partizipation steht. Echte Beteiligung sieht anders aus. Sie muss aber auch eingefordert werden. Der ehrenamtliche Umweltschutz ist hier beim Konflikt mit den PR-Profis immer im Nachteil.
Plötzlich ist Opalinuston supersicher
Beim Gedanken an ein sicheres Endlager in der Schweiz denken die meisten Menschen zuerst an die Alpen, an dieses mächtige Gebirge im Herzen der Schweiz. Doch die Alpen sind geologisch sehr jung und sie heben sich im Schnitt um rund 1,8 Millimeter pro Jahr. Ein solch junges Gebirge hat Risse, Klüfte und Spalten und kommt als atomares Endlager für langlebige hochradioaktive Spaltprodukte nicht infrage. Darum war ein Endlager in tiefen Granitschichten, überdeckt von Sedimenten als zweite Sicherheitsbarriere, das ursprüngliche Konzept der Nagra. Massiver Granit, eingebettet in Opalinuston, wurde lange Jahre als ideale und beste aller Endlagerformationen angepriesen. Doch dann fand sich in der Schweiz, trotz intensiver, teurer Suche, keine geeignete Granitformation im Untergrund.
Nach dem Scheitern der Endlagerpläne im Granit wurden die alten Werbeprospekte eingestampft und ein neues Endlagermedium als wieder einmal ideale Endlagerstätte ins Gespräch gebracht. Aus dem ursprünglich geplanten Endlager im Granit wurde über Nacht die Endlagervariante Sediment. Ein Endlager für die gefährlichsten Gifte der Menschheit soll jetzt auch im Sedimentgestein, im Opalinuston möglich sein. In den alten Nagra-Broschüren war Opalinuston „nur“ als zweite Sicherheitsbarriere vorgesehen. Doch das Gestein bestimmt das Bewusstsein.
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Nur Thomas Strobl selber könnte Licht ins Dunkel bringen. Dann allerdings müsste er vor dem Untersuchungsausschuss maximal transparent auspacken, was ihn wirklich geritten hat, das inzwischen berüchtigte Anwaltsschreiben an einen einzigen Journalisten weiterzuleiten. Stattdessen verstrickt sich der Innenminister in widersprüchliche Geschichten.
Es gibt einiges, das für den 62-Jährigen spricht an diesem denkwürdigen Freitag, dem 23. September, der bis Samstag dauert. 15 Stunden lang stellt sich der stellvertretende Ministerpräsident und CDU-Landesvorsitzende den vielen Fragen, vor allem von SPD und FDP. Nur selten wird er ungehalten, und nur einmal – irgendwann nach Mitternacht – verlangt er von sich aus nach einer Pause, um in seinem Gedächtnis zu kramen und, einen Leitz-Ordner unterm Arm, den Plenarsaal im Landtag kurz zu verlassen. Der ist selbst um diese Uhrzeit einigermaßen gut besetzt, mit den Abgeordneten und deren Mitarbeiter:innen ohnehin, aber auch mit etlichen Medienleuten.
Immer wieder hatte sich Thomas Strobl da schon bemüht zu vermitteln, wie ernst es ihm mit der Aufklärung sexueller Übergriffe sei. Die sind – gemeinsam mit einer zweifelhaften Beförderungspraxis und dem Eigenleben in der Polizeispitze – eigentlich Hauptthemen in dem Gremium. Mehrfach appelliert er an Betroffene sich zu melden: „Menschenskinder, nehmt die Hilfe an, wir wollen das Dunkelfeld erhellen.“ Wortreich schildert er den unangefochtenen, auch von ihm gewollten Aufstieg von Andreas Renner zum Inspekteur der Polizei (IdP). „Große Stücke“ habe er auf ihn gehalten in der Überzeugung, „dass er die optimale Besetzung für die Zukunft der Landespolizei ist“. Entsprechend enttäuscht sei er gewesen, als vor zehn Monaten die Vorwürfe gegen Renner publik wurden.
Das war am 22. November 2021. Warum das Innenministerium zwar ein Disziplinarverfahren einleitete, aber sofort wieder aussetzte, obwohl die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen da noch gar nicht aufgenommen worden waren, zählt zu den noch immer unaufgeklärten Ungereimtheiten in der ganzen Affäre. Auch deshalb muss der Zeuge entgegen ursprünglicher Planungen im Oktober noch einmal aussagen – vor allem in nichtöffentlicher Sitzung, weil ihm die Opposition Akten vorhalten will, aus denen öffentlich nicht zitiert werden darf.
Strobl elektrisiert und in Alarmstimmung
Was allerdings längst nicht der einzige Grund ist. Gerade die Brief-Affäre drängt ebenfalls immer wieder aus den Kulissen. Die Widersprüche sind evident. Einerseits will Strobl „elektrisiert“ und in „Alarmstimmung“ gewesen sein, als das Schreiben von Renners Anwalt am 23. Dezember auf seinen Tisch kam. Andererseits hat er sich in den Wochen danach nicht mehr interessiert für den Gang der Dinge. Bezweifelt werden darf dazu, dass er von sich aus überhaupt die Übergabe an den Journalisten Franz Feyder von der „Stuttgarter Nachrichten“ (StN) bekannt hätte, wäre dies nicht – aparterweise durch die verschwisterte „Stuttgarter Zeitung“ (StZ) – öffentlich geworden und er Anfang Mai vor den Innenausschuss gerufen worden.
Details aus dem inzwischen als geheimhaltungsbedürftig eingestuften Papier müssen hinter verschlossenen Türen bleiben. Aus der Berichterstattung der StN ist aber bekannt, dass es „brisant wird in der Mitte der zweiten Seite“. Dort versichere der Jurist, es dürfe im Namen seines Mandanten bei dieser Gelegenheit ausdrücklich die Bereitschaft zum persönlichen Gespräch betont werden, was vorliegend der Sache eher dienlich sein dürfte und im allseitigen Interesse zielführender sein könne als eine unvermittelte Rechtswegbeschreitung, weshalb eine solche für den Mandanten einzuleiten einstweilen zurückgestellt worden sei. „Was der 50 Worte umfassende Satz eigentlich aussagt“, heißt es in den StN weiter: „Redet mit mir, einigt euch mit mir oder es gibt eine Schlammschlacht.“
Jede Sekunde, so der Zeuge Strobl einigermaßen dramatisch, habe er an diesem Tag vor dem Heiligen Abend mit dem Bekanntwerden dieses Ansinnens rechnen müssen. Jedenfalls sei „unmittelbar Handlungsbedarf“ entstanden. Da kam ihm das Telefoninterview mit dem StN-Mann nachmittags in einer Schalte, an der auch die Mitarbeiter:innen der Pressestelle beteiligt waren, gerade recht. Es ging um Cyberkriminalität. Danach sei man noch auf die Causa Renner zu sprechen gekommen. Und dann wird die Aussage unter dem Stichwort Wahrheitspflicht so richtig spannend. Denn Strobl weiß „so präzise“ nicht mehr, wer von beiden als erster den Brief erwähnt hat.
Sollte er aber, nicht nur weil es prinzipiell erfreulich ist, wenn Regierungsmitglieder auf ihr gutes Gedächtnis bauen können. Erst recht, wenn es um Ereignisse geht, die, wie der Zeuge an anderer Stelle sagt, einmalig waren in seinen fünf Ministerjahren. Vor allem aber hat er – privat mandatiert und aus eigener Schatulle bezahlt – beim Medienrechtler Christian Schertz ein Gutachten in Auftrag gegeben. Der Berliner sollte die Weitergabe des Anwaltsschreibens „grundsätzlich und ganzheitlich bewerten“ und kam dabei zu einem für seinen Auftraggeber höchst günstigen Befund: hundert Prozent Entlastung. Nur leider hatte Strobl, ganz offensichtlich, dem renommierten Juristen eine etwas andere Geschichte erzählt als zuvor im Innenausschuss und jetzt den Abgeordneten im Untersuchungsausschuss.
Den Innenminister lässt sein Gedächtnis im Stich
Denn nach Schertz ist mit der Weitergabe des Briefs „dem Ansinnen eines Journalisten entsprochen worden“. Die Argumente dafür sind die Pressefreiheit und das Informationsfreiheitsgesetz. Nicht im Ansatz könne er erkennen und verstehen, so Schertz auf der Pressekonferenz zur Präsentation seiner Schlüsse, wie es zu einer Affäre habe kommen können. Vielmehr sei das Ganze „zu einem Skandal oder einer Affäre hochgejazzt“ worden. Für sich nimmt er den Versuch in Anspruch, sich „unvoreingenommen und neutral“ dem Sachverhalt zu nähern, „denn ich stehe mit Wort und Namen für meine Einschätzung“.
Der Innenminister steht seit Freitagabend mit Wort und Namen für etwas anderes. Denn inzwischen – immerhin sind seit dem Freispruch erster Klasse durch seinen Rechtsbeistand fast vier Monate ins Land gegangen – lässt ihn sein Gedächtnis im Stich: Entweder von ihm selbst oder von dem Journalisten könne der Brief angesprochen worden sein. Er könne „aus der Erinnerung beantworten, dass ich ihm gesagt habe: Wenn Sie das habe wollen, dann schicken wir Ihnen das“. Gesagt, getan, mit der Folge, dass gegen den Mitarbeiter im Haus an der Willy-Brandt-Straße, der den ministeriellen Auftrag ausführte, ebenfalls ein derzeit ruhendes Disziplinarverfahren läuft. Aber auch dazu kann Strobl in öffentlicher Sitzung nicht aussagen.
Oben — Serie: Regionalkonferenz der CDU Baden-Württemberg am 21. November 2014 in Appenweier zur Vorstellung der Bewerber für die Spitzenkandidatur bei der Landtagswahl 2016 Bild:Thomas Strobl
Am Freitagabend, pünktlich zum Herbstanfang 2022, wurden die Protestaktionen der sogenannten ’Fridays For Future’-Jugend (FFF: Freitags für die Zukunft) wieder als innerdeutsche Nachricht bei allen Leitmedien in die Fernsehstuben der Bundesdeutschen zugelassen.
Ja, diese Hätschelkinder’ der Mainstream-Medien einer jugendlich-frischen Ökobewegung durften ihre ’Angstreden’ vor einer ihnen ungewissen klimatischen Zukunft als ’News’ (Nachricht) rausposaunen, wobei das unvergessliche Buch ’Global 2000’ vielleicht der Geburtshelfer und Taufpate dieser Bewegung war. Doch dieser ’Schinken’ ist viel zu dick, zu alt und viel zu schwer verdaulich, als dass Teenager sich an die Lektüre gewagt hätten. Es geht ja auch ohne, zumal bei dem miesen Klima dieser Septembertage jedermann/frau die angestrebte ’Klimawende’ einer Erderwärmung eher befürwortet.
Im tiefen Südwesten der Bundesdeutschen Republik, dem allseits geliebten, fast französischen Saarland nämlich, wollten die ökologischen Grünlinge auch wieder auf die Straße gehen (2). „Saarland for Future“ hatten die Organisatoren sich auf das teure Banner geschrieben, das an der professionell aufgebauten Rockbühne hing, die auf dem abgesteckten -natürlich- polizeilich überwachten Festgelände stand. Die sattgrünen Uferwiesen entlang der Saar am Saarbrücker Staatstheater wurden nach der Coronakrise endlich wieder genutzt. Etliche der bekannten alternativen Non Governmentel-Organisations (NGO; Nicht Regierungsorganisationen) kamen und wollten das Fest zur Eigenreklame verwenden: Greenpeace, BUND, VCD, der ’Dritte-Welt’-Laden (Losheim) eine bunte Fahrrad-Kinder-Initiative (oder so) und andere Vereine mehr hatten ihre Infohäuschen entlang des Festplatzes aufgebaut. Zudem hatte ein noch eher unbekannter Künstler zwei riesige durchsichtige ’Plastikluftkissen’ (plastique fantastique; Anmerkung: 3) aufgestellt, um mit seinem Kunstwerk den Besuchern die Öko-Krise von ’Mother Earth’ (Mutter Erde) zu verdeutlichen. Optimal angelegt war sie die Organisationsstruktur des Festes: Mein Respekt an das Organisationsteam!
Die aufgestellten Festivalboxen vibrierten im rockigen Sound einer Band, deren aggressiv gekonnte zwischen Metallica und Scorpions intonierte Breitbandmusik von Weitem schon die Menschen anlockte. Doch da war kaum jemand anwesend! Die Betreiber der Infostände diskutierten notgedrungen eher mit sich selbst und die angekündigte deutsche „Jungfrau aus Schweden“ Frau Luisa Neubauer -war die das?- redete vor kaum einem Dutzend Beifall klatschender Jugendlicher. Nur ein paar eher zufällige ’Jungkids’ hatten sich nämlich ’auf die Wiesn’ am Saarbrücker Theater verirrt, denn es war ja Samstag und der ist sowieso schulfrei! Essensstände fehlten auf dem Fest komplett und kein Schwenker animierte die übrigen eher zufälligen Festbesucher mit seinem verführerischen Duft einer Roten oder Weißen zum Verzehr der vielleicht veganen Ökobällchen. Dass das so geplante Klimafest (3) ein Flop war, lag eher wohl am saarländischen Wetter. Der regengraue Himmel meinte es nicht gut mit den Klimaengagierten. Doch der anwesende Vertreter des Saarländischen Rundfunks stelle auch die richtige Frage nach dem Timing, der Zeitplanung: Ist der Samstag im Saarland nun ein Freitag? Und der organisatorische Hauptverantwortliche für die in Saarbrücken inszenierten FFF-Demo beantwortete die vollzogene südwestdeutsche Wende in der Zeit des Öko-Festes von Freitag auf Samstag, nicht mit der klassischen Begründung: „Friday I’m in love (The Cure). Er postulierte einen Ausstieg der saarländischen FFF aus der „Komfortzone“ und der Gewinnung neuen Publikums (4). Diesen zeitlichen Tageswechsel jedoch hatte die Masse der saarländischen Schülerinnen und Schüler und damit die eigentlichen Ansprechpartner des Festes, wohl nicht mitbekommen, wobei die sonstig Interessierten leider auch nicht kamen.
Der bisher bestehende saarländische FFF-’Druck der Straße’ ist nun jedoch verpufft, die Luft ist raus und die saarländische Regierung unter Frau Anke Rehlinger (SPD) kann wie die Berliner Rot-Gelb-Grüne Bundesregierung ihre Corona-Todesfurcht-Atom-Kriegsbedrohungs-Energiemangel-Angstpolitik gegen das eigene Volk unbehindert fortsetzen. Jetzt verbleiben nur noch die bösen stigmatisierten ’rechten’ „Querdenker“ als ’linke’ Politikrebellen. Zur Garantie der deutschen Volkssicherheit aber wird nun neben der Polizei endlich auch die Bundeswehr wieder im Innern patrouillieren! Es fehlen der neuen Berliner Republik Deutschland (BRD) noch die früher üblichen Nachtwächter und der ’Deutsche Michel’ kann in seinem geliebten Vaterland (5) wieder ruhig schlafen gehen. Nur der Verfassungsschutz weist schon einmal präventiv auf mögliche „Volksunruhen“ für den angebrochenen Herbst hin (6). Ob für diese prognostizierten „Volksunruhen“ eignes die berühmten ’Gelbwesten’ (7) aus dem benachbarten französischen Lothringen ins Saarland anreisen, sollte diskret beim Verfassungsschutz angefragt werden.
Abschließend sei im Rückblick auf das saarländische FFF-Fest ausdrücklich gefragt: Wer bezahlt eigentlich dieses aufwendige saarländische ’Friday-pupils-event’ (freitags Schüler Fest)? Bestimmt werden dem Organisationsteam ausreichend Spendengelder von Klimagönnern zufließen, denn ein einfacher, gar noch minderjähriger Schüler kann das für ein solches Happening benötigte Geld wohl nicht aufbringen.
Anmerkungen:
1 Das Motto der jungen Ökobewegung wurde gewendet zu : No future for Fridays, was heißt: Keine Zukunft für die Freitags(demonstranten).
2 Hinweis von Campact: Sind auch Sie am Freitag bei der großen Klima-Demo in Saarbrücken dabei? Ort: Park am Theater (unterhalb Staatstheater), Saarbrücken Zeit: 14 Uhr. (Info vom 20. 9. 2022) Etliche am Thema Interessierte kamen denn am Freitag zum angegebenen Versammlungsort, doch da war nichts…
4 Vgl: Bericht des Saarländischen Rundfunks: www.sr.de/sr/mediathek/ Audio/SR2_ BE_ 798.html
5 Der bekannte Deutsche Schlagerstar Udo Jürgens sang 1971 das gesellschaftskritische Lied: ’Lieb Vaterland’. Besonders erwähnenswert wären die Zeilen: Lieb’ Vaterland, magst ruhig sein, Die Großen zäunen ihren Wohlstand ein. Die Armen warten mit leerer Hand. Lieb’ Vaterland! Vgl.: www.google.com/search?q=Udo+Jürgens%3A+Lieb+Vaterland
6 Siehe auch: tagesspiegel.de/politik/bundeskriminalamt-warnt-energiekrise-bedroht-innere-sicherheit-8679658.html; das in der Verfassung garantierte Grundrecht der freien Meinungsäußerung wird vom deutschen Verfassungsschutz negativ bewertet und vorab als möglicher „Volksaufstand“ interpretiert. Diese deutsche Institution der BRD ist als historische Nachfolgorganisation von Gestabo (Drittes Reich) und der Stasi (DDR) selbst verfassungswidrig und einer richtigen Demokratie unwürdig! Der deutsche Verfassungsschutz mit all seinen Skandalen gehört deshalb abgeschafft!
7 Die ’Gelbwesten’ (frz.: Gilets jaunes) , eine engagiert renitente französische Gruppe, vornehmlich aus engagierten Rentnern bestehend, sorgten in Frankreich mit ihren nicht immer gewaltfreien Aktionen dafür, dass die französische Wirtschaft im Jahr 2018 zur Produktionslokomotive Europas wurde. Die so gestärkte französischen Binnenkonjunktur überholte dabei erstmals die Wirtschaftskapazität der BRD, wobei einzelne Gelbwesten bedauerlicher Weise herausgegriffen und durch die Justiz zur Verantwortung gezogen wurden. Das französische Wirtschaftssystem wurde so auf dem Rücken seiner sozial schwächeren Staatsmitglieder saniert. Siehe auch: Nikolaus Götz: Die französischen Gelbwesten. Eine Bürgerbewegung mit ihren politischen Forderungen, Saarbücken 2019.
Erklärung der Ukrainischen Pazifistischen Bewegung, angenommen auf dem Treffen am Internationalen Tag des Friedens am 21. September 2022.
Wir, die ukrainischen Pazifist*innen, fordern und engagieren uns für die Beendigung des Krieges mit friedlichen Mitteln und das Menschenrecht auf Kriegsdienstverweigerung aus Gewissensgründen zu schützen.
Frieden, nicht Krieg, ist die Norm des menschlichen Lebens. Krieg ist ein organisierter Massenmord. Unsere wichtigste Pflicht ist, dass wir nicht töten. Heute, wo der moralische Kompass überall verloren geht und die selbstzerstörerische Unterstützung für Krieg und Militär zunimmt, ist es besonders wichtig, dass wir den gesunden Menschenverstand bewahren, unserer gewaltfreien Lebensweise treu bleiben, Frieden schaffen und friedliebende Menschen unterstützen.
Die UN-Generalversammlung verurteilte die russische Aggression gegen die Ukraine und forderte eine sofortige friedliche Beilegung des Konflikts zwischen Russland und der Ukraine und betonte, dass die Konfliktparteien die Menschenrechte und das humanitäre Völkerrecht achten müssen. Wir teilen diese Position.
Die derzeitige Politik des Krieges bis zum absoluten Sieg und die Missachtung der Kritik von Menschenrechtsaktivist*innen ist inakzeptabel und muss sich ändern. Was wir brauchen, sind ein Waffenstillstand, Friedensgespräche und ernsthafte Bemühungen, die tragischen Fehler zu korrigieren, die auf beiden Seiten des Konflikts gemacht wurden. Eine Verlängerung des Krieges hat katastrophale, tödliche Folgen und zerstört weiterhin die Gesellschaft und die Umwelt nicht nur in der Ukraine, sondern in der ganzen Welt. Früher oder später werden sich die Parteien an den Verhandlungstisch setzen, und wenn nicht aufgrund ihrer rationalen Entscheidung, dann unter dem Druck des unerträglichen Leids und der völligen Erschöpfung, die man durch die Wahl des diplomatischen Weges besser vermeiden sollte.
Es ist ein Fehler, sich auf die Seite einer der kriegführenden Armeen zu stellen. Es ist notwendig, sich auf die Seite des Friedens und der Gerechtigkeit zu schlagen. Selbstverteidigung kann und sollte mit gewaltfreien und unbewaffneten Methoden erfolgen. Jede brutale Regierung ist illegitim, und nichts rechtfertigt die Unterdrückung von Menschen und das Blutvergießen für die illusorischen Ziele der totalen Kontrolle oder der Eroberung von Territorien. Niemand kann sich der Verantwortung für sein eigenes Fehlverhalten entziehen, indem er sich darauf beruft, Opfer des Fehlverhaltens anderer zu sein. Falsches und sogar kriminelles Verhalten einer Partei kann nicht die Konstruktion eines Mythos über einen Feind rechtfertigen, mit dem es angeblich unmöglich ist zu verhandeln und der um jeden Preis vernichtet werden muss, einschließlich der Selbstzerstörung. Der Wunsch nach Frieden ist ein natürliches Bedürfnis eines jeden Menschen. Er darf aber keine negative Beziehung zu einem mysteriösen Feind rechtfertigen.
Das Menschenrecht auf Kriegsdienstverweigerung aus Gewissensgründen war in der Ukraine nicht einmal in Friedenszeiten nach internationalen Standards gewährleistet, ganz zu schweigen unter den derzeitigen Bedingungen des Kriegsrechts. Der Staat hat es jahrzehntelang auf schändliche Weise vermieden, auf die einschlägigen Appelle des UN-Menschenrechtsausschusses und die öffentlichen Proteste ernsthaft zu reagieren, und tut dies auch heute noch. Obwohl der Staat dieses Recht nicht einmal in Kriegszeiten oder anderen öffentlichen Notlagen außer Kraft setzen kann, wie es im Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte (Zivilpakt) heißt, weigert sich die Armee in der Ukraine, das allgemein anerkannte Recht auf Kriegsdienstverweigerung aus Gewissensgründen zu respektieren. Sie verweigert durch die Mobilmachung sogar den Ersatz des Zwangsdienstes durch einen alternativen, nicht-militärischen Dienst, wie es die ukrainische Verfassung direkt vorschreibt. Eine solche skandalöse Missachtung der Menschenrechte darf in der Rechtsstaatlichkeit keinen Platz haben.
Staat und Gesellschaft müssen der Willkür und dem Unrechtsbewusstsein der ukrainischen Streitkräfte ein Ende setzen, die sich in einer Politik der Schikanen und der Strafverfolgung bei Verweigerung des Kriegseinsatzes und der erzwungenen Umfunktionierung von Zivilisten zu Soldaten äußern. Dadurch können sich Zivilisten weder innerhalb des Landes frei bewegen noch ins Ausland gehen, selbst wenn sie vitale Bedürfnisse haben, um sich vor Gefahren zu retten, eine Ausbildung zu erhalten, Mittel für den Lebensunterhalt, die berufliche und kreative Selbstverwirklichung usw. zu finden.
Die Regierungen und Zivilgesellschaften der Welt schienen der Geißel des Krieges hilflos ausgeliefert zu sein, da sie in den Strudel des Konflikts zwischen der Ukraine und Russland und der allgemeinen Feindschaft zwischen den NATO-Ländern, Russland und China hineingezogen wurden. Selbst die Androhung der Vernichtung allen Lebens auf dem Planeten durch Atomwaffen hat dem verrückten Wettrüsten kein Ende gesetzt, und der Haushalt der UNO, der wichtigsten Institution für den Frieden auf der Erde, beläuft sich auf nur 3 Milliarden Dollar, während die weltweiten Militärausgaben um das Hundertfache höher sind und einen gigantischen Betrag von 2 Billionen Dollar überschritten haben. Aufgrund ihrer Neigung, massenhaftes Blutvergießen zu organisieren und Menschen zum Töten zu zwingen, haben sich die Nationalstaaten als unfähig erwiesen, eine gewaltfreie demokratische Regierung zu führen und ihre grundlegenden Funktionen zum Schutz des Lebens und der Freiheit der Menschen zu erfüllen.
Die Eskalation der bewaffneten Konflikte in der Ukraine und in der Welt ist unserer Meinung nach darauf zurückzuführen, dass die bestehenden wirtschaftlichen, politischen und rechtlichen Systeme, das Bildungswesen, die Kultur, die Zivilgesellschaft, die Massenmedien, die Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens, die Führungspersönlichkeiten, die Wissenschaftler*innen, die Expert*innen, die Fachleute, die Eltern, die Lehrer*innen, die Mediziner*innen, die Denker*innen, die schöpferischen und religiösen Akteur*innen ihren Aufgaben zur Stärkung der Normen und Werte einer gewaltfreien Lebensweise nur unvollständig nachkommen, so wie es in der Erklärung und dem Aktionsprogramm über eine Kultur des Friedens vorgesehen ist, das von der UN-Generalversammlung verabschiedet wurde. Beweise für die vernachlässigten friedensfördernden Aufgaben sind die archaischen und gefährlichen Praktiken, die beendet werden müssen: militärisch-patriotische Erziehung, Wehrpflicht, Fehlen einer systematischen öffentlichen Friedenserziehung, Kriegspropaganda in den Massenmedien, Unterstützung des Krieges durch Nichtregierungsorganisationen, Widerwillen einiger Menschenrechtsaktivist*innen, sich konsequent für die volle Verwirklichung des Menschenrechts auf Frieden und auf Kriegsdienstverweigerung aus Gewissensgründen einzusetzen. Wir erinnern die Akteur*innen an ihre friedensstiftenden Pflichten und werden unnachgiebig auf die Einhaltung dieser Pflichten pochen.
Wir sehen es als Ziel unserer Friedensbewegung und aller Friedensbewegungen der Welt an, das Menschenrecht auf Verweigerung des Tötens aufrechtzuerhalten, den Krieg in der Ukraine und alle Kriege in der Welt zu beenden und nachhaltigen Frieden und Entwicklung für alle Menschen auf dem Planeten zu sichern. Um diese Ziele zu erreichen, werden wir die Wahrheit über das Böse und den Betrug des Krieges sagen, praktisches Wissen über ein friedliches Leben ohne Gewalt oder mit deren Minimierung lernen und lehren, und wir werden den Benachteiligten helfen, insbesondere denjenigen, die von Kriegen und ungerechtem Zwang zur Unterstützung der Armee oder zur Teilnahme am Krieg betroffen sind.
Krieg ist ein Verbrechen gegen die Menschheit, wir sind daher entschlossen, keine Art von Krieg zu unterstützen und uns für die Beseitigung aller Kriegsursachen einzusetzen.
Oktoberfest und Exzess: Zu Hause sitzen ist auch keine Art
Durch die Woche mit Ariane Lemme
Das Oktoberfest hat bei vielen einen zweifelhaften Ruf. Aber es ist ein guter Ort, um zu checken, dass Gaudi nicht zur Abgrenzung gegen andere taugt.
Erinnern Sie sich noch? „Die Welt nach Corona wird eine andere sein“, hieß es. Und ich war vermutlich nicht die Einzige, die das mit einem wohligen Gefühl von Hoffnung geglaubt hat. Zwei Jahre Verzicht und Verlangsamung müssen doch ein bisschen Besinnung bewirken können – klima- und sozialpolitisch, oder? Hinter der Entschleunigung, den Grenzerfahrungen musste doch das große Ganze: Solidarität, Mitgefühl, umso heller einleuchten.
Mich haben die Lockdowns an das erinnert, was wir in der 9. Klasse unseres bayerischen Gymnasiums Besinnungstage nannten: eine Woche in einem alten Kloster, wo wir uns in gruppendynamischen Spielen emotional ein bisschen nackig machen mussten. War natürlich super anstrengend und peinlich, aber tatsächlich waren wir als Klasse nachher ein Team, keine Cliquen mehr.
Gut, wir hatten natürlich Glück, dass mein Freund M. beim Kiffen nur beinahe aus dem Fenster des dritten Stocks gefallen ist. Weil aber alles gut ging, sind selbst schüchterne Leute wie ich ein bisschen größer nach Hause gegangen.
Aber hey, die Welt ist kein bayerisches Gymnasium – und deshalb nach Corona genau wie vor Corona. Herbstsonnenklarer als jetzt kann es gar nicht sein, denn derzeit läuft die erste Wiesn aka Oktoberfest nach der Pandemie. Und klar läuft der „Mein Exzess ist besser als deiner“-Contest schon seit Wochen auf Hochtouren.
Ist die Wiesn Abschaum?
Denn wir können uns zwar weder auf einen vernünftigen Umgang mit Putin, ordentliche Waffenlieferungen an die Ukraine, Unterstützung für die Frauen Irans, die ihr unterdrückerisches Kopftuch ablegen wollen (und dafür sterben), eine faire Gasumlage und schon gar nicht auf ein bisschen echten Verzicht fürs Klima (oder auch: unser Überleben) einigen, aber darauf: Die Wiesn ist nicht Bier-, sondern Abschaum. Da werfen sich Menschen in seltsame Kostüme und tun unter Einfluss von Drogen enthemmte Dinge, pfui. Ganz anders als beim Karneval oder im Berliner Kitkat-Club, klar.
Ich will nichts beschönigen und schon gar keine Verbrechen rechtfertigen. Sexuelle und gewaltvolle Übergriffe sind genau das: Verbrechen, und niemals einfach Kollateralschäden von Exzess. Rassistische und sexistische Lieder, Sprüche haben nirgends etwas verloren auf keiner Party, zu keiner Zeit. Das ist doch auch klar.
Aber es ist auch lächerlich, so zu tun, als wäre all das Alleinstellungsmerkmal der Wiesn und nicht überall zu finden: in Fußballstadien, beim Karneval, beim Spring Break. Macht es das besser? Rechtfertigt das irgendwas? Nö. Aber es ist halt so: Der Zustand der Welt zeigt sich am deutlichsten da, wo viele Menschen aus verschiedenen Blasen zusammenkommen. Und siehe da: Die Welt ist schlecht.
Steckerlfisch und Kotze
Aber zugleich auch schrill, bunt und aufregend. Manchmal riecht sie nach gebrannten Mandeln, manchmal nach Steckerlfisch und Lebkuchen, manchmal nach Kotze. Gut, in Berlin meist nach Hundescheiße, aber auch das gehört halt dazu.
Er hat den „robusten Polizeieinsatz“ am 30. 09. 2010 hautnah erlebt.
Von Oliver Stenzel
Der Polizeieinsatz am 30. September 2010 im Stuttgarter Schlossgarten gab Dieter Reicherters Leben eine neue Wendung: Seitdem engagiert sich der ehemalige Richter gegen Stuttgart 21. Dass es immer wieder anders kommt als geplant, scheint eine Konstante in seiner Vita zu sein.
Idyllisch ist es hier. Der Waldrand 100 Meter entfernt, statt Autos brummen ein paar Wespen, und auf der gegenüberliegenden Seite des schmalen Sträßchens grasen zwei Pferde seelenruhig in einem Gatter. Dieter Reicherter wohnt am Rande von Fautspach, mitten im Schwäbischen Wald. Der zu Althütte gehörende Weiler hat rund 100 Einwohner:innen, zur Murrquelle sind es zu Fuß 20 Minuten, zum Ebnisee eine Stunde. Zum nächsten S-Bahn-Halt Backnang ist es etwas weiter, 15 Kilometer.
Dass Reicherter, 1947 geboren und in Stuttgart-Wangen aufgewachsen, hier lebt, hat auch etwas mit seiner Leidenschaft für Pop- und Rock-Musik zu tun. Mehrere Zehntausend Tonträger, größtenteils Vinyl und vor allem Langspielplatten, aber auch um die 30.000 Singles und etliche CDs lagern in seinem „Schallarchiv“, das einen Großteil des Kellers in Beschlag nimmt. Ein bezahlbares Haus mit Platz dafür und für eine kleine Familie, das war im Raum Stuttgart schwer zu finden, und so zog Reicherter 2004 mit Frau und zwei Töchtern von Esslingen hierher. Inzwischen lebt er alleine, er ist geschieden und auch die zweite Tochter ist aus dem Haus. Das Schallarchiv wächst weiter. „Das mit den Platten ist schon etwas verrückt“, sagt Reicherter und lacht, „denn anhören kann ich die ja nie alle.“
Der ehemalige Richter liebt Musik auch live; um die 100 Konzerte besucht er pro Jahr, fährt dafür durch ganz Deutschland, in angrenzende Länder und auch mal nach Großbritannien. Seine Leidenschaft so auszuleben, scheint kein schlechtes Rezept: Reicherter wirkt meist heiter, lacht gerne und oft.
Begonnen hat es bei ihm, erzählt er, mit 14 oder 15 Jahren. Die Eltern einer Freundin hatten ein Café und darin eine Musikbox, „die aussortierten Singles haben sie für eine Mark verkauft“. Das war der Anfang seiner Sammlung. Richtig los ging es mit den Beatles, und anders als viele Fans der Fab Four liebt Reicherter auch die Rolling Stones. The Who, die Beach Boys, The Zombies und und und. Die Sixties überwiegen in seiner Kollektion, aber auch für Neues ist er offen.
Der Strahl des Wasserwerfers änderte alles
Seine Platten kauft er mit Vorliebe bei „Second Hand Records“ in Stuttgart. Dort war er auch am 30. September 2010, ehe er mit einer frisch gefüllten Stofftasche voller LPs in den Schlossgarten ging, um sich die Demonstration gegen die anstehenden Baumfällungen für Stuttgart 21 anzuschauen. Bald war er nass wie viele andere, der Strahl des Wasserwerfers traf ihn, obwohl er am Rande des Geschehens stand. „Sowas hatte ich noch nie erlebt“, sagt Reicherter. Die Dusche und das brutale Vorgehen der Polizei gegen friedlich Demonstrierende änderten sein Bild vom Staat. „Ich war ja bis vier Wochen davor auf der anderen Seite und dachte, bei der Polizei kann man sich einigermaßen verlassen, dass sie Recht und Ordnung einhält – als Richter muss man das.“ Diese Gewissheit war dahin nach dem Tag, der bald „Schwarzer Donnerstag“ genannt wurde.
Reicherter war entsetzt über das, was er gesehen hatte, und wieder entsetzt, wie darüber berichtet wurde: In den TV-Nachrichten am Abend wurde teils die Behauptung der damaligen Landesregierung unter Ministerpräsident Stefan Mappus (CDU) wiedergegeben, die Demonstranten seien gewalttätig gewesen und die Polizei habe einschreiten müssen. Als er am Morgen des 1. Oktober diesen Tenor auch in der Zeitung las, „habe ich mich im Schlafanzug an den Schreibtisch gesetzt und angefangen, meine Erinnerung aufzuschreiben.“ Daraus wurde eine Dienstaufsichtsbeschwerde, gerichtet an den damaligen Innenminister Heribert Rech (CDU). Er schickte sie auch an die Presse, an Landtags- und Bundestagsabgeordnete und an Freunde, irgendjemand stellte den Text ins Internet – „und plötzlich stand mein Telefon nicht mehr still.“
Mit Stuttgart 21 hatte sich Reicherter bis dahin kaum auseinandergesetzt. Auch jetzt wollte er sich zunächst nur mit dem Schwarzen Donnerstag befassen und nicht mit dem ganzen Projekt. „Aber ich habe relativ schnell gemerkt, dass man das überhaupt nicht trennen kann. Dass bei S 21 genauso gelogen und betrogen wurde wie bei der Aufklärung des Polizeieinsatzes.“
Bald nach dem 30. September erhielt er eine Einladung bei den „Juristen zu S 21“ mitzumachen, seitdem „wurde es immer mehr“. Seit Februar dieses Jahres ist Reicherter Sprecher des Aktionsbündnisses gegen Stuttgart 21. Sein Engagement hatte zuletzt dazu geführt, dass er durch eine jahrelang beantragte Akteneinsicht nachweisen konnte, wie manipulativ die Regierung Mappus 2010 bei Schlichtung und Untersuchungsausschuss zum 30.9. vorgegangen war (Kontext berichtete). Und dass Mappus im Ausschuss nicht die Wahrheit gesagt hatte. Den Ex-CDU-Ministerpräsidenten dafür strafrechtlich zu belangen, war zu spät – verjährt. Doch ohne Reicherters Beharrlichkeit und seine Kenntnisse als ehemaliger Richter und Staatsanwalt wären diese Details womöglich gar nicht ans Licht gekommen.
Jura war dritte Wahl
Dabei war die Juristerei nicht Reicherters erste Wahl. „Eigentlich hat mich Medizin interessiert. Aber ich konnte kein Blut sehen.“ Die zweite Wahl war Theologie – aber nachdem er als jüngstes Mitglied des Kirchengemeinderats in Esslingen hinter die Kulissen blicken konnte, „wollte ich auch nicht mehr Theologe werden.“ Also blieb, an dritter Stelle, Jura.
1966 fing er in Tübingen an zu studieren, die 68er warfen dort damals schon ihre Schatten voraus. Doch richtig dabei in der Studentenbewegung war Reicherter nicht, auch wenn er viele Forderungen teilte. Bei Aktionen wurde damals auch mal der Zugang zur Uni versperrt, „das hat mich abgeschreckt. Wenn ich eines nicht leiden kann, dann wenn mir andere sagen, was ich machen soll, wenn ich nicht die Chance habe, mich selbst zu entscheiden.“ Politisch fühlte er sich der SPD und ihrem Vorsitzenden Willy Brandt verbunden, der Einfluss des Vaters, SPD-Mitglied, aktiv in Gemeinde- und Kreisrat. „Aber ich selbst war nie Mitglied.“
Anders gekommen als gedacht ist es immer wieder in Dieter Reicherters Leben. So wäre der Skandinavienbegeisterte während seiner Studienzeit fast nach Finnland ausgewandert, dort hatte er eine Freundin. Er lernte Finnisch, weil sie kein Englisch konnte, die Fernbeziehung fand ein Ende, als Reicherter seine spätere Frau kennenlernte.
Die seit Kurzem öffentlichen Akten rund um den ersten Untersuchungsausschuss zum Polizeieinsatz im Stuttgarter Schlossgarten 2010 erlauben auch neue Einblicke in den zweiten. Der tagte zwischen 2013 und 2016, und wieder mühten sich CDU und FDP um eine Banalisierung des Skandals.
Als Hans-Ulrich Sckerl, zuletzt parlamentarischer Geschäftsführer der Grünen-Fraktion im baden-württembergischen Landtag, im vergangenen Februar starb, war an Würdigungen kein Mangel. Einen „standhaften und verlässlichen Frontkämpfer für unsere Demokratie“ nannte ihn Landesinnenminister Thomas Strobl (CDU), einen „feinen Kerl“, mit dem er vertrauensvoll und „unheimlich gerne zusammengearbeitet“ habe. So bestimmt das Machtstreben die Perspektive. Denn nur wenige Monate bevor diese Zusammenarbeit im Mai 2016 begann, war die Einschätzung des Kommunal- und Innenexperten Sckerl durch die CDU eine ganz entgegengesetzte.
Im Februar 2016 debattierte der Landtag den Abschlussbericht des Gremiums mit dem langen offiziellen Namen „Aufklärung einer politischen Einflussnahme der CDU-geführten Landesregierung Mappus auf den Polizeieinsatz vom 30. September 2010 im Stuttgarter Schlossgarten und auf die Ergebnisse des Untersuchungsausschusses 2010“. Wie schon im Januar 2011, bei der Debatte über den Abschlussbericht des ersten U-Ausschusses, standen die heißen letzten Wochen eines Wahlkampfs bevor. Nicht die Wahrheit zu sagen und Fakten zu verdrehen, wurde dem Grünen-Ausschussobmann Sckerl in immer neuen Zwischenrufen aus den Bankreihen der Schwarzen vorgeworfen. Persönliche Anwürfe und Verunglimpfungen gehörten zur Strategie, um die Aufarbeitung der Ereignisse zu behindern.
Einer der Unionsabgeordneten, Karl-Wilhelm Röhm, inzwischen ausgeschieden aus dem Landtag, tat sich besonders hervor bei der Umdeutung der Ereignisse. Als Sckerl seiner Erwartung Ausdruck verlieh, dass die damaligen Regierungsparteien nach fünf Jahren, vier Monaten und 18 Tagen politische Verantwortung übernehmen und sich bei den Bürgerinnen und Bürgern der Stadt Stuttgart für diesen Polizeieinsatz entschuldigen, platzte dem früheren Münsinger Gymnasialrektor Röhm endgültig der Kragen: „Dafür gibt es gar keinen Grund. Das werden Sie nie erleben. (…) Die Chaoten haben Fehler gemacht! Es geht um die Chaoten!“
Tatsachen verschleiern, Nebelkerzen zünden
Wer und was darunter wiederum zu verstehen sein sollte, hatte der Stuttgarter Hardliner Reinhard Löffler am Rednerpult des Landtags schon geklärt: „Ein Mime zelebrierte ein Gelöbnis am Bahnhof; eine fromme Pastorin feierte Feldgottesdienste; eine Trutzburg von Parkschützern, deren Straftaten nicht verfolgt wurden; Stolperfallen für Polizeipferde, Anspucken von Polizisten und die militante Drohung ‚Bei Abriss Aufstand‘ – diese explosive Mischung hat den Schwarzen Donnerstag mit ermöglicht, nicht nur die Fehler beim Polizeieinsatz.“ Immerhin, ein kleiner Erfolg, dass da die Begriffe Fehler und Polizeieinsatz zusammen aus seinem Munde kamen.
Von Einsicht allerdings keine Spur bei CDU und FDP. Denn wieder war Wahlkampf, wieder ging es darum, Tatsachen zu verschleiern, Nebelkerzen zu zünden und Erkenntnisse zu verwässern. Der Liberale Timm Kern versuchte es auf die Schönfärber-Tour, fabulierte, dass „immerhin der vage Verdacht im Raum stand, die letzte Landesregierung könnte auf den Einsatz unrechtmäßig eingewirkt und dem ersten Untersuchungsausschuss Akten vorenthalten haben, und dem galt es ohne Ansehen der Person nachzugehen“. Stimmt – nur war das leider nicht geschehen. Möglicherweise mit gravierenden Folgen für die Wahlergebnisse: Die Liberalen konnten, nachdem sie 2011 nur knapp die Fünf-Prozent-Hürde nicht gerissen hatten, 2016 auf 8,3 Prozent zulegen. Die CDU aber, die 2011 trotz Stuttgart 21, Schwarzem Donnerstag, Fukushima und Stefan Mappus als Ministerpräsident noch 39 Prozent geholt hatte, stürzte fünf Jahre später ab auf 27.
Im Detail bekannt waren den Abgeordneten im zweiten Ausschuss nicht nur viele Mails, deren Herausgabe vor Gericht mühsam erstritten werden musste. Wo die Kritiker:innen bis dato auf Indizien angewiesen waren, konnten jetzt vermutete Zusammenhänge durch Fakten belegt werden. Etwa jene zwischen der geplanten Regierungserklärung des Ministerpräsidenten Mappus am 7. Oktober 2010 und dem Beginn der Baumfällarbeiten im Schlossgarten, die Platz schaffen sollten für die S-21-Baustelle. „Ziel ist, das bis zu deiner Regierungserklärung alles mit den Bäumen erledigt ist! Planungen laufen ordentlich, es wird aber eine Herausforderung“, schreibt die damalige Umwelt- und Verkehrsministerin Tanja Gönner (CDU) am 21. September 2010 an den Regierungschef.
Akten mit vier Wochen Verspätung geliefert
Auch wie die Arbeit im ersten Anlauf verzögert wurde, ließ sich jetzt belegen. Erst mehr als vier Wochen nach der Einsetzung des ersten Ausschusses meldete der Regierungsbeauftragte Michael Pope, dass die Akten „synchronisiert übersandt“ worden seien. Aus Gönners für Stuttgart 21 zuständigem Ministerium gab es gerade mal einen einzigen dünner Ordner mit den Protokollen vom sogenannten „Baustellen-Jour-Fixe“. Plausibel ist, dass da ziemlich heftig ausgesiebt worden war. Noch am 3. November 2010 hatte Pope nicht gewusst, „wie lange wir für eine widerspruchsfreie Aufarbeitung der Akten brauchen“.
Vorbildwirkung von Prominenten: Täglich gut sein, 129 Jahre lang
Durch die Woche mit Lukas Wallraff.
Ob Karl May, Olaf Scholz oder Sanna Marin: Prominente müssen immer und überall ohne Fehl und Tadel sein – sogar über das eigene Leben hinaus.
Wer in dieser Welt Gutes tun will, hat es nicht leicht. Ständig kommt etwas in die Quere und durchkreuzt die schönsten Pläne. Selbst der beste Vorsatz entpuppt sich als falsche Idee. Da willst du zum Beispiel den Deutschen erklären, was für kluge und edle Menschen die Indianer waren, denen viel Unrecht widerfahren ist, und schon 129 Jahre später wird dir vorgeworfen, du seist ein Rassist. Und dann haben deine Kritiker*innen auch noch Recht, weil es inzwischen andere, präzisere Worte gibt. Pech.
Natürlich tut mir Karl May auch deshalb leid, weil es mir so ähnlich geht. Kaum nehme ich mir etwa zum Schulanfang vor, meinen Kindern das zu servieren, was ihnen schmeckt, werde ich vom Verpackungshinweis auf die Massentierhaltung verschreckt. Klar, auch das zu Recht.
Aber ich habe mehr Glück als Karl May. Ich lebe im heutigen Kreuzberg, kann mich noch ändern und gemeinsam mit meinen Kindern lernen, dass der neu eröffnete Veganer nebenan mindestens genauso leckere Sachen hat wie Curry36 und die Dönerbude, die wir als lokalpatriotische Berliner sonst immer als Erstes nach dem Urlaub aufgesucht haben. Was mit denen geschieht, wenn keiner mehr hingeht, muss meine Sorge nicht sein, da soll sich der Wirtschaftsminister drum kümmern. Dafür ist er doch da.
Aber Mist, für eine sozialökologische Umstellung auf nachhaltige Ernährung hat Robert Habeck im Moment leider keine Zeit. Der Mann, der sich vorgenommen hatte, Deutschland grün und fossilfrei zu gestalten, muss jetzt erst mal Kohle verfeuern und in Kanada um Frackinggas betteln, weil die Lieferungen aus Katar nicht reichen, um durch den Winter zu kommen. Ob es moralisch besser ist, aus fragwürdigen Quellen ganz weit weg Energie zu beziehen, als in Niedersachsen selbst nach Gas zu schürfen, bleibt das Geheimnis der Grünen.
Zählen Politiker-innen dann eher nicht zu den Prominenten, da sie weit, weit über ihren Tod hinaus, sehr – sehr viel Reichtum vererben können ?
Dass Habeck gerade offen eingeräumt hat, nicht mehr zu wissen, was im Kampf gegen Putin wirklich richtig oder falsch ist und ob die Gasumlage auch für gut verdienende Konzerne bei näherer Betrachtung eine glänzende Idee war, ist ehren- und höchst lobenswert. Ich kann es ja auch nicht beurteilen, denn ich hatte schon wieder Glück und eine gute Ausrede: Dank einer Bindehautentzündung sind meine Augen dauernd verklebt und ich sehe die Weltlage nur noch verschwommen. Niemand kann von mir verlangen, unter diesen Umständen die Unterschiede zwischen Gut und Böse zu erkennen.
Immerhin die deutsche Medienlandschaft kann ich noch schemenhaft wahrnehmen, und das beruhigt ganz ungemein. Denn ganz so schlimm scheint die Lage nicht zu sein, obwohl die Ukraine seit einem halben Jahr zerbombt und Europas größtes Atomkraftwerk von beiden Seiten als Schießbude genutzt wird. Mag sein, dass wir uns bald nach dem Fallout von Tschernobyl sehnen, als wir nur auf Pilze verzichten mussten. Bei spiegel.de war trotzdem der Aufmacher ein bitterböser Kommentar darüber, dass die korrekt PCR-getesteten Regierungsmitglieder im Flugzeug nach Kanada keine Masken trugen. Als ich abends sah, dass Rudolf Augsteins digitale Nachfolger keine anderen Sorgen haben, konnte ich endlich wieder mal gut schlafen.
Unten — Für dokumentarische Zwecke behielt das Bundesarchiv oft die ursprünglichen Bildunterschriften bei, die fehlerhaft, voreingenommen, veraltet oder politisch extrem sein können. 4.1.1987 Wahlkampf-Großveranstaltung der CDU mit Bundeskanzler Kohl und dem CSU-Vorsitzenden Franz Josef Strauß in der Dortmunder Westfalenhalle.
Bundesarchiv, B 145 Bild-F074267-0028 / Arne Schambeck / CC-BY-SA 3.0
Stefan Mappus hat ausweislich neu eingesehener Akten seine Rolle beim „Schwarzen Donnerstag“ heruntergespielt, als er Ende 2010 vor dem Untersuchungsausschuss aussagte. Aber nicht nur der frühere CDU-Ministerpräsident Baden-Württembergs versuchte, die Wahrheit zu verschleiern.
Plausibel war die Lesart nie, wonach ausgerechnet der robuste Regierungschef, dem der eigene FDP-Justizminister Ulrich Goll den Spitznamen „Mappi-Schnappi, das Krokodil“ verpasst hatte, am 29. September 2010 lammfromm am Tisch in der Villa Reitzenstein gesessen hätte, um der Polizeiführung zu lauschen. Die Situation war angespannt: Durch den immer stärkeren Protest gegen Stuttgart 21 fühlte sich der CDU-Ministerpräsident unter Druck, Stefan Mappus sah sich von den Projektgegnern mit dem „Fehde-Handschuh“ konfrontiert und wollte unbedingt die Wahl im kommenden März gewinnen. Nun mussten die Baumfällarbeiten im Stuttgarter Schlossgarten zur Einrichtung der Megabaustelle beginnen, doch der ursprüngliche Termin um 15 Uhr am 30. September 2010 war durchgestochen worden, die Gegner alarmiert. Um sich informieren zu lassen, „wie man mit dieser Situation umzugehen gedenke, habe ich die zuständigen Ressorts – das Innenministerium für die Polizei, das Umwelt- und Verkehrsministerium als verantwortliches Ministerium für Stuttgart 21 – zu einer Informationsbesprechung in das Staatsministerium eingeladen“, sagt Mappus in seiner Zeugenaussage im Landtag am 22. Dezember 2010. Und weiter: Er habe sich bewusst zurückgehalten und abschließend „nur gefragt, was denn jetzt gemacht wird“.
Nur gefragt? Der parlamentarische Untersuchungsausschuss zum brutalen, völlig aus dem Ruder gelaufenen Polizeieinsatz sollte auch der Frage nachgehen, ob es stattdessen Versuche politischer Einflussnahme auf die Polizeiführung gab. Mappus hatte viele Gründe anzunehmen, dass seine vor dem Ausschuss präsentierte Version halten würde. SPD und Grüne, damals beide in der Opposition, wollten den Ministerpräsidenten gleich zum Auftakt der öffentlichen Vernehmungen Anfang November hören, die Regierungsparteien CDU und FDP setzten mit ihrer Stimmenmehrheit im Ausschuss allerdings durch, dass er erst als letzter in der achten Sitzung an die Reihe kam. Und in die ging er bestens präpariert durch seine Beamten im Staatsministerium (Siehe dazu in dieser Ausgabe auch „Gott sei Dank, Herr Pope“) und durch die Regierungsbeauftragten, die per Gesetz die Ausschussarbeit mitverfolgten, ihn aber regelmäßig mit immer neuen Vermerken und Notizen aus anderen Zeugeneinvernahmen fütterten.
„Die vorgeschlagenen Aussagen sind eine Anregung“
„Drehbücher à la Hollywood“ seien es, die die Beamten erstellten, so der ehemalige Richter Dieter Reicherter, dem vor kurzem Einsicht in die entsprechenden Dokumente des Staatsministeriums gewährt wurde (Kontext berichtete). Das Ziel der Autoren: Dem Chef klarzumachen, dass er seinen Part bei jenem Treffen mit der Polizeiführung harmloser beschreiben kann, als er war. Darunter dieser inzwischen mehrfach zitierte, fett gedruckte „Hinweis für MP“: „Ihr in der Sitzung gemachtes Angebot, ggf. selbst mit verschiedenen MP’s zu sprechen, um zusätzliche Kräfte aus anderen Ländern zu gewinnen, wurde bislang von keinem Zeugen der Besprechung thematisiert“ (hier das ganze Dokument, Zitat auf S. 8/000034). Das beweist, dass Mappus vor den Abgeordneten eben nicht alles sagte, was er wusste. Zugleich heißt es in den Dokumenten mehrfach: „Die vorgeschlagenen Aussagen sind lediglich eine Anregung. Sie spiegeln den Eindruck der bisherigen Zeugenaussagen wider. Entscheidend für eine wahrheitsgemäße Aussage sind ausschließlich Ihre eigenen Erinnerungen.“ Diese jedenfalls nicht zur Gänze zu bemühen, war Mappus geschmeidig genug.
Drehbücher finden sich in den Akten nicht nur für Mappus. Vom damaligen Stuttgarter Polizeipräsidenten Siegfried Stumpf, gleich zweimal geladen, wird eine Aussage erhofft zur Bestätigung der Leseart, es habe keine politische Einflussnahme gegeben, so eine auf den 28. Oktober datierte Notiz: „Taktisch wäre es in unserem Sinn, wenn PP Stumpf nach Bekanntwerden des ursprünglichen Einsatzbeginns (um die Mittagszeit) bereits im PP Maßnahmen ergriffen hätte, um den Einsatz auf 10.00 Uhr vorzuziehen. (…) Dann wäre klar, dass PP Stumpf seine Linie von Anfang bis Ende durchgehalten hat“ (hier das ganze Dokument, Zitat auf S. 3/000128). Und in einer auf den 13. November datierten Notiz werden Vorschläge für die bevorstehende Vernehmung von Stumpf noch einmal konkretisiert: „PP könnte ggf. kritische Punkte, die aus den Akten (…) sowieso erkennbar sind, selbst ansprechen, um eine defensive Lage von vornherein zu vermeiden. Bsp.: „Ich hatte mich bereits vor dem Gespräch im Staatsministerium auf einen Einsatzzeitpunkt um 10.00 Uhr festgelegt (…)“ (hier das ganze Dokument, Zitat auf S. 1/000112). In seiner Aussage erinnerte sich Stumpf dann entsprechend.
Zeugen in parlamentarischen Untersuchungsausschüssen werden vor ihrer Aussage belehrt, dass sie die Wahrheit sagen müssen und nichts Erhebliches weglassen dürfen. Und dass auch eine uneidliche Falschaussage strafrechtlich relevant sein kann. Der Kurzzeit-Regierungschef für 13 Monate hätte gute Chancen gehabt, belangt zu werden, wäre seine deutlich aktivere Rolle – besagter Rundruf bei Kollegen in der Republik, um die Notlage zu beschreiben und Polizeikräfte zu erbitten – bei der Besprechung mit der Polizei publik geworden. Schon im Spätsommer 2012 werden im Staatsministerium die Sicherheitskopien von Mails von Mappus entdeckt. Doch dann kämpft er vor Gericht – schlussendlich erfolgreich – um die Löschung. Und fünf Jahre nach der Aussage ist die Sache verjährt.
Der grüne Amtschef und die Mappus-Anwälte
Hier scheint auch nur der Hintergrund Grün und er Orden Braun?
Die Akten, die Dieter Reicherter und der frühere Bruchsaler Grünen-Stadtrat und Transparenz-Spezialist Gert Meisel nach dem Umweltinformationsgesetz (UIG) vor bald zehn Jahren erstmals einzusehen begehrten, sind aber weiter vorhanden. Jedenfalls zeigt eine Mail vom November 2012 an jenen Beamten, der federführend war für die Vorbereitung von Mappus‘ Aussage am 22. Dezember, dass das inzwischen grüngeführte Staatsministerium von dem umfangreichen Material in der Registratur Kenntnis hatte. Im April 2013 wird dem Amtschef Klaus-Peter Murawski sogar vorgeschlagen, mit Mappus‘ Anwälten über Bande zu spielen: Ihnen soll das Einsichtsgesuch gerade mit Blick auf das noch offene Löschungsverfahren in der Erwartung vorgelegt werden, „dass die Anwälte die Herausgabe ablehnen werden“. Auf diese Weise werde „die Position des StM im Verwaltungs- und möglicherweise anschließenden Verwaltungsgerichtsverfahren nochmals stärker abgesichert“. Dabei war damals Reicherter und anderen schon längst bekannt, dass als intern eingestufte Unterlagen rund um den Untersuchungsausschuss aus Mappus´ Regierungszentrale auch an die CDU-Landtagsfraktion weitergeleitet worden waren.
Der Karlsruher Energieversorger EnBW kauft in den USA Fracking-Flüssiggas (LNG) in rauen Mengen. Für deren Verschiffung braucht es im fernen Louisiana ein milliardenschweres LNG-Terminal, das die Landesbank Baden-Württemberg mitfinanziert. Unter den Augen der grün geführten Landesregierung torpedieren zwei öffentliche Unternehmen den Klimaschutz.
Mit Sekundenkleber und Bauschaum kleben sich seit Jahresbeginn jugendliche Klimaaktivist:innen auf Straßen fest, um wirksamen Klimaschutz zu erzwingen. Ziviler Ungehorsam, der die Gemüter erhitzt: Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) warnte vor gezielten Attacken auf den Energiesektor. „Von Autobahnblockaden halte ich mal gar nichts. Das sind schwere Rechtsverletzungen, die man nicht rechtfertigen kann“, sagte Baden-Württembergs grüner Ministerpräsident Winfried Kretschmann. Von „Klima-Terrorismus“ spricht gar die konservative FAZ.
Ganz anders sieht dies der UN-Generalsekretär: „Klimaaktivisten werden manchmal als gefährliche Radikale dargestellt. Doch die wirklich gefährlichen Radikalen sind die Länder, die die Produktion fossiler Brennstoffe ausweiten. Investitionen in neue Infrastrukturen für fossile Brennstoffe sind moralischer und wirtschaftlicher Wahnsinn“, twitterte António Guterres Anfang April an seine 1,8 Millionen Follower.
Wenn es nach Guterres geht, treiben diesen Wahnsinn ausgerechnet zwei Konzerne aus Baden-Württemberg voran, die unter Aufsicht der grün geführten Landesregierung von Ministerpräsident Kretschmann stehen: Der Karlsruher Energieversorger EnBW und die Landesbank Baden-Württemberg (LBBW) in Stuttgart.
Die EnBW AG, an der das Land und mehrere oberschwäbische Landkreise die Aktienmehrheit halten, ist über ihre Leipziger Tochtergesellschaft VNG Handel & Vertrieb GmbH (VNG H&V) einer der größten Player auf dem deutschen Gasmarkt. Im ersten Halbjahr 2022 bezog die EnBW nach eigenen Angaben Erdgas im Wesentlichen über Lieferverträge aus Norwegen und Russland sowie vom europäischen Großhandelsmarkt. VNG H&V hielt zwei Gaslieferverträge, die von Liefereinschränkungen aus Russland betroffen sind. Einen weiteren Vertrag mit dem russischen Lieferanten Novatek beendete die EnBW im April „einvernehmlich vorzeitig“. „Nicht nur vor diesem Hintergrund haben wir uns verstärkt bemüht, unsere Bezugsquellen für Gas deutlich zu diversifizieren“, sagt die EnBW.
Neben konventionellem Erdgas versucht der Konzern seitdem an große Mengen LNG zu kommen. Die Buchstaben stehen für Liquefied Natural Gas, übersetzt Flüssiggas. Es soll Europa über den Winter retten, nachdem Russland den Gashahn immer weiter zudreht. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) klapperte dafür die wichtigsten Erdgas-Exportländer ab. In Windeseile organisierte er auch vier schwimmende LNG-Terminals, an denen Tankschiffe Import-Gas in Binnenpipelines einspeisen können. Bereits zum Jahreswechsel sollen die ersten beiden Anlagen in Wilhelmshaven und Brunsbüttel in Betrieb gehen.
Am 16. August sicherten die Energieversorger Uniper, RWE und EnBW Habeck in einem „Memorandum of Understanding“ die Belieferung der beiden Terminals zu. Vorgaben, woher die Konzerne das LNG importieren, gibt es nicht. Mögliche LNG-Lieferungen würden lediglich „politisch flankiert“, hieß es seitens der Regierung auf eine parlamentarische Anfrage. Die EnBW-Pressestelle teilt mit, dass es „für Fragen zur Beschaffung im Kontext dieser noch auszuarbeitenden Verträge noch zu früh“ sei.
Allerdings hat die EnBW bereits im Juni zwei Abnahmeverträge mit dem US-Unternehmen Venture Global LNG abgeschlossen. Das Gesamtvolumen der LNG-Mengen beträgt 1,5 Millionen Tonnen pro Jahr, die ab 2026 je zur Hälfte aus den Venture Global LNG-Anlagen Plaquemines und Calcasieu Pass 2 bezogen werden. Angeliefert wird das US-Flüssiggas vermutlich über das geplante LNG-Terminal Hanseatic Energy Hub (HEH) in Stade, das ebenfalls in 2026 mit einer jährlichen Kapazität von 12 Milliarden Kubikmetern Gas in Betrieb gehen soll. Diese Menge entspricht rund zehn Prozent des derzeitigen deutschen Bedarfs. Bereits im März hat die EnBW eine entsprechende Absichtserklärung mit dem HEH unterzeichnet, dessen Gesellschafter der belgische Gasinfrastrukturbetreiber Fluxys, der schweizerische Vermögensverwalter Partners Group, der Logistikkonzern Buss-Group des Hamburger Unternehmers Johann Killinger sowie der US-Chemiekonzern Dow sind.
EnBW wird viel mehr Gas importieren als nötig
Auffallend an den Lieferverträgen mit Venture Global LNG ist die lange Vertragsdauer von 20 Jahren: Noch bis ins Jahr 2046 bezieht die EnBW demnach große Mengen fossiles Erdgas, obwohl Deutschland laut Klimaschutzgesetz bis spätestens 2045 klimaneutral sein soll. Baden-Württemberg, das Heimatland des Versorgers, will sogar schon im Jahr 2040 netto keine Treibhausgase mehr emittieren. Klimaschützer:innen kritisieren, dass langfristige LNG-Lieferungen das Pariser Klimaabkommen gefährden. Nach Berechnungen der Deutschen Umwelthilfe (DUH) würden die aktuell geplanten LNG-Terminals hierzulande mit 2,1 Gigatonnen CO2 drei Viertel des Restbudgets aufzehren, das Deutschland zur Einhaltung des Pariser Klimalimits bleibt. „Die geplanten Importkapazitäten sind weit höher als der Anteil russischen Gases, der, wenn überhaupt, ersetzt werden müsste“, kritisiert die DUH. Verschärfend kommt hinzu, dass die LNG-Tanker im EnBW-Auftrag Fracking-Gas herankarren. „Wir haben in den Gesprächen mit Venture Global explizit darauf hingewiesen, dass wir eine Minimierung des Anteils aus unkonventionellem Fracking wünschen und dies unter anderem durch den Einsatz innovativer Technologien von VG erwarten“, teilt ein EnBW-Sprecher auf Anfrage mit. Doch dies dürfte ein frommer Wunsch bleiben.
„Grundsätzlich handelt es sich bei LNG um Erdgas und damit um einen fossilen Brennstoff, der bei seiner Verbrennung CO2-Emissionen freisetzt“, schreibt die EnBW im eigenen Internet-Blog. Zwar würden diese im Vergleich zu anderen fossilen Energieträgern wie Kohle und Erdöl „deutlich geringer und damit klimaschonender“ ausfallen. „Doch ein Problem bei LNG ist, dass die Herstellung von der Reinigung des Rohgases bis zur Verflüssigung, die Kühlung und der Transport bis hin zur Regasifizierung an den LNG-Terminals selbst einen hohen Energiebedarf aufweisen“, heißt es korrekterweise. Damit Erdgas flüssig wird, muss es auf −162 °C abgekühlt werden. Die Kältemaschinen verbrauchen dafür bis zu 25 Prozent des Heizwerts des Erdgases. „Dadurch fallen mehr CO2-Emissionen an als beispielsweise beim Transport über Erdgas-Pipeline“, so der EnBW-Blog.
„Ein weiterer Faktor in der Klimabilanz ist die Herkunft von LNG“, heißt es weiter im Blog. LNG wird hauptsächlich in den USA, Australien und Katar gefördert. Australisches Flüssiggas stammt zum Großteil aus Erdgas, das beim Abbau von Kohle freigesetzt wird. In Katar wird es direkt aus dem Boden unter dem Persischen Golf gewonnen. US-Unternehmen fördern Gas zur Herstellung von LNG vor allem durch Fracking. „Die Methode ist aber mit größeren Auswirkungen auf die Umwelt und Emissionswerten als in Katar oder Australien verbunden“, betont der EnBW-Blog. 2019 ermittelte eine Kurzstudie im Auftrag des Umweltbundesamts, dass im Vergleich zu russischem Pipeline-Gas bei LNG aus den USA die 1,5-fache Menge an Treibhausgasen entsteht.
Beim Fracking eingesetzte Chemikalien sind teils hochgiftig und gefährden Grundwasser und Gesundheit der Bevölkerung. Umweltrelevant ist auch der hohe Wasserverbrauch. Aus aufgegebenen Bohrungen entweicht das besonders klimaschädliche Methan, wie Umweltschützer:innen nachwiesen. Die US-Fracking-Hochburgen in Louisiana und Texas am Golf von Mexico, wo sich Bohrloch an Bohrloch reiht, ähneln Mondlandschaften. Aus all diesen Gründen gibt es im dichtbesiedelten Deutschland ein Fracking-Verbot – das die Ampel-Partei FDP sowie die Springer-Medien „Bild“ und „Welt“ gerade in Frage stellen.
Neben der EnBW sicherten sich auch polnische, spanische, britische, französische und italienische Versorger große Mengen Flüssiggas bei Venture Global LNG. Damit stießen die Konzerne die bislang größte Investition in fossile Energieinfrastruktur weltweit in diesem Jahr an. Der Grund: Das Plaquemines-Terminal muss erst noch gebaut werden. Die Kosten inklusive einer dazugehörigen Pipeline beziffert Venture Global auf 13,2 Milliarden US-Dollar. „Zu den Kreditgebern für die Projektfinanzierung gehören die weltweit führenden Banken auf mehreren Kontinenten“, verkündete das Unternehmen Ende Mai stolz. Geld geben auch hiesige Institute: die Deutsche Bank in Frankfurt und die Landesbank Baden-Württemberg (LBBW) aus Stuttgart.
Die LBBW stellt sich selbst als nachhaltig dar
Für die im öffentlichen Besitz befindliche LBBW – Träger sind das Land Baden-Württemberg, der baden-württembergische Sparkassenverband sowie die Landeshauptstadt Stuttgart – könnte das Engagement noch zum Bumerang werden. Denn gebetsmühlenhaft beteuert die Bank, nachhaltig zu arbeiten. „Die LBBW bekennt sich zu den Social Development Goals der UN sowie zum Pariser Klimaabkommen“, betont sie. „Wir leisten einen aktiven Beitrag für den Übergang von einer treibhausgasintensiven zu einer emissionsarmen Wirtschaftsweise.“ Dazu „richten wir unsere Kredit- und Investmentportfolien entsprechend den Zielen des Pariser Abkommens bis 2050 klimaneutral aus“ – so die allerdings großzügige Einschränkung.
Erst jetzt eingesehene Dokumente zur S-21-Schlichtung und zum ersten Untersuchungsausschuss zum „Schwarzen Donnerstag“ belegen, wie manipulativ die Regierung Mappus Ende 2010 vorgegangen war. Die grüngeführten Regierungen ab 2011 hätten für Aufklärung bei den massiven Täuschungen und Tricksereien sorgen können. Stattdessen führte ihre Blockade zur strafrechtlichen Verjährung.
Winfried Kretschmann wollte 2011, als neuer grüner Regierungschef in Baden-Württemberg, nicht das letzte Hemd hergeben, um Stuttgart 21 zu verhindern. Hätte er aber auch gar nicht müssen, wie jetzt nach langem Rechtsstreit freigegebene Akten aus CDU-Zeiten zeigen: Zuerst tricksten mit allen Mitteln die Projektfans im Staatsministerium seines Vorgängers Stefan Mappus, dann kamen die Grünen und deckten zu viele der Machenschaften.
Einen einzigen Ordner zu suchen und zu finden hätte gereicht. Jetzt wurden Dieter Reicherter Unterlagen, einmal 133 und einmal fünf Seiten, fortlaufend paginiert, im Staatsministerium in der Villa Reitzenstein vorgelegt. Der frühere Richter am Landgericht bekam in den ersten Augusttagen nicht zum ersten Mal Akteneinsicht, diesmal aber auch in Papiere, die er bereits Ende 2012 sehen wollte, und für deren Veröffentlichung er seit 2014 vor Gericht stritt. Die aber wollte das grüngeführte Staatsministerium über vier Instanzen bis hinauf zum Europäischen Gerichtshof (EuGH) verhindern, die Deutsche Bahn dabei immer mit im Boot. Letztlich erfolglos.
Reicherter und sein Team kämpfen für viele Betroffene des „Schwarzen Donnerstags“, des brutalen Polizeieinsatzes gegen S-21-Gegner am 30. September 2010. Und dafür, dass belegt werden kann, was schon immer plausibel schien: Die Regierung Mappus hat nicht nur auf den Polizeieinsatz Einfluss genommen, sondern auch auf dessen Aufarbeitung in einem Untersuchungsausschuss, bei dem der MP zwei Tage vor Weihnachten 2010 als Zeuge geladen war. Dort wollten Mappus‘ Berater:innen nichts anbrennen lassen, ebenso wenig bei Heiner Geißlers S-21-Faktencheck, der sogenannten Schlichtung.
Drehbücher à la Hollywood
Den einen, den größeren Teil der nun eingesehenen Akten bezeichnet Reicherter als „Drehbücher à la Hollywood“ für den ersten parlamentarischen Untersuchungsausschuss zum Polizeieinsatz, der zweite befasst sich mit der Schlichtung.
Für den Untersuchungsausschuss, das zeigen die Dokumente, hat sich Mappus offenbar ungeniert auf Basis der Aussagen schon gehörter Zeug:innen präparieren lassen. Viele Aussagen zum Ablauf der Besprechung am Vorabend des Polizeieinsatzes waren darauf angelegt, die Rolle des Regierungschefs herunterzuspielen. Auf Seite 34 in der Aufstellung vieler Vermerke, Notizen, Faxe oder Vorschläge heißt es fett gedruckt: „(Hinweis für MP: Ihr in der Sitzung gemachtes Angebot, ggf. selbst mit verschiedenen MPs zu sprechen, um zusätzliche Kräfte aus anderen Ländern zu gewinnen, wurde bislang von keinem Zeugen der Besprechung thematisiert).“ Mappus beteuerte aber im Zeugenstand, operativ nichts mit dem Einsatz zu tun gehabt zu haben. Das Dokument belegt also, dass er vor dem parlamentarischen Gremium der Verpflichtung nicht nachgekommen ist, wahrheitsgemäß auszusagen und nicht Relevantes wegzulassen.
Und hier kommt nun die ab Mai 2011 grüngeführte Regierung ins Spiel. Bis 2015 hätte Kretschmanns Vorgänger möglicherweise wegen uneidlicher Falschaussage strafrechtlich belangt werden können – hätte das Staatsministerium die Akten nicht bis zuletzt gemauert. Doch nun ist die Sache verjährt.
Ins Spiel kommen die Grünen auch in ganz besonderer Weise bei der Schlichtung. Alles sollte auf den Tisch, das war die Devise von Heiner Geißler, und alle sollten an den Tisch. Auch der heutige Ministerpräsident. Aus den jetzt eingesehenen Akten geht aber hervor, dass und wie im Herbst 2010 in der Zentrale der CDU/FDP-Landesregierung völlig ungeniert strategische und taktische Überlegungen angestellt wurden, den Beratungen im Stuttgarter Rathaus längst bekannte Verbesserungsvorschläge als neue Ideen unterzujubeln.
„Nachsteuern im Windschatten des Schlichterspruchs“
Deren Notwendigkeit war nach außen immer geleugnet, intern aber schon eingeräumt worden bei diskreten Gesprächen zwischen Bahn und Projektträgern. „Das S-21-Konzept hat in Einzelpunkten Eng- und Schwachstellen (z.B. 2. Gleis Flughafen, Rohrer und Wendlinger Kurve)“, heißt es wörtlich in einer vertraulichen Notiz vom 10. November 2010, „bei denen ein Nachsteuern ‚im Windschatten‘ des Schlichterspruchs vorteilhaft sein könnte.“
In einer zweiten Aktennotiz 13 Tage später wird das weitere Vorgehen orchestriert. Offensichtlich beerdigt werden mussten die Versuche, den Schlichterspruch heimlich und allein zwischen Befürwortern und Geißler „vorab“ abzustimmen. O-Ton: „Dr. Geißler legt Wert auf seine Unabhängigkeit. Deshalb gibt es auf Arbeitsebene keine Möglichkeit, das Schlichtungsergebnis unmittelbar zu beeinflussen.“ So wurden höhere Ebenen angepeilt. Etwa ein Forschungsprojekt „Große Infrastrukturvorhaben“, das an den Politikprofessor Frank Brettschneider von der Uni Hohenheim vergeben werden könnte. Oder eine Enquête-Kommission, die zur gesellschaftlichen Partizipation an politischen Entscheidungen arbeiten könnte, wenn auch erst „in der kommenden Legislaturperiode“.
In der jedoch regierten die Grünen zusammen mit den Sozialdemokraten und dem großen Versprechen von einem substanziellen Neuanfang („Der Wechsel beginnt“). Kretschmann zog in die Villa Reitzenstein ein und mit ihm das Ziel, der Bürgerschaft auf Augenhöhe zu begegnen. Also hätte er alles daran setzen müssen, die dunklen Aktenecken auszuleuchten.
Wer sich nie in politischen Posten einkaufte – grunzte auch nicht mit den Schweinen.
Zwar war der grüne MP Projektbefürworter:innen aus der SPD in die Falle gegangen und hatte sich mit dem Sozialdemokraten Peter Friedrich als Minister im Staatsministerium einen Aufpasser im eigenen Haus zur Seite stellen lassen. Auch die neue graue Eminenz in der Villa Reitzenstein, der Amtschef Peter Murawski, hatte sich nicht eben als Stuttgart-21-Kritiker und vor allem -Kenner hervorgetan. Aber Kretschmann wusste wie viele andere führende Grüne seit Jahren um die diversen Defizite des Tiefbahnhofs – und wusste deshalb sicher, wo er hätte suchen lassen können.
Frühere Akteneinsicht hätte Aus für S 21 sein können
Unten — Winfried Kretschmann u. Winfried Aßfalg bei der Verleihung des Verdienstordens des Landes Baden-Württemberg am 23. April 2016 (seit 2016 in Form eines stilisierten Kreuzes)
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Der Gammertinger Bauernsohn Bruno Göggel gilt als größter Reifenhändler Deutschlands. Und niemand kennt ihn. Seine Hochzeit mit Flugshow und finalem Feuerwerk schärft nun den Blick auf seine Heimat: den schwarzen Filz. Angela Merkel inklusive.
Womöglich hat Bruno Göggel geglaubt, er heirate im Himmel, als ihm vier Kunstflieger von Red Bull ein Herz in die Luft zeichneten. Hin und her waren sie am Nachmittag des 23. Juli diesen Jahres über das Laucherttal gedonnert, mit eineinhalb Meter Abstand, knapp über den roten Ziegeldächern der kleinen Stadt, hatten Loopings vollführt und mit dem Zeichen der Liebe geendet, ehe sie am Horizont verschwanden.
Das war ganz nach dem Geschmack des Reifen-Königs, der es einmal richtig krachen lassen wollte. Sonst macht er wenig Aufsehen um seine Person, er meidet die Öffentlichkeit eher, hockt lieber auf dem Bock seiner Trucks. Und so sagt sein Name kaum jemand etwas, obwohl er 1,5 Millionen Pneus auf Lager und viele Millionen Euro auf dem Konto hat.
Am Vormittag noch hat sich der geschiedene 61-Jährige im katholischen Münster zu Zwiefalten, in der schönsten Kirche Baden-Württembergs, mit seiner geschiedenen 38-jährigen Corinna vermählt, wovon die „Bild“ als aufmerksamste Berichterstatterin die aufregendsten Bilder druckte. Danach sind beide, begleitet von einem hupenden Konvoi von schwarzen Göggel-Lkws, nach Hause gefahren, wo der Höhepunkt des Abends mit Stargast DJ Ötzi wartete: ein Feuerwerk. Es sollte ein Fiasko werden.
Glück für Göggel, dass der Wind stillsteht
Um 23:30 Uhr brennen Reifen, Gasflaschen explodieren, Fahrzeuge gehen in Flammen auf, in den Himmel aufsteigende Rauchsäulen sind kilometerweit zu sehen. Glück für Göggel und seine 300 Gäste, dass nur eine von acht Hallen brennt, der Wind stillsteht, die Feuerwehren aus fünf Landkreisen schnell vor Ort sind, mit 70 Löschfahrzeugen und 380 Einsatzkräften die Brandherde eindämmen können, und dass sie tatkräftige Unterstützung in Bauern finden, die Löschwasser mit ihren Güllewagen herbeischaffen. Schon am nächsten Morgen kann der Firmenchef verkünden, dass die „gewohnten Geschäftsprozesse unvermindert weiter laufen“. Die Staatsanwaltschaft sieht die Ursache kurz danach in der Pyrotechnik, den Schaden beziffert das Unternehmen auf 20 bis 25 Millionen Euro.
Wenige Tage nach dem Brand sitzen wir mit Lothar Wasel auf seinem Balkon mit Panoramablick. Unten im Tal liegt das 6.500-Einwohner-Städtchen Gammertingen, das ist wie viele auf der Schwäbischen Alb: immer der Straße entlang, lustig in der Narrenzeit, konservativ. Auf dem Hügel gegenüber thront die größte Firma am Ort, Reifen Göggel, gelandet wie ein Ufo, ausgestreckt auf zehn Hektar Fläche. Der Balkon bietet also einen Logenplatz für Flugshow, Feuerwerk, Großbrand – und Bilder für den großen Zorn.
Dem Kindergarten wird ein Grillfest untersagt
Der 74-jährige Anwalt nennt Göggel einen ungebildeten Oligarchen. Er fragt, wie es kommen kann, dass einer genehmigt kriegt, was niemand anderem erlaubt würde? Ein Feuerwerk mitten in der Sommerhitze, in der die Gemeinde Rauchen und Feuermachen in der Natur „strengstens“ verbietet, dem Kindergarten ein Grillfest untersagt wird. Eine Flugshow inmitten galoppierender Krisen, in denen das Sparen von Energie ein Muss ist. Tausende von Reifen, im Freien gelagert, in unmittelbarer Nähe von Wohnhäusern und Wald? Alles genehmigt und wenn ja von wem?
Die Fragen sind eher rhetorischer Natur. Wasel holt die Antworten aus seinem politischen Leben. Er ist 25 Jahre im Gammertinger Gemeinderat gesessen, als einzige Opposition, Grünen-nah, aber unabhängig. Es seien harte Kämpfe für eine demokratische Kultur gewesen, erzählt er, „gegen Hinterzimmerpolitik und Mauschelei“, und gegen den Vorwurf, er sei ein „geistiger Terrorist“. Das Gremium sei „bis in die Haarwurzeln schwarz“, sagt er, acht von der CDU, sechs von der Liste „Gleiches Recht für alle“, drei Rotgrüne, die sich nicht sehr unterschieden, und dann noch Bürgermeister Holger Jerg, CDU-Mitglied und Duzfreund Göggels. Das verbindet.
Seine Fragen hat der Jurist auch in einen Leserbrief an die „Schwäbische Zeitung“ gepackt, mit dem Hinweis, dass ihre Aufgabe doch wäre, als „vierte Gewalt“ diesen Seilschaften nachzugehen und sie nicht „unter den Teppich zu kehren“, zum „Gefallen der Mächtigen“. Das Organ für christliche Kultur und Politik hat die Zuschrift nicht gedruckt. Sie sei „übersät von Vorverurteilungen“, begründet der Redaktionsleiter in Sigmaringen, und kündigt vorsorglich an, dass er künftig von ihm keine Antwort mehr erhalten werde, „egal wie viele E-Mails Sie noch schreiben werden“.
Der Bürgermeister sagt, er habe alles richtig gemacht
Bürgermeister Jerg, 60, Jeans, Polohemd, Gast bei der Hochzeit, ist weniger verschlossen. Auf seinem Besuchertisch hat er eine Karte des Göggelschen Areals liegen, auf der die acht Lagerhallen, das Privathaus, die Brandherde und das Partyzelt eingezeichnet sind. Will sagen: Ich kümmere mich. Bezogen auf das Feuerwerk soll das heißen, dass sie bei der Antragsstellung im Mai alles richtig gemacht und ein „reines Gewissen“ hätten, der Pyrotechniker habe alle notwendigen Zertifikate vorgelegt. Hinsichtlich der Flugshow sei das Regierungspräsidium Stuttgart zuständig, das die Genehmigung erteilt habe, und die strittige Frage der Reifenlagerung habe Göggel mit dem Landratsamt zu klären.
Manchmal ist der Dschungel der Bürokratie doch hilfreich, wenn es darum geht, ein argumentatives Schlupfloch zu finden, das einem Verantwortung abnimmt. Andererseits wäre es falsch zu behaupten, der Schultes hätte sich keine Gedanken gemacht. Heute würde er Göggel raten, sagt er: Bruno lass es, lass die Flugshow, lass das Feuerwerk und DJ Ötzi. Das sei nicht mehr zeitgemäß. Auch Friedrich Merz hätte nicht mit seinem Flugzeug nach Sylt müssen.
Der nachrückende Sinneswandel („Ich trage die Ängste mit“) dürfte auch der Unruhe in seiner Bürgerschaft geschuldet sein. Nachdem viele Tage Stille war, fand sich ein Ehepaar, dessen Unternehmen direkt an die Göggelschen Mauern angrenzt, vergangene Woche in der Gemeinderatssitzung ein und beklagte eine „Ungleichbehandlung“, der Jerg sofort widersprach: „Ich lasse mich nicht kaufen.“
Die berechtigte Angst vor der Inflation treibt die Menschen in Deutschland um. Krieg war immer eine makaber gute Zeit für Spekulanten. Ob Wohnungsunternehmen, Agrar- oder Ölkonzerne – zurzeit scheint für Unternehmen jeder Anlass recht, beim Preisetreiben mitzumachen und so die eigenen Gewinnmargen zu erhöhen. Es wird Zeit, etwas dagegen zu unternehmen.
Kriegsgewinnler sind Personen, Firmen und Organisationen, die Notsituationen in Kriegszeiten ausnutzen, um überproportional hohe Profite zu erwirtschaften.
Inflation bezeichnet den Anstieg des Preisniveaus einer Ökonomie über einen bestimmten Zeitraum. Das allgemeine Preisniveau steigt und die Menschen können für jede Geldeinheit weniger Güter und Dienstleistungen kaufen.
Kriegsgewinnler & Inflationstreiber: (nicht nur) Öl- und Energiekonzerne
Die Welt erlebt und erleidet den menschengemachten Klimawandel. Dürren, Wüstenbildung, Extremwetterereignisse und extreme Hitze sind noch schneller gekommen, als es die Umweltbewegung und die Wissenschaft prognostiziert haben. Öl-, Gas-, Kohle- und Energiekonzerne haben auf eine verbrecherische Art und Weise das Thema heruntergespielt und mit atomar-fossilen Seilschaften die Klimawandelleugner und die Energiewendegegner finanziert. Sie sind Täter und Klimaverbrecher. Jetzt werden sie nicht etwa bestraft, sondern mit Milliardenprofiten belohnt. Alle großen Energiekonzerne treiben die Öl- und Gaspreise infolge des Ukraine-Krieges und fördern so die Inflation. Die demokratiegefährdende, neoliberale Umverteilung von unten nach oben beschleunigt sich.
Die globalen Energieunternehmen profitieren massiv vom Ukraine-Krieg. So konnte das britische Energieunternehmen Shell seinen Gewinn im zweiten Quartal 2022 auf 18 Milliarden US-Dollar verfünffachen. Der US-amerikanische Mineralölkonzern Exxon Mobile machte im zweiten Quartal des laufenden Jahres 17,9 Milliarden US-Dollar Gewinn. Im zweiten Quartal des Vorjahres waren es noch 4,7 Milliarden.(Eine Milliarde sind unglaubliche 1000 Millionen!). Der französische Konzern TotalEnergies verdoppelte seinen Gewinn, ebenso der spanische Ölkonzern Repsol. In Deutschland hat der Energiekonzern RWE seine Prognose für das laufende Geschäftsjahr stark nach oben korrigiert – das Unternehmen erwartet nun einen Gewinn vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen von bis zu 5,5 Milliarden Euro statt bislang rund vier Milliarden Euro.
Es sind diese Konzerne, denen wir die Klimakatastrophe zu verdanken haben. Sie haben in Deutschland keine Übergewinnsteuer zu befürchten, denn mit der FDP sitzen die Schutzheiligen der Superreichen und der Konzerne in der Regierung.
Es ist gut, richtig und wichtig, im Krieg auf die Opfer zu schauen. Wir sollten dabei aber auch die Kriegsgewinnler und Profiteure des Krieges nicht aus den Augen verlieren und ihnen mit einer Übergewinnsteuer auf die Finger schlagen. Es ist gut, richtig und wichtig, auf die Folgen der Klimakatastrophe zu schauen. Wir sollten aber auch deutlicher und lauter als bisher die Täter benennen.
Es ist erschreckend, wie selten in unseren Medien über die Täter der Klimakatastrophe, über Kriegs-Profiteure und über die tatsächliche Ursache der Inflation berichtet wird.
Nachtrag: Die explodierenden Energiepreise und die wachsende Kluft zwischen Arm und Reich könnte im Herbst / Winter 2022 zu Energieaufständen auch in Deutschland führen. Diese werden schon jetzt im Internet von rechts-libertären Netzwerken und auch von Klimawandelleugnern vorbereitet, die (nicht nur in den USA) teilweise von amerikanischen Energiekonzernen und Energiemilliardären gesponsert werden. Die kommenden Demos gegen „das System“ und gegen die hohen Energiepreise werden auch von den Profiteuren der hohen Energiepreise finanziert.
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So sehen wir deutsche Arbeitgeber-Innen im Internationalen Geschäftsleben.
Von Helmut Höge
Der Präsident des Arbeitgeberverbands Gesamtmetall Stefan Wolf fordert, das Renteneintrittsalter auf 70 anzuheben und zugleich die Wochenarbeitszeit zu verlängern. „Wir werden länger und mehr arbeiten müssen“, so drohte er.
Wenn jemand „wir“ sagt – und ein ganzes Volk meint –, dann lügt er schamlos oder hat keine Ahnung vom Sozialen. „Wir“ leben in nachgesellschaftlichen Projektwelten, und die in Nationen zusammengefalteten „Völker“ sind nichts als „Sandhaufen“, wie der Ethnologe Claude Lévi-Strauss sagte. Oder mit den Worten des Gesamtmetall-Präsidenten Wolf: „Es zählen nur noch die harten globalen Standortfaktoren.“
Sein „wir“ könnte allerdings auch ein angemaßter Pluralis Majestatis sein, der den Klassenunterschied verdecken soll, von oben nach unten, also von den „Arbeitgebern“, die befehlen – nämlich den anderen, die ihnen als „Lohnabhängige“ gehorchen.
Der Jurist Stefan Wolf, verpaart mit einem amerikanischen „Musicalstar“, ist Vorstandsvorsitzender eines schwäbischen Automobilzuliefererbetriebs. Daneben vertritt er seit Corona die Arbeitgeberverbände der Metall- und Elektroindustrie. Und als wäre seine obige Forderung nicht schon schlimm genug, forderte er auch noch gleich den Bau neuer Atomkraftwerke. Ohne AKWs und längere Lebensarbeitszeiten sei „das System mittelfristig nicht mehr finanzierbar“. Mit dem „System“ meint er den deutschen Kapitalismus-Parlamentarismus und eigentlich die ganze globale US-dominierte Wirtschaft, zu dessen Profiteuren er gehört.
Als der SS-Untersturmführer und Präsident der BRD-Industrie Dr. jur. Hanns Martin Schleyer längere Arbeitszeiten und mehr AKWs forderte, wobei er ebenfalls von „uns“ sprach und damit alle Westdeutschen meinte, wurde er 1977 entführt und ermordet. Heute ist die Situation eine andere: Es gibt keine sozialistischen Staaten mehr und keine linke Bewegung in Deutschland oder sonst wo, sondern eher populistische rechte Bewegungen und territorial übergriffige Potentaten. Das lässt allerlei dumme, asoziale Forderungen aufkommen.
Dieser social turn begann gleich nach Auflösung der Sowjetunion, wobei die gesamte materielle Substanz etwa der DDR (Unternehmen, Immobilien, Äcker und Wälder, ja sogar ihre Zirkustiere) in den Besitz der westdeutschen Treuhandanstalt gelangte. Zu ihrem Präsidenten berief man den Vorstandsvorsitzenden des Stahlkonzerns Hoesch, Dr. jur. Detlev Rohwedder. Ein halbes Jahr später wurde er – angeblich von Linksextremisten (der RAF) – erschossen.
Weil er über „seine“ Treuhandmanager und die anderen in das DDR-Gebiet eingefallenen Businessmen beziehungsweise Schnäppchenjäger schimpfte: „Die benehmen sich schlimmer als Kolonialoffiziere“, gibt es aber auch den Verdacht, dass dieser Sozialdemokrat wegen seiner noch fast menschenfreundlichen Privatisierungspolitik umgebracht wurde. Seine CDU-Nachfolgerin, die Hamburger Bankierstochter Birgit Breuel, war jedenfalls reaktionär und einfältig genug, um den Schmutzjob unbeschadet zu überstehen.
Die Wölfe der Treuhand wickelten ab
Ich registrierte damals eine Namensmagie im ausgehenden 20. Jahrhundert: In der Treuhandanstalt und ihren Nachfolgeorganisationen arbeiteten auffallend viele Manager, die Wolf oder Fuchs hießen (Wolf Schöde, Günter Wolf, Dr. Fuchs und so weiter), während unter ihren Gegnern in den zum Verkauf oder zur Abwicklung vorgesehenen großen Ostbetrieben merkwürdig viele Betriebsratsvorsitzende Gottlieb oder Lammfromm hießen, einer sogar Feige. Diese Namensmagie, die auch für alle nach Raubtieren benannten Waffensysteme der Naziwehrmacht und der Bundeswehr gilt, obwaltet anscheinend auch heute noch im Führungskreis des Arbeitgeberverbandes Gesamtmetall: Neben Dr. Wolf sind das unter anderen Wolf Matthias Mang und Wolfram Hatz.
Unter den Menschen finden wir gefährlichere Wölfe
Früher war es allerdings unabdingbar, dass Manager in Führungspositionen gedient haben mussten. Selbst bei der Zeit intervenierte der ehemalige Wehrmachtsleutnant Helmut Schmidt noch, als die Redaktionen seiner Meinung nach zu viele Wehrdienstverweigerer einstellten. Inzwischen dürfen die „Wölfe“ jedoch ruhig ungedient und schwul sein und die Waffen ihrer Firmen von halbstarken Ukrainern testen lassen.
Was ist nun aber von den Wolf’schen Forderungen zu halten? Wenn sie nicht von oben kämen, wäre ich dafür! Als Selbstständiger habe ich weder bezahlten Urlaub noch arbeitsfreie Wochenenden und kann auch mit 75 und einer Rente von 220 Euro im Monat keine Ruhe geben. Ich will das auch gar nicht. Früher wurde ich an Sonntagen regelmäßig depressiv, weil die Leute nicht arbeiteten, sondern sich in scheußlichen Freizeitdress zwängten, joggten und in Fitnesscentern abstrampelten oder laute Musik hörten, soffen, rumgröhlten und an Bäume pissten. Infolge der Automatisierung und Computerisierung hat die sportliche Betätigung nach Feierabend, verbunden mit Tittitainment-Angeboten von oben, schier pandemische Ausmaße angenommen.
Unten — Die weißliche Farbe im Kopfbereich erleichtert einem bei Dunkelheit jagenden Rudel vermutlich, die Position von Artgenossen auszumachen (Wildpark Neuhaus, Naturpark Solling-Vogler, Niedersachsen)
Am Samstag, 16. Juli 2022 sollte ab 12 Uhr in Mainz am Hauptbahnhof eine Demonstration durch eine Neonazi Splitterpartei durchgeführt werden.
Tatsächlich befanden sich um 12 Uhr drei Personen aus dem politischem Spektrum. Zwei minderjährige Förderschüler, eine männliche erwachsene Person welche laut eigenen Angaben zu dieser Splitterpartei gehören soll. Sie hatten weder zu den verantwortlichen Personen Michel Fischer aus Thüringen und Florian Grabowski aus Rheinhessen in Rheinland – Pfalz erreichen.
Einige Minuten nach zwölf Uhr erhöhte sich die Anzahl der Rechten von drei auf vier. Dabei handelt es sich um eine deutsche, männliche Person, zirka 1,85 cm groß, zirka 45 Jahre alt, normale Figur, schwarze Kappe mit der Farbkombination schwarz – weiß – rot auf der linken Seite der Schirmkappe, dunkle bräunliche Haare, bunte Sonnenbrillengläser aus Plastik, eine schwarze Maske mit der Aufschrift „Alles Lügen!“ in weißen Buchstaben, ein kurzer Bart um die Oberlippen bis zum Kinn, weißes T – Shirt mit einem Rundhals, Schwarzer Ledergürtel mit einer Schnalle aus Metall worauf ein Reichsadler, Hakenkreuz in einem Kranz eindeutig in der Öffentlichkeit zu sehen gewesen ist, schwarze Hose und schwarze Schuhe wie Arbeitsschuhe für Handwerker.
Dies stellt ein Offizialdelikt der Art Staatsschutzdelikt nach § 86a StGB dar.
Auf meiner Anfrage stammt der Mann aus Rheinland – Pfalz. Er spricht deutsch mit einer Mundart aus Rheinland – Pfalz. Zeitweilig ging er in den Bahnhof und kaufte dort ein Brötchen mit Leberkäse. Ob der dort dabei von einer oder mehr Kameras aufgezeichnet worden ist, wird sich herausstellen. Ebenso ob diese Person in Verbindung mit dem Innenministerium des Landes Rheinland – Pfalz steht.
An diesem Mann gingen ständig vorbei sprachen mit ihm die Beamtinnen und Beamten der Bundespolizei, Landespolizisten aus Rheinland – Pfalz, Baden – Württemberg, Bayern, Nordrhein – Westfalen, Freistaat Bayern sowie eine männliche Person des Ordnungsamt Mainz. Neben der Reinigung am Hauptbahnhof Mainz standen zwei Männer in Zivilkleidung zusammen, welche dem Habitus und journalistische Erfahrungswerte her es sich um Polizeibeamte der Abteilung Staatsschutz gehandelt haben könnte.
Niemand von den anwesenden des Ordnungsamt Mainz, der Polizei will die Straftat bemerkt haben. Somit ist vor Ort keine Strafanzeige geschrieben worden. Die öffentliche Sicherheit ist in so guten Händen wie bei infantilen Nucklerinnen und Nuckler von Babyschnuller.
Die Polizei in Mainz hat keinen der Nazis sowie deren Rucksäcke kontrolliert.
Deshalb werde ich selbst gegenüber der StA Mainz eine Strafanzeige und Strafantrag stellen. Auch ist die Staatsanwaltschaft Mainz gut beraten zu ermitteln weshalb alle Kräfte vor Ort dies nicht zur Anzeige gebracht haben. Ganz offensichtlich sind eine Reinigungskraft am Flughafen in Wien, eine OBI Mitarbeiterin oder ein Fachjournalist eher kompetent die Straftaten von Nazis als das zu erkennen was sie sind.
Die Personen Michel Fischer und Florian Grabowski waren nicht an dem Treffpunkt angekommen. Offenbar sind diese Subjekte mangels Fähigkeiten zu überfordert. Michel Fischer ist bedingt durch Nazi Demonstrationen kein unbekannter. Er wirkt von seinem Verhalten und Ausdrucksweise her minderbemittelt, ist impulsiv und gewalttätig gegenüber den Kräften der Landespolizei auf Nazi Demonstrationen wie in Bad Nenndorf oder in Dortmund.
Auf der anderen Seite gab es ein buntes Bündnis gegen Nazis gegenüber dem Hauptbahnhof von Mainz. Diese stellten sich zusammen aus Bündnis 90 / Die Grünen, SPD, Fridays For Future, Omas gegen Rechts, sowie jüngere idealistische Menschen. Laut Angaben der Polizei vor Ort waren es insgesamt über 1.500 Gegendemonstrantinnen und Gegendemonstranten der demokratischen Zivilgesellschaft anwesend gewesen.
Sie spielten fröhliche Musik, die jüngeren liefen durch Mainz. Unter Umständen hatte dies zur Wirkung das Dritte sich nicht für die Teilnahme an der Nazi Veranstaltung interessiert haben. Letzten Endes rief die Polizei über eine Sprechanlage die Ansage aus, daß die Veranstaltung der Nazis nicht stattfinden werden wird.
Dies hat die Gesellschaft in Mainz wohlwollend zur Kenntnis genommen.
Auf einer Pressekonferenz auf dem G7-Gipfel ließ Kanzler Scholz eine Journalistin arrogant abblitzen – ein Politikstil, der nicht mehr zeitgemäß ist. Das Spiel zwischen Regierendem und Journalistinnen ist natürlich ein Machtspiel.
Bevor Gerhard Schröder (weiterhin SPD) Lobbyist für ein russisches Gas-Unternehmen wurde, war er bis 2005 Bundeskanzler. Pressekonferenzen mit ihm waren stets von der Frage geprägt, ob es seinem saalfüllenden Einzel-Ego gelingen würde, die Wolke der Journalisten-Egos in die Winkel und Nischen des Raums zu verdrängen. Meistens gewann das Schröder-Ego. Wobei man wissen muss, dass auch das Selbstbewusstsein vieler Kollegen gerade Anfang der nuller Jahre recht ausgeprägt war.
Schröder aber hatte Techniken, seine Überlegenheit zu beweisen und zu vergrößern. Gern pickte er sich eine Fragestellerin oder einen Fragesteller heraus, nutzte irgendeinen Aspekt der Frage, der sich mutwillig missverstehen ließ, verdrehte diesen und führte den Kollegen oder – oft genug – die Kollegin damit vor. Im September 2004 tagte das damalige rot-grüne Kabinett in Bonn. Die Pressekonferenz dazu fand im „Tulpenfeld“ statt, dem Ort der Bundespressekonferenz zu Alt-Westrepublik-Zeiten.
Es meldete sich eine Journalistin aus Saudi-Arabien, sie erkundigte sich nach dem Programm für den bevorstehenden Besuch des irakischen Präsidenten. Schröder guckte abfällig und beschied ihr: „Auf der Tagesordnung beim Besuch des Präsidenten des Irak steht die Lage im Irak.“ Welche Hilfe der Irak zu erwarten habe, das sage er „erst dem Präsidenten und dann Ihnen“. Deutlich hörbar wurde im getäfelten Raum gekichert, allerdings nur von Männern.
Wer auch immer diese Kollegin aus Saudi-Arabien war – Schröder konnte darauf vertrauen, dass er die Gelegenheit, sie abzukanzeln, schadlos nutzen konnte. Willkommener Nebeneffekt solcher Aktionen: Allen anderen wird der leise Schauer die Wirbelsäule hochgeschickt, dass es ihnen jederzeit ähnlich ergehen könnte. Mit nervös gestellten Fragen lässt es sich leichter regieren.
Veraltete Kulturtechniken
Diese Woche nun hatte Bundeskanzler Olaf Scholz auf der Abschluss-Pressekonferenz zum G7-Gipfel am Dienstag in Elmau einen solchen Gerhard-Schröder-Moment. Scholz referierte über die Weltlage und reagierte auf Fragen aus dem Kanzler-Pressetross zunächst durchaus lebendig und für Scholz-Verhältnisse kooperativ. Als die Deutsche-Welle-Reporterin Rosalia Romaniec jedoch fragte, ob er konkretisieren könnte, welche Sicherheitsgarantien die G7-Mächte für die Ukraine vorsähen, sagte Scholz: „Ja.“ Kurzes Schnauben. „Könnte ich.“ Noch ein Schnauben, ironisches Augenbrauen-Hochziehen Richtung Publikum. „Das war’s.“ Mehr, hieß das, würde er nicht sagen.
Es gab viel Empörung über Scholz angesichts dieser Behandlung der Kollegin durch den Bundeskanzler, insbesondere auf Twitter, wo die Szene als 24-Sekunden-Clip kursierte. Dies darf als starker Hinweis darauf zählen, dass solch ein Verhalten inzwischen anders bewertet wird als noch zu Schröders Zeiten. Wobei es das gefällige Kichern immer noch gibt. Scholz’ Berater jedenfalls dürften noch am Dienstag angefangen haben, über ein Anti-Arroganz-Training für ihren Kanzler nachzudenken, es wurde ohnehin dringend Zeit. Rosalia Romaniec selbst twitterte maßgerecht: „Als ich Deutsch gelernt habe, wurde mir für Pressekonferenzen dringend die Höflichkeitsform empfohlen“.
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„Ich frage mich, ob Menschen irgendwann von mir enttäuscht sein werden“
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Ein Interview von Christian Baron
Sahra Wagenknecht glaubt zu wissen, wie die Linke mit ihrem anstehenden Parteitag aus der Krise kommen kann. Im Gespräch mit Christian Baron hinterfragt sie ihre eigene Rolle dabei.
Beinahe hätte höhere Gewalt unser Treffen verhindert. Mit der U-Bahn geht es nicht weiter – Notarzteinsatz. Auf dem Fußweg zum Deutschen Bundestag zeigt sich der zuvor strahlende Berliner Juni plötzlich von seiner hässlichen Seite.
Klatschnass komme ich an, werde an der Pforte jedoch abgewiesen: „Frau Wajenknecht findense jegenüba, wa?“ Ich stapfe hinüber, komme unbeschadet durch die Sicherheitsschleuse – und staune. Wer kann in einem solchen Gebäude auch nur einen klaren Gedanken fassen? Diese Enge in den Fluren! Überall bürokratenholzvertäfelte Wände! All die geschlossenen Türen! Als ich Sahra Wagenknecht endlich gegenübersitze, fängt es draußen zu hageln und zu donnern an. Beste Voraussetzungen für ein Gespräch über eine linke Partei am Abgrund.
der Freitag: Frau Wagenknecht, die Bundesregierung hat mit der CDU/CSU gerade die größte Aufrüstung in der Geschichte der Bundesrepublik beschlossen. Massenproteste wie zu Zeiten des Nato-Doppelbeschlusses sind nicht in Sicht. Warum versagt Ihre Partei aktuell dabei, den Protest gegen den Militarismus zu organisieren und auf die Straße zu bringen?
Sahra Wagenknecht: In den achtziger Jahren gab es eine starke Friedensbewegung. Wichtige Teile der Sozialdemokratie unterstützten die Demonstrationen gegen den Nato-Doppelbeschluss. Auch die Gewerkschaften waren dabei. So ein Bündnis war in der Lage, große Proteste zu organisieren. Meine Hoffnung ist, dass wir es spätestens im Herbst auch wieder schaffen, viele Menschen gegen Krieg und Aufrüstung auf die Straße zu bringen. Aber das kann nicht eine Partei allein. Und schon gar nicht die Linke in ihrer aktuellen Verfassung, die dafür viel zu schwach ist. Dafür braucht es bekannte parteiunabhängige Persönlichkeiten und möglichst auch einige mobilisierungsstarke Organisationen. Von der SPD ist leider nicht mehr viel zu erwarten. Im Bundestag ist die Linksfraktion aktuell die einzige Kraft, die bei diesem Thema dagegenhält.
Das stimmt nicht. Auch die Fraktion der AfD hat mehrheitlich gegen das „Sondervermögen“ von 100 Milliarden Euro für die Bundeswehr gestimmt.
33 AfD-Abgeordnete haben zugestimmt, sechs haben sich enthalten, nur 35 haben mit Nein gestimmt. Soweit der Beschluss von der AfD kritisiert wurde, war das mit einer ganz anderen Begründung. Die AfD ist nicht gegen die Aufrüstung, sondern nur dagegen, die Aufrüstung über Schulden zu bezahlen. Sie fordert, dass sie durch Kürzungen in anderen Etats finanziert wird. Waffen statt Kindergeld, so könnte man diese Position zusammenfassen. Das ist das genaue Gegenteil dessen, was wir fordern: Wir sagen, dass die 100 Milliarden in der Bildung oder im Gesundheitswesen viel besser aufgehoben wären und Atombomber, bewaffnete Drohnen und anderes schweres Kriegsgerät wirklich das Letzte sind, was unser Land braucht. Dass ausgerechnet SPD und Grüne diese Hochrüstung jetzt umsetzen, ist doch pervers. Die Grünen sind immerhin mal aus der Friedensbewegung hervorgegangen. Heute sind sie im Bundestag die schlimmsten Kriegsbefürworter von allen.
Muss man den Grünen nicht zugutehalten, dass sie mit ihrer veränderten Außenpolitik einen Gutteil der deutschen Bevölkerung repräsentieren? Die hat sich doch auch verändert. Kriegspropagandabegriffe wie „Lumpenpazifismus“ sind plötzlich wieder in Mode – diesmal aber nicht am rechten Rand, sondern in der linksliberalen Mitte.
Die gesellschaftliche Debatte ist in einer Weise gekippt, wie ich mir das noch vor ein paar Jahren nicht hätte vorstellen können. Die aggressivsten Bellizisten kommen heute aus jenem grünliberalen Milieu, das noch vor zwei Jahren lange Debatten über verletzende Sprache führte und meinte, sensible Gemüter vor bösen Worten oder blonden Dreadlocks schützen zu müssen. Verletzung und Tod durch immer mehr Waffen sind für sie offenbar keine relevante Bedrohung, vor der man jemanden in der Ukraine oder anderswo schützen müsste. Im Gegenteil. Sie beschimpfen jeden als Weichei und als Putinisten, der es wagt, gegen die Kriegslogik Verhandlungen und Kompromissbereitschaft auch auf westlicher und ukrainischer Seite einzufordern.
Öffentliche Debatten entwickeln sich auch in Deutungskämpfen. Anstatt sich geschlossen gegen Waffenexporte und pauschalen Russenhass einzusetzen, laviert Ihre Partei in dieser Frage seit Monaten herum. Einige überbieten die Grünen in der Forderung nach schweren Waffen für die Ukraine, andere sind ganz dagegen. Ihr Bundesgeschäftsführer Schindler sagte nach der Landtagswahl in NRW in einer Fernsehsendung, die Ablehnung der Nato in ihrer bestehenden Form sei nicht die Position der Linkspartei – eindeutig eine Lüge. Verlieren Sie nicht an Glaubwürdigkeit, wenn Sie in einer Partei sind mit Leuten, die Grundsätze des eigenen Programms negieren?
Vor allem die Partei verliert dadurch an Glaubwürdigkeit. Das sehen wir ja an den katastrophalen Wahlergebnissen. Natürlich gibt es Punkte im Parteiprogramm, bei denen auch ich darauf bestehen würde, dass eine Pluralität von Meinungen möglich sein muss. Aber die Frage von Krieg und Frieden ist eine Grundsatzfrage. So wie die soziale Frage. In solchen Fragen kann es sich keine Partei leisten, völlig gegensätzliche Positionen zu vertreten. Mindestens 45 Prozent der Bevölkerung sind laut Umfragen gegen die Lieferung schwerer Waffen an die Ukraine. Wo sollen sie eine politische Vertretung finden, wenn nicht bei uns? Mehr als 50 Prozent haben Angst davor, dass der Krieg sich ausweitet und wir immer mehr hineingezogen werden. Die Politik der Bundesregierung und der Union hat keine überwältigende Mehrheit hinter sich. Es wäre schmählich, wenn wir als linke Partei ausgerechnet in dieser Situation friedenspolitisch umkippen würden. Willy Brandt wusste noch, dass ein Krieg gegen eine Atommacht nicht gewinnbar ist, weil man ihn schlicht nicht überleben wird. Inzwischen hat man das Gefühl, Leute wie Anton Hofreiter von den Grünen oder Marie-Agnes Strack-Zimmermann von der FDP möchten sich am liebsten in einen Panzer setzen und mit geladenem Rohr gen Russland rollen. Als könnte die Ukraine diesen Krieg gewinnen, wenn wir nur genug Waffen liefern! Es ist unsere verdammte Pflicht, hier dagegenzuhalten – und ja, auch bezogen auf die Nato immer wieder deutlich zu machen, dass es ein echtes Sicherheits- und Verteidigungsbündnis braucht. Das ist die Nato nicht. Sie ist vor allem ein Hebel US-amerikanischer Geopolitik, ein Instrument zur Durchsetzung von US-Interessen. Die USA tragen eine erhebliche Mitverantwortung für den Krieg in der Ukraine. Nichts rechtfertigt den russischen Überfall, aber die von den USA vorangetriebene Integration der Ukraine in die militärischen Strukturen der Nato erklärt, weshalb er stattgefunden hat.
Gregor Gysi ist außenpolitischer Sprecher der Bundestagsfraktion, und er hat Sie schon mehrmals öffentlich attackiert für genau diese Nato-kritische Haltung. Benjamin-Immanuel Hoff, der sich zum stellvertretenden Bundesvorsitzenden wählen lassen will, vertritt die außenpolitischen Positionen von SPD und Grünen. So wie manch anderer Außenpolitiker der Linken auch. Aus den Landtagsfraktionen der Linken gab es noch keine geschlossene Ablehnung des Öl-Embargos oder der Sanktionspolitik gegen Russland, die hauptverantwortlich sind für die Inflation. Also noch einmal: Was hält Sie in dieser Partei, die aktuell nur noch eine sozial abgefederte Version der Grünen ist?
Ich stimme Ihnen zu: Wenn die Linke diesen Weg fortsetzt, wird sie untergehen. Und sie hätte das dann auch verdient. Aber sehr viele Parteimitglieder unterstützen das nicht. Mit meinen Positionen bin ich ja nicht allein. Darum setze ich mich für eine Rückbesinnung auf unseren Gründungskonsens ein, nicht nur in der Außenpolitik. Eine Partei, die das Gleiche vertritt wie SPD oder Grüne, braucht kein Mensch. Wenn die Leute das Gefühl haben, dass es keine Unterschiede mehr gibt, dann macht sich die Linke überflüssig. Der Druck der öffentlichen Debatte ist gerade in der Kriegsfrage derzeit ziemlich stark, und es braucht Rückgrat, um bestimmte Positionen zu halten. Das bringt offenbar nicht jeder mit.
In Erfurt startet am 24. Juni der Bundesparteitag. Das wäre eine Gelegenheit, in all diesen Fragen eindeutige Beschlüsse zu fassen. Viel hängt davon ab, wer die neuen Vorsitzenden werden. Für beide Posten gibt es Kampfkandidaturen: Janine Wissler gegen Heidi Reichinnek und Martin Schirdewan gegen Sören Pellmann. Wen unterstützen Sie?
Es ist sehr wichtig, dass die Linke mit diesem Parteitag einen Neubeginn schafft. Und das geht nur, wenn Personen gewählt werden, die nicht für ein „Weiter so“ stehen, sondern deutlich machen: Wir wollen wieder vor allem soziale Themen in den Vordergrund stellen, und wir stehen ganz klar zu unseren friedenspolitischen Positionen. Wir sind keine Partei, die Waffenlieferungen oder Aufrüstung befürwortet. Wenn wir weitermachen wie bisher oder sogar in der Friedensfrage ganz kippen, dann wird die Linke verschwinden.
Das steht auch in dem „Aufruf für eine populäre Linke“, den Sie unterstützen. Der „Spiegel“ hat dazu geschrieben: „Der Aufruf ist auch als parteiinternes Signal von Wagenknecht zu werten, die eigenen Reihen zu schließen und Präsenz zu zeigen.“ Werden wir beim Parteitag erleben, wie Sie auf offener Bühne den innerparteilichen Gegnern das Zepter aus der Hand reißen, so wie es Oskar Lafontaine beim SPD-Parteitag im Jahr 1995 getan hat?
Was der Spiegel da schreibt, finde ich ein bisschen albern. Es geht mir nicht darum, meine Präsenz zu demonstrieren. Ich freue mich, wie viel Zuspruch der Aufruf schon gefunden hat. Wir hatten schon nach kurzer Zeit über 3.000 Unterstützer, liegen derzeit bei gut 5.000. Das zeigt doch, dass unser Aufruf einen Nerv getroffen hat. Letztlich geht es um die Frage: Wie muss die Linke sich aufstellen, um wieder diejenigen zu erreichen, die nicht auf der Sonnenseite des Lebens stehen? Wegen der hohen Inflation haben Menschen bis in die gesellschaftliche Mitte hinein große Ängste und Zukunftssorgen. Die Frage von Krieg und Frieden ist in einer Weise auf die Tagesordnung zurückgekehrt, wie das noch vor zwei oder drei Jahren undenkbar war. Deshalb ist es wirklich eine Tragödie, dass die Linke so schwach ist und nur noch so wenige Menschen erreicht. Gerade jetzt bräuchte es eine starke linke Kraft im Bundestag, und wir könnten das sein. Immerhin hatten wir mal fast zwölf Prozent. Da waren wir ein politischer Faktor in Deutschland. Das müssen wir wieder werden.
Einer, der die Partei in Ihrem Sinne führen würde, ist Sören Pellmann. Sein Name fehlt bei den Unterzeichnern des Aufrufs. Wie finden Sie das?
Keiner der vier Kandidaten für den Parteivorsitz hat den Aufruf unterzeichnet. Das finde ich auch in Ordnung, denn sie müssen im Falle einer Wahl Vorsitzende der gesamten Partei sein. Aber bei ihren Bewerbungen haben die verschiedenen Kandidaten ja deutlich gemacht, wofür sie stehen.
Im Aufruf steht auch der Satz: „Unser Ziel ist ein neuer, demokratischer und ökologischer Sozialismus.“ Stehen Sie auch persönlich hinter dieser klaren sozialistischen Rahmung? In Ihren wirtschafts- und sozialpolitischen Statements der jüngeren Vergangenheit haben Sie die Begriffe „Sozialismus“, „Klassengesellschaft“ oder „Kapitalismus“ gemieden.
Ich wurde als Jugendliche durch Marx-Lektüre eine Linke und ich würde diese Wirtschaftsordnung selbstverständlich immer als Kapitalismus bezeichnen. Der Profit dominiert und entscheidet. Profitstreben ist letztlich auch der Hintergrund fast aller Kriege. Es geht um Rohstoffe, Absatzmärkte, Einflusssphären. Wenn ich das in einer Talkshow sage oder in einer nicht-linken Zeitung, muss ich allerdings viel mehr erklären. Für den Begriff „Sozialismus“ gilt das erst recht. Unser Aufruf richtet sich ja vorrangig an Mitglieder der Partei und Sympathisanten, die meist mit linken Debatten vertraut sind. Nach außen würde ich aber immer versuchen, allgemeinverständlich zu reden. Gerade im Westen existiert immer noch die Vorstellung, Sozialismus sei das, was in der DDR mal existiert hat. Für andere ist es wiederum ein akademischer Begriff, unter dem sie sich nichts vorstellen können. Ich will so über Politik sprechen, dass mich nicht nur Linke verstehen.
Die Linke hat jahrelang Erfolg gehabt als Anti-Neoliberalismus-Partei. Das scheint heute nicht mehr zu funktionieren. Man weiß, wogegen Sie sind, aber nicht, wofür Sie einstehen. Wäre da nicht die Formulierung von Visionen wichtig oder die Entwicklung einer neuen Utopie?
Oben — Rechte Tasche – linke Tasche – übrig blieb die leere Flasche / Screenshot YOUTUBE
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Unten —
Die Fraktionsvorsitzende der Linkspartei Sahra Wagenknecht. Leipziger Parteitag der Linkspartei 2018. 1. Tagung des 6. Parteitages der Partei DIE LINKE. Vom 8. bis 10. Juni 2018. Tagungsort: Leipziger Messe, Congress Center Leipzig.
Wenn der NOCH-Vorsitzende der Partei DIE „LINKE“ aus dem Saarland meint, die SPD-lerin, Frau Rehlinger, beratschlagen zu müssen, dann ist er sprichwörtlich „auf dem Holzweg“. Niemand wird einen Gesetz-Entwurf im Bundesrat für eine „Übergewinnsteuer“ einbringen.
Auch die Entscheidung von Ford gegen seine Standorte im Saarland, zugunsten derer im spanischen Valencia wird in Fach-Artikeln informativ und deutlich dargestellt.
So sagt der Ford-Europachef Rowley, dass „man“ nun eine „Task Force“ gründe und mit den „Arbeitnehmervertretern und der saarländischen Landesregierung“ das weitere Vorgehen besprechen werde. Der dreimal größere Standort Köln soll mit Milliardeninvestitionen gestärkt werden. „Am saarländischen Standort läuft die Fertigung des Verbrennermotor-Modells Focus
im Jahr 2025 aus“.
Das ganze Politiker – Geschwurbel dient doch nur dazu, die allgemeine Öffentlichkeit, die örtlichen Politik-Vertreter, die betroffenen Arbeitnehmer zu verwirren und im Unklaren zu lassen.
Das Frau Spaniol einmal langjährige Abgeordnete im Saarländischen Landtag war, das hilft den betroffenen Arbeitnehmern (und ihren Familien) in Saarlouis, Dillingen und Umgebung herzlich wenig.
Auch die „bahnbrechende“ Erkenntnis des MdB´s und der Ex-MdL, „dass „großen“ Konzernen ihr Profit wichtiger ist als das Interesse der Beschäftigten und ganzer Regionen“ hilft den Betroffenen genau so wenig wie den Arbeitnehmern des Saarlandes an der Tankstelle.
Solche Aussagen hören sich doch eher nach Kindergarten und ABC-Schüler an, als nach ernsthaften Informationen für Betroffene und politisch interessierten Bürger Innen.
Mit solchen seichten und nichtssagenden Politik -“Aussagen“ wird DIE „LINKE“ keinen „Blumentopf“ mehr künftig gewinnen.
Die Abwanderung von der Politik in das Nichtwähler-Lager ist letztlich reine Notwehr der Betroffenen und wird ja auch immer öfters und in immer größerem Umfange wahrgenommen.
Eine klare Gesellschafts- und Klassen-Analyse m ü s s t e die Grundlage eines aktualisierten Grundsatz-Programms einer „wirklichen“ bzw. „echten“ LINKEN sein.
Eine solche Analyse wird man weder von dem (neuen) Partei-Vorstand noch von der mit riesigen staatlichen Steuergeldern „gepämperten“ Rosa-Luxemburg-Stiftung, deren künftiger Vorsitzende ja der Saarländer Bierbaum wird, erstellt werden.
Die beiden Bundes-Vorsitzenden der Partei und der gesamte Partei-Vorstand hatten ja sogar eine Analyse der Wahl-Niederlage bei der BTW vom 26.09.2021 abgelehnt.
Ohne eine klare und eindeutige Grundhaltung, ohne eine klare und eindeutige Kommunikation und ohne eine klare und eindeutig politische Handlungen wird es mit einer LINKEN Partei in Deutschland nichts werden.
Bezug und verwendete Quellen:
https://www.focus.de/finanzen/news/hiobsbotschaft-fuer-4600-mitarbeiter-ford-werk-in-saarlouis-baut-ab-2025-keine-autos-mehr_id_107983641.html
https://dielinkesaar.de/index.php?id=nb&id2=1654776365-140605 („Übergewinnsteuer“)
https://dielinkesaar.de/index.php?id=nb&id2=1655898820-135340 (Ford-Standort-Schließungen im Saarland)
Die Stadt Ulm hat eine jahrelange erfolgreiche Zusammenarbeit von Verwaltung und Ehrenamtlichen mit ihrem ignoranten Vorgehen kaputt gemacht. So wird der einstige Leuchtturm nun zum Lehrstück, welche Fehler man nicht machen sollte.
Da hat ein zivilgesellschaftliches Projekt, zur richtigen Zeit gefördert von der Stadt, dieser den Ruf eingebracht, besonders innovativ, smart und digital zu sein. Die Stadt wird Smart-City-Modellprojekt des Bundes. Sie geht hausieren mit dem lebendigen Ort, lässt sich von diesem kostenlos beraten, profitiert vom ehrenamtlichen Engagement, indem sie sich millionenschwere Fördertöpfe sichert.
Was der Stadtverwaltung allerdings nicht ins Bild passt: Die zivilgesellschaftlichen Akteure sagen ihre Meinung. Sie äußern sich zur städtischen IT und zu Projekten, bei denen die Stadt wenig Digitalkompentenz zeigt. Sie sammeln Fehler und machen sie öffentlich.
Hirnlos und ignorant
Offenbar deswegen schaltet die Verwaltung jetzt auf stur. Anstatt das Projekt wie geplant in die Selbstverwaltung und Unabhängigkeit zu entlassen, entwirft sie auf eigene Faust eine Neuausrichtung und sichert sich zu allem Überfluss den von den Ehrenamtlichen erfundenen Namen beim europäischen Markenamt.
Hirnloser und ignoranter kann man engagierte Menschen wirklich nicht verprellen, kränken und beleidigen. Den später folgenden Rauswurf aus den Räumlichkeiten dann auch noch als Stärkung des offenen Charakters des Verschwörhauses zu verkaufen, setzt diesen eingeschlagenen Holzweg dann konsequent fort.
Und so wird der einstige Leuchtturm der Zusammenarbeit von Verwaltung und Zivilgesellschaft zu einem Lehrstück. Eines, das Ehrenamtliche und Aktivist:innen in Zukunft vor Augen haben werden: Lass dich niemals ohne Absicherung auf die Verwaltung ein. Wenn die Stadt Ulm nicht doch noch umschwenkt, wird sie wohl immer in dieser zweifelhaften Erinnerung bleiben.
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Aber – Der Herrmann geht doch nur mit Roberto spazieren ! Innenminister? – Wen nannten sie Früher noch die Philister ?
Von Konrad Litschko
Vor dem G7-Gipfel warnt Bayerns Innenminister vor gewalttätigen Protesten, Demos sollen beschnitten werden. Dabei sind Krawalle kaum zu erwarten.
Ein Großaufgebot von 18.000 Polizist:innen, Sperrbereiche, Kontrollpunkte auf Straßen: Wenn in anderthalb Wochen der G7-Gipfel auf dem Schloss Elmau in Bayern beginnt, wird sich der Landkreis Garmisch-Partenkirchen wieder in eine Hochsicherheitszone verwandeln. Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) warnt auch bereits vor anreisenden Gewalttätern. Dabei sind diese bisher nicht in Sicht.
„Wir müssen alles tun, um von vornherein Krawallmacher und Chaoten aus dem Verkehr zu ziehen“, erklärte Herrmann kürzlich mit Blick auf den am 26. Juni startenden G7-Gipfel. „Die Mobilisierung ist nach gegenwärtigem Stand weiterhin deutlich geringer als beim G20-Gipfel in Hamburg 2017“, sagte Herrmann zwar nun der taz. In sozialen Medien sei aber eine zunehmende Thematisierung der Proteste festzustellen, „was für ein großes Interesse in szenetypischen Kreisen spricht“, so der CSU-Politiker. „Die Teilnahme gewaltbereiter Chaoten an den Protestkundgebungen ist leider nicht auszuschließen.“
Tatsächlich läuft das Sicherheitskonzept bereits an. Seit Montag gelten in Deutschland – wie schon beim G7-Gipfel 2015 in Elmau – wieder Grenzkontrollen. Diese können punktuell durchgeführt werden, um Anreisen „potentieller Gewalttäter“ zu stoppen, wie das Bundesinnenministerium erklärt. Rund um das Schloss Elmau, den Tagungsort, wird ein 16 Kilometer langer Zaun errichtet, samt Sicherheitszone, die ab dem 19. Juni nur noch für Akkreditierte zu erreichen sein wird. Ein zweiter Sicherheitsbereich erstreckt sich über das umliegende Hochtal. Auf zentralen Straßen will die Polizei Kontrollstellen einrichten, Kanaldeckel werden versiegelt, in der Luft gilt eine Flugverbotszone.
Zudem wurde im Skistadion Garmisch-Partenkirchen bereits mit Containern eine Gefangenensammelstelle mit bis zu 150 Plätzen errichtet. Richter und Staatsanwälte sollen beim Gipfel im Schichtdienst bereitstehen, um über Haftbefehle für mögliche Festgenommene zu entscheiden.
Franz Haslbeck, einer der Organisatoren des G7-Gegenprotests, schüttelt darüber nur den Kopf. „Das ist alles völlig überzogen.“ Von den Protesten sei keine Gewalt zu erwarten. „Das Gerede vom Krawall dient nur dazu, unsere Demonstrationen einzuschränken.“
So Nobel umgeben sich politische Specknacken
Tatsächlich ist die Protestmobilisierung bisher überschaubar – und recht zahm. Anders als beim G20-Gipfel 2017 in Hamburg, wo es zu massiven Ausschreitungen kam. Die Referenz nun aber ist der G7-Gipfel 2015 in Elmau, wo es auch ein großes Sicherheitsaufgebot und Warnungen vor Krawall gab – und am Ende alles friedlich blieb.
Protesthöhepunkt ist diesmal eine Großdemonstration am Samstag vor dem Gipfel in München, zu der mehrere tausend Protestierende erwartet werden. Dazu rufen BUND, Greenpeace, Misereor und andere auf. Sie fordern mehr Einsatz der Regierungschefs gegen den Klimawandel, Armut oder Ungleichheit.
Für eine Demonstration tags darauf in Garmisch-Partenkirchen werden maximal 1.000 Teilnehmende erwartet. In dem Ort ist über die Gipfeltage auch ein Protestcamp mit 750 Teilnehmenden angemeldet. Von dort wollen Protestierende am Montag mit einem Sternmarsch kilometerlang über vier Routen mit je 100 Demonstrierenden zum Schloss Elmau vorrücken.
In einer Zeit, in der Angst vor einem Atomkrieg wieder umgeht, kommen Atomwaffengegner in Deutschland vor den Richter.
«Das Schöne war, dass ich im Gefängnis so viele Briefe bekommen habe», erklärt Ria Makein. Am 6. Juni wurde sie aus der Haft entlassen. Einen Tag vor ihrem siebzigsten Geburtstag. Sie hatte im April 2019 im Luftwaffenstützpunkt Büchel in der Eifel gegen die dort gelagerten NATO-Atombomben demonstriert und wurde wegen Hausfriedensbruchs verurteilt. Da sie die Geldbusse nicht zahlte, musste sie 30 Tage ins Gefängnis. Sie war damals zusammen mit anderen auf den Flugplatz vorgedrungen und hatte Transparente hochgehalten, auf denen unter anderem zu lese war «Frieden schaffen ohne Waffen».
Das war der Leitsatz der deutschen Friedensbewegung, einer Bewegung, die seit ihrer Gründung Ende des 19. Jahrhunderts mit Namen aufwarten konnte wie Bertha von Suttner, Carl von Ossietzky, Kurt Tucholsky oder Martin Niemöller. Die Bewegung erlebte ihren Höhepunkt in den 1980er Jahren mit dem breiten Widerstand gegen die Stationierung von Raketen mit Nuklearsprengköpfen in Deutschland. Die Sitzblockaden und andere gewaltfreie Aktionen wurden später nach jahrelangen Verfahren vom Bundesverfassungsgericht als legal anerkannt. Die von Vorinstanzen Verurteilten wurden entschädigt.
Heute weht ein anderer Zeitgeist. Deutsche Grüne und Sozialdemokraten stehen stramm hinter der NATO. Wer heute den Rüstungsbetrieb stört, wird kaum auf Verständnis der Justiz treffen. Ria Makein und die 16 anderen, die 2019 am Atomwaffenlager demonstrierten, gehören zu einer aussterbenden Art: Pazifisten und Mitglieder der Friedensbewegung. Das sind Ungläubige, sie glauben weder an die Rüstungsindustrie noch an die Doktrin vom «Gleichgewicht des Schreckens». Sie glauben nicht, dass mit mehr Waffen mehr Sicherheit oder mehr Frieden geschaffen werden.
Sie sind heute die Ex-Kommunizierten in einem «christlichen Abendland», welches wieder einmal auf Panzer und Artillerie schwört.
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Ria Makein hatte dem Richter gesagt, sie habe keinen Hausfrieden gebrochen, denn ein Gelände, wo der Atomkrieg vorbereitet werde, könne keinen Frieden beherbergen. Und weiter: «Wenn das Gesetz genutzt wird, um die Vorbereitung von Massenmord und Krieg zu schützen, dann ist der Versuch gerechtfertigt, auf dieses Unrecht hinzuweisen und rechtlich dagegen vorzugehen.»
Sie zitierte den US-Präsidenten Dwight. D. Eisenhower: «Eine Welt unter Waffen verpulvert nicht nur den Schweiss ihrer Arbeiter, den Geist ihrer Wissenschafter, sie verpulvert auch die Hoffnung ihrer Kinder.»
Wer solche Rede führt, der muss sich heute warm anziehen. Denn heute haben Rufe wie «Sieg über Russland» Konjunktur. Pazifismus ist das Schimpfwort der Stunde. Friedensaktivisten werden als nützliche Idioten des Kremls bezeichnet.
Da wird eine Suppe gekocht, die an alte Rezepte erinnert. «Wehrkraftzersetzung» und «fünfte Kolonne» sind in Deutschland keine Fremdwörter. Und die Köche dieser Suppe kümmern sich kaum um das deutsche Grundgesetz, das Pazifistinnen und Pazifisten ausdrücklich hochachtet, wenn es in Artikel 4 Absatz 3 festhält, jeder habe das Recht, den Dienst mit der Waffe zu verweigern.
US-Atomwaffen in Deutschland
Der Übungsbetrieb mit Atomwaffen und die Drohung mit Atomwaffen verstossen nicht nur gegen den Atomwaffensperrvertrag von 1968 und gegen das deutsche Grundgesetz, sondern sind auch vom Internationalen Gerichtshof in Den Haag (IGH) 1996 als völkerrechtswidrig gebrandmarkt worden. Ausserdem ergaben alle Befragungen, dass eine grosse Mehrheit der deutschen Bevölkerung nicht will, dass Deutschland Atomwaffen besitzt. Dass bislang keine deutsche Regierung in der Lage war, diesem Volkswillen Folge zu leisten, liegt an der Verfügungsmacht der USA in Sicherheitsfragen. Der deutsche Staat hat seit 1945 in dieser Hinsicht keine Souveränität.
Ria Makein argumentierte vor Gericht, die Justiz mache sich «zum Büttel des Staates, wenn sie dem militärischen Machbarkeitswahn der NATO jedes Recht gebe» und den sich wehrenden Bürgerinnen kriminelle Energie zuspreche. Sie sagte dem Richter:
«Mein Vater war nach dem letzten Krieg der einzige Überlebende von vier Söhnen meiner Grosseltern. Meine Mutter hatte in den letzten Kriegstagen ihren 17jährigen Bruder auf dem Rückzug im Osten verloren. Ich bekam Gelegenheit, die Realschule zu besuchen und konnte nach Abschluss einer Lehre als Industriekauffrau in Düsseldorf studieren. Dies wurde mir nur durch staatliche Unterstützung möglich. Dafür bin ich meinem Staat äusserst dankbar. In den ersten 18 Jahren meines anschliessenden Berufslebens leitete ich in Köln einen evangelischen Kindergarten. Als ich mit 29 Jahren darauf aufmerksam gemacht wurde, dass wir in Europa auf einem Pulverfass leben und mit dem sogenannten NATO-Doppelbeschluss eine weitere Lunte gelegt werden sollte, begann ich darüber nachzudenken, für welche Zukunft ich diese Kinder vorbereite.»
Neun Tage lang 23 Stunden täglich in der Zelle
Der Richter hatte kein Einsehen. Die Siebzigjährige war die ersten neun Tage im geschlossenen Vollzug: täglich 23 Stunden in der Zelle, eine Stunde Ausgang auf dem Innenhof. Den Rest verbrachte sie im offenen Vollzug, sie konnte das Zimmer verlassen und in den Garten gehen. Auf die Frage, woher sie in ihrem Alter die Kraft nehme, gegen den Strom zu schwimmen, antwortet sie, es seien die persönlichen Bindungen, von denen sie sich getragen fühle: «Durch die viele Post, die mich in diesen vier Wochen erreichte, wurde mir dieses grossartige Netzwerk bewusst.»
Als Beispiele für dieses Netzwerk nennt sie die Quäker, die Deutsche Friedengesellschaft (DFG/VK) oder die «Lebenslaute», eine Gruppe von Musikerinnen und Musikern, die vor Rüstungsfabriken oder Militärübungsplätzen mit klassischer Musik und Chorgesang zivilen Ungehorsam praktizieren und dort intervenieren, wo der Staat ihrer Meinung nach Unrecht duldet.
Ende April publizierte die Journalistin Alice Schwarzer zusammen mit 27 deutschen Intellektuellen einen offenen Brief an den deutschen Kanzler Scholz. Darin bitten sie die deutsche Regierung, auf Waffenlieferungen und Eskalation mit unvorhersehbarem Ausgang zu verzichten. Stattdessen sollten alle Anstrengungen für einen Waffenstillstand und eine Verhandlungslösung unternommen werden.
Der Aufruf entpuppte die gewaltige deutsche Empörungsbereitschaft. Im Wochenblatt «Der Spiegel» schrieb ein «Strategieberater» namens Sascha Lobo am 20. April, ein «substantieller Teil der Friedenbewegung» sei ein «Lumpen-Pazifismus» und der indische Friedensaktivist Mahatma Ghandi sei eine «sagenhafte Knalltüte» gewesen und bis heute «ein Vorbild für viele Pazifisten».
Der Musiker und Publizist Wolfgang Müller brachte im selben Wochenmagazin seine Verachtung für zivilen und unbewaffneten Widerstand auf die Formel:
«Man darf sagen, dass man lieber feige und lebendig als mutig und tot wäre […] Man soll es aber nicht als friedliebenden Pazifismus verkaufen.»
Angesichts der Entschlossenheit derer, die auf mehr Panzer und Artillerie zur Konfliktlösung setzen, vernimmt man im Deutschland der Talk Shows und der grossen Medien nur noch wenige pazifistische Stimmen.
Die evangelisch-lutherische Theologin Margot Kässmann sagte am 12. Mai in der ARD-Sendung Monitor:«Das Ende des Pazifismus wurde schon oft beschrieben angesichts all der Kriege, die in dieser Welt stattfinden, und angesichts derer immer wieder gesagt wird, jetzt müsse die Waffe in die Hand genommen werden. Und ich bin dankbar, dass es noch Menschen gibt, die das durchhalten und sagen: Trotz all dieser entsetzlichen Gräuel bleibe ich dabei, dass ich Waffen nicht als Lösung sehe.»
Ria Makein ist eine von diesen Menschen. Sie sagt: «Ich würde es jederzeit wieder machen. Ich bin siebzig, fühle mich aber wie fünfzig.»
Bei einer Online-Nutzung ist die Quellenangabe mit einem Link auf infosperber.ch zu versehen. Für das Verbreiten von gekürzten Texten ist das schriftliche Einverständnis der AutorInnen erforderlich.
Oben — Demonstrants facing the police chain at the main gate with a banner: „Turn around! The threat is behind you!“. Demonstration against nuclear weapons in Germany, August 30, 2008 at the Büchel airbase, with around 2000 participants, in the context of the campaign „Unsere Zukunft – atomwaffenfrei!“ (Our Future – Nuclear Weapon Free!), see http://www.atomwaffenfrei.de
Schachpartie der Ravensburger Stadtverwaltung, oder :
Partyszene in Selbstverantwortung?
Von: Stefan Weinert
„Einmal hier – einmal dort …“ So könnte Hannes Waders Lied 2022 beginnen, wenn er sich in Ravensburg befände und er sich mit den Rochade-Plänen der Ravensburger Stadtverwaltung hinsichtlich der feiernden Jugendszene beschäftigen würde. Doch dafür hat er keine Zeit, deswegen einer seiner größten Fans, ein Ravensburger Blogger, das für ihn übernommen hat – seit über zwei Jahren. Denn genau so soll es nach den Plänen unserer Bürgermeister aussehen: Mal Hirschgraben, Bärengarten, Scheffelplatz, auf der Molldiete, mal in der Kantine, mal im Douala, mal auf dem Parkplatz der Gewerblichen Schulen… und dann kommen noch die 16 Geheimplätze dazu, von denen niemand weiß, ob es sie wirklich gibt. Getränke selbst mitbringen ist Tabu, im Gegenteil: im Bärengarten – wie es tatsächlich von den Oberen gedacht ist, ist nur Bier vom Tresen erlaubt. Diese Rumgeschubse lassen sich die wahlberechtigten (Kommunalwahlen ab 16) jungen Leute offensichtlich nicht gefallen. Höchstens die Quotenjugendlichen, die artig tun, was von Oben erwartet.
Zunächst einmal gehört das Eingeständnis dazu, dass es wohl für die jüngere Generation keinen besseren Partyplatz in der Stadt Ravensburg gibt, als den Platz auf der Veitsburg und dem Hang darunter (Serpentinenweg). Denn schließlich feiert dort die heile, erwachsene Ravensburger Gesellschaft jährlich das bierselige „Rutenvergraben“ – wenn denn Corona das zulässt, wonach es 2022 ganz aussieht.
Des weiteren braucht es die Erkenntnis, dass sich junge Leute selbst ihren Platz/ihre Plätze suchen (so wie es auch das Wasser tut), wo einfach alles stimmt, um Feiern zu können – inklusive der selbst mitgebrachten Getränke!! Jedenfalls aus der Sicht und Perspektive der jungen Leute wäre das so. Drittens, dass es offensichtlich keinen Sinn macht und zu einer endlosen Geschichte führen wird, wenn man/frau der Jugend befiehlt !, wo sie sich zu treffen hat und verbietet !, wo nicht. Egal ob es sich dabei um die Eishalle, die Oberschwabenhalle oder einen der 16 – der Öffentlichkeit nicht bekannten – Plätze der Stadtverwaltung handelt.
Abgesehen davon, dass niemand weiß, wie lange wir in diesem Jahr noch Partys feiern können, scheint die gesamte Stadtverwaltung plus all‘ der Protagonist/innen und Akteur/innen in Sachen „Jugend-Party-Szene“ hoffnungslos überfordert zu sein. Und das geht nun schon seit zwei Jahren mit Versprechungen und davor auch schon einige Jahre ohne Versprechungen so! Dabei ist eine Lösung relativ einfach. Vorausgesetzt, man und frau weiß, wie so etwas angepackt werden könnte, um mit Überblick und Kreativität sowohl eine topografische als auch inhaltlich akzeptable Lösung zu finden.
All die Akteure und Protagonisten haben sich vor zwei Monaten nun mal wieder zusammengesetzt, um zu eruieren, was möglich und was gewünscht ist.
Zunächst einmal gehört das Eingeständnis dazu, dass es wohl für die jüngere Generation keinen besseren Partyplatz in der Stadt Ravensburg gibt, als den Platz auf der Veitsburg und dem Hang darunter (Serpentinenweg). Denn schließlich feiert dort die heile, erwachsene Ravensburger Gesellschaft jährlich das bierselige „Rutenvergraben“ – wenn denn Corona das zulässt, wonach es 2022 ganz aussieht.Des weiteren braucht es die Erkenntnis, dass sich junge Leute selbst ihren Platz/ihre Plätze suchen (so wie es auch das Wasser tut), wo einfach alles stimmt, um Feiern zu können – inklusive der selbst mitgebrachten Getränke!! Jedenfalls aus der Sicht und Perspektive der jungen Leute wäre das so. Drittens, dass es offensichtlich keinen Sinn macht und zu einer endlosen Geschichte führen wird, wenn man/frau der Jugend befiehlt !, wo sie sich zu treffen hat und verbietet !, wo nicht. Egal ob es sich dabei um die Eishalle, die Oberschwabenhalle oder einen der 16 – der Öffentlichkeit nicht bekannten – Plätze der Stadtverwaltung handelt.
Abgesehen davon, dass niemand weiß, wie lange wir in diesem Jahr noch Partys feiern können, scheint die gesamte Stadtverwaltung plus all‘ der Protagonist/innen und Akteur/innen in Sachen „Jugend-Party-Szene“ hoffnungslos überfordert zu sein. Und das geht nun schon seit zwei Jahren mit Versprechungen und davor auch schon einige Jahre ohne Versprechungen so! Dabei ist eine Lösung relativ einfach. Vorausgesetzt, man und frau weiß, wie so etwas angepackt werden könnte, um mit Überblick und Kreativität sowohl eine topografische als auch inhaltlich akzeptable Lösung zu finden.
All die Akteure und Protagonisten haben sich vor zwei Monaten nun mal wieder zusammengesetzt, um zu eruieren, was möglich und was gewünscht ist.
Es sei darauf hingewiesen, dass eine so platzierte Partyszene keinen Anwohner stören würde, weil es dort keine gibt. Dennoch ist auch dieser Vorschlag nicht perfekt. Fast perfekt wäre der Vorschlag , wenn die Jugend in Ravensburg in den zurückliegenden 12 Jahren den gleichen Stellenwert wie die feiernden Erwachsenen hätte (Areal zwischen rotem Rathaus und Landgericht, Rutenfest etc.).
Wer hier reflexartig sein „Aber“ und andere „Bedenken“ ins Feld führt, der muss sich leider den Boykott einer nicht so schlechten Idee vorwerfen lassen. Zum Beispiel das Argument der möglichen Vermischung mit der „Bahnhofsszene“. Zum einen wäre das ziemlich diskriminierend und würde andere diskreditieren – und es wäre exklusiv statt inklusiv. Ganz davon abgesehen, ob die Szene am Bahnhof sich überhaupt „gemein“ machen möchte mit den aus ihrer Sicht „gutbürgerlichen Hipstern“!
Altkanzler in den 90er Jahren: Neues vom Gazprom-Gerd
Durch die Woche mit Robert Misik
In den 1990ern habe ich Gerhard Schröder als hilfsbereiten Menschen kennengelernt. Das ist nun vergessen, ebenso wie die Zusammenhänge aus den Balkankriegen.
Gerhard Schröder werden jetzt also sein Büro, die Apanage, die Mitarbeiter gestrichen, die in Deutschland jedem Ex-Regierungschef gewohnheitsmäßig zustehen. Praktisch wird das wohl nicht viel ändern, denn Berichten zufolge herrscht in Schröders Büro längst gähnende Leere, nachdem die ihm zugeteilten Amtspersonen den Dienst wütend quittierten. Auch Schröder selbst sei in den Gängen seit Monaten nicht gesehen worden, ist zu hören, was verständlich ist: Wenn da keiner mehr ist, findet er wohl nicht einmal den Lichtschalter, er müsste sich den Espresso selbst brühen, und wer will schon in der toten Atmosphäre des leeren Offices rumhängen?
Bürotrakt
Ich male mir das so aus: Da gibt’s irgendwo eine Etage für ausrangierte Diener des Volkes, und der Schröder-Trakt ist seit Monaten menschenleer. Staub legt sich über die Einrichtung, die Zimmerpflanzen lassen betrübt die Blätter fallen, Mäuse und Spinnen holen sich das Territorium zurück, eine gespenstische Stimmung. Selbst die Leute von der Gebäudesicherheit betreten die knarrenden Gänge nur mit Widerwillen. Die Wände atmen den sozialen Tod aus, den ihr Bewohner erlitt. Schröder selbst hüllt sich weitgehend in Schweigen, schreibt verbitterte Briefe, allein der New York Times gab er ein Interview, das von einer deprimierenden Entrücktheit war. Viele fanden es skandalös. Mich machte es vor allem traurig.
Zeitzeuge
Das liegt an meiner menschenfreundlichen Natur, aber auch an meinem Status als Zeitzeuge. In den neunziger Jahren war Schröder Ministerpräsident in Niedersachsen und ich Berlin-Korrespondent eines Wiener Nachrichtenmagazins, ich habe ihn ein paar dutzend Male getroffen, regelmäßig mit ihm telefoniert, in kleineren und größeren Kreisen mit ihm zusammengesessen.
Ohne die Machenschaften in ihrer Partei, der SPD, währen Beide ein Nichts !
Anders als sein Parteirivale Oskar Lafontaine – der quasi die Personifizierung des Unsympathen war – hatte Schröder nicht nur diese schulterklopfende Freundlichkeit, sondern auch eine egalitäre Ader, die mich für ihn einnahm.
Srebrenica
Er begegnete den Leuten als Gleiche, belehrte nicht. Und wenn ich mal meine Journalisten-Identität gegen meine Aktivisten-Identität wechselte, konnte man von ihm auch als Kanzler noch unkompliziert Unterstützung erlangen, wie seinerzeit, als die Wiener linke Zivilgesellschaft gegen die Rechtsregierung von ÖVP und FPÖ revoltierte. All das ist mehr als zwanzig Jahre her und dieser Schröder ist in Vergessenheit geraten, in Erinnerung ist nur mehr der „Basta“-Schröder, der Genosse-der-Bosse-Schröder, zuletzt der Putin-Schröder und Gazprom-Gerd.
Farbbeutel
Die Vorgeschichte fehlt
Apropos vergessen: Es gibt ein aktives Vergessen, das die Geschichte mittels selektiver Erinnerung strukturell falsch erzählt. Die Nato ist böse, hat schreckliche Großmachtpolitik betrieben, Kriege entfacht, Russland gedemütigt und so weiter, ist heute oft zu hören. Einen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg auf Serbien hat die Nato gestartet. Aber es wird eben die lange Vorgeschichte vergessen.
Die Vorgeschichte war: Im blutigen Bosnienkrieg hat man den Gewaltorgien jahrelang zugesehen und genozidale Verbrechen wie in Srebrenica geschehen lassen. Der Völkermord in Ruanda wurde nicht gestoppt, obwohl es möglich gewesen wäre. Dieses Versagen war das große Trauma des westlichen Linksliberalismus der neunziger Jahre.
Unten — For documentary purposes the German Federal Archive often retained the original image captions, which may be erroneous, biased, obsolete or politically extreme. ADN-ZB/Sindermann/9.9.87/ BRD: Honecker-Besuch Der Generalsekretär des ZK der SED und Vorsitzende des Staatsrates der DDR, Erich Honecker, traf in Saarbrücken mit dem Ministerpräsidenten des Saarlandes, Oskar Lafontaine, stellvertretender Vorsitzender der SPD (l.), zusammen. Zugegen war auch der Vorsitzende der SPD-Fraktion im Landtag von Niedersachsen, Gerhard Schröder.
Bundesarchiv, Bild 183-1987-0909-423 / Sindermann, Jürgen / CC-BY-SA 3.0
Erklärung des LSPR der AKL NRW zum Ergebnis der Landtagswahl 2022
DIE LINKE. NRW hat bei der Landtagswahl am 15. Mai 2022 eine schwere Niederlage hinnehmen müssen, die nahezu einem Debakel gleicht. Das Ergebnis von 2,1 % liegt noch unter dem Wahlergebnis der seinerzeit gerade gegründeten WASG im Mai 2005 (2,2 %). Es wurden 2,85 % der Wählerstimmen im Verhältnis zur Landtagswahl 2017 verloren und damit nur noch knapp 43 % des Wahlergebnisses von 2017 erreicht. Der Blick auf die tatsächlichen Stimmen ist noch ernüchternder: 2017 erhielt DIE LINKE.NRW ca. 416.000 Stimmen, 2022 waren es nur noch ca. 146.000. Das ist ein Einbruch um 65%. Nach dem Jahr 2000 war die Zustimmung zu linker Politik in NRW nie geringer als jetzt.
Dieses Ergebnis fällt zusammen mit einer niedrigen Wahlbeteiligung. Der Partei DIE LINKE ist es nicht gelungen, Nichtwähler*innen von ihrer Wahl zu überzeugen. Dabei fällt gerade für die LINKE eine niedrige Wahlbeteiligung immer mit schlechten Ergebnissen zusammen. Wenn es nicht gelingt, sich als Alternative zu anderen Parteien darzustellen, bleiben die Wähler*innen mangels Alternative zu Hause.
Die Wahlergebnisse brachen ähnlich wie schon bei der Bundestagswahl überall und in allen Milieus ein. In Hochburgen wurden dabei mehr Stimmen verloren als in der Fläche. Anzumerken ist jedoch, dass linke und grüne Hochburgen mehr und mehr zusammenfallen.
Stunde der BellizistInnen
Großen Einfluss auf das Wahlergebnis hatte der politische Umgang mit dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine und die Bearbeitung der Kriegsfolgen. GRÜNE und CDU haben deswegen die Landtagswahl deutlich gewonnen. Gewählt wurden Kriegsparteien. Die CDU hat sich als eine bellizistische Kraft nach außen und innen profiliert: Außenpolitisch verfolgt sie eine militaristische Politik, die einen Weltkrieg in Kauf nimmt, innenpolitisch hat sie unter Innenminister Herbert Reul eine zunehmend repressive Politik umgesetzt. DIE GRÜNEN erzielten hohe Stimmenzuwächse, weil sie sich mit Außenministerin Baerbock an die Spitze derjenigen gesetzt haben, die den Ukraine-Krieg „auf dem Schlachtfeld und durch die Ruinierung Russlands entscheiden“ wollen und weil Wirtschaftsminister Habeck Kompetenz zugetraut wird, die wirtschaftlichen Folgen des Krieges wie Verknappung des Angebots an Energie und deren massive Verteuerung zu bewältigen.
DIE LINKE findet vor diesem Hintergrund für ihre friedenspolitischen Positionen keine ausreichende Zustimmung in der Gesellschaft. Das liegt zum Teil an der Medienunterstützung für eine militärische Lösung in der Ukraine. Eine politische Ursache liegt darin, dass vor dem russischen Angriff auf die Ukraine Politiker*innen der LINKEN medial eine gravierende Fehleinschätzung der angeblich friedfertigen russischen Regierung zum Ausdruck gebracht haben. Nach dem Ausbruch des Krieges wird nun der LINKEN nur noch wenig Kompetenz in dieser Frage zugerechnet. Grundsätzlich geraten so die linken friedenspolitischen Positionen unter Druck. Auch in der gesellschaftlichen Linken hat sich zudem ein Wandel vollzogen: von antiimperialistischen zu menschenrechtlichen Politiken.
Klimawandel statt sozialer Gerechtigkeit
Die Wahlbeteiligung sank auf ein neues Tief und betrug nur noch 55,5%. Dabei verstärkte sich der Trend, dass sozial benachteiligte Menschen eher nicht wählen. Überwiegend prekäre Bevölkerungsschichten haben den Versuch, die eigene Lebenslage durch die Wahl einer Partei zu verbessern, aufgegeben. DIE LINKE hatte den Wahlkampf als Gerechtigkeitswahlkampf gestaltet. Faktisch spielte jedoch das Thema soziale Gerechtigkeit für die Entscheidung vieler Wähler*innen keine Rolle. Eine große Mehrheit befragter Bürger*innen zeigte sich vor der Wahl zufrieden mit ihrer jeweiligen wirtschaftlichen Lage. Unter den fünf für die Wahlentscheidung bedeutendsten Themen ist soziale Gerechtigkeit ebenso wenig vertreten wie Wohnungspolitik.
DIE LINKE konnte mit ihren sozialpolitischen Ansätzen oder auch mit der Wohnungspolitik nicht punkten, obwohl diese Themen die Interessenlage vieler Menschen in NRW berühren. Die Folgen des Ukraine-Krieges in Form massiver Preissteigerungen bei Energie und Lebensmittel haben im Wahlkampf der LINKEN praktisch keine Rolle gespielt, obwohl dies den Menschen im Lande große Sorgen bereitet. Zusätzlich zeigt sich, dass die klimapolitischen Positionen der LINKEN entweder vielen Menschen immer noch nicht bekannt sind oder dass der Partei die Durchsetzung nicht zugetraut wird. In der Auseinandersetzung um Sanktionen gegen Russland in Form eines Embargos der Öl- und Gaseinfuhren und damit nicht nur weiterer Preissteigerungen sondern massiver Energieengpässe hatte die LINKE keine Alternativen zu bieten.
Vor dem Krieg Russlands in der Ukraine mit der Zuspitzung der Themen auf Preissteigerungen, Klima und Energieversorgung war ein wichtiges Thema für die Wahlentscheidung der Umgang mit Corona und den Folgen. Auch hier hat DIE LINKE die Kritik an den Corona-Maßnahmen den Rechten überlassen und es nicht vermocht eine linke Position gegen eine Politik zu formulieren, die nur die Wirtschaft und die Pharmaindustrie schützt und die abhängig Beschäftigten im Regen stehen lässt.
Generell hat sich als nachteilig erwiesen, dass sich das Programm der LINKEN in vielen Punkten nicht so sehr von dem der SPD unterschied. Alleinstellungsmerkmale wurden zudem zu wenig herausgestellt.
Angebot besserer Stellvertretungspolitik
2017 trat DIE LINKE. NRW mit einer zur Selbsttätigkeit ermutigenden Kampagne und dem Slogan „Zeig Stärke!“ zur Landtagswahl an. Diese Ansprache adressierte die Klasse direkt und zeigte große Wirkung. Mehr als 1000 überwiegend junge Menschen traten während des Wahlkampfs der Partei bei bzw. kurz nach dem knappen Ergebnis der Wahl. Viele von ihnen wurden aktive Mitglieder. 2022 fand DIE LINKE. NRW keine direkte Ansprache der Klasse mehr und während des Wahlkampfs gab es keinen Zustrom neuer Mitglieder sondern eine Austrittswelle. An die Stelle der Aufforderung zur Selbsttätigkeit trat ein Angebot von Stellvertretungspolitik und das Versprechen, das Land werde gerechter mit einer Stimme für DIE LINKE. Und das hat offensichtlich nicht funktioniert.
Mangelnde linke Wirkmächtigkeit
Es ist festzustellen, dass viele frühere Wähler*innen der Partei DIE LINKE entweder gar nicht mehr wählen oder ihre Stimme anderen Parteien geben. Es wird der LINKEN nicht zugetraut, viel von ihren Positionen umzusetzen oder viel für ihre Wähler*innen zu erreichen. Darüber hinaus galt vielen Menschen eine Stimme für DIE LINKE als verschenkte Stimme, weil die Umfrageergebnisse vor der Landtagswahl einen Einzug der LINKEN in den Landtag nicht wahrscheinlich machten. Während des Wahlkampfs Zuversicht zu verbreiten und eine Beteiligung an einer Landesregierung nicht auszuschließen hilft hier nicht. Hilfreich wäre hier aber sich als linke Partei in Betrieben, Gewerkschaften, sozialen Bewegungen und Quartieren zu verankern und gemeinsam mit Menschen vor Ort Kampfformen zu entwickeln, die den Parteien im Landtag Druck machen. Hilfreich wäre auch, kommunalpolitisch mehr auf Aktion und Widerstand zu setzen.
Zu wenig Aktive für zu viele Aufgaben
Die Corona-Pandemie mit ihren Lockdowns hat dazu geführt, dass DIE LINKE. NRW auch nach einem erfolgreichen Programmparteitag und einer einvernehmlichen Landesvertreter*innenversammlung, auf der eine ausgewogene Liste gewählt wurde, die mit drei Aktivist*innen, die nicht der Partei angehören, einen großen Schritt nach vorn bedeutete, nicht in einen kraftvollen Wahlkampf startete. Während der Pandemie kam das Parteileben fast zum Erliegen, es lockerten sich die Beziehungen zu vielen Mitgliedern, die seitdem inaktiv sind. Vielerorts lastete der Wahlkampf auf den Schultern von ganz wenigen Genoss*innen, so wurde nicht die ganze Kraft für diesen Wahlkampf freigesetzt. Außerdem kann die LINKE nicht von dem üblichen Wahlkampfgetue mit vielen Plakaten und Werbematerialeien profitieren, sondern wird nur als Protest- oder Oppositionspartei gewählt. Sie darf nicht nur in Wahlkampfzeiten sichtbar, sondern muss als ständige Interessenvertreter*in erkennbar sein.
Defizitäre Wahlkampfleitung
Was schon lange spürbar war, hat sich in diesem Wahlkampf besonders bewahrheitet. Weder hat der Wahlkampfleiter eine stringente Wahlkampfstrategie vorgelegt, noch wurde im Vorfeld eruiert welche Milieus DIE LINKE in diesem Wahlkampf überhaupt erreichen will. Zudem wurde bei der Kampagnenentwicklung die Basis nicht mitgenommen. Es wären Regionalkonferenzen notwendig gewesen, um eine Identifikation mit der Wahlkampagne zu erzeugen. Dies blieb völlig aus. Zudem fehlte es an einer Wahlkampfdramaturgie für die aktiven Wahlkämpfer*innen. So etwas hat es in all den Jahren der Landesverbandswahlkämpfe noch nicht gegeben. Auch handwerkliche Fehler bei der Materialdistribution, Terminfragen und mangelnde Kommunikation im Vorfeld der heißen Phase mit den Wahlkampfleitungen der Kreisverbände sind massive Versäumnisse. Aber auch in der heißen Phase des Wahlkampfes reduzierte die Wahlkampfleitung die Kommunikation auf ein Minimum. Bildungsangebote und Qualifizierungsmaßnahmen für Basisaktive blieben völlig aus oder entfielen ersatzlos und wurden nur temporär von der Bundespartei gestellt. Das Unvermögen der Geschäftsführung muss zeitnah angegangen werden um weitere organisationspolitische Defizite zu mildern.
Lage der Bundespartei schlägt durch
Die Wahlniederlage in NRW steht nicht isoliert. Vorausgegangen waren die Bundestagswahl mit 4,9 % und die Landtagswahlen im Saarland mit 2,6 % sowie in Schleswig-Holstein mit 1,7 %. In NRW und in Schleswig-Holstein wurde bei sehr unterschiedlichen Bedingungen in den jeweiligen Ländern im gleichen Umfang verloren: Jeweils mehr als 55% des Ergebnisses von 2017.
Es rächt sich, dass in der Bundespartei nach der Wahlniederlage im Oktober 2021 überhaupt keine Bearbeitung der Probleme, die zu dieser Niederlage geführt haben, erfolgt ist. Stattdessen gab es eine Reihe weiterer Konflikte und Skandale, die bundesweit das Bild einer zerstrittenen Partei und einer disfunktionalen Bundestagsfraktion zeichneten. Immer noch tritt DIE LINKE vielstimmig auf – und die lautesten Stimmen sind dabei meist die von Minderheiten in der Partei. Und zuletzt bewies sie eine untaugliche Kommunikation im Umgang mit Sexismus und sexuellen Übergriffen in der Partei. Dies alles hat entscheidend zu der Wahlniederlage in NRW beigetragen.
Erneuerung einleiten
Aus dieser Krise können wir uns als Partei nur dann befreien, wenn wir die Rolle die uns mit der Landtagswahl zukommt, nämlich die einer außerparlamentarischen Opposition annehmen und mit Kraft und Fantasie ausfüllen. Kampagnen und Organizing müssen nicht nur in den Mittelpunkt unserer Arbeit rücken, sondern auch auf eine neue Stufe gehoben werden. Gefragt ist nicht die Kampagne von oben, sondern die von unten, selbst konzipiert und auf die Bedürfnisse vor Ort ausgerichtet. Gleichzeitig müssen wir für die Verankerung im ländlichen Raum mehr tun.
Dringend müssen wir zudem das Profil unserer Partei an die politischen Erfordernisse anpassen: Notwendig ist eine ökosozialistische, bewegungsorientierte, radikaldemokratische Partei, die sich sowohl den Interessen der von Armut betroffenen Menschen stärker annimmt, sowie mit einer Vision eines neuen friedlichen Zusammenlebens hier bei uns und weltweit identifiziert wird. Im Zuge dieses Erneuerungsprozesses müssen wir unsere sogenannte Vielstimmigkeit überwinden. Zu leisten ist dieser Erneuerungsprozess auf allen Ebenen unserer Partei: In den Kreis- und Landesverbänden ebenso wie in der Bundespartei.
Wir sind entschlossen, diese Partei nicht aufzugeben. Angesichts des Klimawandels und seiner Folgen, angesichts von Krieg und sozialer Grausamkeit, angesichts von Rassismus und faschistischer Bedrohung ist eine radikale linke Partei unverzichtbar.
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2.) von Oben — Klaus Ernst während einer Plenarsitzung des Deutschen Bundestages am 2. Juli 2020 in Berlin.
Olaf Kosinsky – Eigene Arbeit
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Datei:2020-07-02 Klaus Ernst LINKE MdB von OlafKosinsky 1962.jpg
Erstellt: 2. Juli 2020
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Unten — Karikatur von Gerhard Mester zum Klimawandel: „Weiter so“
Wie jubelte unsere Wirtschaft im Westen, als vor 40 Jahren China langsam die Tore öffnete und eben jene Drecksarbeiten auch noch billig erledigte, die man im eigenen Land nicht haben wollte oder die mit unbequemen gesetzlichen Auflagen verbunden waren. Mit der Zeit entdeckte man dann dort noch das Marktpotential und verlagerte Produktionen und Vertriebe in das „Reich der Mitte“ mit dem Ziel der eigenen Gewinnmaximierung. Um die Vorgänge und Entwicklungen in China kümmerte man sich wenig, wenn überhaupt, solange das Geld in der eigenen Kasse klingelte.
Aus der ursprünglich vernünftigen japanischen Idee der Just-in-time-Anlieferung entwickelten insbesondere die USA internationale Lieferketten, die prompt den Rost-Belt im eigenen Land vergrößerten und das Land in von der eigenen Großindustrie kontrollierte Abhängigkeiten führte. Obwohl dies eigentlich den Planungsregeln eines ordentlichen Kaufmanns widersprach, schlossen sich unsere Unternehmen der Idee der globalen Lieferketten an, weil es in der westlichen Welt nur noch um Preis und Gewinn ging. So begab man sich sehenden Auges auch hier in Abhängigkeiten aller Art, von den Rohstoffen über Produkte und Vorprodukte bis hin zu Lebensmitteln, Medikamenten und Medizinprodukten.
Und dann kam Corona und wirbelte die weltweit praktizierten Wirtschaftspraktiken tüchtig durcheinander bzw. legte ihre Absurdität offen. Es fehlte plötzlich an den einfachsten Produkten, und angesehene Politiker scheuten sich nicht, sich z.B. durch Beziehungseinkäufe von Masken auch noch unsittlich zu bereichern. Durch das weltweit unterschiedliche Corona-Geschehen kommt es jetzt auch noch zu der abstrusen Situation, dass die „Werkstatt der Welt“ durch Corona und entsprechende Gesundheitsmaßnahmen dort ins Stottern geraten ist mit der Folge, dass die Wirtschaft bei uns durch Lieferausfälle ins Mark getroffen wird.
Jetzt endlich plant die EU ein Lieferkettengesetz, um das globale Liefersystem nachhaltiger und weniger anfällig bei Unwägbarkeiten zu machen. Das kann aber nur gelingen, wenn man auch das „Reich der Mitte“ respektvoll einbezieht, zumal China mit dem Seidenstraßenprojekt seit jahrzehnten vormacht, wie man gerade zwischen China und Europa sinnvoll Waren und Initiativen austauschen kann, ohne Krieg und Sanktionen. Dagegen ist die vom Westen einseitige und im Wesentlichen kapitalgetriebene, globale Lieferkettenpolitik gescheitert, weil man sich blind und geldgierig auf eine einzige Lieferquelle konzentriert hat. In dieser Situation der sich aufdrängenden Veränderungen kann es nicht darum gehen, die selbst gewählte Lieferquelle für global begründete Störungen veranwortlich zu machen oder dafür gar zu sanktionieren. Nein, wir müssen im Westen wieder sinnvoll jene Verantwortungen übernehmen, die unsere Wirtschaft begründeten und stark gemacht haben. Wer jetzt noch immer nicht einsieht, dass die bisher praktizierten Lieferketten zu bedrohlichen Fußfesseln mutiert sind und dabei nicht die eigene Verantwortlichkeit sieht oder sie gar verleugnet, ist für eine verantwortliche Rolle in Politk und Wirtschaft nicht qualifiziert. Wir befinden uns tatsächlich in einer Zeitenwende und sind alle gefordert, uns aktiv für ein Gelingen einzubringen.
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Altkanzler Schröder übernimmt auf dem nächsten Parteitag im Juni Vorsitz der Linken!
Auch zwei Tage nach den ersten Gerüchten herrscht in Berlin weiter ungläubiges Kopfschütteln. Nicht nur im sozialdemokratischen Willy-Brandt-Haus, sondern überall im politischen Betrieb der Hauptstadt fragen die Menschen sich entgeistert, ob es sich um einen verspäteten Aprilscherz handele. Seit die Meldungen sich verdichten, dass die Linke Gerhard Schröder auf ihrem Parteitag im Juni als neuen Vorsitzenden nominieren will, kennt tout Berlin kein anderes Thema mehr.
Der Wahrheit ist es gelungen, mit einem Informanten zu sprechen, der anonym bleiben will, sich aber als „engen Vertrauten“ des Altkanzlers bezeichnet. Der Whistleblower wundert sich eher über die Aufregung als über das „Projekt Gerd“, wie der Plan in der Linkspartei unter Insidern genannt werde. Er nennt es einen „Coup wie aus dem politischen Lehrbuch“ und gibt sich äußerlich gelassen. Mehrere Gründe sprächen doch glasklar dafür – und der dringende Handlungsbedarf sei offensichtlich.
„Haben Sie neulich den Landesparteitag der Linken in Meck-Pomm verfolgt? Da wurde bekanntgegeben, dass es noch nie so viele Austritte an einem Tag gegeben habe wie an dem, als die Parteiführung sich von Putins militärischer Spezialoperation gegen das Nazi-Regime der Ukraine distanzierte. Das ist doch eine Tragödie! Dieser Aderlass der verdienten Parteikader muss endlich aufhören!“ Die traditionelle Nähe zum Kreml mache die Linkspartei und insbesondere ihre östlichen Landesverbände und deren ältere Mitglieder zur natürlichen politischen Heimat des Gazprom-Manns aus Hannover – und ihn zu ihrem idealen Führer.
Und damit kommt er zum zweiten Punkt: „Genau diese alten, traditionsbewussten Mitglieder können doch nichts anfangen mit dem ganzen Gender- und Klima-Gequatsche. Was die sich von dem Gerd erwarten, ist ein klares ‚Basta mit Gedöns!‘ Keine Quotierungsdebatten mehr, keine Tucken- und Zickenpolitik – jetzt ist Männerführung gefragt.“
Angebot von der AfD
Gab es noch mehr Gründe? Mithilfe einiger Gläser Wodka können wir dem Informanten eine weitere Sensation entlocken. Fast beiläufig plaudert er sie aus: Auch die AfD habe Schröder ein Angebot gemacht.
„Politisch nahmen die beiden Optionen sich ja nicht viel“, räsoniert der Mann mit Kennermiene. „Aber am Ende hat natürlich der L-Faktor entschieden.“ Der L-Faktor? „Lafontaine. Durch seinen Austritt hat er den Weg erst freigemacht – und zugleich den Anreiz für den Gerd massiv erhöht. Wenn er es schafft, die von Oskar aufgegebene Partei wieder hochzubringen, dann geht ihm echt einer ab.“
Trotz des leichten Lallens und der etwas schlüpfrigen Wendung des Hintergrundgesprächs wollen wir die kostbare Quelle noch nicht aus den Fingern lassen. Apropos den Weg freimachen: War es nicht ein Glück für Schröder, dass Susanne Hennig-Wellsow genau jetzt, vor dem Parteitag, zurückgetreten ist? „Ach Quatsch! Die hat doch hingeschmissen, weil sie von den Plänen gehört hat. Auf Gerds ‚toxische Männlichkeit‘ habe sie ‚keinen Bock‘, soll sie in der Karl-Liebknecht-Kantine krakeelt haben.“
Und nun? Plant Gerhard Schröder eine Doppelspitze, oder will er allein oben stehen? „Klare Antwort: Entweder allein oder im Team mit Sahra.“ Der Alkohol sorgt dafür, dass nicht ganz klar wird, ob er „im Team“ gesagt hat oder „intim“. Zuzutrauen wäre ihm beides.
Der Fall Anne Spiegel ist kompliziert, aber dass sich die Politikerin und Mutter für ihren Urlaub entschuldigt hat? Bedenklich! Zeit, sich von der patriarchalen Idee der Vollzeit-Präsenz am Arbeitsplatz zu verabschieden.
Wussten Sie, dass es ein Menschenrecht auf Urlaub gibt? Ich wusste es nicht, bis ich vor einer Weile eine Formulierung zu einem anderen Menschrecht nachgucken wollte. Ich fand dann zufällig auch Artikel 24: »Jeder Mensch hat das Recht auf Erholung und Freizeit und insbesondere auf eine vernünftige Begrenzung der Arbeitszeit und regelmäßigen bezahlten Urlaub.« Interessant. Mir ist nicht klar, wie das juristisch funktionieren soll und wen man da verklagen kann, wenn man zum Beispiel Freiberuflerin ist (außer: sich selbst?), aber eines Tages werde ich das rausfinden.
Im Fall von Anne Spiegel, der zurückgetretenen Familienministerin, gibt es natürlich viel zu besprechen. Konzentrieren wir uns aber mal auf einen kurzen Ausschnitt ihrer Erklärung am Tag vor dem Rücktritt: »Das war ein Fehler, dass wir auch so lange in Urlaub gefahren sind. Und dass wir in Urlaub gefahren sind. Und ich bitte für diesen Fehler um Entschuldigung.«
Das war aus Sicht mancher Menschen tatsächlich ein Fehler. Andere fanden ihre Begründung, den Verweis auf familiäre Probleme und Erholungsbedürftigkeit, verständlich. Letztlich war aber wohl nicht der Urlaub selbst das Hauptproblem, sondern Spiegels Kommunikation darüber und die Tatsache, dass sie erst angab, aus dem Urlaub per Video an Sitzungen teilgenommen zu haben, dann aber zugeben musste, dass das nicht stimmte.
Es soll hier nicht direkt um Anne Spiegel und alle Einzelheiten ihres Rücktritts gehen, sondern nur um dieses Detail: dass sich jemand entschuldigt, Urlaub gemacht zu haben. Muss man das? Und: Welche Botschaft spricht daraus?
Es gibt Menschen, die sagen, aus Spiegels Scheitern und den bisweilen gehässigen Reaktionen auf ihren Auftritt würden Mädchen und Frauen jetzt lernen, dass Frauen es in der Politik besonders schwer haben, vor allem wenn sie eine Familie haben, und dass sie für jeden Fehler mehr fertiggemacht werden als ihre männlichen Kollegen. Für diese Erkenntnis braucht man aber Anne Spiegel nicht. Das wusste man schon vorher: dass es bei männlichen Politikern als normal gilt, wenn ihre Frau ihnen den berühmten »Rücken freihält«, eine eigenartige Formulierung, als kämen da richtige Angriffe von hinten, und nicht zum Beispiel ein hungriges Kind, aber gut. Gleichzeitig wird bei Frauen, die in die Politik gehen, gerne besonders gründlich gefragt, wie sie das denn genau machen wollen, wenn sie kleine Kinder haben. Das ist nichts Neues, also wirklich nicht.
Man kann aber schon mal fragen, wie das so ist mit dem Recht auf Urlaub. Gibt es Berufe und Situationen, in denen es sich verbietet, Urlaub zu nehmen, auch wenn man ein extremes Bedürfnis danach hat? Weil man sich um Angehörige kümmern will, weil man selbst kaputt ist, oder aus welchen privaten Gründen auch immer?
Wenn Sie mich fragen: Ich persönlich möchte nicht von Menschen regiert werden, die keinen Urlaub machen, wenn sie urlaubsbedürftig sind. Oder von Menschen, die glauben, bezüglich ihrer Verfügbarkeit im Urlaub lügen zu müssen. Oder, allgemeiner: von Menschen und Institutionen, die so arbeiten, dass Einzelne derart unverzichtbar werden, dass ihr kurzfristiger Ausfall unmöglich erscheint. Teresa Bücker schrieb dazu auf Twitter: »Gute Führung ist das eigene Team so aufzustellen, dass andere einspringen können, wenn man verhindert ist.«
Sicher kann man sagen: Es ging aber um eine Jahrhundertflut, um eine richtige Naturkatastrophe, um gestorbene Menschen und Menschen vor den Trümmern ihrer Existenz. Das ist wahr, aber gerade weil es so ist, dass es Katastrophen geben kann, in denen die Politik sich schnell und umfassend kümmern muss, muss sie auch so gestaltet sein, dass es keinen großen Unterschied macht, ob eine einzelne Person sich gerade mal um ihre Familie oder sich selbst kümmern muss. Jedes Ministerium, jeder Betrieb sollte so gestaltet sein, dass niemals alles an einer einzigen Person hängt.
Kurzzeitige Ausfälle und Urlaube sind dabei nur das Eine. Das Andere ist: Ich glaube darüber hinaus nicht, dass das Prinzip der Vollzeitpräsenz sich durchsetzen wird. Meine Meinung: Vollzeitarbeit, -verfügbarkeit und -präsenz sind Überreste einer patriarchalen Ideologie, die darauf basierte, dass die einen (Männer) für die »richtige« Arbeit zuständig sind die anderen (ihre Ehefrauen, Babysitter, Reinigungskräfte, Pflegekräfte und so weiter) sich um den Rest kümmern. Das kann aber auf Dauer nicht gut gehen: nicht in einer Welt, die den Anspruch auf Gleichberechtigung hat.
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Ein Klimaaktivist bezeichnet auf Facebook einen AfD-Politiker indirekt als Pimmel. Daraufhin untersucht die Polizei die Wohnung des Aktivisten und beschlagnahmen seine technischen Geräte. Die Anwältin bezeichnet das Vorgehen der Polizei als unverhältnismäßig. Der Vorfall erinnert an das Pimmelgate-Eklat in Hamburg.
Die Aussage „Du bist so 1 Pimmel“ hat bereits letzten Sommer eine Hausdurchsuchung ausgelöst. Nun ist es in Augsburg zu einer ähnlichen Razzia gekommen. Der Klimaaktivist Alexander Mai hatte im Oktober ein Foto des Pimmel-Skandals auf Facebook verlinkt – und zwar unter einem Post des AfD-Politikers Andreas Jurca, dem Fraktionsvorsitzenden der Partei im Stadtrat Augsburg .
Der AfD-Politiker fühlte sich davon offenbar beleidigt und hat Anzeige gegen den Aktivisten erstattet. Die Augsburger Polizei hat am vergangenen Dienstag Mais Wohnung durchsucht. Die Aufgabe der Abteilung „Staatsschutz“ ist vor allem die Bekämpfung von politisch motivierter Kriminalität. Die Beamt:innen beschlagnahmten dabei auch private Geräte des Aktivisten, der für das Augsburger Klimacamp aktiv ist. Die zuständige Anwältin bezeichnet das als unverhältnismäßig.
„Das war offensichtlich keine Beleidigung“
Um über den Vorfall zu informieren, wurde zügig eine eigene Website eingerichtet namens pimmelgate-süd.de. Im Impressum steht der Augsburger Fridays-For-Future-Aktivist Ingo Blechschmidt. Dort stellt sich Mai als 26-jähriger Klimaaktivist vor, Mathematik-Student und IT-Entwickler.
Den Facebook-Post des AfD-Politikers bezeichnen die Aktivist:innen auf der Website als „fremden- und frauenfeindlich“. In dem von Mai darunter verlinkten Zeitungsbeitrag war ein Vorschaubild mit dem Schriftzug „Andy, Du bist so 1 Pimmel“ zu sehen.
Dass es Monate später zu einer Hausdurchsuchung kam, war für den Klimaaktivisten völlig überraschend. „Ich habe damit überhaupt nicht gerechnet“, sagt er in einem Gepsräch mit netzpolitik.org. „Das war offensichtlich keine Beleidigung“. Die Poliziei habe seinen Arbeitslaptop und Smartphone beschlagnahmt.
Vom Pimmel-Kommentar zum Polizeieinsatz
Der Vorfall erinnert stark an einen Eklat im vergangenen September. Damals durchsuchten Beamte die Wohnung des mutmaßlichen Urhebers eines Tweets. In dem Tweet wurde Hamburger Innensenator Andy Grote (SPD) als „Pimmel“ bezeichnet. Das ging als „Pimmelgate“ durch die Medien und wurde zeitweise zum Meme. Hausdurchsuchung wegen eines Genitalvergleichs? Dahinter steht die größere Frage nach potentiellem Machtmissbrauch politisch mächtiger Personen – und fehlender Verhältnismäßigkeit von Polizeieinsätzen.
Die zuständige Klimacamp-Anwältin Martina Sulzberger hält die Hausdurchsuchung jedenfalls für „unverhältnismäßig“. Schließlich habe Mai den Post unter Klarnamen verfasst und es sei damit offensichtlich, wer für den Post verantwortlich ist. „Zudem ist fraglich, ob das Verlinken zu einem Artikel, in diesem Fall mit dem Kontext der ganzen Kommentare, überhaupt eine Beleidigung darstellt“, sagt Sulzberger gegenüber netzpolitik.org. Mai verlinkte das Foto, ohne den AfD-Politiker persönlich anzusprechen, wie aus einem entsprechenden Screenshot hervorgeht.
Die Polizeihauptkommissarin Christina Meissl des zuständigen Polizeipräsidiums rechtfertigt die Razzia auf Anfrage von netzpolitik.org. Die Polizei leite Ermittlungen ein, um den Sachverhalt aufzuklären, sobald sie von dem Verdacht einer Straftat Kenntnis erhalte.
Polizei soll Telefonat mit Anwältin verweigert haben
Das Vorgehen der Polizei wird auch deshalb kritisiert, da Mai anschienend während der Hausdurchsuchung nicht seine Anwältin kontaktieren durfte. Das soll ein polizeiliches Durchsuchungsprotokoll zeigen, das auf pimmelgate-süd.de veröffentlicht wurde. Dort steht: „Der Betroffene (…) ist unzufrieden damit, dass er für die Dauer der Maßnahme nicht telefonieren darf“. Polizeihauptkommissarin Meissl weist den Vorwurf, Mai hätte nicht telefonieren können, zurück. Sie sagt, dem Klimaaktivisten sei ein polizeiliches Smartphone angeboten wurden.
Die Polizei spricht oft ein Telefonverbot während der Hausdurchsuchung aus. Sollten Sie Ihren Anwalt anrufen wollen, ist das Verbot rechtswidrig. Lassen Sie sich hiervon nicht abbringen.
Sulzberger hält das angebliches Telefonverbot ihres Mandanten ebenfalls für „nicht rechtens“. Sulzberger und Mai behalten sich vor, gegen den Durchsuchungsbeschluss oder das Verhalten der Polizei vorzugehen.
„Wir haben nichts zu verstecken“
Die Hausdurchsuchung betrifft dabei nicht nur Mai selbst, sondern auch seine Freund:innen und Familie. Schließlich könne die zuständige Staatsanwaltschaft über die technischen Geräte des Studenten auf alle seine aktuellen Kontakte zugreifen. „Die nicht-aktivistischen Kontakte werden es teilweise nicht cool finden, dass sie jetzt mit Name und Nummer bei der Polizei sind“, sagt Mai.
Der Klimaaktivist findet es unsinnig, dass die Polizei seine technischen Geräte für Ermittlungen beschlagnahmt hat. „Unsere Strukturen sind frei und öffentlich zugänglich, wir haben also nichts zu verstecken“, sagt Mai. „Die Polizei hätte die Informationen auch herausfinden können, ohne meine Geräte zu beschlagnahmen.“ Er sieht den größeren Schaden darin, dass nun alle seine Geräte weg sind, was ihn auch in seiner Arbeit hindere.
Die Klimabewegung hofft auf gesellschaftlichen Diskurs
Das Klimacamp Augsburg und Fridays For Future stellen sich hinter Mai. Auf pimmelgate-süd.de stellen sie den Kontext zu einer Reihe weiterer unverständlicher Ermittlungen durch die Abteilung Staatsschutz her. Mai sagt: „Die Polizei wartet auf eine solche Gelegenheit, um gegen uns als Klimabewegung vorzugehen.“ Meissl sagt, die Durchsuchung stünde in keinerlei Zusammenhang mit Mais Aktivitäten bei der Klimabewegung.
Nach Angaben der Klimaaktivist:innen verfolge die Abteilung Staatsschutz seit mehr als zwei Jahren ihre Aktivitäten in Augsburg. Bisher hätten sie diese Fälle nicht öffentlich bekannt gegeben. Doch der aktuelle Pimmelgate-Süd-Fall veranlasse die Gruppe dazu, fortan „unverhältnismäßige Repression“ zu veröffentlichen und gegebenenfalls Dienstaufsichtsbeschwerden einzureichen.
Mai hofft auf einen großen öffentlichen Diskurs über das Vorgehen der Polizei gegen Klimaaktivist:innen. Er sagt: „Mir geht es nicht unbedingt um meinen konkreten Fall, sondern darum, dass wir aufpassen müssen, dass bei der Polizei die Schwellen allgemein nicht immer geringer werden, um gegen Menschen wie uns vorzugehen.“
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Oben — Polizei neben einem Besetzungsdorf auf der für den Tagebau Hambach teilweise abgerissene Autobahn am Hambacher Forst, die Noch als Zufahrt zum Tagebau verwendet.
Am Ende bringt „Die Linke“ ein selbstloses Opfer. Oskar Lafontaine versenkt den eigenen Kahn, damit der sozialdemokratische Muttertanker wieder Fahrt aufnehmen kann.
War’s das jetzt, oder kommt noch was? Hat „Die Linke“ ihre Mission erfüllt? Die Frage liegt nach der Saarland-Wahl in der Luft. Über zehn Prozent hat die saarländische Linkspartei verloren, sie steht bei 2,6 Prozent, und damit knapp über der Tierschutzpartei. Die Aufarbeitung brauche Zeit, sagte Parteichefin Susanne Henning-Wellsow zu Beginn der Woche. Sie kündigte eine wissenschaftliche Studie für den Sommer an. Auch der Parteitag im Juni in Erfurt werde sich mit dem Thema befassen. „Die Linke“ habe sich diese Niederlage im Saarland „über Jahrzehnte erarbeitet“, sagte Henning-Wellsow. Die Wortwahl lässt aufmerken: erarbeitet?
Der stolze Parteiname jedenfalls klingt apokalyptisch. „DIE Linke“? Dann stürbe mit ihr die letzte Hoffnung auf das, was immer noch im SPD-Grundsatzprogramm steht: „Der demokratische Sozialismus bleibt für uns die Vision einer freien, gerechten und solidarischen Gesellschaft, deren Verwirklichung für uns eine dauernde Aufgabe ist.“
Dauernd! Doch wer hört noch die Signale? Wie steht es angesichts der Selbstzerfleischung der Linkspartei um diese Sache, die sozialdemokratisch verschämt als „Vision“ in weite Ferne gerückt ist? Fällt mit dem Niedergang der linke Vorhang und lässt nicht nur alle Münder, sondern auch so manche Frage offen? Etwa die: War es am Ende ein abgekartetes Spiel?
Oskar Lafontaine versenkt die Linke und rettet die SPD
Wie Judas laut biblischem Drehbuch den Jesus verraten musste, damit der auferstehen konnte – die Oster-Erlösung funktioniert nicht ohne den Verrat – so hat der streng katholisch aufgewachsene Oskar das Kreuz auf sich genommen und damit auf seine Ex eingeprügelt. Aus Solidarität! Und es funktionierte.
Die SPD rutschte – ein wenig – zurück nach links, wo sie ja herkommt, auferstanden aus Ruinen, Beachtliches leistend, bevor sie allzu satt wurde und sich nicht mehr genug kümmerte um die Not der weniger Satten. Die Linkspartei mit ihrem Beharren auf sozialer Gerechtigkeit erinnerte die etwas weniger linken Genossen zuverlässig an deren „Markenkern“, obwohl der im Grunde schon mit der rhetorischen Anbiederung ans Marketing – MARKENKERN – verraten ward und verkauft. Denn so spricht man auch unter Linken, getrieben von der Kommerzialisierung aller Lebensbereiche: als seien Parteien Waren, als hätten ihre Funktionäre etwas zu verkaufen, soziale Gerechtigkeit, geschnitten oder am Stück – darf‘s ein bisschen weniger sein?
Immerhin: Nach und nach rückte die SPD ab von dem neoliberalen Teufelszeug und der hysterischen Globalisierungseuphorie. Zugegeben, von der neuen pandemischen Staatsbegeisterung hat sie Rückenwind bekommen, und jetzt, so bitter das ist, auch vom Krieg. Wenn Krieg ist, drängt zusammen, was zusammengehört. Und erinnert sich: Wirtschaft und Wohlstand sind nicht alles.
Zusammenhalt ist mehr. Der ganz und gar nicht linke Retroimperialist Wladimir Putin schweißt nicht nur die Nato-Staaten zusammen, sondern beschleunigt auch den Zerfall der Linkspartei. Ein Kollateralschaden. Und eine ironische Volte der Geschichte.
Doch so gefährlich es war, Putin zu unterschätzen, so dumm wäre es nun, ihn zu überschätzen, denn vielleicht war wirklich alles von Anfang an geplant gewesen. Vielleicht war für „Die Linke“ nicht die Zerstörung der SPD das Ziel, sondern deren Neuausrichtung und, nun ja – Versöhnung, Motto: „Ich verlasse dich, damit du merkst, was du an mir hast.“ Am Ende bringt „Die Linke“ ein selbstloses Opfer, indem sie sich selbst zerfleischt. Kapitän Oskar Lafontaine versenkt den eigenen Kahn, so dass der sozialdemokratische Muttertanker Fahrt aufnehmen kann. Mission erfüllt. Nun gibt es links vom Krieg bald gar nichts mehr.
„Putin-Versteher“ und wahre Linke
Nicht erst seit dem Angriff auf die Ukraine gilt „Die Linke“ als Sammelbecken für „Putin-Versteher“. Das zumindest nennt manch einer als Grund für den Parteiaustritt – und den Wechsel in die SPD. (Was einigermaßen skurril wirkt, da gerade die SPD selbst aus vielerlei guten Gründen immer auf dem Dialog mit Russland bestand und dies vernünftigerweise wieder tun wird, wenn der Krieg vorbei ist.) In der Heldenpose des Whistleblowers verraten manche „Die Linke“-Deserteure ihre Ex-Partei: Dort gehe es keineswegs sozial und schon gar nicht links zu. Denn auch das gehört zum Markenkern der Linken: über diejenigen herzuziehen, die angeblich nicht genügend, zu sehr oder nicht in genau der Weise links sind wie man selbst.
Das erinnert mich an die „Falken“. Wir sangen die „Internationale“ und lästerten über die nach unserer Ansicht viel zu lasche, viel zu wenig linke SPD; die Teamer nannten es politische Bildung. Später bin ich trotzdem eingetreten. Ein paar Mal war ich in Versuchung, zur Linkspartei hinüber zu schlüpfen. Viel deutlicher sprachen zumindest deren vernünftige Leute aus, was die SPD wollte. Schritten wir nicht Seit‘ an Seit‘?
Stattdessen bin ich ausgetreten, vor allem wegen des Hungers im Jemen, der durch die schwarz-roten Waffenlieferungen mit verursacht wurde. So wie die gut gemeinten ampelfarbigen Waffen auch jetzt den Hunger in der verflochtenen Welt vergrößern werden. Das gehört sozusagen zum Markenkern jedes Waffengeschäfts, auch wenn es Genossen abschließen: Für Krieg wie Profit müssen die Ärmsten bezahlen. Man sieht: Auch ich nehme übel! Dass immer die hässliche Wirklichkeit dazwischenkommt und die schönen Ideale zermalmt.
Doppelmoral mit vielerlei Maß ertrage ich ganz schlecht. Ich bin gekränkt, dass meine Partei nicht genauso tickt, wie ich es wünsche. Diese Hybris teile ich mit Oskar – falls man Ex-Genossen duzen darf? Er wollte „eine linke Alternative zur Politik sozialer Unsicherheit und Ungleichheit“. Deshalb hat er „Die Linke“ mitgegründet. Nun bescheinigt er seiner Ex, was er schon seiner ersten Ex, der SPD, zum Vorwurf machte: Sie vertrete nicht mehr genügend die Interessen der Arbeitnehmerschaft, der Rentner und des Friedens.
Das Saarland nach der Wahl: „Zeitenwende“? Eher im Westen nichts Neues!
Von Dr. Nikolaus Götz
Das „Saarland“ hat gewählt! Hurra! „Wen“ oder „was“ eigentlich? Hat in dieser von den Fernsehmedien vershowten Bundes-Republik-Deutschland „Politik“ noch etwas mit rationalem Verstand zu tun, sei das TV-klotzende Sofa-Publikum gefragt? Was haben sie ’gestern’ im Fernsehen nicht alle gejubelt bei knallenden Sektkorken, denn es lief nach ’Corona’ und ’Close the sky over Ukraine ’ das Theaterstück die „Zeitenwende-SAAR“! Das ’Zeitenwende’ wusste schon Bob Dylan 1964 besser zu besingen, als er zu Gitarre mit Mundharmonika intonierte: „The times, They are a-changing“ Jedoch sang er mit seinen Liedern an, gegen die brennenden Themen Rassismus, Militarismus, soziale Ungerechtigkeit und auch gegen den Vietnamkrieg! Was sind die politischen Themen aber heute und auch die im Saarland? Mehr Polizei-Überwachungsstaat, mehr Anti-Kriegs-Vernichtungswaffen, mehr Lohn-Ungleichheit und weniger Sozialstaat! Willkommen in der aprilkalten politischen Realität 2022!
In der alten Ford-Garage im Zentrum von Saarbücken, heute eine Diskothek wie die „best-informed“ ARD-ZDF-Reporter zu erzählen wussten, kam es zum fast ’revolutionären’, frenetisch bejubelten Auftritt der „Next top saar-president queen Anke Rehlinger! Welch eine politische Niederlage für die aufgeklärten Mit-Quer-Vor-Nach-Denkenden an der Saar! Absolute SPD-Mehrheit mit „äschda´“ saarlandliebe.de! Jetzt haben die Saarländer endlich ihre ’Mutti 2.0’ und alsbald den ’Iron dome’ mit 2%+100 Mrd. Euro Kriegs-Etat, während die alte deutsch-französische Liebe der ’Force de frappe’ als Schutzschild für das Saarland scheinbar ausgedient hat. Endlich sollen alle Beschäftigte sozialversicherte Arbeitsplätze erhalten (1), einen kostenfreien Kitaplatz, die erneuerbaren Energien sollen verdoppelt, der Ökolandbau auf 30% gehoben werden, mehr Investitionen in ??? sollen werden, sollen werden, werden sollen und das schon seit 1918, dem Entstehungsjahr des Saarlandes zeitgleich mit der Weimarer Republik. Gut, dass es das alles schriftlich gibt, „quod non est in actis non est in mundo“ (2) wie damals festgehalten im Godesberger SPD-Programm: „Jedem nach seinen Bedürfnissen…!!!“ Lachen da inzwischen nicht selbst die tiefgekühlten Suppenhühner laut auf?“ Und es klatschten die geladenen TV-Claqueure vom SR Beifall, als vor laufender Kamera ins Mikro gefragt wurde: „Wie fühlen Sie sich Frau Rehlinger?“ So geht Mainstreams kritische nun auch maskenlose Presseberichterstattung!
Auch an der Saar also diese ’Zeitenwende’? Wann, wenn nicht jetzt, ist der Moment gekommen, um über Politik zu diskutieren? Zum Glück kam dieser männerfeindliche, autoritär kreischende Frauenladen von DIE GRÜNEN-Saar nicht über die 5%. Ja, ja, der alte sogenannte „Panzer“ aus SLS wäre bei all dem aktuellen Kriegsgeheule eindeutig der bessere, glaubwürdigere, nämlich bundeswehrgediente Kandidat gewesen! Der ungeliebte Henry Seltzer aus dem nordsaarländischen ’Thinktank’ „Merziger ist herziger!“ hat sich rollengemäß und egoistisch wie in der guten alten grünen Gründungssteinzeit als Spaltpilz in bunt.de bewiesen (1,4%). Erfolgreich in seinem Neid nicht die Spitzenfrau zu sein, hat er erneut zu grünem Misserfolg an der Saar beigetragen! Mit 23 Stimmen mehr hätten DIE GRÜNEN-Saar den Einzug in das Landesparlament geschafft. „Danke Henry!“, meinte auch die SPD, die die verlorenen exgrünen Stimmen nun abkassierte, ebenso wie alle anderen beispielsweise an der basis-saar.de kämpfenden „Übrige“! Deren Wahlergebnis von rund 9,9 % Stimmen mit dem der 38,6 % Nichtwähler addiert (3), zeigt die wirklich vernichtende Abstimmung des Volkes über die geleistete „Politik“ der etablierten Regierungskoalition von CDU und SPD im Saarland an! Deshalb weg mit solchen Wählerstimmen!
Ein klarer politischer Profit für die Saarländer ist aber dieser 100 Mrd. Euro schwere Sonderwegfall der FDP! Keiner im Westen weis, was inhaltlich ein „liberales Atomkraftwerk“ ist! Und sind wir nicht alle irgendwie etwas „borderline“ oder liberal? „Ein Land will neu!“ Merci, ein guter Slogan FDP! Haben die Saarländer sofort gemacht! Aber warum tragen diese blau-gelben ’Juppis’ immer noch „Anzug und Schlips“, sei gefragt? Da steht DIE LINKE-Saar ideologisch viel besser da, denn diese Partei hat ’Wende’-Erfahrung, was im Saarland auch ’schwenken’ heißt! Ob im Osten, ob im Westen, beim Schwenken sind wir stets die Besten! „Really proofed since 1989!”(4) Der bundesweit bekannte saarländische Wendehals hat sicherheitshalber diese knallrote nun kopflose Partei schon vor dem offiziellen Zusammenbruch vom Wahlabend (27. März 2022: 2,6%) verlassen, erneut natürlich ’Aufstehend’ mit all seinen treuen ’Busfahrern’ im Schlepptau. Nun denn liebe verstorbene Partei DIE LINKE-Saar: „Requiescat in Pace!” Das ’Jahrzehnt’ mit Euch war sooo schööön, zumal durch die geleistete politische Systemstabilisierung der Bundesrepublik Deutschland „im wütenden Zorn der Massen“ im Moment des Bankenkollaps und als der große deutsche Kapitalverzocker Ackermann bei Kanzlerin Merkel vorsprach und die gemachten Schulden der Deutschen Bank sozialisierte! (5) So wird gesungen: „Memories of occupy, are memories of you…. Bankfurt und der Schlagstockkessel, daran denken wir immerzu…“(6).
Angeblich kommen nach dem politischen „Totalabsturz“ von Tobias Hans als „unser“ Ministerpräsident in der CDU-Saar im Frühjahr 2022 (7) die ‘Jungen Wilden’ aus ihren Nestern gekrochen und wollen an die Tröge! “Paint it black!” oder „Born to be wild!” kreischen sie mit viel NIX im Kopf und denken an ihr saarländisches Vorbild, den Alt-Wilden Peter Müller, der erfolgreich Karriere gemacht hat! Bestimmt wollen diese schwarzen Kids die Polizeistaatsgesetzgebung zurückdrehen, mit der, dank CDU, gerade so viele pubertierende Kinder verfolgt und kriminalisiert werden! Bestimmt wollen diese potentiellen Schwarz-fahrer die ’Freedays’ „Freie Fahrt mit Bus und Bahn“ im Saarland verwirklichen, zumal die unsoziale SPD die Jugendlichen immer noch abkassieren will. Diese konservativen ever crying youngsters werden auch die unrentablen Krankenhäuser im Saarland retten wollen, die dann bestimmt schwarze Zahlen trotz roter Inzidenzen schreiben. Politische Programme gäbe es genug, man müsste auch wollen, sollen, müssen, werden. Doch „sie wissen halt nicht, was sie tun“ sollen, da sie doch der Führung benötigen! Und genau da sitzen diese Jungen (und Mädels) mit den ’Alten’ auch von der AfD (5,7 %) in einem Boot.
Wir im Saarland haben alsbald „unsere“ Ministerpräsidentin! Und die wird es für „uns da unten“ dort „oben“ bestimmt machen! Das Berliner Oberkommando der großen Politik kann erneut in jenen bewegenden eiskalten Frühjahrtagen des Jahres 2022, jetzt nach der entscheidenden Schlacht um die Herzen aller Saarländer, wie einst beruhigend notieren: „Im Westen nichts Neues!“
Anmerkungen
1 Nicht „alle“: Es sollen die Arbeitsplätze auf mindestens „400 000“ erhöht werden. (Siehe: Unser Saarlandplan. Die Ziele auf einen Blick: echte#Saarlandliebe) In 7 Jahren sollte die wirklich geschaffene Anzahl an Arbeitsplätze erneut gezählt werden. Wir fragen dann höflichst beim Statistischen Landesamt des Saarlandes nach.
2 Latein: „quod non est in actis non est in mundo“ (2) „Was nicht ist den Akten ist, ist nicht in der Welt!“, meinten schon die Römer, die des Schreibens mächtig waren. Doch was passiert oft mit den Akten: Sie werden nur für die Nachwelt gesammelt. So ’verhallen’ Info-Briefe beispielsweise an den Stadtrat Saarbücken oft ungehört!
3 Rund 50% der Saarländer lehnen bei der Saarlandwahl 2022 ’diese’ PolitikerInnen ab oder sehen in ihnen keine demokratische Alternative ! Siehe: wahlergebnis.saarland.de/LTW/
4 1989: der Mauerfall oder das viel gerühmte „Jahr der Wende“
5 „Bund, Länder und Kommunen sind also zehn Jahre nach dem Ausbruch der globalen Finanzkrise weiter damit beschäftigt, heimische Banken zu stützen. Die Bilanz sei „verheerend“, sagt Schick. Es werde erstmals sichtbar, wie stark die Bürger belastet worden seien. „Eine vierköpfige Familie hat mehr als 3000 Euro für die Pleitebanken bezahlt.“ Hinzu kämen die indirekten Kosten der Bankenkrise, also Entlassungen und Konjunkturpakete, Eurokrise und Streit in Europa, Nullzinsen und Probleme bei der Altersvorsorge und steigende Mieten.“ Siehe: www.sueddeutsche.de/wirtschaft/finanzkrise-kosten-deutschland-1.4126273.
6 Da gab es 1968 einen Deutschen Schlager von Peggy March: „Memories of Heidelberg…“.;Der Deutsche Ableger dieser Bewegung ’Occupy Wall Street’ war „Occupy Bankfurt in Frankfurt“, zu dem es auch Oskar Lafontaine hinzog. Die zentralen Forderungen der Bewegung waren, „eine stärkere Kontrolle des Banken- und Finanzsektors durch die Politik, die Verringerung des Einflusses der Wirtschaft auf politische Entscheidungen und die Reduzierung der sozialen Ungleichheit zwischen arm und reich.“(siehe: auch WIKIPEDIA: occupy wall street) Nun für alle Realos: der arme Ackermann ist eben reich geblieben und die ’Banken’ haben ’Ihre’ Schulden dem deutschen Steuerzahler ebenso überlassen, wie heute das Deutsche Volk ’stolzer’ Besitzer des gesamten deutschen Atommülls ist! „Deck macht Speck!“, sagt ein Sprichwort. Geändert hat sich politisch, wie immer im sogenannt freiheitlich-demokratischen System der Volksherrschaft, (fast gar) nix!
7 In Prozent für die CDU: -12,2; siehe: wahlergebnis.saarland.de/LTW/
Klatschen, Klatschen, auf das die leeren Flaschen platzen?
Von Pascal Beucker, Anna Lehmann und Christoph Schmidt-Lunau
Nach ihrem Debakel betreibt die Linke Manöverkritik. Doch auch der generelle Trend für die Partei geht nach unten.
Es ist ein Tag, an dem nichts mehr schönzureden ist. „Das ist natürlich ein desaströses Ergebnis“, sagt Janine Wissler in der Bundespressekonferenz. Es sind nicht viele Journalist:innen gekommen, um zu hören, was sie, ihre Co-Vorsitzende Susanne Hennig-Wellsow und die saarländische Spitzenkandidatin Barbara Spaniol zu dem Wahldebakel an der Saar zu sagen haben. Was nicht nur daran liegt, dass zeitgleich Friedrich Merz im Konrad-Adenauer-Haus versucht, die CDU-Niederlage zu erklären, sondern vor allem an dem Abschneiden der Linkspartei an der Saar: Mit 2,6 Prozent ist sie ausgerechnet in ihrer einstigen Hochburg zu einer Splitterpartei geschrumpft, nur noch knapp vor der Tierschutzpartei.
Wissler und Hennig-Wellsow machen ebenso wie Spaniol vor allem die besondere Situation an der Saar, die tiefe Zerstrittenheit des dortigen Landesverbandes, die im Austritt ihres einstigen Zugpferdes Oskar Lafontaine zehn Tage vor der Wahl gipfelte, für die Wahlkatastrophe verantwortlich. Da ist auch etwas dran, es reicht zur Erklärung aber alleine nicht aus. Denn der generelle Trend geht für die Linkspartei nach unten. Das Ausmaß der Krise ist wesentlich größer. Sie droht bundesweit in der Bedeutungslosigkeit zu versinken. Die Parteivorsitzenden wirken ratlos, wie so viele zurzeit in der zerzausten Partei.
Für die kommenden Landtagswahlen in westdeutschen Bundesländern verheiße die Saarland-Wahl nichts Gutes für die Linkspartei, analysiert der Sozialwissenschaftler Horst Kahrs in seiner Wahlauswertung für die Rosa-Luxemburg-Stiftung. Persönliche Zerstrittenheit und anschließender Vertrauensverlust hätten zwar für den Absturz aus dem zweistelligen Bereich eine Rolle gespielt. Doch befinde sich die Partei an der Saar „nun auf dem gleichen außerparlamentarischen Niveau wie in allen westdeutschen Ländern außer Hessen, Hamburg und Bremen“, so Kahrs. „Konnte der Verweis auf die besonderen saarländischen Verhältnisse zwar außerordentliche Erfolge erklären, so schützt er nicht mehr vor Antworten auf die Frage, welche Konsequenzen aus den letzten Wahlniederlagen nun gezogen werden sollen.“ Von der Saarland-Wahl gehe für die Linkspartei „das Zeichen aus, dass Bedeutungsverlust nochmal Fahrt aufnimmt, und weiteres Abwarten auf günstige Situationen keine erfolgversprechende Option ist“.
Die Berliner Landeschefin und stellvertretende Bundesvorsitzende Katina Schubert verweist auf die bundesweite Bedeutung der Personalie Oskar Lafontaine. Er habe die Linke immer benutzt, um die SPD wieder sozialdemokratisch zu machen. „Das scheint jetzt in seinen Augen gelungen zu sein, damit hat die Linke aus seiner Sicht ihre Aufgabe erfüllt“, sagte Schubert der taz. „Umso wichtiger ist es, Alternativen zu sozialdemokratischer und grüner Beliebigkeit von Aufrüstung, ein bisschen Klima, ein bisschen gute Arbeit zu entwickeln und ausstrahlungsfähig zu machen.“ Jetzt müsse es darum gehen, „die Linke als spannende Alternative zur Ampel neu aufzustellen“.
Ähnlich sieht es der frühere Bundesvorsitzende Bernd Riexinger. Jenseits der innerparteilichen Querelen habe es die saarländische Linkspartei „nicht geschafft, neben einer sich wieder sozialdemokratisch gebenden SPD das eigene Profil zu schärfen“, sagte Riexinger der taz. Die zentrale Frage müsse nun sein, „ein konsequent linkes Profil für die Herausforderungen einer sozialen und ökologischen Transformation in den Vordergrund zu stellen“.
„Das Entscheidende für unsere Partei ist, dass wir unseren Gründungskonsens erneuern, dass wir nach vorne schauen“, sagt Wissler am Montag in der Bundespressekonferenz. Doch wie soll das gelingen?
Gespräche unter Flüchtlingen ? Einer liegt und Andere müssen stehen?
Als die Linkspartei vor fünfzehn Jahren entstand, waren die Aufbruchstimmung groß und die Ansprüche hehr. „Gemeinsam wollen wir eine Partei, wie es sie in Deutschland noch nicht gab – Linke einigend, demokratisch und sozial, ökologisch, feministisch und antipatriarchal, offen und plural, streitbar und tolerant, antirassistisch und antifaschistisch, eine konsequente Friedenspolitik verfolgend“, ist in der „Programmatische Eckpunkte“ genannten Gründungserklärung zu lesen, auf die sich die ostdeutsch geprägte PDS und die westdeutsch dominierte WASG Ende März 2007 auf parallel stattfindenden Parteitagen in den Dortmunder Westfalenhallen verständigten.
Heute erinnert nur noch wenig daran, was die Linkspartei mal hatte werden wollen. Ein Hauen und Stechen allerorten, die Umgangsformen untereinander sind nicht nur im Saarland unterirdisch. Mittlerweile sei sie „längst eine Mogadishu-Linke, in der unterschiedliche Stammesführer nur noch die eigene schmale Anhängerschaft bedienen“, twitterte frustriert der ehemalige Bundestagsabgeordnete Fabio De Masi am Wahlabend. Er bleibe zwar „demokratischer Sozialist“, habe sich jedoch „innerlich bereits so stark von meiner Partei entfremdet, dass mir derzeit der Glaube an dieses Projekt abhandengekommen ist“.
Verheerende Polarisierung innerhalb der Partei
Was De Masi unerwähnt ließ, ist sein eigener Beitrag an dem Fiasko. Mit seiner äußerst aktiven Beteiligung an der gescheiterten „Sammlungsbewegung Aufstehen“ Sahra Wagenknechts hat er nicht unentscheidend an der verheerenden Polarisierung innerhalb der Partei mitgewirkt, aus der sie nun keinen Ausweg mehr zu finden scheint. Aber auch das ist charakteristisch für die Linkspartei: Selbstkritik gehört weder bei den einen noch den anderen zu den Stärken.
Ein Extrembeispiel dafür lieferte am Montag Thomas Lutze, der hochumstrittene Nochlandesvorsitzende der Saar-Linken, der mit seinen jahrelangen Machtspielchen maßgeblichen Anteil an dem Desaster im Saarland hat.
Unten — Zu dokumentarischen Zwecken behielt das Deutsche Bundesarchiv häufig die original-bildunterschriften, die sein kann fehlerhaft, voreingenommen, veraltet oder politisch extrem. ADN-ZB/Sindermann/9.9.87/ BRD: Honecker-Besuch Der Generalsekretär des ZK der SED und Vorsitzende des Staatsrates der DDR, Erich Honecker, traf in Saarbrücken mit dem Ministerpräsidenten des Saarlandes, Oskar Lafontaine, stellvertretender Vorsitzender der SPD (l.), zusammen. Zugegen war auch der Vorsitzende der SPD-Fraktion im Landtag von Niedersachsen, Gerhard Schröder.
Bundesarchiv, Bild 183-1987-0909-423 / Sindermann, Jürgen / CC-BY-SA 3.0
An der Saar sind sich Politiker gerne behilflich. Von kleinen Fehlern im Lebenslauf, üppigen Gehältern beim Landessportverband und einem gescheiterten Sparkassendeal.
Im Saarland erzählen sie gerne Geschichten über den Zusammenhalt. Diese besondere Verbundenheit gehe zurück auf den Bergbau unter Tage, wo jeder auf den anderen angewiesen war. Das prägt, auch wenn sie sich selbst auf die Schippe nehmen: „Wenn ein Saarländer eine Briefmarke kauft, dann geht er nicht durch den Haupt-, sondern durch einen Nebeneingang; er hofft in der Post einen Freund zu treffen.“ Ein „gudder Bekannter“ besorgt auch Briefmarken zum günstigeren Sonderpreis. „Jeder kennt einen, der einen kennt“, so preist Ministerpräsident Tobias Hans, CDU, die verzweigten Beziehungen und Familienbande im Saarland. Der 44-Jährige weiß davon aus eigenem Erleben.
Als der Aktivist der Jungen Union und angehende CDU-Funktionär im Jahr 2006 die Politik endgültig zu seinem Beruf machte, war sein Vater, Peter Hans, CDU-Landtagsfraktionschef. Sohn Hans wurde „wissenschaftlicher Referent“ der Fraktion, anschließend „persönlicher“ eines Landesministers. 2009 zog er als Abgeordneter in den Landtag ein, 2012 stieg er zum Landtagsfraktionschef und 2014 zum Ministerpräsidenten auf.
Kurz vor seiner Wahl zum MP musste Hans junior allerdings seinen Lebenslauf bearbeiten. Er hatte den Abbruch seines Universitätsstudiums verschleiert, indem er sich als „Informationswissenschaftler“ vorstellte. Auch die erste berufliche Station vor der Politik war geschönt. Hans war nicht wirklich „wissenschaftlicher“, also diplomierter Mitarbeiter in der psychiatrischen Fachklinik Neunkirchen-Münchwies“ gewesen, es war ein studentischer Nebenjob.
Aber auch ohne Studienabschluss ist Hans inzwischen oberster Dienstherr der Hochschulen des Landes, denn das Wissenschaftsressort wird aus der Staatskanzlei geführt. Ihm haben die Familienbande sicher eher genutzt als geschadet.
Dramatisch anders ist es seinem Weggefährten Klaus Meiser, 67, ergangen. Der Volljurist war Innenminister, CDU-Landtagsfraktionschef, zuletzt Landtagspräsident und galt sogar als möglicher Kandidat für das höchste Amt. Meiser musste 2018 von allen Ämtern zurücktreten, weil er seine gute Beziehungen und Verbindungen allzu geschäftstüchtig versilbert hatte. Als Präsident des Landessportverbands hatte er nicht nur ein üppiges Salär bezogen, zusätzlich zu den Diäten des Landtagspräsidenten. Wegen Untreue und Vorteilsnahme verurteilte das Landgericht Saarbrücken den zweifachen Ex-Präsidenten rechtskräftig zu einem Jahr und zehn Monaten Haft und einer Geldstrafe von 60.000 Euro zur Bewährung. Meiser hatte seiner Lebensgefährtin und Büroleiterin einen lukrativen Nebenjob im Landessportverband (LSVS) verschafft, ebenso seinem Fahrer. Private Essen wurden mit der Dienst-Kreditkarte bezahlt, der Koch der defizitären LSVS-Kantine bezog das das Gehalt eines Sterne-Cuisiniers. Der privat zugelassene Schulbus eines Präsidiumsmitglieds lief auf Verbandskosten, der rechnete sogar EDV-Einrichtungen über den Verband ab.
Vor der Landtagswahl 2017 überreichten unter Meisers Verantwortung mehrheitlich CDU-PolitikerInnen Schecks im Wert von insgesamt 55.000 Euro an Kultur- und Sporteinrichtungen. Innenminister Klaus Bouillon (CDU) durfte sich über eine große Feier zu seinem 70. Geburtstag freuen. Die fünfstellige Rechnung sollte der Sportverband übernehmen. Bouillon, dem eigentlich die Rechtsaufsicht über den LSVS oblag, kam mit einem blauen Auge davon. Die vom Sport bezahlte Sause habe er „nicht gewünscht“, beteuerte er und bezahlte nachträglich eine überschaubare Rechnung aus eigener Tasche. Die jahrelange Machenschaften hatten Bouillon und seine Fachabteilung zuvor nicht erkannt. Jahr für Jahr hatte der LSVS über seine Verhältnisse gelebt, am Ende stand ein Millionendefizit.
„Mach’s gudd, awwer nid se ofd! Schaff, awwer nid se viel!“ Nur nicht zu viel arbeiten. Im Saarland geht es grundsätzlich um ein gesundes Verhältnis zwischen dem Geschaff und gutem Leben. „Hauptsach, gudd gess!“ ist das Motto, und „Wann mier gudd gess hann, hann mier aach schnell geschaffd!“
Ähnlich tiefgründige Volksweisheiten, wie sie der Schriftsteller Georg Fox als saarländisches Grundgesetz aufgeschrieben hat, standen auch am Beginn der Legislaturperiode im Saarbrücker Landtags. Alterspräsident Josef Dörr (AfD), damals 78, durfte reden. Im Vorfeld war spekuliert worden, ob der pensionierte Schulrektor die Gelegenheit zu nationalistischen oder rassistischen Ausfällen nutzen würde. Zur allgemeinen Überraschung trug Dörr lediglich Gedichte und Sinnsprüche in den Mundarten des Saarlands vor, die SaarländerInnen selbst nennen es „Platt“. Eingeweihte erklärten die unerwartete Zurückhaltung des Seniors so: Er habe „den Klaus“ nicht verärgern wollen, hieß es hinter vorgehaltener Hand. Der später wegen Untreue gestürzte CDU-Grande Meiser war da noch amtierender Landtagspräsident. „Klaus“ und „Josef“ kannten sich aus der CDU, sie sind Nachbarn. Dörr war gerade mit der AfD in den Landtag eingezogen, die Krönung seiner politischen Laufbahn. Er mochte es sich mit dem Präsidenten nicht verderben, bekam später Räume, Mitarbeiter, Fahrer und Dienstwagen, wie es seiner Fraktion zustand.
In der letzten Landtagssitzung vor dem Wahltermin wurde Innenminister Klaus Bouillon mit Dankesreden und Applaus verabschiedet, ebenso wie der Grandseigneur der saarländischen Politik, der ehemalige Saarbrücker Oberbürgermeister, Ministerpräsident, Bundesfinanzminister, SPD-Parteichef und Linken-Parteigründer Oskar Lafontaine. Am Tag danach sollte „Oskar“ spektakulär seinen Austritt aus der Partei verkünden, die er selbst mitbegründet hatte.
Lafontaine, Jahrgang 1943, ein Roter, dem die SPD schließlich nicht rot genug war, Bouillon, Jahrgang 1943, ein konservativer Schwarzer. Wie Lafontaine machte sich auch Bouillon zunächst in der Kommunalpolitik einen Namen. In der Krise des Bergbaus und der saarländischen Stahlindustrie schafften beide den Neustart ihrer Städte, Lafontaine als der unumstrittene Saarbrücker Rathauschef, Bouillon als Bürgermeister von St. Wendel. Sie sorgten mit guten Ideen und besten Verbindungen für kluge Investitionen. Beide setzten dabei ausdrücklich auch auf die sogenannten „weichen“ Standortfaktoren, Kultur und Wissenschaft, begründeten Festivals mit überregionaler Ausstrahlung. Bis heute haben sich die beiden etwas zu sagen.
Zehn Tage vor der Landtagswahl im Saarland, wo DIE LINKE um den Wiedereinzug in den Landtag bangt, hat Oskar Lafontaine die Partei verlassen. Es wird nun unwahrscheinlicher, dass im nächsten saarländischen Landtag noch eine linke Stimme vertreten sein wird. Und offenbar will Lafontaine genau dies befördern. Wäre das nicht der Fall, hätte er am 28. März der Partei den Rücken kehren können. Es ist zu traurig, dass er damit die eigenen Beteuerungen, wie wichtig eine linke Partei in den Parlamenten doch ist, Lügen straft.
Nachdem Lafontaine sich für seinen Aufruf zur Bundestagswahl DIE LINKE an der Saar nicht zu wählen, weil ihm die Landesliste und die Umstände unter denen diese entstanden war, nicht gefallen hatten, ein Parteiausschlussverfahren eingehandelt hatte, setzt er bei seinem Austritt aus der LINKEN noch eins drauf. Er macht klar, dass er nach der Maxime „Was Du nicht beherrschen kannst, zerstöre!“ handelt. Und damit macht er vielen Linken schwer, seine Verdienste für die Partei DIE LINKE anzuerkennen.
Und diese Verdienste sind gar nicht einmal gering. Als WASG und PDS sich 2005 entschlossen gemeinsam zur Bundestagswahl anzutreten, galt Lafontaine als Spitzenkandidat in NRW vielen Menschen als Garant dafür, dass hier etwas Neues entstehen würde. Die ersten Jahre der jungen Partei prägte er als Co-Vorsitzender maßgeblich mit, hatte Anteil an einer Reihe von Wahlerfolgen und schwor im Bündnis mit der Parteilinken die neue Partei auf eine scharfe Abgrenzung zur SPD und der neoliberalen Agenda 2010 ein. 2012 kämpfte er auf dem Göttinger Parteitag mit Erfolg um die gefährdete Einheit der Partei.
Fakt ist aber auch, dass Lafontaine in der Partei wichtige Auseinandersetzungen verloren hatte. Den Landesverband im Saarland hätte er für sich und die Partei retten können, wenn er eine neue, glaubwürdige, demokratische Praxis vorgelebt hätte. Statt dessen hat er sich in Kämpfe von Beutegemeinschaften verstrickt und zuletzt den Kürzeren gezogen. Der desolate Zustand der Saar-Linken ist ihm genauso anzulasten, wie seinen Kontrahenten.
Absage an eine zeitgemäße Linke
Nach dem Göttinger Parteitag 2012 geriet Lafontaine mit der neuen Parteispitze in Gegensatz. Grund dafür war, dass nach gründlicher Analyse der Parteivorstand das strategische Konzept, DIE LINKE als „eigentliche und echte Sozialdemokratie“ im Gegensatz zur SPD zu präsentieren, aufgab. Dieses Konzept hatte sich zwischen 2007 und 2013 verschlissen. Wählerinnen und Wähler, die 2005 und 2009 DIE LINKE gewählt hatten, weil sie sich Korrekturen in der Arbeits- und Sozialpolitik wünschten, hatten die Hoffnung und damit auch die Orientierung auf DIE LINKE nach und nach aufgegeben. Neue Wählergruppen mit eigenen Motiven mussten gewonnen werden.
2011 hatte DIE LINKE zudem ihr Erfurter Programm beschlossen. Sie trug damit zu einem Teil den Veränderungen der vergangenen Jahrzehnte in Gesellschaft und Wirtschaft Rechnung. Sie griff Themen wie z.B. den Klimawandel und die fortschreitende Umweltzerstörung auf, die in der traditionellen Arbeiterbewegung keine Rolle gespielt hatten. Sie bezog sich zudem auf feministische Ideen und auf einen universellen Humanismus.
Nach 2013 vollzog sich langsam aber stetig ein Wandel in der Partei. 2005 stand der gemeinsame Wahlantritt von WASG und PDS unter der Losung „Für eine neue soziale Idee!“. Diese neue soziale Idee wäre schon damals nötig gewesen, kam aber nicht zum Ausdruck. DIE LINKE vertrat während ihrer ersten Jahre eine traditionelle sozialdemokratische Idee. Erst nach 2015 wurden nach und nach die Konturen einer neuen sozialen Idee erkennbar. Der damalige Co-Vorsitzende, Bernd Riexinger, entwarf sowohl das inhaltliche Konzept eines linken Green New Deal als auch das strategische einer verbindenden Klassenpolitik. DIE LINKE konnte so besser auf die Problemlagen und Interessen vor allem jüngerer Menschen in urbanen Milieus eingehen. Diese jüngeren Menschen traten seit 2017 zu tausenden in die Partei ein und verändern sie täglich.
Lafontaine opponierte derweil gegen die neuen Konzepte, unterstützt von seiner Ehefrau Wagenknecht und einer Minderheit in der Partei. Er und seine Anhängerschaft halten nach wie vor an dem Konzept einer SPD 2.0 für DIE LINKE fest. Die Partei soll nicht grüner als die Grünen werden, sie soll sich nicht um unterdrückte Minderheiten kümmern, sondern soll ausschließlich die traditionellen Milieus der Sozialdemokratie pflegen. Nicht zuletzt soll sie einen nationalen Fokus haben, so dass die Meinungsverschiedenheiten sich an den Positionen zur Migration immer wieder entzündeten.
Alle diese politischen Fragen nennt Lafontaine in seinem Austrittsschreiben als seine Gründe. Und wieder einmal wirft er der Linken zu Unrecht vor, sich nicht ausreichend um die Probleme von Armen und Arbeitenden zu kümmern. Auch diese jahrelangen Behauptungen haben der Partei DIE LINKE seit langem geschadet. Lafontaine und Wagenknecht haben mit ihrer oft ungerechtfertigten Kritik einen großen Anteil sowohl an den Auseinandersetzungen in der Linken als auch an dem dürftigen Wahlergebnis der letzten Bundestagswahl.
Nun hat der streitbarste Vertreter des Konzeptes einer SPD 2.0 die Partei DIE LINKE verlassen. Er ist wohl zu der Überzeugung gekommen, dass in der nun existierenden Partei keine Mehrheiten mehr dafür zu gewinnen sind. Diese Einschätzung wird richtig sein. Schade bleibt, dass Lafontaine Abschied aus der Politik nun nicht mit seiner glänzenden Friedensrede im saarländischen Landtag als Erinnerung bleibt, sondern mit einem Zerstörungsimpuls gegen die Partei, die er doch eigentlich aufbauen wollte.
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Oben — Kritik an der Kirchentagsfinanzierung im öffentlichen Raum
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Kritik an Kirche und Kirchentagsfinanzierung mit der „Moses 11. Gebot“ Skulptur. Wegen der öffentlichen Finanzierung des „Deutschen Evangelischen Kirchentages 2023“ in Nürnberg. www.11tes-gebot.de.
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Unten — Medaille und Urkunde zum Karlspreis im neuen Aachener Stadtmuseum „Centre Charlemagne”.
Foto: Kleon3
(CC-BY-SA 4.0