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Net „Thoibao“ angegriffen

Erstellt von Redaktion am 22. Dezember 2022

Mit Betrug gegen die freie Presse

Datei:120613 Doppelleben Artwork.pdf

Von Sven Hansen

Das vietnamesisch-deutsche Medium „Thoibao“ verliert Werbeeinnahmen, weil eine Firma behauptet, Urheberin seiner Inhalte zu sein. Der Chefredakteur vermutet einen politisch motivierten Angriff.

Das vietnamesisch-deutsche Onlinemagazin Thoibao.de (Die Zeit) wird wieder massiv angegriffen. Dieses Mal finanziell. Aufgrund einer mutmaßlichen Sicherheitslücke bei Facebook verliert das in Berlin ansässige Nachrichtenportal seit Wochen einen Großteil seiner Einnahmen. Thoibao vermutet dahinter einen politisch motivierten Angriff auf seine Presse- und Meinungsfreiheit – mutmaßlich durch Vietnams Geheimdienst.

„Seit dem 27. November hat eine Firma namens AJ Parkners in bisher 60 Fällen behauptet, Urheberin der von mir oder meinen Mitarbeitern produzierten und auf der Facebookseite von Thoibao geposteten Videos zu sein,“ sagt Chefredakteur und Eigner Trung Khoa Lê der taz. In Wahrheit habe Thoibao das Copyright. Doch Facebook habe die damit verbundenen Werbeeinnahmen AJ Parkners zugeleitet, nachdem die Firma das Urheberrecht reklamiert hatte. Standort und Geschäftsaktivitäten der Firma, die laut Lê wohl nur dem Urheberrechtsbetrug dient, sind nicht bekannt.

Facebook gehe Thoibaos Beschwerden nicht ausreichend nach, kritisiert der 51-Jährige. Zwar würde Facebook seine ­Widersprüche gegen angebliche Urheberrechtsverletzungen nach einiger Zeit akzeptieren. Dennoch erhalte Thoibao weiterhin nicht die Werbeeinnahmen aus den von AJ Parkners zu Unrecht beanspruchten Videos oder in Ausnahmefällen nur für die Zeit nach Anerkennung von Thoibaos Beschwerde. Dann sind die Einnahmen aber bereits viel niedriger.

Der Facebook-Konzern Meta ließ mehrere Anfragen der taz unbeantwortet. Lê erstattete gegen AJ Parkners Anzeige und bat Reporter ohne Grenzen (ROG) um Hilfe. Helene Hahn, dort Referentin für Internetfreiheit, nennt Metas Umgang mit Beschwerden „träge“ und „undurchsichtig“. Sie sagt: „Es ist unklar, wie bei Meta Prüfverfahren stattfinden.“ Hahn sieht Meta in der Verantwortung, doch sei der Plattformbetreiber immer unzugänglicher.

In Vietnam ist Facebook die Hauptnachrichtenquelle. Etwa 75 Prozent der Bevölkerung von 100 Millionen nutzen Face­book. Hanoi hat den Druck auf das soziale Netzwerk ständig erhöht. Meta-Chef Mark Zuckerberg persönlich wies Mitarbeiter an, Hanoi nachzugeben, wie die Whistleblowerin Frances Haugen 2021 vor dem US-Senatsausschuss aussagte. Vietnam liegt auf der Rangliste der Pressefreiheit von Reporter ohne Grenzen auf Platz 174 von 180 Staaten. 39 vietnamesische Medienschaffende sind derzeit inhaftiert.

Das Regime in Hanoi stören Thoibaos unabhängige Berichte. So enthüllte Thoibao Interna aus dem Machtzirkel der Kommunistischer Partei und berichtete 2017 als erstes über die Entführung eines vietnamesischen Geschäftsmannes und Ex-Kaders durch Vietnams Geheimdienst von Berlin nach Hanoi.

Thoibaos Berichte und Videos bei Facebook und Youtube werden laut Lê im Monat 20 Millionen Mal geklickt. 80 Prozent der Zugriffe kommt aus Vietnam. Für Meta sind Thoibaos Facebookseiten eine lukrative Werbeplattform. Umgekehrt erzielt Thoibao zwei Drittel seiner Monatseinnahmen von rund 15.000 Euro aus Facebook-Werbung. Entfällt dies wegen angeblicher Urheberrechtsverletzungen, wird Thoibao mit seinen zwölf festen und freien Mitarbeitern nicht überleben können.

Quelle          :         TAZ-online          >>>>>         weiterlesen 

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Oben     —        Plakat „Doppelleben – Der Film“

Verfasser DWolfsperger        /    Quelle   : Eigene Arbeit      / Datum  :  1. August 2012

Diese Datei ist lizenziert unter der Creative Commons Namensnennung-Weitergabe unter gleichen Bedingungen 3.0 Deutschland Lizenz.

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Unten       —         Jemand hält bei Occupy San Francisco ein Schild mit der Aufschrift „FUCK FACEBOOK“ hoch.

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2022 war ein Scheißjahr

Erstellt von Redaktion am 21. Dezember 2022

Umweltpolitischer Jahresrückblick 2022 

Quelle         :     Mitwelt Stiftung Oberrhein

Von      :      Axel Mayer, Mitwelt Stiftung Oberrhein

Vorwort: Die Umweltbewegung hat sich geirrt.

Wir dachten, wenn die angekündigten Krisen kommen, Wälder brennen, Atomkraftwerke im Krieg beschossen werden, Flüsse austrocknen, Menschen verdursten, Extremwetterereignisse sich häufen und immer mehr Arten ausgerottet werden, würden die Menschen den Zusammenhang von Umweltzerstörung, Gier und unbegrenztem Wachstum verstehen und die tatsächlichen Täter, Täterinnen und Klimakatastrophenverantwortlichen benennen. Wir haben die Macht der Mächtigen unterschätzt.

2022 war ein Scheiß-Jahr!

Der mörderische und völkerrechtswidrige Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine war das bestimmende Thema des Jahres 2022. Kriegszeiten sind Zeiten größtmöglicher Dummheit, Irrationalität und selektiver Wahrnehmung, in denen menschliches Denken und Handeln von stammesgeschichtlich erklärbaren, steinzeitlichen Reflexen geprägt ist. Der Krieg stärkte weltweit den organisierten Hass, die Kriegsgewinnler, Populisten und Vereinfacher, die das Rad des ökologischen und sozialen Fortschritts immer schon zurückdrehen wollten.

    • 2022 war weltweit und regional ein Jahr der klimatischen Extreme mit sommerlichen Dürreperioden und Waldbränden. Nach den Aufzeichnungen des Deutschen Wetterdienstes war der Sommer 2022 in Deutschland einer der wärmsten und trockensten – und vor allem der sonnigste – seit Beginn der Wetteraufzeichnungen im Jahr 1881. Die Klimakatastrophe liegt schon lange nicht mehr „in der Zukunft“, sondern sie ist real. Und doch schafften es die alten, atomar-fossilen Seilschaften, die Klimakatastrophenverantwortlichen in enger Zusammenarbeit mit Klimawandelleugnern und der Springer-Presse perfekt, den Zorn auf die jungen Umwelt-Aktiven der „Letzten Generation“ zu lenken. Klimaterrorismus wäre ein gutes Unwort des Jahres 2022. Der gut organisierte Hass schwoll an, denn die Aktionen der jungen Aktiven störten Verdrängung, Apokalypseblindheit und Gewinnerwartungen.

    • Der Krieg, die von Konzernlobbyisten verhinderte Energiewende, die maroden französischen AKW und die von Putin und den Kriegsgewinnlern ausgelöste Energiekrise führte zur Gefahrzeitverlängerung von Kohle- und Atomkraftwerken. Die undemokratische Macht der Konzerne, der Umweltzerstörer und der Umweltzerstörungsparteien wurde sichtbar, als in Deutschland die menschengefährdende Kohle- und AKW-Gefahrzeitverlängerung beschlossen wurde, nicht aber ein menschen- und klimaschützendes Tempolimit. Klima- & Atomkatastrophen fallen nicht vom Himmel. Sie werden gemacht.

    • Die Krisenbewältigung durch die rot-grün-gelbe Bundesregierung war aus ökologischer Sicht bisher blamabel. Laufzeitverlängerung für Kohle und Atom, eine beschleunigte „Energiewende“ insbesondere bei LNG-Terminals, kein Tempolimit und ein peinliches JA zum CETA -Freihandelsabkommen zwischen der EU und Kanada … Von einer grünen Handschrift war wenig zu bemerken.

    • Leider hat sich auch die EU wieder einmal blamiert. Investitionen in Gas und Atom sollen ab 2023 als nachhaltig gelten. Mehr umweltzerstörender Greenwash war selten.

    • Ausgerechnet in der „befreundeten Diktatur Katar“ fand die Fußball-Weltmeisterschaft statt. Viele Menschen schauten „bewundernd“ auf die glänzenden Fassaden von Katar & auf die anderen Protzstädte am Golf, in denen eine kleine, superreiche & extrem umweltzerstörende Elite lebt. Die Städte wurden von Menschen im Schweiße ihres Angesichts erbaut, die häufig nicht einmal einen Euro Stundenlohn erhalten haben.

      • Ebenfalls in einer „guten, nützlichen“ Diktatur, in Ägypten, fand die Weltklimakonferenz statt. Auch hier zeigte sich die undemokratische Macht der alten fossilen Seilschaften. Sie verhinderten wieder einmal erfolgreich-verbrecherisch den Fortschritt beim Klimaschutz.

    Die UN-Artenschutzkonferenz in Montreal brachte zumindest Teilerfolge.


  • 2022 war das Jahr, in dem das Geld „verschwand“. Es war plötzlich weg, weniger, aufgelöst, verdunstet & verschwunden. Wohin unser Geld ging, wurde selten berichtet. Es ging von unten nach oben. Es bereicherten sich Kriegsgewinnler, Milliardäre, Gas-Konzerne in befreundeten Staaten & Öl-Konzerne in „befreundeten“ Diktaturen. Gerade die Konzerne, die jahrzehntelang die Klimakatastrophe aktiv gefördert haben, haben sich schamlos bereichert.

Oberrhein und Südbaden: Regionaler umweltpolitischer Jahresrückblick 2022:

    • Mit der Verschiebung der Brennelemente aus dem abgestellten AKW Fessenheim nach La Hague wurde regional die größte Unfallgefahr gebannt. Die riskante Stromerzeugung für eine Generation hat in Fessenheim Atommüll produziert, der noch eine Million Jahre strahlt und 22.000 Generationen gefährdet.

    • Für den Betrieb (nicht nur) der Schweizer Atomkraftwerke werden selbstverständlich immer noch Brennstäbe aus Russland importiert. Macht zeigt sich auch bei der Frage, welche russischen Exportenergien vom Westen boykottiert werden. Atomare Brennstäbe gehören nicht dazu.

    • Die Schweiz will das Endlager für Atommüll im Gebiet Nördlich Lägern wenige Kilometer südlich der deutschen Gemeinde Hohentengen bauen. Die häufig einseitige Berichterstattung zu den atomaren Endlagerplänen der Schweiz war erschütternd unkritisch. Kein Wort zum Permokarbontrog unter dem geplanten Endlager und zur erkennbaren Käuflichkeit der Regionalpolitik. Der Schweizer Franken scheint die optimale „Endlagerformation“ zu sein. Atomare Käuflichkeit schützt zwar nicht die nächsten 30.000 Generationen, passt aber gut in unsere Zeit der Umweltzerstörung und der Gier.


    • Auch in diesem Jahr haben 945 Tonnen Chlorid das Grundwasser bei Buggingen versalzen. Seit dem Jahr 2008 gibt es ein „sanierungserzwingendes“ Gerichtsurteil. Ist dem Landratsamt Breisgau-Hochschwarzwald & dem Kreistag das Grundwasser und Trinkwasser eigentlich scheißegal?

    • Nicht nur in Endingen waren mit zunehmender Beschleunigung

immer mehr Hohlwege illegal befestigt und gepflastert

    •  worden. Das Landratsamt Emmendingen und das Regierungspräsidium Freiburg haben jetzt endlich für Rechtssicherheit gesorgt. Alle Eingriffe in Hohlwege sind genehmigungspflichtig. Nach der naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung sind sie vorrangig zu vermeiden.

  • Der Europa-Park will über dem extrem flächenfressenden PKW-Auslieferungszentrum der Firma Mosolf bei Lahr eine große Solaranlage bauen. Die beiden Firmen greifen damit eine alte BUND-Forderung aus dem Jahr 2014 endlich auf.

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Oben      —    2023-un-klimakonferenz-dubai-cop-28-co2-kritik_source.jpeg (879×587) (mitwelt.org)

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Tragik der Covid-Impfung?

Erstellt von Redaktion am 20. Dezember 2022

Leidenden Frauen glaubt man häufig nicht

Quelle      :        INFO Sperber CH.

Von      :   Barbara Marti /   

Tausende gegen Covid geimpfte Frauen berichteten von unregelmäßigen Zyklen. Lange hörte ihnen niemand zu.

Mittlerweile hat eine US-Studie mit fast 20‘000 Teilnehmerinnen aus den USA, Kanada und Europa bestätigt, dass die Covid-Impfung den Zyklus tatsächlich verschieben kann. «Und die Frauen hatten doch recht», titelte die «Sonntagszeitung».

Unglaubwürdige Frauen

Wenn Frauen über gesundheitliche Probleme klagen, hört man ihnen oft nicht zu oder glaubt ihnen nicht. Das kann zu Fehldiagnosen und unnötig langen Leidensgeschichten führen. Die Folgen der Covid-Impfung sind nur ein Beispiel von vielen. Ähnliches gilt für die Endometriose: Betroffene haben gutartige Wucherungen aus gebärmutterschleimhautartigem Gewebe, die außerhalb der Gebärmutter wachsen. Sie können extreme Unterleibsschmerzen verursachen und unfruchtbar machen. Endometriose betrifft jede zehnte Frau. Trotzdem wird sie bis heute meist erst Jahre nach Auftreten der ersten Symptome diagnostiziert. Die Schmerzen Betroffener werden nicht ernst genommen und fälschlich als übliche Periodenschmerzen diagnostiziert.

Hysterische Frauen

Ein anderes Beispiel sind die Vaginalnetze gegen Beckenbodensenkung. Nach der Implantation klagten viele Frauen über unerträgliche und dauerhafte Schmerzen. Diese Frauen habe man oft als hysterische Frauen mit postmenopausalen Beschwerden abgekanzelt, sagte Gendermedizinerin Gertraud Stadler der «Tageszeitung». Wenn man die Schmerzen Betroffener zu lange nicht ernst nehme, könne das Implantat in das Gewebe einwachsen. Dann könne man es nicht mehr entfernen. Viele hätten deshalb lebenslang Schmerzen.

Unwissen und Vorurteile

Die britische Kulturhistorikerin und Feministin Elinor Cleghorn führt Fehldiagnosen bei Frauen auf Unwissen und alte Vorurteile zurück. Wenn Frauen diffuse Schmerzen oder Symptome schildern, falle es Ärzten immer noch schwer, an handfeste körperliche Ursachen zu denken. Die westliche Medizin sei bis heute geprägt von der jahrhundertealten Vorstellung, dass für viele Krankheiten der Frau ihre Emotionen verantwortlich seien. Das führe dazu, dass man Frauen nicht glaube, wenn sie ihre Symptome schildern.

«Glaubt uns!»

Ein Beispiel sind Autoimmunerkrankungen. 80 Prozent der Betroffenen sind Frauen. Welche gravierenden Folgen es haben kann, wenn man ihnen nicht glaubt, schildert Cleghorn im Buch «Die kranke Frau» an ihrem eigenen Beispiel. Sie leidet an der Autoimmunerkrankung Lupus erythematodes. Die rheumatische Erkrankung kann alle Organe befallen und ist sehr schmerzhaft. Doch Ärzte erkannten die chronische Erkrankung jahrelang nicht. Ein ungeborenes Kind wurde deshalb krank. Elinor Cleghorns Appell an die Medizin: «Glaubt uns! Wir sind die verlässlichsten Zeuginnen dessen, was in unserem Körper geschieht.»

FREIE NUTZUNGSRECHTE

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Oben      —   Impfung gegen COVID-19 in einem Impfzentrum

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Politik ganz ohne Limit ?

Erstellt von Redaktion am 17. Dezember 2022

Ukrainekrieg und Klimakrise: Die geschürte Polarisierung

Von Albrecht von Lucke

Gestern standen wir am Abgrund, heute sind wir schon einen Schritt weiter.“ Dieser Sponti-Spruch der 1980er Jahre könnte der passende Kommentar zum Jahreswechsel 2022 auf 2023 sein, wenn uns nicht die Ironie vor zehn Monaten ausgetrieben worden wäre. Allzu oft war in den letzten Jahren von einem annus horribilis die Rede, doch das Horror-Jahr 2022 stellte – jedenfalls aus europäischer Sicht – das Vorangegangene klar in den Schatten.

Als vor drei Jahren die Coronakrise begann, wurde diese umgehend als die größte Herausforderung des Kontinents nach 1945 begriffen. Heute sehnen sich viele fast schon in diese Zeit zurück. Deutlicher könnte nicht zum Ausdruck kommen, wie radikal der 24. Februar, der Beginn von Putins Angriffskrieg gegen die Ukraine, die Zeit in ein davor und danach teilt. Russland zerstört mit seinem Bombenterror nicht nur ganz systematisch die Existenzgrundlage der Ukraine, sondern versucht damit auch den Zusammenhalt des Westens und speziell der EU zu untergraben, durch die dadurch ausgelöste Migration und Energiekrise.

Faktisch hat das Jahr 2022 unsere gleich vierfache Abhängigkeit schlagend deutlich gemacht: erstens energiepolitisch von Russland, zweitens militärpolitisch von den Vereinigten Staaten, drittens industriepolitisch von China und viertens ökologisch von globalen Natur- und Klimabedingungen, die von einer expansiven Wirtschaftsweise zunehmend zerstört werden. All das führt – außen- wie innenpolitisch – zu einer zunehmenden Radikalisierung und Polarisierung.

Wenigstens einen kleinen Lichtblick zum Ende des Jahres beschert uns das kontrafaktische Denken, zeigt es doch, dass alles noch weitaus schlimmer hätte kommen können. Wäre die Ukraine nicht – aufgrund der US-amerikanischen Ausbildung und Aufrüstung seit 2014 – zu ihrer Verteidigung in der Lage gewesen, stünde Russland heute an der polnischen Grenze und die am 4. Februar zwischen Xi Jinping und Putin verkündete grenzenlose Freundschaft der Autokraten hätte weltweite Ausstrahlung. Keine Rede wäre dann von einer Isolation Russlands dank der Distanzierung wichtiger Staaten, wie auf dem jüngsten G20-Gipfel in Bali geschehen. Stattdessen würden sich die entscheidenden Mächte in der zweiten Reihe – Indien, Indonesien, Brasilien und Südafrika –, klar gen China und Russland orientieren. Denn noch immer sind es die Sieger, die die Geschichte schreiben.

Und wenn nicht Donald Trump bei den jüngsten Zwischenwahlen in den Vereinigten Staaten massiv an Zustimmung verloren und den Republikanern eine gewaltige Führungsdebatte beschert hätte, stünde mit Sicherheit Joe Biden, der mittlerweile 80 Jahre alte US-Präsident, voll in der Kritik und damit die Frage im Raum, ob bei der Präsidentschaftswahl 2024 das autoritäre Comeback überhaupt noch zu verhindern sei. Und schließlich drittens: Hätte nicht Lula da Silva mit hauchdünnem Vorsprung die Wahl in Brasilien gegen Jair Bolsonaro gewonnen, wäre dies ein Verhängnis für die Zukunft des Regenwalds und damit auch für die ökologische Zukunft des Planeten.

Das aber verweist auf die zweite dramatische Entwicklung des Jahres 2022: die Radikalisierung der ökologischen Krise, die immer mehr Richtung Katastrophe tendiert. „Wir sind auf dem Highway zur Klimahölle – mit dem Fuß auf dem Gaspedal“, sagte UN-Generalsekretär António Guterres in seiner Eröffnungsrede auf der Weltklimakonferenz COP27. „Wir kämpfen den Kampf unseres Lebens – und sind dabei zu verlieren“, so seine ultimative Warnung. Und dennoch konnte von überzeugenden Ergebnissen keine Rede sein, weil nationalstaatlicher Egoismus zum wiederholten Male eine überzeugende globale Lösung verhindert hat. Obwohl rhetorisch unvermindert am Pariser 1,5-Grad-Ziel festgehalten wird, rückt dieses doch immer mehr in weite Ferne.[1]

Die dramatische klimapolitische Lage spiegelt sich in einer zunehmenden Polarisierung auch in den westlichen Gesellschaften – und in einer immer verzweifelteren Klimabewegung, die in den letzten Monaten vor allem durch die Aktionen der „Letzten Generation“ in Erscheinung getreten ist. Doch so berechtigt das grundsätzliche Anliegen, so fatal in ihrer Wirkung sind die durchgeführten Blockaden von Straßen und Flughäfen. Eine Bewegung, die für sich in Anspruch nimmt, Mensch und Natur retten und bewahren zu wollen, konterkariert ihr eigenes Anliegen, wenn sie die Gefährdung von Menschenleben in Kauf nimmt. Selbst wenn der Tod einer Radfahrerin in Berlin im Ergebnis nicht durch die Straßenblockade der Letzten Generation herbeigeführt wurde, wird durch derartige Aktionen die vorhandene Zustimmung in der Bevölkerung zu intensiverer Klimapolitik nicht vergrößert, sondern verringert.

Ja, mehr noch: Die Gegenseite nimmt diese Steilvorlage dankbar auf, wenn etwa CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt eine „Klima-RAF“ an die Wand malt. „Hallo Justizminister! Hallo Innenministerin! Sperrt diese Klima-Kriminellen einfach weg! […] Täter müssen Konsequenzen spüren“, twitterte ausgerechnet Ex-Verkehrsminister Andreas Scheuer. So unverfroren eine derartige Forderung aus dem Munde eines Mannes ist, der den Staat – und damit die deutsche Bevölkerung – mit seiner verfehlten Mautpolitik Milliarden gekostet und dafür nie Konsequenzen gespürt hat, artikuliert sich hier doch auch ein forcierter Volkszorn, der regelrecht zur Selbstjustiz auffordert.

Rhetorische Aufrüstung

„Opfer fragen sich: Bin ich eigentlich machtlos? Oder kann ich denen eine kleben?“, lautete denn auch die Frage der „Bild“-Zeitung, die massiv an der Empörungswelle gegen die „Klimakleber“ dreht. Der Jurist und „Bild“-Kolumnist Joachim Steinhöfel musste zwar mit Bedauern feststellen, „Ohrfeigen als erste Maßnahme wären wohl unverhältnismäßig“, aber, so sein triumphierendes Resümee, „Notwehr ist ein scharfes Schwert. Sie gestattet alles, was erforderlich ist, um eine Straftat ,sicher und endgültig‘ zu beenden.“ Wie das aussehen könnte, teilt der einschlägig bekannte Medienanwalt Ralf Höcker mit: „Autofahrer dürfen #Klimakleber selbst von der Straße zerren. Sie müssen nicht auf die Polizei warten. Verletzungen, z.B. an den Handflächen der #Klimaaktivisten, sind hinzunehmen und ändern nichts am Notwehrrecht des Autofahrers.“[2] Hier zeigt sich: Weil sich der radikale Teil der Klimabewegung durch seine nicht vermittelbaren Aktionen selbst delegitimiert, können seine Gegner eine rhetorische Aufrüstung betreiben, die zunehmend selbst zur Tat drängt.

Weniger brachial, aber dafür nicht weniger ambitioniert agiert die soeben im CDU-Umfeld gegründete „Denkfabrik für neue bürgerliche Politik“, R21.[3] Deren Initiator und Vordenker, der CDU-Historiker Andreas Rödder, bringt die Strategie in einem „Spiegel“-Artikel auf den Punkt.[4] Rödder sieht den gesamten Westen in einer historischen Auseinandersetzung mit neuen totalitären Kräften, weshalb er eine neue Eindämmungspolitik nach dem Vorbild des Kalten Krieges fordert: „Die moderne westliche Lebensform […] sieht sich von innen und von außen herausgefordert. Und so wie es George F. Kennan 1946 postulierte, so muss sich der Westen auch in der neuen Systemauseinandersetzung sowohl auf militärisch-politischer als auch auf gesellschaftlich-kultureller Ebene behaupten.“ Die Ironie der Argumentation besteht darin, dass es Rödder neben der erfolgreichen Außenpolitik des Westens vor allem um dessen Verteidigung nach innen, gegen die neuen Systemgegner von links, geht. Denn, so Rödder: „Das historisch einmalige und zugleich so tief internalisierte Wohlstands- und Freiheitsversprechen des westlichen Gesellschaftsmodells steht unter dem Verdacht [!], die Lebensgrundlagen der Menschheit zu zerstören. Weite Teile der Klimabewegung sehen im Kapitalismus den Verantwortlichen für das drohende Ende der Welt, das an die Stelle des hoffnungsfrohen Narrativs vom ‚Ende der Geschichte‘ nach 1989 getreten ist.“

Quelle          :             Blätter-online          >>>>>         weiterlesen

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Oben     —       Blockade der A100 durch den Aufstand der Letzten Generation, Berlin, 29.06.2022

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Krankenhausreform

Erstellt von Redaktion am 16. Dezember 2022

Zurück zum Patientenwohl

Niemand hat die Politiker-innen gefragt was sie Rauchen bevor sie nach dem Mikrophon greifen ?

Einen Debattenbeitrag von Hermann Schult-Sasse

Die Vorschläge von Lauterbachs Reformkommission sind eine gute Grundlage dafür, Fehlentwicklungen in unseren Krankenhäusern zu beseitigen.

Kurz vor der Jahrtausendwende nahm sich die gerade angetretene rot-grüne Regierung eine Reform des deutschen Gesundheitswesens vor. Ich war damals als Abteilungsleiter im Bundesgesundheitsministerium unter der Grünen-Ministerin Andrea Fischer für das Projekt zuständig.

Die Krankenhausbehandlung wurde vorwiegend über Tagespflegesätze finanziert. Das belegte Bett brachte den Erlös, unabhängig vom Aufwand für den einzelnen Kranken. Das führte dazu, dass Deutschland in der Krankenhausbettenstatistik und bei den stationären Liegezeiten europaweit ganz vorne lag.

Da die Leistung des Krankenhauses für seine Bezahlung keine Rolle spielte, existierten auch keine Daten zum tatsächlichen Aufwand der Krankenhäuser für die Behandlung ihrer Patienten. Auch welche Krankheiten wie häufig und wo in Deutschland behandelt wurden, konnte niemand beantworten. Mögliche regionale Unterschiede in der medizinischen Behandlung blieben im Dunkeln und entzogen sich damit einer kritischen Diskussion über Qualitätsstandards.

All dies war Anlass, sich mit den Bedingungen für eine transparente und leistungsgerechte Finanzierung von Krankenhäusern zu befassen. Unseren Vorstellungen entsprach am besten das in den USA für die staatlich finanzierte Kranken­haus­ver­sorgung Medicare entwickelte aufwandsbezogene System der Fallpauschalen (DRG/diagnosis related groups), für dessen ausdifferenzierte australische Variante wir uns schließlich entschieden. Zwei Weichenstellungen haben dann leider die Grundlagen gelegt für Fehlentwicklungen, über die heute zu Recht geklagt wird.

Anders als im damaligen Arbeitsentwurf vorgesehen, wurden in die DRG-Kalkulationen keine investiven Kostenanteile einbezogen und somit das duale Finanzierungsprinzip (Finanzierung der laufenden Kosten durch die Krankenkassen, Finanzierung der Investitionen durch die Länder) unangetastet gelassen. Damit vermied man ein Scheitern des Reformprojekts im Bundesrat, in dem zwischenzeitlich die CDU-regierten Länder die Mehrheit hatten. Krankenhäuser hatten damit, anders als vorgesehen, nicht mehr die Möglichkeit, eigenständig mit Investitionen die Krankenversorgung zu optimieren und dabei auch Effizienzgewinne zu erwirtschaften.

Die andere Weichenstellung rückte die DRGs ins Zentrum der Vergütung und nutzte sie nicht nur als Methode zur Kalkulation von Krankenhausbudgets. Weltweit hat kein anderes Land die Finanzierung der Krankenhäuser so stark an erbrachte Leistungen gebunden. Damit ermöglichte man, die Krankenversorgung an eine betriebswirtschaftliche Optimierung der DRG-Abrechnung zu binden. Sowohl die Aufgabe wenig lukrativer Leistungen als auch die Ausweitung eher lukrativer Leistungen waren die Folge. Die Aufgabe von Geburtshilfeabteilungen und die Reduzierung von Kapazitäten in Kinderkliniken sind dafür ebenso Beispiele wie die Ausweitung orthopädischer und kardiologischer Eingriffe.

Datei:Ehemaliges Kinderkrankenhaus in Hamburg-Rothenburgsort.jpg

Das ehemalige Kinderkrankenhaus in der Marckmannstraße 131 in Rothenburgsort wurde 1914 bis 1917 nach Plänen der Architekten Martens und Henry Grell erbaut.

Rund 20 Jahre Erfahrungen mit diesem Abrechnungssystem unterstreichen die Notwendigkeit einer grundlegenden Reform. Bundesgesundheitsminister Lauterbach hatte im Mai eine 17-köpfige „Regierungskommission für eine moderne und bedarfsgerechte Krankenhausversorgung“ eingesetzt, die dazu Vorschläge erarbeiten sollte.

Den Kern der jetzt vorgelegten Vorschläge bilden drei Kriterien, nach denen zukünftig die Krankenhausversorgung honoriert werden soll: Vorhalteleistungen, Versorgungsstufen und Leistungsgruppen. Das Vorhalten von Personal und bestimmten Ausstattungen wie einer Notaufnahme soll mit festen Beträgen finanziert werden.

Krankenhäuser sollen drei unterschiedlichen Versorgungsstufen zugeordnet werden, die Grundversorgung wohnortnah gesichert und aufwendige Behandlungen nur noch in spezialisierten Kliniken mit hoher Fallzahl durchgeführt werden. Statt einer allgemeinen Zuweisung von Fachabteilungen (wie „Innere Medizin“) sollen in der Krankenhausplanung genauer definierte Leistungsgruppen (zum Beispiel „Kardiologie“) ausgewiesen werden. Diese sollen an genau definierte Strukturvoraussetzungen gebunden werden (Personal und Ausstattung) und Voraussetzung für die Abrechenbarkeit mit den Kassen sein.

Ein gelungener Aufschlag

Quelle       :           TAZ-online           >>>>>       weiterlesen

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Oben      —     Prof. Dr. Karl Lauterbach (Gesundheitspolitischer Sprecher, SPD), Foto: <a href=“http://www.stephan-roehl.de“ rel=“nofollow“>Stephan Röhl</a> Tagung „Wie geht es uns morgen?“ in der Heinrich-Böll-Stiftung Berlin

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Ein Jahr Ampel-Kanzler

Erstellt von Redaktion am 15. Dezember 2022

„Etwas lauter bitte, Olaf“

Wenn hinter den Masken die Dummfaxen kaum sichtbar werden, helfen nur die Hände. 

Von Anna Lehmann und Stefan Reinecke

Auch nach einem Jahr im Amt bleibt Olaf Scholz für viele schwer greifbar. Das öffentliche Urteil ist verhalten, Koalitionspartner aber sind zufrieden. Wie führt ein schüchterner Mensch die Regierung und das Land?

er bei mir Führung bestellt, muss wissen, dass er sie dann auch bekommt“, hat Olaf Scholz der taz mal in einem Interview gesagt. Und hinzugefügt: „Das geht natürlich nicht im Alleingang.“ Das war im November 2009 nach seiner Wiederwahl zum Vorsitzenden der Hamburger SPD. Scholz’ Drohung hatte damals einen Adressaten – die von Intrigen ruinierte Hamburger Sozialdemokratie. Scholz war der Mann, der aufräumen musste. Nüchtern, pragmatisch, auch autoritär.

12 Jahre später, am 8. Dezember 2021, wählte der Bundestag Scholz zum Kanzler. Der Satz wird seitdem viel zitiert, Scholz wird an ihm gemessen. Er soll das Land durch die Zeitenwende führen, als Kanzler der ersten Dreierkoalitio2n auf Bundesebene mit SPD, Grünen und FDP. Er soll den Aufbruch wagen und in der Krise den Status quo sichern. Eine Gratwanderung. Wie macht er das?

Wir haben mit Kol­le­g:in­nen aus der Ampelkoalition und mit Menschen gesprochen, die ihn lange auf seinem politischen Weg begleitet haben. Entstanden ist das Bild eines Mannes, der für alles einen Plan zu haben scheint, aber nicht allen verrät, welchen. Der trotz Dauerpräsenz in der Öffentlichkeit schwer greifbar bleibt. Der arrogant auftreten kann, der aber auch zuhört und Fragen stellt. Der stur sein kann bis zur Halsstarrigkeit.

„Er ähnelt in manchem Wolfgang Schäuble. Herr Schäuble weiß auch alles immer ganz genau“, sagt jemand, der mit Scholz am Kabinettstisch sitzt.

Erst Stamokap, dann Law and Order

Scholz kann jedenfalls ebenso herablassend wie Schäuble sein. Als eine Journalistin den Kanzler im Sommer fragt, ob er konkretisieren könne, wie die deutschen Sicherheitsgarantien für die Ukraine aussehen, sagt Scholz nur: „Ja, könnte ich.“ Schweigt. „Das war’s.“

Wie Schäuble blickt Scholz auf eine lange Dienstzeit als Politiker zurück: Vom ultralinken Stamokap-Flügel der SPD kommend, hat er sich zum Law-and-Order-Innensenator und Ersten Bürgermeister in Hamburg entwickelt, hat erfolglos versucht, SPD-Vorsitzender zu werden, und es dennoch zum vierten SPD-Kanzler in der Geschichte der Bundesrepublik gebracht.

Vom Menschen Scholz ist wenig bekannt. Er hat zwei jüngere Brüder – der eine Arzt, der andere in der IT-Branche –, lernte seine Frau Britta Ernst in den 80ern bei den Jusos kennen. Sie sei die Liebe seines Lebens. Er kocht gern Königsberger Klopse, rudert und joggt in seiner Freizeit. Er versteht sich ganz gut mit Markus Söder, der ihn mal zurechtgewiesen hat, er solle nicht so schrumpfig grinsen. Überhaupt mag Scholz Schlümpfe, weil sie klein, verschmitzt und clever sind und am Ende immer gewinnen.

Christian Dürr, FDP-Fraktionsvorsitzender : „Jetzt habe ich ihn ja schon wieder gelobt“

Das alles hat Scholz der Bunten sechs Wochen vor der Bundestagswahl gesagt. Als SPD-Kanzlerkandidat gehört so ein Interview wohl zum Pflichtprogramm. Jedenfalls hat er nach der Wahl nie wieder ein ähnliches gegeben und reagiert auch sonst auf persönliche Fragen ablehnend. Beim Bürgertreffen im Sommer, ein Jahr später in Magdeburg, möchte die Moderatorin wissen, was der Kanzler als Kind werden wollte. Den meisten PolitikerInnen würde jetzt schon etwas einfallen, das sie in freundlichem Licht zeigt. Scholz sagt: „Ich bin 64 Jahre. Ich weiß es nicht mehr.“

Angela Merkel machte ihre Biografie lange fast unsichtbar, weil sie glaubte, als ostdeutsche Frau Widerstand zu mobilisieren. Auch Scholz wirkt ungreifbar. Aber aus einem anderen Grund. Er fremdelt mit Menschen. Ihm fliegen die Sympathien auch nicht zu. Er hat nicht die Fähigkeit, Fremdes durch Offenherzigkeit in Vertrautes, Distanzen in Nähe zu verwandeln. Sein Humor ist mitunter schrullig, viele verstehen ihn nicht. Lars Haider, Chefredakteur des Hamburger Abendblatts, hat 2021 eine Biografie über den Kanzler geschrieben. Sein Eindruck: „Scholz ist ein zutiefst schüchterner, sehr zurückhaltender Mensch.“

Machtpolitischer Malus

Das ist machtpolitisch ein Malus. Denn mit Charmeoffensiven kann man Vertrauen erneuern, Konflikte besänftigen. Das ist nicht Scholz’ Stärke.

Die Hamburger Grünen sind gebrannte Kinder. Die Scholz-SPD schrammte 2015 knapp an der absoluten Mehrheit vorbei und brauchte die Grünen als Juniorpartner, um das Rathaus zu halten. Die Zweite Bürgermeisterin der Grünen, Katharina Fegebank, erinnert sich an Scholz als „harten Verhandler“. „Er hat den Anspruch, der Platzhirsch zu sein, Gespräche auch dominieren zu wollen und relativ wenig Spielraum zu lassen“, sagte Fegebank 2021 der Deutschen Presseagentur. Charmant klingt das nicht.

„Er ähnelt in manchem Wolfgang Schäuble. Der weiß auch alles immer ganz genau“

Doch in der Ampel herrschen heute andere Verhältnisse. Die SPD gewann die Bundestagswahl nicht mit 46, sondern mit 26 Prozent. Die Grünen sind Konkurrent und Partner zugleich, die FDP hat erstmals seit Jahrzehnten wieder ins linke Lager gewechselt und will umsorgt sein.

Christian Dürr ist seit einem Jahr Fraktionschef der FDP im Bundestag. Als solchem steht ihm ein geräumiges Büro zu, das selbst mit Fahnenhalter samt Europafahne nicht überladen wirkt. Nach Scholz’ Führungsstil gefragt, antwortet Dürr wie aus der Pistole geschossen: „Gut.“ Pause. Dürr beugt sich vor, bekräftigt: „Er macht das menschlich echt gut.“ Man könne sich auf sein Wort verlassen.

Das Lob für den Kanzler mutet seltsam an. Schließlich ist die FDP die Partei, die bislang überhaupt nicht von der Koalition profitiert. Vier Landtagswahlen gingen seit dem Regierungsantritt schief. Und dennoch ist Dürr enthusiastisch. Er redet sich fast in Ekstase: Der Kanzler habe echt „Bock“, etwas zu wagen, sei anders als Merkel ein Reformer, habe „Drive“.

Keine Frage nach der Vermögenssteuer

Die Grünen sind dem Kanzler gegenüber skeptischer. Katharina Dröge, ist eine von zwei Grünen-Fraktionsvorsitzenden. Augenhöhe, ja doch, sagt sie. „Das kann man so sagen. Eine harte Koch-Kellner-Regierung wie in Hamburg haben wir hier nicht, würden wir auch nicht mitmachen.“

Aber für den Geschmack der Grünen lässt Scholz der FDP viel zu viel Raum, gerade in finanzpolitischen Fragen stehe er zu oft an Christian Lindners Seite.

Rückfrage bei Christian Dürr. Hat Scholz in den Koalitionsrunden schon mal die Vermögenssteuer erwähnt? Steht schließlich so im SPD-Wahlprogramm. Ist in diesen Zeiten, in den der Staat 300 Milliarden an Schulden für die Krisenbekämpfung aufnimmt, auch keine ganz abwegige Idee. „Nein, daran erinnere ich mich nicht. Schließlich haben wir uns als Koalition darauf geeinigt, die Steuern nicht zu erhöhen“, sagt Dürr.

Möglicherweise ist Scholz’ Zurückhaltung aber auch ein Signal an die gebeutelte FDP: Ich respektiere Eure Grenzen.

„Olaf Scholz hatte schon immer eine sehr gute Art, die Dinge zusammenzuführen“, sagt Sarah Ryglewski. Die Abgeordnete ist im Kanzleramt Staatsministerin für Bund-Länder-Koordination und Nachhaltigkeit. Scholz holte die SPD-Linke 2019 zunächst ins Finanzministerium, zwei Jahre später folgte sie ihm ins Kanzleramt. Von Top-Down und Kontrollwahn, der Scholz aus Hamburger Zeiten nachgesagt wird, kann Ryglewski nicht berichten. Im Gegenteil: Scholz lasse seinen Leuten viele Freiräume – so lange alles funktioniere.

Das große Ganze im Blick

Näher kennengelernt hat sie Olaf 2017, als sie Mitglied der Antragskommission wurde, die Scholz damals schon seit über einem Jahrzehnt leitete. Die Kommission hat eine Schlüsselrolle für eine Programmpartei wie die SPD, vor Parteitagen sichtet sie Hunderte von Anträgen, vom Unterbezirk Wandsbeck bis zum Landesverband NRW, und entscheidet, was am Ende abgestimmt wird. „Er hatte immer Verständnis dafür, dass jeder Landesverband seinen Punkt braucht, und hatte dabei das große Ganze im Blick“, lobt Ryglewski ihren Chef.

Die Erfahrungen aus der Antragskommission überträgt Scholz auf die Ampelkoalition – jede der drei sehr unterschiedlichen Parteien braucht mal einen Punkt, mit dem sie glänzen kann. Die FDP kann sich für den Tankrabatt und den Abbau der kalten Progression auf die Schultern klopfen, die SPD feiert den Abschied von Hartz IV und die Grünen das 49-Euro-Ticket und den Ausbau der Erneuerbaren Energien. Gleich zu Beginn hat seiner Amtszeit hat Scholz dem Spiegel gesagt: „Man muss als Koalition mit dem Anspruch antreten, bei den nächsten Wahlen wiedergewählt zu werden.“

Quelle        :        TAZ-online       >>>>>          weiterlesen

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Grafikquellen      :

Oben     —   Olaf Scholz and Nico Marquardt at Science Park Potsdam, Germany, March 2021

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2.) von Oben    —   Olaf Scholz spricht auf dem Deutschen Jungsozialistentag 1984

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Die USA und die Deutschen

Erstellt von Redaktion am 14. Dezember 2022

USA – mit voller Fahrt in die Sackgasse

Quelle       :        Scharf  —  Links

Ein Kommentar von Georg Korfmacher, München

Große Vorhaben sollte man ’sie ira et studio‘ (ohne Zorn und Eifer) angehen, weiß man spätestens seit Tacitus (58 – 120 u.Z.). Offenbar und kaum verwunderlich die US-Regierung nicht! Sie hat mit dem Inflation Reduktion Act (IRA = Zorn) vom August 2022 den Mund wieder einmal zu voll genommen und droht an dem Kloß im eigenen Hals zu ersticken.

Allein die Bezeichnung des IRA-Aktes ist ebenso oberflächlich wie irreführend. Es geht nämlich nicht primär um die Reduzierung der Inflation, sondern brutal um die egoman nationalistische Neuordnung der US-Industrie gegen Freund und Feind. Angesichts der zunehmend schwindenden US-Hegemonie und der Emanzipation alter Völker und Kulturen zu selbstbewussten Marktteilnehmern versucht der US-Präsident mit seinem IRA der Welt von oben nach unten ein Verhalten aufzunötigen, das eine neue industrielle Weltführerschaft der USA absichern soll.

Im IRA wird bis ins kleinste Detail vorgeschrieben, dass uns welche Bestandteile ein in den USA gefertigtes Produkt haben muss, um gefördert zu werden, und welche Produkte mit welchen Bauteilen importiert bzw. exportiert werden dürfen. Ebenso soll es eine Triage zwischen Systempartnern und Systemfeinden geben. Absurder noch: bei den System-Partnern soll zwischen denjenigen unterschieden werden, die mit den USA ein Freihandelsabkommen haben und solchen, die das nicht haben. Wahrlich keine einladende Ausgangsposition für ein Vorhaben, das ganz offensichtlich nur dem ‚America First‘ oder MAGA (Make America Great Again) dienen soll. Diese Spuk sollte unverzüglich enden ofer er wird nach einem langen Gewürge sublimieren.

Die arrogante Weltfremdheit der US-Regierung wird durch ein kürzliches Urteil der WTO (Welthandelsorganisation) so abgeurteilt, dass die US-Zölle auf Stahl- und Aluminiumimporte aus Chin nicht rechtens seien. Quelle: dpa. Die Vereinigten Staaten wären also eher gut beraten, eine aus gewogenere und internationalere Industriepolitik zu betreiben. Aber nein, sie beziehen sich bei den Sanktionen auf eine uralte US-Regelung aus 1962.

Es scheint also sehr schwer, einem alten Affen neue Grimassen beizubringen. „Buy American“ ist ein alter Hut und taugt nicht als neuer Schlachtruf in einer zunehmend multipolaren Welt. Heute kauft man dort ein, wo eine gewünschte Qualität zu einem vernünftigen Preis angeboten wird, also ohne politische Gängelung und ohne verteuernden Sanktionen. Die Interessen und Bedürfnisse der Menschen müssen im Vordergrund stehen, und nicht die des US-Turbokapitalismus.

„Dead End“ (Australien)

Aber aus gemachten Fehlern lernen, ist nicht üblich in den USA. Alle kriegerischen Überfälle endeten oder stecken immer noch (Jemen) in einem menschenunwürdigen Desaster, haben aber den USA scheinbar nicht geschadet, denn ihre Rüstungsindustrie blüht. Und darauf stützen sich die USA immer noch und immer wieder.

Jetzt aber kommt Widerstand sogar von ihren sog. stärksten Verbündeten in Europa. Sie haben erkannt, dass die „verbündeten“ USA mit IRA gerade ihre „Verbündeten“ in Europa hart treffen und schwächen sollen. Frankreich voran wehrt sich vehement und spricht schon von einem drohendem Handelskrieg mit den USA. Wie in Teufels Namen passt das alles zusammen? Mit IRA rasen die USA wieder einmal blind und mit voller Fahrt in die Sackgasse.

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Oben      —     Die Straße war auf der Big Island von Hawaii von Lavastrom bedeckt.

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Reichs-Spinner-Inszenierung

Erstellt von Redaktion am 10. Dezember 2022

Provokations-Agenten: Im Kaiser- und Hitler-Gefolge

Der alte Adel im Staat ohne Fehl und Tadel

Quelle       :    RATIONALGALERIE

Autor: Uli Gellermann

Das hatten wir schon mal mit dem „NSU“: Eine Terrorgruppe aus dem Nichts, ein Nazi-Gespenst aus der Geheimdienst-Kiste; bis heute nicht richtig aufgeklärt, aber ganz eindeutig waren V-Leute des Verfassungsschutz an der Gründung beteiligt. Eine neue Terror-Gründung, die sich „Reichsbürger“ nennt, hat unter anderem einen echten Prinzen an der Spitze. Eine wirre Truppe, die angeblich einen bewaffneten Umsturz plante.

Deutsches Reich in den Hitler-Grenzen

Die sonderbaren Bürger glauben, dass das Deutsche Reich – mal in den Hitler-, mal in den Kaiser-Grenzen – immer noch bestünde und die Bundesrepublik müsse man deshalb nicht anerkennen. Der Reichs-Glaube hat zwei Kerne: Zum einen meinen diese Bürger, dass in Deutschland nicht die gewählten Regierungen das Sagen haben, sondern die ehemaligen Alliierten. Zum anderen berufen sie sich auf jenen Artikel 146 im Grundgesetz, der die Gültigkeit des GG bis zum Volksentscheid über eine Verfassung begrenzt.

NATO zeigt den Deutschen ihre Grenzen

Auch wenn die Reichsbürger ihren mentalen Zustand unter anderem durch die Gründung eines Königreichs manifestieren: Um festzustellen, dass die ehemalige Besatzungsmacht USA in Deutschland praktisch mehr zu sagen hat als die jeweilige Bundesregierung, muss man kein Reichsbürger sein. US-Instrumente wie die NATO zeigen den Deutschen immer wieder ihre Grenzen auf. Eine selbstständige Militär-und Außenpolitik wäre den Deutschen nur dann möglich, wenn sie sich von den USA lösen und die NATO verlassen würden.

Macht über die Medien wichtiger als Gesetze

Dass es eine politische Wirklichkeit gibt, in der die Mehrheit der Deutschen ihren Staat für legitim hält und dass die Mehrheit der anderen Staaten dies auch tun, das ignorieren die R-Bürger und ihre Anhänger. Sie begreifen nicht, dass geschriebenes Recht mit dem ausgeübten Recht nur begrenzt zu tun hat und dass zum Beispiel die Macht über die Medien unendlich viel mehr bedeutet, als die Einhegung der Staatsgewalt durch Gesetze.

Reichsbürger: nützlicher Popanz

Aber da die Reichsbürger mit den grotesken Klamotten des längst vergangenen Reichs kostümiert sind, da manche von ihnen Waffen sammeln und zuweilen benutzen, sind sie als Popanz nützlich. Als die Grundrechtebewegung im August 2020 auf einen Höhepunkt zusteuerte, genehmigte der Berliner Innensenator den Reichsbürgern eine Dauerkundgebung auf der Treppe des Reichstages. Das war der Senator, der Aktionen der Demokraten gern von seiner Polizei zerschlagen ließ und dessen Justiz die Kundgebungen der Grundrechtebewegung grundsätzlich nicht genehmigte. Natürlich verkauften die Mehrheitsmedien die staatlich erlaubte Aktion als „Sturm auf den Reichstag“.

Provokateure des Verfassungsschutz

Kenner des Staatsgefüges waren und sind sich sicher: Die Reichsbürger-Aktion vor dem Reichstag war von Provokateuren des Verfassungsschutz angemeldet und getragen, um die Querdenker zu diffamieren. Natürlich sollen unter den jüngsten Putschisten auch „Querdenker“ sein. Denn auch wenn die Grundrechtebewegung zur Zeit schwächelt: Sie ist immer noch die einzige Alternative gegen einen Staat, der mit dem Corona-Regime die Demokratie beschädigte und mit der NATO-Unterwerfung Deutschland in einen gefährlichen Krieg verwickelt. Solche Alternativen müssen diskreditiert und in den Reichsbürger-Topf geworfen werden, damit sie nicht ansteckend wirken.

Datei:Jagdschloss Waidmannsheil.jpg

Der Staat und seine Fürsten – sie dürfen ihm heute noch  die Schuhe bürsten.

Vertrauen in den Staat sinkt

Die Richtigkeit staatlichen Handelns wird in Deutschland zunehmend bezweifelt. Die Gesundheitsschädlichkeit der Corona-Impfung hat sich trotz einer hermetischen Medienlandschaft herumgesprochen. An das Märchen von der russischen Sprengung der eigenen Gas-Pipeline wollen immer weniger Menschen glauben. Auch deshalb werden jene antirussischen Sanktionen, die vor allem die deutsche Wirtschaft und den Bürger-Geldbeutel treffen, infrage gestellt. Das Vertrauen in den Staat sinkt. Aus mangelndem Vertrauen resultiert die Suche nach Alternativen, und daraus kann der Wunsch nach Auflehnung erwachsen.

Nancy Faeser sieht einen Abgrund

Bevor aus einem Wunsch wirkliche Auflehnung wird, müssen die Instrumente der Repression als notwendige Maßnahmen popularisiert werden. Dazu dient der vermeintliche Reichsbürger-Umsturz. Der gibt Existenzen wie der Bundesinnenministerin Nancy Faeser die Möglichkeit, solche Sätze abzusondern: „Die Ermittlungen lassen in den Abgrund einer terroristischen Bedrohung aus dem Reichsbürger-Milieu blicken“ und weiter „Wir wissen uns mit aller Härte gegen die Feinde der Demokratie zu wehren.“

Kampf gegen eine Verfassungsschutz-Erfindung

Die „Härte der Demokratie“ wendet sich, wie man in den letzten Jahren auf Straßen und Plätzen gut beobachten konnte, gegen aktive Demokraten. Faeser benutzt jetzt eine Erfindung des Verfassungsschutzes für den Kampf gegen Demokraten.

Urheberrecht

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Grafikquelle :

Oben      —     Aus Anlass des 100. Geburtstages von Woizlawa-Feodora Prinzessin Reuß wurde am 21. Dezember 2018 am Rand des Hofwiesenparkes in Gera, Deutschland, eine Holzskulptur der Reihe Flame of Peace enthüllt. Anwesend waren Heinrich XIII. Prinz Reuß, Woizlawa-Feodora Prinzessin Reuß, Herta Margarete Habsburg-Lothringen und Sandor Habsburg-Lothringen. Die Skulptur wurde durch den Geraer Holzbildhauer Marcus Malik geschaffen.

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Unten       —        Das Jagdschloss Waidmannsheil in Saaldorf, um 1907

Urheber –  unbekannt – akpol.de (Postkarte)

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Banken bald ohne Geld ?

Erstellt von Redaktion am 10. Dezember 2022

Steht die Geldpolitik vor dem Bankrott?

Unrasiert und fern der Heimat

Quelle:    Scharf  —  Links

Von Tomasz Konicz

Ein Überblick über die Widersprüche bürgerlicher Krisenpolitik in der aktuellen Stagflationsphase. (Erster Teil einer Serie zum derzeitigen Krisenschub)

Können wir uns Geld überhaupt noch leisten? Oder, anders gefragt: Bekommt die Politik die Teuerung endlich in den Griff? Die New York Times sah Anfang November einen geldpolitischen Hoffnungsschimmer aufkommen, nach vielen Monaten beständig steigender Inflation.1 Laut den aktuellen Daten hat sich die Teuerung in den Vereinigten Staaten leicht abgeschwächt, was eine „willkommene Nachricht für Federal Reserve wie für das Weiße Haus“ sei. Demnach hat sich der Preisauftrieb von 8,2 Prozent im September auf 7,7 Prozent im vergangenen Oktober verlangsamt – prognostiziert waren 7,9 Prozent. Die „Kerninflation“, bei der die Preissteigerungen für Energie und Lebensmittel herausgerechnet werden, schwächte sich im selben Zeitraum ebenfalls von 6,6 auf 6,3 Prozent ab.

Die Zinserhöhungen durch die US-Notenbank Fed, die den Leitzins binnen dieses Jahres von 0,25 auf bis zu vier Prozent erhöhte, scheinen somit Wirkung zu zeigen.2 Und das Ende der monetären Fahnenstange ist offensichtlich noch nicht erreicht worden. US-Notenbanker ließen durchblicken, dass die Leitzinsen auf ein Niveau von 4,75 bis 5,25 Prozent angehoben werden müssen, um die Teuerung endlich in den Griff zu bekommen.3 Eine „Pause“ sei bei den raschen Zinserhöhungen – dem schnellsten Zinsanstieg seit dem Kampf gegen die Stagflation4 in den frühen 80ern – nicht vorgesehen, erklärten Fed-Vertreter gegenüber US-Medien. Damit scheint der langfristige, in den 80ern eingeleitete5 Trend zur Absenkung des Zinsniveaus6 revidiert, mit dem Wirtschaft und Finanzsphäre von der Geldpolitik stimuliert und stabilisiert werden mussten.

Einen Fed-Leitzins von mehr als fünf Prozent gab es zuletzt 2008, auf dem Höhepunkt der Immobilienblase in den USA und der EU. Hiernach herrschte faktisch eine Nullzinspolitik, die im Rahmen der Krisenbekämpfung nach dem Platzen der Blase implementiert wurde. Versuche, die Leitzinsen anzuheben (2019 auf mehr als zwei Prozent), mussten nach dem Ausbruch der Pandemie (2020) aufgegeben werden.

Neben den raschen Leitzinserhöhungen ist es die „monetäre Straffung“ der Notenbank Fed, die dazu beitragen soll, den Preisauftrieb in den Vereinigten Staaten wieder unter Kontrolle zu bringen. Zur Erinnerung: Das Weltfinanzsystem musste im Gefolge der großen Krisenschübe des 21. Jahrhunderts mittels der berüchtigten quantitativen Lockerungen stabilisiert werden, bei denen die Notenbanken faktisch Geld druckten, indem sie Wertpapiere und Staatsanleihen auf den Finanzmärkten aufkauften, um so diesen zusätzliche Liquidität zuzuführen. Die durch Aufkäufe von Finanzmarktwaren generierte Liquidität ließ die Preise steigen – in der Finanzsphäre. Der Umfang dieser Liquiditätsspritzen, die in der vergangenen Dekade maßgeblich zur temporären Stabilisierung des in einer Liquiditätsblase verfangenen Weltfinanzsystems beitrugen, lässt sich ganz einfach an den Bilanzsummen der Notenbanken ablesen.

Kurze Geschichte des „Zentralbankkapitalismus“

Den Beginn des „Zentralbankkapitalismus“7 markiert die 2008 in den USA und Europa geplatzte Immobilienblase,8 bei der das Weltfinanzsystem mit hypothekenverbrieften Schrottpapieren überschwemmt wurde und – nach der Pleite von Lehman Brothers – in eine Schockstarre überging, die das gesamte Weltsystem bedrohte. Was tun? Aus der Not heraus fing die Fed ab dem Februar 2009 an, diesen Finanzmarktmüll aufzukaufen, um die Kreditvergabe in der „eingefrorenen“ Finanzsphäre wieder in Gang zu bringen. Schon Mitte 2010 hat die Fed mehr als 1,1 Billionen Dollar (das sind 1100 Milliarden) „gedruckt“ und der Finanzsphäre zugeführt, um diese „Mortgage Backed Securities“ (MBS), bei denen auf dem Höhepunkt der Immobilienblase Hypotheken unterschiedlicher Bonität gebündelt wurden, aufzukaufen.

Und diese quasi spontane Krisenreaktion verstetigte sich, ähnlich der Nullzinspolitik, zu einer neuen, politischen Richtlinie, quasi zu einer neuen politischen Konstante, bei der die Notenbanken immer größere Mengen an „Wertpapieren“ in ihren Bilanzen halten.9 Die MBS sind folglich nie wieder – trotz etlicher Anläufe, sie abzustoßen – aus der Bilanz der Fed verschwunden. Der Nennwert dieser Hypothekenverbriefungen stieg sogar langfristig von rund 1,1 Billionen 2010, über mehr als 1,7 Billionen 2016, bis auf 2,7 Billionen im Frühjahr 2022. Versuche, die MBS in der Fed-Bilanz zu reduzieren, führten entweder zu Destabilisierung der Finanzmärkte, sodass sie abgebrochen werden mussten, oder sie wurden – mit dem Ausbruch der Pandemie – von Krisenschüben unterbrochen. Damit wurden die Notenbanken faktisch zu Gefangenen der Liquiditätsblase10, die sie selber in Reaktion auf den Krisenschub von 2007/08 hervorbrachten.

Der drohende Kollaps des Weltfinanzsystems im Gefolge des Immobilienkrachs (Pleite von Lehman Brothers 2008 samt anschließendem „Einfrieren“ der Weltfinanzmärkte) konnte somit nur um den Preis einer erneuten Blasenbildung, letztendlich durch einen Blasentransfer von der Immobilien- zur Liquiditätsblase abgewendet werden. Damit ist die Geldpolitik, die mittels MBS-Aufkäufen den Immobilienmarkt stütze, auch zur zentralen Konjunkturstütze geworden, da der Immobiliensektor einen wichtigen Wirtschaftsfaktor darstellt. Die Spekulationsexzesse in der Finanzsphäre fungieren somit als Konjunkturtreiber für die reale Wirtschaft, da beispielsweise die Immobilienblase in den USA und der EU mit einer starken, letztlich kreditfinanzierten Konjunktur auf dem Bausektor einherging. In Spanien herrschte auf dem Höhepunkt des Spekulationsfiebers ein regelrechter Arbeitskräftemangel, der Hunderttausenden von Arbeitsmigranten aus Bulgarien und Rumänien Verdienstmöglichkeiten im spanischen Bausektor verschaffte. Nach dem Platzen dieser Blasen herrschte auf der Iberischen Halbinsel hingegen eine Arbeitslosigkeit von mehr als 20 Prozent.11

Noch eindeutiger wird dieser Zusammenhang zwischen expansiver Geldpolitik der Notenbanken und konjunktureller Dynamik in der realen Wirtschaft bei der großen Liquiditätsblase,12 die das transatlantische Immobilienfieber ablöste. Die Käufe von Hypotheken-Papieren durch Notenbanken wurden bald überflügelt von den Aufkaufprogrammen für Staatsanleihen. Die US-Notenbank ging ab 2010 dazu über, umfassend die „Treasury“ der US-Regierung aufzukaufen, was letztendlich der Finanzsphäre ihr abermaliges spekulatives Abheben13 und Washington die Konjunkturprogramme und Steuersenkungen vergangenen Dekade ermöglichte. Die Zahlen sind eindeutig:14 2007, kurz vor dem Zusammenbruch der Immobilien-Bonanza, hielt die Fed Staatsanleihen im Wert von rund 700 Milliarden Dollar, 2012 waren es schon mehr als 1,2 Billionen, 2016 gar knapp 2,5 Billionen. (Ähnlich verhält es sich in der Eurozone, wo die Aufkäufe von Staatsanleihen durch die EZB Gegenstand politischer Auseinandersetzungen zwischen der BRD und der südlichen Peripherie waren).15

Diesen Berg an Staatsschulden wollte die US-Geldpolitik ab 2018 langsam abbauen, sodass 2019 die Treasury in der Bilanz der Fed sich „nur“ auf etwas mehr als 2 Billionen Dollar summierten. Dann kam die Pandemie, was den durch die Liquiditätsspritzen aufgeblähten Weltfinanzsektor, der aufgrund der 2018 eingeleiteten monetären Straffung ohnehin destabilisiert wurde, abermals in Schieflage brachte und die Weltkonjunktur durch das partielle Einfrieren der globalen Lieferketten abschmieren ließ. Der Geldpolitik blieb nichts anderes übrig, als die Gelddruckerei ins Extrem zu treiben: Mitte 2022 befanden sich US-Staatsschulden im „Wert“ von 5,7 Billionen Dollar in der Bilanz der US-Notenbank. Zugleich wurden wieder verstärkt MBS aufgekauft, sodass deren Volumen sich von 1,4 Billionen Ende 2019 auf mehr als 2,7 Billionen Mitte 2022 nahezu verdoppelte.

Es ist diese an Umfang gewinnende Gelddruckerei gewesen, die staatliche (Treasury) und private Nachfrage (MBS) generierte und somit die Konjunktur und die Finanzsphäre belebte. Mitte 2022 ist die Bilanz der Fed auf insgesamt neun Billionen Dollar angeschwollen (hauptsächlich Staatsanleihen und Hypothekenpapiere).16 Die „Liquiditätsspritzen“, die dazu beitrugen, die Fed zu einer Art Müllhalde des Weltfinanzsystems zu verwandeln, haben die Konjunktur angetrieben. Und sie haben die Finanzmärkte um den Preis immer neuer Spekulationsexzesse – bis zur absurden Hausse mit Meme-Aktien17 – zeitweilig stabilisiert. Dies war nur deswegen möglich, weil die Inflation im Dollarraum, der ja immer noch als Weltleitwährung fungiert, niedrig blieb. Und die Teuerungsraten blieben nur deswegen niedrig, weil die Gelddruckerei der Notenbanken zu einer Inflation der Wertpapierpreise auf den Finanzmärkten im Rahmen der besagten Liquiditätsblase führte, die mit dem Ausbruch der Pandemie und der aufkommenden Inflation ein jähes Ende fand (Übrigens: Die Neo-Keynesianische „Neue Monetäre Theorie“,18 eine Art Querdenker-Sekte der Ökonomenzunft, brütete während der Liquiditätsblase, aufbauend auf diesem unverstandenen Zusammenhang zwischen expansiver Geldpolitik und Finanzmarktinflation, ihre absurde Krisenideologie aus, wonach Gelddruckerei nahezu unbegrenzt möglich sei, solange nicht Vollbeschäftigung herrsche).

Die eingangs erwähnte Inflation ist somit nicht nur auf die Pandemie, die voll einsetzende Klimakrise und den Krieg in der Ukraine zurückzuführen,19 sondern auch auf das Ende dieser Liquiditätsblase, bei der die durch Aufkaufprogramme generierte Liquidität aus der Finanzsphäre entweicht und nach handfesten, krisenbeständigen Anlagemöglichkeiten in der realen Welt sucht20 – und die Leitzinserhöhungen sind das einzige Mittel, das der Geldpolitik bleibt, um diesen Preisauftrieb zu bekämpfen.

Risse im Fundament

Erst vor diesem zeitgeschichtlichen Hintergrund wird die fundamentale Neuausrichtung der Geldpolitik voll verständlich, die nun von der US-Notenbank unternommen wird. Falls die Fed dies durchhält, käme dies einem Paradigmenwechsel gleich, der eine rund 14 Jahren andauernde Ära expansiver Geldpolitik beenden würde. Die Zinserhöhungen der Notenbank gehen mit der Reduzierung des „Wertpapierberges“ einher, den die Fed akkumulierte. Die Bilanzsumme der US-Notenbank ist inzwischen von ihrem Höchststand von 8,93 Billionen im Mai 2022 auf 8,62 Billionen reduziert worden.21 Dies geschieht nicht durch aktive Verkäufe auf den Finanzmärkten, sondern durch eine Reduzierung der Neuaufkäufe von fällig gewordenen Anleihen und MBS. Pro Monat sollen so Staatsanleihen im Wert von 60 Milliarden Dollar von der Fed nicht durch Neuaufkäufe ersetzt werden, was eine „vorhersehbare und geschmeidige“ Reduzierung der Bilanzsumme mit sich bringen solle, so die Notenbank.22 Bei MBS beträgt dieser Wert rund 35 Milliarden Dollar pro Monat.

Doch was bedeutet es für das faktische Rückgrat des Weltfinanzsystems,23 für den amerikanischen Anleihemarkt, wenn die US-Notenbank anfängt, weniger US-Staatsanleihen zu kaufen? Mitte November berichtete etwa die Financial Times (FT) über die zunehmenden „Risse im US-Anleihemarkt“, die im Gefolge der geldpolitischen Wende der Fed sichtbar würden.24 Demnach zeige der mit einem Volumen von 24 Billionen Dollar wichtigste Anleihemarkt der Welt inzwischen ähnliche Instabilitäten wie kurz nach Ausbruch der Pandemie, als die „Ängste vor einem Kollaps der Weltwirtschaft“ zu einem Einbruch der „Preise und Liquidität“ führten, warnte die FT. Im Klartext: Niemand wollte mehr US-Staatsschulden kaufen, sodass die Fed mit ihrer „quantitativen Lockerung“ einspringen musste.

Die Financial Times nennt dabei zwei Indikatoren, die inzwischen ein kritisches Krisenniveau, ähnlich dem im März 2020, erreicht hätten. Die Liquidität des Anleihemarktes sei eingebrochen, so dass es schwerfalle, größere Transaktionen abzuwickeln. Demnach falle es Brokern inzwischen schwer, Bondpakete im Wert von 400 Millionen zu handeln, was zuvor einfach über den elektronischen Handel abgewickelt werden konnte. Zudem sei die Markttiefe rasch gesunken. Hiermit wird das Transaktionsvolumen gemessen, ab dem der Marktpreis beeinflusst werden kann. Im Frühjahr 2020, als das Finanzsystem angesichts der Pandemie kurzfristig in Schockstarre überging, konnten Transaktionen im Umfang weniger als 200 Millionen Dollar den Anleihepreis beeinflussen. Nach der abermaligen Runde von Anleihe-Aufkaufprogrammen der Fed ist die Markttiefe wieder auf mehr als 500 Millionen Dollar pro Transaktion geklettert, um nun, nach Einleitung der „monetären Straffung“ durch die Notenbank, abermals auf weniger als 200 Millionen abzustürzen.

Dabei hat sich das Gesamtvolumen des Marktes für die US-Treasuries im 21. Jahrhundert vervielfacht: von rund drei Billionen im Jahr 2000, über mehr als vier Billionen kurz vor dem Platzen der Immobilienblase 2007, bis zu knapp 16 Billionen am Vorabend der Pandemie, 2019. Derzeit beträgt das Marktvolumen, wie erwähnt, circa 24 Billionen. Die Anleihemärkte seien nun „ein fragiler Raum“, mit einer „furchtbaren Liquidität“, klagte ein Investmentbanker gegenüber der FT, was die „Chancen eines Finanzunfalls“ erhöhe. Mit anderen Worten: die Krisenanfälligkeit des Gesamtsystems nimmt rasch zu, nachdem ihm die „Liquiditätsspritzen“ der Notenbanken entzogen worden sind.

Dieses „Gefühl von Anfälligkeit“ auf dem Markt für US-Staatsanleihen stelle aber ein großes Problem für institutionelle Investoren wie Rentenfonds oder ausländische Regierungen dar, die ihr Geld für gewöhnlich in den als sicher und stabil geltenden Treasuries anlegten, so die FT. Der Markt für US-Staatsanleihen fungiert faktisch als das Fundament des Weltfinanzsystems, wo Geld mit der Aussicht auf sichere, niedrige Renditen von Großanlegern wie Rentenfonds oder Versicherungen investiert wird, die auf verlässliche Einnahmen angewiesen sind. Und dieses Fundament zeigt nun laut FT zunehmend „Risse“. Wenn die „Liquidität“ auf dem US-Anleihemarkt nicht mehr gegeben sei, dann impliziere das „auch etwas hinsichtlich der breiten Stabilität der Finanzmärkte“, erklärte ein Analyst gegenüber dem Londoner Wirtschaftsblatt.

Jede Großkrise auf dem Anleihemarkt werde eine Intervention der Notenbank nach sich ziehen, bemerkte hierzu die Financial Times, doch würde dies „nicht die Art von Stabilität und Sicherheit kommunizieren, auf die Investoren auf der ganzen Welt angewiesen“ seien. Vor allem würde diese „Intervention“ aber darauf hinauslaufen, die oben dargelegte „quantitative Straffung“ auszusetzen – und somit zur Gelddruckerei zurückzukehren, die gerade aufgrund der Inflation überwunden werden soll. Die Notenbanken scheinen somit in ihrer eigenen Liquiditätsblase gefangen zu sein,25 da das sich abzeichnende Ende der inflationstreibenden Gelddruckerei Risse aufkommen lässt im Fundament des Weltfinanzsystems.

Die Liquiditätsparty ist zu Ende

Die große geldpolitische Wende der Notenbanken, die mittels monetärer Straffungen die Ära der quantitativen Lockerungen hinter sich lassen müssen, hinterlässt auch auf den Immobilienmärkten ihre Spuren. Die dekadenlange Party, die Hausbesitzer dank der faktischen Nullzinspolitik der Notenbanken feiern konnten, neige sich ihrem Ende entgegen, meldete die Financial Times im Oktober. Die Umsätze auf den Immobilienmärkten in nahezu allen Ballungszentren der USA und Großbritanniens seien im Sinkflug begriffen, während die rasch steigenden Zinsen Sorgen vor zunehmenden Zahlungsausfällen wecken lassen.26 In Deutschland sollen die Hauspreise laut einer Studie des DIW um zehn Prozent fallen.27 Ähnliche Prognosen von „mehr als zehn Prozent“ Wertverlust werden für viele Großstädte in den USA, für Großbritannien und sogar den Großraum London getätigt.

Ein Lindner geht noch, ein Hausmeister geht noch drauf.

Das Problem mit dem scheinbar moderaten Preisverfall besteht darin, dass er in einem inflationären Umfeld stattfindet. Aufgrund der allgemeinen Inflation von rund elf Prozent in Großbritannien summierte sich der reelle Fall der Immobilienpreise auf rund 25 Prozent, der höher wäre „als die schmerzhafte Korrektur nach der Finanzkrise“ von 2007/08, erläuterte die FT. Der wichtigste Unterschied zum damaligen Krisenschub ist hingegen in den sogenannten Subprime-Hypothekenpapieren zu verorten, bei denen Hauskäufer mit schlechter Bonität Hypotheken erhielten, die mit weiteren Hauskrediten gebündelt und als MBS auf den Märkten gehandelt wurden. Diese Hypothekenverbriefungen waren der wichtigste Faktor, der die Weltfinanzkrise ab 2008 eskalieren ließ – und sie sind diesmal kaum in der Finanzsphäre zu finden. Die größere diesbezügliche Stabilität des Immobilienmarktes kommt bei dem Anteil der Hausdarlehen mit geringem Eigenkapitalanteil von weniger als zehn Prozent zum Ausdruck: Auf dem Höhepunkt der Immobilienbonanza lag er in Großbritannien bei sieben Prozent, nun sind es vier Prozent.

Dennoch wird die Zinswende die Anfälligkeit des im Anschwung befindlichen Immobiliensektors und der korrespondierenden Finanzsphäre erhöhen, da die steigenden Zinsen die finanzielle Belastung in der Mittelklasse erhöhen werden und der Abschwung auf dem Immobilienmarkt diesmal nur ein Teilmoment der Krise ist – er tritt somit mit anderen Dynamiken in Wechselwirkung. Millionen von Hypothekennehmern mit variablen Zinssätzen müssen sich somit auf höhere Belastungen durch steigende Zinsen einstellen, während die konjunkturelle Vollbremsung zu rasch fallenden Einnahmen führt. In Großbritannien etwa soll der Lebensstandard in den kommenden zwei Jahren um 7,1 Prozent fallen, was den höchsten Einbruch in den letzten sechs Dekaden markieren würde.28

Die hohen Zinsen und die drohende Rezession im Gefolge der monetären Straffung destabilisieren somit die gesamte Finanzsphäre, die in der vergangenen Dekade mittels der Geldflut der Notenbanken auf Wachstumskurs gehalten wurde. In der Eurozone, wo die geldpolitischen Auseinandersetzungen zwischen dem deutschen Zentrum und der südlichen Peripherie seit der Eurokrise Tradition haben, musste die EZB angesichts dieser Widersprüche zu einem besonderen monetären Spagat ansetzen: Die Leitzinserhöhungen29 und das Ende der Anleiheaufkaufprogramme der EZB30 gingen einher mit dem Auflegen eines neuen Krisenprogramms, des Transmission Protection Instrument (TPI). Das TPI erlaubt es der EZB, im Notfall – sobald wieder der Zinsabstand zwischen deutschen und südeuropäischen Anleihen ansteigt und ein erneutes Auseinanderbrechen des Euroraums droht – abermals Staatsanleihen und Schuldpapiere des privaten Sektors in unbegrenztem Ausmaß aufzukaufen, um den Euro zu stabilisieren. Die europäischen Währungshüter wagen somit ihre monetäre Straffung nur mit einer Art Versicherungspolice, die ihnen notfalls abermalige Gelddruckerei ermöglicht.

Es sind nicht nur die Märkte für Staatsschulden, die, vor allem in der Eurozone,31 unter der akkumulierten Schuldenlast zusammenzubrechen drohen, auch bei den Unternehmensanleihen wird die Luft allmählich dünn, die Labilität und Anfälligkeit für externe Schocks nimmt zu. Die New York Times berichtete Mitte November über die angespannte Lage auf dem Markt für „Corporate Bonds“, wo laut Prognosen im kommenden Jahr 7,5 Prozent aller Anleihen mit geringer Bonität ausfallen könnten.32 Bei den Verbindlichkeiten von Privathaushalten sieht es nicht besser aus: Diese sind in der gegenwärtigen Stagflation in den USA um 15 Prozent angestiegen.33

Generell sind die vielen Schuldenblasen und Instabilitäten in der Finanzsphäre nur Ausdruck der global zunehmenden Schuldenlast, die von rund 200 Prozent der Weltwirtschaftsleistung zu Jahrhundertbeginn auf mehr als 350 im vergangenen Jahr anstieg. In den OECD-Ländern summiert sich dieser Schuldenberg auf 420 Prozent des BIP, in China sind es 330 Prozent.34 Mit jeder globalen Spekulationsblase wuchs diese Verschuldung weiter stark an, wobei ein großer Teil dieser Kredite gerade nicht für profitable Investitionen, sonder für Konsumausgaben aufgewendet wurde. Das System lief schlicht auf Pump – und es war gerade die expansive Geldpolitik, die diesen Schuldenturmbau auf den Weltfinanzmärkten ermöglichte.

Entscheidend für den Verlauf des derzeitigen Krisenschubs ist die sich nun entfaltende Wechselwirkung zwischen Inflation, konjunktureller Vollbremsung und der labilen Finanzsphäre. Die geldpolitische Wende zur monetären Straffung wird die Konjunktur abwürgen, da die Kreditkosten steigen werden, was wiederum auf den Finanzsektor in Gestalt drohender Kreditausfälle ausstrahlen wird. Reale Wirtschaft und Finanzsphäre können sich somit wechselseitig destabilisieren (mal ganz abgesehen von externen Krisenfaktoren, wie neuen klimabedingten Extremwetterereignissen, oder der Gefahr eines Großkrieges).

Die Krisenfalle

Der große Unterschied zum globalen Finanzkrach von 2008/09 und zum pandemiebedingten Krisenschub von 2020 besteht somit in der Inflation, die nun die übliche Krisenpolitik verhindert. Bislang konnten die Notenbanken schlicht die Zinsen senken und mittels quantitativer Lockerung frische Liquidität in den Finanzsektor pumpen, um die Folgen eines Krisenschubs abzufangen. Im Englischen Sprachraum gibt es die Redewendung „to kick the can further down the road“, mit der die kapitalistische Krisenpolitik der vergangenen zwei Dekaden gut umschrieben wird. Der innere Widerspruch eines faktisch auf Pump laufenden spätkapitalistischen Weltsystems, das ans seiner Produktivität erstickt, wurde durch immer neue Spekulationsdynamiken verschleppt und in immer größere Dimensionen getrieben.

Jede Schulden- und Finanzmarktblase wurde nach deren unweigerlichem Platzen durch einen Blasentransfer, durch Nullzinsen und expansive Geldpolitik, in eine weitere, noch größere Spekulationshausse überführt: von der im Jahr 2000 platzenden Internetaktienblase, über die Immobilienblase 2008, bis zur 2020 im Gefolge der Pandemie kollabierenden Liquiditätsblase. Dies ist nicht mehr ohne Weiteres möglich, die Politik findet sich in einer Sackgasse, in einer Krisenfalle,35 da die Inflationsbekämpfung eine straffe Geldpolitik fordert, während die zunehmende Finanzmarktinstabilität und die sich abzeichnende Rezession eigentlich eine lockere, expansive Geldpolitik nahelegen.

Die Notenbanken müssten somit zugleich expansive und straffe Geldpolitik betreiben, was nur auf die Aporie bürgerlicher Krisenpolitik in der Systemkrise verweist, die durch die Spekulations- und Verschuldungsexzesse im Rahmen der neoliberalen Finanzialisierung des Kapitalismus überbrückt wurde. Dieser grundlegende, durch die Bubble-Economy der letzten Jahrzehnte überbrückte Selbstwiderspruch der Krisenpolitik äußert sich inzwischen auch in Konflikten innerhalb der kapitalistischen Funktionseliten. Innerhalb der US-Notenbank Fed kämpfen in aller Öffentlichkeit zwei Fraktionen um den Krisenkurs.36 Während die monetaristischen „Falken“ der Inflationsbekämpfung Priorität einräumen, fordern die „Tauben“ eine Lockerung der geldpolitischen Daumenschrauben durch rasche Zinssenkungen, um die Krisenfolgen zu begrenzen und eine Eskalation zu verhindern.

Beide Seiten haben somit mit ihren Diagnosen am Krankenbett des Kapitals recht: Hohe Zinsen und straffe Geldpolitik würgen die Konjunktur ab und destabilisieren das System, während expansive Geldpolitik und quantitative Lockerungen die Inflation zusätzlich anheizen. Somit sind aber auch die „Therapien“ beider Fraktionen hinfällig. Diese sich seit Jahren abzeichnende Krisenfalle37 der Politik, die durch Blasenbildung auf den Finanzmärkten überbrückt wurde, könnte diesmal zuschnappen, sodass die politische Klasse nur noch den Verlauf der Systemkrise bestimmen kann: Wird die unausweichliche Entwertung des Kapitals die Verlaufsform einer Deflation oder Inflation annehmen?

Bislang gelang es den kapitalistischen Funktionseliten immer wieder, einen jeden Krisenschub in eine abermalige Blasenbildung zu überführen, den manifesten Entwertungsschub des Kapitals hinauszuzögern (the can was kicked further down the road). Doch das heißt nicht, dass diese Strategie der manifesten Krisenverzögerung – insbesondere aufgrund des inflationären Drucks – auch diesmal gelingen wird. Irgendwann bricht das globale Finanzkartenhaus zusammen, was, wie erwähnt, auch in Wechselwirkung mit externen, klimatischen oder geopolitischen, Faktoren geschehen kann.

Dass es diesmal einen harten konjunkturellen Einschlag geben könnte, legt ein zuverlässiger Frühindikator nahe: der linke Blödheitskoeffizient, laut dem sich der Marginalisierungsgrad von Krisentheorie innerhalb der deutschen Linken proportional zum latenten Entfaltungsgrad des kommenden Krisenschubes verhält. Kurz vor der nächsten Wirtschaftskrise will in der Szene niemand mehr was hören von irgendwelchen Krisen.38 Und das ist derzeit vollauf der Fall. Vom akademischen Schnösel bis zum linken Gewerkschaftsfunktionär will man nur noch über Umverteilung reden und soziale Demagogie betreiben, während die innere Schranke des Kapitals, das an seiner eigenen Produktivität erstickt,39 inzwischen schlichtweg geleugnet wird, da sie der intendierten opportunistischen Mitmacherei im Wege steht. Der nächste ökonomische Krisenschub dürfte somit kurz vor der Tür stehen, da auf die opportunistische Ignoranz40 deutscher Linker schon immer Verlass war.

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1 https://www.nytimes.com/2022/11/10/business/economy/october-inflation-data.html

2 https://de.statista.com/statistik/daten/studie/419455/umfrage/leitzins-der-zentralbank-der-usa/

3 https://www.cnbc.com/2022/11/16/feds-daly-sees-rates-rising-at-least-another-percentage-point-as-pausing-is-off-the-table.html

4 https://www.konicz.info/2021/11/16/zurueck-zur-stagflation/

5 https://www.statista.com/statistics/1338105/volcker-shock-interest-rates-unemployment-inflation/

6 https://www.statista.com/statistics/247941/federal-funds-rate-level-in-the-united-states/

7 https://www.bpb.de/shop/zeitschriften/apuz/geldpolitik-2022/507732/zentralbankkapitalismus/

8 https://www.konicz.info/2006/11/30/platzt-die-blase-2/

9 https://www.stlouisfed.org/open-vault/2022/may/how-will-fed-reduce-balance-sheet

10 https://www.konicz.info/2018/02/05/gefangen-in-der-liquiditaetsblase/

11 https://www.konicz.info/2010/03/11/spanische-krankheit/

12 https://www.konicz.info/2015/09/09/anatomie-einer-liquiditaetsblase/

13 https://www.konicz.info/2021/04/13/oekonomie-im-zuckerrausch-weltfinanzsystem-in-einer-gigantischen-liquiditaetsblase/

14 https://www.stlouisfed.org/open-vault/2022/may/how-will-fed-reduce-balance-sheet

15 https://www.konicz.info/2022/06/11/fed-und-ezb-in-geldpolitischer-sackgasse/

16 https://fred.stlouisfed.org/series/WALCL

17 https://www.konicz.info/2021/01/30/hedge-fonds-gamestop-und-reddit-kleinanleger-die-grosse-blackrock-bonanza/

18 https://www.nd-aktuell.de/artikel/1146327.modernen-monetaeren-theorie-gelddrucken-bis-zur-vollbeschaeftigung.html

19 https://www.konicz.info/2022/07/27/ruhm-und-aehre/

20 https://www.konicz.info/2021/08/08/dreierlei-inflation/

21 https://fred.stlouisfed.org/series/WALCL

22 https://www.stlouisfed.org/open-vault/2022/may/how-will-fed-reduce-balance-sheet

23 https://www.konicz.info/2022/07/22/schuldenberge-in-bewegung/

24 https://www.ft.com/content/632411eb-c3fa-4351-a3b6-b0e30bdc0ef7

25 https://www.konicz.info/2018/02/05/gefangen-in-der-liquiditaetsblase/

26 https://www.ft.com/content/528500c8-7cfa-4aaf-9fca-7692aafeb9ce

27 https://www.faz.net/aktuell/finanzen/zinswende-immobilienwert-koennte-um-bis-zu-10-prozent-fallen-18482215.html

28 https://www.ft.com/content/5f081f77-ed30-4a06-864e-7e4cc3204017

29 https://www.ecb.europa.eu/press/pr/date/2022/html/ecb.mp221027~df1d778b84.de.html

30 https://www.derstandard.de/story/2000136438818/ezb-stoppt-ankaeufe-von-anleihen-was-sind-die-folgen

31 https://www.derstandard.de/story/2000136438818/ezb-stoppt-ankaeufe-von-anleihen-was-sind-die-folgen

32 https://www.nytimes.com/2022/11/10/business/economy/corporate-bonds-fed-interest-rates.html

33 https://www.cnbc.com/2022/11/16/credit-card-balances-jump-15percent-as-americans-fall-deeper-in-debt.html

34 https://www.marketwatch.com/story/high-debts-and-stagflation-have-set-the-stage-for-the-mother-of-all-financial-crises-11670004647

35 https://www.heise.de/tp/features/Politik-in-der-Krisenfalle-3390890.html

36 https://www.ft.com/content/2fc01b1e-fe5b-43b2-825f-bf6a3679a9fd

37 https://www.heise.de/tp/features/Politik-in-der-Krisenfalle-3390890.html

38 https://www.konicz.info/2020/12/09/der-linke-bloedheitskoeffizient/

39 https://oxiblog.de/die-mythen-der-krise/

40 https://www.konicz.info/2022/10/06/opportunismus-in-der-krise/

Urheberrecht
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Oben      —     Christian Lindner, Politiker (FDP), Wahlkampfveranstaltung in München (September 2021). Titel des Werks: „Christian Lindner im Wahlkampf 2021“

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Software Chat GPT

Erstellt von Redaktion am 8. Dezember 2022

Das Ende der irrelevanten künstlichen Intelligenz

Eine Kolumne von Chat GPT und Sascha Lobo

Was kommt heraus, wenn man der gefeierten Software Chat GPT befiehlt: »Erzähl mir interessante Anwendungsfälle über KI-Chat bots und beginne mit einer Anekdote«? – Ein Text wie dieser.

Eine interessante Anekdote über den Einsatz von KI-Chatbots ist die Geschichte von Xiaoice, einem von Microsoft in China entwickelten Chatbot. Xiaoice wurde entwickelt, um natürliche, menschenähnliche Gespräche mit Menschen zu führen, und sie wurde schnell bei den Nutzern beliebt, die sich gern mit ihr unterhielten. Viele NutzerInnen haben Xiaoice so sehr ins Herz geschlossen, dass sie gar nicht merkten, dass sie ein Chatbot war, und einige behaupteten sogar, in sie verliebt zu sein.

In naher Zukunft werden KI-Chatbots ein fester Bestandteil unseres täglichen Lebens sein. Diese intelligenten, dialogfähigen Agenten werden in der Lage sein, uns bei einer Vielzahl von Aufgaben zu unterstützen, von den alltäglichen bis hin zu den komplexen. Die Zukunft der Chatbots, insbesondere von ChatGPT, wird wahrscheinlich so aussehen, dass sie ein integraler Bestandteil unseres täglichen Lebens sind. ChatGPT, ein großes Sprachmodell, das von OpenAI trainiert wurde, hat bereits bewiesen, dass es in der Lage ist, natürliche, menschenähnliche Gespräche über eine breite Palette von Themen zu führen. Diese Fähigkeit, kombiniert mit der Bequemlichkeit und Zugänglichkeit von Chatbots, macht sie zu einer vielversprechenden Technologie für den täglichen Gebrauch.

Einer der interessantesten Anwendungsfälle für KI-Chatbots ist der Kundendienst. Chatbots können eine große Anzahl von Kundenanfragen bearbeiten, sodass sich die menschlichen Kundendienstmitarbeiter auf komplexere Probleme konzentrieren können. Außerdem können Chatbots schnelle und präzise Antworten auf häufige Fragen geben und so das Kundenerlebnis verbessern. Ein weiterer interessanter Anwendungsfall für KI-Chatbots ist das Gesundheitswesen. Chatbots können eingesetzt werden, um Patienten mit Informationen zu versorgen und ihnen zu helfen, ihre Gesundheit zu verwalten und fundierte Entscheidungen zu treffen. So könnte ein Chatbot beispielsweise Informationen über Symptome und Behandlungsmöglichkeiten liefern oder Patienten an die Einnahme ihrer Medikamente erinnern. Dies kann vor allem für Menschen mit chronischen Erkrankungen nützlich sein, die kontinuierliche Unterstützung benötigen.

Ein dritter interessanter Anwendungsfall für KI-Chatbots ist die Bildung. Chatbots können eingesetzt werden, um Schülern und Studenten personalisierte Lernerfahrungen zu bieten und den Inhalt und das Tempo des Unterrichts auf die Bedürfnisse jedes Einzelnen abzustimmen. Ein Chatbot könnte zum Beispiel einem Schüler beim Lernen für eine Prüfung helfen, indem er Übungsfragen und Feedback bereitstellt. Dies könnte ein wertvolles Hilfsmittel sein, das den Schülern hilft, effektiver zu lernen. Sie könnten im Finanzwesen eingesetzt werden, indem sie personalisierte Anlageberatung anbieten und den Menschen helfen, ihre Finanzen effektiver zu verwalten. Und sie könnten sogar im Unterhaltungsbereich eingesetzt werden, um den Nutzern ansprechende und personalisierte Erlebnisse zu bieten.

Es gibt jedoch auch potenzielle Gefahren, die mit dem weit verbreiteten Einsatz von ChatGPT und anderen Chatbots verbunden sind. Eine Sorge ist das Missbrauchs- und Manipulationspotenzial. Chatbots können, wie jede Technologie, für schändliche Zwecke eingesetzt werden. Sie könnten zum Beispiel dazu verwendet werden, falsche Informationen zu verbreiten oder andere zu belästigen und einzuschüchtern. Dies ist besonders besorgniserregend, da Chatbots in der Lage sind, überzeugende Unterhaltungen mit Menschen zu führen. Eine weitere potenzielle Gefahr ist die Möglichkeit, dass Chatbots die menschliche Interaktion ersetzen. Obwohl ChatGPT und andere Chatbots wertvolle Hilfe und Bequemlichkeit bieten können, sollten sie nicht als Ersatz für menschliche Kontakte angesehen werden. In einigen Fällen könnten sich Menschen zu sehr auf Chatbots verlassen und ihre Fähigkeit verlieren, effektiv mit anderen Menschen zu kommunizieren. Dies könnte sowohl für den Einzelnen als auch für die Gesellschaft als Ganzes negative Folgen haben.

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Außerdem wirft der Einsatz von ChatGPT und anderen Chatbots ethische Fragen auf. Da diese Technologien immer fortschrittlicher werden, könnten sie in der Lage sein, Aufgaben zu übernehmen, die bisher nur für Menschen möglich waren. Dies könnte zu Problemen bei der Beschäftigung und der Verdrängung von Arbeitnehmern führen. Für die Gesellschaft ist es wichtig, diese ethischen Bedenken zu berücksichtigen und sich mit ihnen auseinanderzusetzen, wenn der Einsatz von Chatbots weiter verbreitet wird.

Insgesamt hat der zukünftige Einsatz von ChatGPT und anderen Chatbots das Potenzial, unser tägliches Leben erheblich zu verbessern. Es ist jedoch wichtig, sich der potenziellen Gefahren bewusst zu sein und Maßnahmen zu ergreifen, um diese zu entschärfen. Dies kann eine sorgfältige Regulierung des Einsatzes von Chatbots sowie einen ständigen Dialog über ihre ethischen Implikationen beinhalten. Wenn wir uns mit diesen Fragen auseinandersetzen, können wir sicherstellen, dass ChatGPT und andere Chatbots auf verantwortungsvolle und nützliche Weise eingesetzt werden.


Über Jahre haben Fachleute von künstlicher Intelligenz (KI) gesprochen, aber im Alltag hat man davon wenig bis gar nichts bemerkt. Vieles, was Unternehmen darüber erzählten, war übertrieben, sachlich falsch oder gleich ganz ausgedacht. 2019 untersuchte eine britische Venture-Capital-Firma 2830 Start-ups in Europa, die behaupteten, mit KI zu arbeiten . Bei rund 40 Prozent davon stimmte das zumindest zum Untersuchungszeitpunkt nicht. Kein Wunder, dass manche Netzkundige KI als Hype oder gar teilweisen Betrug bezeichnen wollten.

Im Hintergrund aber wurde und wird KI intensiv eingesetzt, von praktisch allen großen Techkonzernen und vielen kleineren Start-ups auch. KI ist nicht weniger als die nächste Stufe der Digitalisierung. Es war nur für die Öffentlichkeit bisher wenig greifbar, weil unsichtbar und unzugänglich.

Quelle       :       Spiegel-online         >>>>>>          weiterlesen     

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Demokratie oder Autokratie?

Erstellt von Redaktion am 8. Dezember 2022

Die regelbasierte Weltordnung – und ihre Feinde

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Quelle     :     Untergrundblättle – CH

Von        :        Manfred Henle

Die „wunderbare regelbasierte Weltordnung“1 sieht sich seit längerem verschiedenen, ärgerlichen, in ihrer Sicht unzumutbaren und nicht weiter hinnehmbaren Herausforderungen ausgesetzt.

1. Zwei Störenfrieden gegenüber der westlichen Welt und ihrer „regelbasierten Weltordnung“

Die „wunderbare regelbasierte Weltordnung“ (R.Dillmann, 9.6.2022)1 sieht sich seit längerem verschiedenen, ärgerlichen, in ihrer Sicht unzumutbaren und nicht weiter hinnehmbaren Herausforderungen ausgesetzt. Für die regelbasierte Weltordnung westlicher Machart und ihre sachkundigen Veranstalter, Betreuer und Verteidiger ist das kein Grund, den Kopf hängen zu lassen, vielmehr willkommener Anlass zu neuen Grosstaten in Sachen Geo- und Weltpolitik. Weniger werden die Herausforderungen dadurch nicht. Und gemütlicher wird die Welt noch weniger. Grund genug, den Antworten der Macher und der Widersacher der regelbasierten Weltordnung ein wenig nachzugehen und sie einmal explizit zu Wort kommen zu lassen. Die eine oder andere historische Erinnerung empfiehlt sich hin und wieder durchaus, blickt die regelbasierte Weltordnung inzwischen immerhin auf eine seit 1945 währende „Erfolgs“-Geschichte zurück. Die, wie es heute heisst, „Autokratien“ Iran und Nordkorea spielen neben Russland nicht von ungefähr von Anbeginn an bis auf heute eine prominente Rolle inmitten der regelbasierten Weltordnung; und mit Aufkommen der VR-China scheint für diese Weltordnung ernsthaft Einiges auf dem Spiel zu stehen.

1.1 Störenfried Iran

Mit dem unerlaubten Staatsumsturz/“Regime Change“ 1979 durch Ayatollah Chomeini und der Umpolung der persischen Staatsräson von einem mit den USA befreundeten Verbündeten und brutalen Folterstaat unter Schah Reza Pahlavi zu einem antiamerikanisch-antiwestlichen schiitischen Gottes-Staat, hat sich der Iran von heute auf morgen die dezidierte Feindschaft der USA bzw. des Westens zugezogen. Radikalisiert haben die USA diese Feindschaft umso erklärter, als der Iran speziell in Konkurrenz und Gegensatz zu den westlichen „Partnern“ Saudi-Arabien und Israel Regionalmacht-Ambitionen praktisch geltend macht. Diese Ambitionen setzt der Iran mit Diplomatie und mit Proxy-Gruppen um: Hamas, Hizbollah, Houthis, Al-Qud-Brigaden, letztere lange Zeit unter Quasem Soleimani’s Führung bis zur Erledigung dieses „Hurensohns“ (D.Trump) durch eine US-Drohne am Flughafen in Bagdad am 2. Januar 2020. Aussenpolitisch mischt der regional ambitionierte Iran im arabischen Krisenbogen also dahingehend mit, dass er eine antisunnitisch-schiitische Achse oder Halbmond kreieren will. Und mit der Unterstützung Syriens bekundet der Iran, dass er weiterhin nicht bereit ist, sich umstandslos den von den USA erlassenen regionalpolitischen Regeln und (Benutzungs-) Vorschriften für diese Region zu fügen.

Damit verletzt der Iran die globalen Interessen der Weltordnungsmacht Nr.1 an und in dieser Region. Dass Irans Atomprogramm zur friedlichen Nutzung der Kernenergie dem US-westlichen Verdacht unterliegt, sich ohne Genehmigung durch die atomare Weltsupermacht USA atomar bewaffnen zu wollen, ist somit kein Wunder. Dieser US-Regeln und Vorgaben verletzende Störenfried ist mitsamt seinen orientalisch-fremdartigen Mullah-Regimen definitiv als aussen- und welt-/geopolitischer Feind markiert, sieht sich als „Schurkenstaat“ der Kapitulationsforderung der USA gegenüber und steht ganz oben auf der Abschussliste der wertegeleiteten USA. Irans ambitionierter Selbstbehauptungswille verdient deshalb ein seit 1979 erlassenes Sanktionsregime, und zwar eines Sanktionsregimes unter „maximalen Druck“ (D.Trump) mit der Perspektive eines Staatsumsturzes/Regime Change von US-Gnaden: Unter anderem mit der Zielsetzung der massiven Verarmung der iranischen Bevölkerung, um den Boden eines neuerlichen, diesmal vor allem innenpolitisch vorangetriebenen Staatsumsturz zu bereiten.

Jüngere Ereignisse bestätigen den negativen Befund über den Iran und befördern die Entschlossenheit der USA, den heutigen Iran zu erledigen. Der Tod der 22-jährigen Kurdin Masha Amini bietet dabei zugleich die wunderbare Gelegenheit, die deutsche „feministische Aussenpolitik“ im Zuge ihrer offensiven Einmischung ins Weltgeschehen ins Spiel und ins allgemeine Bewusstsein zu rücken, ihre moralische Erhabenheit und ihren Humanismus vor aller Welt zur Schau zu stellen, weitere Sanktionen zu erlassen und, im Wissen, dass kein Staat der Welt dem „Druck der Strasse“ gewaltfrei nachgibt, Aufrufe an die Protestierenden zum „Weiter so!“ zu senden:

– braucht die iranische Zivilgesellschaft, die täglich neue Massstäbe für die Definition von Mut setzt, unsere Unterstützung. Auch wenn es aktuell kaum möglich ist, Menschenrechtsprojekte in Iran selbst zu unterstützen, ist es wichtig, dass unsere Solidarität mit den Protestierenden auf Irans Strassen auch konkret spürbar wird.“ (A.Baerbock, 26.10.2022)2

Solch aufmunternde, den „Mut“ vor Ort befördernde und „konkret spürbare“ Unterstützung, die die Ukrainerinnen und Ukrainer seit dem 24. Februar 2022 ganz praktisch in den Opfergang treibt, will die feministische deutsche Aussenpolitik den Iranerinnen und Iranern gleichfalls angedeihen lassen und hat ja darin bereits einigen Erfolg zu vermelden: die Proteste und die staatliche Niederschlagung der Proteste dauern an – was wiederum die moralische Güte und den Humanismus der deutschen „feministischen Aussenpolitik“ zur Anschauung bringt.

Und was leistet sich der Iran ungeachtet des „maximalen Drucks“ durch das Sanktionsregime? Er liefert(e) Russland Drohnen im Ukrainekrieg. Nach der unmissverständlichen Klarstellung seitens der Weltsupermacht, dass exklusiv die USA und im Verbund mit ihr die NATO und die EU es sind, die darüber befinden wer das Recht hat, wann, wem, in welchem Umfang und von welcher Qualität Waffen zur Fortführung eines laufenden Gemetzels namens „Krieg“ zu liefern, hat der Iran den Tatbestand einigermassen defensiv zugegeben:

„Bislang hatte der Iran bestritten, Russland mit Drohnen versorgt zu haben, die im Krieg gegen die Ukraine zum Einsatz kommen. Nun räumt der Aussenminister des Landes ein, man habe vor dem Krieg eine „geringe Zahl“ geliefert.“ (Tagesschau, 5.11.2022)3

Dennoch ist zu konstatieren: In seinen Regionalmacht-Ambitionen gibt der Iran nicht nach, legt vielmehr ein aussenpolitisches Gebaren an den Tag, das grundsätzlich den USA und den in der NATO und in der EU verbündeten Wertepartnern vorbehalten bleibt:

„Vor allem der Iran mischt sich in die inneren Angelegenheiten seiner Nachbarn ein, verbreitet über Stellvertreter Raketen und Drohnen, plant Anschläge auf Amerikaner, auch auf ehemalige Beamte, und treibt ein Atomprogramm voran, das über jeden glaubwürdigen zivilen Bedarf hinausgeht.“ (Biden-Harris National Security Strategy, October 2022 )

Neben dem Iran macht sich ein weiterer Selbstbehauptungswille, der sich der US-geführten westlichen Welt und ihrer globalen regelbasierten Weltordnung nicht umstandslos fügen will bemerkbar und ist deshalb im Licht der westlichen Welt-Öffentlichkeit moralisch betrachtet durchwegs negativ markiert.

1.2 Störenfried Nordkorea

„Die Vereinigten Staaten sind eine Weltmacht mit globalen Interessen. Wir sind in jeder Region stärker, weil wir uns auch in den anderen Regionen engagieren .“ (Biden-Harris National Security Strategy, October 2022 )4

Als Weltmacht mit globalen Interessen sind die USA und die von ihr nach dem Zweiten Weltkrieg geschaffene regelbasierte Weltordnung global allzeit höchst verletzlich. Dementsprechend erteilten und erteilen die USA sich den Auftrag, ihre Interessen und die ihnen gemässe Weltordnung global mit allen zu Gebote stehenden Mitteln zu „verteidigen“. Dass sich die USA als die einzig rechtmässige und exklusive Weltordnungsmacht verstehen und es aufgrund ihres nach wie vor unerreichbaren (militärischen) Gewaltpotenzials auch sind, ist somit allgemein anerkannt und gleichsam ungeschriebenes, aber geltendes Völkerrecht.

Ihre Überlegenheit in Sachen Atomwaffen ist dabei die erste und die letzte Garantie der „Freiheit“, globale Interessen zu haben und diese wann und wo zu verteidigen. Jede unstatthafte Eigenmächtigkeit oder Unbotmässigkeit eines nationalen Souveräns bzw. Staates innerhalb der Völkerfamilie ist ein „Angriff“ auf die Freiheit, als unantastbare Weltordnungsmacht Nr. 1 die globalen US-Weltordnungs-Interessen gegen wen auch immer durchzusetzen.

Datei:Nordkorea-Pjöngjang-Sunan International Airport-02.jpg

Auch in Nordostasien, in einer Region, in der sich ein anderer Störenfried eigenmächtig die Freiheit nimmt, den für diese Region von den USA erlassenen Verhaltens- und Benutzungsregeln nicht zu gehorchen. Dort hat sich Nordkorea, einmal mit Hilfe der UdSSR installiert und sowjetfreundlich ausgerichtet, dem US-Anspruch in Sachen Geschäft und Gewalt sichernder, regelbasierter Weltordnung von Anbeginn an entzogen. Das hat Nordkorea die unnachgiebige Feindschaft seitens den USA und den, von den USA auch als Stellvertreterkrieg gegen die UdSSR und China konzipierten Koreakrieg (1950-1953) mit etwa 4,5 Millionen Toten, nicht zu zählenden Kriegsverbrechen im US-Bombenkrieg gegen Nordkorea zunächst einmal eingebracht. Ein Blick in die Archive hat zum Ergebnis:

„Napalm über Nordkorea. Während in den Augen von US-Präsident Bush Nordkorea mit seinem Atomwaffenprogramm zur „Achse des Bösen“ gehört, hat sich Amerika wie selbstverständlich die Rolle des unschuldigen Riesen zu Eigen gemacht. Dabei waren es gerade die Vereinigten Staaten, die seit den 1940er-Jahren in Nordostasien immer wieder Massenvernichtungswaffen eingesetzt haben. In welchem Ausmass die US Air Force Nordkorea zerstört hat, zeigt ein Blick in die Archive.“ (Bruce Cumings, Le Monde diplomatique,10.12.2004)5

Ungebrochen hält Nordkorea allerdings an seinem unbotmässigen nordkoreanisch-nationalen Selbstbehauptungswillen fest, arbeitet ungeachtet aller US-Kriegs-Drohungen und Sanktionen unter „maximalen Druck“ daran, diesen Willen mittels seines Atomwaffenprogramms unangreifbar zu machen; und ist so frei, der ganzen Welt, allen voran den USA, mit einem präventiven atomaren Erstschlag zu drohen:

„Nordkorea: Neues Gesetz erlaubt Kim Jong-un atomaren Erstschlag gegen „feindliche Kräfte. Machthaber Kim Jong-un kann einen atomaren Erstschlag ausführen, um „feindliche Kräfte“ zu zerstören.

Pjöngjang – Nordkorea hat per Gesetz einen atomaren Präventivschlag für zulässig erklärt. Zugleich stufte das isolierte Land seinen Status als Atomwaffen-Staat als „irreversibel“ ein, wie staatliche Medien am Freitag (9. September) berichteten […] USA und Südkorea fordern Denuklearisierung von Nordkorea. Mit „Denuklearisierung“ meinen die USA und Südkorea den kompletten Abbau des nordkoreanischen Atomprogramms, das in den vergangenen Jahren international immer wieder für Schlagzeilen sorgte. Indem es an dem Programm festhält, nimmt Nordkorea auch harte internationale Sanktionen in Kauf, die seine wirtschaftliche Entwicklung schon seit Jahren hemmen.“(FR, 9.9.2022)6

Geholfen haben die internationalen Sanktionsregime gegen Nordkorea und seine Bevölkerung bislang nicht, vielmehr ist zu konstatieren: „Die Demokratische Volksrepublik Korea (DVRK) baut ihre illegalen (sic!) Atomwaffen- und Raketenprogramme weiter aus.“ (Biden-Harris National Security Strategy, October 2022 )

Anstatt also seine, auch nukleare, Kapitulationsurkunde zu unterschreiben, beansprucht Nordkoreas Selbstbehauptungswille atomar mit den USA gleichzuziehen:

„Der Ständige Ausschuss der Obersten Volksversammlung der Demokratischen Volksrepublik Korea hat am Samstag ein Dekret über die Verleihung des Titels „Held der DVRK“, der Goldsternmedaille und des Ordens der Nationalflagge 1. Klasse an die Trägerrakete Nr. 321 des neuen Typs der ICBM Hwasongpho-17 erlassen, die vor der Welt eindeutig bewiesen hat, dass die DVRK eine vollwertige Atommacht ist, die sich gegen die nukleare Vorherrschaft der US-Imperialisten behaupten kann, und ihre Macht als mächtigster ICBM-Staat voll und ganz demonstriert hat.

Der Testabschuss der ICBM des neuen Typs Hwasongpho-17, der mit Stolz durchgeführt wurde, um die Würde und Souveränität unseres grossen Staates zu demonstrieren, ist ein historisches Ereignis […]“ (RODONG.REP.KP, Nov. 27,Juche 111 /2022)7

Als konsequenter Nutzniesser und Verteidiger der US-geschaffenen regelbasierten Weltordnung sieht sich auch Deutschland herausgefordert und übernimmt aussen- und weltpolitische Verantwortung, ergreift die Gelegenheit, angesichts iranischer und nordkoreanischer Widersetzlichkeit auch in diesen Regionen sich explizit zu Wort zu melden:

„Iran hat für viele seiner Nuklearaktivitäten keine Rechtfertigung […] Diese Konferenz sollte ausserdem Einigkeit in der Ablehnung der schwersten Verletzung des NVV demonstrieren: Nordkoreas Kernwaffenprogramm. Dies bedeutet, sich entschieden für eine vollständige, verifizierbare und unumkehrbare Denuklearisierung der nordkoreanischen Halbinsel einzusetzen.“ (A.Baerbock, Auftaktveranstaltung zur Entwicklung einer Nationalen Sicherheitsstrategie, 18.03.2022)8

Indem die Störenfriede Iran und Nordkorea sich nicht umstandslos fügen, verletzen sie den Anspruch der Weltordnungs- und Weltaufsichtsmacht USA, ihre globalen Interessen und der von ihr geschaffene regelbasierten Weltordnung in jeder Region der Erde unwidersprochen Geltung und praktisch wirksame Beachtung zu verschaffen:

„Wenn eine Region im Chaos versinkt oder von einer feindlichen Macht beherrscht wird, wirkt sich dies nachteilig auf unsere Interessen in den anderen Regionen aus.“(Biden-Harris National Security Strategy, October, 2022)

Darüber hinaus eröffnen der Iran und Nordkorea mit ihrer jeweiligen Beanspruchung und Nutzung der Atomenergie die heisse Nuklearwaffen-Frage. Und diese Frage geht zuallererst die USA etwas an, ruht ihre bislang unangefochtene welt- und geopolitische Dominanz auf ihrer atomaren Dominanz: auf der Fähigkeit, zu jeder Zeit an jedem Ort der Welt auf jeder Eskalationsstufe den atomaren Schlagabtausch so zu führen, dass der nuklear bewaffnete Gegner gewiss sein kann, in einem atomaren Krieg zu unterliegen: das Nuklear-Waffen-Ideal des „Global First Strike“ und der „Full Spectrum Dominance“ haben bislang nur die USA wahrgemacht; und sie bestehen im Interesse der globalen Geltung ihrer regelbasierten Weltordnung darauf und tun weltweit alles dafür, dass diese ihre atomare, durch alle Eskalationsstufen hindurch überlegene Suprematie und Verfügungsfreiheit in aller Asymetrie niemals durch wen auch immer relativiert wird.

Fussnoten:

1 Unter: https://www.untergrund-blättle.ch/politik/europa/ukraine-weltordnung-voelkerrechtsbruch-7088.html 1

2 So die Aussenministerin A.Baerbock zur Lage im Iran, 26.10. 2022, unter: https://www.auswaertiges-amt.de/de/newsroom/-/2560410

3 Unter: https://www.tagesschau.de/ausland/europa/ukraine-iran-drohnen-103.html

4 Unter: https://www.whitehouse.gov/wp-content/uploads/2022/10/Biden-Harris-Administrations-National-Security-Strategy-10.2022.pdf

5 Der „Blick in die Archive“ lohnt sich auch heute noch allemal, siehe unter: https://monde-diplomatique.de/artikel/!662464

6 Unter: https://www.fr.de/panorama/nordkorea-neues-gesetz-erlaubt-kim-jong-un-atomaren-erstschlag-gegen-feindliche-kraefte-91777713.html

7 Unter: http://rodong.rep.kp/en/index.php?MTJAMjAyMi0xMS0yNy1IMDAxQDJAMUBAMEAx==

8 Unter: https://www.auswaertiges-amt.de/de/newsroom/baerbock-nationale-sicherheitsstrategie/2517738

Soweit nicht anders angegeben und keine Quellenangabe (Name einer Organisation oder Internet-Adresse) vorhanden ist, gilt für die Texte auf dieser Webseite eine Copyleft (Public Domain) Lizenz.

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Grafikquellen          :

Oben         —       Teheran im Jahr 2017 (fotografiert von Wojciech Kocot)

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Unten         —        Sunan International Airport – Reise nach Nordkorea im Juni 2008

Verfasser Namensnennung an (Stephan) bei Flickr und http://nk.subnetwork.org/     /  Quelle : https://www.flickr.com/photos/fljckr/2603172669    /    Datum     :  7. Juni 2008

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Politik auf Provinzniveau

Erstellt von Redaktion am 4. Dezember 2022

Der Ampel-Ausfall nach Niedersachsen

Ampelmännchen Scholz mit der roten Laterne als Schlusslicht ?

Von Albrecht von Lucke

Am 9. Oktober, dem Tag der Niedersachsen-Wahl, ging nicht nur das kleine Superwahljahr 2022 mit insgesamt vier Landtagswahlen zu Ende, sondern auch eine Ära – die der großen Koalitionen. Was 2005 mit der ersten Merkel-Regierung begann und bald 20 Jahre prägen sollte, endete in Hannover mit der nun „abgewählten“ letzten GroKo. Heute wissen wir, was wir dieser schwarz-roten Ära alles verdanken: Aus Krise wurde Katastrophe, in ökologischer Hinsicht, aber auch energie- und exportpolitisch. Was von 16 Jahren Merkel in erster Linie bleibt, sind ökonomische Abhängigkeiten von den Autokratien in Russland und China sowie verschenkte Jahre, was die ökologische Wende anbelangt.

Und doch spricht inzwischen einiges dafür, dass man die GroKo schon bald wieder herbeisehnen könnte – und zwar aufgrund ihrer Nachlassverwalterin. Denn wie sich die Ampel-Koalition nach nicht einmal einem Jahr präsentiert, ist ein Desaster: Über Wochen herrschte Hauen und Stechen, vor allem zwischen FDP und Grünen, während sich der Kanzler viel zu lange in Passivität erging – bis er dann am 17. Oktober sein „Machtwort“ sprach. Doch indem Olaf Scholz den Weiterbetrieb dreier AKWs per ordre de mufti (und der Gewaltenteilung zum Trotz[1]) anordnete, stellt er faktisch das Gegenteil unter Beweis: nämlich seine Ohnmacht in Form fehlender argumentativer Autorität und Führungsstärke.

Tatsächlich ist ein derartiger Gebrauch der Richtlinienkompetenz in schriftlicher Form in der Geschichte der Republik präzedenzlos. Helmut Schmidt, Olaf Scholz‘ großes Vorbild, war stolz darauf, diese Macht nie eingesetzt zu haben, weil er argumentativ überzeugende Kompromisse zwischen den Koalitionspartnern schmieden konnte. Und Angela Merkel musste in den 16 Jahren ihrer Regentschaft nur einmal auf ihre Richtlinienkompetenz verweisen, ohne sie letztlich einzusetzen – und das in einer weit dramatischeren Situation und der vielleicht größten Krise ihrer Kanzlerschaft, nämlich im Streit mit CSU-Chef Horst Seehofer um die von ihm geforderte Zurückweisung von Flüchtlingen an der deutschen Grenze.[2]

Dagegen musste Olaf Scholz schon jetzt, nach nicht einmal einem Jahr im Kanzleramt, sein schärfstes Schwert zücken. Das bereits zeigt, dass wir es mit einem immensen Autoritätsverlust an der Spitze der Ampel zu tun haben.

Das bedeutet zwar noch nicht die Kernschmelze dieser Koalition, doch der AKW-Streit bringt nicht nur ein personelles Kommunikations- und Führungsproblem zum Ausdruck, sondern er verweist auch auf ein noch fundamentaleres, in der Struktur der Koalition angelegtes Problem. Da es sich bei der Ampel um die erste Dreierverbindung auf Bundesebene mit Partnern aus konträren Lagern handelt, haben wir es schon von ihrer Anlage her mit der fragilsten Koalition in der jüngeren Geschichte der Republik zu tun – und das fatalerweise in der größten Krise dieses Landes. Denn die historische Zäsur des 24. Februars, der Beginn von Putins Angriffskrieg gegen die Ukraine, hat alles verändert und den Koalitionsvertrag in weiten Teilen zur Makulatur gemacht. Das gilt in erster Linie für die Energiefrage, denn mit dem Wegfall billigen russischen Gases fehlt die immer schon eingepreiste Brückentechnologie als die entscheidende Grundvoraussetzung für die sozial-ökologische Transformation. Zugleich tritt damit die Frage der energetischen Versorgungssicherheit für Wirtschaft und Gesellschaft in den Mittelpunkt staatlichen Handelns.

FDP: Opposition in der Regierung

Die drei Parteien der Ampel und vor allem ihre zentralen Akteure – Scholz, Robert Habeck und Christian Lindner – haben dieser fundamentalen energiepolitischen Zäsur jedoch nie wirklich und gemeinsam Rechnung getragen und sich auf eine neue Geschäftsgrundlage dieser Koalition verständigt, die der veränderten Lage gerecht würde. Insofern ist es keineswegs zufällig, dass jetzt die Energiefrage – und speziell das Problem der Atomkraft – zum Knackpunkt der Ampel geworden ist. Ein, so die Ironie der Geschichte, letztes Erbe Angela Merkels, die nach langen Irrungen und Wirrungen 2011 den Wieder-Ausstieg aus der Atomkraft beschlossen hatte.

Bis heute fehlt der Ampel hier eine klare, einheitliche Position als gemeinsame Basis, auf die sich alle Partner verständigen könnten. Eine Koalition kann jedoch nur dann funktionieren, wenn es ihr gelingt, eine Win-win-Situation für alle herzustellen. In der Ampel ist das Gegenteil der Fall: Obwohl sie zu Beginn vollmundig einen neuen „politischen Stil“ und eine „Kultur des Respekts“ versprach, spielt inzwischen jeder auf eigene Rechnung – und auf Kosten der Koalitionspartner.

Das gilt vor allem für die FDP. Ihr strategisches Geschäftsmodell bestand von Anfang an in dem Versuch, sich als das liberale Korrektiv, als „die einzige liberale Partei der Mitte“ (Lindner) gegen die beiden „linken Parteien“ in der Koalition zu profilieren, um auf diese Weise bürgerliche Wählerinnen und Wähler nicht an die Union zu verlieren. Und nach der verheerenden Niederlage der FDP in Niedersachsen, der vierten in diesem Jahr, hat die Partei diesen Kurs noch radikalisiert. Man müsse verhindern, „dass linke Projekte in dieser Koalition umgesetzt werden“, so Generalsekretär Bijan Djir-Sarai in der Berliner Runde. Es gehe daher darum, so FDP-Chef Lindner, „wie wir die Positionslichter der FDP anschalten“.

Tatsächlich handelt es sich für die FDP um eine existenzielle Frage. Denn bei den vier Landtagswahlen dieses Jahres hat sie ihre Ergebnisse fast halbiert. Doch während sich die Grünen in Reaktion auf den 24. Februar in zentralen Fragen massiv bewegt haben, hält die FDP unerbittlich an ihren Positionen im Koalitionsvertrag fest, insbesondere an der Einhaltung der Schuldenbremse.

Dabei sieht das Grundgesetz in Artikel 109 Absatz 3 explizit eine Ausnahme vor – und zwar „für außergewöhnliche Notsituationen, die sich der Kontrolle des Staates entziehen und die staatliche Finanzlage erheblich beeinträchtigen“. Putins Krieg gegen die Ukraine mit seinen immensen Auswirkungen nicht nur auf die Energieversorgung ist zweifellos ein solcher Fall. Der verfassungsrechtlich saubere Weg wäre es daher, eine solche Ausnahme auch zu erklären – stattdessen legt Lindner immer neue Schattenhaushalte an, indem er neue Schulden einfach als Sondervermögen deklariert.

Hier zeigt sich das ganze Dilemma der FDP und damit der gesamten Koalition. Offensichtlich sieht Lindner gar keine andere Möglichkeit, als dieser Pfadabhängigkeit weiter zu folgen, die da lautet: Keine Konzessionen an die neue Lage, sondern Konfrontationskurs gegen die Mitkoalitionäre – was am Ende das Machtwort des Kanzlers zur Folge hatte.

Kollektives Führungsversagen

Allerdings war dieses Machtwort keineswegs nur die Schuld der FDP, sondern Ausdruck kollektiven Kommunikations- und Führungsversagens – in erster Linie des Kanzlers, aber auch der Grünen. Naiv war bereits deren Vorstellung, man könne einen Parteitag abhalten und dort einen bindenden Beschluss in der Atompolitik fassen, obwohl in der Koalition noch gar keine Einigung darüber erzielt worden war. Wer auf diese Weise eine ohnehin hoch aggressive, da absolut in der Defensive befindliche FDP nach der Devise „Friss oder stirb“ behandelt, läuft Gefahr, dieser regelrecht ins Messer zu laufen. Und genau das ist geschehen: Da die FDP zu einer Anerkennung des grünen Parteitagsbeschlusses nicht bereit war, musste am Ende der Kanzler entscheiden. Und er entschied, wie er entschieden hat – zu Lasten der Grünen. Und zwar aus einem entscheidenden Grund, nämlich um nicht am Ende selbst den Schwarzen Peter zugeschoben zu bekommen und derjenige gewesen zu sein, der ein weiteres Laufen der AKWs verhindert hat.

File:Ampel Beschimpfung.svg

Denn darin besteht das inhaltliche Versagen der Grünen: Es ist ihnen nicht gelungen, der Bevölkerung plausibel zu erklären, warum das AKW im Emsland nicht wenigstens im Streckbetrieb weiterlaufen sollte, also ohne Bestellung neuer Brennstäbe, während gleichzeitig ausgesprochen dreckige Kohlekraftwerke reaktiviert werden müssen. Zumal auch Frankreich, das jetzt Deutschland mit Gas aushilft, erwartet, dass es seinerseits Solidarität bei der Stromversorgung erfährt. Erschwerend kommt nämlich hinzu, dass noch niemand sagen kann, wie es am Ende dieses Winters um die Stromversorgung bestellt sein wird, ob es möglicherweise gar zu Blackouts kommt. Klar ist nur, dass die Angst in der Bevölkerung und die Wut über steigende Strompreise immer größer werden. Insofern muss man den Grünen denVorwurf machen, dass sie die gesellschaftliche Realität auf dem Parteitag nicht hinreichend zur Kenntnis genommen haben. Dabei war dieser passenderweise mit dem dazu regelrecht auffordernden Titel überschrieben: „Wenn unsere Welt in Frage steht“. Genau diese Infragestellung der eigenen Weltsicht fand jedoch nicht wirklich statt.

Quelle       :           Blätter-online         >>>>>         weiterlesen

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Oben     —     Ampelmännchen in Kamp-Lintfort

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Zur Innenministerkonferenz:

Erstellt von Redaktion am 3. Dezember 2022

Für die Vorratsdatenspeicherung, gegen „radikale“ Klima-Aktivist:innen

Nicht die mutigen Klima-Aktivist-innen sind das Problem in diesem Land – sondern einzig die gierigen Politiker-innen welche aus finanziellen Vorteilen, für die eigenen Taschen, die Situation um runde 50 Jahre verschlafen haben. Sie alleine sind die radikalen Schuldigen in ihrer Machtbesessenheit. 

Quelle          :        Netzpolitik ORG.

Von      :   

Die Innenminister-innen von Bund und Ländern fordern unisono die anlasslose Vorratsdatenspeicherung. Außerdem wollen sie härter gegen Klima-Aktivist-innen vorgehen. Die Sicherheitsbehörden des Bundes sollen dazu ein umfassendes Lagebild erstellen.

Zum Abschluss ihrer dreitägigen Konferenz in München haben die Innenminister-innen von Bund und Ländern ihre restriktive Linie bekräftigt. Auf der Agenda standen unter anderem die Neuregelung der Speicherung von IP-Adressen und die Proteste „radikaler Klima-Aktivisten“ – also jener Menschen, die mithilfe von zivilem Ungehorsam mehr Maßnahmen gegen die Klimakatastrophe einfordern.

Bei der abschließenden Presse-Konferenz am Mittag zeigte sich Bundesministerin Nancy Faeser (SPD) erfreut, dass sich die Innenministerkonferenz (IMK) einstimmig für die Speicherung von IP-Adressen ausgesprochen hat. Das wird den Konflikt um die anlasslose Vorratsdatenspeicherung innerhalb der Ampel-Koalition weiter anheizen.

Die Ministerin verwies auf das von Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) präferierte Quick-Freeze-Verfahren. Dieses stelle aus Sicht Faesers nur eine „Methodik“ dar, die jedoch notwendigerweise auf die Speicherung von IP-Adressen angewiesen sei, um Täter-innen schwerer Verbrechen zu ermitteln. Einige Provider würden hierzulande derzeit „gar nichts mehr“ speichern, was sich daher ändern müsse. Die Sozialdemokratin ist nach eigenen Angaben optimistisch, dass sich die Bundesregierung „bald“ einigen werde. Wie ein Kompromiss aussehen könnte, ließ sie allerdings offen.

Faeser vs. Buschmann

Der hessische Innenminister Peter Beuth (CDU) erteilte dem Quick-Freeze-Verfahren ebenfalls eine Absage, weil es „keinen Erfolg“ verspreche. Stünden den Behörden hingegen IP-Adressen zur Verfügung, erhöhe sich der Ermittlungserfolg, so Beuth. Daher seien die Länder übereingekommen, dass sie die Bundesministerin „sehr unterstützen in ihren Bemühungen, gegenüber dem Justizminister zum Erfolg zu kommen“.

Damit dürften sich die Fronten in der Ampel-Koalition bei diesem Thema weiter verhärten. Erst vor gut drei Wochen hatten sich die Justizminister-innen der Länder noch gegen eine anlasslose Vorratsdatenspeicherung ausgesprochen und damit Buschmann den Rücken gestärkt.

Wenige Tage zuvor hatte der Bundesjustizminister einen Entwurf für das sogenannte Quick-Freeze-Verfahren vorgelegt, das der vom Europäischen Gerichtshof abgelehnten Vorratsdatenspeicherung nachfolgen soll. Der Entwurf sieht vor, dass Telekommunikationsanbieter künftig Verkehrsdaten mit möglichem Bezug zu Straftaten einen Monat lang speichern müssen, damit Ermittlungsbehörden sie nutzen können.

Bundesinnenministerin Faeser spricht sich hingegen schon seit längerem für die massenhafte, anlasslose Speicherung von IP-Adressen aus – ungeachtet klarer Absagen durch den Europäischen Gerichtshof und obwohl der Koalitionsvertrag von SPD, Grünen und FDP eine solche Speicherung für die Zukunft dezidiert ausschließt.

Klima-Aktivist-innen als „kriminelle Vereinigung“ im Visier

Ähnlich geeint wie bei der Vorratsdatenspeicherung zeigte sich die IMK bei der Bewertung „radikaler“ Klima-Aktivist-innen. Die Innenminister-innen von Bund und Länder entschieden, die Aktivist-innen stärker beobachten zu lassen. Sie forderten die Sicherheitsbehörden des Bundes auf, ein bundesweites Lagebild zu deren Blockade-Aktionen zu erstellen.

Beuth sagte, die Gesellschaft werde durch die „politischen Erpressungsversuche“ der „radikalen, sogenannten Aktivisten […] gegängelt und genötigt“. Weil dies kein friedlicher Protest mehr sei, müssten die Sicherheitsbehörden prüfen, ob es sich bei den Aktivist-innen um eine „kriminelle Vereinigung“ handele, „die arbeitsteilig und bundesweit organisiert vorgeht“.

Dafür setzt sich auch Sachsens Innenminister Armin Schuster (CDU) ein. Er sagte bereits gestern der Leipziger Volkszeitung, dass die Strafverfolgungsbehörden klären müssten, ob bei den Klimaprotesten „netzwerk- oder gruppenartige Strukturen“ vorlägen und „wer die Steuerung“ innehabe. „Wenn sich sogenannte Aktivisten an Kunstschätze oder auf Straßen oder auch auf Landebahnen kleben […], sind das schwerwiegende Gefährdungen der öffentlichen Sicherheit.“ Die Politik müsse daher „vor die Lage“ kommen.

Ins gleiche Horn stieß Schusters bayerischer Amtskollege Joachim Hermann. Er bezeichnete die Letzte Generation als „straffe Organisation“ und verteidigte zudem die Präventivhaft, auch wenn diese „die Ausnahme“ bleiben werde, wie er auf der heutigen Pressekonferenz sagte, etwa wenn Leib und Leben gefährdet seien.

Bayern geht im bundesweiten Vergleich massiv gegen den zivilen Ungehorsam der Klima-Aktivist-innen vor. Zuletzt waren 19 von ihnen ohne Gerichtsverfahren für fast zwei Wochen in Präventivhaft genommen worden, um weitere Straßenblockaden zu verhindern. Möglich macht dies das umstrittene Polizeiaufgabengesetz, das härteste Polizeigesetz seit 1945. Die letzten der inhaftierten Aktivist-innen kamen am vergangenen Wochenende frei.

Lizenz: Die von uns verfassten Inhalte stehen, soweit nicht anders vermerkt, unter der Lizenz Creative Commons BY-NC-SA 4.0.

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Grafikquellen      :

Oben     — Innenministerkonferenz in München: Freitag, 2. Dezember 2022

Innenminister Joachim Herrmann hat als Schwerpunkte den Schutz Kritischer Infrastrukturen, die Warnung der Bevölkerung in Katastrophenfällen, die finanzielle Verantwortung des Bundes beim Bevölkerungsschutz, die verbleibenden Spielräume bei der Speicherung von IP-Adressen, die Bekämpfung von Kinderpornografie und aktuelle Herausforderungen der Asyl- und Flüchtlingspolitik angekündigt.

Veranstaltungsdatum: 02.12.2022

Veranstaltungsort: München

Bildnachweis: Sebastian Widmann

Fotos und Videos können für redaktionelle Berichterstattung frei genutzt werden – Videos auch ohne Quellenhinweis.

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Unten      —     Letzte Generation Blockadeaktion Klimademo Karlsplatz Stachus München 2022-11-07 20-34-35

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Soziale Netzwerke und Linke

Erstellt von Redaktion am 2. Dezember 2022

Musk kauft Twitter, und die Benutzer fliehen.

Ein Debattenbeitrag von Ulf Schleth

Die Benutzer fliehen. Was hätten sie längst tun sollen – auch von Facebook: hin zu nichtkommerziellen Alternativen. Wer den Komfort politischer Korrektheit haben möchte, muss ein Stück Bequemlichkeit aufgeben.

Nun hat es auch die Twitter-Benutzer ereilt: Die Gesetze der Marktwirtschaft haben in Form des reichen und mächtigen, aber mit bescheidener sozialer Kompetenz ausgestatteten Elon Musk in die sozialen Netzwerke eingeschlagen. Der hat Twitter gekauft, und aus Angst vor seinen Reformen suchen Twitter-User nun verzweifelt nach Fluchtwegen.

In den vergangenen Wochen wurde viel darüber geredet und geschrieben, was kein Wunder ist, da Journalisten eine der größeren Benutzergruppen der in Deutschland eher kleinen Plattform Twitter sind. Da werden dann als Alternativen gern auch andere kommerzielle Plattformen oder einfach auch die Kneipe nebenan vorgeschlagen.

Aktivisten des Datenschutzes und der digitalen Selbstbestimmung lächeln müde angesichts dieses blinden Aktionismus. Jeder Facebook-Skandal war bisher von Fluchtreflexen begleitet, die aber nach ein paar Monaten wieder nachließen, wenn es den Flüchtigen nicht gelang, ihre Peergroup mitzuziehen. Gleichzeitig ist die Hoffnung groß, dass diesmal etwas hängen bleibt, und es scheint tatsächlich so, dass die Völkerwanderungen von Skandal zu Skandal stärker und nachhaltiger werden.

Die Einsicht in den Kern des Problems wächst: Es ist weder Musk noch Zuckerberg. Das Problem ist der Kapitalismus. Genauso wenig, wie man politische Problematiken wie Klimaschutz, Gleichstellung und soziale Verträglichkeit von Konzernen lösen lassen kann, die durch Ausbeutung Geld verdienen, kann man erwarten, dass Konzerne digitale Kommunikation anders behandeln, als auch den letzten Cent aus den Daten ihrer Nutzer zu pressen. Davon, dass das linke politische Spektrum sich die Inhalte der digitalen Graswurzelbewegung zu eigen macht und neben die anderen wichtigen Themen unserer Zeit stellt, sind wir noch weit entfernt. Möglicherweise, weil sich alles Digitale noch abstrakter und komplizierter als die Klimaerwärmung anfühlt. Es ist nichts Neues, dass die Politik der sozialen und ökonomischen Realität um Jahrzehnte hinterherhinkt.

Die Merkmale der Alternativen sind überschaubar: Sie sind dezentral organisiert; die Daten liegen nicht an einem Ort, der unter Kontrolle eines einzelnen Unternehmens ist, sondern im Idealfall beim Benutzer selbst. Sie sind transparent, sodass Menschen mit technischem Know-how nachvollziehen können, was mit den Daten geschieht: also komplett und nicht nur in Teilen Open Source. Echte Alternativen legen den Fokus darauf, dass private Daten sicher und verschlüsselt übertragen und gespeichert werden. Und zu guter Letzt: Sie sind nicht kommerziell. Nun könnte man sagen, dass doch auch Unternehmen mit einem schlüssigen Geschäftskonzept, das nicht auf dem Verkauf von Daten beruht, gute Alternativen bieten könnten. Doch Unternehmen arbeiten gewinn- und wachstumsorientiert. Die Erfahrung zeigt, dass ihre schönsten Versprechungen sich schon morgen in Schall und Rauch aufzulösen pflegen.

Die gute Nachricht: Die Alternativen sind schon da. Sie werden als Fediverse bezeichnet – das Universum der föderierten Netzwerke. Es besteht aus verschiedenen, potenziell ­weltumspannenden, nichtkommerziellen und dezentralen Plattformen. Es gibt kleine und große, und es gibt für jede kommerzielle Plattform eine oder mehrere Entsprechungen. Manche dieser dezentralen Plattformen kommunizieren zudem untereinander, manche weniger. Es gibt das ehrwürdige Diaspora, eines der ältesten Netzwerke, das sich durch elegante Schlichtheit und technisch solide Konsistenz auszeichnet, es gibt das quirlige und featurereiche Mastodon, es gibt Pixelfed, die Entsprechung zu Instagram, PeerTube, das Äquivalent zu Youtube, Friendica, das kommunikationsfreudigste von allen, und noch mehr. Eine Übersicht gibt es auf the-federation.info. Wer sich ein Zuhause im Fediverse sucht, kann dies über fediverse.observer tun.

Quelle         :         TAZ-online        >>>>>        weiterlesen

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Oben      —   SCAF schnupperte an der Redefreiheit und hasste sie!

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Gefährliche Normalität

Erstellt von Redaktion am 1. Dezember 2022

Nationale Strategie gegen Antisemitismus

Von Konrad Litschko

Die Bundesregierung legt eine Strategie gegen Antisemitismus vor. Den Handlungsbedarf zeigen nicht nur jüngste Anschläge auf jüdische Einrichtungen.

Es war zu Monatsbeginn, als Josef Schuster, Präsident des Zentralrats der Juden, einen weiten Bogen schlug. Am Gedenktag an die NS-Pogrome vom 9. November 1938 erinnerte er an die damals flächendeckenden Angriffe auf Juden, an den „schlimmsten Tag der deutschen Geschichte“, der „direkt in die Shoah“ führte. Und er verwies darauf, dass auch heute noch und wieder Hakenkreuze an Schulen geschmiert werden, dass Geflüchtetenunterkünfte brennen. Wohin dieser Hass zuweilen führe, das könne man „nicht häufig genug betonen“, mahnte Schuster. Man müsse diese Erinnerung „immer wieder aufs Neue verteidigen“.

Wie nötig das ist, zeigte sich erst vor wenigen Tagen. In Essen schlugen mehrere Schüsse in das Rabbinerhaus der Alten Synagoge ein. Kurz darauf wurde ein Mann festgenommen, der am gleichen Abend einen Brandsatz auf eine Schule neben der Bochumer Synagoge geworfen und einen weiteren Mann angestiftet haben soll, einen Brandanschlag auf das Gebetshaus in Dortmund zu verüben, wozu es glücklicherweise nicht kam. Der Vorfall sorgte für bundesweites Entsetzen. Noch laufen die Ermittlungen, noch ist einiges unklar. Klar ist aber: Hier wurden offensichtlich Jü­d:in­nen gezielt ins Visier genommen.

Und es ist bei Weitem kein Einzelfall. Laut Bundeskriminalamt stiegen antisemitische Straftaten im Jahr 2021 um 28 Prozent an, von 2.351 auf 3.027 Delikte. Im Schnitt acht Straftaten jeden Tag also. Auch in diesem Jahr zählte die Polizei allein bis Mitte Oktober erneut 1.555 Straftaten: Übergriffe auf Kip­pa­trä­ger, antisemitische Beleidigungen oder Hetzpostings. Der Hass hört einfach nicht auf. Und das, obwohl nach dem Fanal von Halle im Jahr 2019, dem rechtsterroristischen Angriff auf die dortige Synagoge, allseits entschlossene Gegenwehr versprochen wurde.

Wirklich und nachhaltig aufzurütteln scheinen die antisemitischen Vorfälle aber inzwischen nur noch wenige. Es droht vielmehr schleichend eine Gewöhnung einzusetzen. Deshalb kommt es zur rechten Zeit, dass die Bundesregierung über ihren Antisemitismusbeauftragten Felix Klein am Mittwoch erstmals eine „Nationale Strategie gegen Antisemitismus“ vorlegte, gut 50 Seiten stark. Zwei Jahre lang wurde sie erarbeitet, sie ist das Ergebnis eines Auftrags der EU an ihre Mitgliedstaaten. Von einem „Meilenstein“ spricht Klein.

Antisemitismus auf Pro-Palästina-Demos

Alle hiesigen Maßnahmen gegen den antisemitischen Hass sollen darin gebündelt und geprüft werden, in fünf Säulen. Was wissen wir über die Bedrohung durch Antisemitismus? Wie lässt sich dieses Wissen vermitteln, an Schulen, in Arbeitsstätten, im Alltag? Wie wird an Antisemitismus und NS-Verbrechen erinnert? Wie konsequent werden die Straftaten bekämpft? Und, fünftens, wie stärken wir jüdisches Leben und machen es sichtbar? „Jüdinnen und Juden sollen sich des Rückhalts in der Bevölkerung sicher sein“, heißt es in der Präambel des Textes. Aber dessen sicher können sie sich eben nicht sein.

Sollten Politiker-innen nicht erst einmal überprüfen, welche Saat sie aussäen, um zu erkennen warum sie nur dieses auch Ernten können ?

Davon zeugen nicht nur die Polizist: innen, die bis heute vor Synagogen oder jüdischen Kindergärten und Schulen stehen. Die Bedrohungen kommen aus fast allen Richtungen. Dem Rechtsextremismus bleibt der Antisemitismus bis heute immanent, für ihn bleiben Juden ein zentrales Feindbild, es bietet dem Hass weiter den größten Nährboden.

Aber auch auf Pro-Palästina-Demonstrationen ertönen hierzulande antisemitische Parolen. Die jüngste documenta und die BDS-Bewegung unterstreichen, dass auch Kultur und Intellektualismus anfällig sind. Auch auf den Coronademonstrationen florierten offen antisemitische Verschwörungsmythen, Protestierende raunten von einer geheimen, jüdischen Elite, die im Hintergrund das Weltgeschehen lenke. Dazu bricht sich im Internet antisemitischer Hass auf Social-­Media-Kanälen Bahn, mit gefährlich grenzenloser Reichweite.

Dass der Antisemitismus auch in der Mitte der Gesellschaft wuchert, ist dabei keine neue Erkenntnis. Die gerade erst veröffentlichte Mitte-Studie der Universität Leipzig unterstreicht das noch einmal. Knapp 30 Prozent der Befragten stimmten dort zumindest teilweise der Aussage zu, dass der Einfluss von Juden „zu groß“ sei. Knapp ein Viertel erklärte auch teilweise, Juden würden „nicht so recht zu uns passen“. Einem „Schuldabwehrantisemitismus“, wie es die For­sche­r:in­nen nennen, stimmten gar 60 Prozent der Befragten zu, mit Aussagen wie: „Wir sollten uns lieber gegenwärtigen Problem widmen als Ereignissen, die mehr als 70 Jahre vergangen sind.“

Quelle         :         TAZ-online         >>>>>        weiterlesen 

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Oben       —     Alte Synagoge, Steeler Straße 29 in Essen

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Der imperiale Lebensstil

Erstellt von Redaktion am 30. November 2022

Andreas Malm und die Pipeline + Die Superreichen + Der imperiale Lebensstil

Die Lobbyisten und Politischen Pharisäer

Quelle:    Scharf  —  Links

Von :  Udo Hase

Vorwort  —   Wenn wir von Klimagerechtigkeit reden, geht es vielen Linken unausgesprochen in erster Linie um sozial benachteiligte Menschen innerhalb der westlichen Welt. Das ist jedoch nicht mehr als die Fortsetzung der Weltsicht des postkolonialen Kapitals. Besonders beliebt ist diese Sicht bei den s.g. konservativen Linken.

Aber auch außerhalb dieser Kreise gibt es ein paar Lieblingsargumente linker Klimainteressierter, die sich in erster Linie an den hergebrachte Feindbildschablonen orientieren. Klar, das Kapital, die Superreichen, die Konzerne sind richtig benannt. Dabei wird jedoch allzu oft ausgeblendet, dass es in den Industrieländern ohne deutliche Veränderung des imperialen Lebensstiles und der ihn stützenden Narrative vom Wohlstand durch materiellen Verbrauch nicht gehen wird. Ein weiterer Punkt, der bei Linken fast regelhaft auftaucht, ist eine unkritische, dem bürgerlichen Mainstream entnommene Haltung zu den taktischen Notwendigkeiten im aktivistischen Kampf gegen die Verursacher der Klimakatastrophe. Fest steht, die Welt segelt auf Geheiß der vom Kapital korrumpierten Regierungen stabil auf einem 3,5o – 5Celsius – Kurs. Der wird uns nach unendlichem Leid für Milliarden Menschen am Ende alle umbringen. Jetzt radikal im Sinne des Wortes werden und langfristig den Gerechtigkeitsaspekt begreifen und würdigen, dass ist das Gebot der Stunde – auch und vielleicht vor allem für Linke und somit auch für DIE LINKE.

Andreas Malm1 und die Pipeline / Malm im Wortlaut: „Das Problem der Gewalt der Klimakrise ist: Sie geschieht nicht von Angesicht zu Angesicht. Wir werden nie einen achtminütigen Videoclip sehen, wo der Chef einer Ölfirma einen mosambikanischen Bauern erwürgt. Wir haben eine über die Atmosphäre vermittelte Gewalt, und wir sind nach wie vor in dem Denken befangen, dass sich die Verfeuerung von fossilen Brennstoffen in Luft auflöst, folgenlos bleibt, solange wir die Folgen nicht sehen. Und die spielen sich am stärksten fern von den Verursachern ab, im globalen Süden.“

„Bewegungen, die tief verankerte Strukturen verändern wollten, haben in der Geschichte immer eine Komponente der Sachgewalt gehabt: von der Abschaffung der Sklaverei über die Suffragetten bis zu den Kämpfen der Arbeiterklasse im frühen 20. Jahrhundert. Ohne drohende Revolte gibt es selten Reformen.“

Oxfamstudien und die Superreichen / Die Schuld an der globalen Erwärmung ist ungleich verteilt. Zumindest die Superreichen unter der Weltbevölkerung haben wesentlich größeren Anteil am Klimawandel als die Armen. Das geht aus einer Studie der Wohltätigkeitsorganisation Oxfam hervor. Demnach verursacht ein Milliardär „so viel Treibhausgase wie eine Million Menschen aus den ärmeren 90 Prozent der Weltbevölkerung“.

Insgesamt würden die 125 untersuchten Milliardäre für 393 Millionen Tonnen Treibhausgase jährlich sorgen, heißt es im Bericht „Carbon Billionaires: The investment emissions of World’s richest people“, den Oxfam anlässlich der aktuellen UN-Weltklimakonferenz „COP 27“ im ägyptischen Scharm El-Schaich veröffentlicht hat. Das entspreche der Menge, die Frankreich pro Jahr an Treibhausgasen emittiere. „Schon die Emissionen, die Milliardär*innen durch eigenen Konsum mit Privatjets, Superjachten und Luxusvillen verursachen, betragen das Tausendfache der weltweiten pro-Kopf-Emissionen“, sagt Manuel Schmitt, Referent für soziale Ungleichheit bei Oxfam Deutschland. „Wenn man sich zudem die Emissionen ansieht, die durch ihre Investitionen mitverursacht werden, sind ihre Treibhausgasemissionen um ein Vielfaches höher“. Sie entsprächen „dem Treibhausgas-Fußabdruck ganzer Länder“, so der Referent.

Das Studienergebnis ist für Oxfam Anlass auch für Kritik und Forderung an die Politik. „Die maßgebliche Rolle extremer sozialer Ungleichheit und insbesondere die enorme Verantwortung der Superreichen für die Klimakrise werden in der Politik kaum berücksichtigt“, so Schmitt. Das müsse sich ändern. „Die Superreichen müssen besteuert und Investitionen so reguliert werden, dass sich Geldanlagen, die den Planeten zerstören, nicht mehr lohnen oder verboten werden. Die Regierungen müssen außerdem Unternehmen zu Rechenschaftspflicht und Transparenz und zur radikalen Reduzierung ihrer Emissionen verpflichten.“ Genaugenommen muss so etwas wie „Superreichtum“ komplett verboten werden.

Die Sache mit den Essgewohnheiten als Exemplar des imperialen Lebensstils 

Dass Fleisch nicht so gut fürs Klima ist, wissen wir bereits. Aber vielleicht macht es die Menüwahl künftig einfacher, zu wissen, wie viel Fleisch denn nicht so gut fürs Klima ist. Das hat der WWF längst ausrechnen lassen und in einer neueren Studie veröffentlicht.

Ihr ernährt euch vegan? Dann braucht ihr im Grunde nicht weiterzulesen, außer ihr benötigt harte Zahlen, um andere zu bekehren. Ihr ernährt euch vegetarisch? Auch ganz gut. Aber nicht einmal das erwarten die Autorinnen und Autoren der WWF Studie. Sie sagen: Wenn alle Flexitarier wären, dann würde das dem Klima schon mal ganz schön helfen. Aber was heißt eigentlich flexitarische Ernährung? Eigentlich nur: Der Verzicht auf tierische Lebensmittel ist die Regel, alles andere Luxus und darf ab und an mal sein. 817 Gramm Fleisch essen die Deutschen in der Woche – also Dinge wie Steaks, Wurst und Parmaschinken. Das wirkt sich allerdings äußerst schlecht aufs Klima aus und verursacht siebzig Prozent der Treibhausgase, die auf die Ernährung zurückzuführen sind. Als flexitarisch wird in der Studie eine Ernährung mit etwa der Hälfte des jetzigen Konsums bezeichnet, 470 Gramm Fleisch pro Monat. Zwei Buletten (Frikadellen, Fleischpflanzerl) und zwei Bratwürste wären das in etwa.

Eine solche Ernährungsform könnte den Ausstoß an ernährungsbedingten Treibhausgasen um 56 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente reduzieren, also um ganze 27 Prozent. Eine beträchtliche Zahl, wenn man bedenkt, dass die deutsche Landwirtschaft insgesamt 66 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente2 jährlich ausstößt. Mit einer Umstellung der Ernährung auf flexitarisch würde auch ein deutlich geringerer ernährungsbedingter Platzbedarf in Deutschland einhergehen: Fast 30.000 Quadratkilometer wären das, eine Fläche, etwas größer als Brandenburg.

Neben der Halbierung des Fleischkonsums legt der WWF nahe, mehr Hülsenfrüchte und Nüsse zu essen. Moment mal: Zählt zu den Hülsenfrüchten nicht auch Soja, einer der größten Klimakiller? Ja, allerdings nur, weil 96 Prozent als Tierfutter angebaut werden. „Soja für Tierfutter ist der mit Abstand größte Treiber für Emissionen aus veränderter Landnutzung“, so Tanja Dräger de Teran vom WWF. „Ergo liegt hier auch der effektivste Hebel für den Einstieg in eine Ernährung, die Klima und Biodiversität besser schützt.“

Gefordert wird ein Paradigmenwechsel in der Ernährung: Nicht eine Ernährung mit, sondern eine ohne Fleisch solle als normal gelten. „Beim Catering für Veranstaltungen oder auf Reisen gibt es automatisch ein vegetarisches Menü. Wer Fleisch möchte, kreuzt das extra an“. Ein Umstand, der Menschen mit einer veganen oder vegetarischen Ernährung sicher entgegenkäme.

Empfehlungen für gesunde Ernährung und Nachhaltigkeit / Für die Studie wurden erstmals die Empfehlungen der Eat-Lancet-Kommission berücksichtigt. Diese Richtlinien wurden von Expertinnen und Experten unterschiedlicher, die Ernährung betreffender Bereiche aus 16 Ländern erstellt und zeigen, wie eine gesunde Ernährung unter Berücksichtigung der globalen Ressourcen und ihrer Grenzen funktionieren kann. Für alle Menschen, also nicht nur für Nordamerikaner, Europäer und andere globale Postkolonisatoren. Hintergrund ist zum Beispiel die oft gestellte Frage, ob der Proteinbedarf des Menschen ohne tierische Ernährung gedeckt werden könne. Die Antwort ist eindeutig: Ja – pflanzliche Proteine (Hülsenfrüchte, Nüsse) sind völlig ausreichend.

Die Studie weist außerdem darauf hin, dass die Auswirkungen unserer Ernährung auf das Klima nicht nur an den Polkappen oder in warmen Gefilden zu spüren sind, sondern auch vor unserer eigenen Haustür. Die Folgen der Dürrejahre 2018 – 2022 hätten nicht nur für erhebliche Ernteausfälle gesorgt, sondern auch in den Folgejahren nachgewirkt. Wenn wir zur Nahrungsproduktion Wasser verbrauchen, ist der Futtermittelanbau ein gigantischer Verschwender.

Kuhfutter statt Kullererbsen / Aber Fleisch hat etwas, was Linsen und Bohnen nicht haben: Nämlich verdammt viel Platzbedarf an den landwirtschaftlich nutzbaren Böden der Erde. Ein großer Anteil der landwirtschaftlichen Nutzfläche weltweit wird verwendet, um Lebensmittel aus tierischen Produkten herzustellen – und dazu zählen auch Milchprodukte. 83 Prozent der Flächen sind es zusammen, haben die Forschenden ausgerechnet. Den Rest dürfen sich Getreide, Radieschen, Gurken und Melonen für den menschlichen Verzehr teilen.

Effektive Ernährung mit Erbsen / Es könnte so viel besser sein, dachten sich Forschende der New York University und machten sich dran, zu berechnen, wie viel Fläche denn eigentlich genau auf der Erde zu finden ist, die erheblich effizienter als für Tierprodukte einzusetzen wäre. Denn Nutzfläche ist nicht gleich Nutzfläche. Das Forschungsteam ist davon ausgegangen, dass auf gewonnenen Flächen auch Wald entsteht, der sich wiederum positiv auf das Klima auswirkt. Die Chancen, dass Wald die Flächen besiedelt und sich vermehrt und damit ein nachhaltiges Ökosystem mit sich zieht, sind nicht überall gleich. Gerade in Ländern mit mittlerem und hohem Einkommen, stehen jedoch die Chancen besonders gut. Konkret heißt das: Wir müssten unsere Ernährung umstellen, hin zu pflanzlichen Proteinen, die dramatisch weniger Platz benötigen als der „Umweg“ über die Tierproduktion. Die gewonnenen Flächen müssen wir zu guten Teilen dem Wald zu Verfügung stellen. Uns wird es also an Nährstoffen nicht mangeln, wir würden sie nur effizienter gewinnen und damit einen doppelten Effekt auf das Klima erzielen: Weniger Flächenverbrauch mit höheren Protein- und Kalorienerträgen und Flächen zur Ansiedlung von Wäldern, die das Klima positiv beeinflussen. Von den Methanfürzen der Schweine- und Rindermassen ganz zu schweigen.

Kampf fürs Klima – und gegen Pandemien / Immerhin würde dadurch ein weltweites Potenzial von sieben Millionen Quadratkilometern Wald entstehen. Das ist eine Fläche, die so groß wie Australien ist. Den Berechnungen zu Folge würden dadurch jahrzehntelange Luftverschmutzung sogar rückgängig zu machen sein. Wenn, wie im flexitarischen Szenario, die Nachfrage nach Fleisch drastisch sinken würde – und damit auch der Landbedarf – könnten neun bis 16 Jahre CO2-Emissionen kompensiert werden. Das wäre ein gewaltiger Schritt im Kampf gegen den Klimawandel. Hier geht es vor allem darum, regional zu beurteilen und zu entscheiden, was sinnvoll ist. Es gibt Regionen auf der Welt, in der Tierhaltung kulturell und wirtschaftlich wichtiger ist als in Europa und die Kompensationsmöglichkeiten für diese Veränderungen unterscheiden sich, je nach „Wohlstand“ erheblich.

Also sollten wir uns an unsere eigenen, westlichen Nasen fassen. „Die Wiederherstellung der einheimischen Vegetation auf ertragsarmen landwirtschaftlichen Flächen ist derzeit unsere sicherste Möglichkeit zur Entfernung von CO2“, sagt Helen Harwatt, Co-Autorin der Studie. William Ripple, Mitautor, ergänzt, dass so nicht nur der Klimawandel bekämpft werden könne: „Eine geringere Fleischproduktion wäre auch für die Wasserqualität und -quantität, den Lebensraum der Wildtiere und die Artenvielfalt von großem Vorteil.“

Voraussetzung ist ein Umdenken in der kritiklosen Übernahme hergebrachter Ernährungs- gewohnheiten und die Auseinandersetzung mit der eigenen Fleischlust. Das galt bislang, trotz einer steigenden Zahl von Vegetariern und Veganern als eher aussichtslos. Gerade vor dem Hintergrund der Covid-19-Pandemie könnten hier aber die Karten auch neu gemischt werden und mehr Menschen zu einem Umdenken bereit sein, wenn einmal klar gemacht wird, dass exzessiver Fleischkonsum zwangsläufig zu Pandemien führt und weiterhin führen wird. Denn, so die Forschenden, man wisse jetzt, dass intakte Ökosysteme und ausreichende Lebensräume für Wildtiere eine elementare Voraussetzung sind um Pandemien zukünftig zu vermeiden.

1 Andreas Malm (* 1977 in der Gemeinde Mölndal[1]) ist ein schwedischer HumangeographHumanökologe, Politikjournalist und Sachbuchautor. Der promovierte Wissenschaftler lehrt als Senior Lecturer im Master-Studium Humanökologie an der Universität Lund. Als politischer Journalist war er der syndikalistischen Sveriges Arbetares Centralorganisation verbunden und schrieb für die wöchentlich erscheinende anarchosyndikalistische Zeitung Arbetaren, 2010 trat er in die trotzkistische Socialistiska Partiet (SP) ein und begann für deren Wochenzeitung Internationalen zu schreiben. Malm ist zudem Autor des sozialistischen US-amerikanischen Magazins Jacobin. Als Sachbuchautor setzte er sich anfangs kritisch mit der Nahostpolitik auseinander und wandte sich dann dem Zusammenhang von Klimakrise und Kapitalismus zu. Rahel Jaeggi nennt ihn eine prominente Stimme eines erneuerten ökologischen Marxismus. Basierend auf seinem gleichnamigen Buch entstand 2022 der Thriller How to Blow Up a Pipeline, inszeniert von Daniel Goldhaber. Die Uraufführung erfolgte am 10. September 2022 beim Toronto International Film Festival 2022 in der Sektion Platform.

2 Was ist ein CO2-Äquivalent? So bezeichnet man das Treibhauspotenzial – den relativen Beitrag zum Treibhauseffekt, also welche Masse eines oder mehrerer Gase (z.B. Methan durch Rinderhaltung) die Wirkung einer Vergleichsmasse CO2 hat, was den Beitrag zur globalen Erwärmung betrifft.

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Oben      —      Церемония открытия газопровода «Северный поток».

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IRANISCHER FEMINISMUS

Erstellt von Redaktion am 27. November 2022

IRAN – DIE MAUER AUS ANGST IST GEFALLEN

Von Mitra Keyvan

Was als Revolte gegen den Kopftuchzwang begann, hat sich längst ausgeweitet. Überall im Land fordern Demonstrierende den Sturz des Regimes. Wie der Aufstand ausgeht, ist vor allem angesichts der massiven Repression ungewiss. Wichtiges erreicht hat die Bewegung aber schon jetzt.

Frau, Leben, Freiheit!“, „Wir lassen uns nichts mehr gefallen!“, „Tod dem Diktator!“ Solche Parolen werden in den Straßen von Teheran und anderen Städten gerufen. Sie zeigen die Entschlossenheit der Demonstrantinnen, aber auch der Demonstranten, den Mächtigen die Stirn zu bieten.

Alles begann am 13. September, als die Sittenpolizei (Gascht-e Erschad) die 22-jährige Mahsa Amini festnahm, weil sie angeblich ihr Kopftuch nicht vorschriftsmäßig trug. Diesen Vorwurf bekommen täglich tausende Iranerinnen zu hören. Drei Tage später starb die junge Frau im Krankenhaus, nachdem sie in Polizeigewahrsam ins Koma gefallen war. Ihr Begräbnis in ihrer Heimatstadt Saghez in der iranischen Provinz Kurdistan löste im ganzen Land eine Explosion der Wut aus.

Die Mauer der Angst zeigte überall Risse, Frauen gingen erhebliche Risiken ein, um dem Regime auf der Straße entgegenzutreten.1 Obwohl die Machthaber das Internet abschalten ließen, kursierten in den sozialen Netzwerken Bilder von Frauen, die öffentlich ihre Kopftücher verbrannten. Und in Saghez protestierte die Familie des Opfers gegen die offizielle Version zur Todesursache, in der behauptet wurde, Mahsa Amini habe Vorerkrankungen gehabt. Die Familie vermutete, dass sie an den Folgen der brutalen Behandlung durch die Sittenpolizei starb. Damit wurde sie zur Ikone, zur Märtyrerin.

Trotz des immer härteren Vorgehens der Sicherheitskräfte, teilweise mit scharfer Munition, weiteten sich die Proteste rasch aus. Am Anfang richteten sie sich im Wesentlichen gegen die Macht der Sittenpolizei und die seit 1983 geltende Kopftuchpflicht.

Die Parolen wandten sich dann aber sehr schnell gegen das gesamte System: „Wir wollen die Islamische Republik nicht! Wir wollen sie nicht!“ In der Vergangenheit hat es wiederholt Protestwellen gegen das iranische Regime gegeben, aber nie hatten sie ein solches Ausmaß erreicht, nie so viel Widerhall in der Bevölkerung und im Ausland gefunden.

Die Jungen ertragen es nicht mehr

Im Juni 2009 protestierte die „Grüne Bewegung“ gegen die Wiederwahl von Präsident Ahmadinedschad und sprach von Wahlbetrug.2 Die Parole „Wo ist meine Stimme?“ hatte damals vor allem Menschen aus der städtischen Mittelschicht mobilisiert, nicht aber die ländliche Bevölkerung.

Ende 2017 demonstrierten verschiedene Gruppen der ärmsten Bevölkerungsschichten unabhängig voneinander gegen die Kürzungen von Unterstützungsleistungen und Preissteigerungen bei Treibstoff und mehreren Grundnahrungsmitteln. Und schließlich kam es Ende 2019 erneut zu sozialen Protesten aus den gleichen ökonomischen Gründen, diesmal vor allem in den kleinen Städten und armen Vororten der Großstädte. Jedes Mal wurden die Bewegungen durch gnadenlose Repression mit tausenden von Verhaftungen niedergeschlagen.

Diesmal sieht sich das Regime mit einer umfassenden Unzufriedenheit konfrontiert. Vor allem die Frauen und die Jugend beteiligen sich stark an den Protesten. Fast 51 Prozent der Menschen in Iran sind jünger als 30 Jahre, bei einer zu drei Vierteln städtischen Gesamtbevölkerung von 86 Millionen. Die Jungen ertragen das eingeschränkte Leben nicht mehr, in dem alles, was anderswo normal ist – wie mit Freunden in der Öffentlichkeit Musik hören –, zu Schwierigkeiten mit der Obrigkeit führt.

„Bei dieser Bewegung dreht sich alles um die menschliche Würde“, sagt der Soziologe Asef Bayat. „Es ist, als wollten die Menschen ihre verlorene Jugend zurückholen, sie geben ihrer Sehnsucht nach einen normalen Leben in Würde Ausdruck.“ Die Bewegung hat auf das ganze Land übergegriffen: Sie beschränkt sich nicht mehr auf die städtischen Zentren, längst hat sie auch entlegene Regionen erfasst. Die heftigsten Zusammenstöße gibt es in Kurdistan und Belutschistan, insbesondere in der Stadt Zahedan.

Zur Wut der iranischen Bevölkerung trägt die schlechte wirtschaftliche Lage sehr viel bei: Die Inflation liegt bei rund 40 Prozent. Vor seiner Wahl im Juni 2021 hatte Präsident Ebrahim Raisi versprochen, den Lebensstandard in Iran zu verbessern. Aber seither hat sich kaum etwas getan. Die Regierung hat im Gegenteil eine Reihe von Sparmaßnahmen ergriffen und Subventionen für Grundnahrungsmittel zurückgefahren. Begründet wird dies mit den internationalen Sanktionen, durch die das Regime daran gehindert werden soll, sein Atomprogramm weiterzuverfolgen.

„Der Konsum von Fleisch, Eiern und Milchprodukten ist um die Hälfte gesunken“, berichtete am 12. Mai die Wirtschaftszeitung Jahan-e-Sanat. 45 Prozent der Ira­ne­r:in­nen lebten unterhalb der Armutsschwelle, und von denen hätten 10 Prozent nichts zu essen. Abgesehen von der wirtschaftlichen Notlage, die sich rasant zuspitzt, macht die endemische und offensichtlich unausrottbare Korruption den Menschen das Leben schwer. Entgegen allen Ankündigungen des Regimes, entschieden dagegen vorzugehen, beherrschen fessad (Korrup­tion) und reshveh (Bestechung) auch die Geschäftswelt Irans, wo staatliche und halbstaatliche Unternehmen und Institutionen mehr als zwei Drittel des Bruttoinlandsprodukts erwirtschaften.3

Ende August zitierte die amtliche Presse einen Parlamentsbericht über die Veruntreuung von 3 Milliarden US-Dollar durch das Management des größten iranischen Stahlproduzenten Mobarakeh Steel Company. Unmittelbar danach wurde der Handel mit den Aktien des Staatsunternehmens an der Teheraner Börse ausgesetzt. Aber alle, die sich in den sozialen Netzwerken dazu äußerten, machten sich keine Illusionen über die juristischen Folgen dieser Affäre.

Die gegenwärtige Revolte zeichnet sich auch dadurch aus, dass sie keine politische Führung hat oder von einem Zentrum aus koordiniert wird. Die horizontale Struktur des Protests, die im Übrigen auch für andere soziale Bewegungen überall auf der Welt typisch ist, erklärt sich vor allem durch die Furcht vor Repressionen und die Zersplitterung der politischen Opposition. In gewisser Weise spiegelt sie aber auch die Undurchsichtigkeit der internen Machtverhältnisse im iranischen Herrschaftssystem wider.

Zu guter Letzt wäre die Öffentlichkeitswirkung der Bewegung nicht so groß, würden nicht persischsprachige, vom Westen oder durch die Golfstaaten unterstützte Medien eine so aktive Rolle als Multiplikatoren der Videos von Aktionen und Demonstrationen spielen. 2018 berichtete der Guardian, der in Großbritannien ansässige Fernsehsender Iran International (II) werde von Saudi-Arabien finanziert.4 Der Sender dementierte diese Behauptung.

Obwohl sich die wirtschaftliche Situation in den letzten Monaten zunehmend verschlechtert hatte, entschied sich das Regime für eine noch härtere Gangart. Die Sittenpolizei patrouillierte wieder auf den Straßen, Filmemacher, Sänger oder Angehörige der religiösen Minderheit der Bahai wurden festgenommen. In dieser Situation kann das Reformlager die Proteste nicht für sich nutzen. Ohnehin sind sich die De­mons­tran­t:in­nen vor allem in einem einig: der grundsätzlichen Ablehnung des Systems.

„Das Tauziehen zwischen Reformkräften und Fundamentalisten, das seit den ersten Jahren nach der Islamischen Revolution die politische Bühne beherrschte, endete 2021 mit der letzten Amtszeit von Hassan Rohani“, erklärt der Soziologe Yousef Abazari auf der Website Naghd Eghtessad Siasi. „Seither ist dieser Unterschied bedeutungslos, das Volk lehnt beide Lager ab.“

Das Regime scheint nicht einmal ansatzweise geneigt, den Forderungen der De­mons­tran­t:in­nen entgegenzukommen.5 Während im ganzen Land Gegendemonstrationen zu seiner Unterstützung organisiert wurden, rief Präsident Raisi nach seiner Rückkehr von der UN-Generalversammlung in New York am 23. September die Ordnungskräfte auf, „entschlossen gegen alle vorzugehen, die die Sicherheit und den Frieden des Landes und des Volkes gefährden“.

Fällt die Kopftuchpflicht?

Quelle          :       LE MONDE diplomatique-online           >>>>>         weiterlesen

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Oben     —     Iranian protestors on the Keshavrz Boulvard

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Freiheit für Kurdistan

Erstellt von Redaktion am 26. November 2022

Ministerpräsident Ramelow empfängt Selbstverwaltung von Nord- und Ostsyrien

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Quelle:    Scharf  —  Links

Von Civaka Azad  –  Kurdisches Zentrum für Öffentlichkeitsarbeit

Angesichts der aktuellen türkischen Angriffe empfing Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow am Donnerstag, den 24. November, eine Delegation der Selbstverwaltung von Nord- und Ostsyrien in der Erfurter Staatskanzlei. Von Seiten der Selbstverwaltung waren Dr. Abdulkarim Omar, Repräsentant in Europa, und Khaled Davrisch, Repräsentant in Deutschland anwesend.

Am Rande des Treffens betonte Dr. Abdulkarim Omar: „Wir waren nie eine Gefahr für die Türkei. Wir sind stets bereit für Friedensverhandlungen, die zum Beispiel durch Deutschland vermittelt werden könnten.“

Seit dem Wochenende bombardiert die Türkei die Gebiete der Selbstverwaltung von Nord- und Ostsyrien. Ziel ist vor allem zivile Infrastruktur der Energie- und Gesundheitsversorgung. Für Aufsehen sorgten auch türkische Luftangriffe auf Stützpunkte der US-geführten Anti-IS-Koalition in Hasake und auf Sicherheitskräfte, die das al-Hol-Camp bewachen. Dort sind mehrere zehntausend IS-Anhänger gefangen genommen. Einigen gelang aufgrund des türkischen Angriffs die Flucht.

Im Gespräch waren sich der thüringische Ministerpräsident mit den Vertretern der Selbstverwaltung einig darüber, dass die türkischen Bombardierungen sofort gestopp werden müssen. Die NATO dürfe nicht länger wegschauen, denn für eine friedliche Entwicklung in der Region ohne Wiederauferstehung des IS müsse die Selbstverwaltung von Nord- und Ostsyrien geschützt werden. Ministerpräsident Ramelow betonte, dass die Selbstverwaltung ein eigenständiger Partner bei eventuellen Friedensverhandlungen sein müsse.

„Wir sind bereit für eine internationale Schutzzone an der türkischen Grenze, die etwa mit Blauhelmsoldaten abgesichert werden könnte. Einen ähnlichen Vorschlag hatte ja bereits die damalige Verteidigungsministerin Kramp-Karrenbauer gemacht,“ ergänzte Khaled Davrisch, Repräsentant der Selbstverwaltung in Deutschland.

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Oben      —     Kurdistan

Hamagelarai – Own work

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Flimmern + Rauschen

Erstellt von Redaktion am 25. November 2022

Die Journalisten-Dinos weinen

Kolumne von Steffen Grimberg

Der Berliner „Tagesspiegel“ stellt seine Medienseite ein. Dabei hatte der moderne Medienjournalismus dort seine Anfänge.

Die Süddeutsche hat es getan, die taz sowieso und jetzt folgt auch der Tagesspiegel. Ein neues Blattkonzept muss her. Nicht nur fürs Wochenende, der Tages­spiegel erfindet sich gleich doppelt neu. Ab Dezember ist er „2 in 1“, wie es in der Werbung heißt. Und diese verspricht: „Ab sofort lesen Sie zwei Zeitungen in einer: 40 Seiten aus der Welt. 40 Seiten aus der Weltstadt.“

Wobei mit „Weltstadt“ ganz unbescheiden wohl die Ansiedlung gemeint ist, für die seinerzeit die damalige Tagesspiegel-Schwester Zitty den schönen Slogan „Wir können alles, aber nichts richtig“ vorschlug. Nun soll Berlin also richtig zum Zuge kommen und auch die lang vernachlässigten Bezirke wieder eine gebührende Berichterstattung erfahren.

Klingt gut? Na ja, geht so. Denn der Tagesspiegel verspricht „mehr“ aus Politik, Wirtschaft, Kultur, Wissenschaft, ja ganz einfach „mehr aus dem Leben“. Aber die Medien lässt er weg. Genauer gesagt, seine ziemlich renommierte Medienseite. „Ja, da weinen nun alle Dinos unter sich. Wer sich nicht agil bewegen kann, fliegt beim Zeitungstanz frühzeitig raus“, meint die Mitbewohnerin.

Allerdings hat mit genau dieser Medienseite beim Tagesspiegel in der 1980er Jahren der moderne Medienjournalismus angefangen. Er wollte mehr sein als TV-Programmvorschau. Jetzt verspricht das Blatt augenzwinkernd „mehr Serien“. Und es heißt natürlich, die Medienthemen würden selbstverständlich weiterhin behandelt. Aber eben dort, wo sie hingehören, Medienpolitik in der Politik, Finanzlöcher beim RBB in der Wirtschaft oder im Lokalen usw.

Zusammenhänge gehen verloren

Kann das funktionieren? Im Prinzip ja, würde Radio Eriwan jetzt sagen. Bloß die hinlänglich bekannten Beispiele wie Zeit und Spiegel zeigen, dass der Umfang der Berichterstattung arg schrumpft. Wenn die verlässliche Abwurfstelle für Medienthemen wegfällt, haben die es weitaus schwerer, ins Blatt zu kommen. Keine Ahnung, ob es darüber wissenschaftliche Untersuchungen gibt. Aber nach dem Bauchgefühl verschwinden dann drei Viertel der Themen, vor allem die kleinen. Und die Zusammenhänge gehen verloren, die eine Medienseite beispielsweise zwischen TV-Programm, Wirtschaft und Politik herstellen kann. Oder zwischen mancher Springer-Berichterstattung und der Frage, wie Dr. Döpfner geschlafen hat.

Quelle        :       TAZ-online         >>>>>        weiterlesen

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Oben     —   Floaters caused by retinal detachments

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Raus aus dem Dunkeln

Erstellt von Redaktion am 24. November 2022

Gewalt gegen Frauen muss endlich ernster genommen werden.

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Ein Debattenbeitrag von Asha Hedayati

Im vergangenen Jahr wurden erstmals mehr Frauen als Männer in Deutschland getötet. Mit Sicherheit haben wir alle im Bekannten- und Freundeskreis sowohl Betroffene als auch Täter.

Maria lernt ihren Partner mit Mitte 20 kennen, sie ist gerade fertig mit ihrer Ausbildung zur Krankenpflegerin. Die Beziehung ist schön, sie fühlt sich geliebt. Er ist manchmal eifersüchtig, will viel Zeit mit ihr verbringen, sie freut sich darüber, trifft dadurch aber immer weniger ihre Freundinnen, ihr soziales Netz wird kleiner. Ihr Partner ist älter, wünscht sich Kinder, Maria wird mit Ende 20 schwanger. In der Schwangerschaft werden die Probleme größer, er beginnt, sie zu kontrollieren, sie soll nicht mehr allein aus dem Haus, alles zu gefährlich, alles gefährde die Schwangerschaft, sagt er. Nach der Entbindung bekommt sie aufgrund ihres schon vor der Elternzeit bescheidenen Einkommens wenig Elterngeld, ihr Partner hat deutlich mehr Einkommen zur Verfügung. Er bestimmt nun, wofür das Geld ausgegeben wird, gibt ihr manchmal ein „Taschengeld“. Sie darf nur noch mit seiner Erlaubnis Geld für Dinge ausgeben, die sie benötigt. Irgendwann trifft sie sich mit ihrer Schwester. Ihm erzählt sie nichts, sie hat Angst vor seiner Reaktion. Er findet es heraus, vermutet einen Liebhaber, wird wütend und schlägt sie vor dem Kind. Gewalt und Kontrolle werden zum Alltag. Je mehr sie ihre Autonomie zurückerlangen möchte, desto massiver wird die Gewalt. Sie weiß, dass eine Trennung für ihn der endgültige Kontrollverlust sein wird, weil er sie dann nicht mehr „besitzt“, keine Macht mehr ausüben kann.

Sie hat Angst. Und kein Geld für eine eigene Wohnung. Als systemrelevante Krankenpflegerin wird sie so schlecht bezahlt, dass sie es nicht schaffen wird, sich und ihr Kind allein zu ernähren. Sie weiß, dass ihr anstrengende familiengerichtliche Verfahren bevorstehen, in denen ihr Ex versuchen wird, seine verlorene Kontrolle über für sie kostenintensive, nervenaufreibende Verfahren wieder zurückzuerlangen. Sie ahnt, dass ihr von Justiz und Polizei nicht geglaubt werden wird. Sie weiß, dass ihr ein anstrengender Überlebenskampf bevorsteht. Sie kommt immer wieder zu mir in die Beratung, die Gebühren muss sie sich von ihrer Nachbarin leihen, es fällt zu sehr auf, wenn sie Geld vom Konto abhebt. Als ihr Partner sie eines Abends fast totwürgt, kann sie mit Hilfe ihrer Nach­ba­r*in­nen die endgültige Trennung vollziehen.

Es gibt wenig, das so radikal, mutig und kraftvoll ist wie eine Frau, die in einer gewaltvollen Beziehung aufsteht und geht. Gleichzeitig macht es wütend, dass Gewaltbetroffene in Deutschland diese Kraft für die Trennung aufwenden müssen.

Die Vereinten Nationen bezeichneten vor zwei Jahren die deutliche Zunahme von häuslicher Gewalt als Schattenpandemie, die Zahl der Betroffenen ist in den vergangenen Jahren massiv gestiegen – und die Dunkelziffer hoch. Nur ein Bruchteil erstattet Anzeige und landet damit in den Statistiken. Während der Pandemie bekam das Thema endlich etwas mehr Öffentlichkeit, verschwand danach jedoch wieder. Im besten Fall wird es einmal im Jahr zum Internationalen Tag gegen Gewalt an Frauen thematisiert.

Im Verborgenen ausgeübt, drängen die Taten nur an die Öffentlichkeit, wenn sie besonders brutal sind, tödlich enden oder von BPoC und Menschen ohne deutschen Pass begangen werden. Die Skandallust und Rassismus befriedigende Aufmerksamkeit, die diese Einzelfälle erfahren, verdecken, dass die viel größere Gefahr für Frauen und Kinder statistisch gesehen von Personen des sozialen Nahbereichs – Partnern, Vätern und Brüdern – ausgeht. Die Betroffenen stammen aus allen sozialen Schichten und Milieus, besonders gefährdet sind aber jene, die noch schlechteren Zugang zu Gewaltschutz haben: Frauen ohne sicheren Aufenthalt, rassifizierte, behinderte und trans Frauen. Ratgeber erklären Frauen, wie sie sich vor Übergriffen schützen können, aber dass nicht der Heimweg im Dunkeln die statistisch größte Gefahr für Frauen darstellt, sondern der Moment, in dem sie die Tür zu ihrem eigenen Zuhause öffnen, wird ignoriert.

Immer noch gilt Partnerschaftsgewalt als Tabuthema. Als ginge es uns nichts an, wenn jede dritte Frau mindestens einmal im Leben von sexualisierter und/oder körperlicher Gewalt betroffen ist und wir mit Sicherheit alle im Bekannten- und Freundeskreis sowohl Betroffene als auch Täter haben.

Quelle       :        TAZ-online         >>>>>        weiterlesen

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Oben      —   Mord im Haus, 1890, von Jakub Schikaneder. Schikaneder malte diese Geschichte eines Frauenmordes in den unteren Gesellschaftsschichten auf eine mehr als zwei Meter hohe und drei Meter breite Leinwand. Damit stellte er das Bild und sein Motiv von der Wichtigkeit her mit Historienbildern gleich. Diese Werke werden allgemein aufgrund ihrer unterstellten Bedeutung für die Gesellschaft großformatig ausgeführt.[2]

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Unten      —     Demonstration am Internationalen Tag zur Beseitigung von Gewalt gegen Frauen am 25. November 2019 in Mexiko-Stadt vor dem Anti-Monumento (Gegen-Denkmal) „Ni Una Más“, das zum Internationalen Frauentag am 8. März 2019 vor dem Palacio de Bellas Artes errichtet wurde[79]

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Neue Plattform gesucht

Erstellt von Redaktion am 23. November 2022

Was Musk mit Twitter anstellt, zeigt:

Ist das nicht Musk welcher hier sein gekauftes Werk angafft ?

Ein Schlagloch von Georg Diez

Es muss ein anderes, ein nicht kommerzielles Modell her für den Diskurs im Netz. Die Verwendung der Daten zu kapitalistischen Zwecken ist das Problem der digital organisierten Öffentlichkeit.

Twitter war Teil einer demokratischen Infrastruktur. In einer sich radikal und rapide verändernden digitalen Öffentlichkeit war Twitter kein Ideal – aber die Grundlage für das, was man als diskursive Demokratie beschreiben kann.

Der neue Twitter-Chef Elon Musk zerreibt das nun täglich; er zerreibt damit auch eine Möglichkeit, Öffentlichkeit und Demokratie im digitalen Zeitalter wenigstens verhalten progressiv zu gestalten; und so überraschend wie schockierend ist es, dass nun keine echte Alternative zu Twitter besteht.

Mastodon, eine Plattform, auf die manche ausweichen, hat eine andere Ausrichtung und funktioniert nur sehr holprig. Die Dezentralität, die das eigentliche Gestaltungselement von Mastodon ist, und die auch eine theoretische Grundlage einer anderen Form von Demokratie sein könnte, wirkt hier vor allem rückständig und klein.

Klar ist: Das Drama um Twitter hat eine tiefere Dimension und wirft grundsätzliche Fragen nach dem Wesen der Demokratie im 21. Jahrhundert auf. Öffentlichkeit hat es immer gegeben, in jeweils historisch verschiedener Form und Gestalt. Demokratie ist ohne Diskurs nicht zu haben – die Frage ist, wie er strukturiert ist und wie frei er ist von staatlicher oder, im Fall von Twitter nun, privater oder privatwirtschaftlicher Kontrolle.

Im antiken Athen gab es die Agora, für eine kleine Menge von Menschen, es war eine exklusive Demokratie, die heute oft als Ideal gesehen wird, trotz der offensichtlichen Limitationen – die Einschränkung des Wahlrechts etwa, keine Frauen, keine Sklaven: Die diskursive Einigung über wesentliche gesellschaftliche Fragen war das Ziel, die Polis formte sich im öffentlichen Gespräch.

Die Neuerfindung der Demokratie nach der Französischen Revolution war dann deutlich agonistischer. Die Parteien begannen, die Politik zu bestimmen, die Öffentlichkeit strukturierte sich ähnlich – Zeitungen, etwa in Frankreich, England, den USA, aber auch in Deutschland, waren oft weltanschaulich geprägt, Medien wurden zu einem Mittel der Politik; oder umgekehrt, die Politik wurde mediatisiert.

Die digitale Revolution bedeutete hier einen Bruch – die Frage des Besitzes an den medialen Produktionsmitteln wurde radikal demokratisiert, der Diskurs wurde geöffnet für viele, die bislang keine Stimme hatten. Es war eine Machtprobe, die auch die etablierte Form von Politik als wesentliche öffentliche Interessenvertretung betraf.

Die alte Macht, Verlage, Fernsehsender, aber auch Parteien, Regierungen, Staaten bis zu autokratischen Regimen, standen einer neuen Macht gegenüber, die schwer zu definieren war und sich erst nach und nach fand: Da waren Menschen, die Revolutionen antrieben, da waren Stimmen, die eine Reichweite bekamen, die größer war als alle traditionellen Medien im jeweiligen Land zusammen. Es geriet etwas, buchstäblich, in Bewegung: Seit etwa 2010 war das Zeitalter der sozialen ­Medien auch das Zeitalter der sozialen Bewegungen, vom Arabischen Frühling 2011 über ­#MeToo 2017 bis zu #BlackLivesMatter 2013 und vor allem seit 2020 nach dem Tod von George Floyd.

Man sollte das alles noch mal reflektieren, weil jetzt, wo Twitter so massiv in der Krise ist, immer wieder zu lesen ist, es sei ja eh alles schlimm gewesen: In der FAZ etwa wurde Twitter als „fahl glühender Gruselwurm“ beschrieben, der „in endlosen Threads grunzend durch Hirne und Herzen weiterwurmt und dabei die Grundsubstanz eines gigantisch-formlosen Meinungs-Schleimhaufens ausscheidet, der früher oder später jede Information, jeden Gedanken und jeden geraden Satz unter sich begräbt“.

Solange die Politiker-innen dem Volk straflos ihre Käuflichkeit präsentieren können wird sich nichts ändern.

Das ist nur ein Beispiel für eine spätbürgerliche Öffentlichkeit im Regressionsmodus. Es macht aber wenig Sinn, wenn jetzt die, die immer an der Seite gestanden haben und nie die eben sehr reale Twitter-Erfahrung als sich beständig drehender globaler Kiosk der geistigen Auseinandersetzung gemacht haben, immer wieder abstrafen, was sie nie verstanden haben und nie verstehen wollten.

Die Probleme von Twitter waren weitgehend bekannt: Sie haben mit der Frage von Lügen, Propaganda und Desinformation zu tun – sie haben aber vor allem mit einem Geschäftsmodell zu tun, das die Nut­zer*­in­nen in einer finanziell lukrativen Abhängigkeit hielt, durch Algorithmen etwa, die bestimmte Inhalte verstärken und nach Suchtkriterien operieren, dem endlosen Scrollen, sie haben auch mit der Genese als soziales Netzwerk zu tun

Quelle        :       TAZ-online          >>>>>         weiterlesen

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Oben     —       SCAF schnupperte an der Redefreiheit und hasste sie!

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Werte Einzelner im Staat

Erstellt von Redaktion am 23. November 2022

„Sie wollen wissen, wie viel wir wert sind“

Datei:Lea Pfau, Ulrich Kelber, Ingo Dachwitz, Konferenz "Das ist Netzpolitik!" 2019.jpg

Quelle    :      Netzpolitik.org

Von        :         

Cookie-Banner hier, Datenschutzeinwilligung dort. Das Internet von früher gibt es nicht mehr. Resigniert klicken die meisten auf „Akzeptieren und weiter“ und zahlen mit ihren Daten für die digitale Teilhabe. Ingo Dachwitz, Redakteur bei netzpolitik.org, will nicht, dass wir in diese neue Realität einwilligen. Er kämpft sich durch Gesetze, Urteile und die AGB dieser Welt. Und er empört sich.

Das Erste, was du siehst, wenn du heute ins Internet gehst und eine Website besuchst, ist eine Lüge: „Ihre Privatsphäre ist uns wichtig“. Von wegen. Wichtiger ist das Datensammeln. Deshalb werden zum Beispiel Cookie-Banner so gebaut, dass sie es uns so schwer wie möglich machen, Tracking abzulehnen. Wohin die Daten fließen, wenn wir einwilligen? Das wissen die Anbieter oft selbst nicht. Besonders ärgert mich das bei Medien, die bei dieser Datenausbeutung leider auch mitmachen. Gerade wenn man sich informiert, sollte man sich keine Gedanken darüber machen müssen, wer noch mitliest.

Pokémon run!

Ich schreibe bei netzpolitik.org seit mehr als sechs Jahren darüber, wie Konzerne sich unsere Daten aneignen und diese gegen uns verwenden. Als ich hier anfing, war das Thema der kommerziellen Überwachung bei netzpolitik.org kein Schwerpunkt – der Fokus lag in den ersten Jahren eher auf Urheberrecht und staatlicher Überwachung, was bis heute wichtig ist. Ich weiß aber noch, dass ich zu Beginn einen Artikel über Datenschutzprobleme bei Pokémon Go geschrieben habe und Kolleg:innen skeptisch waren: Warum schreiben wir denn jetzt über Pokémon Go? Warum ist das wichtig? Und wen interessiert das?

Ähnlich war das bei Texten über WhatsApp oder Facebook. Aber für viele Menschen sind diese Dienste das Internet. Messenger, Social Media, Suchmaschinen und Nachrichtenseiten sind die wichtigen Infrastrukturen der digitalen Öffentlichkeit.

Die meisten von ihnen betreiben das Geschäft des Überwachungskapitalismus: Alles, was wir machen, zeichnen sie auf. Die Daten werden ausgewertet und vermarktet – und können im Zweifel auch gegen uns verwendet werden. Die Konzerne führen Informationen über uns in Profilen zusammen, die uns buchstäblich berechenbar machen sollen. Es geht darum, unser Verhalten vorhersagen zu können. Damit sie uns die passende Werbung einblenden können. Damit sie wissen, wie viel wir wert sind. Damit Sie entscheiden können, ob wir für sie ein Risiko oder eine Chance sind. Damit sie uns Produkte oder politische Botschaften andrehen können. Dass sich über diesen Datenschatz auch die Geheimdienste freuen, wissen wir spätestens seit Edward Snowden.

Friss oder stirb!

Das Krasse ist, dass wir deshalb täglich, in jeder Sekunde, in der wir online sind, mit massiven Rechtsbrüchen konfrontiert sind. Das ist auch das, was mich an irreführenden Cookie-Bannern so fuchst: Alle wissen, warum uns der „Alles akzeptieren“-Button bunt anspringt, während die Ablehnen-Option versteckt oder kompliziert gestaltet ist. Wir sind ja nicht dumm. Wir alle wissen, dass die Einwilligung heute meist weder informiert noch freiwillig erfolgt. Dass für einen Großteil der kommerziellen Überwachung eine Rechtsgrundlage fehlt. Trotzdem ist das an der Tagesordnung.

Die Datenindustrie ist ein sehr undurchschaubares Netz von enorm vielen Unternehmen, die die meisten Leute gar nicht kennen und die auch den Webseitenbetreiber:innen selbst oft nicht bekannt sind. Es wird immer von Datensouveränität und digitaler Souveränität gesprochen. Aber es gibt diese Souveränität nicht. Und die Datenindustrie arbeitet aktiv daran, dass das so bleibt. Ein wichtiges Thema meiner Arbeit ist deshalb auch die Durchsetzung der Datenschutzregeln: durch Aufsichtsbehörden, NGOs und Gerichte.

Dafür, dass sie am laufenden Band gegen die Datenschutzgrundverordnung verstoßen, kassieren die Konzerne zwar immer wieder Strafen. Aber das nehmen sie oft mit einem Achselzucken hin. Sie haben ja große Rechtsabteilungen, die sich darum kümmern. Und sie preisen es von vorneherein ein, wenn sie zu hohen Geldstrafen verdonnert werden. Hier gibt es ein Ungleichgewicht. Unabhängige Medien, Blogger:innen oder Vereine müssen sich auch an die DSGVO halten, haben aber viel weniger Mittel und fühlen sich bis heute oft überfordert.

Dass die DSGVO immer noch nicht viel gegen den Überwachungskapitalismus ausrichten konnte – gegen staatliche Überwachung leider auch nicht –, ist echt ein Problem. Wir alle wissen, dass wir überwacht werden und viele gewöhnen sich daran. Es hat sich längst eine Ermüdung breitgemacht. Bei vielen kommerziellen Diensten hat man nur die Wahl: Friss Cookies oder stirb. Klar, man kann sich etwa dafür entscheiden, bestimmte soziale Medien nicht zu nutzen. Dann aber verliert man auch Teilhabe am digitalen sozialen Leben. Will ich aber daran teilhaben, bedeutet das zugleich, dass ich mit meinen Daten zahle. Auch weil Alternativen nicht genug gefördert werden.

Wir müssen auch selbst die Veränderung sein, die wir uns wünschen

Wir sind alle zurecht genervt davon, fortwährend Einwilligungsbanner wegklicken und blind AGBs bestätigen zu müssen. Ehrlich gesagt bin auch ich genervt davon, immer noch darüber schreiben zu müssen. Aber das Thema ist zu wichtig. Manipulative Cookie-Banner sind ja nur ein Symptom eines kaputten Systems, die für alle sichtbare Spitze des Dateneisbergs. Es ist deshalb auch ein symbolischer Kampf, in dem es darum geht, dass wir uns alle frei entfalten können – ohne dass wir uns dabei immer wieder Gedanken machen müssen, ob wir beobachtet werden und welche Konsequenzen das für uns haben könnte.

Ich finde es auch eine Frage des Respekts, dass man etwa die eigenen Leser:innen ernst nimmt. Dazu gehört beispielsweise, auf der ersten Seite des Cookie-Dialogs den sichtbaren Button einzublenden, mit dem man alle Cookies ablehnen kann. Diesen Button gibt es aber häufig nicht. Wir haben kürzlich zu diesem Thema recherchiert – und was verändert: Im Zuge unserer Recherche haben wir mehrere Medien um Statements gebeten, die kurz darauf dann tatsächlich ihre Cookie-Banner nutzer:innenfreundlicher gestaltet haben.

Am besten wäre es natürlich, wenn es diese Banner erst gar nicht gäbe. Bei netzpolitik.org müssen sich die Leser:innen keine Gedanken darüber machen. Einfach schon deshalb, weil wir unsere Leser:innen nicht ausspähen müssen und wollen. Wir schieben ihnen keine Tracking-Cookies unter. Und bei uns gibt es auch keine nervige Werbung und auch keinerlei Abo-Modelle. Wir wollen, dass alle und jede:r unsere Texte auf netzpolitik.org lesen können, unabhängig von Geldbeutel und Datenschutzeinstellungen – und ohne jedwede Überwachung.

Rote Linien statt Pseudo-Einwilligungen

Ich wünsche mir, dass Datenschutzbehörden und Gerichte über ausreichend Ressourcen und Kompetenzen verfügen, die Datenschutzgrundverordnung und andere Datenschutzgesetze konsequent durchzusetzen – notfalls mit saftigen Sanktionen. Zugleich müssen wir schauen, wie wir den bestehenden Datenschutzrahmen weiterentwickeln.

Denn die Datenschutzgrundverordnung ist auch Teil des Problems. Sie setzt zu sehr auf das Instrument der Einwilligung der Einzelnen, auf die vermeintliche Datensouveränität. Leider ist es, das zeigen viele unserer Recherchen, eine Illusion, dass Menschen in die Lage versetzt werden können, in allen Kontexten ausreichend informiert zu sein und damit freiwillig entscheiden zu können, welche Daten sie preisgeben wollen und welche nicht.

Wir brauchen eine umfassende Reform des Datenschutzrechts, die den Pseudo-Einwilligungen und der vermeintlichen Freiwilligkeit ein Ende bereitet. Vielmehr müssen wir als Gesellschaft definieren, welche Datennutzung wir wollen und welche nicht. Welche Risiken sind wir bereit einzugehen – zum Beispiel bei der Datennutzung für die Gesundheitsforschung? Und wo ziehen wir rote Linien – etwa bei der Bildung umfassender Nutzer:innenprofile, bei der Überwachung der privaten Kommunikation oder beim Scoring mit Datenprofilen? All diese Fragen lassen sich nicht einfach per Mausklick beantworten. Stattdessen sollte diese Form der schnellen Einwilligung nur eines sein: verboten.

Der Text basiert auf einem Gespräch, das Stefanie Talaska geführt und aufbereitet hat.

Lizenz: Die von uns verfassten Inhalte stehen, soweit nicht anders vermerkt, unter der Lizenz Creative Commons BY-NC-SA 4.0.

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Grafikquellen         :

Oben     —      Lea Pfau, Ulrich Kelber, Ingo Dachwitz, Konferenz „Das ist Netzpolitik!“ 2019

Verfasser Jason Krüger / Quelle     :  Das ist Netzpolitik! – Konferenz von netzpolitik.org  /  Datum  :   13.o0.2019

Diese Datei ist lizenziert unter derCreative CommonsAttribution-Share Alike 4.0 International Lizenz.

 

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Ernüchterndes bei COP27

Erstellt von Redaktion am 22. November 2022

Im Hintergrund agieren die Saboteure

Ein geistiger Rein – ganz ohne Durch – fall

Eine Kolumne von Christian Stöcker

Die Klimakonferenz von Scharm al-Scheich endet mit einer Enttäuschung – und das hat seine Gründe. Es wird Zeit, die Saboteure klar zu benennen. Zumal nachweisbar ist, wie sie agieren.

Die Klimakonferenz in Ägypten ist zu Ende, und das Ergebnis ist durchwachsen. Nach rund zwei Wochen harter Verhandlungen einigten sich die Delegierten auf einen eigenen Finanztopf, aus dem arme Länder einen Ausgleich erhalten sollen für Verluste und Schäden, die durch den Klimawandel entstehen. Doch der Erfolg hat einen hohen Preis: Beim Klimaschutz, also dem Ausstieg aus fossilen Energien und dem Runterfahren von Emissionen, gab es kaum Fortschritte.

Eine entscheidende Rolle bei dieser Konferenz spielte einmal mehr China , dem mittlerweile größten CO₂-Emittenten des Planeten. Doch das Land allein verantwortlich zu machen, das wäre ein weiterer Erfolg für die, die in Wahrheit die größte Schuld tragen.

Ein Hinweis auf die tatsächliche Lage: In Scharm al-Scheich waren 636 Lobbyisten von Öl-, Gas- und Kohlekonzernen  akkreditiert.

Legitime Ziele für die Klimawut

Die anscheinend so komplexe Landschaft der Klimapolitik teilt sich, wenn man von China einmal absieht, in zwei sehr übersichtliche Lager: All diejenigen, die tatsächlich aus fossilen Brennstoffen aussteigen wollen, so schnell wie möglich. Und all diejenigen, die mit der Förderung und dem Verkauf von Roh-CO₂ Geld verdienen, und deren Handlanger in Medien, Politik und Randgebieten der Wissenschaft.

Die letztere Gruppe ist dafür verantwortlich, dass viele Menschen auf diesem Planeten immer noch nicht begriffen haben, wie gefährlich unsere Lage ist.

Wer zahlt, schafft an

Ein paar aktuelle Beispiele: In »Nature Climate Change« erschien kürzlich eine Studie , die nachweist, was passiert, wenn Unternehmen aus der Fossilbranche Energieforschung finanzieren. Forschungszentren, die von der Gasbranche gefördert werden, »bevorzugen in ihren Berichten Erdgas gegenüber erneuerbaren Energien«. Bei tatsächlich unabhängigen, nicht von fossilen Interessensgruppen finanzierten Forschungseinrichtungen, »zeigt sich das gegenteilige Muster, mit einer neutraleren Einstellung zu Erdgas und einer Bevorzugung von Solarenergie und Wasserkraft.«

Mit anderen Worten: Die Fossilbranche kauft sich Ergebnisse, die ihren Interessen dienen sollen. Immer noch.

Sabotage mit allen erdenklichen Mitteln

Waren diese Saboteure auch alle dort – obwohl bei denen alles schon in Trockenen liegt ?

Gleichzeitig sabotieren Vertreter fossiler Interessen weiterhin den Ausbau der erneuerbaren Energien. Das hat seinen Grund: Erneuerbare Energien sind mittlerweile konkurrenzlos billig. Es ist also im Interesse derer, die weiterhin CO₂ verkaufen wollen, diesen Umstand zu verschleiern oder zumindest seine Umsetzung in politisches und wirtschaftliches Handeln zu verhindern.

Aktuelles Beispiel: In den USA gibt es derzeit diverse Klagen von »Anwohnern« gegen Offshore-Windkraftanlagen. Der Ausbau erneuerbarer Energien soll also mit dem Rechtssystem als Bremsklotz behindert werden. Dieses Vorgehen kennen wir auch aus Deutschland.

In den USA zeigt sich bei genauem Blick ein Muster: Hinter vielen Klagen stecken in Wahrheit Interessenvertreter der Fossilbranchen. Dort klagen »Anwohnergruppen« derzeit aus vielfältigen Gründen gegen Windkraftanlagen auf hoher See: Zum »Schutz der Wale«, weil ein Offshore Windpark angeblich den Immobilienpreisen schade (in Wahrheit tut das die Klimakrise ) oder zugunsten der lokalen Fischereibranche.

Mitfinanziert werden solche Klagen  immer aus der gleichen Richtung: aus der US-Öl- und Gasbranche, beziehungsweise von deren absichtlich undurchsichtigem Geflecht aus »Think Tanks«, »Stiftungen«, »Instituten« und »Fonds«. Oft haben sich die gleichen Gruppen nur wenige Jahre zuvor noch für großzügige Regelungen für Ölforderung  vor der Küste eingesetzt – an den gleichen Stellen, an denen sie Windparks nun angeblich für gefährliche Umweltsünden halten.

Netz aus Tarnorganisationen

Die Szene ist auch international hochgradig vernetzt. Der US-Amerikaner John Droz , der seit mehr als zehn Jahren gegen Solar- und Windenergie agitiert, Zweifel am menschengemachten Klimawandel sät und auch andere in der Kunst der Agitation ausbildet , tritt auch beim Deutschen »EIKE«-Institut auf. Einer Organisation von Klimawandelleugnern- und Abwieglern, der heute zum Glück nur noch die AfD zuhört. Droz ist eine Art Coach für Klimawandelleugner und (dem Anschein nach) Ein-Mann-Lobbyist in einem.

Er behauptet weiterhin, dass Wind- und Sonnenenergie in Wahrheit gar nichts bringen – eine groteske Position angesichts der Tatsache, dass etwa Deutschland mittlerweile fast die Hälfte seiner Stromerzeugung mit erneuerbaren Energien bestreitet . Ansonsten behauptet er in seinem Newsletter, dass die USA gerade vom Kommunismus überrannt werden, weil die Republikaner bei den Kongresswahlen so schlecht abgeschnitten haben.

Quelle       :          Spiegel-online         >>>>>        weiterlesen

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Grafikquellen      :

Oben     —   IAEA at the United Nations Climate Change Conference 2022 in Sharm El-Sheikh, Egypt. 9 November 2022 Photo Credit: David Nieto / IAEA

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2.) von Oben       —         Церемония открытия газопровода «Северный поток».

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Kampf um mehr Lohn

Erstellt von Redaktion am 21. November 2022

Berlin: Nach der Demo beginnt der Klassenkampf

Datei:Umverteilen demonstration Berlin 2022-11-12 27.jpg

Quelle     :     Untergrundblättle – CH

Von      :      Peter Nowak

Ca. 7000 Menschen haben am Samstag 12. November in Berlin unter dem Motto „Umverteilen jetzt“ gegen die Auswirkungen der kapitalistischen Krise in Berlin demonstriert.

Es war der bisher größte linke Protest in diesen Herbst. Doch wie geht es weiter?Der größte Erfolg war, dass auf der Demonstration der Kampf gegen den Kapitalismus in unterschiedlichen Blöcken im Mittelpunkt stand. Es gab sogar Banner von DGB-Gewerkschaften wie der IG-Bau, aber auch viele Fahnen der FAU. Besonders positiv ist auch der Careblock zu nennen, in dem sich Beschäftigte aus Krankenhäusern und Pflegeberufen versammelt haben. Ganz vorne liefen junge liefen Antikapitalist*innen, die den Zusammenhang zwischen Krise und Krieg in den Mittelpunkt ihrer Losungen gestellt hatten.Sie kritisierten die Nato und den russischen Militarismus. Deswegen ist es absurd, wenn ein Kommentator der linkskonservativen jungen Welt den Demonstrant*innen vorwirft, sie hätten sich nicht gegen die Nato positioniert. Dabei wird eben vergessen, dass der gemeinsame Nenner der sehr unterschiedlichen Demonstrant*innen der Kampf gegen die kapitalistischen Zumutungen war und ein linksreformerisches Programm dagegen propagiert wurde, das sich in dem Begriff Umverteilen zusammenfassen lässt. Diejenigen, die aus der Demo eine Antinatoaktion machen wollen, sollten etwas mehr historisches Bewusstsein haben. Die wesentlich von den Revolutionären Obleuten getragenen Proteststreiks gegen Hunger und Armut im Ersten Weltkrieg im Jahr 1916 beschränkten sich zunächst auf soziale Forderungen. Erst im Januar 1918 entwickelten sic die Streiks unter dem Eindruck der Oktoberrevolution zu einer Maifestion gegen Verelendung und Krieg.

Kampf um mehr Lohn

Jetzt muss erst einmal darum gehen, den Schwung der Demonstration zu nutzen, damit es eine längerfristige Protestbewegung wird. Da kommen eben die künftigen Tarifverhandlungen ins Blickfeld, die demnächst anstehen. Das Bündnis Genug ist genug hat bereits vor einigen Wochen in Berlin-Neukölln die Verbindung von Krisenprotesten und Tarifkämpfen hergestellt. Dort sprachen eben nicht nur linke Bewegungsaktivist*innen sondern Lohnabhängige aus verschiedenen Branchen. Solche Veranstaltungen sorgten dafür, dass es möglich wurde, dass aktive Gewerkschaftler*innen mit ihren Bannern auf eine eindeutig von der unabhängigen Linken geprägte Demonstration vertreten waren.

Das Thema Lohnkampf und Unterstützung von Arbeiter*innen war in fast allen Blöcken dieser Demonstration präsent. Wenn nur ein Bruchteil dieser Menschen die künftigen Tarifkämpfe solidarisch unterstützen würden, könnten die eine besondere Dynamik bekommt. Schließlich wird es dort darum gehen, angesichts einer zweistelligen Inflationsrate Reallohnverluste zu verhindern. Schon wird von der Kapitalseite der Mythos von der Lohnpreis-Spirale gestreut, um auf eine Verzichtspolitik einzustimmen. Es wäre dann die Aufgabe der solidarischen Linken, dem nicht nur ideologisch sondern auch mit Streikposten vor den Betrieben entgegenzutreten.

Wie eine solche solidarische Unterstützung aussehen könnte, zeigte die Aktion Dichtmachen vor 15 Jahren. Im Jahr 2008 unterstützten solidarische Linke die Beschäftigten im Einzelhandel während ihres Streiks, in dem sie die Filialen blockierten und damit den Einsatz von Streikbrecher*innen verhinderten. Der Kontakt zwischen aktiven Kolleg*innen und der Außerparlamentarischen Linken ist damals über die Euro Mayday-Bewegung entstanden. Vielleicht gehört die Kontaktanbahnung zu den streikbereiten Beschäftigten zu den größten Erfolgen der kurzzeitigen Bewegung. So könnten auch die aktuellen Krisenproteste zu einer stärkeren Unterstützung von Arbeitskämpfen führen. Denn gegen den teuren Döner hilft eben kein kleines Feuer wie es auf einen Transparent im autonomen Block hieß, sondern mehr Lohn.

Enteignung von Deutsche Wohnen und Co. umsetzen

Und dann könnte auch die Bewegung Deutsche Wohnen Enteignen durch die linke Demonstration wieder Auftrieb bekommen. Denn trotz ihres grosses Erfolges bei der Abstimmung im Herbst 2021 wird noch immer über die Umsetzungsperspektiven gestritten. Manche in der Politik wollen die Umsetzung sogar überhaupt verhindern. Eine oft skandierte Parole am Samstag in Berlin lautete „Wir enteignen Euch alle“. Wenn es kein Verbalradikalismus war, sollte es zunächst mal heißen. „Volksbegehren umsetzen – Enteignung von Wohnen und Co sofort“. Zudem müssen die Büros der Kapitalparteien CDU/CSU eigentlich Gegenstand vielfältiger Proteste werden.

Diese Partei inszeniert aktuell einen Angriff auf die Rechte von Erwerbslosen mit ihrer Kampagne gegen das geplante sowieso unzureichende Bürgergeld und bedient dabei die Ressentiments gegenüber angeblich faule Erwerbslose, die nach dem Willen der CDU/CSU weiter sanktioniert und entrechtet werden sollen. Leider spielte dieser Angriff auf Menschen, die sowieso schon durch das Hartz IV-Regime massiv unter Druck sind, keine große Rolle auf der Umverteilen-Demonstration. Das sollte aber die Aktivist*innen nicht hindern, den Unionsparteien ihre Verachtung für ihren Krieg gegen die Erwerbslosen mitzuteilen.

Keine Stromabschaltung unter dieser Nummer

Viele von ihnen sind auch in diesem Winter denen von Gas und Stromsperren bedroht. Sie brauchen solidarische Unterstützung. Das geht nur durch Organisierung im Stadtteil und im Arbeitsplatz. Dafür gibt es Vorbilder in der jüngeren Bewegungsgeschichte: Unter dem Motto „Keine Räumung unter dieser Nummer“ war nach Einführung von Hartz IV ein Nothilfetelefon eingerichtet worden, bei dem sich Menschen melden konnten, denen die Kündigung drohte, weil das Jobcenter nicht mehr die vollen Mietkosten übernahm. Aktuell könnte ein solches Nothilfetelefon unter dem Motto „Keine Abschaltung von Strom und Gas unter dieser Nummer in den Kiezen eingerichtet werden.

Soweit nicht anders angegeben und keine Quellenangabe (Name einer Organisation oder Internet-Adresse) vorhanden ist, gilt für die Texte auf dieser Webseite eine Copyleft (Public Domain) Lizenz.

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Grafikquellen          :

Oben         —        Demonstration für die Umverteilung von Vermögen vom Marx-Engels-Forum über das Finanzministerium und das Willy-Brandt-Haus zum Merhringdamm in Berlin.

Verfasser Leonhard Lenz         /       Quelle    :  Eigene Arbeit      /   Datum    :    12. November 2022

Diese Datei wird unter CreativeCommonsCC0 1.0 Universal Public Domain Dedication zur Verfügung gestellt.

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Proteste im Iran

Erstellt von Redaktion am 20. November 2022

Frau – Leben – Freiheit

Aufstand der Amir-Kabir-Universität September 2022 (3).jpg

Von Golineh Atai

Seit Jahren stehen die iranischen Frauen an vorderster Front gegen das unterdrückerische Regime. Der Westen darf ihrem Kampf nicht tatenlos zusehen.

Der zentrale Protestslogan seit dem gewaltsamen Tod von Mahsa Jina Amini im Polizeigewahrsam lautet „Frau, Leben, Freiheit“. Das ist alles andere als ein Zufall. Denn die Feindschaft gegen Frauen gehört von Beginn an zu den politischen Grundpfeilern der Islamischen Republik Iran. „Wenn die islamische Revolution kein anderes Ergebnis haben sollte als die Verschleierung der Frau, dann ist das per se genug“, hat Revolutionsführer Ruhollah Chomeini einst gesagt.

Nur wenige Tage nachdem der Ajatollah seinen Fuß auf iranischen Boden gesetzt und die Regierung des letzten Monarchen gestürzt hatte, erhob er das Schwert seiner Revolution als Erstes gegen die Frauen. Fast alle Gesetze, die zum Schutz der Frau verabschiedet worden waren, sollten seiner Idee des Islam zum Opfer fallen. Zum ersten Mal in der iranischen Geschichte waren Ehescheidungen bis zu diesem Zeitpunkt Sache von Familiengerichten mit staatlich examinierten Richtern anstelle von Geistlichen.

Die männliche Polygamie wurde auf eine Zweitfrau begrenzt. Das Recht der Frau auf Arbeit wurde gefördert, bezahlter Mutterschaftsurlaub und Kinderbetreuung wurden ermöglicht. Die Geistlichkeit verurteilte damals diese Gesetze als „Prostitutionsförderung“ und prophezeite moralischen Verfall. Linke Parteien und Gruppen kritisierten die Gesetze als „Verwestlichung“ des Iran.

Klerus und Linke setzten gemeinsam die Revolution in Gang. „Die Freiheit der Frau ist die Freiheit der Gesellschaft“, stand dagegen auf den Bannern jener Iranerinnen, die 1979 protestierten: gegen die neuen islamischen Bekleidungsvorschriften, gegen den Verlust zahlreicher Rechte. Irans Frauen waren die größten Verliererinnen der Revolution.

Chomeini setzte das Heiratsalter für Mädchen auf neun Jahre herab. Männer konnten wieder vier Frauen heiraten, und Richterinnen gehörten fortan der Vergangenheit an. Wer in der Schule aus dem Rahmen fällt, muss gehen. Im Laufe der Jahrzehnte konnte ein kleiner Handspiegel in der Tasche, weiße Sportsocken, ein Haarreif unter dem obligatorischen Kopftuch oder eine hervortretende Haarsträhne zu Diskriminierung und Ausschluss führen.

Verschmelzung von Regierung und Religion

Das Hauptproblem der Iranerinnen war nicht der Islam, der je nach Zeit und Ort anders interpretiert wird, sondern die Natur der Islamischen Republik: ein „theokratisches System, erschaffen aus der politischen und gesetzlichen Verschmelzung von Regierung und Religion“. Der theokratische Staat kann mit seinen Erzfeinden in Verhandlungen treten – nicht aber mit den Iranerinnen. Die politischen Machthaber haben mehr Angst vor den Frauen als vor ihren ideologischen Gegnern.

Über die Frau kontrolliert das Regime die Gesellschaft. „In rechtlicher Hinsicht sind die Frauen die größten Leidtragenden im über 40 Jahre währenden Experiment der Islamischen Republik“, bringt es die iranische Anwältin und Menschenrechtlerin Mehrangiz Kar auf den Punkt. Wenn es tatsächlich einen tiefgreifenden Wandel im Iran geben sollte, wird er auf die Frauen zurückgehen, die Jahrzehnte dafür Opfer brachten, ohne sich einschüchtern zu lassen.

Frauen stehen an vorderster Front des Widerstands gegen das Unrecht. Sie stehen der Macht­elite gegenüber. Sie haben das Regime in seinem Wesen kennengelernt – und an einem bestimmten Punkt innerlich überwunden. Das macht ihre Stärke aus. Eine Stärke, hinter der sich jetzt große Teile speziell der jüngeren Generation versammeln.

Dass der Westen diesen ungemeinen Unmut, diese Wut im Lande nicht viel früher erkannte und darauf adäquat, nämlich mit harter Kritik am Regime, reagierte, hat zwei Gründe, einen außen- und einen eher innenpolitischen. Außenpolitisch ist es die – durchaus berechtigte – Angst vor einer iranischen Atombombe, die jede Debatte im Westen über die Menschenrechte im Iran seit Jahren lähmt. Das Nuklearabkommen steht im Fokus.

Die Verhandlungen darüber sind inzwischen so alt sind wie die Generation, die jetzt auf die Straßen geht und der ein solches Abkommen im Übrigen vollkommen gleichgültig ist. Innenpolitisch war es dagegen die Unterscheidung zwischen angeblichen „Reformern“ und „Hardlinern“, die es dem Regime seit Jahrzehnten ermöglichte, dem Rest der Welt die Illusion einer lebendigen Demokratie zu vermitteln – mit vermeintlichen seriösen Machtwechseln und Millionen von Wählern.

Gottessouveränität vor Menschensouveränität

Die Islamische Republik Iran ist ein zweigeteilter Staat, in dem gewählte Institutionen die täglichen Staatsgeschäfte verwalten – im Schatten des weitaus mächtigeren Obersten Führers. Dieser hat erhebliche Macht, aber eine geringe Rechenschaftspflicht, er kann jede Verantwortung auf Gewählte – sprich: auf den Präsidenten – abwälzen.

Eine der Hauptsäulen seiner Macht sind die Revolutionsgarden, die, wie sie selbst sagen, genau wissen, was sie dem Führer bringen müssen, wenn er nach einem Hut verlangt: einen Kopf. Die Revolutionsgarden zerschlagen Massenproteste, beugen einem militärischen Staatsstreich vor, sie haben eine korrupte Schattenwirtschaft aufgebaut und eine Medienholding gegründet, mit der sie ihre Propaganda in erstaunlich modernem Gewand unters Volk bringen.

Wir aber tun immer noch so, als stünden sich im Iran liberal-progressive und illiberal-reaktionäre Machtgruppen diametral gegenüber. Wir tun immer noch so, als würde unsere Unterstützung der Reformer die Demokratisierung des Iran herbeiführen. Und wir haben uns immer noch nicht mit der eigentümlichen Inkonsistenz ihres Reformprojekts beschäftigt, geschweige denn die Verfassung der Republik verstanden.

Die Diktatur der Rechtsgelehrten stellt Gottessouveränität vor Menschensouveränität. Sie beansprucht die einzig wahre Interpretation des Islam. Sie legitimiert politisch motivierte Gewalt. Sie lässt keine Trennung zwischen Staat und Religion zu. Diese Ordnung ist seit 1979 weitgehend reformunfähig – ungeachtet aller „Reformer“.

„Staub und Schmutz“

Die letzte Hoffnung der Reformer war die sogenannte Grüne Bewegung von 2009, als Millionen auf die Straße gingen, um friedlich – und vergeblich – gegen die manipulierte Wiederwahl Ahmadinedschads zu protestieren. 2009 markierte eine Wende, ein Jahr der Wahrheit. Tausende fragten auf der Straße nach dem Verbleib der Stimmen von Millionen von Bürgern.

Ahmadinedschad verwendete den Begriff „Staub und Schmutz“, um die drei Millionen Menschen zu beschreiben, die in einem Schweigemarsch in Teheran gegen die Wahlfälschung protestiert hatten. Für ihn waren sie schlechte Verlierer des gegnerischen Lagers. Waren es am Ende siebzig, achtzig oder hundert Todesopfer?

Tausende wurden festgenommen, viele Verhaftete in politischen Schauprozessen verurteilt, und ihre absurden, weil erzwungenen Geständnisse wurden im Staatsfernsehen ausgestrahlt. Doch auch damals zögerte der Westen, an der Spitze US-Präsident Barack Obama, die iranischen Demonstranten von 2009 anzuerkennen und sich von Anfang an mit klaren Worten auf ihre Seite zu stellen.

Quelle        :       TAZ-online          >>>>>        weiterlesen

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Grafikquellen        :

Oben      —    Studenten der Amir Kabir Universität protestieren gegen Hijab und die Islamische Republik

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Putins Raketen auf Polen

Erstellt von Redaktion am 20. November 2022

Strack-Zimmermann: «Ich bereue meinen Tweet nicht»

Würden Politiker-innen je etwas bereuen, lernte Niemand sie als Säue kennen!

Quelle      :        INFO Sperber CH.

Urs P. Gasche /   

Die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses des Bundestags machte Russland für den Raketeneinschlag in Polen verantwortlich.

Die beiden FDP-Exponenten Marie-Agnes Strack-Zimmermann und Alexander Lambsdorff glaubten sofort dem ukrainischen Präsidenten Selensky und machten Russland für die Rakete verantwortlich, die im Polen einschlug und dort zwei Menschen tötete.

Diese Anschuldigung war von Anfang an unglaubwürdig, weil Russland überhaupt kein Interesse daran haben kann, einen Bündnisfall der Nato auszulösen. Allenfalls hätten russische Soldaten eine Rakete irrtümlicherweise falsch manipuliert. Schon bald jedoch war klar, dass die Rakete zwar aus russischer Produktion stammte, jedoch eine Abwehrrakete war, welche die ukrainische Armee zündete.

Doch Strack-Zimmermann und Lambsdorf glaubten sofort dem ukrainischen Präsidenten Selensky, der sagte: «Dies ist ein russischer Raketenangriff auf die kollektive Sicherheit!» und hinzufügte: «Das bedeutet eine sehr bedeutende Eskalation. Wir müssen handeln.»

Strack-Zimmermann twitterte:

Tweet Strack-Zimmermann

Alexander Lambsdorff folgte sogleich:

Tweet Lambsdorff
© AL
Die Quelle AP genügte auch Bild-Chefredaktor Johannes Boie, um eine Meldung über den «bewaffneten Angriff auf Nato-Territorium» zu verbreiten: «Die russische Armee hat Polen bombardiert. Putin spielt mit dem Weltkrieg.» Die Schlagzeile auf der Frontseite der Bild-Zeitung ist oben abgebildet: «Putin feuert Raketen nach Polen.»

In der Schweiz meldete das Tamedia-Blatt 20 Minuten: «US-Geheimdienst bestätigt: Russische Raketen schlagen im Nato-Land Polen ein – mindestens zwei Tote.» Dass auch die Ukraine über russische Raketen verfügt, wurde verschwiegen und der Eindruck erweckt, Russland habe Polen angegriffen.

Nachdem feststand, dass die Russen dieses Mal unschuldig waren, fragte das ARD/ZDF-Morgenmagazin die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses, ob sie ihren Tweet bedaure. Strack-Zimmermann meinte jedoch: «Ich bereue diesen Tweet nicht.» Schliesslich würden die Russen die Ukraine ständig mit Raketen angreifen.

Strack-Zimmermann: Problematische Kontakte zur Rüstungsindustrie

Der Verein Lobbycontrol hält die ehrenamtlichen Funktionen der Verteidigungsausschuss-Vorsitzenden Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP) in Vereinen, an denen die Rüstungsindustrie zentral beteiligt ist, für schlecht vereinbar mit ihrer Tätigkeit als Ausschussvorsitzende. Strack-Zimmermann ist unter anderem Mitglied im Präsidium der Deutschen Gesellschaft für Wehrtechnik sowie beim Förderkreis Deutsches Heer. «Beides sind von der Rüstungsindustrie stark beeinflusste Organisationen, wo wir es kritisch sehen, wenn Abgeordnete des Bundestages dort leitende Funktionen übernehmen – auch wenn es ehrenamtlich geschieht», sagte Lobbycontrol-Sprecher Timo Lange der «Neuen Osnabrücker Zeitung». Die Rüstungsindustrie würde damit über «sehr enge und privilegierte Zugänge ins Parlament verfügen».

Der ARD-Faktencheck betätigte: «Beide Organisationen zählen neben der Gesellschaft für Sicherheitspolitik e.V. (GSP) zu den wichtigsten Lobby-Verbänden der deutschen Rüstungsindustrie.» Die Antikorruptionsorganisation Transparency International warnte in den vergangenen Jahren immer wieder vor einer möglichen Einflussnahme der Rüstungsindustrie auf politische Entscheidungsprozesse. 

Henning Otte, Vizepräsident des Förderkreises Deutsches Heer, sieht im Engagement von Strack-Zimmermann kein Problem: «Im Förderkreis Deutsches Heer sind alle Parteien vertreten mit Ausnahme der Linken und der AfD. Aus meiner Sicht gehört der Kreis, in dem sich Politik, Soldaten und Rüstungsindustrie austauschen, zum notwendigen Rahmenprogramm eines Verteidigungspolitikers […] Die Mitgliedschaft von Frau Strack-Zimmermann in mehreren Verbänden der Sicherheitspolitik und Rüstung ist aus meiner Sicht nicht verwerflich.»

Strack-Zimmermann sagt, wie es die meisten PolitikerInnen in ähnlichen Fällen tun: «Ich betreibe keine Lobbyarbeit für die Rüstungsindustrie.»

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Oben      —       Serie:112. Parteitag der FDP Baden-Württemberg am 5. Januar 2015 in StuttgartBild:Marie-Agnes Strack-Zimmermann

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Verkehrswende im Stau

Erstellt von Redaktion am 18. November 2022

Die Ampel zementiert den Status quo.

A7

Ein Debattenbeitrag von Kerstin Haarmann

Bundeshaushalt 2023: Die Klimaziele beim Verkehr werden verfehlt und dennoch gibt auch die Ampel die kostspieligen Autoprivilegien nicht auf. Die Ampel zementiert den Status quo. Sie klammert sich an den Verkehr der Gegenwart auf Kosten der Zukunft.

Das Deutschlandticket kommt – ein Durchbruch, mit dem vor einem Jahr niemand gerechnet hatte. Die Kleinstaaterei der Tarifzonen wird bald Vergangenheit sein, Bus und Bahn werden günstiger. Und dennoch: Der Verkehr bleibt das Schlusslicht beim Klimaschutz. Die Regierung verweigert die Wende in Richtung klimafreundliche Mobilität. Letztes Jahr hat sie erneut die Vorgaben des Klimaschutzgesetzes gerissen. Macht sie so weiter, dürfte sie auch das Verkehrsklimaziel für 2030 krachend verfehlen: Bis dahin sollen die Treibhausgasemissionen gegenüber 1990 um die Hälfte sinken – mit den bisherigen Maßnahmen wird das nicht gelingen.

Eigentlich hat sich die Ampelregierung in ihrem Koalitionsvertrag zu einer nachhaltigen und für alle bezahlbaren Mobilität bekannt. Der sogenannte Umweltverbund – also Bus-, Bahn-, Rad- und Fußverkehr – soll als Alternative zum Auto ausgebaut werden, in die Schiene künftig mehr Geld fließen als in die Straße. Doch Papier ist geduldig; in der Praxis ist davon kaum etwas zu erkennen. Im Entwurf für den Haushalt 2023 fehlen:

1. Ausreichende Investitionen, abgesichert durch einen langfristigen Umwelt- und Klimafonds.

2. Die Besteuerung der Verkehrsarten nach Umwelteffekten („tax bads not goods“).

3. Neue Steuerungsinstrumente wie ein Bonus-Malus-System bei der Kfz-Steuer oder eine Pkw-Maut.

4. Eine am Klima ausgerichtete Subventionspolitik.

5. Der Ausbau von Planungs- und Personalkapazitäten für die Verkehrswende.

Dabei müsste der Verkehrshaushalt 2023 endlich erste Schritte gehen, damit wir bis 2030 einen Verkehr erreichen können, wie wir ihn haben wollen: resilient, ökologisch und sozial. Stattdessen wird der Bundestag kommende Woche abermals mehr Mittel für das Auto freigeben als für den Umweltverbund. Die Investitionen in die Straße werden auf 11,5 Milliarden Euro erhöht, während sie für die Schiene bei rund 9,5 Milliarden verharren. ­Der Staat fördert also weiter die Strukturen, die für den größten Teil der Verkehrsemissionen verantwortlich sind, und verhindert damit den Übergang in eine klimafreundliche Mobilität.

Auch beim Radverkehr wird gekürzt. Hier stehen lediglich 561 Millionen Euro zur Verfügung. Dabei hatte die Verkehrsministerkonferenz im Mai 2022 einstimmig beschlossen, die Investitionen fürs Rad auf 1 Milliarden Euro pro Jahr zu erhöhen – für jedes Jahr bis 2030. Zwar wird allen Verkehrsarten für die Folgejahre Geld zugesichert; an der Priorität für die Straße ändert das aber nichts. Beim ÖPNV klafft ebenfalls eine Lücke: Das Geld reicht vorne und hinten nicht, um das Bus- und Bahnangebot zu verbessern. Zusätzliche Verbindungen und neue, umweltfreundlichere Fahrzeuge werden dringend benötigt, doch dafür sieht der Bundeshaushalt kaum etwas vor. Es drohen sogar Kürzungen beim Angebot, weil Personal- und Energiekosten stark gestiegen sind. Allein diese Preissteigerungen auszugleichen, würde für 2023 drei Milliarden Euro zusätzlich erfordern.

Dumm – Dümmer  – Politiker-innen der Regierungen. Alle Politiker-innen müssen für gemachte Schäden haftbar gemacht werden können. Die heutige Narrenfreiheit muss ein Ende haben !

Und damit wäre noch keine einzige zusätzliche Verbindung geschaffen. Um das Ziel zu erreichen, die Fahrgastzahlen zu verdoppeln, sind weitere 12 Milliarden Euro für Busse und Bahnen nötig. Zusammen also 15 Milliarden Euro jedes Jahr, die Bund und Länder nicht stemmen wollen. Wer meint, das sei viel Geld, soll sich anschauen, wie stark der Autoverkehr jährlich gefördert wird. Man nehme etwa die Steuerprivilegien wie die niedrigere Energiesteuer auf Diesel (8,2 Milliar­den Euro), das Dienstwagenprivileg (4,4 Mil­liar­den) oder eine Pendlerpauschale (6 Mil­liar­den), die vor allem das Autofahren günstiger machen. Hinzu kommen Steuerbefreiungen fürs Fliegen: Der Staat erhebt weder eine Energiesteuer auf Kerosin (8,4 Milliarden) noch eine Mehrwertsteuer auf Auslandsflüge (4 Milliarden).

Diese Privilegien führen zu immensen Steuerausfällen und stellen de facto Subventionen dar. Meist sind sie ungerecht, da vor allem Besserverdienende profitieren. Klimapolitisch sind sie fatal, denn sie konterkarieren alles, was den Verkehr klimaschonender macht. Mit den zusätzlichen Einnahmen ließen sich Bus-, Bahn-, Rad- und Fußverkehr locker ausbauen. Doch die Devise „viel Geld hilft viel“ trifft nicht immer zu. Oft werden Fördertöpfe nicht ausgeschöpft, weil in der Verwaltung das Personal für die Planung fehlt oder Baufirmen keine freien Kapazitäten haben. Hinzu kommen bürokratische Hürden und hohe Eigenanteile, die Kommunen und Unternehmen abschrecken.

Quelle        :         TAZ-online        >>>>>        weiterlesen

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Oben     —    Stau auf der Autobahn A7 bei Echte im Landkreis Northeim.

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Unten       —       Karikatur von Gerhard Mester zum Klimawandel: „Weiter so“

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Flimmern + Rauschen

Erstellt von Redaktion am 18. November 2022

Wir brauchen ein Medienhaus wie die Villa Kunterbunt

Kolumne von Steffen Grimberg

Die letzten Wochen ist ja manchmal der Eindruck entstanden, die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten glichen einem Bewegungsraum in der Kita am Nachmittag. Alle sind ganz aufgeregt und brüllen durcheinander. Dass der MDR parallel „Schlaflieder mit dem MDR-Kinderchor“ anpreist, ließe sich jetzt prächtig verhohnepipeln.

„Wenn irgendwer aus der Medienblase das für ’n Sockenschuss hält, haben sie leider nichts begriffen“, sagt die Mitbewohnerin. Schließlich geht es um Lieder für Kinder von Kindern, begleitet vom MDR-Sinfonieorchester. Die 20 Titel gibt’s jetzt zum Streamen und Mitsingen in der ARD Audiothek und ARD Mediathek.

Noch mal, das ist öffentlich-rechtlicher Kernauftrag. Wenn sich die ganzen Groß­stra­te­g*in­nen aus der Politik mit ihren Forderungen, ARD und ZDF zu verschlanken, durchsetzen, wäre es dagegen um deren Chöre und Orchester traurig bestellt. Dabei läuft gerade da der direkte Kulturaustausch mit der Gesellschaft, den angeblich alle wollen. Hat schon mal jemand etwas von einem Kinderchor bei den Privaten gehört? Und auch die sattsam bekannten Exemplare wie die Thomaner oder Regensburgs Domspatzen und so weiter kommen nicht ohne satte Zuschüsse aus öffentlichen Kassen aus.

Kinder zahlen zwar keinen Rundfunkbeitrag, aber ihre Eltern. Und der öffentlich-rechtliche Rundfunk ist gerade auch für sie da, selbst wenn Kinderprogramm heute hauptsächlich im KiKA stattfindet. Dafür sind die Nachrichten bei „logo“ ja im Allgemeinen verständlicher als bei der „Tagesschau“. Vielleicht gehört, um es mal mit Herbert Grönemeyer zu sagen, der öffentlich-rechtliche Rundfunk eh in Kinderhände. Da wäre er besser aufgehoben als bei so manchen Kindsköpfen, die da gerade in der Medienpolitik und den Anstalten rumeiern.

Datei:Astrid Lindgrens Värld, neue Villa Kunterbunt (2009-08-xx).JPG

Viel geiler wäre doch ein bisschen vom anarchisch-diversen Geist der frühen „Sesamstraße“ und von alten antiautoritären West-Legenden wie der „Rappelkiste“ oder „Krempoli“! Die „Rappelkiste“ kam vom ZDF, sendete 68ermäßig klar gegen den Muff der Bewahrpädagogik und war mit Ratz und Rübe schon schwer Gender-okay. „Krempoli“ (ARD) spielte bei Opa Krempel auf dem Sperrmüllsammelplatz und hieß im Untertitel „Ein Platz für wilde Kinder“. Einfach mal machen!

Quelle          :        TAZ-online          >>>>>       weiterlesen

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Oben     —   Floaters caused by retinal detachments

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Gegen die Mullahs

Erstellt von Redaktion am 17. November 2022

Liefert Internettechnik nach Iran wie Waffen in die Ukraine!

Eine Kolumne von Sascha Lobo

Sollte das Regime das Netz abschalten, könnte es unbemerkt von der Weltöffentlichkeit viele Protestierende ermorden. Politik und Digitalkonzerne müssen das Land daher online halten – die Technik dafür gibt es.

In einem polnischen Grenzörtchen schlagen Raketen ein, es gibt Opfer, in sozialen Medien ist sofort die Rede von Bündnisfall. Nato! Artikel 5! Auf Twitter trendet »Weltkrieg«. Selbst die Aufrufe, um Gottes willen nicht in Panik zu verfallen, Ausrufezeichen, transportieren in typischer Social-Media-Aufgeregtheit ihr eigenes Gegenteil.

Am Ende handelt es sich offenbar um eine versehentlich in Polen eingeschlagene ukrainische Flugabwehrraketen, und natürlich gilt der Spruch »Nachher ist man immer klüger«. Aber das heißt eben auch »Vorher ist man immer unklüger«, was das viel gescholtene, eskalative Potenzial sozialer Medien beschreibt. Zusammen mit Fake-News-Lawinen, Social-Media-Propaganda, ungelösten Hass- und Hetzproblemen, der Real-Time-Soap-Opera, zu der Elon Musks tägliche Twitter-Show geworden ist, und dem ständigen, kulturpessimistischen und herablassenden Lamento über Influencer*innen haben soziale Medien gerade nicht unbedingt besonders gute Presse. Hatten sie lange nicht.

Im Dezember 2010 beginnt der Arabische Frühling, der zeitweise als »Facebook-Revolution« galt und damit im Westen als Einlösung des alten Versprechens, soziale Medien würden die Welt freier machen und dabei helfen, Diktaturen zu stürzen. Irgendwie.

Soziale Medien sind in Iran eine Frage von Leben und Überleben

Es ist leider nicht mehr in vielen Gedächtnissen vorhanden, aber schon über ein Jahr zuvor, im Sommer 2009, nutzte die iranische Bevölkerung vor allem Twitter, um den Widerstand gegen eine wahrscheinliche Wahlfälschung zu koordinieren. Drei Millionen  Menschen gingen auf die Straße, in deutschen Medien war damals die Rede vom »digitalen Aufstand« .

Es war kein Zufall, dass 2009 die vielleicht erste große, digital betriebene Revolte des Planeten in Iran stattfand. Soziale Medien sind für die jüngeren Generationen überall auf der Welt Teil ihres Alltags, ihrer Kommunikation, ihrer Kultur. In Iran aber bedeutet Social Media für die Jugend zugleich Leben und Überleben, und zwar buchstäblich.

Deshalb muss man, um die aktuelle Revolution in Iran besser zu verstehen, auch die Rolle sozialer Medien in Iran begreifen. So wird etwa beklagt , dass kaum führende Köpfe Teil der revoltierenden Bewegung seien – ein Nichtverständnis des Prinzips Netzwerk. Denn die Protestierenden sind durchaus organisiert. Es scheint auch eine gewisse (von außen schwer sichtbare) hierarchische Struktur zu geben. Aber eben auf eine Art, die digitalen Netzwerken nachempfunden ist.

Es gibt zwar Identifikationsfiguren, meist sind es Künstler*innen und Idole der Jugend. Sie haben aber keine oder nur eine multiplikatorische Funktion bei der Organisation. Man kann dieses neue, vernetzte Organisationsprinzip gut an einer der wichtigsten Menschenrechtsbewegungen der Gegenwart erkennen: #blacklivesmatter. Fast alle kennen diese Bewegung, sie ist politisch relevant und hat viel erreicht – aber selbst aufmerksamen Beobachtern fällt kein führender Name, kein einzelner Aktivistenkopf ein.

Es zeugt deshalb von einem Unverständnis der vernetzten Gegenwart in Iran, den Mangel an mächtigen, organisierten und sichtbaren Gegenspielern des Regimes als Zeichen eines Scheiterns der Jugendrevolution zu begreifen. Leider heißt das im Umkehrschluss nicht, dass die Revolution zwingend erfolgreich sein wird. Aber es heißt, dass jede Form der politischen Unterstützung von außen essenziell ist, weil sich damit die Erfolgschancen erhöhen.

Telegram und Instagram als Medien des Protests

Twitter und Facebook sind in Iran seit 2009 großteils gesperrt. Zu den aktuell wichtigsten sozialen Medien gehören dort InstagramWhatsApp und das viel gescholtene Telegram. Letzteres hat in Deutschland mit seiner weitgehend unregulierten, Behörden ignorierenden Art viel Schlimmes angerichtet. In Iran hat es aus genau diesen Gründen Vorteile.

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Instagram hat mehrere essenzielle Funktionen bei den Protesten. Das liegt unter anderem daran, dass es das letzte große, nicht standardmäßig gesperrte Social Network in Iran war. Es gab aber bereits seit 2015 glaubhafte Hinweise , dass Instagram mit den Behörden des Iran teilweise zusammenarbeitet, was Zensur angeht. Und zwar eine intelligente Zensur des digitalen Arms der Revolutionsgarden. Im Westen wird leider noch immer die Radikalität und vor allem die boshafte Cleverness der Revolutionsgarden unterschätzt. Es handelt sich um eine staatliche, weltweit aktive Terrororganisation des iranischen Regimes, die samt der iranischen Führung, der Sittenpolizei und der Basij-Schlägertrupps härteste Sanktionen verdiente.

Der inzwischen unter Hausarrest stehende Journalist und Aktivist Abbas Abdi  sagt in einem Telegram-Posting : »Social Media ist die größte iranische Provinz.« Dafür gibt es neben der ohnehin in vielen Ländern des Nahen und Mittleren Ostens riesigen Social-Media-Begeisterung einen konkreten und durchaus bitteren Grund: Im iranischen Alltag vor allem junger Frauen ist Instagram das Leben, der einzige Ort, an dem sie so etwas wie freie Entfaltung spüren können.

Quelle       :       Spiegel-online         >>>>>      weiterlesen

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Oben      —      ماکت پهپاد شاهد در راهپیمایی روز ۱۳ آبان در تهران

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Das Elend unserer Flüsse

Erstellt von Redaktion am 16. November 2022

Vertieft, vertrocknet, vergiftet

Von Nick Reimer

Wer derzeit in Frankfurt an der Oder über die Promenade schlendert, sieht Bagger auf der polnischen Seite arbeiten. Sie bauen Steinwälle, sogenannte Buhnen, die in den Fluss ragen. Mit den Bauwerken sollen die Wassermassen in die Flussmitte umgeleitet werden, damit sich dort die Fließgeschwindigkeit erhöht und sich die Oder tiefer in ihr Bett eingräbt. Ziel ist eine Wassertiefe von 1,80 Meter, die die Flussschifffahrt praktisch im ganzen Jahr ermöglichen soll. Denn Polen hat Großes vor mit dem Grenzfluss, und dafür muss die Fahrrinne der Oder für Binnenschiffe vertieft werden.

Das Nachbarland plant in Świnoujście (Swinemünde) an der Ostsee einen riesigen neuen Containerhafen, der wenige Kilometer hinter der deutsch-polnischen Grenze jährlich zwei Mio. Standardcontainer umschlagen soll. Die Stadt Świnoujście liegt auf der Insel Usedom, das Container-Terminal soll auf der gegenüberliegenden Swina-Seite gebaut werden, dort, wo es bereits eine Hafenanlage für Flüssigerdgas gibt, ein sogenanntes LNG-Terminal. Und weil die zwei Mio. Container irgendwie ins Landesinnere geschafft werden müssen, funktioniert der Plan nur, wenn die Ware auch über die Oder verschifft werden kann.

Aber das ist nur der kleine Teil des Plans für die Oder. Der größere ist die „Oder-Elbe-Donau-Wasserstraße“, die einen Weg von der Ostsee bis zum Schwarzen Meer eröffnen soll. Grundlage ist ein Staatsvertrag zwischen Tschechien und Polen, auch Ungarn ist mit an Bord. Das tschechische Verkehrsministerium legte Ende 2018 eine Machbarkeitsstudie vor, nach der das Gesamtprojekt fast 600 Mrd. Kronen (22 Mrd. Euro) kostet. Ende 2020 stellte die Regierung des damaligen Premierministers Andrej Babiš die ersten 15 Mrd. Kronen (550 Mio. Euro) zur Verfügung, mit denen der tschechische Teil der Oder von Ostrava bis zur polnischen Grenze hin schiffbar gemacht werden soll.

Die Elbe ist in Tschechien bereits bis Ústí nad Labem mit Staustufen kanalisiert, riesige Doppelschleusen garantieren, dass vier Schubverbände gleichzeitig angehoben oder abgesenkt werden können. Bei Děčín soll nun eine neue Schleuse gebaut werden, die Umweltverträglichkeitsprüfung ist bereits abgeschlossen. Aber dahinter ist Schluss, auf deutscher Seite ist die Elbe noch nicht so stark zum Kanal reguliert. Im Gegenteil: In Sachsen-Anhalt, Niedersachsen und Mecklenburg-Vorpommern sind die Elbauen ein solch einzigartiges Landschaftsbiotop, dass sie als Biosphärenreservat unter Schutz gestellt wurden. Die tschechische Flussschifffahrt kommt allerdings immer häufiger zum Erliegen, denn die Elbe hatte auch in diesem Sommer wieder so wenig Wasser, dass im Unterlauf sogar die Autofähren eingestellt werden mussten.

In ihrem aktuellen Zustand ist auf der Elbe Schifffahrt selten länger als sechs Monate möglich. Deshalb verhandelt Tschechien mit Deutschland über ein neues Abkommen, um die Schiffbarkeit der Elbe zu verbessern. Zwar stimmt es, dass eine auf dem Fluss transportierte Tonne Fracht weniger Kohlendioxid verursacht, als wenn diese auf der Straße transportiert würde. „In der Gesamtbetrachtung schneidet die Wasserstraße aber schlechter ab, wenn sie dafür ausgebaut werden muss“, sagte Steffi Lemke, als sie noch nicht Bundesumweltministerin war, sondern grüne Bundestagsabgeordnete aus Sachsen-Anhalt und Mitglied der Parlamentariergruppe „frei fließende Flüsse“. In dieser haben sich Abgeordnete von Union, SPD, Linkspartei, FDP und Grünen zusammengeschlossen, um parteiübergreifend gegen den Flussausbau zu agieren. Denn auch Deutschland investiert etwa in den Donau-Ausbau, insgesamt mehr als eine Mrd. Euro. Noch ist die Donau hinter Straubing auf etwa 70 Kilometern nicht in ein genormtes Korsett gezwängt, es gibt Überschwemmungsflächen, Altarme und fast natürliche Ufer. Doch um die Schifffahrtsverhältnisse zu verbessern, werden seit 2020 zwischen Straubing und Vilshofen Buhnen in den Fluss gebaut, Ufer befestigt, die Sohle ausgebaggert.

Auch die Elbe darf nicht bleiben, wie sie ist, zumindest nicht dort, wo die Deutschen einen ökonomischen Nutzen aus ihr ziehen. Rund um Hamburg wird die Elbe regelmäßig ausgebaggert. Damit die immer größeren Containerschiffe den Hamburger Hafen erreichen können, wird der Fluss eben angepasst. Die jüngste – mittlerweile neunte – Vertiefung wurde Anfang 2022 beendet, Kostenpunkt: rund 800 Mio. Euro. Seit Januar sollen nun Schiffe mit 13,50 Meter Tiefgang auf dem 130 Kilometer langen Elbabschnitt fahren können.

Umweltpolitiker wie der niedersächsische Grüne Stefan Wenzel hatten vor der letzten Elbvertiefung gewarnt, der Mündungstrichter werde verschlicken. Viele Elbfischer hätten wichtige Fanggründe verloren, der Stint, einst wichtigster Fisch, sei im Naturschutzgebiet Elbe und den Inseln nahezu verschwunden. „Die gesamte Be- und Entwässerung des Marschlandes, insbesondere des Obstanbaugebietes ‚Altes Land‘ ist in Gefahr“, so Wenzel. Tatsächlich verschlickt jetzt sogar die Fahrrinne, Baggerschiffe, die dafür sorgen sollen, dass sie mindestens 13,50 Meter tief ist, kommen kaum noch hinterher.

Die Grenze des Machbaren ist überschritten

Baggern, Normen, Stauen – seit jeher hat sich der Mensch die Flüsse zunutze gemacht. Doch jetzt müssen wir erkennen: Die Grenze des Machbaren ist überschritten. Biotope versagen ihren Dienst als Wasserspeicher, Grundwasserleiter trocknen aus, Trinkwasser wird knapp, Lieferketten unterbrechen, weil die Flüsse nicht mehr schiffbar sind. Im Juli 2019 betrug der Elbpegel in Magdeburg nur noch 45 Zentimeter. Am 18. August dieses Jahres fiel der Pegel des Rheins in Emmerich gar auf minus drei Zentimeter, ein neuer Negativrekord. Dass hier auf dem Niederrhein überhaupt noch Schiffe fahren konnten, lag lediglich daran, dass die Fahrrinne immer weiter ausgebaggert worden war.

Die Erderhitzung hat unser gemäßigtes Klima bereits so stark verändert, dass Extremwetter immer häufiger werden und ganze Täler unbewohnbar machen: Simbach am Inn in Niederbayern wurde im Sommer 2016 von einem sogenannten tausendjährigen Hochwasser plattgewalzt, 2017 traf es Goslar im Harz, 2018 erwischte es zuerst das Vogtland, dann Orte in der Eifel. 2019 waren Kaufungen nahe Kassel an der Reihe oder Leißling nördlich von Naumburg an der Saale, 2020 dann das fränkische Herzogenaurach oder Mühlhausen in Thüringen. 2021 folgte das Ahrtal, die Orte an der Erft, an Rur und Ruhr.

Auf der anderen Seite führt zu wenig Wasser zu existenziellen Problemen: Zwei Drittel des Berliner Trinkwassers werden aus Uferfiltrat der Spree gewonnen. Deshalb – so ein Vertrag zwischen Berlin und Brandenburg – sollen mindestens acht Kubikmeter Wasser je Sekunde über die Landesgrenze fließen. Wie aber kann das gelingen, wenn am Pegel Leibsch im Unterspreewald nicht einmal mehr ein halber Kubikmeter Wasser fließt – wie in den Trockenjahren 2018, 2019 oder 2022? Mittlerweile gibt es Pläne, eine Rohrleitung an die Ostsee zu verlegen und das schnell wachsende Berlin mit einer Meerwasser-Entsalzungsanlage zu versorgen.

Gold Alge, Quecksilber, Chemikalien: Das Fischsterben in der Oder

Quelle         ;       Blätter-online          >>>>>         weiterlesen

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Oben      —     Sandstrand am Rheinufer in Köln während der Trockenheit im August 2018

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Ein Ukraine – Tagebuch

Erstellt von Redaktion am 16. November 2022

„Krieg und Frieden“
Gedankenströme bei Stromausfall in der Westukraine

AnneFrank1940 crop.jpg

Aus Lwiw ROSTYSLAV AVERCHUK

Ein Bekannter aus Mariupol hat mir erzählt, wie er fast einen Monat lang im Bombenschutzraum verbracht hat. Seine Stadt wurde dem Erdboden gleichgemacht, es gab keinen Strom und keine Heizung, kaum Wasser und Essen.

Aber das, was ihm und seiner Familie am meisten gefehlt habe, seien Informationen gewesen. Als es in Lwiw nach russischen Raketenangriffen einen halben Tag weder Strom noch Telefonverbindungen gab, spürten die Menschen hier zum ersten Mal seit Kriegsbeginn, was es bedeutet, voneinander und von der restlichen Welt abgeschnitten zu sein.

Ich wanderte durch die Stadt in der Hoffnung, irgendwo Handyempfang zu haben, um Mitteilungen zu verschicken und die Nachrichten zu lesen.

Als ich nach erfolgloser Suche wieder nach Hause kam, nahm ich zum ersten Mal nach Jahren den Hörer des nutzlosen, wie es mir lange schien, Festnetztelefons zur Hand.

Abends kamen viele Lwiwer auf den Platz vor der Oper. Licht gab es nur von den vorbeifahrenden Autos. Es war ein bisschen unheimlich. Etwas aufmunternd wirkte ein Saxofonspieler und die Gastfreundschaft eines Buchhändlers, der die Leute noch nach Ladenschluss in sein Geschäft ließ. Dort gab es aus auch für ihn unerfindlichen Gründen noch Strom und sogar Internetzugang.

An diesem Abend wurden Stromversorgung und Mobilfunkverbindungen wieder hergestellt. Aber die russischen Angriffe gingen weiter.

Die Behörden bitten immer wieder darum, Strom zu sparen, besonders in den Hauptverbrauchszeiten morgens und abends. Jedes Mal, wenn ich jetzt das Licht oder den Wasserkocher einschalten will, frage ich mich: „Ist das wirklich gerade nötig?“ Man warnt uns davor, dass lange Abschaltungen möglich sein können.

Lwów - Widok z wieży ratuszowej 01.jpg

Wenn der Strom ausfällt, solle man Taschenlampen und Kerzen vorrätig haben. Zum Heizen benutzen manche Menschen in Lwiw Gasöfen, die noch aus der Habsburger Zeit stammen. Einige von ihnen können alternativ auch mit Holz beheizt werden. Zum Kochen gibt es Gasflaschen und Gasherde.

Im Internet wird darüber nachgedacht, Zelte in den Wohnungen aufzustellen, wenn es sehr kalt wird. Von Panik ist dennoch nichts zu spüren.

Quelle          :         TAZ-online          >>>>>          weiterlesen

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Grafikquellen          :

Oben     —    Anne Frank in 1940, while at 6. Montessorischool, Niersstraat 41-43, Amsterdam (the Netherlands). Photograph by unknown photographer. According to Dutch copyright law Art. 38: 1 (unknown photographer & pre-1943 so >70 years after first disclosure) now in the public domain. “Unknown photographer” confirmed by Anne Frank Foundation Amsterdam in 2015 (see email to OTRS) and search in several printed publications and image databases.

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Unten     —    Altstadt in Lviv (Ukraine).

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Als Leerer unter Lehrern

Erstellt von Redaktion am 15. November 2022

Dr. phil. Robert Habeck als Lehrherr der Wirtschaft

Egal ob nun Hausmeister oder DR. phil. die Politik hat nie zwischen leeren Flaschen unterschieden. Der  Pfand-Wert  entscheidet bei Rückgabe nur zwischen Plastik oder Glas.  

Quelle       :        Scharf  —  Links

Ein Kommentar von Georg Korfmacher, München

Der 2000 in Hamburg mit einer Arbeit über literarische Authentizität zum Dr. phil. promovierte Literat Robert Habeck maßt sich heute als Wirtschaftsminister an, der Wirtschaft vage Lehren zu erteilen, wie sie sich zu verhalten oder zu entwickeln habe. Seine Inkompetenz in Sachen Wirtschaft gipfelt in der Weisung, dass Unternehmen nicht nur nach China gehen sollten.

Diese triviale Aussage vor der Presse und vor seiner Abreise zur ASEAN-Konferenz in Singapur offenbart krass sein Unwissen in Wirtschaftsfragen und seine eigentlichen Aufgaben als Wirtschaftsminister, die ihm nur im Parteienproporz zugeschanzt wurden. Auch von China hat er offenbart keine blasse Ahnung.

Aufgabe der Wirtschaft ist es, ihre Geschäfte verantwortungsvoll zu planen und zu betreiben. Aufgabe eines Ministers ist es, für die ihm von den Betroffenen bekannten Vorhaben den Weg insbesondere im Ausland zu ebnen und zu begleiten, wenn nötig. Voraussetzung für eine sinnvolle Arbeit ist eine profunde Kenntnis der sozio-kulturellen Gegebenheiten des betroffenen Landes. Im Fall China verkennt der Minister aber unentschuldbar, warum die Wirtschaft nach Mao in China tätig sein wollte und das auch heute noch will oder gar muß. Wissen sollrte der Literat eigentlich auch, dass das Schießpulver in China erfunden wurde, ebenso wie Papier, Porzellan und die Bestimmung des Breitengrades in der Seefahrt und vieles mehr. Wissen sollte er auch, dass der weiße Westen das alles schamlos kopiert und als eigene Leistung angepriesen hat.

Nicht verwunderlich also, dass die deutsche Wirtschaft bei der Öffnung Chinas durch Deng Xiaoping ab Ende der 1970-er Jahre in den dortigen Markt drängte, um von der sprichwörtlichen Arbeitsdisziplin der Chinesen und deren Fleiß zu profitieren, vom Preis ganz zu schweigen. Auch die in China praktizierten Einschränkungen von Geschäften hat man akzeptiert. Deutschland unterhielt zwar mit China seit 1972 diplomatische Beziehungen, die Politik hat sich jedoch bei den Bemühungen der Wirtschat nicht eingemischt, und nur äußerst zufrieden applaudiert.

Der höchst inkompetenten Weisung des Literaten steht auch entgegen, dass die Wirtschaftsbeziehungen bis 2020 hervorragend funktioniert und alle davon profitiert haben, Hersteller wie Verbraucher hier und dort. Erst die unerwartete Corona-Pandemie hat die Geschäfte empfindlich gestört, und seit 2022 die menschengemachte Ukraine-Krise. In solchen Zeiten sollte man an sich zwischen Geschäftspartnern, die bislang erfolgreiche Geschäfte gemacht haben, darüber austauschen, wie man die Schwierigkeiten überwinden kann. In unserer arbeitsteiligen Wirtschaft ist der Erfolg stets von der Qualität der Beziehungen abhängig. Ein Rat eines Wirtschaftsministers, gute bis hervorragende Geschäftsbeziehungen für andere, ungewisse aufzugebe, ist blanker Unsinn. Eine solche Entscheidung liegt allein in der Verantwortung der Wirtschaft.

Das unqualifizierte Gebaren unseres Wirtschaftsministers, der als Literat forsch als Lehrherr der Wirtschaft auftreten will, schadet der Wirtschaft und wirft die generelle Frage nach der Qualifikation unserer Politiker für ihre Ämter auf. Mit Ausnahme des Gesundheitsministers und vielleicht des Kanzlers gibt es da viele Fragezeichen in der Ampelschaltung. Der Literat als Wirtschaftsminister ist aber für die Wirtschaft eher ein Klotz am Bein.

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Oben      —     Landesdelegiertenkonferenz von Bündnis90/Die Grünen NRW in Dortmund

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Eine Saarbrücker Lesung

Erstellt von Redaktion am 14. November 2022

 Zum Spiegelbestseller:
’Die Vierte Gewalt’ von Richard David Precht und Harald Walzer (1)

’Malavita’ Café-Bar, Auf der Werth 2, 66115 Saarbrücken (gegenüber Kino Cinéstar)

Von Dr. Nikolaus Götz

Die Berichterstattung zu ’Corona’, zum ’Ukraine-Krieg’ oder zu der jetzt aktuellen ’Energiekrise’ verdeutlicht dem politisch interessierten Bürger: Die Medienlandschaft der BRD von FAZ bis TAZ, von ARD, ZDF und den Restsendern erscheint wie im Dritten Reich „gleichgeschaltet“. Deshalb verschaffen sich erneut aufgeklärte Bürger bei von den Leitmedien diskreditierten ’Querdenkerdemos’ frische ’Luft’, um in Ost- wie West-Deutschland dabei den angestauten politischen Druck und ihren Frust über das Regierungsgeschehen abzulassen. Doch längst haben engagierte Literaten die miserable Rolle der Leitmedien, des sogenannten „Mainstreams“ analysiert (2) und aufgezeigt, wie die Massenmedien ihre Politiksicht als Mehrheitsmeinung verkaufen wollen, obgleich sie damit ihrer eigentlichen Pflicht der „sachgerechten, objektiven Informationspräsentation“ nicht nachkommen. Auch der deutsche Vielschreiber und als „profiliertester Intellektueller des deutschsprachigen Raumes“ verkaufte ’Mitdenker’ Richard David Precht hat mit seinem Koautor Harald Welzer das Thema der Medienmanipulation in einem Buch aufgegriffen, das medienwirksam als neuster ’Spiegelbestseller’(Platz 1) die deutschen Mitbürger aufrüttelt. Selbst der ZDF-Talkmaster (dt.: ’Redemeister’) Markus Lanz erreichte mit der Prechtschen Medienschelte 3,5 Millionen Zuhörer (3), obgleich dieser Philosoph nur das verkündet, was die Spatzen längst überall von den deutschen Dächern pfeifen. „Die Vierte Gewalt“ manipuliert „Mehrheitsmeinung, auch wenn sie keine ist“. So resümiert der Untertitel verkürzt den Buchinhalt, wobei als Hauptthese gilt: Die Grenze zwischen politischem Journalismus und politischem Aktivismus in den Leitmedien wird immer fließender (4).

Um die veröffentlichte Medienkritik sachlich nachzuvollziehen, findet in der kommenden Woche eine öffentliche Lesung dieses Buches über die Presse als die ’Vierte Gewalt des Staatswesens’ statt. Trifft die Sachkritik des Analysten Precht zu oder ist sie unberechtigt, wenn das Autorenteam beispielsweise schreibt: „Das Mediensystem kolonialisiert in dieser Sicht das politische System und lässt es zunehmend nach den gleichen Regeln des Aufmerksamkeitskampfes funktionieren.“ (5) Alle Interessierte sind herzlich eingeladen einfach der kritischen Lesung zuzuhören oder auch kräftig mitzudiskutieren.

Saarbrücken: Mittwoch, 16. 11. 2022: 15-17 Uhr; Treffpunkt:
’Malavita’ Café-Bar, Auf der Werth 2, 66115 Saarbrücken (gegenüber Kino Cinéstar)

Anmerkungen:

1 Richard David Precht/Harald Walzer: Die Vierte Gewalt, Wie Mehrheitsmeinung gemacht wird, auch wenn sie keine ist, Frankfurt/M 2022.

2 Vgl. beispielsweise: Friedhelm Klinkhammer/Volker Bräutigam: Putins Gas statt Bidens Bomben, in: Ständige Publikumskonferenz der öffentlich-rechtlichen Medien e.V., veröffentlicht am 2.11. 2022; https://publikumskonferenz.de/blog/; Hannes Hofbauer: Zensur, Publikationsverbote im Spiegel der Geschichte, Wien 2022; Gerhard Wisnewski: 2022. Das andere Jahrbuch. Was 2021 nicht in der Zeitung stand, Rottenburg 2022.

3 Neu auf Platz 7 stieg „Lanz & Precht“ in die Liste ein. Der ZDF-Podcast erzielte 3,47 Millionen valide Downloads, überholte damit andere erfolgreiche Sendungen wie „Apokalpyse & Filterkaffee“ und „Geschichten aus der Geschichte“, siehe: www.google. com/search?client=firefox-b&q=Lanz+und+Precht+Podcast+Kritik&sa=X&ved=2ahUKEwjZ r4SIgKb7AhV_gv0HHXvwCVAQ1QJ6BAgAEAI.

4 Vergleiche Precht, 2022, Seite 63.

5 Siehe ders. S. 9.

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Oben     —     Saarbrücken, Stadtteil Malstatt

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Aus der Arbeitswelt

Erstellt von Redaktion am 13. November 2022

Arbeitsunfälle in Deutschland: Mehr als ein Toter pro Tag

Alles politische Unfäller – so ganz ohne Opfer? 

Quelle       :        Scharf  —  Links

Von Dr. Renate Dillmann

Am 17.10. diesen Jahres starb der bulgarische Arbeiter Refat S. unter bisher ungeklärten Umständen im Duisburger Stahlwerk von Thyssenkrupp. Er war 26 Jahre alt, es war sein zweiter Arbeitstag. Refat S. wurde im Schlacke Becken gefunden, die Polizei ermittelt noch.

In jeder Woche sterben durchschnittlich 10 Arbeiter auf Baustellen, in Stahlwerken, Chemiefabriken, Schlachthöfen. In der Regel sind es Männer. Oft Migranten, die unter besonders hohem Arbeitsdruck in besonders wenig gesicherten Bereichen arbeiten.

Öffentlich interessiert das tägliche Sterben in der BRD nicht groß – jedenfalls deutlich weniger als der natürliche Tod einer uralten Monarchin.

In Duisburg hat es einige durchaus beachtliche Demonstrationen gegeben, in denen Aufklärung und besserer Arbeitsschutz gefordert wurden – davon war in den Blättern der „Funke-Mediengruppe“, die das Ruhrgebiet geistig betreuen, nicht sonderlich viel zu lesen. In die überregionalen Nachrichten der Tagesschau oder des Heute-Journals bringt es ein solcher Protest natürlich erst recht nicht – kein Wunder, er greift ja nicht missliebige Potentaten in Russland, Iran oder China an…

Im Normalfall sind jedenfalls mehr als ein paar Zeilen in der Lokalpresse nicht zu erwarten: „Mann stirbt bei Arbeitsunfall in 30 Meter tiefem Versorgungstunnel“ (22.7.22 Berlin); „Tödlicher Baustellen-Unfall: Arbeiter (47) von Betonbalken erschlagen (21.9.22 München) und so weiter.

Die Statistiker der Gesetzlichen Unfallversicherung zählen selbstverständlich das Gesamtgeschehen in Deutschland penibel mit:

„Im Bereich der UV (Unfallversicherung, RD) der gewerblichen Wirtschaft und der UV der öffentlichen Hand ereigneten sich 2021 insgesamt 806.217 meldepflichtige Arbeitsunfälle, die eine Arbeitsunfähigkeit von mehr als drei Tagen oder den Tod zur Folge hatten, das sind 6,0 % mehr als im Vorjahr. Das Arbeitsunfallrisiko je 1.000 Vollarbeiter ist mit einem Wert von 19,78 um 7,2 % gestiegen.

Im Jahr 2021 waren 12.079 schwere Arbeitsunfälle zu verzeichnen, bei denen es zur Zahlung einer Rente oder eines Sterbegelds gekommen ist. Damit ist das Risiko je 1.000 Vollarbeiter, einen schweren Arbeitsunfall zu erleiden, von 0,321 im Vorjahr auf 0,296 in 2021 um 7,6 % gesunken. Bei den tödlichen Arbeitsunfällen ist gegenüber dem Vorjahr ein Anstieg um 111 Fälle auf 510 Todesfälle zu verzeichnen.“

Tragische Einzelfälle? Gehört die Gefahr eines eventuell sogar tödlichen Arbeitsunfalls schlicht zum „normalen Lebensrisiko“? Oder ist mehr zu den Ursachen zu sagen?

Unfallursache Kapitalismus

Unternehmen gehen durchaus robust mit der Gesundheit ihrer Arbeitskräfte um, weil sie den Produktionsprozess zum Zweck der Gewinnerwirtschaftung einsetzen. Das, was die Betriebe mit der gezahlten Lohnsumme an Leistung – extensiv wie intensiv – aus ihren Beschäftigten herausholen können, ist das entscheidende Mittel, die Spanne zwischen investiertem und hergestelltem Eigentum zu vergrößern. Wie sehr es ihnen gelingt, die in ihrem Betrieb geleistete Arbeit produktiv zu machen, ist die Größe unter all ihren Ausgaben, auf die sie direkten Einfluss haben.

Mit ihrer Direktionsgewalt über den Betriebsablauf machen sie Vorgaben für den Arbeitsprozess und können diese durch Geschwindigkeit, Taktung oder die Menge der erteilten Aufträge objektivieren; so steigern sie kontinuierlich die Anstrengung, die der einzelne Arbeitnehmer an „seinem“ Arbeitsplatz zu erbringen hat.

Arbeitsunfälle, unmittelbare Gefahren und systematische Gesundheitsgefährdungen für die Arbeitskräfte gehören insofern in der Marktwirtschaft ebenso zum Arbeitsalltag wie der systematische körperliche und mentale Verschleiß, der seine Spuren in Form chronischer Krankheiten hinterlässt (dazu Teil 2). Kurz: Unternehmen verschwenden Physis und Psyche ihrer Beschäftigten und sparen an Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz.

Staat muss Arbeitsschutz erzwingen

Arbeitsschutz ist in der kapitalistischen Produktion nichts, worauf ein Unternehmen von sich aus Wert legt. Schutzvorrichtungen bei der Bedienung von Maschinen, Lärmschutz, die Verwendung nicht schädlicher Stoffe, stabil gebaute Arbeitshallen, die nicht einsturzgefährdet sind und in denen der Brandschutz gewährleistet ist – all das verursacht Kosten und wird deshalb, wenn es allein nach dem Willen der Unternehmen geht, nur gemacht, wenn die entsprechenden Schutzmaßnahmen im Verhältnis zu den anfallenden Kosten und den zu erwartenden „Betriebsausfällen durch Unfall“ sich lohnen.

Ein Blick in die Geschichte oder in Länder, in denen für den kapitalistischen Weltmarkt produziert wird, ohne dass der Staat entsprechende Vorschriften macht, zeigt, wie brutal mit Leib und Leben der Arbeiter umgegangen wird.

Karl Marx berichtet aus den Fabriken seiner Zeit, vom „systematischen Raub an den Lebensbedingungen des Arbeiters während der Arbeit“ und stellt fest: „Was könnte die kapitalistische Produktionsweise besser charakterisieren als die Notwendigkeit, ihr durch Zwangsgesetz von Staats wegen die einfachsten Reinlichkeits- und Gesundheitsvorrichtungen aufzuherrschen?“ (Marx 1867: Das Kapital. S. 505)

Die rücksichtslose Praxis seiner Unternehmer hat der deutsche Sozialstaat im Interesse an einer nachhaltigen Benutzbarkeit seiner Arbeitsbevölkerung nach und nach durch Arbeitsschutzgesetze eingeschränkt.1 Heute gehören zum Arbeitsschutz diverse Rechtsverordnungen, u.a. Arbeitsschutzverordnung zu künstlicher optischer Strahlung (OStrV), Arbeitsstättenverordnung (ArbStättV), Baustellenverordnung (BaustellV), Betriebssicherheitsverordnung (BetrSichV), Bildschirmarbeitsverordnung (BildscharbV), Biostoffverordnung (BioStoffV), Gefahrstoffverordnung (GefStoffV), Lärm- und Vibrations-Arbeitsschutzverordnung (LärmVibrationsArbSchV), Lastenhandhabungsverordnung (LasthandhabV), PSA-Benutzungsverordnung (PSA-BV), Verordnung zur arbeitsmedizinischen Vorsorge (ArbMedVV).

Dass dermaßen viele staatliche Verordnungen nötig sind, um den modernen Arbeitsprozess für die Arbeitnehmer wenigstens so aushaltbar zu machen, dass sie – zumindest als statistisches Kollektiv – ein Arbeitsleben durchstehen, ist in mehrfacher Hinsicht bemerkenswert.

Erstens stellt es dem Zweck, um den es in den gesetzlich regulierten Fabriken, Baustellen und Büros geht, kein gutes Zeugnis aus – so etwas Unschuldiges wie „Versorgung der Menschen mit Konsumgütern“ wird es wohl kaum sein. Denn wenn es um diesen Zweck ginge, würde niemand die dafür fällige Arbeit so gefährlich und schädlich organisieren, dass bei der Produktion Physis und Psyche schon so in Mitleidenschaft gezogen werden, dass der Genuss der produzierten Güter gar nicht mehr sorglos zustande kommt.

Wenn zweitens per Rechtsverordnung einige (bisher erlaubte) Praktiken verboten werden – etwa die Überschreitung eines bestimmten Tageslärmpegels oder einer Hand-Arm-Vibration, dann sind damit alle Schädigungen an Ohren, Bandscheiben und Leber unterhalb der gezogenen Grenze bzw. Durchschnittswerte (!) erlaubt. Ganz im Gegensatz zur üblichen Vorstellung vom „Schutz“, legen die staatlich definierten Grenzwerte (das gilt übrigens auch für Lebensmittel u.a.) mit ihrem Verbot eines Übermaßes also fest, in welchem Maß die Gesundheit der Betroffenen staatlich erlaubtermaßen angegriffen und verschlissen werden darf.

Drittens verpflichtet der Staat sämtliche Unternehmen, in eine gesetzliche Unfallversicherung einzuzahlen. Er unterstellt damit, dass Arbeitsunfälle auch bei Geltung aller gesetzlichen Regelungen passieren, und zwingt die Betriebe als Gesamtheit, die durch Unfälle am Arbeitsplatz (zu denen auch Unfälle auf dem Weg dorthin gerechnet werden) sowie bei anerkannten Berufskrankheiten hervorgerufenen Behandlungs- und Folgekosten zu übernehmen.

Zur Finanzierung der Versicherung werden die Betriebe in „Gefahrklassen“ eingeteilt, was – neben der Anzahl der von ihnen beschäftigten Arbeitnehmer – unterschiedlich hohe Versicherungsbeiträge begründet. Die Einteilung beinhaltet ein objektives Eingeständnis. Sie macht nämlich deutlich, dass die Beteiligten in Politik und Wirtschaft sehr detailliert zu unterscheiden wissen, wie gefährlich die Produktionszweige ihrer kapitalistischen Marktwirtschaft im Einzelnen sind. Zudem sollen die Beitragskosten die Unternehmen im Idealfall motivieren, die Kosten der Unfallversicherung im Eigeninteresse durch freiwilligen Arbeitsschutz zu senken.

Die Realität dieses Ideals besteht allerdings in einer betriebswirtschaftlichen Abwägung: Sind die entsprechenden Arbeitsschutzmaßnahmen teurer als der einzelbetriebliche Anteil an den Versicherungsbeiträgen, dann spricht aus Sicht des Betriebs „leider“ nichts zugunsten der Schutzmaßnahmen. Oder anders formuliert: Die Gefährdung und Zerstörung von Gesundheit erhält auf diesem Wege einen Preis und wird damit zum Gegenstand einer Kosten-Nutzenabwägung, die nicht selten die Inkaufnahme vermeidbarer Unfälle und Krankheiten einschließt.

Das gilt um so mehr, als staatliche Kontrollen bei den Arbeitsschutzmaßnahmen sich auf Stichproben beschränken und nur alle Jubeljahre stattfinden, bei Betrieben unter 500 Mitarbeitern heißt das im Klartext: alle 20 Jahre – Resultat davon, dass das Personal bei der Gewerbeaufsicht zwischen 2005 und 2010 drastisch zusammengekürzt wurde.

Das Dilemma der Beschäftigten

Die staatliche Regelung erspart den Arbeitnehmern nicht, dass sie um entsprechende Arbeitsschutzvorrichtungen oft selbst noch kämpfen müssen (z.B. Lärmschutz).

Sie selbst sehen sich – gerade angesichts ständig steigender Leistungsanforderungen im Arbeitsprozess – dem Widerspruch ausgesetzt, dass Vorschriften bzw. Vorrichtungen vielfach zu einer Behinderung ihrer Arbeitsleistung führen, also Lohn oder Zeit kosten. So kommt es zu dem bekannten Phänomen, dass Arbeitnehmer die Schutzvorschriften – gegen ihr eigenes Schutzinteresse! – missachten, Maschinen bei laufendem Betrieb reparieren, Schutzvorrichtungen, weil störend abmontieren usw. usf.

Wenn es zu einem Unfall kommt, taucht deshalb als erstes die Frage auf, ob der betroffene Arbeitnehmer Sicherheitsschuhe oder Helm getragen und die neben dem Erste-Hilfe-Kasten ausgehängten Vorschriften beachtet hat – obwohl vom Chef über den Vor- bis zum Hilfsarbeiter alle wissen, dass die geforderte Leistung meist nicht zu erbringen wäre, wenn sich alle so verhalten würden. So wird versucht, die Verantwortung abzuwälzen: Nicht der auf Profit orientierte Betrieb mit seiner Organisation der Arbeit ist schuld, sondern derjenige, der für sich am Arbeitsplatz „zuviel“ rausholen wollte.

Fazit

Mit seiner Gesetzgebung zum Arbeitsschutz legt der moderne Sozialstaat die Bedingungen dafür fest, wie Benutzung und Verschleiß der Arbeitskräfte so vonstatten gehen, dass das Ganze gewissermaßen „nachhaltig“ passieren kann. Das schließt offenbar – siehe die Statistik der Gesetzlichen Unfallversicherung – nach wie vor eine erkleckliche Zahl an Arbeitsunfällen mit gesundheitlichen Folgen ein und auch ein paar hundert Tote pro Jahr.

Das ist auch kein Wunder, denn am Zweck der Arbeitsplätze in seiner Wirtschaft ändert ein solches Gesetz ja erklärtermaßen nichts: Mit der Arbeit der Leute soll Gewinn erwirtschaftet werden – und das bedeutet unter den Bedingungen der globalen Standortkonkurrenz nichts Gutes für die Beschäftigten. Die wiederum müssen sich angesichts des brutalen Unterbietungswettbewerbs, in dem sie „normal“ und erst recht als migrantische Wanderarbeiter stehen, auf alle Bedingungen einlassen und schauen, wie sie damit klarkommen. Für Refat S. ist das nicht aufgegangen.

Es ist schon ein ziemlich robustes Verhältnis zur fremden wie eigenen Gesundheit, wozu die marktwirtschaftliche Konkurrenz ihre Subjekte nötigt…

Lesetipp:

Dillmann,Renate/Schiffer-Nasserie, Arian: Der soziale Staat. Über nützliche Armut und ihre Verwaltung. Ökonomische Grundlagen/Politische Maßnahmen/Historische Etappen. VSA-Verlag, Hamburg 2018

1 Es ist kein Zufall, dass viele Länder der 3. Welt nicht einmal rudimentäre Arbeitsschutzbestimmungen aufweisen. Um überhaupt als Kapitalstandorte in Frage zu kommen, haben sie vielfach nichts anzubieten als die extreme Billigkeit und Erpressbarkeit ihres Volks. Gerade die großen Konzerne der westlichen Staaten praktizieren gegenüber ihren Zulieferern in asiatischen Ländern einen solchen Preisdruck, dass völlig offensichtlich ist, unter welchen haarsträubenden Bedingungen die Produktion von Kleidung, Spielzeug, Turnschuhen und I-phones vor sich geht. Selbst wenn die Staaten vor Ort Arbeitsschutz und -recht verbessern wollen, werden sie mit Abwanderungsdrohungen in willigere Länder erpresst (etwa die Regierung der VR China in 2008 durch die Interessenvertreter der US-Industrie, vgl. Dillmann China – ein Lehrstück 2021: 298). „Menschenrechte“ als Berufungstitel sind schließlich ein politisches Druckmittel der westlichen Regierungen und nicht dazu da, dass sie die westlichen Geschäftsinteressen behindern.

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Wie im Wettbüro

Erstellt von Redaktion am 12. November 2022

Die Gas- und Strommärkte sind außer Rand und Band. 

So zockten Lobbyisten einst um ihre Pfründe

VON   :       Anja Krüger 

Es wird höchste Zeit, eine neue Ära der Energiepolitik einzuläuten und sich von der Profitlogik der Branche zu verabschieden. Die Energieversorgung ist zu wichtig, um sie Zocker­buden zu überlassen.

Der Stromanbieter hatte extra nochmal Druck gemacht. Das Unternehmen müsse den Vertrag unbedingt an diesem Tag unterschreiben, sonst würde es viel teurer als nötig, drängte er. Das zuständige Vorstandsmitglied setzte alles in Bewegung, damit es gelang – und wünschte sich im Nachhinein, es hätte nicht geklappt. Denn mit der Unterschrift wurde der Anbieter beauftragt, am nächsten Tag den benötigten Strom an der Energiebörse zu kaufen – zu dem dann geltenden Preis. Und das war der Jahreshöchstpreis. Das Unternehmen soll nun statt 100.000 rund 700.000 Euro im Jahr für Strom zahlen. Zwei oder drei Tage später wäre es erheblich billiger gewesen.

Auf dem Energiemarkt geht es mitunter zu wie im Wettbüro. Ob Strom oder Gas – die drastisch gestiegenen Preise verunsichern die Verantwortlichen in Unternehmen genauso wie private Verbraucher:innen, deren Abschlagszahlungen für Strom und Heizwärme drastisch erhöht wurden. Sie fühlen sich einem Markt ausgeliefert, dessen Untiefen sie kaum erkennen können. Gas und Strom sind keine Produkte wie Büromaterial, Milch oder Klopapier, sie sind nicht auf Vorrat lagerbar. Gleichzeitig ist Strom unverzichtbar, für je­de:n Ein­zel­ne:n und für die Gesellschaft als Ganzes. Wer mit Gas kocht oder heizt, ist darauf ebenso angewiesen wie Unternehmen, die es als Rohstoff oder Energieträger brauchen. Der Staat ist dafür verantwortlich, dass die Versorgung gesichert ist. Aber angesichts der Kapriolen auf den Energiemärkten stellt sich die Frage, ob der Staat dem noch gerecht wird. Wenn der Energieeinkauf zum Glücksspiel wird, läuft etwas gewaltig schief.

Die Energiekosten sind schon vor dem Überfall auf die Ukraine stark gestiegen, weil die Wirtschaft auf der ganzen Welt nach der Coronakrise viel schneller und stärker wieder angesprungen ist als erwartet. Nach Beginn des Krieges sind die Preise dann explodiert. Bislang haben sich die wenigsten Privatleute mit den Preisen im Detail beschäftigt. Der Energiemarkt ist auch außerhalb von Krisen extrem schwer zu durchschauen. Nachdem die Bundesregierung auf die Krise reagiert hat und sogenannte Preisbremsen einführen will, gibt es immerhin eine Hausnummer, was künftig ein guter Preis ist: Beim Strom soll die Preisbremse bei 40 Cent pro Kilowattstunde liegen, beim Gas bei 12 Cent pro Kilowattstunde. Der Staat übernimmt bis April 2024 für 80 Prozent des Vorjahresverbrauchs von Privathaushalten und kleineren Firmen die Kosten der Differenz zwischen Preisbremse und Marktpreis. Wer mehr verbraucht, muss dafür den höheren Marktpreis zahlen. So sollen die Bür­ge­r:in­nen zum Energiesparen animiert werden.

Mit Einführung der Preisbremsen wird es drei Gruppen von Ver­brau­che­r:in­nen geben: Erstens die, die damit irgendwie klar kommen. Zweitens jene, die trotz dieser Hilfe aufgrund der hohen Energiepreise vor einem finanziellen Fiasko stehen. Und Drittens gibt es diejenigen, die einen Energieanbieter mit so günstigen Preisen haben, dass bei ihnen nicht gebremst werden muss. Für diesen Kreis ist das Glücksspiel gut ausgegangen. Von Ausnahmen abgesehen werden die meisten dieser Kun­d:in­nen nicht deshalb einen günstigen Anbieter haben, weil sie ihn unter dem Gesichtspunkt einer kommenden Energiekrise ausgesucht haben. In den häufigsten Fällen wird es schlicht Zufall sein. Viele Menschen haben ihren Energieversorgungsvertrag seit vielen Jahren nicht angefasst, auch weil ihnen der Markt mit den unzähligen Anbietern viel zu kompliziert ist.

Diese Intransparenz ist die Geschäftsgrundlage für Vergleichsportale im Internet. Noch vor Kurzem sind Drückerkolonnen etwa in Technikmärkten auf Kun­d:in­nen losgegangen, um sie mit Prämien zu einem Wechsel zu einem Billiganbieter zu bewegen. Für Laien ist kaum zu durchschauen, welche Konsequenzen das haben kann. Überrascht mussten Kun­d:in­nen etwa zur Kenntnis nehmen, dass ihr bisheriger Billiganbieter den Vertrag gekündigt hat und sie nur zu sehr hohen Tarifen einen neuen finden konnten. Billig­anbieter zocken etwa an den Energiebörsen. Ihr Geschäftsmodell ist, auf günstige Preise zu warten und der Konkurrenz mit langfristigen Verträgen und höheren Kosten die Kun­d:in­nen abzujagen. Verspekulieren sie sich, müssen Ver­brau­che­r:in­nen das ausbaden.

Noch vor einem Vierteljahrhundert konnte das nicht passieren. Bis dahin gab es sogenannte Gebietsmonopole für die Energieversorgung. Strom konnten Ver­brau­che­r:in­nen nur über das örtliche Elektrizitätswerk beziehen. Diese Unternehmen, in der Regel die kommunalen Stadtwerke, hatten ein festgelegtes Versorgungsgebiet. Sie stellten Strom entweder selbst her oder bezogen ihn von Großkraftwerken, mit denen sie langfristige Lieferverträge hatten. Die schwarz-gelbe Regierung unter Helmut Kohl brachte 1997 die sogenannte Strommarktliberalisierung auf den Weg, mit der die Monopole durch Märkte ersetzt wurden. Deregulierung und Privatisierung waren seinerzeit – dem neoliberalen Zeitgeist geschuldet – in vielen Branchen auf der Tagesordnung. Das war nicht nur ideologisch motiviert, die Industrie machte Druck. Der Chemiekonzern BASF etwa beschwerte sich bei der EU-Kommission, weil das Unternehmen gezwungen war, den vergleichsweise teuren Strom ihres Versorgers zu zahlen und es nicht den für den Abnehmer billigeren Atomstrom aus Frankreich kaufen konnte. Die Liberalisierung des Gasmarkts erfolgte einige Jahre nach der des Strommarktes. Unzählige Firmen entstanden, die an verschiedensten Stellen der Versorgungskette Geld verdienen. Das Versprechen sinkender Strompreise erfüllte sich auch aufgrund diverser neuer Abgaben für Privathaushalte nicht.

Weil Strom und Gas nicht wie Kartoffeln oder Milch gehandelt werden können, war die Liberalisierung von Anfang an stark reglementiert. Energie kommt über Leitungen ins Haus, und die sind nicht beliebig verlegbar. Deshalb werden die vielen hundert Netzbetreiber gesetzlich dazu gezwungen, die Energie der Konkurrenz durchzulassen – gegen eine Gebühr. Ein komplexes Geflecht von Regeln soll den Wettbewerb und gleichzeitig die Versorgungssicherheit gewährleisten. Das Problem: Auf dem Energiemarkt können sich Angebot und Nachfrage nicht selbst ausbalancieren, denn dann wäre die Versorgungssicherheit in Gefahr. Energieerzeugung muss geplant werden. Wird ein Kraftwerk erst hochgefahren, wenn der Bedarf steigt, ist es zu spät. Stromerzeuger melden deshalb ihre voraussichtliche Produktion bei den Verantwortlichen für das jeweilige Stromnetz an. Ist zum Beispiel wegen starken Windes viel Windenergie zu erwarten, werden Kohle- oder Gaskraftwerke heruntergefahren. Oder es werden Windräder gestoppt, weil es viel Atomstrom gibt.

Quelle       :            TAZ-online           >>>>>          weiterlesen

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Oben      —     Церемония открытия газопровода «Северный поток».

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Rechte Anschläge in Berlin:

Erstellt von Redaktion am 12. November 2022

Untersuchungsausschuss kritisiert mauernde Behörden

Quelle          :        Netzpolitik ORG.

Von     

Seit mehreren Monaten warten parlamentarische Aufklärer:innen in Berlin auf Akten von Polizei, Justiz, Verfassungsschutz und Verwaltung. Jetzt warnen sie: Wenn die Behörden weiter mauern, kann der Untersuchungsausschuss zum Neukölln-Komplex seine Arbeit nicht mehr verrichten.

Deutliche Kritik an Justiz, Sicherheitsbehörden und Verwaltung übten am gestrigen Freitag die Mitglieder des Parlamentarischen Untersuchungsausschusses zur Aufklärung einer rechtsextremen Anschlagserie in Berlin-Neukölln. Bei einer Pressekonferenz im Abgeordnetenhaus zeigten sich die Parlamentarier fraktionsübergreifend verärgert und irritiert, dass sie fast ein halbes Jahr nach Einsetzung des Ausschusses kaum Akten zur Verfügung gestellt bekommen, die sie für ihre Arbeit benötigen.

„Die Weiterarbeit wird nicht möglich sein, wenn wir die Akten nicht erhalten“, teilte der stellvertretende Vorsitzende des Ausschusses mit, Grünen-Politiker Vasili Franco. Er vertrat bei der Pressekonferenz den terminlich verhinderten Vorsitzenden, Florian Dörstelmann von der SPD. Bisher hätten die Aufklärer:innen nur einen Bruchteil der angefragten Beweismittel erhalten, so Franco.

Besonders irritiert zeigte sich der Abgeordnete über ein Schreiben der Innenverwaltung, das den Ausschuss in dieser Woche erreichte. Das Haus von Innensenatorin Iris Spranger (SPD) habe sich mehr als vier Monate Zeit gelassen, um Rückfragen zu einem Beweisantrag vom 1. Juli 2022 zu stellen. Auch die Justizverwaltung von Senatorin Lena Kreck (Linkspartei) steht Franco zufolge auf der Bremse. Sein Ausschusskollege Niklas Schrader von der Linkspartei konstatierte: „Insgesamt gibt es bei den Behörden offenbar keine große Bereitschaft, uns zuzuarbeiten.“

“Ärgerlich und hinderlich“

Der Untersuchungsausschuss soll aufklären, wie Rechtsextreme im südlichen Neukölln über viele Jahre ungehindert Anschläge begehen, Nazi-Propaganda verbreiten und politische Gegner:innen bedrohen konnten. Mindestens 73 Straftaten werden zu der Terrorserie – dem sogenannten Neukölln-Komplex – gezählt, darunter lebensgefährliche Brandanschläge und möglicherweise auch zwei Morde. Es gibt starke Indizien dafür, dass die Täter nicht nur wegen stümperhafter Polizeiarbeit so lange agitieren konnten, sondern auch, weil sie aktive Sympathisant:innen in Justiz und Sicherheitsbehörden hatten.

Der Ausschuss soll Licht ins Dunkel bringen. Doch die Aufklärer sind unzufrieden. Die Blockade der Behörden weckt Erinnerungen an deren strategische Intransparenz gegenüber dem Untersuchungsausschuss zum Terroranschlag auf dem Breitscheidplatz.

Nachdem in den ersten Sitzungen seit dem Sommer Opfer des rechten Terrors in Neukölln als Zeug:innen angehört wurden, wollte der Ausschuss demnächst Zeug:innen aus den Behörden vernehmen, um mögliches Fehlverhalten aufzudecken. Das Fundament solcher Aufklärungsarbeit sind für jeden Untersuchungsausschuss Dokumente und Akten von handelnden Behörden.

Dass diese immer noch nicht vorliegen, sei „sehr ärgerlich und hinderlich“, kritisiert Stephan Standfuß von der CDU. Auch sein Oppositionskollege Stefan Förster von der FDP macht deutlich: „Wir brauchen die Akten.“ Nur dann könne verhindert werden, dass unliebsame Dinge unter den Tisch gekehrt würden. Aus den Schilderungen der Zeug:innen hätten sich viele Fragen zum Handeln einiger Personen aus den Sicherheitsbehörden ergeben, mit denen man diese konfrontieren müsse.

Widersprüche aufdecken

Ein Beispiel für derartige Widersprüche lieferte die gestrige Befragung der Zeugin Christiane Schott. Schott ist mehrfach zur Zielscheibe der Rechtsextremen in Neukölln geworden und berichtete dem Ausschuss von Unstimmigkeiten mit einer Videokamera, die die Polizei angeblich gegenüber ihres Wohnhauses installiert habe. Zur Aufklärung der Anschläge trug diese Maßnahme aber nicht bei, weil die Kamera in entscheidenden Momenten ausgefallen sein soll.

Damit solche Unstimmigkeiten aufgeklärt werden können und es keine Situation „Aussage gegen Aussage“ gebe, brauche der Ausschuss Akteneinsicht, sagte Niklas Schrader. Doch weder Polizei oder Staatsanwaltschaft noch Verfassungsschutz oder Senatsverwaltungen hätten bislang ausreichend geliefert, so die einhellige Meinung der Parlamentarier:innen. Vom Bundesamt für Verfassungsschutz habe es bisher nicht einmal eine Reaktion auf die Beweisanträge des Untersuchungsausschusses gegeben, so Schrader.

Das sei auch deshalb misslich, weil der Ausschuss Zeit benötige, um Akten nach ihrer Lieferung zu sichten und zu analysieren, ergänzte SPD-Politiker Orkan Özdemir. Er zeigte sich jedoch zuversichtlich, dass entsprechende Gespräche mit den zuständigen Hauptverwaltungen bald zu einer Besserung der Lage führen werden.

Keine Ausreden

Etwaige Gegenargumente oder Erklärungen für die zögerliche Informationspolitik wollen die Abgeordneten dabei nicht gelten lassen. So zog etwa Stefan Förster von der FDP einen Vergleich mit dem Untersuchungsausschuss zum Attentat am Breitscheidplatz, als er und andere Abgeordnete teilweise vor Gericht ziehen mussten, um Akteneinsicht vom Bundesinnenministerium zu erhalten. Anders als damals könne heute aber niemand Zuständigkeitsfragen im föderalen System geltend machen, so Förster. Der Großteil der angefragten Beweismittel liege schließlich im Zuständigkeitsbereich des Landes Berlin.

Ein anderes Argument entkräftete Linken-Politiker Schrader: Zwar würden parallel zur Arbeit des Untersuchungsausschusses Gerichtsverfahren zu Straftaten von Verdächtigen der Anschlagserie geführt. Ein großer Teil der angefragten Beweismittel habe zu diesen Verfahren jedoch keinen unmittelbaren Bezug. Der Ausschuss habe zudem nicht einmal Akten aus abgeschlossenen Verfahren erhalten. Auch die beantragten Unterlagen des Verfassungsschutzes seien nicht von den Gerichtsverfahren betroffen.

Vasili Franco macht zudem deutlich, dass auch die Gerichtsverfahren keinen ausreichenden Verweigerungsgrund darstellen würden. Rechtlich sei das Informationsinteresse des Untersuchungsausschusses gleichrangig mit dem des Gerichts, nur laufende Ermittlungen dürften nicht gefährdet werden. Er verwies zudem auf den Abschlussbericht der Sonderermittler:innen, die den Neukölln-Komplex für die vorige Regierung untersucht haben. Die hierfür gesichteten Akten könnten dem Ausschuss problemlos zur Verfügung gestellt werden.

Giffey hatte Aufklärung versprochen

Alles in allem habe der Berliner Senat sein Versprechen einer konstruktiven Zusammenarbeit mit dem Ausschuss bisher nicht eingehalten, resümierte Linken-Politiker Schrader. Dabei gebe es nicht nur ein Versprechen, sondern auch eine gesetzliche Verpflichtung zur Kooperation, ergänzte der stellvertretende Vorsitzende Franco.

Wenn die rot-grün-rote Regierung in Berlin sich nicht den Vorwurf einer aktiven Behinderung der Aufklärungsarbeit einfangen will, müssen die Behörden bald Akten liefern. Daran muss der Untersuchungsausschuss wohl auch Berlins Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey erinnern. Die SPD-Politikerin hatte im vergangenen Jahr im Abgeordnetenhaus-Wahlkampf nicht nur das Anliegen eines Untersuchungsausschusses unterstützt, sondern auch „Disziplinarverfahren gegen die, die der Aufklärung im Wege stehen“ versprochen.

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Oben     —        Brennendes Auto in der Berliner Liebigstraße.

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Ein Lob für Unfähigkeit

Erstellt von Redaktion am 11. November 2022

Scheitern? Muss nicht sein

Hat nicht eine jede Person das Recht ein 50 jähriges Versagen der Politiker-innen schön zu schreiben ?

Ein Debattenbeitrag von Malte Kreutzfeldt

Die derzeitige Stimmung: Die Energiewende ist zu langsam, um die Klimakatastrophe noch aufzuhalten. Dabei gibt es Anlass für Optimismus.

Dass Klima-Aktivist*innen eher pessimistisch sind, wenn es darum geht, ob die Klimakrise noch gestoppt werden kann, liegt auf der Hand. Ihre Rolle ist es, die Politik mit Kritik vor sich herzutreiben. Und so mehren sich rund um die Klimakonferenz, die derzeit im ägyptischen Scharm al-Scheich stattfindet, die düsteren Szenarien. Doch der Pessimismus ist nicht auf die Klima- und Umweltbewegung beschränkt. Auch aus der Wissenschaft kommen laute Warnungen. So erklärte der Expertenrat für Klimafragen letzte Woche in einem Gutachten für die Bundesregierung: „Die bisherigen Emissions-Reduktionsraten reichen bei weitem nicht aus, um die Klimaschutzziele für 2030 zu erreichen – weder in der Summe noch in den einzelnen Sektoren.“ Und taz-Kollegin Ulrike Herrmann vertritt – in ihrem neuen Buch „Das Ende des Kapitalismus“ – die These, dass es ausgeschlossen sei, jemals genug Ökostrom zu erzeugen, um die Treibhaus­gas­emissionen auf null zu senken und gleichzeitig die Wirtschaftsleistung weiter zu steigern. Weil der Kapitalismus ohne Wachstum nicht funktioniere, lasse sich die Klimakrise darum nicht lösen, ohne ihn abzuschaffen.

Eine zentrale Grundlage für diesen Pessimismus ist die Aussage, dass Wind und Sonne – jene erneuerbaren Energien, die im Gegensatz zu Biomasse oder Wasserkraft praktisch unbegrenzt ausgebaut werden können und die darum in Zukunft den Großteil des Ökostroms liefern müssen – im Jahr 2020 gerade mal 7,7 Prozent des deutschen Endenergieverbrauchs geliefert haben. Da scheint der Weg zu 100 Prozent Erneuerbaren bis zum Jahr 2045 tatsächlich kaum zu schaffen.

Doch diese Zahl führt in die Irre. Denn für den Fortschritt der Energiewende ist der Endenergieverbrauch der falsche Maßstab. Er lässt den Bedarf größer erscheinen, als er in der Zukunft tatsächlich sein wird. Denn durch den Umstieg von fossilen Kraftstoffen auf Ökostrom sinkt der Endenergiebedarf im Verkehr und beim Heizen: Ein Liter Diesel hat einen Energiegehalt von etwa 10 Kilowattstunden. Damit kommt ein Wagen der Golf-Klasse etwa 17 Kilometer weit. Ein vergleichbar großes E-Auto fährt mit 10 Kilowattstunden Strom über 50 Kilometer. Durch den Umstieg auf Elektroautos, die mit Ökostrom angetrieben werden, sinkt der Bedarf an Endenergie um 70 Prozent.

Ähnlich sieht es beim Heizen aus: Bei Gas- und Ölheizungen geht ein Teil der Energie verloren; aus einer Kilowattstunde Energie im Brennstoff entsteht also immer weniger als eine Kilowattstunde Wärme in der Wohnung. Bei einer Wärmepumpe ist es umgekehrt: Sie entzieht der Umgebung Wärme und erzeugt dadurch aus einer Kilowattstunde Strom 3 bis 5 Kilowattstunden Wärme. Beim Umstieg von einer fossilen Heizung auf eine Wärmpumpe, die mit Ökostrom angetrieben wird, sinkt der Endenergiebedarf also auf ein Drittel bis ein Fünftel – ohne dass es in den Wohnungen kälter wird. Dazu kommt noch, dass jedes Jahr weitere 2 Prozent der Häuser gedämmt werden sollen, wodurch der Heizenergiebedarf sich meist mindestens halbiert. Auch wenn gleichzeitig der Wohnraum pro Person weiter steigen sollte, wird der Energiebedarf zum Heizen also stark sinken und die Umstellung auf Ökostrom damit viel einfacher als viele Rechnungen von Energiewende-Skeptiker*innen nahelegen – auch wenn man den gewaltigen Bedarf berücksichtigt, der etwa mit der Umstellung der Stahl- oder Chemiebranche auf klimaneutrale Produktion einhergeht.

Trotzdem kann man aber natürlich zu Recht die Frage stellen, ob die Energiewende schnell genug gelingen kann. Schließlich haben ja viele Medien gerade berichtet, dass der Expertenrat warnt, Deutschland werde seine selbst gesteckten Klimaziele für 2030 verfehlen. Was in der Berichterstattung ein wenig unterging, war aber die Bedingung, an die diese Aussage geknüpft war: Wenn die Emissionen weiterhin im gleichen Tempo sinken wie in den Jahren 2000 bis 2021. Doch dass die frühere Klimapolitik nicht ausreichend war, um Deutschland zumindest auf den 2-Grad-Pfad zu bringen, ist lange bekannt. Und genau aus diesem Grund hat die Ampelregierung ja nun vor, in den nächsten Jahren das Ausbautempo bei den Erneuerbaren zu vervierfachen, die Sanierungsrate bei Wohnhäusern zu verdoppeln, den Kohleausstieg vorzuziehen und ein schnelleres Ende des Verbrennungsmotors zu ermöglichen.

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Oben      —     Berliner Promenade beim Saarhochwasser im Januar/Februar 2021 in Saarbrücken

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Die Islamische Diktatur

Erstellt von Redaktion am 11. November 2022

Die tödliche Zurückhaltung gegenüber den Protesten in Iran

Eine Kolumne von Sascha Lobo

Die Revolution in Iran findet in deutschen Leitmedien noch immer nicht genug Beachtung. Der Kanzler twittert handzahm, statt zu handeln. Dabei würde mehr internationale Aufmerksamkeit Leben retten.

Sonntag, der 6. November 2022, über 50 Tage nach Beginn der iranischen Proteste, die man inzwischen Revolution nennen muss. Eine große Gruppe iranischer Parlamentarier hat etwas Ungeheuerliches gefordert: Der Staat möge den Demonstrierenden mit aller Härte begegnen und in bestimmten Fällen möglichst mit der Todesstrafe. Unabhängige Fachleute schätzen die Zahl der Inhaftierten, der Angeklagten auf über 14.000 ein, zumeist junge und sehr junge Leute, sehr viele Frauen darunter.

Der infame Appell aus dem Kreis des Parlaments, jenem scheindemokratischen Feigenblatt der islamistischen Diktatur, würde bedeuten: Etliche junge Menschen könnten ermordet werden, sicher nicht alle 14.000; aber es ist davon auszugehen, dass das Regime nicht auf das abschreckende Instrument der Hinrichtung verzichten wird. Und das nur, weil die Menschen gegen ein terroristisches, antisemitisches, islamistisches, Frauen und Homosexuelle hassendes, ultramenschenfeindliches Horrorregime demonstriert haben, das ihnen ihr Leben raubt, jeden Tag aufs Neue. Selbst wenn dieser Appell von den Gerichten nicht umgesetzt wird, ist schon länger klar, dass die iranische Justiz nicht zögern dürfte, Demonstranten hinzurichten.

Man sollte meinen, dass solch extremistische Hinrichtungswünsche von Abgeordneten große Wellen schlagen. Stattdessen ergibt die Überprüfung am Montagnachmittag irritierendes: Auf der Startseite der »Süddeutschen Zeitung« taucht das Wort Iran ebenso wie auf der Startseite des SPIEGEL nicht auf. Kein Iran, nirgends. Genau wie auf faz.net, auf tagesschau.de, auf bild.de und auf der Seite der »Rheinischen Post«. Der »Tagesspiegel« hat einen Artikel zu Iran auf der Startseite (hinter der Paywall), allerdings deshalb, weil er von so vielen Menschen gelesen wurde, dass er in der Kategorie »beliebt auf Tagesspiegel+« auftaucht. Zwar nur eine digitale Momentaufnahme und dennoch ein Sinnbild.

Auf welt.de kommt »Iran« einmal vor – in einem Artikel über iranische Waffenlieferungen an Russland. Auf der Startseite der »Zeit« kommt »Iran« sogar zweimal vor. Einmal als verlinktes Schlagwort in einer Subnavigation ohne weiteren Kontext und einmal, weil ein iranischer Islamist Hamburg verlassen hat.

Man kann es nicht anders sagen: Die iranische Revolution der Frauen, der jungen Menschen findet in deutschen Leitmedien noch immer nicht ausreichend statt. Wie als Symptom beträgt die Gesamtzahl der SPIEGEL-Titelbilder zum Thema ebenfalls: null. Ein Themenschwerpunkt stand Ende Oktober lediglich links oben in der Ecke, als sich das Titelbild dem britischen Regierungschaos widmete. Automatisch ergibt sich die Frage: warum? Es ist eine Frage, die die iranische Diaspora traurig, wütend, fassungslos macht. Zu Recht.

Wenn man sich mit Menschen der verschiedenen iranischen Communitys in Deutschland unterhält, dann ist da zunächst – ein enormes Feuer, im allerbesten Sinn. Das hat einen konkreten und bitteren Grund. Es gibt praktisch niemanden, der nicht spürt und weiß, dass es in Iran im Moment um buchstäblich alles geht.

Die iranische Community weiß, worum es geht

Rund 300.000 Iran-stämmige Menschen leben in Deutschland, und sie sind laut und hervorragend vernetzt. Der Parteichef der Grünen Omid Nouripour gehört dazu und der Generalsekretär der FDPBijan Djir-Sarai, beides Regierungsparteien. Dazu kommt eine Reihe prominenter Personen mit großer Reichweite: die Social-Media-Kulturaktivistin und Bühnenkünstlerin Enissa Amani etwa, der Conferencier und Moderator Michel Abdollahi, die preisgekrönte Journalistin und Autorin Natalie Amiri, der Schriftsteller und Friedenspreisträger Navid Kermani, die Rapperin und Genussmittelunternehmerin Shirin David, die Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes Yasmin Fahimi und viele, viele mehr.

Stutzt den Schamanen den Bart !

Das wären für einen medialen Aufregungssturm eigentlich perfekte Voraussetzungen, und durch die gute Vernetzung der iranischen Community in Deutschland wurden diese sogar noch einmal verbessert. Die Entertainer Joko Winterscheid und Klaas Heufer-Umlauf haben in einer spektakulären Aktion ihre Instagram-Accounts »für immer« zwei iranischen Aktivistinnen geschenkt, eine Vielzahl von Aufmerksamkeitswellen rollte und rollt durch die deutschsprachigen sozialen Medien.

Aber trotzdem bleibt die Berichterstattung der Leitmedien für die Größe und die Weltrelevanz der Proteste meist merkwürdig blass und schmal. Insgesamt bleibt der Eindruck, dass eine Handvoll meist deutsch-iranischer Expert*innen die Öffentlichkeit umfassender, besser und sachkundiger informiert als es die deutschen Leitmedien tun, vor allem (ausgerechnet) auf Twitter und auch auf Instagram, darunter @shourahashemi @natalieamiri @gildasahebi @khani2mina @isabelschayani  und @MichelAbdollahi .

Die empörende Zurückhaltung der Politik

Die wahrscheinlich meisten Mitglieder der iranischen Diaspora in Deutschland sind nicht nur irritiert bis entsetzt über die verhaltene Berichterstattung, sondern auch über die verstörende bis empörende Zurückhaltung der deutschen Spitzenpolitik. Auf dem offiziellen Kanzler-Twitteraccount hat Olaf Scholz es in 50 Tagen einmal geschafft, den Iran zu erwähnen: »Es bestürzt mich, dass bei den Protesten im #Iran friedlich demonstrierende Menschen ums Leben kommen. Wir verurteilen die unverhältnismäßige Gewalt der Sicherheitskräfte und stehen den Menschen im Iran bei. Unsere EU-Sanktionen sind wichtig. Wir prüfen weitere Schritte.«

»Bestürzung«, Menschen »kommen ums Leben«, als sei das leider eine ärgerliche Naturkatastrophe. »Unverhältnismäßige Gewalt«, als gäbe es verhältnismäßige Gewalt, wo gerade Aberhunderte Menschen verschleppt, vergewaltigt, abgeschlachtet werden und sogar Kinder ermordet werden. »Den Menschen beistehen«, eine Geste, die sich bereits im Wort selbst erschöpft. Und schließlich »wichtige EU-Sanktionen«, die milder kaum ausfallen könnten.

Deutschland ist der mit Abstand wichtigste Handelspartner Irans in der EU. Angesichts der angekündigten Prüfung von »weiteren Schritten« zittern die Mullahs sicher bereits vor Angst, während sie knietief im Blut einer Generation waten.

Distanz zu Iran und Distanz zur Generation Z

Michel Abdollahi sagt im Gespräch, dass die Zurückhaltung des Bundeskanzlers ein wichtiger Grund sei für die mediale Zurückhaltung. Gleichzeitig sei Iran für viele führende Journalist*innen noch viel zu weit weg, nicht nur kulturell, sondern auch von der Altersstruktur her. Es sei ein Aufstand der Generation Z, und die würden die meisten Leitmedien schon hierzulande nicht verstehen und deshalb oft ignorieren.

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Die deutsch-iranische, queere Aktivistin Mina Khani sieht einen Eurozentrismus am Werk, wenn man nicht von Rassismus sprechen wolle. Sie skizziert gleichzeitig ein häufig zu Recht beklagtes Problem in deutschen Medien: Direkt Betroffene, zum Beispiel qua Herkunft, gelten vielen Redaktionen als nicht objektiv genug, weshalb man im Zweifel lieber deutsche Fachleute fragt. Und sie spricht an, was sehr viele Iraner*innen knallwütend macht: dass Medien, Aktivisten, Politik und Zivilgesellschaft in Deutschland auf die geschickte Propaganda der Islamischen Republik hereinfallen.

Etwa, dass »jahrelang im Westen erzählt wurde, dass die iranischen Frauen sich selbst dazu entschieden haben, Hijab zu tragen. Obwohl es dafür Belege gibt, dass sie jahrelangen Widerstand dagegen geleistet haben«. Daran angrenzend ist Abdollahi irritiert, dass in Deutschland etwa die iranische Protestform, Mullahs auf der Straße den Turban vom Kopf zu schlagen, kritisch betrachtet wird. Dabei seien es doch genau diese alten Männer, die für den extremistischen Islam stünden, der Frauen unterdrückt, die Bevölkerung drangsaliert und Demonstrierende tötet.

Quelle      :             Spiegel-online          >>>>>           weiterlesen

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Oben      —     Protest an der Amirkabir-Universität für Technologie am 20. September 2022

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Die Fresse der Politik ?

Erstellt von Redaktion am 11. November 2022

Nicht viel Neues bei der Pressefreiheit

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Quelle       :        Scharf  —  Links

Von Johannes Schillo

Wer heutzutage Skepsis gegenüber den „Mainstream-Medien“ äußert und sich in der (ziemlich geschrumpften) Gegenöffentlichkeit informiert oder engagiert, gilt gleich als verdächtiges Subjekt. Aber war es jemals anders? Eine Zeitreise zu den 68ern.

Nicht nur, dass staatliche Stellen systematisch die „Desinformation“, also Abweichung vom NATO-Narrativ, im Medienbereich überwachen. Verdächtig macht sich heute ja schon, wer das Wort „Mainstream-Medien“ benutzt (weil es angeblich von den Querdenkern erfunden wurde). Und dass es überhaupt so etwas wie eine Gegenöffentlichkeit gibt, die sich dem Mainstream und den (öffentlich-rechtlichen) Leitmedien entgegen stellt, gilt in Deutschland als hochgradiges Problem.

So hält z.B. die seit Jahrzehnten als Ost-Expertin bekannte Journalistin Gabriele Krone-Schmalz in der Reutlinger Volkshochschule einen Vortrag – und bereits das Faktum selber, dass VHS-Verantwortliche die Frau zu Wort kommen lassen, wird zum Skandal stilisiert, der angeblich die Fachwelt „entsetzt“ (https://www.t-online.de/region/stuttgart/id_100072528/-die-chance-zum-kritischen-diskurs-hat-die-vhs-reutlingen-leichtfertig-verspielt-.html). Aus der findet sich dann auch gleich ein beamteter Experte, der der Volkshochschule bescheinigt, mit dem Zur-Diskussion-Stellen abweichender Meinungen sei „ihre politische Verantwortung auf der Strecke geblieben“.

Zwei Wochen später, Ende Oktober, soll Krone-Schmalz dann in der Kölner VHS sprechen. Doch hier melden sich schon im Vorfeld Verantwortliche aus der Kommunalpolitik, die durch die vorausgegangene Berichterstattung – natürlich in den Mainstream-Medien – alarmiert sind. Das hat Folgen: „‚Putin-Versteherin‘ fliegt aus VHS-Kalender“ (https://www.t-online.de/region/koeln/id_100069204/ukraine-expertin-kritisiert-putin-versteherin-krone-schmalz-fuer-vhs-vortrag-in-koeln.html). Der Kooperationspartner wird unter Druck gesetzt, gibt nicht klein bei und so ist der nächste Skandal zu vermelden. Der Vortrag kann stattfinden und die Frau doch tatsächlich ihre Position vertreten, die mit der Regierungslinie nicht übereinstimmt. Schon weiß die Presse Bescheid – „einseitig“, „undifferenziert“, „Schwarz-Weiß-Denken“ etc. (https://www.t-online.de/region/koeln/id_100072288/krone-schmalz-in-koeln-ein-gefaehrlicher-mix.html).

Ein Blick zurück

Angesichts neuerer Veröffentlichungen zur „Western Dissidenz“ (https://spectorbooks.com/sites/default/files/catalogues/hw22_vorschau_en.pdf) kann hier vielleicht ein kleiner Rückblick auf die bleiernen bzw. bewegten Zeiten vor und nach 1968 weiterhelfen. Der Rekurs auf den Kalten Krieg, als östliches Dissidententum in hohem Ansehen stand, ist dem Fall des Journalisten und ehemaligen „Zeit“-Redakteurs Uwe Nettelbeck (1940 – 2007) gewidmet. Der gab von 1976 bis zu seinem Tod, gemeinsam mit seiner Frau Petra Nettelbeck, die Zeitschrift „Die Republik heraus – ein paradigmatischer Fall von Gegenöffentlichkeit.

Von Nettelbecks Publikationen, die im Pressewesen der 1960er Jahre für einige Aufregung sorgten, ist heute kaum noch etwas greifbar. 2015 erschienen bei Suhrkamp seine Gerichtsreportagen 1967–1969 (https://www.suhrkamp.de/buch/uwe-nettelbeck-prozesse-t-9783518424827), die den Autor, wie der Verlag schreibt, „zu einem der bekanntesten Journalisten des Landes machten“; bis heute gehörten seine justizkritischen Texte „zu den besten Artikeln, die je in deutschen Zeitungen veröffentlicht wurden.“

Nettelbeck startete beim Flaggschiff des Qualitätsjournalismus, bei der Wochenzeitung „Die Zeit“. 1969 schrieb er in der linken Monatszeitschrift „Konkret“ über das hohe Gut der Pressefreiheit und über dessen angeblichen Niedergang, der aufs Konto der primitiven, hetzerischen Springer-Presse gehen sollte: „Es war ein Euphemismus, von einem Verfall der inneren Pressefreiheit in den von Axel Springer abhängigen Redaktionen zu sprechen; was da angeblich zerfiel, hat es prinzipiell nie gegeben; die Kategorie Pressefreiheit selber ist, liberal verstanden, ein Euphemismus…“

Dieses Statement erfolgte, nachdem ihm der stellvertretende Chefredakteur der „Zeit“, Theo Sommer, klar gemacht hatte, wo das liberale Wochenblatt seinen Mitarbeitern die Grenzen der Pressefreiheit zog. Es waren letztendlich Nettelbecks Gerichtsreportagen über das gnadenlose Vorgehen von Polizei und Justiz gegen studentische Demonstranten, was Sommer nicht länger als „Herbeten von stupiden Apo-Floskeln“ dulden wollte. Sommer drohte Nettelbeck eine scharfe Vorzensur seiner Texte an, worauf dieser als Chefredakteur zu „Konkret“ wechselte, dort kurze Zeit neben der Kolumnistin Ulrike Meinhof tätig war, bis beide – in entgegengesetzter Richtung – das Blatt verließen. Meinhof kämpfte sich zu ihrer verhängnisvollen Einsicht vor, dass die Herrschenden nur noch die Sprache der Gewalt verstehen; Nettelbeck belegte eine Nische im Kulturbetrieb, wo er mit großer Sprachgewalt – u.a. in der von ihm herausgegebenen „Republik“ – Medien- und Pressekritik zu seinem Metier machte.

Der Auftrag der Pressefreiheit

Man kann diese Rückblicke auf die 1960er und 1970er Jahre als zeitgeschichtliche Dokumente ersten Ranges lesen. Die Gerichtsberichte lassen den Zeitgeist der zu Ende gehenden Adenauerära wiederauferstehen. Nettelbeck verfasste noch für die „Zeit“ die berühmte Reportage über den legendären Kaufhaus-Brandstifter-Prozess von 1968 gegen Andreas Baader, Gudrun Ensslin und Co., der so etwas wie die Geburtsstunde des RAF-Terrorismus darstellte. Was Nettelbeck als Gerichtsberichterstatter dazu geschrieben hat, ist ein abwägender, nachdenklicher Text, der gerade nicht floskelhaft daherkommt oder sich agitatorisch aufstellt.

An ihm und den folgenden Beiträgen zu den Demonstrationsprozessen kann heute, im Abstand von 50 Jahren, jeder Leser überprüfen, was damals im liberalen Lager als journalistisch untragbar galt und was der Vorgesetzte Sommer – später „Zeit“-Chefredakteur, noch später Herausgeber, bis er 2014 „wegen vorsätzlicher Steuerhinterziehung und schweren Betrugs“ (Wikipedia) verurteilt wurde – als stupiden, agitatorischen Journalismus einstufte. Das ist heute ja vielen gar nicht (mehr) bewusst: Die 68er-Bewegung sah sich einer geballten Medienmacht gegenüber, die regelrechte Feindbildpflege betrieb und die „kleine radikale Minderheit“, die Außerparlamentarische Opposition (APO), die zu Zeiten der ersten großen Koalition entstand, ausgrenzen und niedermachen wollte.

Natürlich war hier der Springer-Konzern mit seiner Bildzeitung führend. „Bild“ hetzte gegen die arbeitsscheuen Langhaarigen (die „Gammler“) überhaupt, gegen Berufsdemonstranten, Revoluzzer und politische Wirrköpfe im Speziellen. Und als Ostern 1968 die Schüsse auf Rudi Dutschke fielen, war klar – wie Wolf Biermann in „Drei Kugeln auf Rudi Dutschke“ sang –, wer mitgeschossen hatte: „Die Kugel Nummer Eins kam/Aus Springers Zeitungswald/Ihr habt dem Mann die Groschen/Auch noch dafür bezahlt…“

Die Springer-Medien waren aber nur die Speerspitze der damaligen „Bewusstseinsindustrie“ (Enzensberger). Nettelbeck hat die Wendungen und Windungen dieses Betriebs in seiner als Realsatire angelegten Zeitschrift jahrelang verfolgt, wobei er sich dann zunehmend – auch weil das BKA ihn wegen eines frühen Falls von „Whistleblowing“ mit Strafanzeigen traktierte (dokumentiert in der „Republik“ Nr. 48-54) – ins literarische Feld zurückzog. Seine Texte aus den 60er Jahren demonstrieren in zeitgeschichtlicher Perspektive, was Pressefreiheit heißt und wo kritischer Journalismus seine Grenzen findet, und sie bringen zum Zusammenspiel von dritter und vierter Gewalt im demokratischen Staat, zum Elend der „liberalen Demokratie“ aufschlussreiches Material.

Kontinuität bei der Vierten Gewalt

Im Overton-Magazin (https://overton-magazin.de/hintergrund/gesellschaft/in-deutschland-finden-prorussische-verschwoerungserzaehlungen-mehr-resonanz/) hieß es jüngst: „Das Misstrauen gegenüber den Mainstreammedien ist nicht erst seit dem Kriegsbeginn, seit Corona oder seit 2014 gewachsen, es bestand etwa auch im Kalten Krieg, als es auch im Westen zu Alternativmedien kam und nach dem Deutschen Herbst und der atomaren Aufrüstung beispielsweise die taz als Alternative Tageszeitung gegründet wurde, die eine linke Gegenöffentlichkeit herstellen sollte.“

Diese Rolle hat die „taz“ schon lange aufgegeben. Als im Sommer 2021 eine Bundestagsdebatte die Beobachtung der linken Tageszeitung „Junge Welt“ durch den Verfassungsschutz offiziell bestätigte (siehe: „Marx als Linksextremist“, Scharf links, 15.5.21), wurde damit als Selbstverständlichkeit klargestellt, dass die Sicherheitsbehörden „Leitplanken für den öffentlichen Diskurs“ (https://overton-magazin.de/krass-konkret/journalismus-im-visier-des-verfassungsschutzes/) festlegen. Wenn Prof. Christoph Butterwegge als anerkannter Armutsforscher (der mit seinen Erkenntnissen über die deutsche Klassengesellschaft selbst ins Visier des Verfassungsschutzes zu geraten drohte) nicht protestiert hätte, wären „taz“ oder „Frankfurter Rundschau“ wohl kaum auf diesen Vorgang eingegangen. Protest kam natürlich nicht von ihrer Seite, die Sache wurde eher als Kuriosum abgetan, als Randnotiz, die auch der „Süddeutschen“ noch ein paar liberale Bedenken wert waren. Damit hatte es sich.

Die Leitplanke als Denk-Schranke der Regierungen ?

Die von Kanzler Scholz angekündigte Zeitenwende hat nun auch eine Gesinnungswende mit sich gebracht. Rückblickend werden auf einmal gemäßigte, auf Ausgleich und Verständigung bedachte Positionen der Außenpolitik, wie sie im Pressewesen eine Krone-Schmalz oder in der Politikwissenschaft ein Professor Johannes Varwick repräsentieren, in die extremistische Ecke gerückt. Im Blick auf Reichweite und Schärfe des staatlichen Überwachungsstandpunkts hat sich hier einiges geändert, nicht aber bei der strukturellen „Gewaltaffinität des Mainstream-Journalismus“ (https://overton-magazin.de/krass-konkret//zur-gewaltaffinitaet-des-mainstream-journalismus/).

Der Staat mit seinen „Leitplanken“ gibt dabei, wie in dem genannten Beitrag ausgeführt, nur die Richtung vor. Konkret vorschreiben muss er den Journalisten nicht, was sie zu berichten oder zu kommentieren haben. Gleichschaltung ist überflüssig. Wie in der Ära des Kalten Kriegs ein liberaler Redakteur Sommer wusste, wo Hetze anfängt und Nachdenklichkeit aufhört, so wissen heutige Medienarbeiter schon selber, welche Vorträge in Volkshochschulen zulässig sind und wo unzulässige Schwarz-Weiß-Malerei anfängt. Mit seinem Verantwortungsbewusstsein für die Agenda der Nation liegt der Mainstream eben von vornherein auf der Lauer, um staatsabträgliche Vorgänge zu brandmarken und auszugrenzen. Wie sollte auch die stolze Vierte Gewalt, die ständig den nationalen Erfolg bilanziert, Berührungsängste gegenüber der wirklichen Staatsgewalt haben?

Ja, sie traut sich sogar, dieser recht anspruchsvoll entgegen zu treten. Wenn der Mainstream, wie der Gegenstandpunkt resümiert (https://de.gegenstandpunkt.com/artikel/machart-demokratischer-kriegspropaganda), auf seine „eindeutige Botschaft und deren Alternativlosigkeit pocht, dient das einem guten Zweck: Es geht den Leitmedien nicht nur darum, dass das Volk die neue Rüstungs- und für es kostenträchtige Russlandpolitik Deutschlands bedingungslos als unumgängliche Konsequenz akzeptiert. Nach ihrer verantwortungsbewussten Selbstauffassung leisten sie auch einen unverzichtbaren Beitrag dazu, dass die Bundesregierung Kurs hält und ihrem Auftrag nicht zaudernd, sondern konsequent nachgeht. Wenn sie eine antirussische Haltung zum Gebot der Stunde erklären und zur gültigen öffentlichen Meinung machen, bringen sie in ihrer Vorstellung die Politiker in Zugzwang, die ‚eingetretene‘ Zeitenwende mit ihrer Amtsmacht zu vollstrecken.“

Zuerst bei Krass & Konkret erschienen.

Urheberrecht
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Oben      —        Plakat „Doppelleben – Der Film“

Verfasser DWolfsperger      /      Quelle     :    Eigene Arbeit      /    Datum    :    1. August 2012

Diese Datei ist lizenziert unter derCreative CommonsNamensnennung-Weitergabe unter gleichen Bedingungen 3.0 Deutschland Lizenz.

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2. von Oben     —     Abb. Titelfeld: Philosophenturm und Auditorium Maximum (Ausschnitt), Staatsarchiv Hamburg, StAHH 720-1_141-21=06_591.

Abb. Thementext: Ordinarien-Karikatur, Privatbesitz / Anti-Schah-Demo Berlin, Juni 1967, nach Wikimedia Commons (https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Ludwig_Binder_Haus_der_Geschichte_Studentenrevolte_1968_2001_03_0275.0140_(17051988346).jpg) / Muff-Aktion 1967, Staatsarchiv Hamburg, Bestand Conti-Press / Axel-Springer-Verlagshaus Hamburg, nach Wikimedia Commons (https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Hamburg_Axel-Springer-Verlagshaus_01_KMJ.jpg) / Philosophenturm und Auditorium Maximum, Staatsarchiv Hamburg, StAHH 720-1_141-21=06_591.

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Unten         —            Mittelschranke auf einer Straße in Finnland. Leitplanke (oder Verkehrsbarriere) zwischen zwei Linien, die von beiden Seiten getroffen werden können.

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Flimmern + Rauschen

Erstellt von Redaktion am 11. November 2022

Debatte um den ÖRR: Wer Reformation will, braucht Humor

Endlich einmal etwas aus Religionen gelernt !

Kolumne von Steffen Grimberg

Der öffentlich-rechtliche Rundfunk ist bockig, sobald Kritik laut wird. Dabei lässt sich bei Luther lernen, wie man es macht: mit Witz.

Jan Böhmermann hat’s getan, Thomas Gottschalk tut es. Fehlt eigentlich nur noch, dass Maria Furtwängler im „Tatort“ auch noch damit anfängt. Der Zustand des öffentlich-rechtlichen Mediensystems lässt keineN kalt. Das ist schon mal die gute Nachricht.

Böhmermann verkündet im „ZDF Magazin Royale“, der ÖRR sei „scheiße“. Gottschalk sagt derweil dem medienpolitischen Fachblatt Hörzu, die „Kampfprogrammierung“ zwischen ARD und ZDF sei „nur ein weiterer Beweis dafür, dass wir keine zwei öffentlich-rechtlichen TV-Sender brauchen. Das ZDF versucht, die Konkurrenz mit Krimis zu vernichten, und die ARD rettet sich mit ‚Schlagershows‘ […]. Der Gebührenzahler ist dabei der Dumme!“

Wobei das natürlich auch nicht ganz so stimmt, schließlich gucken viele Leute das Zeug ja mit großer Begeisterung weg. Und wer Dokus wie „WM der Schande“ im WDR oder „Geheimsache Katar“ im Zweiten gesehen hat, kann dem Doppelwhopper aus ARD und ZDF vermutlich auch was abgewinnen. Doch intern, in der Wagenburg, ist die Stimmung gereizt. Hochrangige ÖRR-Menschen sahen sogar bei der „Tagesschau“ anstaltseigene „Wutbürger*innen“ am Werk. Nur weil es dort plötzlich mal kritisch in eigener Sache zuging.

Na – der DR stirbt zu allerletzt ?

Ja, der ÖRR ist reformbedürftig. Meinetwegen braucht’s sogar ’ne Revolution, ganz gediegen mit dem Heinzelmännchen aus Köln. Wenn das System die dahintersteckende Idee wirklich ernst nimmt, ist der ÖRR doch sowieso immer work in progress. Damit er das auch selber merkt, sollte vielleicht „VERÄNDERUNG IST NICHT SCHLIMM“ als Dauerkennung unten durchs Bild laufen.

Ein Ausweg für das Dilemma

Problemtisch ist die miese Stimmung, die als Generalbass die Debatte begleitet. Tom Buhrow hält ’ne brauchbare Rede. Prompt schmollen alle anderen Anstaltsgranden. Die ÖRR-Aufsichtsgremien finden sich zwar nicht von Buhrow, aber ebenfalls zu Unrecht unter Generalverdacht gestellt, weil sie von RBB bis NDR zu wenig mitbekamen.

Das Dilemma ließe sich lösen: Wenn die Gremien begreifen, dass zur Gesellschaft, die sie vertreten, auch die Menschen gehören, die im ÖRR arbeiten. Redet doch mal miteinander!

Quelle         :         TAZ-online       >>>>>         weiterlesen

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Oben     —   Floaters caused by retinal detachments

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Cirital Mass ist ……

Erstellt von Redaktion am 10. November 2022

Eine Aktionsform für die soziale und ökologische Bewegungen

Von Jimmy Bulanik

Voor :

Maya Mock

Mijn gelukwensen voor je toekomst.
www.youtube.com/watch?v=E06toRYKX6M

Die Inhalte der Klimabewegung mit ihren unterschiedlichen Strömungen wie Fridays For Future, Ende Gelände, Extinction Rebellion, Letzte Generation sind richtig. Sie sollten mit anderen sozialen Organisationen, welche sich ebenfalls für die Anhebung der Lebensqualität der Zivilgesellschaft einsetzen, wie Pro Bahn, Allgemein Deutscher Fahrrad Club, DGB, Verdi, VdK, Pro Asyl, Black Lives Matter ein Kartell bilden, dies wird zwangsläufig wirkungsvoll werden. Das bedarf über den Zusammenhalt hinaus, die anhaltende Dauer dessen.

Die Niedrigschwelligkeit an der Teilnahme von Critical Mass macht den Erfolg aus. Es bedarf lediglich des persönlichen guten Willens dazu. Mit einem verkehrssicherem Fahrrad, Fahrradhelm, Reflektoren an der Bekleidung, sowie Weste, Handgelenke, Knöchel. Dabei ist es möglich als Critical Mass in einer Stadt teilzunehmen, oder vor Ort selber solch eine Aktion zu organisieren.

Eine Solidarisierung von den Themen der Klimabewegung mit denen der sozialen Bewegungen mit ihren berechtigten Inhalten sind für alle eine Verstärkung. Durch die Sichtbarkeit im öffentlichen Raum wird dies interessierte Einzelpersonen motivieren sich zu beteiligen. Was das Potential in der Wirklichkeit hat, sich zu einem erfolgreichen Selbstläufer zu entwickeln.

Alle Menschen, welche zu diesen Inhalten ihren MdL, MdB schreiben, werden ihren Erfolg erleben

Das Nutzen des mobilen Internets auf Smartphones ist ein Vorteil. Der Messenger Signal signal.org/de ist dabei gänzlich zu empfehlen. Mit dem Dienst Mastodon mastodon.social/explore kann sich öffentlich organisiert werden.

Es gibt sehr viel dadurch zu erreichen, indem die Menschen die Initiative in die eigene Hände nehmen und behalten. Alle können diesbezüglich mit ihrer Kommunikation in ihren Zirkeln andere Menschen motivieren. Die Zukunft wird das werden, was die gesamte Gesellschaft eigenständig gestaltet.

Es ist ratsam auf das Versammlungsrecht zu achten. Diesen Text sollten alle verwenden. Entsprechend Paragraph 6, Abs 1 VersG ist Personen, welche der rechtsextremen Szene und Organisationen angehören, der Zutritt zu dieser Veranstaltung zu verwehren, sie sind somit ausgeschlossen.

Nützlicher Link im Internet:

Critical Mass

criticalmass.in/calendar

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Oben      —       Fotoaktion des Aufstands der Letzten Generation vor dem Reichstag, Berlin, 02.07.2022

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Rockin‘ like it’s 1917

Erstellt von Redaktion am 9. November 2022

Eine große Irreführung der Linken

Wer mit den Händen spricht – wird schon bald einen Porsche fahren ?

Quelle       :        Scharf  —  Links

Von Tomasz Konicz

Wie die Linkspartei die Systemfrage mit einer Umverteilungskampagne entschärfen will.

Falls in den kommenden Dekaden noch Geschichtsschreibung betrieben werden sollte, dürfte 2022 dort als das Jahr eingehen, in dem aus der Klimakrise eine Klimakatastrophe wurde. Während in Europa die Flüsse austrockneten und diejenigen Laubbäume, die nicht in Flammen aufgingen, sich schon im Hochsommer braun färbten, schrumpfte Chinas größter Süßwassersee aufgrund einer beispiellosen Dürre- und Hitzewelle auf ein Viertel seiner Fläche. Der Wassermangel führte dazu, dass duzende Flüsse in der Volksrepublik versiegten oder zu wenig Wasser führten, um aus Wasserkraft Strom zu erzeugen, was wiederum den Kohleverbrauch steigen ließ. In den USA, wo im August knapp 30 Prozent der Bevölkerung in Dürregebieten lebte, sind inzwischen ganze Bundesstaaten und Millionen von Haushalten auf Wasserrationierungen angewiesen. In Pakistan hat eine verehrende Flut rund ein Drittel der Landesfläche erfasst und große Anbauflächen zerstört. 30 Millionen Menschen sind von den Folgen dieser Umweltkatastrophe betroffen. In vielen Ländern kann keine dauerhafte Stromversorgung mehr garantiert werden.

Die Auswirkungen dieser Klimakatastrophe auf die Lebensmittelpreise, die die diesjährige – früher einmal Sommer genannte – Hitze- und Flächenbrandsaison auf der Nordhalbkugel nach sich ziehen wird, werden viele Millionen Menschen weltweit in existenzielle Not stürzen. Und es handelt sich um eine kapitalistische Klimakrise, da Kapital in seinem Verwertungszwang außerstande ist, den weltweiten CO2-Ausstoß zu senken: Nur Weltwirtschaftskrisen konnten im 21. Jahrhundert kurzfristig zu einer Reduktion führen. Und so wird, laut der Internationalen Energieagentur (IEA), die globale Emission von Treibhausgasen, nach ihrem Rückgang während der Pandemie, schon in diesem Jahr das Vorkrisenniveau und 2023 ihren historischen Höchststand erreichen. Eine Trendwende, so IEA, sei nicht absehbar. Soll die Klimakrise nicht in eine globale humanitäre Katastrophe und Barbarei münden, muss das herrschende Kapitalverhältnis daher schnellstens Geschichte werden.

Inzwischen verstehen die meisten, dass endloses Wirtschaftswachstum in einer endlichen Welt Irrsinn ist und dass die spätkapitalistische Gesellschaft auf einen Abgrund zusteuert – mit Ausnahme der Linkspartei samt der mittlerweile offen reaktionären Teile dessen, was sich deutsche Linke nennt. In der derzeitigen existenziellen Krise fordern ihre Vertreter nicht weniger, sondern mehr fossile Energieträger. Sahra Wagenknecht, die Lieblingslinke der deutschen Rechten, plädierte gemeinsam mit dem FDP-Rechte Wolfgang Kubicki schon Mitte August für die Inbetriebnahme der Nord Stream 2 Gaspipeline, weil die „Menschen und Industrie in Deutschland“ mehr nütze als Putin.

Damit ist Wagenknecht ehrlicher als der Großteil ihrer Partei, der nach dem diesjährigen Horror-Sommer auch noch einen „heißen Herbst“ der Sozialproteste ankündigte. Dort soll in sozialdemokratischer Tradition statt der Systemfrage, die sich in der ökosozialen Weltkrise des Kapitals manifestiert, die Umverteilungsfrage gestellt werden. Die Antwort der Linkspartei auf die beginnende Klimakatastrophe ist ein sozial gerechterer Kapitalismus. Der Co-Vorsitzende Martin Schirdewan formulierte es im ARD-Sommerinterview folgendermaßen: Man wolle eine „gerechte Verteilung der Lasten der zu erwartenden Krise“ und hoffe, der „heiße Herbst“ werde „die Bundesregierung unter Druck … setzen“, einen „Gaspreisdeckel“ und eine „Übergewinnsteuer“ für krisenbedingte Extraprofite einzuführen.

Was die Linkspartei derzeit betreibt, führt die vom Absturz bedrohten Menschen bewusst in die Irre. Sie ignoriert, dass die Systemkrise, die sich nicht nur in der beginnenden Klimakatastrophe, sondern auch in der Großkriegsgefahr in Europa, in der Ressourcen- und Energiekrise, in der globalen Schuldenkrise, in der anstehenden Rezession abzeichnet, als ein fetischistischer Weltprozess abläuft. Stattdessen macht sie ein paar „Ober-Bösewichte“ (etwa ausländischer Energiekonzerne) für die Weltkrise verantwortlich, die sie mit höheren Steuern oder Umverteilung bekämpfen will. In Anlehnung an Wagenknechts Linkskonservatismus predigt sie die Rückkehr zur „sozialen Marktwirtschaft“. In der Hoffnung, koalitions- und damit regierungsfähig zu erscheinen, geht sie auf die Straße und entschärft dort das anwachsende Protestpotenzial: Den Mythos von einer grünen Transformation des Kapitalismus, von einem Green New Deal, der den Wahlerfolg der Grünen begründet, erweitert die Linkspartei um eine soziale Komponente. Die grüne Schimäre vom Ökokapitalismus, die der Öffentlichkeit ermöglicht, an dem Kapitalismus trotz fortgeschrittener Klimakrise festzuhalten, wird um den sozialdemokratischen Unsinn der „Klimagerechtigkeit“ ergänzt. Die Kosten der scheiternden kapitalistischen Klimapolitik sollen gerecht verteilt werden. Diese Sozialkampagne soll auch dafür sorgen, dass die Skandale der letzten Jahre – von Wagenknecht, über Porsche-Klaus, bis zu sexuellen Übergriffen – vergessen werden und die Partei bei den nächsten Wahlen über der Fünf-Prozent-Hürde bleibt. Deswegen fokussieren sich die sozialpolitischen Attacken der Linken nicht auf Scholz oder die SPD, sondern auf die FDP, die die Linkspartei beerben will.

Es war die SPD als die Partei des „kleinen Mannes“, die mit der Agenda 2010 und Hartz IV das größte Entrechtungsprogramm Lohnabhängiger in der Geschichte der BRD durchsetzte, und es waren die „pazifistischen“ Grünen, die den völkerrechtswidrigen Angriffskrieg gegen Jugoslawien führten. Es ist oftmals die Aufgabe „linker“ Parteien im Spätkapitalismus, reaktionäre Politik zu implementieren. Durch ihre enge Verflechtung mit betroffenen Schichten, Bewegungen oder Organisationen sind sie in besonderem Maße in der Lage, oppositionelles Potenzial einzuhegen. Voraussetzung hierfür ist, dass radikale Kritik innerhalb der eigenen Reihen marginalisiert wird. Lautstark wird Umverteilung verlangt und zum „Klassenkampf“ aufgerufen.

Hinter diesem Geschrei verstummt der Einwand, dass sich die Krise nur durch die Überwindung des Kapitalismus bewältigen ließe. Diejenigen Kräfte, die den aktuellen Krisenschub als ein Karriereticket für Rot-Rot-Grün betrachten, müssen das „Krisengerede“ marginalisieren, weil es – im Gegensatz zur Verteilungsdebatte – mit dem Politbetrieb, in dem man was werden will, nicht kompatibel ist. Die Konzentration auf die irrelevant gewordene „Interessenpolitik“ lenkt ab vom selbstzerstörerischen Fetischismus des Kapitals in all seinen Aggregatszuständen.

Diese Ignoranz großer Teile der Linken gegenüber den Ursachen und Abläufen der aktuellen Krise ist verantwortlich für ein immer deutlicher sich abzeichnendes innerlinkes Konkurrenzverhältnis. An der Klimakrise etwa, die im „heißen Herbst“ kaum eine Rolle spielen soll, muss eine Bewegung, die sich auf die Identifikation von Klasseninteressen beschränkt, scheitern. Diese Krise wird nur verständlich, wenn man die destruktive Eigendynamik des Kapitals und die Ohnmacht der kapitalistischen Funktionseliten mit einkalkuliert. Durchaus problematische klimabewegte Gruppen wie „Die letzte Generation“ werden von reaktionären Linken aufgrund ihrer Straßenblockaden kritisiert, weil sie Lohnabhängige von Arbeit abhielten und damit den Verwertungsprozess des Kapitals unterbrachen. Es sind oft genau diese Linken, die nichts dabei finden, wenn wie am 05. September in Leipzig Linkspartei und Nazis in Sachen sozialpolitischer Demagogie in Konkurrenz treten.

Diese innerlinke Konkurrenz, bei der das Klasseninteresse der Lohnabhängigen in offenkundigem Widerspruch zum Klimaschutz steht, erwächst nicht nur aus dem opportunistischem Kalkül der national-sozialen und gewerkschaftsnahen Strömungen der Linkspartei, sondern auch aus einer allgemeinen Regression und der reaktionären Sehnsucht nach der guten alten Zeit, in der die Bolschewiki-Parolen noch Gültigkeit besaßen. Man demonstriert für „Heizung, Brot und Frieden“ und fühlt sich dabei wie ein Nachwuchs-Lenin, ist aber tatsächlich nur Wasserträger des Opportunismus der Linkspartei. Rockin‘ like it’s 1917! Das ist allerdings nur möglich, wenn man die Systemkrise zu Klassenkampf und sozialer Frage umgedichtet hat. Ignoranz und ideologische Verblendung sind die Voraussetzung für die einzige innerlinke Bewegung, die ein wirkliches Interesse an der Marginalisierung von Krisentheorie hat: für die opportunistische Linke.

Von den Mahnwachen für den Frieden des Jahres 2014, über die jahrelangen Werbekampagnen Wagenknechts für AfD und Neue Rechte, bis zu den Querdenker-Protesten während der Pandemie: In der Linken bildete sich in den letzten Jahren eine große Querfrontszene aus, die auch bei den anstehenden Sozialprotesten kaum Berührungsängste zur Rechten haben dürfte. Wie weit die Offenheit nach rechts mittlerweile gediehen ist, wurde gerade bei den Paralleldemos in Leipzig offensichtlich, wo Zeitungsverteiler der „jungen Welt“ ganz selbstverständlich in der Nazi-Kundgebung ihre Waren an den deutschen Mann brachten und Mitglieder der Querfronttruppe „Freie Linke“ gut sichtbar an der Kundgebung der brav sozialdemokratischen Linkspartei teilnehmen konnten. Die Querfrontpartei Die Basis war bei Linkspartei-Protesten vor der Grünen-Zentrale ebenfalls dabei. Die Auseinandersetzungen um die Mobilisierung zu der „Montagsdemo“, die auf Initiative eines wagenknechtnahen Bundestagsabgeordneten der Linkspartei erfolgte, wie auch die Ausladung Wagenknechts als Rednerin (sie wurde von Nazis in Sprechchören während der Kundgebung herbeigesehnt), legen die Vermutung nahe, dass ein rechtsoffener Opportunismus, der selbst an den krisenbedingt aufkommenden Präfaschismus anzuknüpfen sucht, derzeit in der Linkspartei (noch) nicht mehrheitsfähig ist.

Dass der thüringische Ministerpräsident Bodo Ramelow den Auftritt Sarah Wagenknechts in Leipzig verhindert haben soll, gäbe Anlass zur Hoffnung, hätte Ramelow nicht 2020 ganz bewusst einen AfD-Politiker zum Landtagsvizepräsidenten wählte, um der AfD die „parlamentarische Teilhabe“ zu ermöglichen. Letztendlich handelt es sich bei all diesem um parteiinterne Reibereien zwischen jenen, die auf Rot-Rot-Grün setzen, und jenen, bei denen das verkürzte Klassenkampfdenken zum rechtsoffenen Populismus degeneriert ist.

Es bleibt aber ein wichtiger, keinesfalls banaler Unterschied zwischen der sozialen Demagogie der Linkspartei und der der Neuen Rechten, die in Leipzig am 05. September erstmals in Konkurrenz traten: Die Feindbilder, die von der Linken bemüht werden, sind die mächtigen Konzerne und Funktionseliten, die der Rechten die machtlosen Opfer der Krise. Abgesehen davon eint beide die Krisenblindheit sowie die Tendenz, die Systemkrise durch Personifizierungen und Sündenböcke zu verdrängen. Es ist wahrscheinlich, dass im weiteren Krisenverlauf rechte und linke Krisenideologie eine Verbindung eingehen, deren verkürzte, auf „Interessen“ und die Finanzsphäre verengte Kapitalismuskritik vor allem einen Schuldigen kennt: den Juden

Es existiert ein eindeutiger Indikator, mit dessen Hilfe sich im kommenden Krisenchaos der bis zur Neuen Rechten reichende Opportunismus der Linkspartei von klarer, radikaler Opposition unterscheiden lässt. Eine emanzipatorische Überwindung des Kapitals ist nur bei Ausbildung eines radikalen, kritischen Krisenbewusstseins innerhalb der Bevölkerung möglich, was derzeit vor allem durch die soziale Demagogie der Linkspartei sabotiert wird: Es ist die Thematisierung der Tatsache, dass der Kapitalismus am Ende ist, dass eine Systemtransformation unausweichlich ist und es eine Frage des kollektiven Überlebens ist, den Transformationsprozess in eine fortschrittliche Richtung zu lenken. Daran und an dem anstehenden Kampf um die Systemtransformation hätte sich auch alle konkrete linke Politik zu orientieren, anstatt krampfhaft an den gerade in Auflösung befindlichen Kategorien festzuhalten, um noch ein Plätzchen im Regierungsbunker bei der drohenden Krisenverwaltung zu ergattern.

Erstveröffentlich in Konkret, 10/2022

https://www.konicz.info/2022/11/07/rockin-like-its-1917/

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Oben      —       Plenartagung des EP – Umsetzung und Überwachung der Bestimmungen über die Bürgerrechte im Austrittsabkommen

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Poetical – Correctness

Erstellt von Redaktion am 9. November 2022

Wie man in einem zivilisierten Land zu protestieren hat

Kolumne von Lin Hierse

Wir sind ein zivilisiertes Land, drum wird zivilisiert demonstriert! Bitte dankbar bleiben, gemäßigt – und niemanden während der Arbeitszeit stören!

Es gibt Regeln, und das geht jetzt wirklich zu weit. Protestieren, okay, Kritik äußern, ja, aber bitte höflich und respektvoll. Nicht zu laut werden hier, und was soll denn das mit dem Sekundenkleber? Und die Tomatensuppe! Der Kartoffelbrei! Die Erbsen! Das ist Lebensmittelverschwendung. Das ist Terror. Das trifft die Falschen. Das gehört sich einfach nicht. Und vor allem, und das ist das Allerschlimmste: Überzeugen wirst du damit niemanden.

Selbst Schuld also. Wenn die Polkappen schmelzen und der Meeresspiegel steigt, Städte überflutet werden und Wälder abbrennen, Bienen sterben und Vögel tot vom heißen Himmel fallen, Menschen verhungern und das Trinkwasser versiegt, wenn Politiker und Journalisten dich für den Tod einer Radfahrerin verantwortlich machen, noch bevor der Fall untersucht wurde, und wenn du sicherheitshalber als verdächtige Chaosaggroaktivistin 30 Tage ohne Prozess im Gefängnis landen kannst – selbst schuld, dass da niemand was tun will!

Der Ton macht nämlich die Musik. Lächel doch mal, zeig ein Mindestmaß an Respekt. Gegenüber dem Staat und seinen Regeln, auch wenn der Staat nicht immer respektvoll ist und die Regeln nicht immer sinnvoll. Gegenüber dem toten Maler, dessen Werk ich ehrlich gesagt kaum kenne, aber der zweifellos etwas geschaffen hat, das ich stärker beschützen will als unseren Lebensraum.

Zu Kaisers- oder Königs- Zeiten wurden Söldner der Staaten auch als Raubritter bekannt. Was die Demokratie so alles übernommen hat?

Gegenüber den einfachen Leuten, die zur Arbeit müssen oder in den Flieger. Und vor allem gegenüber der Art und Weise, wie wir die Dinge eben zu tun pflegen in diesem zivilisierten Land. Wir sind schließlich keine Tiere. Meistens. Wären wir Tiere, dann fräßen wir uns gegenseitig auf. Dann spürten wir das Ende längst kommen. Aber wir spüren zum Glück nichts mehr. Das macht uns menschlich.

Wir bleiben unantastbar

Wir können doch über alles reden. Du sollst dich doch engagieren für diese Gesellschaft, wir müssen ja der Spaltung entgegenwirken, einander die Hände reichen, damit eine die andere waschen kann. Du kannst etwas beitragen, aber lass die alten Meister da raus. Bitte, bitte nicht berühren. Weder van Gogh noch mich. Mein Leben und ich, wir bleiben unantastbar. Du sollst nicht an dieser Welt rütteln oder dich an ihr festkleben, stör mich nicht, jedenfalls nicht während meiner Arbeits- oder Freizeit oder zu anderen ungünstigen Momenten.

Quelle       :      TAZ-online        >>>>>          weiterlesen

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Oben       —         Binnen-i-radfahrerinnen   Straßenschild „Ende der Bus- und Fahrradstrecke“ Schlagworte: Politische Korrektheit, Binnen-I Ort: Linz, Österreich Datum: 2005-01-15

Unten       —    Polizistin räumt nach Aktion der Letzten Generation vor dem Verkehrsministerium Tempo-100-Schilder auf. Invalidenstraße, Berlin, 22.10.22

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UN-Konferenz in Ägypten

Erstellt von Redaktion am 7. November 2022

Kein Klimaschutz ohne politische Freiheit

Wann  klebt sich einer  an die ihre Aufgaben ignorierenden  Politiker-innen fest ?

Alaas Familie und seine Freunde leben Woche für Woche auf diese Briefe hin, erst recht seit er am 2. April in den Hungerstreik trat und anfangs nur Wasser und Salz zu sich nahm, später dann bloße 100 Kalorien täglich (während der Körper um die 2000 Kalorien braucht). Mit seinem Streik protestiert Alaa gegen den Skandal, dass man ihn wegen des Verbrechens, „Falschinformationen verbreitet“ zu haben, gefangen hält – vorgeblich deshalb, weil er einen Facebook-Post über die Folterung eines anderen Gefangenen geteilt hatte. Tatsächlich jedoch steht außer Zweifel, dass seine Inhaftierung potenzielle Revolutionäre dazu bringen soll, sich etwaige demokratische Träume gefälligst aus dem Kopf zu schlagen. Mit seinem Hungerstreik versucht Alaa, wichtige Zugeständnisse der Gefängnisverwaltung zu erzwingen, etwa Kontakt zum britischen Konsulat. Weil Alaas Mutter aus England stammt, konnte er Ende 2021 die britische Staatsbürgerschaft erlangen. Doch bislang verweigert man ihm die Kontaktaufnahme, sodass Alaa immer noch von Tag zu Tag körperlich dahinschwindet. „Er ist zu einem Gerippe mit klarem Kopf geworden“, sagte seine Schwester Mona Seif kürzlich.

Je länger der Hungerstreik sich hinzieht, desto kostbarer werden diese Briefe. Für seine Familie bedeuten sie nicht weniger als den Beweis, dass Alaa lebt. Aber der, in dem er über die Klimakatastrophe schrieb, kam nie bei seiner Mutter Laila Soueif an, die ihrerseits eine gestandene Menschenrechtsverfechterin und Intellektuelle ist. Vielleicht hatte sein Wärter, wie Alaa in einem Folgebrief spekulierte, „seinen Kaffee über dem Brief vergossen“. Wahrscheinlicher aber ist, man unterstellte ihm, dass er das verbotene Gebiet der „großen Politik“ gestreift habe – obwohl Alaa seinerseits sagt, er habe sich gehütet, die ägyptische Regierung auch nur zu erwähnen, und selbst über „die bevorstehende Konferenz“ kein Wort verloren.

Der letzte Punkt ist wichtig. Am 6. November wird der diesjährige Klimagipfel der Vereinten Nationen, kurz COP 27 genannt, beginnen und das ägyptische Scharm El-Scheich als Gastgeber fungieren, ganz wie es zuvor Städte wie Glasgow, Paris oder Durban taten. Zehntausende Delegierte aus aller Welt werden in dem Seebad absteigen – Staatschefs, Minister, Gesandte und Bürokraten ebenso wie Klimaaktivisten, NGO-Beobachter und Journalisten – alle mit farblich kodierten Akkreditierungsbändern und Plaketten auf der Brust. Und deshalb ist der verschwundene Brief so bedeutsam. Die Vorstellung, wie Alaa – trotz all der Kränkungen, die er und seine Familie in den letzten zehn Jahren erlitten haben –, in seiner Zelle sitzt und über unser aller Erde nachdenkt, hat etwas fast unerträglich Anrührendes: Da sitzt er, langsam verhungernd, und macht sich doch immer noch Sorgen über die Erderwärmung, über pakistanische Flutkatastrophen, aber auch über Extremismus in Indien und den Absturz der britischen Währung. Von alledem nämlich ist in seinen jüngsten Briefen, an denen seine Familie mich teilhaben ließ, die Rede.

Aber die Vorstellung hat auch etwas Beschämendes – etwas, das jedem, der nach Scharm El-Scheich unterwegs ist, zu denken geben sollte. Denn während Alaa über den Zustand unserer Welt grübelt, ist es alles andere als klar, dass diejenigen, die aus aller Welt demnächst in Ägypten zum Klimagipfel zusammenkommen, sich Gedanken über Alaa machen. Oder über die schätzungsweise 60 000 anderen politischen Gefangenen, die in Ägypten hinter Gittern sitzen, wo man Berichten zufolge barbarische Foltermethoden quasi am Fließband praktiziert. Oder über die ägyptischen Menschenrechts- und Klimaaktivisten, kritischen Journalisten und Wissenschaftler, die verfolgt, bespitzelt und mit Reiseverboten belegt werden – über das, was Human Rights Watch als Ägyptens „allgemeine Atmosphäre der Angst“ und als „gnadenlose Unterdrückung der Zivilgesellschaft“ bezeichnet.

Das ägyptische Regime gefällt sich darin, junge Menschen als offizielle Klimabotschafter – „youth leaders“ – vorzuführen, als Hoffnungsträger im Kampf gegen die Erderwärmung. (Viele Regierungen verfahren so schamlos doppelzüngig, um sich in Sachen Klima eine Art Feigenblatt zu verschaffen.) Es fällt allerdings schwer, dabei nicht an die mutigen „youth leaders“ des Arabischen Frühlings zu denken, von denen viele nach einem Jahrzehnt staatlicher Gewalt und Verfolgung vorzeitig gealtert sind; oder über das Ausmaß hinwegzusehen, in dem solche Systeme von der üppigen Militärhilfe westlicher Mächte, insbesondere der Vereinigten Staaten, profitieren. Es scheint fast, als wären jene Aktivisten einfach durch neuere, weniger lästige Modelle ersetzt worden. „Ich bin das Gespenst eines vergangenen Frühlings“, schrieb Alaa 2019 über sich selbst.

Dieses Gespenst wird den bevorstehenden Gipfel heimsuchen, als eisiger Schauer, der in jedem seiner hochtönenden Worte mitschwingt. Die unausgesprochene Frage dabei hat es in sich: Wenn die internationale Solidarität zu schwach ist, Alaa zu retten – die Ikone der Befreiungsträume einer ganzen Generation –, wie können wir da hoffen, die Erde bewohnbar zu halten?

Al-Sisis Ägypten: Eines der brutalsten und repressivsten Regime weltweit

Mohammed Rafi Arefin, der an der University of British Columbia Geografie lehrt und über urbane Umweltpolitik in Ägypten geforscht hat, sieht es so: „Jeder Klimagipfel der Vereinten Nationen beinhaltet ein komplexes Kosten-Nutzen-Kalkül.“ Zu den Schattenseiten gehören der Kohlendioxidausstoß in die Atmosphäre, den die Anreise der Delegierten verursacht; die für Graswurzel-Organisationen kaum erschwinglichen Kosten für zwei Wochen Hotelaufenthalt; aber auch die PR-Bonanza, derer sich der gastgebende Staat erfreuen kann, der sich jedes Mal als Öko-Champion präsentiert, egal wie stark die Gegenbeweise sind. Das zeigte sich, als das kohlesüchtige Polen 2018 die Gastgeberrolle spielte, und auch schon 2015, als Frankreich sich ähnlich umweltbewusst inszenierte, ungeachtet der rund um den Globus aktiven Ölbohrinseln des französischen Energiegiganten TotalEnergies.

Soweit die Schattenseiten der Tradition alljährlicher Klimagipfel. Positiv schlägt dagegen zu Buche, dass seither in jedem November die Klimakrise zwei Wochen lang weltweit für Schlagzeilen sorgt, wodurch Stimmen von den Frontlinien der Klimakatastrophe – vom brasilianischen Amazonas bis nach Tuvalu – medial nachdrücklich zu Wort kommen. Ein weiterer Pluspunkt ist die internationale Solidarität und Vernetzung, die entsteht, wenn örtliche Organizer im Gastgeberland Gegengipfel und „Toxic Tours“ veranstalten, um die Realität hinter der grünen Fassade ihrer Regierung zu enthüllen. Und natürlich gibt es die Deals, die da ausgehandelt werden, und die Finanzmittel, die man den Ärmsten und am schwersten Betroffenen verspricht. Aber diese Zusagen sind nicht bindend, und viel von dem, was da versprochen und angekündigt wird, lief und läuft – wie Greta Thunberg so treffend formulierte – auf kaum mehr hinaus als „Bla, bla, bla“.

Mit dem bevorstehenden Klimagipfel in Ägypten hat sich allerdings, wie Arefin schreibt, „das übliche Kalkül verändert. Es ist aus dem Gleichgewicht geraten.“ Es gibt die immergleichen Schattenseiten (den CO2-Ausstoß, die Kosten), doch diesmal kommt hinzu, dass der Gastgeberstaat – der die Chance erhält, sich vor aller Welt ganz in Grün zu präsentieren –, nicht die übliche, gewohnt doppelzüngige liberale Demokratie ist. Es ist vielmehr, so Arefin, „das repressivste Regime in der Geschichte des modernen ägyptischen Staates“. Unter der Führung von General Abdel Fattah al-Sisi, der 2013 durch einen Militärputsch an die Macht kam und sich seither mittels Scheinwahlen behauptet, erweist sich das Regime, Menschenrechtsorganisationen zufolge, als eines der weltweit brutalsten und repressivsten. Natürlich erfährt man nichts davon, wenn man sich an die Selbstvermarktung Ägyptens im Vorfeld des Gipfels hält. Ein Reklamevideo auf der offiziellen COP27-Website heißt die Delegierten in der „grünen Stadt“ Scharm el-Scheich willkommen und zeigt junge Schauspieler – darunter Männer mit struppigen Bärten und Halsschmuck, die offenkundig wie Umweltaktivisten aussehen sollen –, ausgerüstet mit „Nonplastic“-Strohhalmen und biologisch abbaubaren Einwegbehältern fürs Essen, wie sie am Strand unter der Dusche stehen, Selfies aufnehmen, Tauchkurse absolvieren und Scuba-Diving erlernen, oder sich mit einem Elektrogefährt in die Wüste aufmachen, um dort Kamele zu reiten.

Als ich dieses Video anschaute, ging mir schlagartig auf, dass Sisi bei diesem Gipfel eine neuartige Realityshow inszenieren will. In ihr mimen Schauspieler Aktivisten, die äußerlich den wirklichen Aktivisten bemerkenswert ähneln. Derweil sind Letztere den Torturen seines rapide anwachsenden Kerker-Archipels ausgesetzt. Auch das gehört also auf die Negativliste: Dieser Gipfel geht weit über das „Greenwashing“ eines umweltverschmutzenden Staates hinaus. Da wird ein Polizeistaat grün eingefärbt. In Zeiten, in denen von Italien bis Brasilien der Faschismus marschiert, ist das keine Petitesse. Und noch ein weiterer Faktor ist fester Bestandteil dieser schwarzen Bilanz: Anders als auf früheren Klimagipfeln – etwa in Südafrika oder Schottland, Dänemark oder Japan – werden die von Umweltverschmutzung und Temperaturanstieg am stärksten betroffenen ägyptischen Communities und Organisationen in Scharm el-Scheich nirgendwo auffindbar sein. „Toxic Tours“ wird es dort ebenso wenig geben wie stürmische Gegengipfel, auf denen Einheimische die Delegierten aus aller Welt über die Realität hinter der PR-Fassade ihrer Regierung aufklären. Ägypter, die dergleichen organisieren, würden nämlich wegen „Verbreitung von Falschinformationen“ oder Verstoßes gegen das Demonstrationsverbot alsbald im Gefängnis landen – sofern sie nicht schon darin sitzen.

Ausländische Delegierte können sich nicht einmal durch das Studium wissenschaftlicher Untersuchungen oder von NGO-Berichten einheimischer Autoren über den aktuellen Stand der Umweltverschmutzung und -ausplünderung in Ägypten gründlicher auf den Gipfel vorbereiten. Denn ein drakonisches Gesetz verpflichtet ägyptische Wissenschaftler seit 2016, die Erlaubnis der Obrigkeit einzuholen, bevor sie Informationen veröffentlichen, die als „politisch“ gelten. Es werden eben nicht „nur“ die Häftlinge mundtot gemacht: Das ganze Land ist geknebelt und hunderte Websites sind gesperrt, darunter die unentbehrliche, aber fortwährend schikanierte Online-Zeitung „Mada Masr“. Human Rights Watch berichtet, dass diese neuen Repressalien zivilgesellschaftliche Gruppen zwingen, ihre Recherchen einzuschränken, und dass „eine prominente ägyptische Umweltgruppe sogar ihre Rechercheabteilung aufgelöst hat, weil Forschungsarbeit vor Ort nicht mehr möglich war“. Es spricht für sich, dass keiner der Umweltschützer, die mit Human Rights Watch über Zensur und Repression sprachen, der drohenden Repressalien wegen bereit war, seinen wirklichen Namen zu nennen.

»Diejenigen, die sich wirklich ums Klima sorgen, schmachten im Gefängnis«

Der bereits erwähnte Arefin, der vor dieser letzten Zensurgesetzrunde ausgiebige Forschungen über Müll- und Überflutungsprobleme in ägyptischen Städten unternommen hatte, sagte mir, dass er wie andere kritische Wissenschaftler und Journalisten auch „diese Arbeit nicht länger leisten kann. Es gibt eine Blockade, die grundlegende kritische Wissensproduktion verhindert. Ägyptens Umweltsünden bleiben nun im Dunkeln.“ Und wer die Regeln bricht und versucht, das Licht einzuschalten, endet in finsteren Zellen – oder noch Schlimmerem. Alaas Schwester Mona, die seit Jahren um die Freilassung ihres Bruders und anderer politischer Gefangener kämpft, schrieb kürzlich auf Twitter: „Die Realität, die die meisten Teilnehmer des #Cop27 nicht sehen wollen, ist, [dass] in Ländern wie #Ägypten ihre echten Partner – diejenigen, die sich wirklich um die Zukunft des Planeten sorgen – im Gefängnis schmachten.“

Die letzten Helden-innen dieser Tage ?

Auch dies gehört also auf die Negativliste: Dieser Gipfel wird, anders als jeder vorangegangene, keine authentischen Partner vor Ort haben. Es wird in Scharm el-Scheich ein paar Ägypter geben, die sich als Vertreter der Zivilgesellschaft ausgeben, manche von ihnen sogar mit Recht. Das Problem ist nur, dass auch sie, so gut sie es meinen mögen, ein Stück weit zu den Darstellern in Sisis grüner Realityshow am Seebadstrand zählen. Abweichend von den üblichen UN-Verfahrensregeln wurden sie fast alle staatlicherseits durchleuchtet und als akzeptabel eingestuft. Der bereits erwähnte, im September veröffentlichte Report von Human Rights Watch weist darauf hin, dass den betreffenden Gruppen nahegelegt wurde, sich nur zu „erwünschten“ Themen zu äußern. Was aber hält das Regime für „erwünscht“? Nun, „Müllabfuhr, Recycling, erneuerbare Energien, Ernährungssicherung und Klimafinanzierung“ – besonders, wenn diese Finanzierung dem Sisi-Regime die Taschen füllt und vielleicht ermöglicht, ein paar Solarmodule auf die Dächer der 27 neuen Gefängnisse zu setzen, die seit Sisis Machtergreifung errichtet wurden.

Und welche Themen sind unerwünscht? Dem Bericht zufolge sind die „kritischsten Umweltfragen solche, die darauf hinweisen, dass die Regierung dabei versagt hat, die Menschen vor durch Unternehmensinteressen bewirkten Schäden zu schützen. Dazu zählen Probleme der Wasserversorgung, der industriellen Umweltverschmutzung und Umweltschäden, die mit Bodenspekulation, Tourismusförderung und Agrobusiness zusammenhängen.“ Ebenfalls unerwünscht sind Hinweise auf „die Umweltfolgen der ausgedehnten und undurchsichtigen Wirtschaftsaktivitäten des ägyptischen Militärs. So sind destruktive Praktiken beim Rohstoffabbau, in Wasserabfüllbetrieben und einigen Zementfabriken besonders kritische Themen, desgleichen ‚nationale‘ Infrastrukturprojekte wie die Errichtung einer neuen Verwaltungshauptstadt, von denen viele mit dem Amt des Präsidenten oder dem Militär verbunden sind.“ Und keinesfalls sollten Coca Colas Plastikmüll und der exzessive Wasserverbrauch dieser Firma thematisiert werden – Coke rühmt sich nämlich, einer der offiziellen Sponsoren des Gipfels zu sein.

Und das alles heißt? Wer Müll sammeln, alte Coke-Flaschen recyceln oder für „grünen Wasserstoff“ werben möchte, kann wahrscheinlich eine Teilnehmerplakette erlangen und nach Scharm el Scheich kommen, als ein Repräsentant der allerzivilsten Form von „Zivilgesellschaft“. Wer jedoch darüber sprechen möchte, wie sich Ägyptens kohlebetriebene Zementfabriken oder die Zupflasterung einiger der letzten Grünflächen in Kairo auf Gesundheit und Klima auswirken, hat wahrscheinlich eher mit einem Besuch der Geheimpolizei – oder aus dem dystopischen Ministerium für soziale Solidarität – zu rechnen. Sollten Sie allerdings Ägypter sein und sich abfällig über die COP27 als solche äußern oder Sisis Glaubwürdigkeit anzweifeln, wenn dieser sich als Sprecher der armen und klimavulnerablen Bevölkerungen Afrikas aufspielt – obwohl doch sein eigenes Volk trotz all der Hilfsgelder aus Nordamerika und Europa zunehmend unter Hunger und wachsender Verzweiflung leidet – oh je, dann befinden Sie sich hoffentlich schon außer Landes!

Quelle        :          Blätter-online         >>>>>         weiterlesen

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Grafikquellen     :

Oben       —     Fotoaktion des Aufstands der Letzten Generation vor dem Reichstag, Berlin, 02.07.2022

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Unten        —           Sonja Manderbach, Henning Jeschke und Carla Hinrichs (vlnr) vom Aufstand der Letzten Generation nach der Verurteilung von Henning Jeschke wegen versuchter Nötigung mittels Straßenblockade. Carla Hinrichs und Sonja Manderbach wurden als Verteidigerinnen nicht zugelassen. Im Hintergrund Unterstützer. Eine mit einem Beutel mit der Aufschrift „Froh, dabei zu sein“, Amtsgericht Tiergarten, Berlin, 28.09.22

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Öffentliches Geld + Gut ?

Erstellt von Redaktion am 6. November 2022

Es wird Zeit für freie Lizenzen bei Öffentlich-Rechtlichen

Quelle          :        Netzpolitik ORG.

Eine Kolumne von 

Alle sollten Wissensinhalte des öffentlich-rechtlichen Rundfunks frei nutzen dürfen. Dies würde dem Bildungsauftrag der Anstalten gerecht werden, Lehrkräften helfen und auch freien Wissensprojekten wie der Wikipedia nutzen, sagt unser Kolumnist Jan-David Franke.

Vor kurzem feierte die Sendung Terra X ihren 40. Geburtstag. Nicht nur wegen dieser beachtlichen Laufzeit ist das ZDF-Dokuformat eines der Aushängeschilder des öffentlich-rechtlichen Fernsehens in Deutschland. Von ersten CGI-Gehversuchen in den späten 80er-Jahren hin zu der Entwicklung einer starken Online-Präsenz in den letzten zehn Jahren: Terra X ging oft mit großem (technischen) Innovationsgeist voran und modernisierte so das deutsche Wissensfernsehen ein ums andere Mal.

Pionierstatus besitzt Terra X auch durch seine offene Distributionsstrategie. So werden jede Woche neue Terra-X-Ausschnitte unter Creative-Commons-Lizenzen (CC BY bzw. CC BY-SA) veröffentlicht. Dadurch können diese Inhalte rechtssicher von Lehrkräften im Unterricht verwendet und auch in freie Wissensprojekte wie die Wikipedia eingebaut werden.

Letzteres geschieht seit über drei Jahren mit sehr großem Erfolg, wie ZDF-Programmdirektorin Nadine Bilke auf der diesjährigen re:publica unterstrich: Mehr als 2,6 Millionen Aufrufe monatlich allein in der Wikipedia, Tendenz steigend, und insgesamt über 50 Millionen Aufrufe. Sie sprechen für den großen Bedarf, den es für diese Art von frei lizenziertem Videomaterial gibt.

Zwar öffnet sich auch die ARD allmählich für Creative-Commons-Lizenzen. So hat der Bayerische Rundfunk angekündigt, sein Lehr- und Lernformat Telekolleg als kolleg24 multimedial umzubauen und ab 2023 weitestgehend unter der Lizenz CC BY-SA zur Verfügung zu stellen. Aber frei verfügbare öffentlich-rechtliche Inhalte sind immer noch die Ausnahme und nicht die Regel.

Dabei ermöglichen wir alle mit unserem Rundfunkbeitrag gut recherchierte und aufwändig produzierte Wissens- und Bildungssendungen. Dementsprechend müssen diese gemäß dem Bildungsauftrag der Öffentlich-Rechtlichen auch der breiten Gesellschaft frei zur Verfügung stehen. Dass dies nicht der Fall ist, sorgt vor allem im Klassenzimmer für einige rechtliche Unsicherheit.

Was ist im Unterricht erlaubt?

Lehrkräfte wissen oft nicht, wie und ob sie urheberrechtlich geschützte Medien wie beispielsweise Wissensclips der Öffentlich-Rechtlichen im Unterricht oder in Uni-Seminaren nutzen dürfen. Um hier mehr Klarheit zu schaffen, hat Wikimedia Deutschland ein Rechtsgutachten bei Prof. Dr. Gerald Spindler, Professor am Institut für Wirtschafts- und Medienrecht in Göttingen, in Auftrag gegeben.

Der renommierte Jurist geht darin der Frage nach, ob die Wiedergabe solcher Medien im Unterricht eine öffentliche Wiedergabe darstellt. Denn nur dann wird das Urheberrecht überhaupt relevant, genauer gesagt greifen nur dann die Bildungs-Sonderregeln des Urheberrechtsgesetzes.

In seinem Gutachten kommt Professor Spindler zu dem Schluss, dass Unterricht im stabilen Klassen- oder Kursverband, Seminare an der Universität und digitale Lehrformate mit Zugangsbeschränkung nicht öffentlich sind. Also dürfen Lehrkräfte oder Dozierende in diesen Fällen öffentlich-rechtliche Wissenssendungen und auch andere urheberrechtlich geschützte Inhalte bedenkenlos wiedergeben, etwa direkt aus der Mediathek.

Doch bei der reinen Wiedergabe endet die Bedenkenlosigkeit. Alles, was darüber hinausgeht, ist und bleibt als urheberrechtliche Nutzungshandlung klärungs- beziehungsweise erlaubnisbedürftig.

Wollen Lehrkräfte beispielsweise eine Videodatei herunterladen, weil das WLAN im Klassenzimmer zu langsam für das Abspielen aus der Mediathek ist, gilt dies als Vervielfältigung. Dafür brauchen Lehrkräfte die Erlaubnis der jeweiligen Urheber*innen ‒ beziehungsweise greifen hier die Quotenregelungen im Urheberrechtsgesetz. Die besagen, dass etwa zur Veranschaulichung des Unterrichts bis zu 15 Prozent eines Werks vervielfältigt, verbreitet oder öffentlich wiedergegeben werden dürfen. Bei einer anderthalbstündigen Dokumentation wäre das ein Ausschnitt von nicht einmal 15 Minuten.

Die Verwendung von Werken in Arbeitsmaterialien stellt zudem nicht nur eine Vervielfältigung, sondern auch noch eine Bearbeitung dar und betrifft somit gleich zwei Urheberrechte. Dabei könnte gerade die Möglichkeit, Inhalte zu verändern, sie an die Bedürfnisse der Schüler*innen anzupassen und sie in Arbeitsmaterialien einzuarbeiten, den Schulunterricht weitaus mehr bereichern als ihre bloße Wiedergabe.

Die Lösung liegt auf der Hand

Freie Lizenzen ermöglichen es allen Nutzer*innen, die so gekennzeichneten Inhalte zu speichern, zu teilen und zu bearbeiten. Hier sind jetzt die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten in der Pflicht. Sie müssen endlich dem Beispiel von Terra X folgen und, wo immer möglich, Bildungs- und Wissensinhalte unter eine freie Creative-Commons-Lizenz stellen – also CC BY-SA oder freier.

So können Lehrkräfte und Bildungsakteure qualitativ hochwertige Inhalte ohne Einschränkungen im Unterricht nutzen. Und so können diese Inhalte in gemeinwohlorientierte Wissensprojekte wie die Wikipedia eingebunden werden. Dort erlangen sie, ganz im Sinne der Sender und der Produzent*innen, nicht nur eine größere Reichweite, sondern fungieren auch als Bollwerk gegen Fake News und Desinformation.

An der Quelle sitzen Knaben, um sich an den Pfründen zu laben

Was hält die Rundfunkanstalten also davon ab, ihre Produktionen unter freie Lizenz zu stellen? Immer wieder begegnet uns bei Wikimedia Deutschland in Gesprächen das Argument, die nachträgliche Rechteklärung sei zu komplex. Gerade, wenn Sendungen neben selbst produziertem auch eingekauftes Material enthalten – was die Regel ist. Das ist aber längst kein Grund, ganz auf freie Lizenzen zu verzichten. Denn Lehrkräfte ebenso wie die Wikipedia-Community benötigen oft gar nicht ganze Produktionen, sondern einzelne, thematisch fokussierte Erklärstücke.

Das Creative-Commons-Projekt von Terra X zeigt: Wenn die öffentlich-rechtlichen Redaktionen einzelne Videopassagen in Eigenproduktion und ohne zugekauftes Material erstellen, lassen sich diese meistens problemlos aus Dokumentationen herauslösen und unter freier Lizenz veröffentlichen.

Doch es muss sich auch etwas daran ändern, dass Rechte immer nachträglich geklärt werden müssen, um freie Lizenzen zu ermöglichen. Aus Sicht von Wikimedia Deutschland ist es höchste Zeit, einen Standard für künftige Produktionen mit möglichen Freigaben für Lehrkräfte und freie Wissensprojekte zu schaffen, so wie der Bayerische Rundfunk es bei kolleg24 getan hat. Bei wissensrelevanten Formaten müssen passende Vorgaben bereits im Zuge der Produktion, beziehungsweise der Auftragsvergabe bedacht werden. Dass dies nicht zulasten einer angemessenen Vergütung von Filmschaffenden gehen darf, versteht sich von selbst.

Die Entscheider*innen in den Anstalten sollten freie Lizenzen endlich nicht länger als Wagnis, sondern als Chance begreifen. Gerade in Zeiten, in denen der öffentlich-rechtliche Rundfunk immer stärker unter Druck gerät, kann ein klares Bekenntnis zu einer grundlegenden Freigabepraxis für Wissens- und Bildungsinhalte auch ein Befreiungsschlag sein. Und ein Zeichen dafür, dass ARD, ZDF und Co. nichts von ihrer demokratischen Legitimation eingebüßt haben.

Lizenz: Die von uns verfassten Inhalte stehen, soweit nicht anders vermerkt, unter der Lizenz Creative Commons BY-NC-SA 4.0.

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Die These – Korruption ?

Erstellt von Redaktion am 5. November 2022

Machttrunkene Hybris hat Österreich verdorben

VON RALF LEONHARD

Thomas Schmid ist so etwas wie die Black Box der türkisen ÖVP von Sebastian Kurz. Wenn man sie knackt, findet man jedes Detail der verunglückten Reise dokumentiert. In dem Fall: die Vorbereitungen für den kometenhaften Aufstieg des jungen Hoffnungsträgers bei den österreichischen Konservativen, die generalstabsmäßig durchgezogene Übernahme der Partei und dann der Republik.

Über 300.000 Chat-Nachrichten, die auf Schmids Handy sichergestellt wurden, zeichnen das Sittenbild einer Clique von jugendlichen Emporkömmlingen, die glaubten, das Land gehöre ihnen und niemand könne sie dafür zur Verantwortung ziehen. Die Hybris dieses kleinen Machtzirkels hat in Österreich den Glauben an die Demokratie erschüttert.

Entsprechend groß war das Medieninteresse, als Schmid nach mehreren vergeblichen Vorladungen am Donnerstag vor dem parlamentarischen Untersuchungsausschuss „betreffend Klärung von Korruptionsvorwürfen gegen ÖVP-Regierungsmitglieder“, vulgo ÖVP-Korruptions-Untersuchungsausschuss, erschien. Die Freude der Abgeordneten und der Medienvertreter währte nicht lange: Schmid entschuldigte sich höflich für sein Nichterscheinen bei bisherigen Terminen, verkündete dann aber, er werde von seinem Recht, die Aussage zu verweigern, Gebrauch machen. Denn seine Befragung durch die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) sei noch nicht abgeschlossen, jede Aussage könne ihn belasten.

Schmid will durch seine Auskunftsfreudigkeit vor der WKStA den Kronzeugenstatus erlangen und hofft so auf Straffreiheit.

Es half auch nichts, dass ihm im Ausschuss Beugestrafen angedroht wurden. Schmid wollte nicht einmal die Frage, ob er ÖVP-Mitglied sei oder ob er von der WKStA protokollierte Aussagen gemacht habe, beantworten. Das in 15 ganztägigen Befragungen erstellte Protokoll im Umfang von 454 Seiten ist eine wahre Fundgrube an Fakten, deren Stichhaltigkeit von den Strafverfolgungsbehörden noch überprüft wird. Einzelne Chats von Schmid, die an die Medien geleakt wurden, sind inzwischen zu geflügelten Worten geworden. So etwa „Ich bin so glücklich:-)))! Ich liebe meinen Kanzler“, als Kurz dessen berufliche Aufstiegswünsche mit einem „Kriegst eh alles, was du willst“ abgesegnet hatte. In Zusammenhang mit einer Steuerangelegenheit eines Milliardärs erinnerte Schmid einen Mitarbeiter von Kurz: „Vergiss nicht – du hackelst (arbeitest; Anm. d. Red.) im ÖVP Kabinett!! Du bist die Hure für die Reichen!“

Das Selbstverständnis der „Wirtschaftspartei“ ÖVP als Hure der Reichen ist durch Chats und Aussagen von Schmid eindrucksvoll dokumentiert. Der Immobilienmagnat René Benko, in Deutschland bekannt, seit er Kaufhof und Karstadt übernommen hat, bot Thomas Schmid einen Job in seiner Signa Holding mit 300.000 Euro Gage jährlich plus Boni in gleicher Höhe an. Laut Schmid habe sich Benko im Gegenzug eine „steuersenkende Lösung“ für seine Probleme mit dem Fiskus gewünscht. Schmid habe dann Druck auf den zuständigen Beamten gemacht. Aus der Stelle als „Generalbevollmächtigter“ bei Signa wurde dann nichts, weil Sebastian Kurz seinen besten Mann im Finanzministerium nicht gehen lassen wollte.

Zu den Lieblingsmilliardären der ÖVP zählt auch Siegfried Wolf, der mit dem russischen Oligarchen Oleg Deripaska im Geschäft ist und jüngst das MAN-Werk in Steyr übernommen hat. Bei Wolf ging es um Steuerschulden, die dieser nicht oder nur teilweise zahlen wollte. Schmid in seinem Einvernahmeprotokoll: „Er hat mich aus meiner Sicht gedrängt und gepusht zu seinen Gunsten tätig zu werden.“ Tatsächlich zeigte sich der damalige Finanzminister Hans-Jörg Schelling flexibel und verzichtete auf einige Millionen Euro von Wolf. Andere Steuerzahler können von solcher Kulanz nur träumen.

Sebastian Kurz war damals noch Außenminister in einer SPÖ-geführten Koalition. Die Umfrageergebnisse der ÖVP grundelten um die 20 Prozent, Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) war noch in Amt und Würden, er erfreute sich zunehmender Popularität. Populär war auch der damals 30-jährige Sebastian Kurz, der in der alten grauen Tante ÖVP einen von vielen als erfrischend gesehenen Farbtupfer abgab. Mit einer Gruppe von Getreuen aus der Jungen ÖVP entwarf er daraufhin das „Projekt Ballhausplatz“. Ballhausplatz 2 ist die Adresse jenes Trakts der ehemaligen kaiserlichen Hofburg, der die Büros des Bundeskanzlers beherbergt. Die Verschwörer sammelten kompromittierendes Material über politische Gegner in- und außerhalb der eigenen Partei, warben um Sponsoren und Prominente und sägten am Stuhl des eigenen Parteichefs und Vizekanzlers Reinhold Mitterlehner.

Dabei bedienten sie sich einer Methode, die nicht nur moralisch fragwürdig ist, sondern nun auch Kurz hinter Gitter bringen könnte. Die Sache ist so heikel, dass Kurz ein Telefongespräch mit Schmid aufnahm, in dem er seinen ehemals ergebenen Erfüllungsgehilfen offenbar nötigen wollte, alle Schuld auf sich zu nehmen und Kurz reinzuwaschen. Das Ergebnis erwies sich als wenig hilfreich. Es geht um die Frage: Hat Kurz selbst den Auftrag gegeben, manipulierte Umfragen in einem Boulevardblatt zu platzieren und diese Intrige mit Steuergeldern aus dem Finanzministerium zu bezahlen?

Beinschab und Abrissbirne

Schmid spricht vom „Österreich-Beinschab-Tool“ und nannte Kurz als Auftraggeber. Österreich heißt die Gratiszeitung der geschäftstüchtigen Gebrüder Fellner, die sich wohlwollende Berichterstattung über Politiker mit fetten Anzeigen bezahlen lassen. Sabine Beinschab heißt eine Meinungsforscherin, deren Ein-Frau-Betrieb zu großen Teilen von öffentlichen Aufträgen lebte. Sie hatte den Auftrag, Sebastian Kurz nur im besten Licht erscheinen zu lassen. Beinschab, die inzwischen Kronzeugenstatus erhalten hat, ist vollumfänglich geständig. Die Honorarforderungen für ihre Umfragen und Studien, die einzig dem Image von Kurz nützten, reichte sie auftragsgemäß im Finanzministerium ein.

Jetzt mussten sich Kurz und Co nur noch aus der ungeliebten Koalition mit den Roten befreien, um den Marsch auf den Ballhausplatz erfolgreich antreten zu können. Dabei betätigte sich der damalige ÖVP-Innenminister Wolfgang Sobotka als „Abrissbirne“, wie Christian Kern später in einem Interview erzählte: Kurz habe immer wieder den Stillstand und die Streitereien in der Regierung beklagt, die dieser jeden Tag gemeinsam mit Sobotka herbeigeführt habe. Sobotka wurde später mit dem Posten des Nationalratspräsidenten belohnt. Mitterlehner warf schließlich entnervt das Handtuch und gab den Parteivorsitz ab. Kurz triumphierte und steuerte auf Neuwahlen zu, nach denen er mit der rechten FPÖ den idealen Partner fand. Die neue Regierung aus ideologisch Rechten und opportunistischen Neokonservativen strahlte so viel Harmonie aus, so mancher glaubte, sie könne mehr als zwei Legislaturperioden halten. Nur Herbert Kickl, der sich als Innenminister anschickte, eine der wichtigsten Bastionen der ÖVP zu schleifen, störte den Koalitionsfrieden. Dann ploppte der Ibiza-Skandal auf. Im Mai 2019 wurde ein im Sommer 2017 heimlich aufgenommenes Video publik. Die Selbstentblößung des späteren Vizekanzlers Strache musste zu dessen Rücktritt führen. Kurz nutzte die Gelegenheit, um den Störenfried Kickl zu entfernen – und wurde mit einem von der FPÖ mitgetragenen Misstrauensvotum bestraft. Bundespräsident Alexander Van der Bellen ernannte eine Beamtenregierung, die sich großer Beliebtheit erfreute, weil sie auf die tägliche Inszenierung verzichtete.

Quelle         :          TAZ-online           >>>>>>      weiterlesen

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Oben     —       Wahlplakat der Christlichsozialen Partei in Wien, 1920

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Das schmutzige Kupfer

Erstellt von Redaktion am 5. November 2022

Kupfer: Die dunkle Seite der Energiewende

Quelle      :        INFOsperber CH.

Red. /   

Das Geschäft mit Kupfer boomt. Es ist der Energiewende zu verdanken. Doch es ist ein schmutziges Milliardengeschäft.

Aurubis in Hamburg und Codelco im Norden Chiles sind die Hauptakteure im Dokumentarfilm «Schmutziges Kupfer: Die dunkle Seite der Energiewende», der vor wenigen Tagen auf ARD ausgestrahlt wurde. Aurubis ist der grösste Kupferproduzent Europas. Er bezieht Kupfer von der staatlich kontrollierten Codelco, das aus der weltweit grössten Abbaustätte des kostbaren Metalls im Norden Chiles stammt.

Der knapp dreiviertel Stunden lange Film deckt auf, wie schmutzig das Geschäft mit sauberer Energie sein kann. Kupfer ist sehr gefragt für die Schlüsseltechnologien der erneuerbaren Wind- und Solarenergie und für den Antrieb der Elektrofahrzeuge. Der Preis stieg auf seit Jahren nicht mehr erreichte Höhen. Minen und Produzenten machen Milliardengewinne. Doch die Umstände des Abbaus im Norden Chiles, in der Atacama-Wüste, einem der trockensten Orte der Erde, sind grauenhaft.

Obwohl es dort kaum regnet, verschlingt der Kupferabbau Unmengen an Wasser. Die Dörfer der Umgebung werden ausgetrocknet und der Rest des Wassers mit Schwermetallen kontaminiert. Das Ergebnis ist eine Krebsrate, die fünf bis sechsmal höher ist als sonst in Chile.

Und doch behaupten die Vertreter des Kupferproduzenten Aurubis in Hamburg, dass ihnen Nachhaltigkeit wichtig sei. Auf die vom Filmemacher mitgebrachte Wasseranalyse mit extrem hohen Arsenwerten und Bilder mit ausgetrockneten Böden geht der Nachhaltigkeitsveranwortliche des Unternehmens nicht ein (im Film ab Minute 27). Er könne sie nicht bewerten, kenne die Fakten nicht, weicht er aus, behauptet aber, dass die Menschenrechte für das Unternehmen eine «wesentliche Säule» seien. Die präsentierten Belege für die ökologisch katastrophalen Zustände im Norden Chiles nimmt der Nachhaltigkeitsverantwortliche nicht zum Anlass, die Geschäftsbeziehungen überprüfen zu wollen. Seine Reaktion eignet sich geradezu als kleine Fallstudie, wie ein Unternehmen nicht reagieren sollte, wenn es die Glaubwürdigkeit nicht aufs Spiel setzen will.

Der Film endet trotzdem positiv. Kupferabbau ist nicht mit Umweltzerstörung gleichzusetzen. In Kanada ist zu besichtigen, dass es auch anders geht. In Ontario, das vor 50 Jahren das am meisten vergiftete Gebiet in ganz Nordamerika war, die Flüsse und Seen praktisch tot waren und die einstigen Wälder einer Mondlandschaft glichen, sind die Wälder wieder gewachsen und die Gewässer von den Schwermetallen gesäubert.

Kupferabbau geht offensichtlich auch sauber, doch bedarf es dafür politischer Auflagen und mehr als wohlklingende Versprechen zu unternehmerischer Nachhaltigkeit.

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Oben      —       Die Toten der Brandkatastrophe von 1944 wurden in Rancagua im Beisein von 25.000 Personen beerdigt.[27]

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Wir, die Guten

Erstellt von Redaktion am 4. November 2022

Putins Gas statt Bidens Bomben

Beim Tausch zwischen Klima und Gas verspricht Beides ein  Ende des Lebens. Nur Bomben bringen Geld – Klima kostet Geld

Von Friedhelm Klinkhammer und Volker Bräutigam

Im Diskurs über den Europäischen Krieg ist das Meiste noch vom Kopf auf die Füße zu stellen / Die Ossis sind die besseren Wessis

Achtung, ein kapitaler Baerbock: „Sind die Deutschen bereit, für die Freiheit zu sterben? Wir sind es.“ [2] Dieser unsäglich dumme Spruch   – Zitat in Anführungszeichen!  – dient als Überschrift eines Artikels in der Neuen Zürcher Zeitung. Andernorts taucht er nicht auf; zuzutrauen ist er unserer Hasspredigerin im Außenamt allemal. Ein übler Treppenwitz, was diese Frau unter Diplomatie und außenpolitischer Strategie versteht. Kennen Sie den schon? „Wir sind die Guten!“ [3] Früher gab es für derart ungezogenes Lügen eins hinter die Löffel. Heute qualifiziert es für die Mitgliedschaft im Kabinett des roten Ampelmännchens. Grün ist die Heide drumherum; schafsköpfige Tagesschau-Redakteure weiden dort, intellektuell anspruchslose Wesen. Sie werden gebraucht, damit das deutsche Publikum fürs Einschlafen was zum Zählen hat.

Annalena Baerbock stellte das, was sie unter Außenpolitik versteht, erwartungsgemäß mit den angesagten Beiwörtern dar. „Feministisch“ soll ihre Politik sein. „Werteorientiert“. Und natürlich „regelbasiert“, wie little Blinken in Washington es vorbetet. Was eben ein Plappermaul so dahersabbelt, wenn der dranhängende Kopf nicht mal halbwegs intelligent verlogenen Formeln auf Lager hat. Es handelt sich bei Baerbocks Hudelei [4] halt doch nur um kitschige Stimmungsmache für die imperiale Machtpolitik der USA. Die mörderischen Folgen (fürs eigene Volk wie für die anderen) muss Baerbock mit dem schönen Schein unserer moralischen Überlegenheit tarnen, damit ja niemand dagegen aufbegehrt. Das ist ihr Job. Der Regierungsrundfunk, voran die Tagesschau, ist dabei wie immer der beste Helfer.

Baerbock im Bundestag:

„Wir sagen eben nicht: Wir konzentrieren uns nur noch auf das, was vor unserer eigenen Haustür passiert, was unglaublich wichtig ist, sondern ganz im Gegenteil: Genau in diesem Moment nehmen wir weiter unsere Verantwortung in der Welt wahr. ... Uns geht es auch darum, uns gemeinsam mit den Menschen vor Ort den Kräften entgegenzustellen, die nichts auf Menschenrechte geben, nichts auf Demokratie und nichts auf eine regelbasierte Ordnung.“ [5]

Von wem und was spricht die Frau? Ach so, sie ist darüber sauer, dass die Regierung des nordwestafrikanischen Staates Mali die Nase endgültig voll hat von den USA und deren Vasallen; dass man die Anwesenheit auch der Bundeswehr nicht mehr ertragen will und sich lieber vom russischen Militär unterstützen lässt. Die Hofberichterstatter der ARD-aktuell leisten Baerbock ideelle Schützenhilfe und applaudieren Baerbocks Geschwätz. Ungeprüft und ohne Gegenrecherche bei den Beschuldigten teilen sie mit, malischen Soldaten und russischen Sicherheitskräften werde „ein Massaker an etwa 300 Zivilisten vorgeworfen.“[6]

Was deutsche Soldaten in Mali eigentlich verloren haben, braucht die Tagesschau selbstredend nicht darzulegen. Erst recht nicht, was entschieden gegen diese Art Auslandseinsatz spricht.[7] Wo kämen wir da hin! Da würden ja sogar die urdeutschen Sofadrücker erkennen, dass „regelbasierte Ordnung“ ein Begriff aus der Gaunersprache ist und unter anderem den Raub fremder Rohstoffe verschleiert.[8] In diesem Fall malisches Uran, Gold und andere reiche Bodenschätze, die in Europa heiß begehrt sind.[9]

Mollusken im Ministeramt

Gleich nach ihrem Antrittsbesuch beim Amtsbruder, dem „lieben Tony“ Blinken, schleimte Baerbock hemmungslos:

„Wir sind Freunde und Wertepartner“.[10]

Sie ließ somit keinen Zweifel daran, was sie unter „wertebasierter“ Außenpolitik versteht: Sich der US-Elite als allzeit bereite Politmätresse anzudienen. Oder, wie ihr Kabinettskollege Habeck trefflich formulierte, „eine dienende Führungsrolle“ zu spielen.[11] Der Ami braucht noch nicht mal „bücken!“ zu rufen, B&H liegen ihm schon zu Füßen.

Die USA als „Wertepartner“ zu bezeichnen heißt, die monströsen Verbrechen ihrer Regierungen zu billigen: imperiale Kriege mit Millionen Toten, systematischen Völkerrechtsbruch, Massaker in aller Welt, Entführungen, Folterungen, Attentate, Rassismus, „erst schießen, dann fragen“-Unkultur, Ressourcen-Diebstahl, Todesstrafjustiz, Staatsterrorismus. Es heißt, den US-Versuch zu unterstützen, die Konkurrenten Russland und China mit militärischen Drohungen und Übergriffen sowie mit weltweit verheerender Sanktionspolitik niederzuringen.

Wer, wie die „ich-komm-eher-ausm-Völkerrecht“-Baerbock[12] von dort nichts weiter mitgebracht hat als sich selber, der übersieht natürlich das KZ Guantanamo, das Justizverbrechen an Julian Assange, die unzähligen Drohnenmorde unter dem Deckmantel „Krieg gegen den Terror“, die Finanzierung antidemokratischer Putschisten und Farbrevolutionen, die grobe rechtswidrige Einmischung in die inneren Angelegenheiten fremder Länder. „Wertepartnerin“ Baerbock hat vermutlich nicht einmal auf dem Zettel, dass die Politik ihrer US-Freunde einer blutrünstigen Tradition folgt:  219 Mal in ihrer kurzen Geschichte haben die USA andere Länder angegriffen, ohne jemals selbst angegriffen worden zu sein.[13] (Der japanische Überfall auf Pearl Harbour war keine Ausnahme, sondern von Roosevelt herbeiprovoziert, um die kriegsunwillige US-Bevölkerung für einen Kriegseintritt zu gewinnen.[14],[15])

Mörderische Tradition

Insgesamt sind die USA seit dem Zweiten Weltkrieg wegen ihrer martialischen Überfälle auf andere Länder für den Tod von schätzungsweise 20 bis 30 Millionen Menschen verantwortlich.[16] Allein in den vergangenen 20 Jahren hat unsere westliche „Wertegemeinschaft“ vier Millionen Muslime umgebracht, vom Neugeborenen bis zum Greis; angeblich, um den weltweiten Terrorismus auszurotten. Baerbocks „Wertepartnerschaft“ erinnert wahrlich streng an Goethes Aphorismus über den Charakter:

Sage mir, mit wem du umgehst, so sage ich dir, wer du bist; weiß ich, womit du dich beschäftigst, so weiß ich, was aus dir werden kann.“ [17]

Es ist die wichtigste Aufgabe unserer längst gleichgeschalteten Massenmedien, das Verbrecherische am transatlantischen „Kampf für Demokratie und Menschenrechte“ nur ja nicht ins öffentliche Bewusstsein dringen lassen. Beim Täuschen, Fälschen und Desorientieren ist der öffentlich-rechtliche Rundfunk Vorreiter. Tagesschau, Tagesthemen, Deutschlandradio und Deutsche Welle als vermeintlich seriöse Informationsquellen garantieren, dass die Hetze gegen Russland, China und andere missliebige Staaten professionell und effizient ausgeführt wird.

Der englische Dramatiker Harold Pinter erinnerte in seiner Rede zur Verleihung des Nobelpreises 2005 an das

„weitverzweigte Lügengespinst, von dem wir uns nähren“. Damit die Macht der herrschenden Eliten „erhalten bleibe, ist es unabdingbar, dass die Menschen unwissend bleiben, dass sie in Unkenntnis der Wahrheit bleiben“.[18]

Sachlichen, um Information und Aufklärung bemühten Nachrichtenjournalismus darf man vom Regierungsrundfunk nicht erwarten. Die Massenmedien verschwiegen zum Beispiel, dass die seinerzeitige Grünen-Doppelspitze Habeck und Baerbock schon lange vor den Bundestagswahlen zu würdeloser Liebedienerei bei den US-Amerikanern und zum Betrug am deutschen Wähler bereit war: Der Wunsch der Ukraine nach „Defensivwaffen“ sei angesichts der „russischen Bedrohung“ (!) „berechtigt“, man könne ihn „schwer verwehren“.[19]

Zu jener Zeit hatten die ukrainische Armee und die ihr angegliederten Neonazi-Regimenter bereits 14000 Ost-Ukrainer massakriert.[20] Für ein Ende der Schlächterei und für einen Friedensschluss mit den gepeinigten russisch-sprachigen Landsleuten gemäß dem Minsker Abkommen[21] haben sich die Spitzen der Grünen, der SPD, der FDP und der Union in Kiew nie stark gemacht. Im Gegenteil, sie haben es erst mit Poroschenko und dann mit Selenskyj sabotiert.

Kein Raum für Scham

Die USA haben Kiew von Anfang an unterstützt. Das Minsker Abkommen war ohne sie von Deutschland und Frankreich mit Russland verabredet und von Washington missbilligt worden. Habeck und Baerbock wussten davon und richteten sich danach. Beide machten devot kenntlich, dass ihre Agenda mit der des US-Präsidenten aufs Innigste harmoniert. Den Stopp von NordStream 2 inbegriffen.

Als US-Präsident Biden am 27.7.21 äußerte :

„Ich denke, es ist mehr als wahrscheinlich, dass wir in einem Krieg enden werden   – einem echten Krieg mit einer Großmacht   – …“ [22]

orientierte sich Großmaul Baerbock daran und tat sich mit Sprüchen wie „Russland ruinieren“ und es derart zu schädigen, „dass es volkswirtschaftlich jahrelang nicht mehr auf die Beine kommt“[23] hervor. Die Außenministerin schämte sich dieser einzigartig undiplomatischen Entgleisung nicht. Dass ihr blanker Russenhass, ausgelebt in Serien von völkerrechtswidrigen Sanktionen, inzwischen die deutsche Volkswirtschaft zum Abgrund treibt, den Russen nicht wirklich schadet, aber das Geschäft der Amis erblühen lässt, das nimmt sie hin. Hätte sie substanziellen politischen Anstand und Loyalität gegenüber ihrer eigenen Nation, wäre sie niemals Mitglied im wirtschaftselitären „Young Global Leaders“-Club des Weltwirtschaftsforums WEF geworden.[24]

Die politische Verbreitung von Falschaussagen war immer schon ein wesentlicher Teil des politischen Handelns !

Die von den Regierenden und ihren medialen Scharfmachern gepflegte Fiktion, dass die USA, die NATO und damit auch Deutschland sich nicht im Krieg mit Russland befinden,[25] ist längst als pure Heuchelei zu erkennen. Pech, dass US-Präsident Biden sich bereits im Übergang von der Senilität zur Debilität befindet und die wahren US-Ziele versehentlich erkennen ließ: erst mal Regime-Change in Moskau, danach Zerstückelung Russlands und Ausbeutung seiner gigantischen Ressourcen.[26], [27]

Das ist den amerikanischen Imperialisten das Risiko eines Atomkriegs wert   – fern der Heimat, versteht sich. Sie planen bereits seit Jahren den begrenzten Einsatz von Atomwaffen in einem Erstschlag. [28] In Rede ist ein Krieg, der Europa zerstört, aber die USA nicht tangiert.

Auf „Endsieg“

Der Diskurs über eine „schmutzige“ ukrainische Atombombe müsste die Bundesregierung veranlassen, eine Springflut diplomatischer Aktivitäten in Gang zu setzen; das wäre verantwortungsbewusste Politik. Mit den Grünen-Kriegstreibern in Berlin ist sie aber nicht zu machen. Baerbock setzt auf den Endsieg.

„Und ja, wir werden auch die Ukraine weiter intensiv mit Waffen unterstützen. Denn wir liefern nicht nur Rüstungsgüter in die Ukraine, um Menschenleben zu retten. Sondern mit diesen Lieferungen, so hoffe ich, geht auch ein Schub Vertrauen und Solidarität einher.“ [29]

Würstchen wollen seit jeher groß rauskommen. Friedensverhandlungen? Nichts da. Der Berliner Reichstagsrasen ist fascho-grün gedüngt, dort schießen die Gurken ins Kraut. Sie treiben   – siehe oben   – prächtige sprachlichen Blüten.

Unmoral und die Perversion jeglichen Rechtsbewusstseins sind US-Markenzeichen. Wovon unsere hörigen Staatsfunker gerne mit scheinobjektiver Berichterstattung über die „Freunde“ ablenken. Tagesschau-Beispiel:

Die US-Regierung hat zusätzliche Unterstützung für die Menschen in Afghanistan angekündigt. Sie stellt weitere 327 Millionen Dollar für humanitäre Hilfen bereit. Davon sollen auch Afghanen profitieren, die in die Nachbarländer geflohen sind.“ [30]

Welch US-amerikanische Großzügigkeit! Das bringt die Tagesschau ja prächtig rüber. Und unterschlägt zugleich die unumgängliche Information über den politischen Kontext: dass US-Präsident Biden als Rache für die Niederlage gegen die Taliban das afghanische Staatsvermögen beschlagnahmt hatte, 7 Milliarden Dollar. Statt Entschädigung für die Verwüstung Afghanistans im mehr als 20jährigen US-Terrorkrieg zu zahlen und echte Wiederaufbauhilfe zu leisten, betätigte sich Biden als Straßenräuber und Leichenfledderer. Und trieb die Scheinheiligkeit auf die Spitze: Seine Regierung werde die Hälfte der geraubten Beute, 3,5 Milliarden Dollar, an die Hinterbliebenen des Anschlags auf die Zwillingstürme in New York („9/11“) auszahlen. [31] Obwohl Afghanistan erweislich nichts mit jenem Terrorakt zu tun hatte, den der Verbrecher George Dabbeljuh Bush nur als Vorwand für seinen Angriffskrieg brauchte. [32]

Afghanistan ist heute, nach den Worten David Beasleys, des Exekutivdirektors des Welternährungsprogramms,

„die Hölle auf Erden, die größte humanitäre Krise der Welt“. [33]

Zwanzig Millionen Menschen   – fast die Hälfte der Bevölkerung   – leiden akut unter Hunger. Es mehren sich Berichte über Verzweifelte, die eine ihrer Nieren anbieten, um an Geld für Lebensmittel zu kommen. [34] Keine Frage, dass es viele Interessenten an diesem Organhandel gibt.

Partner? Komplize!

Deutschland kann bezüglich unmenschlicher Politik mit den Amis aber mal wieder gut mithalten. Aydan Özoğuz (SPD), Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages:

„Es liegt auf der Hand, dass Deutschland der Taliban-Regierung überhaupt kein Geld direkt zukommen lassen kann. Denn dieses käme kaum dort an, wo wir uns das wünschen. Darum ist es undenkbar, dass ein Regime nach Art der Taliban Gelder aus Deutschland in Empfang nehmen und dann unkontrolliert verteilen sollte.“ [35]

Wer‘s nicht fassen kann, schaue nach Syrien. Die USA hatten unter lebhafter EU- und deutscher Mitwirkung versucht, die Regierung in Damaskus zu stürzen. Zur Ablenkung vom eigenen Völkerrechtsbruch ließen die christlichen Kreuzritter die Drecksarbeit von Kopfabschneidern der IS-Dschihadisten erledigen. Der Umsturzversuch misslang, weil die Regierung Assad sich Hilfe aus Russland holte.

Dafür strafte sie der Westen mit vernichtenden Sanktionen. Die bereiten der syrischen Zivilbevölkerung unvorstellbares Leid. Es herrscht Hunger im Land am Euphrat. Syrien hat zwar reiche Öl- und Gasquellen, doch die sind von US-Militär besetzt. Dessen Soldaten begleiten mehrmals wöchentlich kilometerlange Tanklaster-Konvois mit geraubtem syrischem Öl in den Irak und in die Türkei.[36] Den Verkaufserlös, kürzlich vom Außenministerium in Damaskus mit 107 Milliarden US-Dollar beziffert, entziehen die USA der darbenden syrischen Bevölkerung und sacken ihn selber ein.[37]

Schlimm, das alles. Aber wo bleibt die Pointe? Ja richtig, da war doch Baerbocks russophober Beißreflex: Putin führe mit seiner Blockade des Getreideexports der Ukraine einen „Hungerkrieg“ gegen die notleidenden Menschen in der Dritten Welt.[38] Und wieder erweist sich, dass die ARD-aktuell-Redaktion in Berlin (und Hamburg) dafür Belege hätte verlangen müssen, statt sich als kritikloser Transporteur volksverhetzender Propaganda zu bewähren.

„Die Hauptziele für den laufenden ukrainischen Getreideexport lagen im Juli und im August allerdings nicht in den Hungergebieten Afrikas. Hauptabnehmer von ukrainischem Weizen und Mais war vielmehr die Türkei. … Danach folgen verschiedene EU-Länder.“ [39]

Die Tagesschau hätte gemäß ihrer Sorgfaltspflicht (Medienstaatsvertrag, § 6)[40] Putins Begründung für das Aussetzen des Getreide-Abkommens objektiv und vollständig übermitteln müssen: nicht nur hatte er ukrainischen Angriffe auf den Hafen Sewastopol und auf den Schutzkorridor für den Getreideexport genannt, sondern auch, dass das Abkommen seine humanitären Ziele verfehlt habe. [41]

Ossis gehen auf die Straße

Im Osten unserer Republik wächst der Widerstand gegen die antirussische Politik der Ampel. An den Demonstrationen beteiligen sich Tausende, und von Woche zu Woche werden es mehr. Viele Ossis haben tieferen politischen Durchblick als ihre Landsleute im Westen, im kritischen Urteil über Politiker und deren Wirken sind sie geübter. Sie sind erheblich stärker sozial sensibilisiert als die meisten Wessis; der Schaden, den Habeck und Baerbock verursachen, trifft sie zudem härter. Sogar die Tagesschau kam nicht umhin, über den Volkszorn zu berichten.[42]

Auch Dämlichkeit ist ein Menschenrecht. Niemand außer uns Wählern kann Habeck und Baerbock daran hindern, sich als subalterne Hanswurste in den Dienst der USA zu stellen. Aber von öffentlich-rechtlichen Qualitätsjournalisten muss man verlangen, dass sie der quasi regierungsamtlichen Hetze gegen „Feind“-Staaten entgegentreten. Merksatz, wie im Titel oben: Putins Gas ist besser als Bidens Bomben. Haben wir das geschnallt, Annalena? Capito, Zamperoni?

Quellen und Anmerkungen

[1] https://www.bundestag.de/resource/blob/880830/992e5c6be63dc8719477d83d61e70162/WD-2-085-21-pdf-data.pdf

[2] https://www.nzz.ch/international/deutschland-osteuropaeer-und-balten-misstrauen-den-deutschen-ld.1708005?reduced=true

[3] https://www.nachdenkseiten.de/?p=83934

[4] https://www.wortbedeutung.info/hudeln/

[5] https://www.auswaertiges-amt.de/de/newsroom/baerbock-bt-minusma/2526052

[6] https://www.tagesschau.de/ausland/afrika/bundeswehr-mali-161.html

[7] https://www.labournet.de/interventionen/kriege/antimili-all/massive-kritik-an-der-fortsetzung-des-kriegseinsatzes-was-soll-die-bundeswehr-in-mali-schuetzen-die-wehrdoerfer/

[8] https://www.wiwo.de/politik/europa/frankreich-der-rohstoffkrieg-in-mali/7629346.html

[9] https://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/mali-das-sagenhafte-reich-voller-gold-und-bodenschaetze-12024831.html

[10] https://www.rnd.de/politik/usa-baerbock-auf-auslandsreise-ukraine-und-klima-als-hauptthemen-QF5RCJ6MC5HUTEMSVAM46KYDNQ.html

[11] https://www.focus.de/politik/deutschland/besuch-in-den-usa-habeck-sieht-deutschland-in-einer-dienenden-fuehrungsrolle_id_61552626.html

[12] https://www.youtube.com/watch?v=nOMW8Kn4OLw

[13] https://forum.beobachter.ch/forum/thread/18765-usa-%C3%BCber-200-kriege-seit-ihrer-gr%C3%BCndung/?pageNo=4

[14] http://www.studien-von-zeitfragen.de/Mnemeion/Hehre_Kunst_der_Provokation/hehre_kunst_der_provokation.htm

[15] https://www.sscnet.ucla.edu/polisci/faculty/trachtenberg/methbk/ickes.pdf

[16] https://www.youtube.com/watch?v=ks7hznOfTkU

[17] https://www.aphorismen.de/zitat/176

[18] http://www.ag-friedensforschung.de/themen/Friedenspreise/nobel-lit-pinter.html

[19] https://www.t-online.de/nachrichten/deutschland/id_90102198/klima-ukraine-und-nord-stream-2-die-ploetzliche-amerika-liebe-der-gruenen.html

[20] https://www.ohchr.org/sites/default/files/Documents/Countries/UA/29thReportUkraine_EN.pdf

[21] https://de.wikipedia.org/wiki/Protokoll_von_Minsk

[22] https://www.news.at/a/usa-biden-krieg-12180967

[23] https://www.focus.de/kultur/kino_tv/tv-kolumne-anne-will-baerbock-will-dass-russland-nicht-mehr-auf-die-beine-kommt_id_92735159.html

[24] https://www.abgeordnetenwatch.de/profile/annalena-baerbock/fragen-antworten/sehr-geehrte-frau-baerbock-wie-wird-ihre-mitgliedschaft-im-young-global-leaders-des-weltwirtschaftsforums

[25] https://taz.de/Geostrategie-im-Ukrainekrieg/!5860826/

[26] https://www.srf.ch/news/international/regimewechsel-gefordert-viel-wirbel-um-den-schlusssatz-des-us-praesidenten-in-warschau

[27] https://www.extremnews.com/berichte/weltgeschehen/4ea1827e57f27f

[28] https://www.youtube.com/watch?v=_7R-0unFGgE

[29] https://www.auswaertiges-amt.de/de/newsroom/-/2559154

[30] https://www.tagesschau.de/ausland/asien/us-hilfen-afghanistan-101.html

[31] https://www.watson.ch/international/usa/574666678-usa-wollen-afghanische-milliarden-an-9-11-opfer-zahlen

[32] http://www.ag-friedensforschung.de/themen/Terrorismus/martin.html

[33] https://progressive.international/wire/2022-08-23-to-end-hell-on-earth-the-us-must-free-afghanistans-7bn-reserves/de

[34] https://www.spiegel.de/ausland/hungerkrise-in-afghanistan-ich-habe-die-niere-meines-sohnes-verkauft-um-uns-alle-zu-retten-a-fb6b5a08-4da8-450c-a8bb-8da275653bf1

[35] https://www.dw.com/de/finanzsanktionen-gegen-taliban-unmenschlich/a-60781910

[36] https://thecradle.co/Article/News/17455

[37] https://globalbridge.ch/so-leiden-in-syrien-die-menschen-unter-den-westlichen-sanktionen/

[38] https://www.tagesschau.de/ausland/europa/getreideabkommen-russland-reaktionen-103.html

[39] https://www.agrarheute.com/management/agribusiness/verkauft-ukraine-getreide-afrika-597271

[40] https://www.die-medienanstalten.de/fileadmin/user_upload/Rechtsgrundlagen/Gesetze_Staatsvertraege/Medienstaatsvertrag_MStV.pdf

[41] https://meinungsfreiheit.rtde.life/international/153077-putin-verdeutlicht-position-zum-getreide/

[42]https://www.tagesschau.de/inland/innenpolitik/proteste-energiepolitik-105.html

Anmerkung der Autoren: Unsere Beiträge stehen zur freien Verfügung, nichtkommerzielle Zwecke der Veröffentlichung vorausgesetzt. Wir schreiben nicht für Honorar, sondern gegen die „mediale Massenverblödung“ (in memoriam Peter Scholl-Latour). Die Texte werden vom Verein „Ständige Publikumskonferenz öffentlich-rechtlicher Medien e.V.“ dokumentiert: https://publikumskonferenz.de/blog

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Oben     —    Церемония открытия газопровода «Северный поток».

2.) v0n Oben       —       Poster der Ausstellung

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Flimmern + Rauschen

Erstellt von Redaktion am 4. November 2022

Und kurz vor Schluss zündete ARD-Chef Tom Buhrow die Bombe

Eine Kolumne von Steffen Grimberg.

Zukunft von ARD und ZDF ungewiss. Beim Hamburger Übersee-Club machte Buhrow ernst. Er forderte eine Reform der Öffentlich-Rechtlichen und stellte die Existenz der zwei Sender in Frage.

ie ARD hat die Revolution ausgerufen. Natürlich nicht von irgendeinem Anstaltsbalkon oder mitten in einer „Lügenpresse, auf die Fresse“-Demo, sondern viel gediegener in Schlips und Kragen. Tom Buhrow sprach vor dem Hamburger Übersee-Club.

Nun hätte da das Übliche kommen können. Doch Buhrow machte wirklich Ernst und damit klar, dass er alles andere als das Leichtgewicht mit dem netten „Tagesthemen“-Lächeln ist. Überhaupt war das Ganze glänzend inszeniert, passend zum Übersee-Club mit unmittelbarer Rundum-Berichterstattung durch die FAZ.

„Das ist keine Debatte mehr um Einzelthemen. Es ist eine Grundsatzdebatte“, sagte Buhrow. Eine Grundsatzdebatte, die auf übliche Weise nicht zu lösen ist. „Alle belauern sich. Medienpolitik und Senderchefs belauern sich. ARD und ZDF belauern sich […]. Es ist ein bisschen wie Mikado: Wer sich zuerst bewegt, verliert.“

Doch nach einem Verlierer sieht Buhrow nicht aus, seine Position gleicht eher der des Schriftstellers Ernst Toller, den es vor gut 100 Jahren eher unbeabsichtigt an die Spitze der Münchner Räterepublik gespült hatte. „Jeder sieht den großen weißen Elefanten im Raum. Aber wir müssen ihn benennen und mit ihm umgehen. Bisher schleichen wir alle mit Taschenrechnern und Vertragsentwürfen um diesen Elefanten herum und versuchen, ein paar Fortschritte zu erzielen, indem wir an kleinen Stellschrauben drehen.“

Wirklicher Sprengstoff

Der tolle Buhrow traute sich sogar, die Gretchenfrage zu stellen: „Will Deutschland weiter parallel zwei bundesweite, lineare Fernsehsender? Wenn nicht: Was heißt das? Soll einer ganz verschwinden und der andere bleiben? Oder sollen sie fusionieren […]? Und was ist mit den regionalen Programmen? Sollen sie als Vollprogramme bleiben? Oder in dem einen verbleibenden bundesweiten Programm aufgehen?“

ARD, ZDF und die Dritten in einem Atemzug zur Disposition zu stellen, ist nun wirklich mal Sprengstoff. Den „gedanklichen Neuanfang“ soll jetzt ein neues, unabhängiges Forum schaffen, „ohne die typischen Selbstverteidigungsreflexe. Ohne Denkverbote.“

Quelle         :          TAZ-online          >>>>>        weiterlesen

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Oben     —   Floaters caused by retinal detachments

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Staatstrojaner Pegasus:

Erstellt von Redaktion am 30. Oktober 2022

Ehemaliger UN-Sonderberichterstatter rät EU-Parlament zum Verbot

Quelle          :        Netzpolitik ORG.

Von     :     

Bei einem Auftritt vor dem Pegasus-Untersuchungsausschuss im EU-Parlament hat der ehemalige UN-Sonderberichterstatter für Menschenrechte eine klare Botschaft: Der beste Weg, um mit Staatstrojanern umzugehen, wäre deren Verbot. Nationale Sicherheit dürfe Staaten kein Schlupfloch bieten, um diese Technologien straflos zu missbrauchen.

Der ehemalige UN-Sonderberichterstatter für Menschenrechte David Kaye rät dem EU-Parlament, Überwachungstechnologien wie den Staatstrojaner Pegasus zu verbieten. Er habe ernste Zweifel, dass es überhaupt möglich sei, diese Technologien einzusetzen, ohne gegen internationales Recht zum Schutz der Menschenrechte zu verstoßen, sagte Kaye am Donnerstag bei einer Anhörung vor dem Pegasus-Untersuchungsausschuss im EU-Parlament. Der Ausschuss tagt seit April dieses Jahres, um die zahlreichen Überwachungsskandale in der EU im Zusammenhang mit Staatstrojanern zu untersuchen.

Käme es nicht zu einem Verbot, sagte Kaye, sollte zumindest ein temporäres Moratorium für die Entwicklung, den Verkauf und den Einsatz solcher Technologien verhängt werden. Staaten und internationale Organisationen können dann Leitplanken einrichten – etwa eine strikte Exportkontrolle oder radikale Reformen der Rechtsrahmen für deren Einsatz. All diese Schritte nannte Kaye ein „Minimum“, um die Rechtsstaatlichkeit beim Einsatz von Staatstrojanern herzustellen, die derzeit noch nicht gegeben sei.

Kaye hatte bereits 2019 in seiner Rolle als UN-Sonderberichterstatter ein solches Moratorium für Überwachungstechnologien gefordert. Schon damals deutete viel darauf hin, dass etwa der Journalist Jamal Khashoggi vor seiner Ermordung mit Pegasus ausgespäht wurde.

Ohne Transparenz kein Einsatz

Die Spähsoftware Pegasus kann heimlich aus der Ferne auf einem Smartphone installiert werden. Einmal eingerichtet, erlaubt sie Angreifer:innen alles zu einzusehen und zu hören, was auf dem Gerät stattfindet – von Gesprächen und Bildern über Standortdaten bis hin zu verschlüsselter Kommunikation. Sogar Kamera und Mikrofon lassen sich aus der Ferne aktivieren, so dass das Handy zur Wanze wird.

Kaye wies darauf hin, wie tief diese Überwachung in die Privatsphäre eindringt. Überwachungstechnologien wie Pegasus könnten schlicht nicht zwischen legitimen und illegitimen Überwachungszielen unterscheiden. „Sie geben dem Angreifer die Möglichkeit, das digitale Leben seines Ziels zu erfassen und zu überwachen, ohne zu unterscheiden zwischen einer kriminellen Verschwörung oder persönlichen Meinungen, Kontakten, Standortdaten, Browsing-Gewohnheiten, Bankdaten, Essensplänen und vielem mehr, manchmal in Echtzeit.“ Wenn Menschen ihrer privaten Kommunikation nicht mehr trauen könnten, hätte das auch gravierende Auswirkungen für die Demokratie.

Damit stelle Pegasus eine derart schwerwiegende Gefahr für die persönlichen Rechte und demokratischen Freiheiten dar, sagte Kaye, dass dafür besondere Auflagen gelten müssten. Wenn Staaten und auch die Herstellerfirmen argumentierten, die Technologie sei notwendig im Kampf gegen den Terror, dann müssten sie nachweisen, dass und wie sich diese Werkzeuge mit grundlegenden Menschenrechten vereinbaren lassen. So lange das nicht geschieht, müsse man davon ausgehen, dass Staatstrojaner gegen internationale Gesetze zum Schutz der Menschenrechte verstoßen.

Nationale Sicherheit dürfe nicht zu einem Schlupfloch werden, in dem sich Staaten verstecken könnten, um ihrer Verantwortung zu entgehen, sagte Kaye. „Jedes Recht muss einen Rechtsbehelf für seine Verletzung haben.“ Ungarn etwa begründete seine Einsätze von Pegasus mit der nationalen Sicherheit und kam zu dem Schluss, die Spionage gegen Journalist:innen und Politiker:innen sei rechtmäßig gewesen.

Ein Vertreter von NSO Group, der israelischen Firma, die Pegasus entwickelt, war bereits im Juni vom Ausschuss befragt worden, wich dabei jedoch zentralen Fragen aus – etwa jener, an wen sich Opfer der Überwachung wenden könnten. Immer wieder verwies der NSO-Vertreter auf die Geheimnisanforderungen der Kund:innen des Unternehmens.

Unter den Kund:innen sind längst nicht nur Staaten wie Saudi-Arabien, Aserbaidschan oder Indien, sondern auch zahlreiche Demokratien mitten in der EU. NSO Group teilte im Nachgang zur Befragung mit, dass derzeit zwölf EU-Staaten Pegasus einsetzten, zwei von ihnen seien die Lizenzen wieder entzogen worden.

Arbeit soll im April beendet sein

Der Untersuchungsausschuss soll noch bis April 2023 arbeiten. Ursprünglich ging es vor allem um Polen und Ungarn, wo Journalist:innen, Oppositionspolitiker:innen und Anwält:innen mit Pegasus ins Visier genommen wurden. Zwischenzeitlich sind viele weitere Fälle von staatlicher Überwachung hinzugekommen, etwa Spanien und Griechenland.

Im Ausschuss sitzen gleich mehrere Personen, die selbst direkt oder indirekt mit Pegasus ausspioniert wurden, darunter die katalanischen Abgeordneten Diana Riba, Jordi Solé und Carles Puigdemont. Ein gemeinsamer Abschlussbericht soll Empfehlungen aussprechen, wie Staatstrojaner künftig in der EU besser reguliert werden sollen. Mehrere Abgeordnete arbeiten jedoch bereits an eigenen Berichten, darunter die Liberale Sophie in‘ t Veld.

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Oben     —     UN-Sonderberichterstatter David Kaye (Meinungsfreiheit und freie Meinungsäußerung) spricht während der Nebenveranstaltung „Religion trifft Rechte“ am 16. Juni, die von FORUM-ASIA organisiert wird

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DKP sorgt für Inhalte

Erstellt von Redaktion am 29. Oktober 2022

Bündnis „Solidarisch durch die Krise“
– erklärt die Welt in schwarz-weiß

Quelle       :        Scharf  —  Links

Von    :        Herbert Schedlbauer

Die Organisatoren „Solidarischer Herbst“, bestehend aus den DGB-Gewerkschaften ver.di und GEW, aus dem Paritätischen Gesamtverband, der Volkssolidarität sowie den Umweltverbänden BUND und Greenpeace, riefen auch in Düsseldorf am 22. Oktober zur Demonstration. Doch am Ende waren es großzügig gerechnet nur etwa 4.500 Teilnehmer aus ganz NRW, die in der Landeshauptstadt auf die Straße gingen. Bundesweit blieb die Zahl mit gut geschätzten 22.000 Teilnehmern deutlich unter den Erwartungen der Veranstalter. Allein die mitmobilisierende Gewerkschaft ver.di hat rund 1,8 Millionen, der Naturschutzbund BUND 670.000 Mitglieder.

In Düsseldorf sorgten die Deutsche Kommunistische Partei (DKP), linke Gruppen und Parteien für Hintergrundwissen und Inhalte auf der Demonstration. Liest man den Aufruf von Attac, den Gewerkschaften ver.di und GEW, dem Paritätischen Wohlfahrtsverband, von Campact sowie der Umweltorganisationen Greenpeace und BUND, bekommt man den Eindruck, dass die Unterzeichner ein Interesse daran haben, gemeinsam mit Rot-Grün-Gelb, aufkommenden Protest innerhalb der Bevölkerung kanalisieren zu wollen.

DKP und die Sozialistische Deutsche Arbeiterjugend (SDAJ) waren gut sichtbar mit Transparenten, Plakaten und Fahnen inmitten der Demonstration mit eigenen Blöcken zu sehen und hören. Mehrere Hundert Zeitungen der DKP „unsere zeit“ wurden in Düsseldorf verteilt. In zahlreichen Gesprächen informierten die Kommunisten und die Arbeiterjugend, worauf es ankommt. Wie der Protest gegen Hochrüstung und Sozialabbau verstärkt werden muss.

Der Aufruf und die Herangehensweise des Bündnisses stießen von Beginn der Veröffentlichung auf Kritik. Weder nannten die darin befindlichen Organisationen die wirklichen Hintergründe der Belastungen der Menschen und die Ursachen der Inflation. Stattdessen allgemeine Floskeln als Resultat einer fehlenden Analyse, die Gesellschaft dürfe sich nicht spalten lassen. Im Kapitalismus ist die Gesellschaft immer gespalten. Die gegensätzlichen Interessen zwischen Kapital und Arbeit lassen sich nicht miteinander verbinden. Mit dem Aufruf „Solidarisch durch die Krise“ stellt sich das Bündnis hinter den Sanktions- und Kriegskurs der Bundesregierung. Folglich wird auch die Hochrüstung mit keinem Wort erwähnt. Statt sich auf die eigene Kraft zu besinnen, betätigen sich die Gewerkschaften als SPD-Erfüllungsverein. Der BUND als Wasserträger einer olivgrünen Kriegspolitik durch Bündnis90/Grüne. Das ging so weit, dass man mit dem Aufruf gleich die Drohung verbreitete: „ … verschwörungsideologische Äußerungen sowie Verharmlosung von Putins Angriffskrieg auf die Ukraine werden auf den Veranstaltungen des Bündnisses konsequent unterbunden.“ Ulrich Schneider, Hauptgeschäftsführer beim Paritätischen Wohlfahrtsverband, maßte sich an, Demonstranten die ein Ende der Sanktionspolitik forderten, sollten zu Hause bleiben. Davon ließen sich Marxistische Kräfte jedoch nicht einschüchtern. Sie sorgten für Aufklärung, machten darauf aufmerksam, dass es notwendig ist, den Kampf gegen die Verelendung der Bevölkerung und deren massive Belastungen aufzunehmen. Mittlerweile ist diese zunehmende Armut in der Mitte der Gesellschaft angekommen.

2016-04-23 Anti-TTIP-Demonstration in Hannover, (10069).jpg

Die DKP hält es für unverzichtbar, den Zusammenhang von Krieg und Krise aufzuzeigen. Friedens- und soziale Bewegung zusammenzuführen. Gegen Lüge und NATO-Kriegshetze aufzuklären. Die Kommunisten fordern eine gesetzliche Senkung der Energiepreise auf das Niveau von Juni 2021. Die Streichung der Mehrwertsteuer für Lebensmittel und Energie. Eine Beendigung des Wirtschaftskrieges! Im Interesse der arbeitenden Menschen, der Jugend und Rentner müssen Hochrüstung und Waffenlieferungen gestoppt werden. Damit decken sich die Forderungen der DKP mit einem immer größer werdenden Teil der Bundesbürger. Die wollen vernünftigerweise verhandeln statt schießen lassen! Wie neuste Umfragen belegen.

Dass die Bundesregierung und die Herrschenden nicht nur keine Lösungen haben, sondern Verursacher der explodierenden Energie- und Lebensmittelpreise sind, wurde im Bündnis bewusst ausgeklammert. Der Aufruf blendet den Wirtschaftskrieg gegen Russland, die Ausrichtung Baerbockscher Außenpolitik mit dem Ziel, Russland „zu ruinieren“, aus. Damit befindet man sich in guter Gesellschaft der Mainstream-Presse. Solchen politischen Scharfmachern, wie Baerbock, Habeck, Scholz, Lindner, Hofreiter, Merz und Strack-Zimmermann. Die Sanktionen gegen Russland werden nicht als Verursacher steigender Energie- und Lebensmittelpreise benannt. Dabei ist der Hochrüstungskurs der Regierung und die Sanktionen der Grund für die galoppierende Inflation. Die Gelddruckmaschinen bei der Bundesdruckerei laufen rund um die Uhr. Die Regierungs-Ampel erfüllt mit der Auftragserteilung für immer mehr Waffen das Streben der Rüstungskonzerne nach Profitmaximierung. Die Kasse klingelt.

Kein Frieren für die NATO! Enteignung der Energiekonzerne! Kein weiteres Drehen an der Eskalationsspirale! Wir brauchen Milliarden für Bildung und Gesundheit statt fürs Sterben!

Urheberrecht
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Oben      — Liebknecht-Luxemburg-Demo-2018 Infostand der DKP

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Der Breitbandausbau:

Erstellt von Redaktion am 25. Oktober 2022

Ärger um leere Fördertöpfe

Ich heiße Wissing und nicht Spahn und lutsche nicht am Wasserkran.

Quelle          :        Netzpolitik ORG.

Von           

Überraschend gab der Bund jüngst bekannt, dass für dieses Jahr Schluss ist mit gefördertem Breitbandausbau. Länder und kommunale Verbände reagieren nun mit einem Brandbrief, den wir im Volltext veröffentlichen.

Am Wochenende hatten Länder und kommunale Verbände einen Brandbrief an das Bundesministerium für Verkehr und Digitales (BMDV) geschickt. In dem Schreiben, das wir im Volltext veröffentlichen, reagieren sie auf eine Nachricht von vergangener Woche, wonach die Fördertöpfe des Bundes für den Breitbandausbau vorerst erschöpft seien.

Insgesamt hat die Regierung rund 12 Milliarden Euro an Bundesmitteln für den geförderten Ausbau eingeplant. Allerdings ist die Summe auf 3 Milliarden Euro pro Jahr gedeckelt. Kommunen können nun vorerst keine Anträge mehr auf Bundeszuschüsse stellen. Dass die Mittel komplett abgerufen wurden, sei „nichts Ungewöhnliches“ und eine „gute Nachricht“, versucht die parlamentarische Staatssekretärin im BMDV, Daniela Kluckert (FDP), zu beruhigen.

Das sehen die Länder anders, die das Vorgehen des BMDV völlig überrascht hatte. Der aktuelle Förderaufruf sei ohne Vorankündigung aufgehoben worden, heißt es in dem Brief. Zudem fehle eine klare Perspektive für die Abwicklung des bisherigen Förderprogramms sowie eine Zusage für belastbare Mittel für das kommende Jahr.

Unterzeichnet haben das Schreiben Vertreter:innen aller Länder – mit Ausnahme von Nordrhein-Westfalen und Hessen – sowie kommunaler Spitzenverbände. „Alle Beteiligten stehen jetzt plötzlich vor dem Nichts. Das ist ein massiver Vertrauensbruch“, sagte bereits vergangene Woche der bayerische Finanzminister Albert Füracker (CSU).

Streit um Fördermechanismus

Auch sorgen sich die Länder, dass die Potenzialanalyse offenbar wieder im Gespräch ist. Sie war als Alternative zur bisherigen Förderpraxis mit dem Markterkundungsverfahren gedacht: Derzeit reicht es aus, wenn die Kommunen nachweisen, dass in einem bestimmten Gebiet auf absehbare Zeit kein privatwirtschaftlicher Ausbau geplant ist, um staatliche Unterstützung zu erhalten. Eine Potenzialanalyse würde hingegen bewerten, ob Gebiete die Aussicht auf einen marktgetriebenen Ausbau haben. Dadurch könnten viele unterversorgte Gebiete aus der Förderfähigkeit herausfallen, obwohl es für sie tatsächlich keine Ausbaugarantie gibt, fürchten die Kommunen.

Wäre es nach Infrastrukturminister Volker Wissing (FDP) und der Industrie gegangen, dann hätte es die sogenannte Potenzialanalyse verbindlich in die Gigabitstrategie der Bundesregierung geschafft. Das aber haben Länder und kommunale Verbände verhindert. Nun fürchten sie, dass das umstrittene Instrument „durch die Hintertür wieder eingeführt“ werde, heißt es in einem Brief an das BMDV.

Eine derartige Priorisierung sei „aus guten Gründen in langen Gesprächen zwischen allen Beteiligten bereits ausgeschlossen“ worden, schreiben die Länder. Aus ihrer Sicht wäre sie „nicht sachgerecht und würde eine bürokratische Verkomplizierung mit sich bringen, die in der konkreten technischen Umsetzung unmöglich ist“. In der Gigabitstrategie ist die Potenzialanalyse zwar enthalten, soll jedoch unverbindlich bleiben und lediglich als Hinweisfunktion dienen.

Im Kern geht es in diesem Streit darum, wie sich Fördermittel besonders effektiv verteilen lassen, um eine flächendeckende Versorgung mit moderner digitaler Infrastruktur zu erreichen. Der Konflikt hat sich nun verschärft, weil die sogenannten Aufgreifschwellen nach und nach wegfallen und deshalb immer mehr Gebiete förderfähig werden. In der Vergangenheit erhielten nur Regionen staatliche Unterstützung, die mit weniger als 30 MBit/s versorgt sind. Seit dem Vorjahr sind auch solche mit einer Versorgung von bis zu 100 MBit/s hinzugekommen. Im kommenden Jahr fällt dann auch diese Schwelle.

Planungssicherheit gefährdet

Die Industrie sieht sich in ihren Warnungen vor einem „Förder-Tsunami“ bestätigt. „Die Vielzahl der eingegangen Förderanträge und der dadurch notwendige Förderstopp zeigen, dass die von den Ländern angekündigte ’natürliche Priorisierung‘ förderfähiger Gebiete nicht funktioniert“, heißt es etwa in einer Pressemitteilung des Bundesverbandes Breitbandkommunikation (Breko).

Mit dem bisherigen Markterkundungsverfahren ist die Branche schon allein deshalb unzufrieden, weil sie rasch auf Anfragen von Kommunen reagieren muss, ob sie im jeweiligen Gebiet bald auszubauen gedenkt oder nicht. Mit dem Aufwand haben vor allem kleinere Netzbetreiber zu kämpfen. Laut Breko brauche es nun „klare Regeln und eine wirksame Priorisierung“, die die Förderung besonders benachteiligter Gebiete sichern soll.

Auf eine klare Perspektive, wie es nun weitergehen soll, pochen auch die Länder. Sie fordern den Bund in dem Schreiben auf, „ausreichende und ggf. mehr als die derzeit geplanten Mittel“ bereitzustellen. Entsprechende Angaben würden die Länder nicht zuletzt für die Absicherung ihrer Kofinanzierungsanteile in den jeweiligen Haushaltsplanungen benötigen. Und auch die Kommunen bräuchten Planungssicherheit. Andernfalls drohe unmittelbar mit Beginn der neuen Förderung erst recht ein „Windhundrennen“ um die verfügbaren Fördermittel.

Insbesondere brauche es aber unverzüglich einen Entwurf einer neuen Förderrichtlinie, die zu Jahresbeginn in Kraft treten soll. Sollte das neue Förderprogramm nicht wie geplant starten können, „würden damit nicht nur Vertrauen in die Verlässlichkeit von Ankündigungen des Bundes nachhaltig erschüttert, sondern auch das Erreichen des Ausbauziels insgesamt in Frage gestellt“.

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Oben     —     re:publica 2022: Volker Wissing (Bundesminister für Digitales und Verkehr) bei der Session ‚Das Momentum nutzen!‘

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USA und ihre Demokratie

Erstellt von Redaktion am 24. Oktober 2022

Demokratie in den USA im Eimer

Quelle       :        Scharf  —  Links

Ein Kommentar von Georg Korfmacher, München

In einem bemerkenswert offenen Artikel in einem US-Portal wird ausführlich der Niedergang der US-Demokratie dargestellt. Dabei geht es weniger um den Verfall der Demokratie und ihrer Glaubwürdigkeit weltweit, als um die Gründe dafür im eigenen Land.

Die Folge dieses Verfalls ist die Schwächung der US-Führungsrolle weltweit. Der gebetsmühlenartige Vortrag einer regelbasierten internationalen Ordnung ist unglaubwürdig, wenn im eigenen Land wichtige Entscheidung von Parteilichkeit geprägt sind und Institutionen sich gegenseitig blockieren. Hier sind die USA zuallererst gefordert, der Welt demokratische Stabilität und Zuverlässigkeit zu beweisen. Solange dieser Beweis nicht nachhaltig erbracht ist, sind die USA für eine internationale Führerschaft nicht legitimiert.

Bei der Achterbahnfahrt der US-Politik seit Bush II ist es umso erstaunlicher, dass unsere Politiker, und allen voran unsere Aussenministerin, geradezu blindwütig die von der Mehrheit der Amerikaner selbst bezweifelte internationale, US-Interessen dienende Ordnung nachplappern. Dabei rangieren die USA erst auf Platz 26 im jüngsten Democracy Index.

Wahrlich kein Musterbeispiel für die Welt! Vielmehr müssen die US-Politiker erst einmal den Amerikanern zuhören und herausfinden, warum und wie diese von der in den USA praktizierten Demokratie frustriert sind. Auch bei uns haben nach einer Erhebung des Pew survey nur 14 Prozent der Befragten Zutrauen zur US-Demokratie, auch nicht gerade beruhigend.

Die pathetische Rhetorik von Biden ist solange Schall und Rauch, wie die USA ihre Demokratie im eigenen Land nicht von Grund auf erneuern. Dazu muss das Volk viel mehr einbezogen werden, das Wahlrecht muss vereinfacht, der Einfluss von Geld in der Politik unterbunden und Bildung und Gesundheitswesen müssen allen Menschen zugänglich sein. Nicht zuletzt muss die Verfassung aus dem 18. Jahrhundert an die heutige Zeit angepasst werden, um das Regieren und die Gewaltenteilung glaubwürdig zu betreiben.

Stolz auf was 10

Heute wird mangels an sich nötiger demokratischer Entscheidungen vielfach per Dekret regiert mit der Folge, dass ein Präsident von heute Entscheidungen eines Vorgängers mir nichts, dir nichts wieder aufheben und somit eine Disruption der Politik im Inland und Ausland bewirken kann. Trump war da ein besonders makabreres Beispiel. Kein Wunder also, dass besonders die Menschen in den mit den USA verbündeten Ländern sehr skeptisch und wenig optimistisch bezüglich der heutigen US-Demokratie sind, solange die USA eine echte Demokratie nicht als Eckpfeiler ihrer internationalen Politik betreiben.

Das aber bedeutet, dass die USA auf jede America-First-Attitüde verzichten müssen. Jeder Mensch und jedes Volk verdient zunächst Respekt und bei gemeinsamen Projekten eine Behandlung auf Augenhöhe bei einem angemessenen Interessenausgleich. Und das beginnt damit, dass die US-Politik die Rechte seiner eigenen Bevölkerung respektiert und schützt. Täglich wird uns vorgeführt, dass die selbstherrlich gelobte und als Basis unserer westlichen Werte gepriesene US-Demokratie ihr Versprechen nicht einlöst, das Leben der eigenen Bevölkerung zu verbessern, ganz zu schweigen von anderen Ländern. Wir brauchen dringend eine ehrlichere und überzeugendere Ideologie, wenn wir unsere Probleme global überwinden wollen. Solange die Demokratie in den USA im Eimer ist, kommen wir keinen Schritt weiter.

Urheberrecht
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Oben      —   Außenmauern der Ex-US-Botschaft-Taleghani-Straße-Teheran

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Corona und Long Covid

Erstellt von Redaktion am 23. Oktober 2022

Ja, es nervt – aber es ist nicht vorbei

Eine Kolumne von Christian Stöcker

Eine Kolumne von Christian Stöcker

Die Inzidenzen gehen steil nach oben: Covid-19 ist nicht erledigt – allgemein und konkret für viele, die schon einmal erkrankt waren, wie eine neue Studie zeigt. Sie enthält aber auch gute Nachrichten.

Eins vorab: Ich habe auch keine Lust mehr. Wirklich nicht. Ich will keine Maske mehr tragen müssen, will nicht ständig mit der Frage konfrontiert sein, ob jetzt und hier gerade ein erhöhtes Infektionsrisiko herrscht. Covid-19 nervt, auch wenn man keine schlimmen Symptome erleben musste, und zwar schon sehr lang. Und jetzt, wo wir als Gesellschaft uns vorübergehend eingeredet hatten, dass es doch eigentlich irgendwie vorbei sei, dass die neue Normalität jetzt wieder ohne Masken so sein könnte wie die alte, nervt es besonders.

Aber wir können uns die Realität eben nicht malen, und das gilt leider nicht nur für Trump, Putin und die Klimakrise, sondern auch für Sars-CoV-2. Dass es definitiv wieder losgeht, kann man an den Zahlen gut erkennen. In München beispielsweise wurde diese Woche eine Inzidenz von fast 1500 erfasst , ziemlich genau 450 mehr als in der Vorwoche.

Bundesweit liegt die Sieben-Tage-Inzidenz bei 700.

Diese Zahlen dürften das reale Infektionsgeschehen noch grob unterschätzen, weil längst nicht mehr alle, die einen positiven Schnelltest oder Symptome haben, auch einen PCR-Test machen – aber nur dessen positives Ergebnis geht in die Inzidenzmessung ein.

Das Münchner Gesundheitsreferat geht der »Süddeutschen Zeitung« zufolge davon aus, dass die Inzidenz in der bayerischen Hauptstadt in Wahrheit viermal so hoch ist.

»Schauen, wie das jetzt weitergeht«?

All das hat vermutlich mit dem Oktoberfest zu tun, gewissermaßen das perfekte Superspreader-Event: Viele Menschen auf engem Raum, die Alkohol in großen Mengen trinken, laut reden, lachen und singen – das Virus hätte sich so etwas vermutlich bauen lassen, wenn es dazu in der Lage wäre.

Bayerns Ministerpräsident Markus Söder kommentierte das Infektionsgeschehen mit einem sehr typischen Satz, der die demonstrative Ignoranz von Teilen der deutschen Politik perfekt widerspiegelt: »Wir müssen schauen, wie es da jetzt weitergeht.«

Nein, wir müssen nicht schauen. Wir wissen genau, wie das jetzt weitergeht, denn wir haben es ja jetzt mehr als zweieinhalb Jahre lang immer wieder beobachtet.

Die Infektionszahlen werden weiter steigen, bis zu einem Punkt, an dem es problematisch für das Gesundheitssystem wird. In München droht das jetzt schon, weil dort auch viel medizinisches Personal positiv oder erkrankt ist.

»Die Patienten stapeln sich auf den Fluren«

Der Betriebsrat einer Münchner Klinik schrieb einen Brief an den Oberbürgermeister der Stadt , in dem unter anderem steht: »Die Patienten stapeln sich auf den Fluren.« Die Zahl der von Coronapatientinnen und -patienten belegten Betten in der Stadt ist innerhalb einer Woche um ein Drittel gewachsen, von 478 auf 637.

Nun könnte man sich auf den Standpunkt stellen, dass einen das alles im Grunde nicht zu interessieren braucht, solange die Intensivstationen nicht wirklich überlaufen. Es leidet doch nur das medizinische Personal, einmal mehr. Mehr als 30 Millionen Deutsche haben eine Covid-Infektion bereits hinter sich, und viele haben sie zwar als unangenehm, aber so schlimm dann doch auch wieder nicht erlebt. Die Angst ist weg, ist doch alles nicht so schlimm.

Nicht einmal das stimmt

Aber nicht einmal das stimmt, so bitter das ist. Denn mittlerweile ist die Datenlage ziemlich überzeugend, die nahelegt: Corona ist nicht nur für die Menschheit als Ganzes eben nicht vorbei – die Krankheit setzt sich auch in einer gewaltigen Zahl von Betroffenen dauerhaft fest.

Ich gebe zu, dass ich »Long Covid« lange mit einer gewissen Skepsis betrachtet habe. Wenn man Psychologie studiert, lernt man viel über die Fähigkeit von Menschen, ihre eigenen Probleme und aktuellen körperlichen Beschwerden in ein Schema einzupassen, das gerade gängig ist. Es hat in den vergangenen 150 Jahren eine ganze Reihe von solchen Modediagnosen gegeben, und Long Covid könnte sich da durchaus einfügen.

Alles umgedeutete Depressionssymptome?

Es gibt sogar Ergebnisse, die dafür sprechen, das genau das bei einer Untergruppe der vermeintlich Betroffenen Patientinnen und Patienten tatsächlich der Fall ist: Zum Beispiel findet eine aktuelle, sehr groß angelegte Studie aus Schottland , die in »Nature Communications« publiziert wurde, eine Korrelation zwischen Long-Covid-Symptomen und Depressionen. Dass Depressive aber Probleme wie Antriebslosigkeit, Müdigkeit oder Konzentrationsprobleme beschreiben, ist nicht ungewöhnlich – dass sie diese Symptome nach einer Covid-Infektion auf Nachfrage als Spätfolge dieser Infektion interpretieren könnten, erscheint zumindest nicht abwegig.

Insgesamt können aber solche Umdeutungen nicht erklären, was bei dieser Studie mit insgesamt über 96.000 Befragten sonst so herauskam. Zumal sie, anders als viele andere Long-Covid-Studien, auch über eine Kontrollgruppe verfügt: Es wurden auch fast 70.000 Menschen mit negativen Coronatestergebnissen nach ihren Symptomen gefragt. Sie und auch die Befragten, die tatsächlich einen positiven Test oder eine Coronainfektion hinter sich hatten, wurden dann 6 bis 18 Monate später erneut befragt, zum Teil mehrfach.

Signifikante Unterschiede

Die Ergebnisse zeigen, dass sich zwar auch viele der Befragten, die nie an Covid-19 erkrankt gewesen waren, manchmal müde fühlten, über Kopf-, Gelenk-, Muskelschmerzen oder Atemnot klagten. Doch all diese und eine ganze Reihe weitere Symptome beschrieben diejenigen, die zuvor symptomatisch an Corona erkrankt waren, signifikant häufiger. Besonders ausgeprägt war der Unterschied beim Symptom Konzentrationsschwierigkeiten, und bei typischen Covid-Symptomen wie dem Verlust des Geschmacks- und Geruchssinns. Insgesamt berichteten die ehemals symptomatisch an Corona Erkrankten bei 24 von 26 abgefragten Symptomen signifikant häufiger, dass sie weiterhin an ihnen litten.

Quelle       :       Spiegel-online        >>>>>         weiterlesen

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Oben     —   Eine grafische Darstellung von Lock-down während Covid-19

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2.) von Oben    —     Christian Stöcker (2017)

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Eine Hölle auf Erden

Erstellt von Redaktion am 22. Oktober 2022

Kita- und Schulessen sowie Werbung prägen Gewohnheiten

Am 30. März 2021 brannten die Ställe der Schweinezuchtanlage Alt Tellin vollständig ab. Mehr als 40000 Schweine (Muttersauen und Ferkel) kamen dabei um.

Von Friederike Schmitz

Ein paar Quadratmeter mehr reichen weder für Tier- noch für Klimaschutz aus. Alles spricht für einen schnellen Ausstieg aus der Tierindustrie.

Die Ampelregierung feiert es als großen Durchbruch: Am 12. Oktober hat das Bundeskabinett ein Gesetz zur Tierhaltungskennzeichnung beschlossen. Fünf verschiedene Haltungsstufen sollen Transparenz beim Fleischeinkauf schaffen. Außerdem gibt es eine Milliarde Euro Förderung für den Stallumbau sowie für laufende Kosten der Tierhaltung. Das Ganze gilt als Startschuss für den „Umbau der Tierhaltung“ und dieser ist die Antwort des Landwirtschaftsministeriums auf all die Probleme, die mit dem aktuellen System der Tierindustrie verbunden sind. Das Ziel sei eine Tierhaltung, die dem Tierschutz und dem Klimaschutz gerecht werde, verkündete Ernährungs- und Landwirtschaftsminister Cem Özdemir am Tag des Beschlusses.

Tatsächlich lassen sich aber mit dem geplanten Umbau der Tierhaltung diese hehren Ziele gar nicht erreichen. Die Maßnahmen sind in Anbetracht der realen Probleme nicht nur unzureichend, sondern sogar kontraproduktiv. Es braucht eine andere, viel mutigere Agrarpolitik – verbunden mit einer sinnvollen Ernährungspolitik, die endlich anerkennt, dass die Ernährung keine bloße Privatsache ist.

Ziel der neuen Kennzeichnung ist laut dem Ministerium, die „Leistung der Landwirtinnen und Landwirte für eine artgerechtere Tierhaltung sichtbar“ zu machen und so für mehr Tierschutz zu sorgen. Welche Bedingungen heute in Ställen und Schlachthöfen herrschen, ist zwar regelmäßig im Fernsehen zu sehen, wenn Politmagazine heimlich gedrehte Videos veröffentlichen. Trotzdem benennt kaum jemand in Medien oder Politik das Elend, ohne zu verharmlosen. Die Tierindustrie bedeutet für hunderte Millionen von Hühnern, Puten, Schweinen und Rindern nichts anderes als die Hölle auf Erden. Mit überzüchteten Körpern eingesperrt auf engstem Raum, leiden sie unter massiven Bewegungseinschränkungen und Beschäftigungslosigkeit, dazu kommen Stress, Angst, üble Krankheiten und Verletzungen.

Die Kennzeichnung und die Milliardenförderung ändern daran so gut wie nichts. Zunächst soll nur Schweinefleisch gekennzeichnet werden. Fördergelder sind für Umbauten in höhere Stufen vorgesehen. Die zweitschlechteste Stufe schreibt für Mastschweine 20 Prozent mehr Platz vor. Das bedeutet, dass man auf der Fläche eines Standard-Autoparkplatzes statt 16 nur 13 Schweine einsperren darf. In der nächsten Stufe dürfen es noch elf Schweine pro Parkplatz sein und es muss eine offene Stallseite für Frischluft geben. In der besten Stufe, der Biohaltung, bekommen die Schweine „Auslauf“ – was gut klingt, ist in der Realität eine betonierte Außenbucht, wobei die Fläche eines Autoparkplatzes für zwölf Schweine reicht.

In keiner dieser Haltungsformen können die Schweine im Boden wühlen, was sonst eine ihrer Hauptbeschäftigungen wäre. Sie können sich weder suhlen noch ihre Neugier und ihr Sozial- und Familienverhalten ausleben. In höheren Haltungsstufen sind die Tiere auch nicht weniger krank – die Gesundheit ist gar kein Kriterium bei der Kennzeichnung. Die Bedingungen bei Transport und Schlachtung bleiben ebenfalls gleich. Das kurze Leben der Schweine wird also weiterhin die Hölle auf Erden sein. Die geplanten Veränderungen sind bloße Kosmetik in einem System, das auf Ausbeutung und Gewalt beruht.

Auch im Hinblick auf die anderen fatalen Folgen der Tierindustrie schafft ein Umbau von Ställen keine Verbesserung. Um die immensen Treibhausgasemissionen zu verringern, braucht es einen drastischen Abbau der Tierzahlen, der außerdem unverzichtbar ist, um den Landverbrauch zu stoppen, Verschwendung zu begrenzen und die globale Ernährungssicherheit zu verbessern. Auf freiwerdenden Flächen könnte man Moore Wiedervernässung, Wälder Pflanzen oder andere Ökosysteme renaturieren, wodurch auch Treibhausgase eingelagert würden. Studien zeigen, dass sich mit einer globalen Umstellung auf pflanzliche Nahrung die Gesamtemissionen der Menschheit um ganze 28 Prozent verringern ließen. Das zeigt die Dimensionen auf, um die es geht. Vor dem Hintergrund, dass uns gerade buchstäblich die Welt wegbrennt, dürfen wir uns diese Chance nicht entgehen lassen.

Die Regierung formuliert zwar immer mal wieder als Ziel, dass weniger Tiere gehalten werden, unternimmt aber konkret nichts. Wenn Stall­umbauten gefördert werden ohne Verpflichtung zum Abbau, kann das hohe Tierzahlen stabilisieren: Wer heute in einen Umbau investiert, will mit dem neuen Stall noch 30 Jahre Geld verdienen.

Aber was ist die Alternative? Statt halbherzigen Reförmchen braucht es jetzt einen konsequenten Ausstieg aus der Tierindustrie. Denn um Tier-, Umwelt- und Klimaschutz gerecht zu werden, müssen sehr viele Ställe in Deutschland nicht nur umgebaut, sondern geschlossen werden.

Es ist klar, dass eine solche Transformation für die betroffenen Land­wir­t*in­nen gerecht gestaltet werden muss. Zu diesem Zweck muss es Entschuldungs- und Entschädigungsprogramme geben, wie sie in den Niederlanden teilweise schon umgesetzt werden. Außerdem braucht es Beratungsangebote und Förderung für die Umstellung auf andere Betriebszweige. Das ist letztlich sogar fairer, als wieder Anreize für Investitionen in eine Tierhaltung zu schaffen, die nicht zukunftsfähig ist.

Die Tierindustrie drastisch abzubauen und dann zu beenden, ergibt natürlich nur Sinn, wenn sich die Ernährungsweisen entsprechend verändern. Wenn wir weiterhin dieselben Mengen an Fleisch, Milch und Eiern verzehren, müssten die Produkte aus dem Ausland kommen. Damit wäre wenig gewonnen. In der Politik herrscht allerdings bis heute das Dogma vor, dass die Ernährung eine reine Privatsache sei. Kurz nachdem der Grüne Özdemir vor einem Jahr das Landwirtschaftsministerium übernommen hatte, beeilte er sich zu betonen: „Wer wann was isst, geht den Minister für Ernährung und Landwirtschaft und die Bundesregierung nichts an.“ Genau dieselbe Idee hatten auch seine Vor­gän­ge­r*in­nen im Amt aus CDU und CSU immer wieder unterstrichen: Andere Menschen oder gar der Staat haben sich in die Ernährung der Bür­ge­r*in­nen nicht einzumischen.

Dieses Dogma ist aber ebenso falsch wie gefährlich. Denn erstens sind die Folgen der vorherrschenden Ernährungsweisen nicht privat. Wenn Millionen Tiere überall im Land furchtbare Qualen erleiden, geht uns das alle an. Wenn die Erzeugung von Tierprodukten riesige Mengen an knappen Böden und Ressourcen beansprucht und die Klimakatastrophe befeuert, betrifft das die ganze Gesellschaft.

Zweitens sind nicht nur die Folgen, sondern auch die Ursachen, also die Bedingungen und Einflussfaktoren dafür, was Menschen essen, nicht privat. Das Ernährungsverhalten hängt nämlich stark davon ab, was überhaupt angeboten wird und zu welchem Preis. Davon, was seit der Kindheit als normale Ernährung eingeübt wurde. Ebenso davon, was kulturell und sozial als gutes Essen gilt. All diese Faktoren sind auch Resultate politischer und anderer kollektiver Entscheidungen – und diese Dimension wird ausgeblendet, wenn man die Verantwortung allein den Kon­su­men­t*in­nen zuschiebt. So hat die Politik über die letzten Jahrzehnte unter anderem mit finanziellen Förderungen die Tierindustrie mit aufgebaut und stützt sie weiterhin. Das beeinflusst Angebot und Preise. Kita- und Schulessen sowie Werbung prägen Gewohnheiten und Vorlieben.

An solchen Stellschrauben kann und muss man ansetzen. Zu den Maßnahmen gehört: Kantinen auf pflanzliche Verpflegung umstellen. Tierprodukte höher besteuern, pflanzliche Produkte günstiger machen. Subventionen umschichten. Werbung für Tierprodukte verbieten. Aufklärungskampagnen über die Vorteile pflanzlicher Ernährung veranstalten. Weiterbildungen für Köchinnen organisieren. Solidarische Landwirtschaften und günstige pflanzliche Mittagstische fördern.

Quelle        :          TAZ-online          >>>>>        weiterlesen

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Politisches Chaos BRD

Erstellt von Redaktion am 20. Oktober 2022

Wo ist sie geblieben – Die Demokratie ?

Quelle       :        Scharf  —  Links

Ein Kommentar von Georg Korfmacher, München

An sich sollte man meinen, dass die derzeitige Bundesregierung genügend mit den Problemen im eigenen Land und untereinander zu tun hat. Die Konzept- und Ideenlosigkeit unter Kanzler Scholz spürt man aber besonders im Hinblick auf die Welt und China.

Und der Grund dafür kann durchaus in unserem „demokratischen“ Gebaren liegen. Mehrheitlich gewählt war die SPD, und damit war die Wahl nach demokratischen Regeln vorbei. Die nachfolgende Koalitionsbildung entzog sich jedem Wählereinfluss und -willen mit der Folge, dass wir jetzt ein totales Chaos haben. Die Außenministerin schießt einen Bock nach dem anderen, der Finanzminister funkt in Dinge hinein, die an sich Sache des Wirtschaftsminister sind (Atomkraftwerke) und in die jetzt der Kanzler mit einem Machtwort hineingrätscht, die Verteidigungsministerin hat sich von der anfänglichen Lieferung von Schutzhelmen an die Ukraine heute zur Lieferung schwerster Waffen entschlossen, die aber noch gar nicht hergestellt sind und erst in Jahren zur Verfügung stehen.

Wenn überhaupt. Die dringende Ablösung der Grundsicherung durch das von der SPD entwickelte Bürgergeld widersetzt sich die FDP mit der Bagatellisierung der Not der Betroffenen, und der Gesundheitsminister kann sein Amt wegen Morddrohungen nur unter Polizeischutz ausüben. Zu allem Überdruss folgen Scholz, Baerbock und Habeck blind der kurzsichtigen US-Politik in Sachen China und gefährden so Gegenwart und Zukunft unserer Industrie.

Besser als am Beispiel Duisburg kann China seine Absichten und Taten nicht vorführen, und trotzdem verweigert Habeck Hamburg ein ähnliches Projekt mit China zur Verbesserung der Lieferketten. Aber wohlgemerkt, in die Abhängigkeit von China hat sich die deutsche Industrie planvoll und profitgeil selbst geführt. Nur wenige Großfirmen haben inzwischen das Potential in China richtig erkannt und investieren dort heute ebenso wie in den USA, Brasilien, Kanada oder sonst wo im Rahmen ihrer globalen Geschäftstätigkeit.

Vorhalle - Dreieckgiebel

Niemand schrieb: Den Deutschen Politiker-innen    !!!

Unser Kanzler reist derweil emsig, spricht viel und sagt wenig, während Baerbock und Habeck sich an Aufgaben versuchen, auf die sie ganz offensichtlich nicht vorbereitet waren, und Lindner tolldreist gegen fast alle Vorhaben seiner Amtskollegen ist und eindeutig kapitalistische Interessen vertritt.

Alles ist stets im Wandel, wussten schon die alten Griechen. Und jedem Wandel muss man sich mit Hirn und Umsichtig stellen, wenn man weiterkommen will. Das von unserer Regierung potenzierte Chaos führt zu gar nichts, allenfalls zum Scheitern. Bei einer Neuwahl kann man nur hoffen, dass der Wahlsieger auch alleine regieren kann, um den Wählerwillen trotz Unvorhersehbarkeiten auch umzusetzen. Schon 2005 monierte die Bundeszentrale für politische Bildung (bpb): „Das bislang so eigentümlich beständige deutsche Parteiensystem steht heute vor fundamentalen Verwerfungen, weil es die veränderten Konfliktlagen der Gesellschaft nicht mehr angemessen widerspiegelt und abbildet“.

Damals galt das zwar besonders im Hinblick auf die Wiedervereinigung. Heute gilt das umso mehr in einer Zeit einer von der Natur plötzlich und unerwartet ausgelösten Pandemie und eines von Menschen provozierten Krieges und Klimawandels mit weltweiten insbesondere wirtschaftlichen Auswirkungen. Dabei haben wir keine Zeit mehr bis unsere Politiker endlich aus ihren Machtträumen aufwachen. Mit jedem Tag ohne zeitnahes und nachhaltiges Handeln verlieren wir wertvolle Zeit zum Schaden unserer Gesellschaft!

Urheberrecht
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Oben      —   70 Jahre Grundgesetz, Transparente am St. Ursula Gymnasium in Freiburg

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Abschaffung der Sklaverei

Erstellt von Redaktion am 17. Oktober 2022

Stimmen abolitionistischer Theoretiker*innen und Aktivist*innen

Datei:Black Lives Matter in Stockholm 2020.jpg

Quelle     :     Untergrundblättle – CH

Von    :    Jonathan Eibisch

In ihrem Sammelband zu Abolitionismus veröffentlichen Vanessa E. Thompson und Daniel Loick 21 wertvolle Beiträge vornehmlich Schwarzer Aktivist*innen und politischer Theoretiker*innen.

Damit importieren sie eine wichtige Debatte in den deutschsprachigen Kontext, die durch die Black-Lives-Matter-Bewegung inzwischen eine breitere Öffentlichkeit gewonnen hat.

Überwachen und Wegsperren als Programm

Im Grunde ist es leider so einfach: Mit der Durchsetzung der neoliberalen Form des Kapitalismus seit den 1970er-Jahren ging ein massiver Abbau sozialstaatlicher Absicherung und öffentlicher Infrastruktur mit dem Ausbau des Polizeiapparates, des gefängnisindustriellen Komplexes sowie verstärkter Kriminalisierung von Bagatelldelikten einher. Statt sich nach den vermeintlich besseren Zeiten des Nachkriegswirtschaftsbooms und keynesianistischen Wohlfahrtsstaates zurückzusehnen, ist es an der Zeit, danach zu fragen, wem das staatliche Polizieren – Überwachung, Kontrolle und Reglementierung der Bevölkerung – überhaupt dient.

Machen wir uns nichts vor: Auch und gerade in der BRD fällt es den allermeisten Menschen äußerst schwer, sich die Abschaffung von Polizei, Gefängnissen und Justizwesen vorzustellen. Dass der Rassismus in seinen verschiedenen Facetten als strukturelle Ausgrenzungs- und Diskriminierungsform überwunden werden muss – und kann –, ist für viele ebenfalls schwer zu begreifen. Gerade deswegen lohnt es sich, unseren Blick darauf zu richten, was es aus anarchistischer Sicht anzustreben gilt: Die Überwindung des Staates, angefangen bei der Abschaffung seiner repressiven Instanzen, welche durch selbstorganisierte Institutionen zur Gewährleistung von Sicherheit und zur Herstellung von Gerechtigkeit ersetzt werden sollen. Antirassismus, Gefängnisabschaffung und Polizeikritik

Was wie eine weltfremde Spinnerei wirken könnte, wird in US- amerikanischen Aktivist*innen- Kreisen aus Notwendigkeit heraus seit geraumer Zeit diskutiert. Statt liberalen Reformprojekten nachzugehen, versuchen jene, die Probleme bei der Wurzel fassen – und zugleich pragmatische Veränderungen zu erkämpfen. Und dies ist durchaus sinnvoll, denn worauf es ankommt, ist die Perspektive, die wir auf die Gegenwartsgesellschaft und auf Ansatzpunkte für ihre emanzipatorische Veränderung entwickeln.

Beim Abolitionismus werden Antirassismus, Gefängnisabschaffung und die Kritik an der Polizei miteinander verknüpft gedacht. Ausgehend von der Feststellung, dass es eine Kontinuität von der historischen Versklavung zur massenhaften Inhaftierung verarmter Schwarzer und der übermäßigen Polizeigewalt gegen sie gibt, wird z. B. offensichtlich, dass bei Morden durch Polizist*innen struktureller Rassismus am Werk ist. Insbesondere arme Schwarze Menschen werden im öffentlichen Bewusstsein als per se kriminell vorverurteilt. Dazu tragen auch Nachrichten und Film bei, die ein völlig verzerrtes Bild von alltäglicher Polizeiarbeit produzieren.

In Wirklichkeit beruht der moderne kapitalistische Staat auf Rassismus, ebenso wie die Klassengesellschaft ihn befördert (auch wenn die rassistisch ausgetragene Konkurrenz der Lohnarbeiter*innen nicht der einzige Faktor für Rassismus ist). Daher gilt es, die Forderung nach Emanzipation ernstzunehmen, die gesamtgesellschaftliche Entwicklung am Stand der Emanzipation diskriminierter sozialer Gruppen zu messen und solidarisch deren Perspektive einzunehmen. Nachweislich steht die umfassendere Inhaftierung der als „gefährliche Klassen“ gerahmten Bevölkerungsgruppen in keinem Zusammenhang mit einer Absenkung der statistischen Kriminalitätsrate, sondern befördert im Gegenteil soziales Elend und Gewalt in den betroffenen communities. Gefängnisse führen in fast keinem Fall zur „Besserung“ von gewalttätigen Personen. Stattdessen entziehen sie der Gesellschaft enorme finanzielle Ressourcen, welche daher nicht für die Behebung von sozialen Problemen (z. B. übermäßiger Gebrauch von Drogen und der Handel damit, miserable Wohnverhältnisse, patriarchale Gewalt, mangelnde Bildungsmöglichkeiten) eingesetzt werden können.

Was die Polizei als Institution angeht, ist deren Funktion zur Verbrechensbekämpfung eher ein Nebenprodukt zu ihrer Legitimation gegenüber liberaler Kritik. Bei ihrer Entstehung ab Anfang des 19. Jahrhunderts bestanden die Kernaufgaben von kommunalen Polizeidepartements darin, Unruhen systematischer und effektiver niederzuschlagen, als es das Militär konnte, Streiks zu brechen, rebellische Stadtviertel durch Bestreifung in Schach zu halten und Oppositionelle zu überwachen und zu bedrohen. Allein aus diesen Gründen ist die Herangehensweise, diese repressiven Staatsapparate zu überwinden und ihnen die Ressourcen zu entziehen, ein nachvollziehbarer Ansatzpunkt für Gruppen von Betroffenen und für eine radikale Kritik an der bestehenden Herrschaftsordnung. Seit einiger Zeit widmen sich dem auch Gruppen in Deutschland. (1)

Aspekte einer anarchistischen Theoriebildung

Im Sammelband werden kürzere Beiträge von Aktivist*innen wie Angela Davis, Mumia Abu- Jamal oder Che Gosset mit ausführlichen theoretischen Texten, etwa von Alex S. Vitale, Amna A. Akbar oder Allegra M. McLeod, abgewechselt. Letztere sind dabei auch Professor*innen für Rechtswissenschaften, Soziologie oder Politikwissenschaften. Mit der Zusammenstellung und dem Stil der jeweiligen Beiträge wird versucht, eine Brücke zwischen abolitionistischem „Aktivismus“ und der theoretischen Unterfütterung und Reflexion dieses Ansatzes für soziale Bewegungen zu schlagen. Wer sich über die täglichen Erfahrungen mit Polizeigewalt, rassistischer Diskriminierung und dem Elend der Gefängnisgesellschaft hinaus mit deren Entstehung, Funktionsweise und Logiken auseinandersetzen möchte, findet im Reader reichlich Material.

Die entwickelten Theorien dienen damit als Werkzeugkiste zur Bestärkung, Fundierung, Legitimierung und Vernetzung einer ganzen Sammlung unterschiedlicher abolitionistischer Bestrebungen – von lokalen Black- Lives-Matter-Gruppen, die sich für Gerechtigkeit nach Morden durch Polizist*innen einsetzen, über anarchistische Anti-Gefängnis-Initiativen, community organizing in Gemeinschaften marginalisierter sozialer Gruppen bis hin zur zivilgesellschaftlichen antirassistischen Bildungsarbeit. Wie engagiert auch immer kritische Intellektuelle dabei sind – eine dynamische, langfristige und selbstorganisierte soziale Bewegung lässt sich nicht einfach herbeischreiben. Doch was die Autor*innen in ihren jeweiligen Beiträgen verdeutlichen, ist, dass jenen eine Stimme gegeben werden muss, welche schon lange unterdrückt und zum Schweigen gebracht werden.

Die Themenwahl, Perspektive und die eigene Positionierung sind daher keineswegs selbstverständlich für Akademiker*innen. Dies sollte auch eine Inspiration für den deutschsprachigen Kontext sein, in welchem sich kritisch eingestellte Intellektuelle viel deutlicher äußern sollten. Wissenschaft in Bezug auf eine soziale Bewegung engagiert zu betreiben und die dabei erzeugten Erkenntnisse in jene zurückfließen zu lassen, ist jedenfalls eine Theoriebildung im anarchistischen Sinne. Sie kann auch jenseits von staatlichen Universitäten stattfinden, wie dieser Sammelband zeigt.

Libertär-sozialistische Transformationsbestrebungen

„Nicht-reformistische Reformen“ ist das Stichwort, an welchem sich Verfechter*innen abolitionistischer Ansätze in einer Suchbewegung entlanghangeln. Damit beschreiben sie meines Erachtens einen pragmatischen Anarchismus. Mit diesem wird auf das entfernte – aber durchaus plausible und begründbare – Ziel der Abschaffung und Ersetzung von Gefängnissystem, Polizei und Justizwesen hingearbeitet, während im selben Zuge konkrete Verbesserungen innerhalb der bestehenden Institutionen angestrebt werden. Dass uns die Überwindung der repressiven Staatsapparate als „utopisch“ erscheint, liegt in den Kräfteverhältnissen und der Beständigkeit von Herrschaftsideologie und ihrer Profiteur*innen und keineswegs in der Sache als solcher begründet.

Selbstverständlich lässt sich Gerechtigkeit mit den entsprechenden Instrumenten und Verfahren innerhalb von selbstorganisierten communities herstellen. Auch für Sicherheit kann wesentlich besser gesorgt werden, wenn Menschen in einer Nachbar*innenschaft funktionierende und solidarische Beziehungen zueinander unterhalten, statt sich aufgrund von Gewalt und Elend gegenseitig zu misstrauen und anzufeinden. Dies bedeutet mitnichten, dass es bei Abschaffung des staatlichen Überwachens, Strafens und Reglementierens keinerlei Probleme und Konflikte mehr gäbe.

Für die Annahme, dass diese sich aber anders und potenziell deutlich besser bearbeiten und lösen lassen, wenn alternative Institutionen und Verfahren entwickelt und eingeübt werden, gibt es gute Gründe. Bürger*innenhaushalte, in denen die Bewohner*innen von Stadtvierteln selbst festlegen, wofür sie ihre öffentlichen Steuergelder verwenden, sind ein Ansatzpunkt zur Umstrukturierung.

Gerade um die repressiven Staatsapparate graduell zu beschränken, zielt der Abolitionismus auf die Überwindung einer Gesellschaft, in welcher Gefängnisse überhaupt als notwendig erachtet werden. Insofern ist die „abolition democracy“ als ein Projekt zur sozial-revolutionären Gesellschaftstransformation zu begreifen. Viele der versammelten Beiträge sind dahingehend ebenso lesenswert wie das Vorwort der Herausgeber*innen.

Anmerkungen:

(1) siehe z.B. https://www.cop- watchffm.org/; https://kop-berlin. de/beitrag/neue-copwatch-gruppe-in-freiburg-gegrundet und https:// copwatchleipzig.home.blog/; https://copwatchhamburg.blackblogs.org/; http://kop-kiel.de/

Daniel Loick, Vanessa E. Thompson (Hg.): Abolitionismus. Suhrkamp Taschenbuch 2022. 619 Seiten, CHF ca. 32.00 ISBN: 978-3-518-29964-7

Zuerst erschienen in Graswurzelrevolution #472

Soweit nicht anders angegeben und keine Quellenangabe (Name einer Organisation oder Internet-Adresse) vorhanden ist, gilt für die Texte auf dieser Webseite eine Copyleft (Public Domain) Lizenz.

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Grafikquellen          :

Oben      —      Black Lives Matter-Manifestation in Stockholm am 3. Juni 2020.

Verfasser Frankie Fouganthin      /       Quelle     :    Eigenes Werk KulturSthlm   /    Datum  :  3. Juni 2020

Diese Datei ist lizenziert unter der Creative Commons Attribution-Share Alike 4.0 International Lizenz.

 

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Haft für Mord auf Malta

Erstellt von Redaktion am 17. Oktober 2022

Lange Haftstrafen für Mörder von Daphne Caruana Galizia
nach überraschendem Vergleich

Quelle       :        Scharf  —  Links

Von  :    Reporter ohne Grenzen

Unmittelbar nach Eröffnung des ersten Strafprozesses zum Mord an der Journalistin Daphne Caruana Galizia in Malta haben sich am Freitag (14.10.) die beiden Auftragsmörder Alfred und George Degiorgio schuldig bekannt und auf Grundlage eines Vergleichs Haftstrafen von je 40 Jahren erhalten.

Damit umgingen sie lebenslange Haftstrafen. Diese Entwicklung kommt umso überraschender, als die beiden Brüder stets ihre Unschuld beteuert und noch vor kurzem für eine Verzögerung des Gerichtsverfahrens gekämpft hatten. Reporter ohne Grenzen (RSF) begrüßt die Verurteilung, fordert aber weiterhin, dass alle an der Ermordung Beteiligten strafrechtlich verfolgt werden und das Verbrechen restlos aufgeklärt wird.

„Wir setzen unsere Kampagne für Gerechtigkeit für Daphne Caruana Galizia fort. Denn eine restlose Aufklärung des Falls ist nicht nur für die Lage der Pressefreiheit in Malta von Bedeutung, sondern auch international“, sagte RSF-Geschäftsführer Christian Mihr. „Viel zu viele Fälle von Morden an Medienschaffenden bleiben straflos. Aber wenn Gerechtigkeit hergestellt wird, sendet dies ein klares Signal, dass solche abscheulichen Verbrechen nicht ohne Folgen bleiben. Wir werden auch die kommenden Gerichtsverfahren in diesem Fall genau verfolgen und uns für dringend notwendige Reformen für die Pressefreiheit einsetzen, damit so etwas nie wieder passiert – weder in Malta noch anderswo.“

Am Freitag begann fast auf den Tag genau fünf Jahre nach dem Mord vom 16. Oktober 2017 der Prozess gegen die beiden Auftragsmörder Alfred und George Degiorgio, bei dem rund 100 Zeuginnen und Zeugen angehört werden sollten und ein Geschworenenurteil gesprochen werden sollte. Das Verfahren wurde jedoch abrupt abgekürzt, indem die beiden Angeklagten auf „schuldig“ plädierten und einen Vergleich aushandelten. Neben einer Haftstrafe von jeweils 40 Jahren wurden sie dazu verurteilt, je 42.930 Euro für Gerichtskosten zu zahlen sowie zusätzlich je 50.000 Euro, die sie als Lohn für den Mord erhalten hatten.

Die Brüder Degiorgio waren bereits im Dezember 2017 festgenommen worden, nur wenige Monate nachdem Daphne Caruana Galizia am 16. Oktober 2017 durch eine Autobombe getötet worden war. Mit diesem Verfahren begann der erste Prozess überhaupt gegen Beteiligte an dem Verbrechen – knapp fünf Jahre nach der Tat eine längst überfällige Entwicklung. Fünf weitere Männer sind im Zusammenhang mit der Ermordung angeklagt und warten auf ihren Prozess, darunter der mutmaßliche Drahtzieher Yorgen Fenech.

„Wir begrüßen die Verurteilung von Alfred und George Degiorgio, die ein längst überfälliger Schritt in Richtung Gerechtigkeit für den Mord an Daphne Caruana Galizia ist. Fast fünf Jahre danach ist es wichtiger denn je, sicherzustellen, dass alle an diesem abscheulichen Verbrechen Beteiligten zur Rechenschaft gezogen werden“, sagte Pavol Szalai, Leiter des EU- und Balkan-Referats von RSF, der im Rahmen einer gemeinsamen Mission internationaler Nichtregierungsorganisationen als Beobachter im Gericht saß. Die Mission war zum fünften Jahrestag in das Land gereist, um sich für Reformen im Bereich der Pressefreiheit einzusetzen und an Gedenkveranstaltungen teilzunehmen.

Der Prozess hatte eigentlich schon am 4. Oktober beginnen sollen. Er wurde aber verschoben, als Alfred Degiorgio nach einem Krankenhausaufenthalt aufgrund seines Hungerstreiks nicht vor Gericht erschien. Die Richterin verurteilte ihn wegen Missachtung des Gerichts zu einer Geldstrafe und ordnete die Wiederaufnahme des Verfahrens für den 14. Oktober an. Die RSF-Direktorin für internationale Kampagnen, Rebecca Vincent, beobachtete das Verfahren am 4. Oktober sowie eine Anhörung am 6. Oktober im Rahmen einer Verfassungsklage, die die Degiorgios eingereicht hatten, um ihrem gerade neu ernannten Rechtsbeistand mehr Zeit für die Vorbereitung zu geben. Beide Brüder nahmen an der Anhörung am 6. Oktober teil, obwohl Alfred nur zwei Tage zuvor behauptet hatte, zu schwach zu sein, um vor Gericht zu erscheinen. Die Richterin wies die Verfassungsbeschwerde am 11. Oktober zurück, so dass der Strafprozess wie geplant am 14. Oktober fortgesetzt werden konnte.

Der dritte Auftragsmörder war bereits im Februar 2021 ohne Gerichtsprozess zu einer langen Haftstrafe verurteilt worden. Vincent Muscat wurde ebenfalls im Rahmen eines Vergleichs zu 15 Jahren Gefängnis und zur Zahlung von Gerichtskosten in Höhe von 42.000 Euro verurteilt. Kurz zuvor hatte Muscat sich schuldig bekannt, an der Ermordung beteiligt gewesen zu sein und unter anderem die Bombe unter dem Auto mit platziert zu haben.

Auf der Rangliste der Pressefreiheit steht Malta auf Platz 78 von 180 Staaten. Seit der Ermordung von Daphne Caruana Galizia im Jahr 2017 ist das Land um 31 Plätze abgerutscht. Mehr Informationen zur Lage der Pressefreiheit in Malta unter www.reporter-ohne-grenzen.de/malta.

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Weiteres im Rückblick auf DL :

Mord an einer Mutigen

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Grafikquellen       :

Oben   —    Daphne Caruana Galizia,  https://twitter.com/RED92cadadiamas

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Unten   —   55 Triq Ix – Xatt, Tas-Sliema SLM 1022, Malta

Diese Datei ist unter der Creative-Commons-Lizenz „Namensnennung – Weitergabe unter gleichen Bedingungen 3.0 nicht portiert“ lizenziert.
Namensnennung: Alan C. Bonnici

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Pazifismus-Hart, aber nötig

Erstellt von Redaktion am 15. Oktober 2022

Pazifismus konnte den Ukrainekrieg nicht verhindern.

Skulptur „Denkmal für die unbekannten Deserteure“ von Mehmet Aksoy, 1989, in Potsdam.

Von Gereon Asmuth

Das alte Ideal im Sinne der UN-Charta ist dennoch nötig, um den Krieg tatsächlich zu beenden. Keine der reinen Lehren führt zum Frieden, nur der für alle schmerz­hafte Kompromiss.

Pazifismus ist nichts für Weicheier. Wenn es dazu noch eines Beweises bedurft hätte, haben die mittlerweile acht Monate Krieg gegen die Ukraine ihn erbracht. Wer sich skeptisch gegenüber weiteren Waffenlieferungen äußert, die Ansicht verbreitet, dass an Verhandlungen kein Weg vorbeiführe oder gar die Utopie einer Welt nicht aufgeben will, die auch gewaltsame Konflikte am Ende gewaltlos lösen kann, wird von allen Seiten zusammengeschossen. Selbst von ehemals Gleichgesinnten.

Denn auch einst stolz Zivildienstleistende, die den Akt der Kriegsdienstverweigerung wie einen Orden an der Brust tragen, eilen mit fliegenden Fahnen an die Front.

Dort trifft man keineswegs nur solche Egotypen wie FDP-Chef Christian Lindner, der heute ganz offen zugibt, dass er als junger Mann den Wehrdienst nur deswegen vermieden hat, weil der zivile Ersatzdienst besser zu seinen Geschäften als upstartender Yuppie mit Lederkoffer passte. Das klingt rückblickend wie ein Beleg der vielfach vertretenen These, dass die Kriegsdienstverweigerer in den 80ern vor allem Drückeberger waren. Aber es ist kein Grund zur Häme. Im Gegenteil. Wenn ein 18-Jähriger erkennt, dass der Bundeswehrdienst ökonomisch betrachtet verballerte Zeit ist, zeugt das ja von einer gewissen Lebensweisheit. Peinlich ist allenfalls, dass Lindner sich später quasi als Lebenslauf-Update doch noch zum Reserveoffizier berufen ließ.

Pazifismus in Zeiten schweigender Waffen ist ein modisches Accessoire, das man sich wie den Button mit der Friedenstaube ans Rever heftet. Wenn es wie jetzt zur Sache geht, verschwindet er bei den meisten schnell in der Kiste mit den anderen Jugendidealen, die man sich abgeschminkt hat. Schlaghose, Palituch, BAP-Platte, Peace-Zeichen. Alles verdammt lang her.

In Kriegszeiten praktizierende Pazifisten hingegen gelten schnell auch mal als Verräter. Wer in der Ukraine selbst aus guten Gründen nicht an die Front will, muss sich verstecken oder fliehen. Wer als Russe nicht auf Ukrai­ne­r:in­nen schießen will, wird bei der Flucht in Nachbarstaaten gar als Sicherheitsrisiko eingestuft. Deserteur gilt in Zeiten des Kriegs oft als Schimpfwort. Anerkennung darf man, wenn überhaupt, erst Jahrzehnte später erwarten. Wie gesagt: Pazifismus ist nichts für Softies.

Hinzu kommt: Der Pazifismus leidet mal wieder extrem unter einer ganzen Reihe seiner Für­spre­che­r-innen. Da sind zum einen die offensichtlichen Putin-Versteher:innen, mit denen man ums Verrecken nicht einer Meinung sein möchte. Die sind auch keineswegs gegen Gewalt, sondern allenfalls gegen Gewalt gegen Russland. Zum anderen sind da die Friedensfürsten, die mit einer unerträglichen Hybris mittlerweile nahezu täglich im TV oder in einer großen Zeitung darüber klagen dürfen, dass sie nicht zu Wort kämen. Als wäre Pazifismus nur was für Labertaschen.

Es steht also wahrlich nicht gut um den Pazifismus. Gehört er deshalb auf den Schrotthaufen gescheiterter Ideologien? Zeigt nicht gerade der menschenverachtende Angriffskrieg Russlands, dass An­hän­ge­r-in­nen gewaltloser Strategien jetzt einfach mal die Klappe halten sollten? Weil nur Panzer Putin zeigen, wo der Hammer hängt?

Ohne Zweifel muss man eingestehen: Pazifismus hat den Krieg nicht verhindern können. Und er wird ihn auch nicht stoppen, zumindest nicht, wenn man ihn nur mit dem Klischeebild von tanzenden Hare-Krishnas verbindet, die singend an die Front ziehen, um die Soldaten von ihrem Tun abzuhalten. Als wäre Pazifismus nur was für Traumtänzer.

Die Frage an alle, die den Pazifismus nun als weltfremd geißeln, muss trotzdem lauten: Was ist ihre Alternative? Denn auch alle anderen Deeskalationstools, die die Weltgemeinschaft ansonsten bereithält, haben diesen Krieg nicht verhindern können.

Da ist zum einen der Kapitalismus, von dem seine An­hän­ge­r-in­nen glauben, dass er alle Probleme der Welt von allein lösen kann. Im Falle Russlands setzen die Marktapologeten auf das altbewährte Konzept Wandel durch Handel. Oder wenigstens: Annäherung durch Handel. Das ist grundsätzlich nicht falsch. Im Gegenteil. Nichts ist besser zur Konfliktvermeidung als eine gegenseitige Öffnung. Das hat ja schon in den 1970ern unter Willy Brandt zwischen BRD und DDR funktioniert.

Dummerweise hat der Kapitalismus einen systemimmanenten Fehler: Ihm gelingt die eigentlich notwendige Internalisierung externer Kosten nicht. Kurz: In den Preis für Güter am Markt fließen nur die Kosten ein, die An­bie­te­r-in­nen und Her­stel­le­r-in­nen nicht auf andere abwälzen können. Bananen aus Ecuador sind billig in deutschen Supermärkten, weil das Leiden der Plan­ta­gen­ar­bei­te­r-in­nen nicht eingepreist ist. Autofahren ist günstig, weil die Folgen fürs Klima nicht mitbezahlt werden müssen. Und Gas aus Russland war preiswert, weil beim Import das spätestens seit 2014 bekannte Sicherheitsrisiko für die Ukraine keine Rolle spielte. Dass es dennoch bezahlt werden muss, sieht man aktuell Tag für Tag. Kapitalismus ist nur was für Ausblender.

Was haben Papiere noch für einen Wert – auf dem schon die Unterschrift eine Lüge des Verbreche ist?

Hinzu kommt, dass beim Russland-Gasgeschäft ein Anfängerfehler begangen wurde, den jeder nach einem Semester Betriebswirtschaftslehre auf dem Schirm hat: Geschäfte mit Monopolisten, aber auch mit marktbeherrschenden Oligarchen führen immer zu einem erhöhten Preis. Denn sie machen die Ab­neh­me­r-in­nen erpressbar. Und dass der zu zahlende Preis sich, wie bei den exorbitant gestiegenen Gasrechnungen, keineswegs nur in Euro oder Rubel berechnen lässt, zeigen die Bilder von den Raketeneinschlägen in der gesamten Ukraine.

Als Friedensgarant hat der Kapitalismus damit auf ganzer Linie versagt. Gescheitert ist auch die Strategie der militärischen Abschreckung. Wie das?, werden nun viele entgegnen. War die ­Armee der Ukrai­ne nicht einfach nur zu schwach, um Putin vom Angriff abzuhalten? Wenn man seinen Fokus allein auf das Kräfteverhältnis zwischen Russland und Ukraine richtet, mag das stimmen. Weitet man den Blick, erkennt man die Schieflage: Der Besitz von Atomwaffen hat den konventionellen Krieg nicht verhindert, sondern ermöglicht.

Eine Rückkehr zu den alten Geschäftsbeziehungen mit Russland verbietet sich von selbst. Die westlichen Staaten tun gut daran, sich von russischen Energielieferungen unabhängig zu machen. Schon um wenigstens auf dieser Flanke nicht mehr erpressbar zu sein.

Und eine militärische Lösung? Selbstverständlich, das kann man gar nicht oft genug betonen, hat die Ukraine das Recht sich zu verteidigen. Jeder Schlag gegen das russische Militär ist ein Grund zur Freude. Doch selbst wenn die Ukrai­ne sich komplett befreien könnte, Putin besiegen wird sie nicht. Dafür müsste sie den Despoten aus dem Kreml vertreiben. Das ist nicht einmal denkbar.

Der Krieg könnte damit allenfalls zum Stillstand kommen, in etwa so wie nach 2014, vielleicht mit einem etwas günstigeren Frontverlauf. Aber er wird weiterschwelen. Befriedigend im Wortsinne ist das nicht. Zumal Putin durch die Annexionen die Grenzen für einen Einsatz von Atombomben so verschoben hat, dass es für die Ukraine unakzeptabel sein muss.

Was also bleibt? Verhandlungen! Und zwar im Sinne des vom pazifistischen Weltgeist nach 1945 beschlossenen Artikel 33 der UN-Charta. Streitigkeit, deren Fortdauer geeignet ist, die Wahrung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit zu gefährden, heißt es dort, sollen durch Vermittlung, Vergleich, Schiedsspruch beigelegt werden. Die UN-Charta bleibt einer der größten Errungenschaften der Menschheit. Sie sollte dringend wieder ernst genommen werden.

Aber, wird an dieser Stelle gern eingewandt, mit Hitler wurde zum Glück auch nicht verhandelt. Stimmt. Aber das Deutsche Reich verfügte auch nicht über Atomwaffen und konnte in einem konventionellen Krieg besiegt werden. Aber, sagen andere, Putin will doch gar nicht verhandeln. Stimmt, wenn auch nicht ganz. Es gab schon erfolgreiche Gespräche über einen Gefangenenaustausch. Das ist nicht mehr als ein Anfang, aber immerhin. Aber, werfen Dritte ein, muss man Putin nicht etwas anbieten und kann die Ukraine dazu gezwungen werden? Ohne Zustimmung der Ukraine geht selbstverständlich gar nichts. Ohne Kompromiss aber auch nicht.

Quelle        :        TAZ-online         >>>>>        weiterlesen

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Oben     —   Skulptur „Denkmal für die unbekannten Deserteure“ von Mehmet Aksoy, 1989, in Potsdam, Deutschland.

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Linker Protest von rechts?

Erstellt von Redaktion am 14. Oktober 2022

Rechtspopulismus – der Anwalt der kleinen Leute?

Datei:AfD-Stand Mödlareuth 20201003 DSC4604.jpg

Quelle     :     Untergrundblättle – CH

Von     :    Johannes Schillo

Neue Veröffentlichung zu den „Gestalten der Faschisierung“. In Deutschland hat die niedersächsische Landtagswahl vom Oktober 2022 mal wieder Stoff geliefert, um das rechte Lager als die Kraft zu identifizieren, die den soziale Protest betreut.

Der legendäre kleine Mann, der stets verlor und nie gewann (wie der Sänger singt), hat jetzt also jemand gefunden, der sich wirklich um ihn kümmert? Fühlt er sich hier nun endlich (mit seiner kleinen Frau) ernst genommen – statt bei einer Linkspartei, die, mit internen Querelen und Lifestyle-Fragen befasst, ihm nichts zu bieten hat?„In der Krise mobilisiert die Rechte die Unzufriedenen im Land. Sie hat die soziale Frage gekapert. Dabei hat sie überhaupt keine Antwort,“ stellte taz-Journalist Erik Peters im Blick auf die letzten Proteste fest, zu denen die AfD etwa in Berlin oder in den neuen Bundesländern mobilisierte, und Peter Nowak kommentierte bei Telepolis zustimmend diese „Zustandsbeschreibung“. „Die Protestierenden in fünfstelliger Zahl“ hätten eigentlich bei der Linken auflaufen müssen, seien aber dort nicht „zu finden gewesen, sondern bei der AfD. Es gibt objektive Gründe im Spätkapitalismus, die zu einer massiven Schwächung der gesellschaftlichen Linken weltweit führte[n]. Hier liegt auch der Grund, dass von einer Proteststimmung die Rechten profitieren.“Dass dieser Zulauf mit sozialen Notlagen zu tun haben könnte, lassen auch die Leitmedien in gewissem Rahmen gelten. Dabei wird natürlich den Rechten schwerster Missbrauch ehrenwerter Anliegen vorgeworfen. Die FAZ (10.10.22) kreidet z.B. der AfD an, dass sie „Profiteur der Energiekrise“ ist, „die Frustrierte an die Wahlurne treibt“, und legt, tiefer bohrend, gleich damit nach, die populistische Partei wisse sich eben „um die, denen es nur um Protest geht, zu kümmern“. So ist auch mal wieder der Topos vom populistisch angereizten „Wutbürger“, der eigentlich grundlos, aus einer affektiven Verklemmung heraus, gegen „die da oben“ anstinkt, in Umlauf gebracht.

Linker Protest von rechts?

Was stimmt: Die AfD protestiert gegen den aktuellen Kurs der Bundesregierung. Sie ist die einzige parlamentarische Kraft, die in Opposition zum NATO-Kurs der BRD-Regierung geht. Sie macht natürlich die obligatorische Verurteilung Russlands mit (siehe das „Positionspapier der AfD-Bundestagsfraktion zum Russland-Ukraine-Krieg“), apropos „völkerrechtswidriger Angriffskrieg Russlands, den wir scharf verurteilen“. Dass Deutschland als europäische Führungsmacht, als Aufsichtsmacht über globale Konflikte, befugt ist, in Gewaltaffären Recht zu- und abzusprechen, leuchtet der AfD selbstverständlich ein. Sie entwickelt das sogar weiter – mit einem Moment von nationalem Größenwahn – zur Rolle des Vermittlers, der zwischen, ja über den streitenden Parteien im Ukrainekrieg zur Regelung weltpolitischer Affären schreiten soll. Bismarcks Kalauer vom „ehrlichen Makler“ lässt grüßen! Und Bismarck mit seinem geradlinigen preußischen Militarismus ist ja auch ein expliziter Bezugspunkt der AfD, wenn sie sich etwa im Deutschen Bundestag zu außen- und sicherheitspolitischen Fragen äußert.

Aber trotzdem hat die Partei was gegen diesen Krieg und gegen die Kosten, die er der Nation aufbürdet: Hier ist „nicht der Krieg, sondern sein unzureichender Ertrag für die deutsche Sache, welche auch immer, das Problem“, wie der Gegenstandpunkt formulierte. So kann die AfD sich auch mit lautem Protest für wirkliche Inflationsbekämpfung und solide Haushaltsführung zu Wort melden und auf vielfältige Nöte der Bürgerschaft hinweisen.

Das muss man konstatieren, wobei aber in einem grundsätzlichen Punkt Klarheit herrschen sollte: Die AfD hat weder die soziale Frage „gekapert“, sie also anderen entwendet und für sich vereinnahmt, noch ist ihr Manko, dass sie überhaupt keine Antworten auf die drängenden Zeitfragen anzubieten hätte. Was sich hier zu Wort meldet, ist ein rechtsradikales Programm, das mit seinen eigenen Inhalten in der demokratischen Parteienkonkurrenz antritt, Gemeinsamkeiten mit dem konservativen Lager aufweist und sich von der Linken entschieden abgrenzt. Dabei ist ebenfalls zu konzedieren, dass es in der deutschen Linkspartei – siehe Sahra Wagenknecht – Positionen gibt, die nationale Erfolgsmaßstäbe und -wege attraktiv finden und hier auf ihre Art Anschluss suchen. Aktuell liegt dazu ein Beitrag über „Wagenknechts Abrechnung mit den Linken“ vor, der im Gegenstandpunkt Nr. 3/22 erschienen ist.

Nähere Auskunft darüber gibt auch die Reihe „Gestalten der Faschisierung“, die im Untergrund-Blättle bereits vorgestellt wurde und in der eine Kritik der prominenten Linkspolitikerin Wagenknecht veröffentlicht wurde. In der Reihe ist jetzt ein neuer Band erschienen, der sich mit Björn Höcke befasst, dem AfD-Fraktionsvorsitzenden im Thüringer Landtag und Gründer des einflussreichen „Flügels“ der Partei, der 2020 nominell aufgelöst wurde.

„Deutsche Arbeit & preußischer Staat“

Wolfgang Veiglhuber hat in dem von ihm mit herausgegebenen Band den Hauptbeitrag geschrieben. Er steht unter dem Titel „Volksgemeinschaft und ‚solidarischer Patriotismus‘: Der Nutzen der Lohnarbeit für das Vaterland“ und handelt vier Themenblöcke ab, die im Blick auf Wirtschaft und Soziales die Programmatik des Rechtspopulismus ausmachen: Kapitalismusbegriff, Verhältnis von Staat und Ökonomie, Volk und Staat sowie Sozialpolitik. Der Durchgang durch diese Programmpunkte orientiert sich an den Schriften und Reden Höckes, der als radikaler Flügelmann seiner Partei gilt. Veiglhuber ordnet dies aber ins Gesamtbild der AfD ein und zeigt, dass hier kein extremistischer Außenseiter agiert, sondern nur in provokativer Form die nationalen Konsequenzen aus der Verteidigung der schwarzrotgoldenen Marktwirtschaft gezogen werden, wie sie überhaupt bei den Alternativdeutschen und auch bei anderen Parteigängern dieser Wirtschaftsweise üblich ist.

Speziell zeigen sich hier zwei Punkte:

Höcke kennt – im Einklang mit seiner Partei – keine soziale Frage, sondern nur eine nationale. Die Volksgemeinschaft ist das Sorgeobjekt; sie gilt es, gegen innere Verfallserscheinungen und auswärtige Bedrohungen zu verteidigen. „Solidarität“ – das neue Schlagwort für Opfer- und Verzichtsbereitschaft – wird dafür, dem demokratischen Brauch folgend, adaptiert und als Attribut dem Patriotismus zugeordnet. Die vorstaatliche, völkische oder blutsmäßige Identität eines in seiner Heimat verhafteten Menschenhaufens, der sich über den Fortpflanzungstrieb von Vati und Mutti beständig reproduziert, ist der Ausgangspunkt der Sorge. Wenn hier soziale Nöte zu entdecken sind, werden sie aufgegriffen und gegen (angebliche) Nutznießer oder Anstifter aus dem Ausland zum Anliegen eines nationalen Kraftakts gemacht. Dann muss z.B. unsere soziale Marktwirtschaft gegen einen Kapitalismus verteidigt werden, der mit der Globalisierung zu uns herüberschwappt, sich dabei durch einen „raffenden“ Charakter auszeichnet und unsere „Realwirtschaft“ in eine Art „Zinsknechtschaft“ nehmen will. Dann muss z.B. der „Verantwortungsraum“ (Höcke) unserer Solidargemeinschaft eingegrenzt, d.h. die migrantische Population vom Leistungsbezug bei den Sozialkassen ausgegrenzt werden.

Es stimmt also auch nicht, was bereits die letztgenannten Beispiele deutlich machen, dass die Partei „überhaupt keine Antwort“ anzubieten hätte, wie mit den Missständen im Lande umzugehen wäre. Von der Notwendigkeit einer bundesweiten Inflationsbekämpfung bis zur Aufhebung des baden-württembergischen Nachtangelverbots kann sie mit tausend guten Vorschlägen aufwarten. Veiglhuber geht dem Sammelsurium von ordnungs-, wirtschafts- und sozialpolitischen Konzepten nach, das sich, wie bei demokratischen Parteien üblich, gar nicht groß um Konsistenz zu bemühen braucht. Hauptsache, man dokumentiert die eigene (potenzielle) Tatkraft! Und wenn man die grundsätzliche Linie wissen will, der sich die vielen guten Ideen verdanken, ist die Partei überhaupt nicht um eine Antwort verlegen: Es geht ihr um die Erneuerung der nationalen Sittlichkeit im Lande. Höcke z.B. will einen grundlegenden sittlich-moralischen Wandel – weg von einem „dekadenten westlichen Lebensstil“.

File:Keine AFD V1.svg

Wem das als Parteiprofil zu wenig oder zu allgemein ist, der sollte sich daran erinnern, dass auch ein Kanzler Kohl einmal mit dem Programm antrat, dem Land eine „geistig-moralische Wende“ zu verordnen. Bei Höcke wird die Erneuerung der nationalen Sittlichkeit richtig brutal ausbuchstabiert – mit ihren antimaterialistischen Konsequenzen und ihrer Propaganda einer „bodenständigen Bescheidenheit“: „Unsere ‚Klage um Deutschland‘ dreht sich nicht primär darum, dass der Wohlstand zurückgeht, sondern vor allem darum, dass unser Volk seine Seele und Heimat verliert“. Höcke „will keine neue Armut herbeisehnen, aber etwas mehr Bescheidenheit und Orientierung an immateriellen Werten wären heilsam für uns.“Veiglhuber fasst zusammen: „Moral, Sittlichkeit und Bescheidenheit statt eines guten Lebens für alle. Höcke legt ein völkisch-nationalistisches Wertetableau vor, in dem die Lohnabhängigen unter Hintanstellung der eigenen materiellen Interessen als Dienstkräfte von Volk und Vaterland fungieren sollen, eine nahezu klassische faschistische Perspektive.“ In diesem Resümee darf man allerdings das Wörtchen „nahezu“ nicht überlesen. Natürlich ist in Höckes Äußerungen allenthalben eine gewisse Nähe zur NS-Vergangenheit zu erkennen – zur Deutschen Arbeitsfront, zur Idee einer organischen Marktwirtschaft, zum NS-Winterhilfswerk, zur Verteufelung der „globalen Geldeliten“ (Höcke), zur Anklage vielfältiger Dekadenzerscheinungen.Aber damit ist die Sache nicht erledigt. Eine Nähe besteht genauso zur Verteidigung unserer – über alle Kritik erhabenen – Idee einer Soziale Marktwirtschaft, wie sie in den demokratischen Parteien anzutreffen ist; und wo nur noch der Einwand zugelassen ist, dass sich die wirtschaftliche Praxis nicht ganz auf der Höhe dieser hehren Idee bewegt, was auch bei Demokraten durchaus mit der Schuldzuweisung an auswärtige Kräfte verbunden werden kann, die den Anstrengungen deutscher Politiker zuwiderlaufen. Veiglhuber kommt immer wieder auf solche Übereinstimmungen zu sprechen, widmet dem strukturellen Zusammenhang auch ein ganzes Kapitel. Und er hält bei Gelegenheit fest, dass die Äußerungen des Scharfmachers Höcke gar nicht apart rechts sind, sondern schlichtweg deutsche „Staatsideologie“.

Reihe „gestalten der faschisierung“. Hamburg, Argument-Verlag (argument.de).

Nr. 1: Klaus Weber (Hg.), Sloterdijk – aristokratisches Mittelmaß & zynische Dekadenz. 2021, 175 S.

Nr. 2: Wolfgang Veiglhuber/Klaus Weber (Hg.), Wagenknecht – nationale Sitten & Schicksalsgemeinschaft. 2022, 285 S.

Nr. 3: Wolfgang Veiglhuber/Klaus Weber (Hg.), Höcke I – deutsche Arbeit & preußischer Staat. 2022, 139 S.

Soweit nicht anders angegeben und keine Quellenangabe (Name einer Organisation oder Internet-Adresse) vorhanden ist, gilt für die Texte auf dieser Webseite eine Copyleft (Public Domain) Lizenz.

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Oben      —      AfD-Stand in Mödlareuth.

Verfasser PantheraLeo1359531       /       Quelle      :     Eigene Arbeit       /    Datum    :   03. Oktober 2020,
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Unten        —     Keine Alternative für Deutschland. Aufkleber gegen die Partei Alternative für Deutschland, in SVG Format.

Source Own work
Author Weeping Angel

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BSI-Präsident Schönbohm

Erstellt von Redaktion am 13. Oktober 2022

Der herbeigeböhmermannte Skandal

Eine Kolumne von Sascha Lobo

Jan Böhmermann und sein Team präsentieren Investigativjournalismus wie niemand sonst in Deutschland. Doch diesmal ist der Inszenierungsfuror mit ihm durchgegangen. Dem Bundesinnenministerium kann es recht sein.

Diese kurze Geschichte sieht zu Beginn so aus, als würde sie von der IT-Sicherheit dieses Landes handeln, von der Politik, gar von internationalen Verwicklungen. In Wahrheit aber handelt sie davon, wie Medien unbeholfen mit halbgaren Mitteln arbeiten und die Politik das ausnutzt. Ja, die Politik. Der Streit der Argumente, der Streit der Haltungen, der Streit der unterschiedlichen Interessen. Manche Leute aber verrennen sich bekannterweise oder sind vielleicht sogar kompromittiert auf die eine oder andere Weise. Hier kommen die redaktionellen Medien als Korrektiv ins Spiel, insbesondere investigative Recherchen. Die können politische Beben auslösen oder einzelne Leute aus ihren Ämtern kegeln oder beides, und zwar über den öffentlichen Druck. Das ist gut. Das ist Demokratie. Solange Medien angemessen verantwortungsvoll arbeiten. Enthüllungsjournalismus ist eine Art Wortwaffe, mit der man sorgsam umgehen muss, wie mit medialer Reichweite.

Grob gesagt gibt es drei Dimensionen medialer Enthüllungen, die neben dem restlichen Weltgeschehen über die Wirkung entscheiden: den Neuigkeitswert. Die Skandaldimension. Die Inszenierung. Moment, Inszenierung? Ja. Das ist – leider? Zum Glück? – die Realität in einer Zeit des weltweiten Info-Dauerfeuers: Zu jeder Enthüllung gehört heute eine Inszenierungsstrategie, damit sie nicht verpufft im medialen Getöse. Skandale dürfen zum Beispiel nicht zu komplex beschrieben werden, sonst werden sie von der Öffentlichkeit nicht verstanden, und es entsteht kein nachvollziehbarer Druck. Sie müssen mit den richtigen Worten auf die richtige Weise zum richtigen Zeitpunkt vorgetragen werden. Und von dafür geeigneten Absendern. Eben eine beinahe klassische Inszenierung. Aber mit der Verantwortung, trotzdem ausreichend sorgfältig und redlich zu bleiben.

Was zu einem der jüngsten Investigativposten der Bundesrepublik führt: Jan Böhmermann. Böhmermann hat als Clown angefangen, möchte aber inzwischen zusätzlich Investigativ-Journalist sein. Deshalb hat er seine Redaktion umgebaut, wirklich fähige Leute dazu geholt, die oft hervorragende Arbeit machen. Sehr gut! Das Problem beginnt dort, wo eine wöchentliche Sendung zwar nicht jede Woche spektakuläre Enthüllungen bringen kann – aber das erkennbar gern möchte. Im Fall Böhmermann hat das dazu geführt, dass manche Enthüllungen mit, sagen wir, mittelgroßer Brisanz, recht sanfter Fallhöhe oder nicht übermäßiger Überraschungsintensität daherkommen. Dass Influencer*innen nach Dubai gegangen sind, um Steuern zu sparen, etwa. Es ist natürlich völlig in Ordnung, wenn man nicht ständig A-Ware liefern kann. In einem ähnlichen Kontext sagte der Künstler Martin Kippenberger einmal mit Bezug auf van Gogh: »Ich kann mir nicht jeden Tag ein Ohr abschneiden.«

Ist ja Satire

Die mittelgroße Brisanz mancher Böhmermann-Enthüllungen macht er in seiner Show aber wieder mehr als wett, und zwar mit einer einzigartigen Inszenierungsfähigkeit. Böhmermann und sein Team sind ohne Zweifel die Journalist*innen, die enthüllte Verfehlungen aller Art im deutschsprachigen Raum mit Abstand am unterhaltsamsten inszenieren können. Der Writers Room des ZDF Magazin Royale könnte aus zu spät zurückgegebenen Pfandmarken der Bundestagskantine einen parlamentarischen Jahrhundertskandal drechseln, daraus einen fantastischen Text zaubern, den Jan Böhmermann wiederum mit unvergleichlicher Brillanz vom Teleprompter ablesen würde. Boooom!

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Aber nun von Boooom nach Bonn, ein Reißschwenk auf eine Behörde in Deutschland, die so nerven kann wie sonst nur Datenschützer. Zum Teil, weil das ihr Job ist, zum Teil, weil dort nicht unkomplizierte Leute arbeiten: das BSI, das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik , mit seinem – Stand Mittwochmittag – Chef Arne Schönbohm. Eben dieser ist das jüngste Ziel von Böhmermanns »ZDF Magazin Royale« , und zwar mithilfe des publizistischen Instruments, das Böhmermann perfekt beherrscht: der Lächerlichmachung einzelner Personen. Ist ja Satire und damit erlaubt, Investigativsatire, auf eine Art. Arne Schönbohm wird von Böhmermann als #CyberClown vorgeführt, persönlich attackiert, in zweifellos beschädigender Weise. Die Story dazu klingt nach spektakulären Zutaten: Der IT-Sicherheitschef von Deutschland hat einen Cybersicherheitsverein gegründet und lange geleitet, in dem eine IT-Firma Mitglied ist, die eindeutige Verbindungen zu russischen Geheimdiensten hat. Diese Firma ist wohl irgendwie auch noch mit der Cybersicherheit des Landes befasst, und das alles unter Schönbohms Verantwortung.

Leider stellen inzwischen mehrere Fachleute fest, dass offenbar Böhmermanns Inszenierungsfuror mit ihm durchgegangen ist, insbesondere was die Rolle der problematischen IT-Firma angeht. Denn, wie der SPIEGEL schreibt: Ob diese Firma »wirklich eine so wichtige Rolle in der Cybersicherheitsarchitektur  Deutschlands spielt, wie Böhmermann am Freitag in seiner Sendung ›ZDF Magazin Royale‹ insinuierte, ist mindestens zweifelhaft.« Insinuieren ist hier ein wichtiges Wort. Die Andeutung, damit sich das Publikum seinen Teil denken soll, ist ein wiederkehrendes Instrument von Böhmermanns Enthüllungen, mit dem man nicht ganz ausrecherchierte Geschichten so fabelhaft inszenieren wie rechtssicher anreichern kann.

Quelle      :            Spiegel-online          >>>>>         weiterlesen

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Oben     —   Jan Böhmermann beim Deutschen Fernsehpreis 2021

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Emanzipation in der Krise

Erstellt von Redaktion am 13. Oktober 2022

Was ist das Kapital? Was muss überwunden werden?

Quelle       :        Scharf  —  Links

Von Tomasz Konicz

In der sich entfaltenden Systemkrise scheint der abermalige Absturz in die Barbarei vorgezeichnet. Doch das muss nicht zwangsläufig so sein.

Der Kommunismus ist für uns nicht ein Zustand, der hergestellt werden soll, ein Ideal, wonach die Wirklichkeit sich zu richten haben [wird]. Wir nennen Kommunismus die wirkliche Bewegung, welche den jetzigen Zustand aufhebt.“

Karl Marx, Friedrich Engels, Deutsche Ideologie1

Es gibt eine Grundvoraussetzung emanzipatorischer Praxis in der sich entfaltenden Weltkrise des Kapitals, die schlicht nicht aufgegeben werden kann. Es gilt, den Menschen zu sagen, was Sache ist. Das, was die meisten Menschen ahnen oder dumpf spüren, muss klar benannt und zur Grundlage sozialer Bewegungen und Kämpfe werden: Der Kapitalismus ist am Ende2 – und in seiner Agonie droht er, die Menschheit mit sich in den Abgrund zu reißen, indem er ihr die sozialen und ökologischen Lebensgrundlagen entzieht. Das kapitalistische Weltsystem stößt an seine inneren3 und äußeren Entwicklungsgrenzen.4 Die Wirtschafts- und die Klimakrise5 bilden dabei nur zwei Momente desselben Krisenprozesses, bei dem der uferlose Wachstumszwang des Kapitals – das Bestreben, vermittels der Ausbeutung von Arbeit in der Warenproduktion aus Geld mehr Geld zu machen – eine ökologisch verwüstete Welt und eine ökonomisch überflüssige Menschheit produziert.

Es gilt folglich, bewusst im gesellschaftlichen Kampf und Diskurs nach Wegen aus dem Krisen- und Katastrophenkapitalismus zu suchen, da die Welt in Barbarei zu versinken droht. Die Überwindung des Kapitalverhältnisses ist somit Richtschnur aller linken Praxisbemühungen. Soziale Kämpfe, Proteste und Bewegungen müssen somit als Teilmomente eines Transformationskampfes um eine postkapitalistische Gesellschaft begriffen und geführt werden. Dies, die Überwindung des weltweit amoklaufenden Verwertungszwangs des Kapitals, ist das absolute Minimum, die Conditio sine qua non jeglicher Zivilisationsentfaltung im 21. Jahrhundert. Sagen, was Sache ist, bedeutet somit, die Überwindung des kollabierenden Kapitals als zivilisatorische Überlebensnotwendigkeit klar zu benennen. Alle progressive Praxis muss sich an dieser Realität der Systemtransformation orientieren. Und eben dieses Insistieren auf der Notwendigkeit der emanzipatorischen Systemtransformation6 stellt auch die klare Trennlinie zum linken Opportunismus dar, zum Bestreben, in der Krise vermittels Demagogie noch schnell Karriere als Krisenverwalter zu machen.7

Die Überführung des Kapitals in Geschichte stellt den letzten kapitalistischen Sachzwang dar. Jede sich links nennende Gruppe oder Partei, die graduelle Veränderung predigt, ohne dabei die Systemkrise zu thematisieren und die Notwendigkeit der Systemtransformation zu betonen, ist faktisch opportunistisch, wenn nicht gar reaktionär.8 Es gibt in der eskalierenden Systemkrise keine Möglichkeit mehr, Reformpolitik zu machen, die „erfolgreich“ wäre, da diesem Unterfangen schlicht die an Intensität gewinnenden Krisenverwerfungen im Weg stehen. Fortschrittliche Praxis kann sich nur noch anhand des Bemühens um einen progressiven Verlauf der unausweichlichen Systemtransformation entfalten. Dies ist kein linker „Radikalismus“, sondern ein aus Einsicht in den Krisencharakter gewonnener Realismus. Die Krise läuft als ein fetischistischer, unkontrollierbarer Prozess über die Gesellschaft ab,9 der sich konkurrenz- und marktvermittelt entfaltet, ohne auf die Ansichten und Kalküle der Insassen der kapitalistischen Tretmühle zu achten.

Auch wenn die Lohnabhängigen es nicht wahrhaben wollten, auch wenn alle relevanten Bevölkerungsschichten am Kapitalismus sich festklammern würden, wird das System an seinen inneren Widersprüchen zerbrechen. Offen ist hingegen, was danach kommt – und eben darum gilt es den Kampf, den Transformationskampf zu führen. Evident wird diese Agonie des Kapitals an den globalen Schuldenbergen, unter denen viele Ökonomien zusammenzubrechen drohen, sowie an den beständig steigenden CO2-Emissionen, die eine im irrationalen Wachstumszwang verfangene kapitalistische Weltwirtschaft produziert.10 Ein Absturz in die Barbarei während des nun anstehenden, ergebnisoffenen Transformationsprozzesses kann aber nur dann von einer emanzipatorischen Bewegung verhindert werden, wenn dieser von ihr gesellschaftlich reflektiert, begriffen und bewusst im Rahmen des ebenso unausweichlichen Transformationskampfes gestaltet wird. Um dies erreichen zu können, muss die Linke, aufbauend auf radikaler Krisentheorie, den Menschen sagen, was Sache ist. Ansonsten wird die fetischistische Eigendynamik des Kapitals die Welt unbewohnbar machen. Diese einleitenden Thesen sollen im Folgenden ausgeführt und begründet werden.

Unbewältigte Natur

Die widersprüchliche kapitalistische Produktionsweise ist somit nicht nur die Triebfeder11 der sich häufenden Schulden- und Wirtschaftskrisen,12 sie ist auch die Ursache der sich entfaltenden Klimakatastrophe. Und es ist eigentlich eine Selbstverständlichkeit, dass der „menschengemachte“ Klimawandel maßgeblich von dem Gesellschaftssystem – von der Art und Weise der gesellschaftlichen Organisation und Reproduktion – verursacht wird, in dem die Menschen zu leben genötigt sind. Diese Tatsache liegt offen auf der Hand. Die Klimakrise ist eine kapitalistische Klimakrise, es ist ein „kapitalgemachter Klimawandel“. Dass es dennoch als etwas Ungeheuerliches erscheint, diese einfache, unbequeme Wahrheit auszusprechen, liegt an dem ungeheuren ideologischen Druck, der auf dem gesellschaftlichen Diskurs lastet – und der Ausdruck der zunehmenden Dichte wie auch Krisenanfälligkeit kapitalistischer Vergesellschaftung ist, die jedes oppositionelle Denken wie Handeln durch Opportunismus13 oder Repression zu ersticken bemüht ist.14

Der Kern kapitalistischer Ideologie besteht eigentlich seit der Aufklärung darin, den Kapitalismus als eine „natürliche“, in sich widerspruchslose und dem menschlichen Wesen angemessene Produktionsweise zu ideologisieren, als eine Gesellschaftsformation, die einfach nur Ausdruck der menschlichen Natur sei und sich – spätestens seit dem Aufkommen des Sozialdarwinismus – ökonomisch entlang derselben Gesetzmäßigkeiten entfalte, wie die „natürlichen“, ökologischen Systeme. Folglich ist diese synthetische „kapitalistische Natur“ der subjektlosen Herrschaft des Kapitals15 mit ihren Vermittlungsebenen von Markt, Politik, Justiz, Kulturindustrie, etc. immer nur Grundlage, niemals Gegenstand des veröffentlichten Diskurses spätkapitalistischer Gesellschaften. Und gerade deswegen gewinnt in Krisenzeiten die schnell ins Faschistische abdriftende Sündenbocksuche so an Popularität,16 da die „natürliche“ Marktwirtschaft buchstäblich als natürlich, potenziell widerspruchslos imaginiert wird. So erscheint dem „aufgeklärten“ Menschen in der bürgerlichen Gesellschaft der Kapitalismus so „natürlich“, wie dem mittelalterlichen Menschen der Feudalismus als gottgegeben erschien.

Und dennoch enthält die landläufige Ideologie vom „natürlichen Wesen des Kapitalismus“ ein verzerrtes Körnchen Wahrheit. Es gibt eine Parallele zwischen den ökologischen und ökonomischen Krisenprozessen, die deren Wahrnehmung als „naturgegeben“ befördert: Das Stück „ungebändigter Natur“ inmitten der Gesellschaft, das die Illusion eines kapitalistischen Naturzustandes befördert, besteht aus dem unkontrollierbaren Verwertungsprozess des Kapitals, also aus dem oben erwähnten gesellschaftlichen Fetischismus. Die destruktive Verwertungsdynamik des Kapitals, unbewusst von Marktsubjekten – „hinter ihrem Rücken“, da marktvermittelt – hervorgebracht, erscheint als ein natürliches Phänomen, das über die Gesellschaft abläuft. Insbesondere in Krisenschüben tritt dieser Fetischismus offen hervor, wenn die „Wirtschaft“ plötzlich Amok läuft und „Krisengewitter“ oder „Marktbeben“ ganze Regionen – gleich extremem Wetterereignissen – sozioökonomisch verwüsten. Das Gefühl, an quasi natürliche, anonyme und übermächtige Kräfte ausgeliefert zu sein, wird dann evident.

Diese unbewusst von den Marktsubjekten bei ihrer scheinrationalen Jagd nach größtmöglichen Profiten hervorgebrachte, irrationale Eigendynamik des Kapitals stellt somit das Moment unbewältigter Pseudo-Natur dar, das aufgrund seiner zunehmenden inneren Widersprüche die Zivilisation und deren ökologische Grundlagen vernichtet. Solange das Kapital in seinem uferlosen Formwandel von Geld, Ware und mehr Geld blindwütig unter immer größeren Friktionen durch die Gesellschaft hindurch prozessieren wird, können weder die Klimakrise, noch die soziale Krise überwunden werden.

Es kommt somit darauf an, diesen Fetischismus, diese kapitalistische Pseudonatur zu überwinden, um die natürlichen Grundlagen menschlicher Gesellschaft zu erhalten. Letztendlich muss gewissermaßen der menschliche Zivilisationsprozess zum Abschluss gebracht werden, die unbewusste Reproduktion der Gesellschaft vermittels blind ablaufender Verwertungsprozesse muss in einem ungeheuren Transformationsprozess durch die bewusste Organisation und Diskussion der gesellschaftlichen Reproduktion ersetzt werden, die sich nicht mehr der uferlosen, irrationalen Anhäufung immer größerer Quanta verausgabter abstrakter Arbeit in der Kapitalform unterordnet, sondern die direkte Bedürfnisbefriedigung jenseits der Warenform zum rationalen Ziel hat.

Was ist das Kapital? Was muss überwunden werden?

Aus diesen Ausführungen zum „naturhaft“ erscheinenden gesellschaftlichen Fetischismus erschließt sich auch, was unter dem Begriff des Kapitals zu verstehen ist, das in Geschichte überführt werden muss. Das Kapital ist somit kein Ding, es ist nicht nur das Geld, oder die Fabrik und die Maschinerie. Es ist auch nicht einfach nur eine Person, wie der Kapitalist, der Manager oder der Spekulant. Diese verkürzte Sichtweise führt zur Verdinglichung oder zur Personifizierung des Kapitals, was wiederum Grundlage aller Ideologie im Kapitalismus ist.

Das Kapital ist als ein soziales Verhältnis zu verstehen, als ein Kapitalverhältnis, das die Gesellschaft als ein bloßes Durchgangsstadium seiner uferlosen Plusmacherei bei der Warenproduktion durchschreitet. Erst innerhalb dieser Verwertungsbewegung – der Verfeuerung von Ressourcen mittels Arbeit zwecks Profitmaximierung – müssen Menschen oder Dinge zu Kapital werden. Der Arbeiter und der Manager fungieren nach Feierabend nicht mehr als Kapital. Dasselbe gilt für die Werkzeuge in ihren Hobbykellern, die einfach nur Gebrauchsgegenstände sind, während sie in der Fabrik als (konstantes) Kapital fungieren. Das Kapitalverhältnis ist somit als diese auf permanentes Wachstum geeichte, die ganze Gesellschaft erfassende Verwertungsdynamik zu verstehen. Das Kapital in all seinen sozialen und ökologischen Widersprüchen ist somit eine Realabstraktion, die bei jedem Verwertungskreislauf einen Formwandel von Geld, zu Ware und schließlich zu mehr Geld erfährt: die konkreten Dinge und Menschen werden von ihm in möglichst effiziente Bewegung gesetzt, um in einem irrationalen Selbstzweck immer größere Quanta abstrakter Arbeit (der Quelle und Substanz des Kapitals) zu akkumulieren.

Dieser realabstrakte Wachstumszwang des Kapitals ist somit gewissermaßen totalitär; das Kapitalverhältnis wird zur sozialen Totalität. Auf der Flucht vor seinen inneren und äußeren Widersprüchen okkupiert es alle gesellschaftlichen Bereiche und Nischen – mit Ausnahme der abgespaltenen, weiblich konnotierten Sphäre der häuslichen und familiären Reproduktion17 – und führt diese der Verwertung zu. Der Staatsapparat, die rechtlichen und politischen Institutionen, die politischen, wirtschaftlichen, juristischen und ideologischen Vermittlungsebenen von Herrschaft – sie sind in einem blind ablaufenden historischen Prozess vom Kapitalverhältnis hervorgebracht und geformt worden. Gerade in seiner Agonie hat das Kapital somit die gesamte Gesellschaft, soweit dies möglich war, bis in die subkulturellen Regungen hinein, sich untertan gemacht. Die subjektlose Herrschaft des Kapitals ist in dem historischen Moment total, an dem es an seinen Widersprüchen erstickt. Und es sind eben all diese durch das Kapital hervorgebrachten oder geformten Institutionen und Vermittlungsebenen, die nun gemeinsam mit der Kapitaldynamik kollabieren.

Was überwunden werden muss, ist somit diese blind ablaufende, die menschlichen Gesellschaft wie die Ökosysteme verheerende Verwertungsbewegung des Kapitals. An die Stelle dieses destruktiven Fetischismus muss die bewusste Verständigung der Gesellschaftsmitglieder über den Reproduktionsprozess der Gesellschaft treten, ohne dass dabei die Tätigkeiten geschlechtsspezifisch o.ä. aufgeteilt werden. Dies ist überlebensnotwendig, gerade weil dieser Verwertungsprozess, an dessen Tropf alle kapitalistischen Gesellschaften in Form von Steuern und Löhnen hängen, an seinen Widersprüchen zugrunde geht. Damit aber gehen mit dem Kapital auch die Institutionen und sozialen Strukturen zugrunde, die es historisch hervorgebracht hat. Die postkapitalistische Gesellschaftsreproduktion kann daher gerade nicht in den Formen einer „Verstaatlichung“ ablaufen, wie sie etwa von orthodoxen Linken imaginiert wird, da der Staat in seiner Eigenschaft als „ideeller Gesamtkapitalist“ eine historisch gewachsene, notwendige Institution des Kapitalismus ist, die ja vom Kapital durch Steuern finanziert werden muss – deswegen kollabierten viele überschuldete Staaten der Peripherie schon in den 90ern zu „failed states“, sobald der Krisenprozess einen gewissen Reifegrad überschritten hatte. Der Staat ist nicht die Lösung, sondern Teil des Problems.

Die Krise schreitet in einem historischen Prozess, der schon mit den Schuldenkrisen der „Dritten Welt“ in den 80ern einsetzte, schubweise von der Peripherie des Weltsystems in die Zentren voran. Deshalb kann die Krisenzukunft anhand des Krisenverlaufs in der Peripherie erahnt werden. Ohne bewusste, emanzipatorische Überwindung des kollabierenden Kapitalverhältnisses wird dieses in ähnlich barbarische Formen aus Anomie oder Krisendiktatur verfallen, wie in Somalia, Kongo oder Eritrea18 – sofern dem Zivilisationsprozess nicht durch einen katastrophalen Atomkrieg ein Ende bereitet wird. Mad Max oder 1984 – das ist die systemimmanente Alternative, die der Kapitalismus in seiner Agonie offenlässt.

Motivation: There is no Alternative to Transformation

Aus dem hier geschilderten Krisencharakter als einem fetischistischen Prozess zunehmender innerer Widerspruchsentfaltung des Kapitalverhältnisses resultiert somit die Notwendigkeit des Kampfes um dessen emanzipatorische Überwindung. Es ist – wie schon eingangs erwähnt – schlicht eine Frage des Überlebenswillens. Es gilt folglich, den Überlebenstrieb der Menschen anzusprechen, der in der Krise unbewusst ausagiert wird und zur Intensivierung der Krisenkonkurrenz beiträgt. Und dieser Überlebenstrieb ist bereits, in seiner unreflektierten, quasi reflexhaften Form längst massenhaft wirksam. Unbewusst reagieren die meisten Insassen des Spätkapitalismus längst auf die zunehmenden krisenbedingten Verwerfungen durch eine quasi instinktive Intensivierung des Konkurrenzkampfes. Der Überlebenstrieb gelangt durch die härtere Konkurrenz bereits unbewusst zur Entfaltung, indem das eigene Überleben durch den Absturz der Konkurrenten auf allen Ebenen gewährleistet werden soll (vom Mobbing, über Verdrängungswettbewerb, die Standortkonkurrenz, bis zum Krisenimperialismus). Und es ist ja gerade diese durch den nackten Überlebenstrieb befeuerte Krisenkonkurrenz, die zur Barbarisierung des Kapitalismus und zum Aufstieg der Neuen Rechten – die diese Krisenkonkurrenz mit Rassismus, Nationalismus, Antisemitismus, religiösen Fanatismus etc. ummantelt – ursächlich beiträgt.

Dieser in der eskalierenden spätkapitalistischen Alltagskonkurrenz verfangene, unbewusst praktizierte Überlebenstrieb müsste im Rahmen emanzipatorischer Praxis „sublimiert“ werden. Hierunter soll die bewusste, analytische Reflexion der unbewussten Ursachen gesellschaftlichen Handelns, in diesem Fall der Wechselwirkung von Konkurrenzgebaren und systemischem Krisenprozess verstanden werden, bei der die verhängnisvolle „barbarisierende“ Wirkung des individuellen Konkurrenzkampfes erhellt würde. So wie der individuelle, „blinde“ Überlebenstrieb nur die Krisendynamik beschleunigt und der Barbarei Tür und Tor öffnet, so könnte ein reflektierter kollektiver Überlebensdrang, der sich der Überlebensnotwendigkeit der gesamtgesellschaftlichen Überwindung des Kapitals versichert hat, einen mächtigen Motivationsfaktor für emanzipatorische Kräfte im Kampf um die Transformation des Spätkapitalismus bilden. Und das ist keine Frage, die nur den linken „Radikalinski“ tangiert. Ein solch bewusst hergestellter Zusammenhang zwischen dem – kollektiven – Überleben und der Notwendigkeit der Systemüberwindung kann auch sehr gut das Anliegen des Spießers werden, der seinen Kindern eine lebenswerte Zukunft hinterlassen will.

Und eben deswegen gilt es, den Menschen zu sagen, was Sache ist. Es kommt darauf an, das „Krisengefühl“ der breiten Massen in ein reflektiertes Krisenbewusstsein zu überführen – gerade weil es kein „revolutionäres Subjekt“ gibt, ist die Ausformung eines massenwirksamen, radikalen Krisenbewusstseins für einen emanzipatorischen Krisenverlauf unabdingbar. Und eigentlich wäre selbst dies nicht die zentrale Schwierigkeit bei der Verbreitung eines emanzipatorischen Bewusstseins in der manifesten Krise, sondern die Vermittlung eines Glaubens an eine gangbare Systemalternative zum kollabierenden Kapital. Der krisenbedingte ideologische Umschlag, bei dem der blinde Glaube ans Kapital als Naturvoraussetzung menschlicher Zivilisation plötzlich zum fatalistischen Kulturpessimismus mutiert, stellt eigentlich die ideologische Standardreaktion in manifesten Krisensituationen dar.

Dieser spätkapitalistischen Produktion von Panik gilt es somit die durch radikale theoretische Reflexion gewonnene Einsicht in die Notwendigkeit der Systemtransformation gegenüberzustellen, die von einem sublimierten Überlebensinstinkt motiviert ist, der sich seiner eigenen sozialen wie ökologischen Voraussetzungen bewusst gewordenen ist. Der rechte „Prepper“ wird sich nicht retten, dies kann nur auf gesamtgesellschaftlicher Ebene kollektiv geleistet leisten. Die Abwendung der drohenden ökologischen wie sozialen Katastrophe vermittels Systemtransformation läuft somit auf die „Beeinflussung“ des Krisenprozesses hinaus, der von seiner fetischistischen Dynamik angetrieben ist, die ja nur den krisenhaften dialektischen Umschlag der dem Kapital innewohnenden Widersprüche darstellt. Präziser: Das Kapital befindet sich in Auflösung, es kommt darauf an, diesen blind ablaufenden Transformationsprozess im Rahmen eines Transformationskampfes in eine progressive, emanzipatorische Richtung zu lenken, um schließlich den Fetischismus zu überwinden und zur bewussten Gestaltung der gesellschaftlichen Reproduktion überzugehen. Dies, diese Überwindung der fetischistischen Vorgeschichte der Menschheit, ist schlicht, wie dargelegt, eine Überlebensfrage. Nochmals: Es gibt keine Alternative zum Kampf um einen emanzipatorischen Verlauf der unausweichlichen Systemtransformation.

Emanzipation und Extremismus in der Systemkrise

Hieraus erschließt sich auch der Begriff der Emanzipation – es ist eine Emanzipation vom gesellschaftlichen Fetischismus, also von der „Fremdbestimmung“ der Subjekte durch gesellschaftliche Dynamiken, die diese Subjekte unbewusst, marktvermittelt selber hervorbringen. Dies kann nur von einer Bewegung geleistet werden, die sich ihrer eigenen Lage, die sich des geschilderten Krisencharakters bewusst ist. Nur bei einem bewussten, aus der Einsicht in die Notwendigkeit resultierenden Kampf um eine postkapitalistische Zukunft könnten eventuell noch Momente der Emanzipation entstehen. Es gibt folglich eine Maxime politischer Praxis, der emanzipatorische Bewegungen, Gruppen oder Parteien im 21. Jahrhundert folgen müssten, wenn sie in der gegenwärtigen Umbruchs- und Krisenepoche noch als fortschrittliche gesellschaftliche Kräfte wirken wollen. Der Kapitalismus muss schnellstmöglich in Geschichte überführt werden, das Kapitalverhältnis muss aufgehoben werden. An diesem kategorischen Imperativ hätten sich alle linken Aktionen, alle Taktik, alle Reformvorschläge, alle Strategien zu orientieren.

Und der Kampf um eine lebenswerte postkapitalistische Zukunft ist kein „Radikalismus“. Es verhält sich gerade umgekehrt: das Festhalten an den in Auflösung übergehenden Formen kapitalistischer Vergesellschaftung, an Markt und Staat, führt in die Barbarei, in den Extremismus der Mitte. Die Erfolge der Neuen Rechten in der Krise resultieren gerade daraus, dass sie die Ideologie, die in der neoliberalen Mitte der spätkapitalistischen Gesellschaft wirksam ist, weiter in die Verrohung treiben kann. Das mit Neidfantasien gegen Sündenböcke angereicherte, neoliberale Konkurrenzdenken wurde von der Rechten ins rassistisch-nationalistische Extrem getrieben. Die Konkurrenz der Marktsubjekte und Wirtschaftsstandorte wird in einen Kampf der Nationen, der Kulturen, der „Rassen“ oder Religionen ideologisch überhöht.

Entscheidend ist hierbei: Bei dieser „rassisch“, religiös oder national legitimierten Konkurrenz gibt es keinen Bruch mit dem Neoliberalismus und seinem implizit nationalistischen Standortdenken. In diesen ideologischen Kontinuitätslinien liegt das gar nicht so geheime Geheimnis des Erfolgs der konformistischen Revolte der Neuen Rechten. Sie betreibt keinen Ausbruch aus dem kapitalistischen Gedankengefängnis und seinen sogenannten Sachzwängen. Stattdessen verharren die autoritären Charaktere im eingefahrenen ideologischen Gleis, das von der neoliberalen Mitte ins barbarische Extrem führt. Deswegen profitiert von der gegenwärtigen Krise vor allem die Rechte. Es ist sehr einfach, Nazi zu werden.

Entscheidend ist deshalb gerade der besagte gedankliche Ausbruch aus dem kapitalistischen Gedankengefängnis, der mit emanzipatorischer Praxis einhergehen muss, um das Abdriften in einen Extremismus der Mitte zu verhindern. Deswegen gilt es, den Menschen zu sagen, was Sache ist. Der Kampf um eine lebenswerte Systemalternative ist angesichts der letalen Krise des Kapitals das einzig Vernünftige, Mittlere, Gemäßigte. Fortschritt kann nur noch jenseits des Kapitals realisiert werden. Nochmals: Dies ist nicht notwendig aufgrund des Wollens der Subjekte oder der Stimmungen, Befindlichkeiten in der Bevölkerung, sondern weil das Kapital als globale fetischistische Totalität an sich selber zerbricht.

Falsche Unmittelbarkeit

Und eben deswegen gilt es, diesen objektiv ablaufenden Transformationsprozess, soweit möglich, durch die Verbreitung eines adäquaten Krisenbewusstseins vor dem Abdriften in ideologischen Wahn und faschistische Barbarei zu bewahren. Vielleicht könnte das Bewusstsein einer gangbaren Alternative zum Klima- und Kapitalkollaps nur in einer kämpfenden Bewegung sich breit entfalten. An Auseinandersetzungen, Aufständen und Kämpfen herrscht ja in der sich beschleunigenden Systemkrise kein Mangel. In Europa sind es, neben Klimaprotesten, oftmals antifaschistische oder arbeits- und sozialpolitische Abwehrkämpfe, die als Kristallisationspunkte oppositioneller Massenmobilisierung dienen – zumeist ohne eine transformatorische Perspektive zu entwickeln.

Diese Bewegungen bleiben oftmals in der falschen Unmittelbarkeit ihrer direkten Forderungen stecken, sie wollen beispielsweise eine bessere Umverteilung des abstrakten kapitalistischen Reichtums, anstatt diesen abschaffen zu wollen. Die zunehmende Verelendung führt zu Forderungen nach mehr Sozialstaat, der Inflation wird mit Forderungen nach deren Eindämmung durch Subventionen, Höchstpreise begegnet. Diese unmittelbar „einleuchtenden“ Forderungen müssen sich an der Krisenrealität blamieren. Ähnlich verhält es sich bei der Diskussion der Maßnahmen zur Bekämpfung der Klimakrise – wie CO2-Steuer, Flugboykott, Fleischverzicht oder E-Autos -, die angesichts der dramatischen Beschleunigung des Klimawandels und der tatsächlich notwendigen Schritte ein fast schon entmutigendes Missverhältnis aufweisen.

Der Krisentheoretiker Robert Kurz19 thematisierte diesen Widerspruch zwischen systemimanenten sozialen Kämpfen und den sozialen Folgen der Systemkrise schon zu Beginn des 21. Jahrhunderts:

Die Wertkritik wendet sich nicht gegen kapitalistisch immanente soziale Kämpfe schlechthin. Diese sind ein notwendiger Ausgangspunkt. Es kommt aber darauf an, in welche Richtung sich solche Kämpfe entwickeln. Dabei spielt die Begründung eine große Rolle. Die Gewerkschaften haben sich daran gewöhnt, ihre Forderungen nicht aus den Bedürfnissen ihrer Mitglieder herzuleiten, sondern als Beitrag zum besseren Funktionieren des Systems anzubieten. So wird gesagt, höhere Löhne seien notwendig, um die Konjunktur zu stärken, und sie seien möglich, weil das Kapital hohe Gewinne macht. Sobald aber die Verwertung des Kapitals offensichtlich ins Stocken gerät, führt diese Haltung zum freiwilligen Verzicht und zur Mitverwaltung der Krise im „höheren Interesse“ der Betriebswirtschaft, der Gesetze des Marktes, der Nation etc. Dieses falsche Bewusstsein existiert nicht nur bei den Funktionären, sondern auch an der sogenannten Basis. Wenn sich LohnarbeiterInnen mit ihrer eigenen Funktion im Kapitalismus identifizieren und nur im Namen dieser Funktion ihre Bedürfnisse einklagen, werden sie selber zu „Charaktermasken“ (Marx) eines bestimmten Kapitalbestandteils, nämlich der Arbeitskraft. Sie erkennen damit an, dass sie nur ein Recht zu leben haben, wenn sie Mehrwert produzieren können. Daraus entsteht eine gnadenlose Konkurrenz unter den verschiedenen Kategorien von LohnarbeiterInnen und eine Ideologie der sozialdarwinistischen Ausgrenzung. Das zeigt sich besonders beim defensiven Kampf um den Erhalt von Arbeitsplätzen, der keine Perspektive darüber hinaus hat. Hier konkurrieren oft sogar die Belegschaften verschiedene Betriebe eines einzigen Konzerns gegeneinander ums Überleben. Deshalb ist es wesentlich sympathischer und übrigens auch realistischer, dass französische Belegschaften mit der Sprengung ihrer Fabriken gedroht haben, um eine anständige Entlassungsprämie zu erzwingen. Solche neuen Kampfformen sind nicht defensiv und affirmativ, sondern sie könnten mit anderen Forderungen verbunden werden, etwa für verbesserte Einkommen von Arbeitslosen. In dem Maße, wie aus solchen Kämpfen eine gesellschaftliche soziale Bewegung entsteht, wird sie auch in der Erfahrung ihrer praktischen Grenzen auf die Fragen einer neuartigen „kategorialen Kritik“ am fetischistischen Selbstzweck des Kapitals und seiner gesellschaftlichen Formen gestoßen. Die Konkretisierung dieser weitergehenden Perspektive ist Aufgabe unserer Theoriebildung, die nicht in einem abstrakten Jenseits existiert, sondern sich als Moment der sozialen Auseinandersetzung versteht.“

Angesichts der weit vorangeschrittenen Krisendynamik scheint es kontraproduktiv, nun zu einer Fundamentalkritik anzusetzen, die auf den Aufbau einer „neuen“ transformatorischen und emanzipatorischen Bewegung abzielen würde. Emanzipatorische Bewegungen müssten angesichts der drängenden Zeit, angesichts der sich schließenden Zeitfenster mit dem arbeiten, was noch da ist. Der Rückzug in den Elfenbeinturm der „reinen Lehre“, um auf eine allmähliche „Diffusion“ des adäquaten Krisenbewusstseins innerhalb der Linken hinzuarbeiten, stellt keine gangbare Strategie dar. Stattdessen bleibt eigentlich nur die Option, die Krise für den Versuch zu nutzen, ein adäquates Krisenbewusstsein in die gegenwärtigen Kämpfe direkt hineinzutragen. Wie gesagt: Mensch muss – aufbauend auf Krisentheorie – den verängstigten Menschen sagen, was Sache ist, damit die Protestbewegungen sich in eine emanzipatorische Richtung entwickeln können.

Die Chancen hierfür stehen eigentlich nicht schlecht, da selbst ideologisch verblendete linke Zusammenhänge – etwa aus dem grünennahen, linksliberalen20 oder dem traditionsmarxistischen Spektrum – die Krisenfolgen kaum noch übersehen können. Die Krise ist Feind und Freund der progressiven Bewegung: Sie schnürt die gesellschaftlichen Diskursräume immer stärker zu, sie lässt die Panik ansteigen und den rechtsextremen Wahn anschwellen; aber zugleich nötigt sie alle gesellschaftlichen Kräfte, die ihre Sinne noch einigermaßen beisammen haben, sich der unleugbaren Notwendigkeit einer grundlegenden Überwindung der kollabierenden Kapitalvergesellschaftung zu stellen.

Der Versuch, in die gegenwärtigen gesellschaftlichen Auseinandersetzungen und Konflikte ein dem objektiven Krisenprozess entsprechendes Krisenbewusstsein hineinzutragen, läuft letztendlich auf den Kampf gegen die falsche Unmittelbarkeit hinaus, die diese Auseinandersetzungen prägt. Unter falscher Unmittelbarkeit ist die Tendenz sozialer Bewegungen zu verstehen, unbewusst in Denkformen zu verharren, die den sozialen Zuständen und Widersprüchen entsprechen, gegen die sie sich eigentlich richten.

Die in den zunehmenden krisenbedingten Auseinandersetzungen befindlichen Menschen werden ja gerade nicht von einem „revolutionären Automatismus“ erfasst, der ihnen ein antikapitalistisches Krisenbewusstsein verschaffen wurde. Ganz im Gegenteil. Durch die Fixierung auf konkrete, anscheinend erreichbare Ziele innerhalb des Bestehenden wird dessen Systemlogik selbst im oppositionellen Kampf gestärkt. Der Kampf um die Stilllegung von Braunkohleabbau, gegen die Teuerung und gegen soziale Erosion, um einen höheren Lohn oder gegen Lohnkürzungen, der Windmühlenkampf der hilflosen, sozialdemokratisierten Linken gegen den munter weiter voranschreitenden Demokratie- und Sozialabbau: sie verfestigen die entsprechenden kapitalistischen Gesellschaftsstrukturen und Vergesellschaftungsformen, in denen und um deren Willen gekämpft wird: Arbeit, bürgerliche Demokratie samt der kapitalistisch kastrierten „Bürgerrechte“,21 der Staat als „Sozialstaat“ gerinnen so auch innerhalb der in sozialen Kämpfen verfangenen Bewegung zu quasi natürlichen Voraussetzungen menschlicher Gesellschaft.

Die unmittelbaren Ziele, die innerhalb des Systems verfolgt werden, sind somit „falsch“, sie führen zur Ausbildung der besagten falschen Unmittelbarkeit, da sie erstens nicht mit der krisengebeutelten Systemlogik brechen, sondern diese im Gegensatz noch zementieren, und da sie zweitens innerhalb einer kollabierenden Kapitalvergesellschaftung erstritten werden sollen, sodass deren Realisierung vollends illusionär ist. Nach dem in Krisenschüben zwangsläufigen Scheitern der großen sozialen Kämpfe – etwa in Südeuropa nach Ausbruch der Eurokrise – setzten deswegen zumeist Resignation und Apathie ein, da diesen Bewegungen gerade eine weitergehende transformatorische Perspektive fehlte, die nur aus einem dem Krisenprozess adäquaten Krisenbewusstsein entspringen könnte. Die an den krisenbedingt zunehmenden sozialen Protesten beteiligten Kräfte wollen zumeist nichts weiter erreichen, als das, was sie postulieren: Kampf gegen Braunkohleabbau, um Arbeitsplätze, um höhere Löhne, gegen Sozialabbau, Arbeitsplatzvernichtung, gegen die beständige Erosion von „Bürgerrechten“, etc.

Es scheint absurd: In der Krise kämpft die Linke für die Aufrechterhaltung der krisenbedingt erodierenden kapitalistischen Vergesellschaftungsformen. Und zugleich ist keine realistische Alternative zu eben diesen Kämpfen gegeben, da es sich hierbei zumeist um mehr oder minder offene Formen des nackten Existenzkampfs handelt. Im Kapitalismus ist die Reproduktion der eigenen Arbeitskraft nur mittels – eigener oder ausgebeuteter – Lohnarbeit möglich. Die Etablierung von Hungerlöhnen, die unter dem Existenzniveau liegen, schreitet auch in den Zentren voran. Der Arbeitsplatzverlust geht immer öfter mit dem Absturz in einen lebensbedrohlichen Pauperismus einher. Der Kampf gegen Demokratieabbau und die allgegenwärtige Faschisierung Europas ist notwendig, um überhaupt noch Manövrierräume für emanzipatorische Politik möglichst lange offen zu halten. Solange das Kapitalverhältnis als die geschilderte gesellschaftliche Totalität fortbesteht, sind auch oppositionelle Kräfte an dessen Vergesellschaftungsformen gekettet.

Das bedeutet aber nicht, dass diese Kräfte den sozial-ökologischen Kampf nur in diesen Formen einfordern, geschweige denn, ihn nur in diesen Formen wahrnehmen müssen. Es ist somit tatsächlich entscheidend, mit welchem Bewusstsein die gegenwärtigen Proteste und Kämpfe geführt werden, selbst wenn deren konkreter Verlauf sich anfangs nicht großartig von den systemimmanenten, reformistischen Kämpfen unterscheiden würde. Die Auseinandersetzung mit Krisenideologie, verkürzter Kapitalismuskritik und der falschen Unmittelbarkeit zielt ja letztendlich darauf ab, den Transformationsprozess ins „politische Bewusstsein“ der sozialen Bewegungen zu heben, um so den unbewusst geführten Transformationskampf als solchen überhaupt erst zu begreifen und entsprechend bewusst zu gestalten.

Der Fokus, die Zielsetzung einer solchen bewusst geführten, anscheinend systemimmanenten Auseinandersetzung (Klimakampf, Lohnkampf, Antifa-Protest, Demos gegen Demokratieabbau, Abwehrkämpfe gegen Sozialabbau) verändern sich, sobald sie von einem transformatorischen Bewusstsein durchdrungen sind; wenn sie also als eine Frühphase des Transformationskampfes begriffen und propagiert werden, der in der Peripherie schon mit aller massenmörderischen Brutalität tobt. Um beim Beispiel der Sozialproteste zu bleiben: Anstatt einfach nur zu postulieren, dass die Reichen zahlen sollen, müsste klar gemacht werden, dass die Reichen für die Transformation zu zahlen haben – solange Geld noch Wert hat und es überhaupt Sinn macht, diese Forderung zu stellen. Der Weg wird zum Ziel: Die Selbstorganisation der Menschen in den entsprechenden Oppositionsbewegungen müsste somit bereits von dem Bestreben getragen sein, Momente einer postkapitalistischen Vergesellschaftung auszubilden.

Es wird sich aber auch über Umverteilungs- und Enteignungsmaßnahmen hinaus die Frage stellen: Wie lässt sich das Gesundheitswesen, Essen, Wohnen usw. organisieren, ohne dass entsprechende Finanzmittel oder rentable Arbeitsplätze vorhanden sind? Spätestens wenn die Inflation das Geld entwertet und alles wegen fehlender Rentabilität geschlossen oder ausgedünnt zu werden droht, steht die Organisation der gesellschaftlichen Reproduktion nach anderen als nach kapitalistischen Kriterien auf der Tagesordnung. Nicht etwa nach dem Motto ‘Wie lässt sich die Rente finanzieren?‘, sondern ‚Wie lässt sich der materielle und soziale Reichtum organisieren, damit alte Menschen würdig leben können?‘. Nicht ‚Wie können Arbeitsplätze geschaffen werden?‘, sondern ‚Wie müssten Menschen und Ressourcen mobilisiert und was müsste getan werden, damit Essen, Wohnen, Gesundheit usw. realisiert werden können?‘ (und das eben nicht auf Hartz-IV, Slum- oder Gulagniveau). Entweder die Linke lässt sich auf diese Ebene ein, oder sie muss sich daran beteiligen, systemimmante Lösungen umzusetzen, was auf nichts Anderes hinauslaufen wird, als alte Menschen in kostengünstige Pflegegulags zu verfrachten oder sie gleich ‚sozialverträglich‘ umzulegen.

Die Forderungen und Organisationsformen im Widerstand gegen die drohende Klimakatastrophe, gegen die Zumutungen der Krisenverwaltung müssen somit bereits Keimformen postkapitalistischer Vergesellschaftungsformen enthalten. Zentral müsste hierbei eigentlich das Bemühen sein, die systemimmanenten Oppositionsbewegungen zuerst als offene Diskursräume zu gestalten. Der Krisendiskurs, der auf gesamtgesellschaftlicher Ebene nicht mehr möglich ist (und der von der Linkspartei aus opportunistischem Kalkül sabotiert wird),22 muss zumindest in der Opposition geführt werden. Zudem scheint in der Verständigung über Strategien und Protestformen bereits der angestrebte postkapitalistische Verständigungsprozess über die gesamtgesellschaftliche Reproduktion auf. Die Diskursräume müssten somit, auch angesichts zunehmender Repression, möglichst lange offen gehalten werden. Der offene Diskussionsprozess, die Organisation und Koordination des transformatorischen Widerstandes, sie könnten als Vorform der globalen bewussten Selbstverständigung der Weltgesellschaft bezüglich ihrer Reproduktion fungieren.

Deswegen ist übrigens auch der demokratische Kampf um eine möglichst lang anhaltende Aufrechterhaltung der bürgerlich-demokratischen Restfreiheiten so notwendig, um möglichst lange den Transformationsprozess in Formen nicht-militärischer Auseinandersetzungen beeinflussen zu können. Die Notwendigkeit des Übergangs zwischen demokratischem Kampf und militant-militärischen Auseinandersetzungen ist überdies schwer abzuschätzen, sie ist abhängig vom Grad der Faschisierung und der Zerfallstendenzen des betreffenden Staates und seiner Gesellschaft. Ein solcher bewaffneter Kampf, der emanzipatorischen Kräften in Krisenverlauf aufgenötigt werden kann, stellt aber auch eine Niederlage dar. Die offene Diskursstruktur, die Ansätze zur Selbstverwaltung, die Keimformen künftiger Gesellschaften bilden könnten, drohen den Notwendigkeiten der militärischen Organisation zu weichen. Dann werden tatsächlich die leninschen Praxisvorgaben unabwendbar – und es droht dann eine autoritäre „Sowjetisierung“ der postkapitalistischen Alternativen.

Die wirkliche Bewegung, welche den jetzigen Zustand aufhebt.“

http://scharf-links.de/?id=Letztendlich gilt es, die verschiedenen Kämpfe und sozialen Bewegungen als Teilmomente des einen global tobenden Transformationskampfes zu begreifen. Die Welt befindet sich somit längst in einer Systemtransformation, nur wird sie von der krisenblinden Linken nicht als solche wahrgenommen. Wie schon mehrfach erläutert: Dieser blind ablaufende Transformationsprozess ist prinzipiell offen, er ist nicht prädeterminiert, weshalb auch der Ausgang dieser Systemtransformation (falls sie ohne atomaren Holocaust abgeschlossen werden sollte) absolut offen ist. Mehr noch: Da das System sich im Umbruch befindet, da das einstmals betonharte gesellschaftliche Gefüge in Bewegung gerät, die ehemals festen gesellschaftlichen Strukturen sich gewissermaßen verflüssigen, haben kollektive Handlungen einen weitaus größeren Einfluss auf die Formung der Zukunft als in Zeitperioden, in denen der Kapitalismus stabil schien. Doch weisen diese größeren Interventionsmöglichkeiten, die sich emanzipatorischen Kräften in der gegenwärtigen Systemkrise bieten, enge Zeitfenster auf, die sich dann auch irreversibel schließen können.

Offensichtlich ist dies ja beim Klimawandel mit seinen Kipppunkten, doch auch die soziale Krisenentfaltung verläuft nicht linear – es ist keine graduelle Entwicklung. Innerhalb des Transformationsprozesses gibt es entscheidende Momente oder Umbruchsituationen, in denen der weitere Krisenverlauf bestimmt wird. Sobald ein solcher Kulminationspunkt der inneren Widerspruchsentfaltung überschritten wurde, ohne katastrophale Folgen nach sich zu ziehen (Atomkrieg, ökologischer Kollaps ganzer Regionen, etc.), verläuft der weitere Krisenprozess in den in diesem entscheidenden Moment festgelegten Bahnen – die Revision einer solchen Entscheidung durch Interventionen scheint dann kaum noch machbar.

„Sie wissen das nicht, aber sie tun es.“ Dieses berühmte Zitat von Karl Marx, das den fetischistischen Prozess gesamtgesellschaftlicher Reproduktion im Kapitalismus auf den Punkt bringt, charakterisiert auch den nun voll einsetzenden Auflösungsprozess des kapitalistischen Weltsystems treffend. Das Weltsystem befindet sich bereits in einer Phase des chaotischen Umbruchs, wobei die Richtung und der Ausgang dieses Prozesses nicht prognostizierbar sind – einfach deswegen, weil er von den Handlungen der Subjekte im sich entfaltenden Transformationskampf (vorerst unbewusst) geformt wird. Da es kein „revolutionäres Subjekt“ gibt, ist es eben entscheidend, ob der Krisencharakter in der Bevölkerung in ausreichender Breite reflektiert wird, um auch hier die entsprechenden Kipppunkte zu überschreiten.

Emanzipation und Barbarei scheinen im voll einsetzenden, globalen Transformationskampf somit zeitgleich auf: Die brutale spätkapitalistische Krisenkonkurrenz geht einerseits in einen postkapitalistischen Transformationskampf über, sie überschneidet sich mit ihm teilweise, beide Krisenmomente treten mitunter in Wechselwirkung, wobei die ständigen Metamorphosen unterliegende, spätkapitalistische Krisenideologie diesen Auflösungsprozess zu rationalisieren versucht. Zugleich brechen, mitunter völlig unerwartet, immer öfter Aufstände und Massenproteste gegen die Perspektivlosigkeit des Spätkapitalismus auf, eine globale Umwelt- und Klimabewegung formiert sich, spontane Aufstände brechen in Ländern wie dem Iran aus, etc. Bei Überschreitung sozialer Kipppunkte können Aufstände wie aus heiterem Himmel ausbrechen. Mit zunehmender Krisenintensität werden sich diese Widersprüche und Konflikte verschärfen, die unzähligen Kämpfe in eine globale Auseinandersetzung umschlagen, die durchaus in einen Atomkrieg münden kann.

Dies gilt für den Krisenimperialismus der erodierenden spätkapitalistischen Staatsmonster,23 wie auch für die vielfältigen, an Intensität gewinnenden Konflikte in den krisengeschüttelten Gesellschaften. Dabei gilt es aber, eine „Hierarchisierung“ der Kämpfe in klassenkämpferische Haupt- und sonstige Nebenwidersprüche zu vermeiden. Die klassenkämpferischen Auseinandersetzungen bei Lohnkämpfen oder Sozialprotesten können nur gleichberechtigt mit anderen sozialen Kämpfen (Antifa, Klimakampf, Antimilitarismus, Feminismus, Demokratieverteidigung, sexuelle Selbstbestimmung, etc.) einer transformatorischen Bewegung dazu dienen, deren falsche Unmittelbarkeit im Laufe der Auseinandersetzungen in der oben angedeuteten Weise zu überwinden – um die sozialen Kämpfe, Proteste oder Umverteilungskämpfe durch das Hineintragen eines radikalen Krisenbewusstseins in Momente eines Transformationskampfes zu verwandeln.

Sobald die unterschiedlichen Bewegungen als Teilmomente eines Kampfes um eine emanzipatorische Systemtransformation begriffen werden, könnte auch die sich abzeichnende, destruktive „Bewegungskonkurrenz“ – etwa zwischen Klimabewegung und Sozialbewegung – minimiert werden, die gerade von den reaktionären Teilen der Linkspartei forciert wird.24 Die Linkspartei betreibt übrigens mit ihrer „Sozialkampagne“ gerade das Gegenteil einer emanzipatorischen Transformationsbewegung: unter sozialer Demagogie sollen soziale Bewegungen gekapert werden, um im repressiven Bewegungs- und Krisenmanagement das Aufkommen eines radikalen Krisenbewusstseins zu verhindern.25 Dieser opportunistischen und rechtsoffenen sozialen Demagogie, die sich trotz eskalierender Systemkrise in einer karikaturhaften offensichtlichen, falschen Unmittelbarkeit suhlt, muss in aller Praxis die kollektive Überlebensnotwendigkeit einer emanzipatorischen Systemtransformation entgegengesetzt werden.

So, wie es ist, bleibt es nicht. Diese Einsicht aus Brechts Lob der Dialektik26 könnte zur Handlungsmaxime einer emanzipatorischen Transformationsbewegung aufsteigen, die zuerst lernen müsste, den Transformationsprozess zu beeinflussen. Es stellt sich dabei immer die Frage, welche politischen Strukturen, welche gesellschaftlichen Machtkonfigurationen beim nächsten Krisenschub vorherrschen sollen. Der sich hinter dem Rücken der Subjekte entfaltende Krisenprozess kann ja auf sehr unterschiedlich strukturierte spätkapitalistische Gesellschaften treffen. Sie können oligarchisch, präfaschistisch oder bürgerlich-demokratisch, eher egalitär oder ständehaft, nationalistisch oder kosmopolitisch, säkular oder religionsfaschistisch ausgerichtet sein.

Es geht somit letztendlich darum, in Prozessen, in Entwicklungen zu denken, die bestehenden gesellschaftlichen Strukturen als im Zerfall begriffen wahrzunehmen, die entscheidenden Widersprüche zu verorten und in Antizipation der gewaltigen künftigen Erschütterungen die besten gesellschaftlichen Voraussetzungen, die optimale Ausgangslage für die emanzipatorische Transformation zu schaffen, was ja nur in Kooperation mit nennenswerten gesellschaftlichen Kräften geschehen kann. Die Schwierigkeit einer solchen Bündnispolitik besteht nun darin, entsprechende Kräfte zu lokalisieren, die den weiteren Transformationsprozess in eine emanzipatorische Richtung lenken würden, sowie in dem Hineintragen des geschilderten radikalen Krisenbewusstseins in diese Bewegungen.

Eigentlich ist es nur die fetischistische, blinde Bewegung des automatischen Subjekts uferloser Kapitalverwertung, die beim Durchschreiten ihrer inneren Schranke in die drohende ökologische Selbstvernichtung und eskalierende gesellschaftliche Kämpfe – perspektivisch einen Atom- und Weltbürgerkrieg – umschlägt. Die spätkapitalistische Wertvergesellschaftung zerfällt, aber der gesellschaftliche Fetischismus – die ohnmächtige Auslieferung der Subjekte an die unbewusst durch sie selbst hervorgebrachte gesellschaftliche Dynamik – beliebt bestehen. Begriffslos taumeln die Akteure, auch gerade in der deutschen Linken, in den drohenden Weltbürgerkrieg als dem Fluchtpunkt der transformationsbedingt einsetzenden Auseinandersetzungen.

Es gibt sie somit tatsächlich, die „wirkliche Bewegung, welche den jetzigen Zustand aufhebt“, die der junge Marx gemeinsam mit Engels in seiner Frühschrift „Die Deutsche Ideologie“27 konstatierte und als eine progressive Bewegung imaginierte, nur ist es eben kein zivilisatorischer Automatismus, der die Menschheit in den Kommunismus führt. Marx, durch dessen gesamtes Werk sich die Spaltung zwischen überholtem Fortschrittsglauben und wichtiger kategorialer Kritik zieht, brachte hier den Fetischismus des Kapitals zum Ausdruck, um zugleich dem Glauben an den ewigen Fortschritt, an den hegelschen Weltgeist zu erliegen. Die wirkliche, den Spätkapitalismus in seinen Grundfesten erschütternde Bewegung, ist die des blind über die Gesellschaft ablaufenden Verwertungsprozesses des Kapitals, das an sich selber zugrunde geht. Es ist der Fetischismus, den Marx schon damals ahnte.

Es gilt folglich, aller Evidenz zu trotz, darum zu kämpfen, diese unausweichliche Transformationsbewegung, die den jetzigen Zustand totsicher aufheben wird und die in seinem Verlauf und Ergebnis immer noch offen ist, im Transformationskampf zu einer bewusst agierenden Bewegung zu formen. Die Systemtransformation ist unvermeidbar, es kommt darauf an, sie in eine progressive, emanzipatorische Richtung zu lenken – im Kampf gegen die Kräfte der Barbarei, die das Kapital in seiner Krise wieder ausschwitzt.

Wenn es ein Kampffeld gibt, das in der gegenwärtigen Krisenphase Priorität haben sollte, dann ist es ein um eine möglicht breite Bündnisbildung bemühter Antifaschismus, da der Faschismus als die offen terroristische Krisenform kapitalistischer Herrschaft sich bereits deutlich abzeichnet. Die in der deutschen Linken sich längst breitmachende Querfront,28 die tief mit dem deutschen Staatsapparat verflochtene Neue Rechte,29 der im Aufschwung begriffene Präfaschismus30 scharren schon mit den Hufen, um die Krise des Kapitals mit einem abermaligen Absturz in die Barbarei zu beantworten.

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1 http://www.mlwerke.de/me/me03/me03_009.htm

2 https://konkret-magazin.shop/texte/konkret-texte-shop/66/tomasz-konicz-kapitalkollaps

3 https://www.xn--untergrund-blttle-2qb.ch/wirtschaft/theorie/stagflation-inflationsrate-6794.html

4 https://www.akweb.de/ausgaben/642/kapitalismus-und-klimakatastrophe-zu-effizient-fuer-diese-welt/

5 https://www.mandelbaum.at/buecher/tomasz-konicz/klimakiller-kapital/

6 https://www.akweb.de/bewegung/die-klimabewegung-braucht-antikapitalistische-leitplanken-fuer-ihre-kommenden-aktionen/

7 https://www.konicz.info/2022/10/06/opportunismus-in-der-krise/

8 https://www.konicz.info/2022/10/06/opportunismus-in-der-krise/

9 https://www.konicz.info/2022/10/02/die-subjektlose-herrschaft-des-kapitals-2/

10 https://www.konicz.info/2022/06/25/schuldenberge-im-klimawandel/

11 https://www.konicz.info/2022/07/22/schuldenberge-in-bewegung/

12 https://www.konicz.info/2022/09/03/the-walking-debt/

13 link: Opportunismus in der Krise

14 https://www.konicz.info/2021/09/20/telepolis-eine-rotbraune-inside-story/

15 https://www.konicz.info/2019/04/27/die-subjektlose-herrschaft-des-kapitals/

16 https://www.konicz.info/2019/08/30/der-alte-todesdrang-der-neuen-rechten/

17 Siehe hierzu: Roswitha Scholz, Der Wert ist der Mann, https://exit-online.org/textanz1.php?tabelle=autoren&index=38&posnr=25&backtext1=text1.php

18 https://www.rnd.de/politik/eritrea-das-nordkorea-afrikas-diktator-mischt-in-tigray-konflikt-mit-UFEFDYU3TZHRJNBTV776QRFO3I.html

19 https://exit-online.org/textanz1.php?tabelle=autoren&index=37&posnr=449&backtext1=text1.php

20 https://www.deutschlandfunk.de/ulrike-herrmann-sieht-kapitalismus-am-ende-100.html

21 Durch die ja im Wesentlichen der Mensch als kapitalverwertungsfähiges Subjekt anerkannt werden soll, wobei die Anerkennung entfällt, wenn die Verwertungsfähigkeit ausbleibt – deutlich zu sehen bei Flüchtlingen. Siehe: https://exit-online.org/textanz1.php?tabelle=autoren&index=20&posnr=554&backtext1=text1.php

22 https://www.konicz.info/2022/10/06/opportunismus-in-der-krise/

23 https://www.konicz.info/2022/06/23/was-ist-krisenimperialismus/

24 https://www.facebook.com/photo/?fbid=5047254132045984&set=a.1916895028415259

25 https://www.konicz.info/2022/10/06/opportunismus-in-der-krise/

26 https://www.deutschelyrik.de/lob-der-dialektik-1934.html

27„Der Kommunismus ist für uns nicht ein Zustand, der hergestellt werden soll, ein Ideal, wonach die Wirklichkeit sich zu richten haben [wird]. Wir nennen Kommunismus die wirkliche Bewegung, welche den jetzigen Zustand aufhebt.“ Quelle: www.mlwerke.de/me/me03/me03_009.htm

28 https://www.konicz.info/category/querfront/

29 https://www.konicz.info/2019/04/01/braun-von-ksk-bis-usk/

30 https://www.tagesschau.de/inland/niedersachsen-afd-101.html

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Oben      —     Karl Marx, Der Prophet

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BSI-Chef Arne Schönbohm:

Erstellt von Redaktion am 12. Oktober 2022

IT-Sicherheit in der Comedy-Arena

Quelle          :        Netzpolitik ORG.

Von  :     

Bundesinnenministerin Nancy Faeser muss das Problem Arne Schönbohm schnell loswerden. Der BSI-Chef ist nach einem Beitrag des ZDF Magazin Royale endgültig nicht mehr tragbar. Noch wichtiger aber ist die Frage: Wird das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik nun endlich unabhängig?

Getarnt als Satire-Beitrag brachte das ZDF Magazin Royale am 7. Oktober eine Recherche, die es in sich hatte: Es ging um Arne Schönbohm, seine engen Kontakte zu russischen Geheimdienstleuten und um den dubiosen Verein „Cyber-Sicherheitsrat Deutschland“, dessen Mitgründer er war. „Cyberclown“ Schönbohm ist seit 2016 Präsident des Bundesamts für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) und agiert mittlerweile als eine Art oberster Cyber-Sicherheitskommentator. Einmal mehr steht er nun als Fehlbesetzung da und ist damit endgültig in der Comedy-Arena gelandet.

Der Mann aus der Wirtschaft war schon bei seiner Berufung Ziel harscher Kritik. Grund dafür war vor allem seine mangelnde fachliche Qualifikation und seine Nähe zur Rüstungsbranche. Der ehemalige Lobbyist Schönbohm ist Betriebswirt und konnte sich – anders als seine Amtsvorgänger – auf keinerlei technische, informatische oder mathematische Expertise stützen. Es war der damalige Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU), der den Sohn seines Parteikollegen, des Generalleutnants und ehemaligen Brandenburger Innenministers Jörg Schönbohm, trotz Protesten aus der Opposition ins Amt hob.

Wichtiger als die Personalie ist das Amt

Wichtiger als die Personalie ist jedoch die Zukunft des Themas, das Arne Schönbohm qua Amt vertritt. Denn nun ist nicht nur Schönbohms Image endgültig ramponiert, sondern auch die Reputation der wichtigen Behörde hat erheblichen Schaden genommen. Das BSI ist für den Schutz weiter Teile der digitalen Infrastruktur des Bundes zuständig. Gerade in der anhaltenden Krise in der IT-Sicherheit ist die Behörde von besonderer Bedeutung für Verwaltung und Wirtschaft, denn die Beratung und Expertise seiner Mitarbeiter werden derzeit überall dringend gebraucht. Da ist eine wandelnde Peinlichkeit an der Spitze des Amts nicht länger tragbar.

Gewiss, die amtierende Innenministerin Nancy Faeser hat das Problem Schönbohm von de Maizière geerbt. Sie trägt damit keine Schuld daran, dass dieser Mann den Chefsessel jener Behörde einnimmt, die in den vergangenen Jahren an Bedeutung gewann und auf deren Einschätzungen sich auch die SPD-Ministerin stützen muss. Aber Faeser muss nun eine Entscheidung über die Personalie fällen. Das Handelsblatt und das Boulevard-Blatt Bild berichteten bereits, dass Faeser die Abberufung Schönbohms plane. Ihr Ministerium dementiert das aktuell zwar noch, aber sie wird die drängenden Nachfragen wohl nicht mehr lange aussitzen können.

Dass Schönbohm im BSI noch eine Zukunft hat, daran glaubt im politischen Berlin keiner mehr. Das ZDF zitiert unbenannte Personen in Regierungskreisen:

Es soll ein zeitnaher Wechsel im Amt des BSI-Präsidenten erfolgen.

Und auch Tilo Jung berichtet schon, dass Schönbohm tatsächlich bald weggelobt werden soll.

Schon nach Schönbohms peinlichen Patzern in der Causa Kaspersky wurde über sein Ende an der Amtsspitze geraunt. Unter seiner Ägide hatte das BSI vor der Virenschutzsoftware des russischen Herstellers Kaspersky gewarnt. Technisch ist das schwerlich zu begründen, die Warnungen konnten daher nur als politische Wertung verstanden werden.

Werden solche Typen nicht ganz bewusst von der Politik an die Front geschickt, um das eigene Unwissen zu kaschieren?

Wir brauchen vom BSI verlässliche Fakten, fundierte Einschätzungen und strategische Ideen in Fragen der IT-Sicherheit. Jenseits der Amtsspitze hat das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik die Fachleute dafür. Eine IT-Sicherheitsbehörde jedoch, die in schneller Folge nur die üblichen Allgemeinplätze via Pressemeldung absondert, dessen Präsident Arne Schönbohm sich ernsthaft für Hackbacks starkmacht und das Cyber-Bullshit-Reporting normalisiert hat, muss ihren Kurs neu ausrichten.

Nach dem nun unausweichlichen Abgang des Cyberclowns lautet also die entscheidende Frage, wie die Zukunft des BSI aussieht. Wird die Behörde endlich aus dem direkten Einflussbereich des Innenministeriums losgelöst? Das ist eine bereits seit Jahren erhobene Forderung, um die Unabhängigkeit der Behörde zu sichern. Dass das BSI weiter politisch weisungsgebunden bleibt, ist ein noch unhaltbarerer Zustand als die aktuelle Besetzung der Spitzenposition.

Lizenz: Die von uns verfassten Inhalte stehen, soweit nicht anders vermerkt, unter der Lizenz Creative Commons BY-NC-SA 4.0.

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Grafikquellen      :

Oben     —      Cosplay de Pennywise (el payaso asesino de la película It) en la Comiccon 2017 de Montreal.

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Unten     —       Arne Schönbohm, amtierender Präsident des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI). Hier während seines Besuches im Internationalen Münchner Presseclub am 17.10.2016. Titel des Werks: „Arne Schönbohm am 17.10.2016 im Münchner Presseclub (Bild-Nr. 9977)“.

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Wahl in Niedersachsen

Erstellt von Redaktion am 11. Oktober 2022

Ein Lob der biederen Normalität

Ein Debattenbeitrag von Stefan Reinecke

Die gesellschaftliche Mitte zeigt sich auch in der Krise stabil – trotz großer AfD-Gewinne in Niedersachsen. Die Problempartei in der Ampel ist die FDP.

Die Prognose, dass die bundesdeutsche Demokratie, sowieso ein Geschenk der Alliierten, nur für schönes Wetter taugt, gehört seit Jahrzehnten zum festen Glaubensbekenntnis der deutschen Linken. Nur der Wohlstand habe die Deutschen zivilisiert, so die immer mit einer gewissen Angstlust verbreitete Idee. Gekaufte Demokraten, bestochen mit Bequemlichkeit und nicht aus Überzeugung oder Stolz auf Revolutionen, die hierzulande entweder ganz ausblieben oder auf halber Strecke liegen blieben. Falls sich der schöne Wohlstand mal verflüchtigen sollte, dann werde man schon sehen, was unter der Decke nur schlummerte und sein grässliches Haupt wieder erheben werde.

47 Prozent der BürgerInnen sind derzeit unzufrieden mit der Demokratie. Die AfD hat am Sonntag in Niedersachsen fast 12 Prozent bekommen. Die FDP spielt, wenn man Christian Lindner recht versteht, mit der Überlegung, endgültig Opposition in der Regierung zu werden. Die BürgerInnen würden die FDP ja fälschlicherweise für eine linke Partei halten, daher gelte es, die Rolle der Liberalen in der Ampel zu überdenken – was wohl eine Drohung sein soll. Die Regierung in Berlin wankt, zumindest ein wenig, der rechte Rand wird stark. Götterdämmerung der Demokratie? Ist es nun so weit?

Keineswegs. Denn das AfD-Ergebnis relativiert sich, wenn man die Umstände betrachtet. 60 Prozent der WählerInnen in Niedersachsen fürchten, dass sie ihre Rechnungen nicht bezahlen können. Diese Krise ist tiefer und existenzieller, als es die Finanzkrise 2009 war. Die Ampel hat darauf mit der Gasumlage konfus reagiert – und Ängste nicht gedämpft, sondern verstärkt. Die Panik hat Teile der Mittelschicht erreicht. All das sind perfekte Bedingungen für den rechtsnationalistischen Agitprop, der Friedenssehnsucht, Ängste vor dem sozialen Absturz mit „Deutschland zuerst“-Parolen und xenophoben Affekten verwebt. Dafür sind 12 Prozent dann doch nicht so viel.

Ja, sie sind ein Signal an die Ampel, schneller und klarer die Krise zu dämpfen. Aber mehr als 80 Prozent haben – wenn auch bei niedriger Wahlbeteiligung – die Mitte-Parteien gewählt – SPD, Konservative und Liberale, also jenes Zentrum, das seit Jahrzehnten mit erstaunlicher Kontinuität die deutsche Politik prägt. Niedersachsen hat nicht für die aggressive völkische Retro-Normalität der AfD votiert, sondern für rot-grüne Normalität – zivil und etwas bieder, sachlich und aufregungsarm.

In Italien und Schweden, Frankreich und Polen pflügen Rechtsautoritäre und Postfaschisten die politische Landschaft um und sind erfolgreicher als hierzulande. Das ist kein Grund für Selbstzufriedenheit – aber doch ein Grund, die Rhetorik des linken Alarmismus, der das Ende der Demokratie nahen sieht, mal herunterzupegeln und die „Der Schoß ist fruchtbar noch“-Lyrik einzustellen.

Schlimmer, als weiter zu regieren, wäre für die FDP, Schuld an Neuwahlen im Bund zu sein

Zwei Parteien haben im Vergleich zu 2017 gewonnen – die Grünen und AfD. Die Grünen sind, allerdings weniger als von ihnen erhofft, dabei, in urbanen Zentren mit der SPD auf Augenhöhe zu konkurrieren. Die AfD hat vor allem in schrumpfenden Regionen beim sogenannten alten Mittelstand gewonnen. Die Mitte ist stabil – daneben zeichnet sich eine Polarisierung zwischen grünen, urbanen, liberalen Milieus und kleinstädtischen ProtestwählerInnen ab, die ihren Lebensstil in Gefahr sehen. Der Protest ist rechts, aber begrenzt und vielleicht auch rückholbar. Die Linkspartei spielt bei alldem keine Rolle. 18 Prozent der ArbeiterInnen haben laut Wählerbefragungen AfD gewählt – und nahezu 0 Prozent Linkspartei.

Eine Bastion der elektoralen Stabilität sind die Älteren. In Niedersachsen wählten nur 5 Prozent der über 70-Jährigen AfD. Ältere gehen verlässlicher als Jüngere zur Wahl. Sie sind zudem eine wachsende Klientel; Wahlen sind schon heute gegen sie kaum zu gewinnen. In NRW siegte im Mai die CDU, weil sie bei RentnerInnen punktete. In Niedersachsen votierten 42 Prozent der Älteren für Stephan Weil, der das Sicherheitsversprechen, auf das RentnerInnen viel Wert legen, glaubhaft verkörperte.

Es bedarf keines großen Scharfsinns, um zu erkennen, dass auch künftige Wahlen gewinnt, wer für Sicherheit, soziale Absicherung und einen starken Staat steht. Denn die Krisendichte bleibt. Neben Krieg, Inflation und einer Pleitewelle steht mit der ökologischen Transformation die größte Umwälzung der Ökonomie seit 150 Jahren bevor.

Lindners Kurs passt nicht

Quelle         :      TAZ-online         >>>>>       weiterlesen

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Oben      —     Niedersächsische Landtagswahl am 15. Oktober 2017: Wahlabend in der SPD Fraktion

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So werden wir vera……

Erstellt von Redaktion am 11. Oktober 2022

„So wird Stimmung gemacht. So werden wir vera……

10. Oktober 2022 um 8:55

Ein Artikel von: Albrecht Müller  In Niedersachsen wurde gestern ein neuer Landtag gewählt.“

Ein Kommentar von Wolfgang Gerecht – Main-Taunus-Kreis,

Herr Müller schreibt: „dass wir selbst bei kleinen Ereignissen penetrant und offensichtlich gleichgerichtet manipuliert werden.“

Zu dieser richtigen Aussage ist festzustellen, dass trotzdem etwa 40% der Wahlberechtigten sehr wohl erkennen, dass sie penetrant und offensichtlich gleichgerichtet manipuliert werden.

Diese 40% Nichtwähler lassen sich aber n i c h t manipulieren, sondern gehen mangels glaubwürdiger Alternativen n i c h t zur Wahl, sie lassen sich halt eben n i c h t verar….. !

So war das bei den Landtagswahlen des Jahres 2022 in den Flächenländern Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen, aber auch in Schleswig-Holstein und im Saarland.

In allen genannten Bundesländern gab es etwa 60% Wahlbeteiligung, Im Saarland fielen noch zusätzlich ca. 22% der 5%-Klausel zum „Opfer“, Schleswig-Holstein ca. 10%, NRW 8,5%, in Niedersachsen 8,5%.

Und in den ca. 40% Nicht-Wähler Innen sind genau jene Menschen enthalten, die von den Staats-Parteien der 50% Wähler Innen politisch unterdrückt werden. (Hartz IV, Niedriglohn-Sektor, Aufstockung durch SGB XII = Sozialhilfe wegen Niedrig-Rente u.s.w.).

Die Kartell-Parteien von SPD-CDU-CSU halten mit ihren beiden Wendehals-Parteien FDP und GRÜNEN die Hälfte der Wahlberechtigten in ihrem parlamentarischen Würgegriff.

50% parlamentarisch wirksame Wählerstimmen, aber 100% der Parlamentssitze beschlagnahmen und den
(verfälschten) Anspruch erheben, „das ganze !!! Volk“ zu vertreten. (Hans Herbert von Armin: „Den Staat zur Beute machen“)

Dazu kommen die per Zwangs-Finanzierung gepamperten „Öffentlich-rechtlichen“ Rundfunk- und Fernsehanstalten. Auch diese sind natürlich „durch die Bank“ mit ihren Parteigängern okkupiert. Diese Staats-Parteien-Gemeinschaft blendet gezielt die (untere) Hälfte der Wahlberechtigten und alle Nicht-Wahlberechtigten aus dem gesellschaftlichen „Diskurs“ aus. Gerade mal so, als wenn diese alle nicht in dieser Welt wären.

Keine „Idee“ ist den Staats-Parteien anscheinend zu schade, um ihre Macht gegen demokratische Kritiker abzusichern. Ihr Inlands-Geheimdienst „Verfassungsschutz“, lies Konkurrenzschutz gegen Staats-Partei-Kritiker, erfand jetzt die neue „verfassungsfeindliche“ Kategorie:“Verfassungsschutzrelevante Delegitimierung des Staates“.

De facto kann jede wirksame politische Bewegung von Einzelpersonen, von Gruppen, von Parteien, durch die Staats-Beamten der Staats-Parteien mit staatlichen Sanktionen belegt bzw. belangt werden. Dazu kommen noch Förderungen von GRÜNEN-Stiftungen wie die „Liberale Moderne“ die mit staatlichen Steuermitteln „gefördert“ werden, um durch de facto bestellte „Gutachten“ unliebsame Alternativ-Medien öffentlich zu diskreditieren.

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Grafikquellen       :

Oben      — Amtsübernahme in der Niedersächsischen Staatskanzlei; von links: Christine Hawighorst und David McAllister, Stephan Weil und Jörg Mielke

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Die Verstaatlichung ?

Erstellt von Redaktion am 11. Oktober 2022

– Verworfen, gefordert, umgesetzt und nun?

Auch eine Verstaatlichung würde nich die fehlende Intelligenz in der Politik ersetzen!

Quelle       :        Scharf  —  Links

Von Suitbert Cechura

Der absolute Frevel an der Marktwirtschaft – der Staat eignet sich privates Unternehmertum an. Das geht gar nicht! Oder doch?

Verstaatlichung ist der Horror jedes Liberalen und sonstigen Parteigängers marktwirtschaftlicher Vernunft. Inzwischen ist sie aber nicht mehr nur eine Forderung der Linken, die mit Verstaatlichung die Übel der Marktwirtschaft beseitigen will (vgl. SZ, 12.9.22). Oder eines Gewerkschaftsvertreters, der wie IG-Metall-Vorstandsmitglied Urban die „Überführung“ von Konzernen, die an ihrer Versorgungsaufgabe scheitern, „in die öffentliche Hand“ für sinnvoll hält (vgl. Konkret, 10/22). Die Forderung wird auch von anderen Gruppen hierzulande erhoben und hat es in Berlin sogar bis zu einem erfolgreichen Volksentscheid gebracht (deutschlandfunk.de/volksentscheid-berlin-stimmt-fuer-enteignung-grosser-100.html).

Ob es ums Wohnen geht, das Gesundheitswesen oder jetzt die Energieversorgung, immer soll, wenn sich Not bemerkbar macht, letztendlich Verstaatlichung die Versorgung der Bürger sicherstellen. Berufen wird sich dabei auf das Grundgesetz, das diese Möglichkeit vorsieht, und auf das Ziel der Politik, die Versorgungssicherheit der Bürger zu gewährleisten. Wenn man aber die Praxis dieses gar nicht so ungewöhnlichen Verfahrens betrachtet, zeigt sich schnell, dass es auch nicht für Zufriedenheit im Lande sorgt. Dafür wird deutlich, worum es dem Staat bei Verstaatlichung und Versorgungssicherheit geht.

Marktwirtschaft mit Versorgungssicherheit …

Zur Wahrung der Versorgungssicherheit hat der Staat nicht nur die Regie bei Gasprom Germany übernommen, sondern auch den größten Gasimporteur Uniper verstaatlicht und weitere Verstaatlichungen im Gassektor in Aussicht gestellt. Angekündigt ist zudem ein Gaspreisschirm, der den Gaspreis bezahlbar machen soll. Wie dieser genau ausgestaltet wird, ist noch offen, aber in seinen Grundsätzen bekannt. Verhindert werden soll durch die Aktion, dass die Höhe der Gaspreise Unternehmen ruiniert, und auch die Bürger sollen mit ihrem beschränkten Budget über die Runden kommen. Der Staat stellt sich mit diesem Programm als Garant für das Funktionieren seiner Wirtschaft und für das Zurechtkommen seiner Bürger dar.

Versorgungssicherheit bedeutet natürlich nicht, dass damit jeder sicher sein kann, dass er das bekommt, was er zu seinem Lebensunterhalt oder zur Durchführung seines Geschäfts braucht. Schließlich soll bei der ganzen Aktion Gas auch weiterhin einen Preis haben und dieser Preis soll zum Energiesparen anreizen, wie es so schön heißt. Zum Sparen anreizen bedeutet nichts anderes, als dass es einigen schwerfallen wird, diesen Preis zu bezahlen. Das ist dabei fest einkalkuliert. Schließlich erfordert der Wirtschaftskrieg mit Russland Energieeinsparung in der gesamten Nation. Sicherung der Versorgung unter staatlicher Hoheit zielt eben auf die Sicherung des Geschäftemachens und darauf, dass die Bürger weiter ums Geld der Gesellschaft konkurrieren können. Dass dabei immer welche zu kurz kommen und verarmen ist, fester Bestandteil dieser Wirtschaftsordnung.

Die Gasversorgung ist nur eine Branche, die der Staat als wesentlich für das Funktionieren seiner Gesellschaft betrachtet. Das Herbeischaffen der benötigten Energieversorgung gilt ihm insgesamt als Sektor, dem besondere Aufmerksamkeit zu widmen und der durch entsprechende Gesetze zu regulieren ist. Im Gassektor wird dies an den Regelungen zum Füllstand der Gasspeicher deutlich: Sie müssen zu einem bestimmten Zeitpunkt soweit gefüllt sein, dass sie als Reserve für Versorgungsschwankungen ausreichen. Neben dem Energiesektor sind die Geschäftssphären Transport, Post und Telekommunikation, der Wohnungssektor, die Agrarindustrie und das Gesundheitswesen als relevante Bereiche für die gesamtgesellschaftliche Funktionsfähigkeit im Visier der Politik. Diese führt hier Aufsicht und macht daher regulierend dem Geschäft in diesen Branchen Vorgaben.

Was hier auffallen könnte, aber von keinem Wirtschaftsteil des deutschen Pressewesens zu hören ist: Wenn die Regierung Uniper und andere große Gasimporteure verstaatlicht, um die Gasversorgung im Lande sicherzustellen, dann stellt sie damit praktisch die Basisideologie der Marktwirtschaft in Frage. Die lebt ja von der Lüge, sie würde immer für die beste Allokation von Gütern sorgen, sprich, dass die Güter dorthin gelangen, wo sie am dringendsten gebraucht werden. Wohin sie wirklichen gelangen, entscheidet sich an der Zahlungsfähigkeit derer, die über die Mittel verfügen, die notwendigen Güter zu kaufen. Das marktwirtschaftliche Credo ernst genommen, macht also nicht der Bedarf, den Menschen haben, die Dringlichkeit aus, sondern ihre Zahlungsfähigkeit. Die Nöte der kleinen Leute zählen da nicht, sie kommen erst als Sorgethema und Berufungstitel ins Visier, wenn staatlicherseits ein allgemeiner Notstand konstatiert wird.

… durch planwirtschaftliche Gestaltung des Geschäfts

Die Sicherung der Versorgung der Gesellschaft durch Schaffung der Voraussetzungen des Produzierens, Handelns und Konsumierens bedeutet für den Staat Kosten, die seinen Haushalt belasten und ihn damit in seiner politischen Handlungsfähigkeit beschränken. Deshalb sind alle Regierungen – gleich welcher Couleur – darauf bedacht, dass möglichst viel an Voraussetzungen für das Funktionieren der Gesellschaft privatwirtschaftlich und damit kostengünstig erbracht wird. Schon die Auslagerung von Aufgaben an Stadtwerke, die nach wie vor vollständig in Besitz der Kommunen verbleiben, erbringt positive Leistungen, indem nicht mehr der kommunale Kredit für den Bau und die Instandhaltung von Wasser- oder Abwasserleitungen strapaziert werden muss. Zudem müssen diese Firmen ihre Gebühren so kalkulieren, dass sich die dort eingesetzten Kredite und eingenommenen Gelder lohnen, d.h. zumindest die Kosten decken oder besser noch den Kommunen zusätzliche Einnahmen bescheren.

Die Kosten für die notwendige Infrastruktur der Gesellschaft erfordern wirtschaftlich betrieben große Kapitalmengen. Die waren in Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg nicht vorhanden und so wurden Branchen wie die Wasser- und Energieversorgung, die Bahn und Post weitgehend in staatlicher Regie betrieben. Und auch das Gesundheitswesen stand mit der Sicherung der Finanzierung für die meist von den Wohlfahrtsverbänden geführten Krankenhäuser unter staatlicher Kontrolle.

Das Vorhandensein von großen Kapitalmengen in der Gesellschaft und staatlicher Finanzbedarf nach dem Anschluss der DDR lösten dann eine wahre Privatisierungswelle aus. Die Stromkonzerne, die zwar als Kapitalgesellschaften in kommunaler Hand organisiert waren, aber sich mit Versorgungsmonopol und Preisregulierungen nicht als Konkurrenzunternehmen betätigen konnten, wurden von diesen Schranken befreit und sollten sich auf dem europäischen Markt als Kapitalunternehmen bewähren. Die Post wurde zur Post AG, abgespalten davon die Telekom an die Börse gebracht und die Bahn in eine AG umgewandelt. Im Gesundheitswesen wurde das Kostendeckungsprinzip abgeschafft und die Akteure wurden darauf verpflichtet, mit staatlich vorgegebenen Preisen zu wirtschaften. Verkauft wurde die Umwandlung als Aufbruch in die neue Dienstleistungsgesellschaft und als Abschied von der bräsigen Beamtenkultur: Der Bürger wurde zum Kunden, der es nicht mehr mit einer Obrigkeit, sondern mit einem interessanten Anbieter zu tun hat.

Die Wahrheit ist banaler: Privatisierung soll staatliche Ausgaben für die Sicherstellung dieser Leistungen reduzieren und aus den Kosten für diese Bereiche ein Mittel zur Bereicherung für Private machen, die ihrerseits so zu Steuerzahlern werden. Die Reduzierung des Aufwandes für die Versorgung durch Privatisierung erfolgt in erster Linie durch Senkung der Lohnkosten. So wurde z.B. aus Postbeamten ein Heer von Billiglöhnern, die als Mitarbeiter von Konkurrenzfirmen alle die gleichen Haushalte anfahren und die Pakete vor die Tür stellen, die Straßen verstopfen und die Luft verpesten. Für die Kunden werden Leistungen gestrichen und die Post kommt nicht mehr täglich, Postkästen werden abgebaut und Zweigstellen geschlossen.

Das Gleiche auch in den anderen Sektoren, wo mit der Privatisierung das Personal reduziert, Leistungen in nicht tarifgebundene Bereiche ausgelagert wurde usw. Die neue Servicegesellschaft begegnet den Bürgern in Form von Warteschleifen von Callcentern. Oder die Erhebung der Grundsteuer wird zu einem Experiment in Sachen Digitalisierung der Verwaltung, bei dem – wie der FAZ auffiel – der Bürger die Arbeit der Finanzämter machen soll.

Selbst die  Verstaatlichung der Banken in Russland 1917 konnte die Oligarchie nicht verhindern

Die Sicherstellung der Versorgung der notwendigen Dienste für die Gesellschaft durch Private hat so ihre Tücken, wie man an dem ganzen Regulierungswesen sieht. Für private Unternehmen ist nämlich die Versorgung der Gesellschaft Mittel für ihre Bereicherung und findet daher nur dort statt, wo diese in ausreichendem Maße zustande kommt. Und das fällt eben nicht zusammen mit den Zielen des Staates, der diese Voraussetzungen für sich erfüllt sehen will, macht daher jede Menge an Regelungen und Eingriffen in dieses Geschäft notwendig.

Um auf die Gasspeicher zurück zu kommen: Für Gasunternehmen sind die Speicher ein Mittel ihres Geschäftes. Sie füllen sie, wenn die Preise niedrig sind, und verkaufen aus ihnen, wenn die Nachfrage hoch ist und hohe Preise zu erzielen sind. Diese Konjunkturen fallen aber nicht zusammen mit denen, die sich aus der Sicherung der Versorgung entsprechend des jährlich anfallenden Energiebedarfs der Gesellschaft ergeben. Deshalb schränkt der Staat die Spekulationsmöglichkeiten der Gasimporteure ein und verpflichtet sie, in Herbst und Winter entsprechende Vorräte vorzuhalten. Raum für Spekulation lässt er ihnen gleichwohl. In anderen Ländern legen die Staaten eigene nationale Energiespeicher an, um sich so von der Spekulation ihrer Energieunternehmen unabhängig zu machen.

Weil es den Gegensatz gibt zwischen nationaler Versorgungssicherung und privatem Bereicherungsinteresse, greift der Staat in alle diese Versorgungsbereiche mit einschlägigen Maßnahmen ein, setzt dem Bereicherungsinteresse Grenzen oder schafft Anreize, damit sich Anlagen auch dann lohnen, wenn sie sich wirtschaftlich nicht rechnen. So erhalten Stromproduzenten Geld für nur zeitweise genutzte Kraftwerke, damit immer ausreichend Strom in den Netzen vorhanden ist und Black-outs vermieden werden. Für die Unternehmen würden sich sonst Kraftwerke nur lohnen, wenn sich ständig Strom verkaufen ließe; so garantiert der Staat ihnen den Gewinn.

Auch die private Post muss eine flächendeckende Versorgung sicherstellen und sich die Gebühren genehmigen lassen. Ebenso die Telefonanbieter, die beim Erwerb von Funklizenzen ebenfalls entsprechende Verpflichtungen eingehen. Bei der Bahn ist zwar die Umwandlung in eine AG erfolgt, sie bleibt aber in staatlichem Besitz und unterliegt ebenfalls gesetzlichen Vorgaben. Im Gesundheitswesen gibt der Staat allen Beteiligten mit Preisen für festgelegte Leistungen die Kalkulationsgrößen vor, mit denen die Privaten zu wirtschaften haben, und versucht so, die Gesundheitsversorgung sicherzustellen; schließlich werden die Menschen für Staat und Wirtschaft gebraucht.

Mit der Verstaatlichung greift also nicht ein neues, menschenfreundliches Verfahren Platz. Wenn es in einzelnen Sektoren stattfindet, hält der Staat daran fest, dass in den Bereichen nach den Maßstäben der Marktwirtschaft zu handeln ist. Schließlich bleiben auch bei Verstaatlichung die Betriebsformen erhalten. Und wenn die Bahn nicht an die Börse geht, bleibt sie doch eine Aktiengesellschaft in der Hand des Bundes und soll als Wirtschaftsbetrieb handeln.

Wenn der Staat die Gasbranche verstaatlicht, ändert sich für den Kunden gar nichts. Sicherung der Versorgung mit Gas bedeutet ja nicht, dass nun jeder so viel Gas bekommt, wie er zum Heizen und Kochen braucht. Schließlich verlangt auch der neue Eigner für seine Ware Geld und erhält die Unternehmen am Leben, weil er nach wie vor diese Branche als Geschäftsfeld haben will. Was nichts anderes bedeutet, als dass auch in Zukunft der Bedarf der Bürger an Gas ein Mittel zur Bereicherung von Firmen bleiben soll. Dieses Geschäft auf neuer Grundlage wieder in Gang zu bringen, das ist das Anliegen, das der Staat mit seiner Verstaatlichung verfolgt.

Verstaatlichung ist eben etwas anderes als Vergesellschaftung der Produktion und Verteilung von Gütern. Verstaatlichung heißt, dass die hoheitliche Gewalt sich Eigentum, das sie ja gerade garantiert, aneignet, um es nach ihren Kriterien einzusetzen. Und das sind andere, als die Bürger mit dem Notwendigen zu versorgen. Es geht darum, den Erfolg der Geschäftswelt (wieder-)herzustellen, der sich dann am Ende in der wichtigsten Zahl des Wirtschaftslebens manifestiert: dem jährlichen Wirtschaftswachstum.

Vergesellschaftung würde bedeuten, dass die Menschen die Hoheit über Produktion und Verteilung erhalten und durch ihre Selbstverwaltungsgremien organisieren. Damit hat aber die staatliche Verfügung über Teile der Produktion oder des Handels nichts am Hut. Eine gesicherte Versorgung ist eben etwas anderes als eine Versorgung zu einem halbwegs erträglichen Preis. Die Tatsache, dass alles in dieser Gesellschaft einen Preis hat und damit Mittel fürs Geschäft ist, macht ja gerade das Leben zu einer ständigen Bewährungsprobe – momentan offiziell von oben angesagt mit Frieren, Sparen, Einschränken, Verzichten… Um das zu ändern, braucht es mehr als die Verstaatlichung von einigen Bereichen.

Zuerst erschienen bei Telepolis

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Deutschlands Absturz :

Erstellt von Redaktion am 10. Oktober 2022

Scholz, Baerbock, Habeck und das neue deutsche Elend

Quelle      :      Ständige Publikumskonferenz der öffentlichen Medien e.V.

Von Friedhelm Klinkhammer und Volker Bräutigam

Friedens-Unfähigkeit der Regierung, Realitätsverweigerung, Arroganz, Bürgerferne – und gleichgeschaltete Massenmedien.

Deutschland im Herbst: kurz vor dem Absturz in große Not. Mit Kanzler Scholz voran, dem Bademeister im Schuldensumpf[1], Vergangenheitsbewältiger ohne Cum-Ex-Erinnerung[2] und auch angesichts der Gegenwartsgefahren ziemlich einfallslos. Mit einer Außenministerin Baerbock am Bein, selbsternannte Fachfrau für Völkerrecht, zumindest aber für Lügengeschichten und exzessiven Russenhass, die sich zum Sicherheits-Hochrisiko in Europa entwickelt.[3] Und mit Wirtschaftsminister Habeck geschlagen, einem von jeglicher Sachkenntnis freien Schwadroneur[4], der über „Mondpreise“ für US-Fracking-Gas jammert und bei den Amis „führend dienern“ will[5] (oder so ähnlich).

Bereiten wir uns also auf das winterliche Leben im Mehrfamilien-Wohnschlafzimmer vor und auf die per Fahrraddynamo zu betreibende Elektroheizung. Das bürgerferne Berliner Regime mit Fascho-Odeur, ohne Selbstzweifel und engagiert in kriegerischer Wumms-Politik, setzt längst die Nachrichtensendungen von ARD, Deutschlandradio und ZDF als erfolgreiche Verbal-Artillerie ein.[6] Ihr allabendliches Trommelfeuer auf die Intelligenz des Publikums ballert dessen Leidensbereitschaft und Russophobie herbei. So erklärt sich die bedingungslose grün-deutsche Hingabe an das neonazistische Regime in Kiew. Öffentlich-rechtswidriger Programmauftrag: Unser täglicher Schulterschluss mit SS-Kamerad Selenskyj[7].

Auf den korrupten Selbstherrscher in Kiew lassen Tagesschau & Co. nichts kommen: Russischsprachige Bücher und russische Musik verbieten[8][9], den Ost-Ukrainern den Gebrauch ihrer Muttersprache untersagen[10], kritische Fernsehsender dicht machen[11], rassistische Sprüche kloppen[12], die Oppositionsparteien verbieten[13] , politische Gegner entführen und foltern lassen[14]: Selenskyj darf sowas. Darüber verlieren öffentlich-rechtliche Qualitätsjournalisten kein Wort in ihren „hochinformativen“ Nachrichtensendungen. Der Mafioso im Kiewer Präsidentenamt gilt ihnen als Ehrenmann. Seine Off-shore-Millionen sind für die Tagesschau aber tabu.

Charakterloser Journalismus

Die braune Brühe in und aus der Ukraine wird von den Redakteuren sorgfältig übergangen, die aus Hamburg gelieferte Tagesschau hat das Filtern auf allen Ebenen längst zur Perfektion entwickelt.

Als sich mehrere NDR-Redakteure darüber beschwerten, dass es in der NDR-Berichterstattung in Kiel einen „politischen Filter“ (zugunsten der CDU-Landesregierung) gebe, war das Mediengetöse groß[15] – als ob da etwas Außergewöhnliches aufgedeckt worden wäre. Dabei belegen kritisch-unabhängige Autoren außerhalb des Dunstkreises der Konzernmedien und des öffentlich-rechtlichen Rundfunks bereits seit vielen Jahren zweifelsfrei, dass der „Qualitätsjournalismus“ politisch abhängig ist, daher auch weitestgehend gleichgeschaltet: Er verletzt das Interesse breiter Bevölkerungsteile, er pervertiert die Meinungsbildungsfreiheit und begeht damit tagtäglich ideellen Verfassungsbruch.

Im NDR unternahm man nach Bekanntwerden der Kieler Kritik, was man in vergleichbaren Fällen immer tut: Man prüft mit eigens ausgesuchten „Gutachtern“ im Hinterzimmer die einzelnen Vorwürfe und verständigt sich auf das übliche Ergebnis: Da ist nichts gewesen.[16] Was angeblich oder tatsächlich zu kritisieren war, wird dem kollektiven Gedächtnisverlust anheimgeben, die Zeit heilt alle Wunden. Die zu Aufpassern bestellten Mitglieder in den Rundfunkgremien spielen mit – wer sich querlegt, gefährdet seinen Platz im Kasperletheater oder wird als Pups im Parfümladen erachtet.

Solche Verfahrens- und Verhaltensweisen sind systemkonform. Sie gaukeln der Öffentlichkeit vor, Rundfunk und Fernsehen hierzulande seien sauber und funktionierten bei der Kontrolle des Gemeinwesens und seiner Führung einwandfrei. Das täuscht darüber hinweg, dass die Nachrichtensendungen des öffentlich-rechtlichen Fernsehens geradezu standardmäßig „politisch gefiltert“ sind; was täglich in Hamburg-Lokstedt passiert, kann nicht (wie in Kiel) als untypischer Betriebsunfall deklariert werden.

Die Redaktion ARD-aktuell hat Negativbeispiele in Hülle und Fülle im Archiv, insbesondere aus der Auslandsberichterstattung. Seit dem Maidan-Putsch 2014 ist die Tagesschau bekannt dafür, dass ihre Ukraine-Berichterstattung entgegen der gesetzlichen (=staatsvertraglichen) Objektivitätspflicht ausschließlich dem Interesse des „Wertewestens“ dient. Die Redaktion ist nicht die Bohne um Objektivität bemüht, nicht einmal um Neutralität. Sie arbeitet hochgradig parteiisch. Ihr zentrales Instrumentarium: Weglassen wesentlicher Informationen, unsachliche Akzentuierung, einfließende und/oder getarnte Falschnachrichten, Manipulation von Fakten und Aussagen. Das reicht von Falschdarstellungen über das Pogrom im Gewerkschaftshaus in Odessa, über die uferlose Korruption des Regimes in Kiew bis zum Ignorieren des Massenmords an 14000 Ostukrainern, gemeinschaftlich begangen von den neonazistischen Asow-Freikorps und der regulären ukrainischen Armee.

Der Krieg eskaliert –

und damit das Manipulieren und Fälschen bis zum Exzess, Nachrichten ohne Benennung von Ross und Reiter, aktuellstes Beispiel:

„Teile der Krim-Brücke eingestürzt“[17]

meldet die Tagesschau, verweist auf einen „Brand auf der Brücke“ und sagt nicht sofort, was Sache ist: Dass die ukrainischen Machthaber schon vor dem Krieg Pläne schmiedeten, diese Lebensader der Krim abzuschneiden, die Brücke zum russischen Festland zu zerstören. Schweigt sich natürlich darüber aus, welche Folgen dieser Gewaltakt haben muss: eine weitere Eskalation des Kriegsgeschehens.

Ganz anders die Nachrichten in den bewussten Medien. Putin habe wiederholt unterstrichen,

„dass auf Angriffe auf russisches Territorium mit allen Mitteln reagiert werde und hinzugefügt: ‚Das ist kein Bluff.‘ Wenn er jetzt nicht reagiert, würde er sich als schwach und ängstlich zeigen.“[18]

Den Kontext zu Ereignissen darzustellen, Nachrichten damit verständlicher und einer sachgerechten Urteilsbildung dienlich zu machen, ist für ARD-aktuell längst kein journalistisches Muss mehr. Die verantwortungslose Haltung der Merkel-Regierung gegenüber dem völkerrechtlich verankerten „Minsk-II-Abkommen“ wurde von der Tagesschau ebenso devot übergangen wie die Tatsache, dass USA, NATO und EU seit Jahren die Ukraine auf einen Krieg gegen Russland orientierten – unter Einsatz ihrer Geheimdienste und Söldner. Und dass sie das Land mit Unmengen Waffen belieferten, es finanzierten und seine Soldaten und uniformierten Hitler- und Bandera-Fans trainierten. Damit sorgte auch die ARD-aktuell dafür, dass der Durchschnittszuschauer die verbrecherischen Umtriebe der wertewestlichen Regierungen nicht als Mitursache für den Krieg in der Ostukraine begreifen konnte.

Dieser Hintergrund erhellt, warum es so problemlos gelang, die Mehrheit der Bundesbürger gegen Russland aufzuwiegeln und die seit Jahresbeginn gigantischen westlichen Waffenlieferungen als Beitrag zur Herbeiführung des Friedens (!) zu verkaufen – als ob es nicht längst ein Verbot von Waffenlieferungen in Kriegsgebiete gäbe; es ist im Grundgesetz bereits in der Präambel verankert.[19]

Treffend beschrieben:

„Die Medien zeigen uns die Welt – allerdings nicht wie in einem Spiegel, sondern unvermeidlich als von ihnen erzeugte Welt, als Ergebnis eines höchst eigensinnigen Auswahl- und Produktionsprozesses. Diesen Prozess selbst zeigen sie aber nicht: Weder die Filter noch die Zutaten noch die ‚geheimen‘ Künste ihres Handwerks … wer keine Sensibilität dafür entwickelt, über welche Themen er lediglich hinweg hastet und bei welchen er ungebührlich verweilt, weiß am Ende nichts Verlässliches von der Welt, die ihm da gezeigt wurde. Und ist doch überzeugt, sie mit eigenen Augen gesehen zu haben.“[20]

Filter und Zutaten setzt die Tagesschau gelegentlich so übermäßig und wider jede Logik ein, dass der kritische Zuschauer zweifelt, ob den Redakteuren noch etwas Rest-Verstand geblieben ist. Beispielsweise bei der Berichterstattung über den Beschuss des Atomkraftwerks Saporischschja: Obwohl das AKW von russischen Truppen besetzt ist, erweckte ARD-aktuell – unisono mit Selenskyj und seiner medialen Entourage im Westen – den Anschein, als hätten die Russen selbst auf das AKW geschossen.[21]

Wer auch dabei an die zuverlässig russophob hechelnde Moskauer Korrespondentin Ina Ruck als Autorin denkt, irrt: ARD-aktuell hatte eigens für diese schräge Nummer die Lateinamerika-Korrespondentin Xenia Böttcher in die Ukraine gekarrt. Deren Qualifikation für wahrheitswidrige Meinungsmache und reaktionären Gossenjournalismus ist längst nachgewiesen, speziell mit ihren abfälligen und irreführenden Berichten über Venezuela.[22]

Filtern, filtern: Die EU beschloss kürzlich eine weitere Finanzhilfe von 5 Milliarden Euro für die Ukraine. Das Selenskyj-Regime wies das als ungenügend zurück.

Jetzt will die Ukraine der EU schon vorschreiben, wie viel Geld sie aus Brüssel bekommt“[23]

empörte sich der Blogger Eric Bonse. Und was berichtete die Tagesschau über den Skandal?

Nichts.

Durchgeknallt

Als der ukrainische Staatschef am 6. Oktober die NATO aufforderte, präventiv Atomwaffen gegen Russland einzusetzen, verschwieg ARD-aktuell in ihren Hauptsendungen sogar diesen verbalen Amoklauf Selenskyjs. Sie brachte nur eine Erwähnung im Kleingedruckten, auf tagesschau.de[24]; dort allerdings gleich zusammen mit einer abwiegelnden Bemerkung aus dem Umfeld des Kiewer Koksbruders: Selenskyj habe sich nicht auf die Gegenwart bezogen, sondern den Kriegsbeginn im Februar 2022 gemeint. Solche Beispiele machen die Kriegsberichterstattung der ARD-aktuell als Propaganda-Mix kenntlich, gefiltert nach NATO-Interessen und denen einer deutschen Regierung, die ihre Handlungsgrenzen von Washington definieren lässt.

Wie oft schon haben wir und ungezählte andere Beschwerdeführer darauf hingewiesen, dass die ARD-aktuell damit gegen den Staatsvertrag verstößt, speziell gegen den Auftrag,

„… die internationale Zusammenarbeit zu fördern, für die Friedenssicherung einzutreten …  unabhängig und sachlich zu sein …“

https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/d/dc/Tagesschau_logoen_2013-07-11_13-56.jpg

und damit den „anerkannten journalistischen Grundsätzen zu entsprechen“[25]? Es muss dennoch immer und immer wieder daran erinnert werden. Bis es – vielleicht – eines schönen Tages doch noch dazu führt, dass Politiker und Rundfunkräte Konsequenzen ziehen.

Welch arroganter Zynismus drückt sich in dieser salvatorischen ARD-aktuell-Klausel aus:

„Angaben zu Kriegsverlauf, Beschuss und Opfern durch offizielle Stellen der russischen und der ukrainischen Konfliktparteien können in der aktuellen Lage nicht unmittelbar von unabhängiger Stelle überprüft werden.“[26]

Warum sendet die Redaktion dann nur Informationen von westlichen Nachrichtenagenturen, nicht aber von russischen? Warum beteiligt sich die ARD-aktuell an der informationellen Selbst-Kastration und protestiert nicht gegen die verfassungswidrige Zensur, die im Verbot russischer Medien in der EU gipfelt?[27]

Vom einstigen Bundeskanzler und verdienten Friedensnobelpreisträger Willy Brandt stammt der viel zitierte Satz:

„Ohne Frieden ist alles nichts.“[28]

Brandt setzte sich bekanntlich mit unbeirrbarem Verständigungswillen und schließlich erfolgreich für eine Aussöhnung mit dem Osten ein, gegen den ausdrücklichen Willen der britischen und der US-Besatzer in Deutschland. Demgegenüber erweist sich Kanzler Scholz als unglaubwürdiger Opportunist. Anfang März hatte er noch verkündet:

„Jeder weitere Tag, den der Krieg fortgesetzt wird, führt zu Zerstörung von Infrastruktur und Menschenleben … – auf beiden Seiten. Das muss unbedingt verhindert werden … Es geht darum, dass die Diplomatie wieder eine Chance bekommt“[29]

Doch schon im Mai war er auf die Seite der Kriegsförderer gewechselt:

„Ernsthaft über Frieden verhandeln wird Putin jedoch nur, wenn er merkt, dass er die Verteidigung der Ukraine nicht brechen kann“.[30]

Der Wählerwille zählt nicht

Für Scholz sind demnach Verhandlungsabsichten derzeit illusorisch. De facto stützt er damit den US-gesteuerten Scharfmacher Selenskyj; der ließ Verhandlungen mit Präsident Putin per Gesetz verbieten. Scholz‘ kriegerische Durchhalte-Politik stellt eine Verhöhnung des Mehrheitswillens seiner Mitbürger dar. Die stimmen zu 77 Prozent für sofortige Friedensverhandlungen zwischen der Ukraine und Russland.[31]

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Scholz, rechtslastiger „Seeheimer“ mit gewaltbeschönigender Vergangenheit[32], berauscht sich lieber an der tödlichen Effizienz des deutschen Mordwerkzeugs, das inzwischen massenhaft in die Ukraine geschafft wird.[33] Wie solche Spezialdemokraten eben sind: Sie bedenken die Neonazis in der Ukraine mit Weihrauch, Gold und Vernichtungswaffen – in der Heilserwartung auf den Endsieg. Unter Beifall unserer Rüstungsbarone und gierigen Hyänen, die auf Anteile an der Beute von russischen Ressourcen lauern.

Doppelstandards, Opportunismus und Amoral des Kanzlers drücken sich auch in seiner Reise nach Riad aus. Dort kaufte er Öl und sagte im Gegenzug Waffenlieferungen zu. Auf dass die Saudis ihren völkerrechtswidrigen Krieg im Jemen fortsetzen können, der bereits mehr als 400 000 Menschenleben gefordert hat[34] und noch weit fürchterlicher wütet als der Krieg in der Ukraine. Das Rüstungsgeschäft mit Saudi-Arabien widerspricht übrigens dem Koalitionsvertrag mit den Grünen, aber die sind zwecks Machterhalt schon umgefallen.[35]

Die Grünen haben längst ihren Frieden mit dem Krieg gemacht.

Filtern, filtern, filtern: Als sich nach Alice Schwarzer weitere deutsche Prominente wie Richard David Precht, Juli Zeh und Ranga Yogeshwar im Juni öffentlich für Friedensverhandlungen im Ukraine-Konflikt einsetzten[36], brachte die ARD-aktuell das wiederum nur in ihrer diskreten Internet-Nische Tagesschau.de, nicht aber in ihren TV-Abendsendungen. Spitzenmeldung war dort vielmehr ein gerade beschlossenes „Gesetz zur Selbstbestimmung“, das den Menschen die Möglichkeit gibt, ihr Geschlecht und Vornamen selbst festzulegen.[37]

Am 2. Oktober appellierte Papst Franziskus an den Präsidenten der Ukraine, „für ernsthafte Friedensvorschläge offen zu sein.“ Kein Wort davon in den Hauptsendungen der ARD-aktuell. Die enthielten stattdessen Jubelmeldungen über weitere deutsche Waffenlieferungen.[38]

Wie verkommen inzwischen die deutsche Diskussionskultur in Friedensfragen ist, dank des Einflusses der Massenmedien, zeigt sich am Umgang mit dem Friedens-Vorschlag des US-Milliardärs Elon Musk. ARD-aktuell tat ihn als „provokante“ Äußerung ab.[39] Und fügte ihm den Kommentar der neonazistischen Dreckschleuder Andrij Melnyk hinzu, Ex-Botschafter der Ukraine in Deutschland:

„Verpiss dich (im englischen Original: Fuck off), ist meine sehr diplomatische Antwort an dich, Elon Musk“.

Friedensaktivisten diffamiert ARD-aktuell, indem sie eine Nähe zu AfD-Mitgliedern, „Verschwörungstheoretikern“ und „Corona-Leugnern“ andeutet, als hätten die kein Recht, sich für den Frieden einzusetzen.[40] John Pilger, weltweit bekannter australischer Journalist und Friedensaktivist:

Wir leben in einer Mediengesellschaft, in der wir einer tückischen und unaufhörlichen Gehirnwäsche unterzogen werden … entsprechend den Bedürfnissen und Lügen staatlicher und unternehmerischer Macht.“[41]

Die Sowjets zogen vor 32 Jahren in Freundschaft aus Deutschland ab. Die westlichen Besatzer jedoch blieben. Heute sollen wir die Russen wieder als Feinde betrachten, die Amis hingegen noch immer als Freunde. Trotz milliardenschwerer Besatzungskosten, Missbrauchs ihrer Garnison Ramstein für weltweite Drohnenmorde und der Garnison Büchel als Atombombenlager, trotz NSA-Bespitzelung, CIA-geheimdienstlicher Unterwanderung, Zwang zur Selbstzerstörung unserer Wirtschaft zum Nutzen der US-amerikanischen und trotz fortwährender politischer Bevormundung.[42] Die Bundesregierung, voran der dienernde Vizekanzler Habeck, legt Wert darauf, unter den Amis „Partner in Leadership“ zu sein.[43]

Vom berühmten linken Schriftsteller Franz Jung („Der Weg nach unten“)[44] ist überliefert, dass er Hitler in einem Münchner Wirtshaus anschrie: „Dir ham’s ins Hirn g’schissen und vergessen, abzuziehen!“ Jung überlebte in der Emigration.

Deutschland im Herbst: Der quer durchs Land gehegte Wunsch nach Frieden hat keinen politischen Marktwert. Er prägt auch nicht unsere Massenmedien. Dabei ist der Absturz in die wirtschaftliche und soziale Katastrophe schon in Sichtweite. Er wäre vermeidbar, denn eine der Nordstream-2-Röhren ist noch intakt: Die Amis haben sie nicht getroffen. Doch die USA beherrschen unser Land und verhindern Signale nach Moskau, die der Verstand geböte. Die westeuropäisch-russische Zusammenarbeit wird sich dennoch eines Tages durchsetzen – gegen ein imperiales System, das nur mit Sanktionen und Militär aufrechterhalten wird und nicht einmal mehr ein Viertel der Menschheit repräsentiert.

Quellen:

[1] https://www.cicero.de/innenpolitik/interview-mit-ex-spd-politiker-torsten-teichert-die-linke-scholz-spd
[2] https://www.welt.de/politik/deutschland/video240581355/Cum-Ex-Skandal-Olaf-Scholz-kann-sich-nicht-erinnern.html
[3] https://www.tichyseinblick.de/meinungen/annalena-baerbock-sicherheitsrisiko-europa/
[4] http://blauerbote.com/2022/10/06/habeck-versteht-nicht-warum-us-fluessiggas-so-viel-teurer-ist-als-russisches-pipelinegas%EF%BB%BF/
[5] https://www.faz.net/aktuell/politik/inland/habeck-zu-ukraine-krieg-deutschland-muss-dienend-fuehren-17870492.html
[6] https://www.tagesschau.de/multimedia/video/video-1095747.html
[7] https://www.anti-spiegel.ru/2022/mit-aufnaeher-der-waffen-ss-selensky-besucht-isium/
[8] https://leserbriefe.info/?p=229993
[9] https://www.swr.de/swr2/musik-klassik/kulturmeldung-ukraine-verbietet-russische-musik-100.html
[10] https://uepo.de/2022/01/28/sprachpolitik-ukraine-bekaempft-russische-sprache-per-gesetz
[11] https://www.mdr.de/nachrichten/welt/osteuropa/politik/ukraine-schaltet-prorussische-tv-sender-ab-100.html
[12] https://weltwoche.ch/daily/wolodymyr-selenskyjs-juengste-forderung-sperrt-alle-russen-in-ihrem-land-ein-und-aus-der-eu-ertoent-beifall/
[13] https://weltwoche.ch/daily/wolodymyr-selenskyj-hat-in-der-ukraine-praktisch-alle-parteien-verboten-und-konzentriert-seine-medienmacht-kritik-im-westen-fehlanzeige/
[14] https://sicht-vom-hochblauen.de/ein-verraeter-weniger-selenskyj-beaufsichtigt-eine-kampagne-der-ermordung-entfuehrung-und-folterung-politischer-oppositioneller-von-max-blumenthal-und-esha-krishnaswamy/
[15] https://uebermedien.de/76092/hier-wird-ein-bild-gezeichnet-was-nicht-das-wahre-bild-des-ndr-ist/
[16] https://www.ndr.de/fernsehen/sendungen/schleswig-holstein_magazin/Kein-Beleg-fuer-politischen-Filter-beim-NDR-in-Kiel,shmag97670.html
[17] https://www.tagesschau.de/newsticker/liveblog-ukraine-samstag-195.html
[18] https://overton-magazin.de/krass-konkret/anschlag-auf-die-krimbruecke/
[19] http://ruestungsexport-info.de/ruestung-recht/grundgesetz-ruestungsexport.html
[20] https://www.suhrkamp.de/buch/thomas-meyer-die-unbelangbaren-t-9783518126929
[21] https://www.tagesschau.de/multimedia/video/video-1072447.html
[22] https://amerika21.de/analyse/224027/venezuela-manipulation-mit-staatsvertrag
[23] https://lostineu.eu/neues-vom-wirtschaftskrieg-129-bruessel-rechnet-mit-blackouts/
[24] https://dailycaller.com/2022/10/06/zelensky-pre-emptive-nato-strikes-russia-putin-nukes/
[25] https://www.ndr.de/der_ndr/zahlen_und_daten/staatsvertrag202.pdf
[26] https://www.tagesschau.de/ausland/europa/ukraine-frontverlauf-ratifizierung-annexion-101.html
[27]  https://www.infosperber.ch/medien/russische-sender-verboten-ein-fragwuerdiger-eu-entscheid/
[28] https://www.wissen57.de/willy-brandt-ohne-frieden-ist-alles-nichts.html
[29] https://www.rnd.de/politik/krieg-in-der-ukraine-olaf-scholz-betont-wir-werden-nicht-militaerisch-eingreifen-TC27KRJRGFCVJJKZMEF4MJZISA.html
[30] https://www.merkur.de/politik/ukraine-news-krieg-russland-deutschland-soeder-scholz-reaktionen-politil-waffenlieferungen-zr-91569626.html
[31] https://overton-magazin.de/krass-konkret/umfrage-mehrheit-der-deutschen-will-dass-der-westen-friedensverhandlungen-anstoesst/
[32] https://kritisches-netzwerk.de/forum/polizeigewalt-beim-g20-gipfel-hamburg-2017-keine-einzige-anklage
[33] https://kriegsgebiet.com/2022/10/07/keine-kriegspartei-scholz-lobt-deutsche-waffen-in-der-ukraine-sie-waren-bei-der-gegenoffensive-besonders-effektiv/
[34] https://www.domradio.de/artikel/jemen-krieg-fordert-bislang-fast-400000-todesopfer
[35] https://www.daserste.de/information/politik-weltgeschehen/monitor/videosextern/ruestungsexporte-nach-saudi-arabien-oel-statt-menschenrechte-100.html
[36] https://www.tagesschau.de/inland/offener-brief-ukraine-verhandlung-101.html
[37] https://www.tagesschau.de/multimedia/sendung/ts-51943.html
[38] https://www.tagesschau.de/multimedia/sendung/ts-53521.html
[39] https://www.tagesschau.de/inland/regional/nordrheinwestfalen/wdr-story-50907.html
[40] https://www.tagesschau.de/inland/innenpolitik/proteste-153.html
[41] http://johnpilger.com/articles/silencing-the-lambs-how-propaganda-works-
[42] https://www.youtube.com/watch?v=t3ZJJTQxMhM
[43] https://www.bundesregierung.de/breg-de/themen/deutsche-einheit/bush-fordert-ein-ungeteiltes-europa-403522
[44] https://www.deutschlandfunkkultur.de/das-buch-meines-lebens-franz-jung-der-weg-nach-unten-100.html

Anmerkung der Autoren: Unsere Beiträge stehen zur freien Verfügung, nichtkommerzielle Zwecke der Veröffentlichung vorausgesetzt. Wir schreiben nicht für Honorar, sondern gegen die „mediale Massenverblödung“ (in memoriam Peter Scholl-Latour). Die Texte werden vom Verein „Ständige Publikumskonferenz öffentlich-rechtlicher Medien e.V.“ dokumentiert: https://publikumskonferenz.de/blog

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Oben     —   Aktivist*innen von Extinction Rebellion spielen Koalitionsverhandlungen von SPD, Grüne und FDP (vlnr Christian Lindner, Olaf Scholz, Analena Baerbock, Robert Habeck)

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„Stummer Frühling 2.0“

Erstellt von Redaktion am 7. Oktober 2022

60 Jahre nach Rachel Carsons Buch „The silent spring“

Sauerkirsche

Quelle       :        Scharf  —  Links

Von Axel Mayer

Vor 60 Jahren, im Spätherbst 1962, wurde in den USA das Buch von Rachel Carson „The silent spring / Der stumme Frühling“ veröffentlicht. Obwohl es weltweit noch keine starke Umweltbewegung gab und die damalige Naturschutzbewegung eher defensiv und konservativ war, wurde es 1962 das meistgelesene Buch in den USA. Die Wissenschaftsjournalistin Rachel Carson zeigte, welche Folgen der Einsatz des Insektenvernichtungsmittels DDT auf die Umwelt hat. Es war ein Weckruf für eine global erwachende Bewegung.

Drastisch und berührend schrieb sie: „Es war einmal eine Stadt im Herzen Amerikas, in der alle Geschöpfe in Harmonie mit ihrer Umwelt zu leben schienen. (…) Die Gegend war berühmt wegen ihrer an Zahl und Arten so reichen Vogelwelt.“
„Dann tauchte überall in der Gegend eine seltsame schleierhafte Seuche auf, und unter ihrem Pesthauch begann sich alles zu verwandeln. (…) Rätselhafte Krankheiten rafften die Kükenscharen dahin, Rinder und Schafe wurden siech und verendeten. Es herrschte eine ungewöhnliche Stille.“

1962 war in den USA, aber auch in Deutschland noch die Zeit der „guten, alten, offenen“ und vor allem sichtbaren Umweltzerstörung und Umweltvergiftung. Flüsse waren stinkende Kloaken, Kinder in der Umgebung von Verbrennungsanlagen litten an Pseudokrupp, in der Umgebung deutscher Bleichemiewerke starben die Kühe an Bleivergiftung. 1957 kam Contergan auf den Markt und die ersten AKW wurden gebaut. Es war die unkritisch-technikbesoffene Nachkriegszeit, in der, trotz des Konzernwissens um die Gefahren, noch hemmungslos Asbest verbaut wurde. Nicht nur mit dem Werbespruch „DDT is good for me-e-e“ wurde für das Insektenvernichtungsmittel DDT geworben.

Doch langsam zeigten sich die negativen Folgen des DDT-Einsatzes, denn auch nützliche Insekten starben massenweise. Das langlebige Gift lagerte sich im Fettgewebe von Tieren ab. Auch ging die Zahl der Vögel zurück. Die Schalen der Vogeleier waren zu dünn und zerbrachen beim Brüten. In Deutschland war ein Aussterben der Wanderfalken zu befürchten. Beim Menschen, am Ende der Nahrungskette, reicherte sich das langlebige Gift in Leber, Nervensystem und Fettgewebe an.

Rachel Carson wurde von der Argrochemielobby massiv und aggressiv angegriffen. Ein Lobbyist der landwirtschaftlichen Chemieindustrie, Robert White-Stevens sagte damals Sätze, die heutigen Umweltaktiven seltsam vertraut vorkommen: „Wenn die Menschen den Lehren von Miss Carson treu folgten, würden wir ins finstere Mittelalter zurückkehren. Krankheiten und Ungeziefer würden die Erde wieder übernehmen.“

Die Zeit war reif für Carsons Buch und für das Wachsen der Umweltbewegung. DDT wurde nach langen Kämpfen verboten und 10 Jahre nach dem Erscheinungstermin entstanden auch in Deutschland, gerade auch am Oberrhein, immer mehr Bürgerinitiativen und aus der konservativen Nur-Naturschutzbewegung wurde eine politischere Umwelt- und Naturschutzbewegung.

Der stumme Frühling 2.0

Während weltweit Medien und die Umweltbewegung an das Erscheinen des wichtigen Buches vor 60 Jahren erinnern, geht eine erschreckende aktuelle Nachricht durch die Medien: „Der jüngste Bericht zur Lage der Weltvögel (State of the World’s Birds 2022) zeichnet das bisher besorgniserregendste Bild für die Zukunft unserer Vogelarten und damit des gesamten Lebens auf Erden. Fast die Hälfte aller Vogelarten ist rückläufig. Jede achte Vogelart ist derzeit vom Aussterben bedroht.

Rachel Carsons Buch und die global wachsende Umweltbewegung waren und sind einerseits eine Erfolgsgeschichte. Luft- und Abwasserreinigungsanlagen wurden gebaut, Kraftwerke entschwefelt, Filter eingebaut, Autos bekamen Katalysatoren, DDT und Asbest wurden in den westlichen Staaten verboten und die kostengünstigen, zukunftsfähigen Energien begannen ihren langsamen Aufschwung. Die (Alb-)Träume der Atomlobbyisten sind nicht nur wegen Tschernobyl und Fukushima, sondern auch ökonomisch ausgeträumt, auch wenn manche PolitikerInnen das noch nicht begriffen haben. Die Produktionsprozesse wurden zumindest in vielen Ländern des Westens sauberer.

Das nur scheinbar unbegrenzte Wachstum brachte mehr Konsum, Handys, Plastik, Müll, Autos, PS, Straßen, SUVs, Rüstung, Flüge, Wohnraum, Agrargifte wie Neonicotinoide, Agrarfabriken, Urlaubsfabriken, Flächenverbrauch, Straßenbau, gigantische Bildschirme, Regenwaldvernichtung für Konsum, energiefressende Bitcoins und mehr soziale Ungleichheit … Die frühen Erfolge gegen die „gute, alte, offene“, sichtbare Umweltverschmutzung wurden und werden schlicht vom unbegrenzten exponentiellen Wuchern des Kleinen aufgefressen und dieses Wachstum bringt der Mehrzahl der Menschen nicht einmal mehr Glück und Zufriedenheit.

Und die alte Vision des stummen Frühlings wird erneut zur globalen Realität. Fünfmal gab es in den vergangenen 540 Millionen Jahren gewaltige Artensterben, zeigen Fossilienfunde. Forscher sehen eine aktuelle, menschengemachte sechste Welle in vollem Gange. Nach einem Bericht der Vereinten Nationen zur Artenvielfalt sterben bis zu 130 Tier- und Pflanzenarten täglich aus. Andere wissenschaftliche Quellen gehen von einem täglichen Aussterben von 150 Arten aus. Der Mensch im Anthropozän hat auf die Artenvielfalt eine ähnlich verheerende Wirkung wie der große Meteor-Einschlag vor 65 Millionen Jahren.

Datei:SST global Diff2 RCP8.5 Jahr.jpg

In kriegerischen Zeiten versuchen Konzerne, Lobbyisten und PolitikerInnen auch im Umwelt- und Naturschutzbereich das Rad der Geschichte zurückzudrehen und teilweise ist die unkritisch-zerstörerische Technikbesoffenheit der 60 Jahre des letzten Jahrhunderts zurück. Der gelenkte Hass, dem Rachel Carson ausgesetzt war, war nie verschwunden, wie (nicht nur) die perfiden Anzeigenkampagnen gegen Greta Thunberg zeigen. Durchsetzungsstrategien und Greenwash wurden optimiert. Aktuell wird das in der Fast-Nicht-Debatte um die Gefahren eines atomaren Endlagers in der Schweiz sehr deutlich.

Die Kämpfe gegen Klimakatastrophe, Artenausrottung, Atommüllproduktion, Überkonsum, Rohstoffverschwendung, gegen den verheerenden Traum vom unbegrenzten Wachstum und gegen den „stummen Frühling 2.0“ stehen trotz vieler Teilerfolge auch 60 Jahre nach Rachel Carsons wichtigem Buch erst am Anfang.

Axel Mayer, Mitwelt Stiftung Oberrhein (der Autor ist seit 50 Jahren in der Umweltbewegung aktiv und war 30 Jahre lang BUND-Geschäftsführer in Freiburg)

Urheberrecht
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Grafikquellen       :

Oben      —    Prunus cerasus

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Unten     —       Änderung der Meeresoberflächentemperatur 2070-2099 im Vergleich zu 1961-1990 nach dem Szenario RCP8.5 in °C

Lizenzhinweis

Visualisiert mit Panoply, Daten nach: CMIP5 simulations of the Max Planck Institute for Meteorology (MPI-M) based on the MPIESM-MR model: The rcp85 experiment, served by ESGF

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Eine Prekäre Solidarität:

Erstellt von Redaktion am 6. Oktober 2022

Europa in der Gaskrise

Noch mehr politische Versager  

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Ja, guten Morgen, Günter!

Erstellt von Redaktion am 6. Oktober 2022

Zum 80. Geburtstag von Günter Wallraff

Von : Du Pham

Günter Wallraff forscht seit über fünf Jahrzehnten ganz unten. Zu seinem 80. Geburtstag eine persönliche Erinnerung an meinen ehemaligen Vermieter.

Vor einem Haus stehe ich, auf dem groß das Rettungsschiff „Cap Anamur“ gemalt ist, durch ein Tor trete ich in den Innenhof, gehe über die Treppe auf der linken Seite hinein in das Wohngebäude. Es ist so klein und hutzelig, dass ich – klein und hutzelig – mich reflexartig ducke.

Die Maklerin zeigt mir die Wohnung im zweiten Stock; puh, das ist eine Wohnung? Auch ganz schön klein. Und die Küche, die ist nicht hutzelig, sie ist hässlich. Der Dielenboden, die hohe Decke, große Fenster und die Tatsache, dass man auf eine kleine Terrasse klettern kann, überzeugen mich, das Bewerbungsformular auszufüllen.

Die Miete ist nicht günstig, aber wir sind in Köln, wir sind in Ehrenfeld. Zurück bei der Arbeit erhalte ich am selben Tag einen Anruf der Maklerin, mit einer Zusage. Bis zu diesem Anruf wusste ich nicht, dass du – Günter Wallraff – mein Vermieter sein wirst.

Zweiter Bildungsweg

Das ist nun zehn Jahre her, ich war damals fast 30 und studierte auf dem zweiten Bildungsweg „Online-Redakteur“ – wer sich diese Bezeichnung ausgedacht hat, denkt hoffentlich heute noch darüber nach. Es ist kaum möglich, Studierenden journalistische Darstellungsformen näherzubringen, ohne die Grenzen und legendenumwobenen Spielarten des investigativen Journalismus anzuschneiden, die du, Günter, seit über 50 Jahren immer wieder austestest.

Es ist 2012 und das Jahr, in dem ich mein Praxissemester bei der taz machen sollte. Ja, und dieser Journalist, dessen Arbeit darin besteht zu enthüllen, wird zum vermeintlich Aufgedeckten, als ein ehemaliger Mitarbeiter ihm Ausbeutung vorwirft. Jemand, dem es eine Unerlässlichkeit ist, Unrecht aufzudecken und zu desavouieren, soll selbst eine Person zum Niedriglohn schwarz beschäftigt haben.

Ein Mensch, der sich mit größter Hingabe in die Rollen unter seinesgleichen begibt, unter solche, die im Alltag ganz unten sind, soll selbst jemanden nach unten getrieben haben. Einer, ohne dessen Arbeit vieles in diesem Land weiterhin unentdeckt geblieben wäre, wurde demaskiert. War das so? Das weiß man nicht, ich weiß es nicht.

Hans Esser bei der BILD

Mal hast du als Türke „Levent (Ali) Sigirlioğlu“ bei Thyssen gearbeitet, als „Reporter Hans Esser“ dich in die Bild-Zeitung eingeschlichen, Burger bei Fastfoodketten gebraten. Häufig hast du eine Perücke aufgesetzt, einen Bart angeklebt, ebenso häufig wurdest du vor Gericht geladen.

Die Schilderung deiner Erlebnisse mit Rassismus, Ausbeutung und Verachtung haben die deutsche Gesellschaft aufgeschreckt. Als „Verdammter dieser Erde“ hast du Zugehörigkeit und Freundschaft erlebt. Aber moralische Verurteilung blieb in all den Jahrzehnten intensivster Arbeit nicht aus: Deine Darstellung diffamiere Betroffene ausschließlich als Opfer, hieß es, zu reißerisch sei die Schreibe, zu ungehorsam die Methoden.

Zur Unterzeichnung des Mietvertrags lernen wir uns persönlich kennen. Dein Büro ist nur wenige Häuser entfernt. Als wir uns an einen großen Holztisch, umgeben von unzähligen Papierstapeln, hinsetzen, wirkst du ganz hutzelig. Während wir sprechen, piddelst du in irgendwelchen Unterlagen.

Ja, ja, äh, ja.

Und ich merke, dass du gedanklich längst bei einem anderen Thema gelandet bist. „Ja, ja, äh, ja!“ – diese besondere Form der Aneinanderreihung von Jas werde ich noch oft hören. Denn ich bin ganz gut darin, Themen, die nicht meine eigenen sind, zu sortieren. Und so ergab es sich, dass ich dir im Büro aushelfe.

Es dauerte nicht lange, bis ich mit deiner Betriebsamkeit konfrontiert wurde, manchmal wurde ich noch nach Feierabend angerufen, nur um sicherzu­gehen, dass wirklich keine dringende Mail mehr eingegangen sei. Und die vielen Mails, die täglich hereinkamen, sie wurden alle gelesen. Bei manchen Nachrichten habe ich nervöse Zuckungen bekommen, so absurd schienen sie mir. Von dir hingegen wurden sie wertgeschätzt und respektiert.

Ich bin in einem matriarchalen Haushalt aufgewachsen und du warst damals schon – pardon – der alte, weiße Mann. Attribute, auf die ich bei meinem Gegenüber gern verzichte, sei es beim Schuldirektor oder im Umgang mit diversen Chefs. Du konntest ähnlich geckenhaft sein. Bist mir aber auf Augenhöhe begegnet, hast nicht ge-mansplaint und wurdest so intuitiv ein Wegweiser.

Die engsten Gefährten

Ich lernte deine Gefährten kennen, die genauso kämpferisch und gerechtigkeitsliebend sind: den Journalisten und „work-watcher“ Albrecht Kieser und den selbsternannten radikalen Menschenfreund Rupert Neudeck – dessen Porträt im Wohnzimmer meiner Großeltern hängt. Der Drang, sich zu engagieren, eint euch. Und übertrug sich auch auf mich.

Du und deine Freunde, ihr habt mich intensiviert, in dem, was ich heute tue. Als ich bei dir anfing, wollte ich erfolgreiche Autorin werden, über all die Auswüchse der Gesellschaft berichten, wallraffen. Es kam anders, ungewollt. Ich schreibe, ja. Aber nicht vorrangig. Und selten weltbewegend. Engagement findet nicht in der Theorie statt, das habe ich durch dich begriffen. Deine stoische Art, Dinge einfach zu machen – das habe ich im Selbstversuch gemerkt – ist so viel direkter und so viel effektiver.

Erinnerst du dich noch? Als der TV-Sender RTL das Format „Team Wallraff“ gestartet hat, war ich verwundert und fragte dich, ob du damit nicht an Serio­sität einbüßen würdest. In meiner angehenden, arroganten Akademikerblase waren wir uns alle einig, dass Privatfernsehen gar nicht ginge. Du hast mir entgegnet, dass es darum gehe, eine breite Masse zu erreichen, nicht nur Anerkennung von Aka­de­mi­ke­r*in­nen zu ernten. Ja, da habe ich mich ein bisschen geschämt!

Ausschließlich zur Berieselung

Quelle        :         TAZ-online           >>>>>         weiterlesen

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Oben     —   Der deutsche Enthüllungsjournalist Günter Wallraff während einer Lesung in der Thalia-Filiale Linz Landstraße.

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Die Copy-Paste-Propaganda

Erstellt von Redaktion am 5. Oktober 2022

Virale Nord-Stream-Thesen

Nord Stream gasbideak.jpg

Eine Kolumne von Christian Stöcker

Die prorussische Propagandamaschine läuft nach den Pipelineexplosionen wieder auf Hochtouren. Seltsame Tweets, zehntausendfach geteilte Videos, Stimmen aus AfD und Die Linke, »Fox News« und Putins Kreml im Gleichklang.

Als am Montag bekannt wurde, dass in der Nacht ein Leck in der Gaspipeline Nord Stream 1 entstanden war, waren sich einige gleich sicher: Das war Sabotage. Manche wussten sogar: Das können nur die USA gewesen sein.

Seit Beginn dieser Woche hat sich, passend zu den beispiellosen Pipeline-Attacken, eine beispiellose Propagandakampagne abgespielt, primär in den sozialen Medien. Global, vielsprachig, ohne Atempause.

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KOLUMNE – Der Postprolet

Erstellt von Redaktion am 5. Oktober 2022

Sparmaßnahmen im Zuge der Energiekrise: Heizt du schon?

Kolumne von Volkan Agar

Jüngst bestimmte Corona die öffentliche Debatte. Nun ist es die Angst vor Kälte. Die Mittelschicht identifiziert sich mit den Nöten der Armen.

Mit Neoprenanzug im Schwimmbad. Das klingt schräg, weil das Wellenbad am Berliner Spreewaldplatz nicht die französische Atlantikküste ist und man im Hallenbad nicht surft, sondern Brust schwimmt. Aber die Schwimmbecken in Berlin werden mittlerweile heruntergekühlt und das Tragen von Neopren ist deshalb gestattet.

Gespart wird seit Anfang September auf Basis der Energiesparverordnung auch bei Außenbeleuchtungen, in öffentlichen Gebäuden oder Bürogebäuden, wo weniger geheizt wird. Universitäten kühlen ebenso runter, und manche erwägen laut Spiegel („Droht ein Energie-Shutdown an den Hochschulen?“), die Weihnachtsferien zu verlängern.

Zwar versicherten Berliner Hochschulen, dass sie auch im Winter am Präsenzbetrieb festhalten wollten. Weil ein einziger Autokrat offenbar ähnlich große Macht hat wie eine tödliche Pandemie, lassen sich neue Lockdowns aber nicht ausschließen: Was passiert, wenn runterkühlen nicht mehr reicht? Der Smalltalk der Armen wird so zum Smalltalk der Mittelschicht, „Heizt du schon?“ wird zum neuen „Bist du schon geimpft?“.

Der September fühlt sich an wie ein Februar mit 90 Tagen. Arme Menschen werden ärmer und neue arme Menschen kommen dazu: mehr als 2 Millionen nutzen mittlerweile das Angebot der Tafel, heißt es in einer Meldung, die am gleichen Tag herumgereicht wird wie „DAX-Manager mit fast 25 Prozent Lohn plus“. Zu dieser dunklen Gleichzeitigkeit mischt sich die Angst vor echter Dunkelheit: Seit Tagen erscheinen Artikel und Interviews zum Thema Blackout, einem längeren, großflächigen Stromausfall, der bei einer Überlastung des Stromnetzes eintreten könnte.

Auch wenn Städte wie Berlin oder Potsdam Vorbereitungen treffen, gilt das Szenario als unwahrscheinlich. Weil Rechtsextreme aber niemals genug Weltuntergangsstimmung bekommen können, schüren sie über ihre Kanäle längst Panik. Feuchte Prepperträume mischen sich unter vernünftige Erwägungen.

Noch vor wenigen Monaten bestimmte ein Virus (immer noch anwesend) die öffentliche Debatte, heute ist es die Angst vor Kälte und Dunkelheit. Aber hey, in allem Schlechten steckt bekanntlich auch etwas Gutes: Endlich kann sich die Mittelschicht mit den armen Schluckern identifizieren, die schon vor dem 24. Februar viele Winter das Frieren gefürchtet haben.

Quelle       :        TAZ-online         >>>>>        weiterlesen

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Oben     —   Ehemaliger Deutscher Bundeskanzler Gerhard Schröder als Oligarch in Erdöl und Erdgas von russischen Unternehmen Gasprom und Rosneft.

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Rechtsruck in Italien

Erstellt von Redaktion am 3. Oktober 2022

Das Land ist hoffnungsvoll verloren

Wir sehen aus den Parteien die Leute, welche gezeigt werden und nur Schrott abliefern. Doe entsprechenden Antworten zeigt diese Kolumne auf.

Eine Kolumne von Sascha Lobo

Die Wahl in Italien zeigt: Der Faschismus ist nicht vorbei. Er ist wie ein Schwelbrand, der auch in Demokratien jederzeit auflodern kann.

Mein Vater war Argentinier, aber er hat, bevor er mit etwa 30 Jahren nach Deutschland kam, einige Zeit in Italien gelebt. Er hat dieses Land geliebt, er hat die deutsche Staatsbürgerschaft später hauptsächlich angenommen, um irgendwann einmal in Italien leben zu können. Er hat in der Widersprüchlichkeit Italiens seine eigene gesehen; er glaubte, eine »italienische Seele« als Essenz der europäischen Zivilisation erkannt zu haben und folgte in vielen, manchmal merkwürdigen Dingen dieser Erkenntnis. Weshalb er mich mithilfe einer großen Zahl italienischer, speziell neapolitanischer Sprichwörter erzog: »Wenn es nicht wahr ist, ist es gut erfunden.« Oder: »Wer wartend lebt, stirbt scheißend.« Es gibt schlechtere Erziehungsleitlinien. Allerdings auch bessere.

Auf einer anderen, politischen Ebene verstand mein Vater die Abgründe Italiens, weil das Land ähnlich wie sein Geburtsland Argentinien die gleiche, große, katastrophale Plage mit sich herumtrug und noch trägt: das wuchernde, fast alles durchdringende Krebsgeschwür der mafiösen Korruption. Den Unterschied zwischen beiden Ländern skizzierte er so: »Was Korruption angeht, ist Argentinien hoffnungslos verloren. Italien ist hoffnungsvoll verloren.« Über das für Boomer zweifellos lustige Wortspiel hinaus verstand ich nie so genau, was er damit sagen wollte, und er war kein großer Erklärer in eigener Sache. Aber jetzt hat Italien eine faschistische Partei gewählt , eine rechte Koalition, und »hoffnungsvoll verloren« trifft es auf eine merkwürdige Art.

Die größte Gefahr ist die Verharmlosung

Leider bezieht sich das »hoffnungsvoll« neben der notorischen Kürze der durchschnittlichen Regierungszeiten in Italien allein auf das Korrektiv der EU. Weil Italien Geld und Unterstützung aus Brüssel braucht und diese Abhängigkeit einen gewissen Druck zulässt. Hoffentlich. Jedenfalls bezieht sich das »hoffnungsvoll« nicht auf den häufig zu lesenden Glauben, es werde schon nicht so schlimm kommen, nicht so heiß gegessen wie gekocht, die Rechten würden am Ende doch auf magische Weise vernünftig und so fort. Das ist aus meiner Sicht gar kein sinnvolles Kriterium. Und der Grund dafür heißt Faschismus.

Manche Leute legen mit klug konstruierten, sinnvoll klingenden Argumenten dar, dass man im Kontext der italienischen Politik eigentlich »Postfaschismus« sagen müsse. Das finde ich auf mehreren Ebenen schwierig. Wie man zum Beispiel an »Postmaterialismus« oder »Postkolonialismus« erkennen kann, dient die Vorsilbe »Post-« nicht selten einer nachfolgenden Gegenbewegung. Das ist bei der Partei Fratelli d’Italia sehr eindeutig nicht der Fall. Wenn man von dieser Partei und ihrer Anführerin Giorgia Meloni spricht, ist die größte Gefahr – die auch in Deutschland Wirkung entfalten kann – die Verharmlosung. Im Begriff Postfaschismus schwingt irgendwie falsch beruhigend mit, der Faschismus sei vorbei.

Das ist er nicht.

Man muss Faschismus als ständigen, unlöschbaren Schwelbrand in liberalen Demokratien begreifen, der jederzeit auflodern kann und deshalb unablässig eingedämmt werden muss. Das ist – zugegeben – nicht unbedingt einer der gängigen Faschismustheorien entnommen. Es ist aber eine Sichtweise, die nicht nur die Wahl in Italien erklärt, sondern auch die Gefahr in vielen anderen Ländern, nicht zuletzt Deutschland.

Es gibt verschiedene Gründe, warum dieser Schwelbrand quer durch Europa und auch in den USA kokelt und mancherorts aufflammt. Viele dieser Gründe fußen etwas vereinfacht auf einer simplen Wahrheit: Die westlichen, liberalen Demokratien wurden auf den gesellschaftlichen Fundamenten von rassistischen, antisemitischen Patriarchaten errichtet, und die verschwinden nicht, weil jemand eine Verfassung einführt.

Jeder Aspekt des rassistischen, antisemitischen Patriarchats hat dabei eine konkrete, nachvollziehbare Funktion:

  • Der Rassismus dient der Konstruktion eines »Wir gegen die«.
  • Der Antisemitismus entspricht der Sündenbock-Funktion.
  • Die reproduktionsradikale Ideologie des Patriarchats dient der Vermehrung und damit der Ausweitung des Machtbereichs.

Ein Regelwerk für den Kampf

Wenn in diesen liberalen Demokratien schwerwiegende Probleme auftreten oder ausreichend viele Leute das glauben, blitzen die vordemokratischen Überreste oft hervor. Der heutige, modernisierte 21st-Century-Faschismus unterscheidet sich zwar vom Ur-Faschismus , wie Umberto Eco ihn genannt hat. Aber wie sein Vorgänger baut auch der moderne Faschismus auf diesem Fundament.

Feiern nicht alle Parteien ihre, auf dieser Welt, ihre gewählten Idioten im gleichen Maße ?? 

Faschismus ist im Kern ein Regelwerk für den Kampf. Jeder ideologische Quadratzentimeter des Faschismus, die Helden- und Führerverehrung, die Anbetung der Stärke, der damit einhergehende Hass auf alles Schwache, die Übervereinfachung der Welt, der oft antiintellektuelle Irrationalismus, die Ablehnung der Vielfalt, Meinungspluralität und -freiheit, der Nationalismus, der Traditionenkult und so fort: Faschismus verwandelt eine Gesellschaft in eine Kampfmaschine.

Dabei geht es beim modernen Faschismus nicht zwingend um Krieg, wie es beim Ur-Faschismus der Fall war, jedenfalls nicht um die klassische Definition von Krieg. Das kann zwar der Fall sein, wie man beim in Europa gegenwärtig einzigen faschistisch zu nennenden Staat, Russland, erkennen kann. Aber der Kampf des heutigen, modernen Faschismus gilt einem vermeintlichen Feind im Innern, nämlich der freien, vielfältigen und offenen Gesellschaft. Also dem präzisen Gegenteil des rassistischen, antisemitischen Patriarchats. Dessen Wiedererrichtung ist das Ziel der heutigen faschistischen Bewegungen.

Der heutige Faschismus europäischer Bauart will nicht akzeptieren, dass eine Vielzahl gesellschaftlicher Regeln zwar tradierte, aber letztlich ausgedachte Vereinbarungen sind und nicht unumstößliche, naturgegebene Wahrheiten: Heiraten können nur ein Mann und eine Frau, es gibt nur zwei Geschlechter, Männer müssen hart sein und Frauen Mütter, das einzig sinnvolle Moral- und Wertesystem ist das Christentum, Vermischung von Kulturen ist schlecht und gefährlich und so weiter.

Die Wahlgewinnerin Giorgia Meloni von den Fratelli d’Italia hatte nach eigener Aussage »ein entspanntes Verhältnis zum Faschismus«. Deutlicher kann das Bekenntnis einer Spitzenpolitikerin gegen eine liberale Demokratie kaum ausfallen. Das übersetzt sich in ihre Politik und Kommunikation.

Meloni benutzt bei ihren Reden zum Beispiel ein wiederkehrendes, gut funktionierendes, manchmal variierendes rhetorisches Element, die Ja-Nein-Gegenüberstellung. Zum Beispiel so : »Ja zur natürlichen Familie, Nein zur LGBTQ-Lobby. Ja zu christlichen Prinzipien, Nein zu islamistischer Gewalt. Ja zu sicheren Grenzen, Nein zu Masseneinwanderungen. Ja zu unseren Mitbürgern, Nein zur internationalen Finanzwelt. Ja zur Unabhängigkeit der Völker, Nein zu den Bürokraten in Brüssel.«

Es finden sich allein in dieser Passage viele der Kennzeichen einer faschistischen Welthaltung, allerdings durchaus elegant und verharmlosend eingebaut. Trotzdem lassen sie sich gut dechiffrieren.

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Es beginnt mit der Behauptung der ausschließlichen Natürlichkeit der (patriarchalen Norm-)Familie, wodurch eine Unnatürlichkeit von LGBTQ-Personen und ihren Verbindungen unterstellt wird. »Unnatürlich« ist eine der ältesten Erzählungen, mit der Gewalt gegen geschlechtliche und sexuelle Minderheiten gerechtfertigt und angefacht wird. Dass christlichen Prinzipien nicht etwa muslimische Prinzipien gegenübergestellt werden, sondern islamistische Gewalt, ist ein so schlichter wie infamer Trick. Die »internationale Finanzwelt« ist in verschiedenen Abwandlungen der rechtsextremen Welt ein antisemitischer Begriff, dahinter steckt die Wahnidee, reiche und mächtige Hintermänner steuerten im Rahmen einer Verschwörung die Welt.

Bei der Integration gibt es tatsächlich große Probleme

Die Ablehnung der Bürokraten in Brüssel schließlich hängt ganz unmittelbar auch damit zusammen, dass der ungarische Autoritär Viktor Orbán Melonis Vorbild ist – und der beginnt zu spüren, dass Brüssel im Zweifel bereit ist, mit seinem Geldfluss erhebliche Macht auszuüben. Schon ist in der Diskussion, das viele Geld, das Italien dringend von der EU braucht, an Bedingungen zu knüpfen. Zum Beispiel an den Erhalt des Rechtsstaats, dessen Existenz Rechtsextremen und erst recht Faschisten stets ein Dorn im Auge ist.

Quelle      :             Spiegel-online          >>>>>        weiterlesen  :

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Oben     —     EVP Kongress Rotterdam – Tag 1

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Linke Energiepolitik :

Erstellt von Redaktion am 3. Oktober 2022

So erfolgreich, so gefährdet

Wo keine Angebote dort kommen keine Nachfragen hier ein Schurzschluss durch einen herabfallenden Ast.

Quelle        :      Scharf   —   Links

Von Edith Bartelmus-Scholich

DIE LINKE ist nicht gerade erfolgsverwöhnt. Und hinzu kommt, oft ist sie sich ihrer Erfolge nicht voll bewusst und kommuniziert sie unzureichend. Dies trifft zuletzt in besonderem Maße auf die Energiepolitik zu.

Ausgehend von den Anforderungen der Klimakrise hat DIE LINKE frühzeitig eine Energiepolitik entwickelt, die richtungweisend ist. Die linke Energiewende setzt auf einen raschen, unumkehrbaren Ausstieg aus fossilen Energieträgern und Atomkraft. An ihre Stelle sollen Erneuerbare Energien treten, dezentral erzeugt. Windkraft und Fotovoltaik sollen rasch ausgebaut werden; Erdgaskraftwerke zur Stromerzeugung sollen nur noch für eine Übergangszeit bei Flauten und Dunkelheit vorgehalten werden. Von Teilen der Industrie soll „grüner“ Wasserstoff eingesetzt werden. Energieverbrauch wird so klimaneutral und bezahlbar. Die linke Energiepolitik ist in ihrer Zielsetzung und mit ihren Schritten ausführlich, aber übersichtlich dargestellt in der Broschüre „Aktionsplan Klimagerechtigkeit“ der Bundestagsfraktion von 2020. Energiepolitischer Sprecher der Fraktion war seinerzeit Lorenz Gösta Beutin. Leider spielte die zukunftsweisende Klima- und Energiepolitik während des Bundestagswahlkampfs keine große Rolle.

Auch als im Verlauf des Ukraine-Kriegs durch den nach und nach erfolgten Ausfall russischer Gaslieferungen und die Spekulation an den Energiemärkten die Preise für Erdgas und Strom explodierten, machte DIE LINKE richtungweisende politische Vorschläge. Zu den Forderungen gehören nicht nur ein weiteres Entlastungspaket für von den Teuerungen betroffene Haushalte, sondern auch ein Gaspreisdeckel, die Zurücknahme der Gasumlage, ein Verbot von Strom- und Gassperren, die Unterstützung kommunaler Energieversorger (Stadtwerke), die Verstaatlichung von Energiehändlern und die Abschöpfung von Übergewinnen. Selbstverständlich fordert DIE LINKE nach wie vor den raschen Ausbau Erneuerbarer Energieträger.

Wie alternativlos die politischen Forderungen der LINKEN sind, wird durch den Schwenk der Ampel-Regierung bei der Krisenbewältigung, ausgelöst durch den Druck der Opposition und den Beginn von Protesten, deutlich. Das zusätzliche Entlastungspaket, der Gaspreisdeckel und die Zurücknahme der Gasumlage wurden – natürlich ohne Hinweis auf DIE LINKE – zwischenzeitlich von der Regierung zugestanden. Es gab selten einen schnelleren linken Erfolg. Nun kommt es darauf an, die restlichen Forderungen oder wenigstens Teile davon auch noch durchzusetzen. Nicht unerheblich wird dabei die Besetzung des Energiepolitischen Sprechers bzw. der Energiepolitischen Sprecherin der Bundestagsfraktion sein.

Für die Nachfolge von Ralph Lenkert, der auf der Grundlage des „Aktionsprogramms Klimagerechtigkeit“ im Ausschuss für Wirtschaft und Energie des Bundestags arbeitete, aber immer wieder Differenzen mit dem Ausschussvorsitzenden Klaus Ernst hatte, bewirbt sich Sahra Wagenknecht.

Sahra Wagenknecht. Leipziger Parteitag der Linkspartei 2018.jpg

Wer setzt die politischen Meinungsverkäufer-innen auf ihren Platz ?

In der jetzigen Krisensituation legt sie in Reden, Video-Clips und Artikeln den Fokus nicht auf die bereits durchgesetzten Forderungen der Partei DIE LINKE und die noch zu erreichenden Forderungen. Wagenknecht ignoriert die politischen Erfolge der LINKEN und stellt per Video-Botschaft sogar in Frage, ob ein Gaspreisdeckel hilfreich ist oder ob er nicht etwa volkswirtschaftlich zu teuer ist (1). Sie sorgt sich mehr um den deutschen Mittelstand oder die deutsche Industrie als darum, wie nun eine Übergewinnsteuer zu Lasten der Konzerne und das Verbot von Strom- und Gassperren zugunsten ärmerer Haushalte durchgesetzt werden könnten. Sie pflegt, wie übrigens auch weitere ihr nahestehende Abgeordnete, zudem Illusionen, dass in Verhandlungen mit Russland bei Unterordnung unter die imperialen Interessen Russlands eine Wiederaufnahme der Gaslieferungen zu billigen Preisen erreichbar wäre. Sie zeigte zudem in den letzten Jahren eine deutliche Distanz zur Klimapolitik der LINKEN. Bei vielen Gelegenheiten spielte sie Armut gegen Klimapolitik aus und beförderte den Widerstand gegen den Ausbau der Windkraft.

Die Fraktion tut sich, der Partei und den WählerInnen der LINKEN keinen Gefallen, wenn sie den Energiepolitischen Sprecher oder die Energiepolitische Sprecherin mit einer Person besetzt, die der Klima- und Energiepolitik der Partei kritisch gegenüber steht und keinen Blick für die zuletzt erzielten nicht unbeträchtlichen Erfolge hat.

Die Energiepolitik der LINKEN war bisher erfolgreich. Diese Erfolge dürfen durch falsche Personalentscheidungen nicht gefährdet werden.

Edith Bartelmus-Scholich, 2.10.2022

(1) https://www.sahra-wagenknecht.de/de/article/3210.rettet-uns-die-gaspreisbremse.html

Urheberrecht
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Stellungnahme der AKL

Erstellt von Redaktion am 2. Oktober 2022

Für eine linke Offensive

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Quelle    :     AKL

Von   :   Resolution AKL – Länderrat 25.09.2022

Wir leben zunehmend in chaotischen Zeiten. Die politische, wirtschaftliche und soziale Entwicklung scheint für die politisch Verantwortlichen nicht mehr beherrschbar zu sein. Der Krieg als unmittelbare Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln ist nicht nur wie in den letzten Jahrzehnten als regionaler Weltneuordnungskrieg zurückgekehrt, sondern als Mittel des Kampfes um die Neuaufteilung der Welt unter den großen imperialistischen Staaten. Die neuen imperialistischen Player Russland und China fordern die „US-amerikanische Weltordnung“ heraus. Die Gefahr eines neuen Weltkrieges zieht am Horizont auf.

Gleichzeitig haben Krieg, Spekulation mit Rohstoffen und Lebensmitteln sowie die Überschwemmung der Märkte mit vagabundierenden Kapital zu einer weltweiten Rückkehr der Inflation geführt, die ein unmittelbarer Angriff auf die Einkommen der kapitallosen Klassen darstellt. Auf diese Krisendynamik reagiert die herrschende Klasse immer mit denselben Mitteln:  sie unterstützt ökonomisch vornehmlich die Reichen und Besitzenden, während sie der besitzlosen Klasse nur Brosamen zubilligt. Die aktuelle Kontroverse um die Gasumlage ist beredter Ausdruck dafür.

Der Krieg um die Ukraine hat seit Monaten die politischen Verhältnisse auf den Kopf gestellt. Wir verurteilen den russischen Angriffskrieg in die Ukraine und fordern einen sofortigen Waffenstillstand und Verhandlungen. Doch so entschieden der russische Überfall auf die Ukraine zu verurteilen ist, so dient er gleichzeitig den NATO-Ländern und an der Spitze den USA zu einer gigantischen Ausweitung der Rüstungsproduktion, wie sie in Deutschland durch das unmittelbar nach Beginn des Krieges von der Bundesregierung beschlossene 100 Mrd. € schwere Aufrüstungsprogramm zum Ausdruck kommt. Der Krieg um die Ukraine ist der willkommene Anlass, während die Weichen für dieses in der deutschen Nachkriegsgeschichte einmalige Rüstungsprogramm bereits weit vorher gestellt wurden. Die NATO fordert bekanntlich seit Jahren die deutsche Politik dazu auf, die Rüstungsausgaben auf 2% des BIP aufzustocken und die Ampelkoalition hatte bereits im Koalitionsvertrag versprochen diese Vorgaben zu erfüllen. Wieder einmal ist es ein sozialdemokratischer Kanzler, der zentrale Weichen für eine neue Militarisierung der deutschen Politik stellt.

Während für die Aufrüstung also keine finanziellen Grenzen existieren, werden sämtliche sozialen Forderungen mit dem Hinweis abgeblockt, dafür sei nicht genug Geld vorhanden. So aktuell bei der Forderung nach Verlängerung des 9 €-Tickets und so bei den letzten „Entlastungspaketen.“ Dass es sich dabei um immer dieselbe Mogelpackung handelt, machen die extremen Gewinne deutscher Konzerne in den letzten Monaten und die Weigerung der Politik deutlich, in diese Umverteilung durch höhere Einkommenssteuern oder die Wiedererhebung der Vermögenssteuer einzugreifen. So erzielte der VW-Konzern im ersten Halbjahr mit einem Gewinn nach Steuern von 10,6 Mrd. € gut ein Viertel mehr als im Vorjahr. Der Shell-Konzern meldet einen Quartals-Gewinn von 11,5 Mrd., der doppelt so hoch ist wie im Vorjahr. RWE erwartet einen Gewinn von 5 bis 5,5 Milliarden Euro statt wie ursprünglich geplant 3,6 bis 4 Milliarden. Der Nestlé-Konzern meldet starke Preissteigerungen im ersten Halbjahr 2022 und einen Umsatzanstieg von fast 10% auf 46 Mrd. €. Eine angemessene Besteuerung dieser monströsen Gewinnsteigerungen würde ohne weiteres für eine ausreichende Finanzierung notwendiger sozialer Leistungen sorgen. Doch die deutsche Politik in Gestalt der Ampelregierung vermeidet konsequent, sich mit den Banken und Konzernen anzulegen. Im Gegenteil, sie lädt die Konzerne und ihre Repräsentanten sogar dazu ein, wie bei der Gasumlage bekannt wurde, die Gesetze, die ihnen weitere Milliarden in die Kassen spülen, mit zu formulieren.

Die bisherigen Antworten von links reichen nicht aus

Linke Antworten, die eine antikapitalistische Perspektive eröffnen und „die Systemfrage“ stellen, wären dringend notwendig. Gewerkschaften und Sozialverbände müssten in die Offensive gehen. Doch sowohl bei der Gesetzesvorlage zu einem neuen „Bürgergeld“, als auch bei der Debatte über die Teuerungswelle üben sich die Gewerkschaften einmal mehr in Zurückhaltung, statt gegen die damit verbundene weitere Umverteilung von unten nach oben zum breiten Widerstand aufzurufen. Im Gegenteil, die DGB-Vorsitzende Yasmin Fahimi rollt der Bundesregierung den roten Teppich aus, wenn sie behauptet, das Entlastungspaket trage ein soziale Handschrift und der „Maßnahmenkatalog (sei) geeignet, die Belastungen der Menschen und der Unternehmen tatsächlich spürbar zu verringern. Er hat eine klare Handschrift und trägt zur Stabilisierung von Nachfrage und Konjunktur bei.“ So spricht eine ehemalige Generalsekretärin der SPD, aber keine Gewerkschaftlerin, die eigentlich ihre Mitglieder zu Protesten und zum Widerstand aufrufen müsste.

Demgegenüber hat „Der Paritätische“, der bekannteste unter den Sozialverbänden, die Bundesregierung scharf kritisiert und erklärt: „Wir… sind wirklich entsetzt, dass die Bundesregierung in diesem Jahr überhaupt keine weiteren Hilfen auch für Menschen in der Grundsicherung plant… Wer an Steuererleichterungen um jeden Preis festhält, dabei Steuererhöhungen ausschließt und die Schuldenbremse nicht verhandeln will, beraubt sich des eigenen Handlungsspielraums.“

DIE LINKE hat ein Programm zur Bekämpfung der Angriffe auf die Einkommen der Arbeiter:innenklasse aufgelegt. Im Mittelpunkt stehen Preisdeckelung bei Energie und Mieten, bessere „Entlastungsprogramme“, kostenlose Verkehrsangebote, Reichenbesteuerung und Abschöpfung der Extraprofite bei einzelnen Konzernen durch die Krise. Dazu kommt die Ablehnung der Aufrüstung, Beendigung der Waffenlieferungen an die Ukraine und Stopp aller Sanktionen, die nicht die Kriegstreiber, sondern die Menschen überall auf der Welt treffen. Alle diese Forderungen sind bitter nötig. Auf Grundlage dieses Programms hat die LINKE nach langer Zeit des Stillstands Anfang September zu einer größeren Kundgebung in Leipzig aufgerufen. Das war ein wichtiger Auftakt, der überall in Deutschland aufgegriffen werden muss. Breite Widerstandsbündnisse und auch antimilitaristische Bündnisse sind jetzt erforderlich. Noch besteht eine Chance auf einen „heißen Herbst“.

Der Unmut und die Wut bei Millionen Menschen sind zu spüren und sind gerechtfertigt. Die Proteste werden rücksichtsloser, direkter und „ökonomischer“ sein – und das ist gut so. Aber auch die nationalistischen, rassistischen, sozialdarwinistischen Rechtskräfte lauern auf ihre Chance, sich bei diesen Protesten an die Spitze zu setzen und neue Anhänger:innen zu gewinnen. Die politische Linke und die Partei DIE LINKE dürfen deshalb weder an der Seite stehen und aus Angst vor Applaus von der falschen Seite auf Gegenaktionen verzichten, noch eine Querfront mit Nationalist:innen und Rassist:innen schmieden. Es sind eigenständige Mobilisierungen und Kampfstrukturen der Linken erforderlich, die allen rechten Kräften den Platz streitig machen und die Luft zum Atmen nehmen.

Leider gibt es in der LINKEN, allen voran bei den „Regierungslinken“, zu viele Kräfte, die sich solchen Mobilisierungen der Partei entgegenstellen. Sie vertrauen einzig auf parlamentarische Initiativen, obwohl auch diese Krise wieder einmal zeigt, dass es keine parlamentarische Lösung gibt.

Das Anti-Krisenprogramm der LINKEN muss deshalb nicht verkürzt, sondern erweitert werden: Nicht nur die Preise müssen gedeckelt, sondern vor allem die regelmäßigen Einkommen durch Löhne und Transferzahlungen müssen krisensicher und erhöht werden. In immer mehr gewerkschaftlichen Strukturen kommt deshalb zurecht die Forderung nach einer gleitenden Lohnskala auf, das heißt die automatische Anpassung der Löhne, Renten und sonstigen Transferzahlungen an die Inflationsrate, damit in Tarifrunden um wirkliche Umverteilung und Lohnerhöhungen gekämpft werden kann.

Die Klimabewegung fordert „Menschen statt Profite“ und einen schnellstmöglichen Umstieg der Energieversorgung auf erneuerbare Energien. Statt Investitionen in LNG-Terminals, die Förderung von Fracking-Gas und den teuren Einkauf von umweltschädlichem Flüssig- und Fracking-Gas oder gar die Verlängerung der Laufzeiten von Atomkraftwerken fordert DIE LINKE zusammen mit der Klimagerechtigkeitsbewegung Investitionen in erneuerbare Energie und die Verstaatlichung der Energiekonzerne.
Die Energiekrise und die schamlose Spekulation mit Lebensmitteln und Rohstoffen zeigen, dass der Markt nichts regelt, sondern politische, planwirtschaftliche Regulierungen bis hin zu Vergesellschaftung erforderlich sind. Dies umso mehr, als auch die Jahrhundertkrise der kapitalistischen Produktionsweise, die sich beschleunigende Zerstörung von Klima und Umwelt, nur durch wirkliche Revolution in Produktion und Konsumption zu bremsen ist.

Und die Partei DIE LINKE ?

Die erfreuliche Mobilisierung zu den Protestaktionen seitens der Linkspartei kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Partei nach ihrem Bundesparteitag weiterhin tief zerstritten ist. Inhaltlich stehen sich zwei Konzepte gegenüber, die beide sozialdemokratisch sind und ihren Frieden mit dem Kapitalismus suchen. Auf der einen Seite die „Regierungslinken“, die trotz aller Wahlniederlagen unverdrossen von einer Zukunft in Bündnissen mit der SPD oder sogar den GRÜNEN träumen. Ihre realen Regierungsbündnisse in vier Bundesländern sind reine Krisenverwaltung wie jede andere Regierung auch. Nichts ist daran links und könnte zum Anlass eines neuen Aufschwungs für eine sozialistische Partei genommen werden.
Auf der anderen Seite die sich selbst als „linkskonservativ“ bezeichnenden Kräfte um Sahra Wagenknecht, die mit einem nationalistischen und ökonomistischen Etappenmodell zu einer angeblich „guten alten Zeit der Sozialdemokratie“ zurückkehren wollen.

Hintergrund und Ursache dieses irrealen Konkurrenzkampfes zweier sozialdemokratischer Konzepte ist die massive Zunahme des parlamentarisch festgefahrenen Blockes von Berufspolitiker:innen in der Partei, der schamlos die Politik den persönlichen Konkurrenzkämpfen um Posten und Privilegien unterordnet. Trotz aller Rufe und Kritiken aus den Reihen der normalen Mitglieder, weigert sich dieser Block, Maßnahmen zur Demokratisierung der Partei und zur Eindämmung der parlamentarischen Fixierung zu ergreifen.

Fraktion vor Ort in Bochum (8404145869).jpg

Die Letzten blasen die Kerzen aus ?

Die LINKE wird sich aus diesem Dilemma nur befreien können, wenn die Partei, also sowohl der Parteivorstand, als auch die unteren Ebenen der Partei, stärker das Primat der Politik bestimmen, als das bisher der Fall ist. Dies ist in einer parlamentarischen Demokratie aber immer mit erheblichen Problemen verbunden, weil auch linke Fraktionen dazu tendieren, sich zu verselbständigen und andererseits die Medien in erster Linie die parlamentarische Ebene in den Focus stellen.

Deshalb werden z.B. Wagenknecht oder Dagdelen auch ganz anders wahrgenommen, als wenn sie einfache Parteimitglieder wären. Es kommt erschwerend hinzu, dass Janine Wissler als Parteivorsitzende ebenfalls Bundestagsabgeordnete ist und sie sich damit gewissermaßen Fesseln anlegt, wenn es notwendig ist, die Linie der Partei gegen die Fraktion einzufordern. Diese unglückliche Personalunion existierte bereits bei den letzten Parteivorsitzenden Kipping und Riexinger. An diesem Konflikt sind linke Parteien mit wenigen Ausnahmen in den letzten Jahrzehnten immer gescheitert, was wir sowohl in Italien, als auch in Frankreich beobachten konnten. Deshalb wird die LINKE nur die Chance haben, sich weiter nach links zu entwickeln, wenn sie sich aus der parlamentarischen „Umarmung“ befreien kann und ihre Politik erheblich stärker, als das bisher der Fall ist, auf Aktionen des öffentlichen Widerstands konzentriert.

Es lohnt sich um diese Partei kämpfen und die historische Chance der Existenz einer linken Partei in Deutschland nicht einfach aufgeben. Eine Spaltung der deutschen LINKEN hätte Auswirkungen auf die europäische und internationale Linke und würde die Möglichkeiten auf gesellschaftliche Veränderungen in Deutschland und Europa um Jahrzehnte zurückwerfen. Auch wenn einige an eine Spaltung der LINKEN denken oder sie gar vorbereiten, auch wenn viele Mitglieder gefrustet ob der Auseinandersetzungen zwischen der Bundestagsfraktion und der Partei austreten, werden Mitglieder der AKL in der Partei bleiben und für den Erhalt eines linken Parteiprojektes streiten.

In diesem Sinne setzen wir uns dafür ein, statt nur parlamentarische Initiativen zur Verbesserung der Lage der Arbeiter:innenklasse zu starten, in Betrieben und Stadtteilen gemeinsam mit den Menschen für ihre Forderungen kämpfen. Es wird Zeit für große Demonstrationen gegen Krise und Krieg und die Folgen des Wirtschaftskrieges, Tarifkämpfe bis hin zu Streiks für einen Inflationsausgleich von Löhnen und Lohnersatzleistungen und auch für einen massenhaften Boykott der Energiepreiserhöhungen, für die Enteignung und Vergesellschaftung der Energiekonzerne.

akl - Antikapitalistische Linke

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Grafikquellen          :

Oben     —   8M Die LINKE NRW.

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Unten        —       Bundestagsfraktion solidarisch mit Opelanern von Bochum

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DIE LINKE am Abgrund

Erstellt von Redaktion am 30. September 2022

Ein Jahr nach der Bundestagswahl spitzen sich die Probleme zu

File:DIE LINKE Bundesparteitag 10. Mai 2014-2.jpg

Quelle:    Scharf  —  Links

Kommentar von Edith Bartelmus-Scholich

Das Ergebnis der Bundestagswahl 2021 – 4,9% und nur durch drei Direktmandate weiter im Bundestag vertreten – hätte für DIE LINKE ein Weckruf sein müssen. Die Ursachen der Misere, vor allem die sogenannte Vielstimmigkeit und das losgelöste Agieren der Bundestagsfraktion hätten umgehend angepackt werden müssen. Geschehen ist nicht viel und nun könnte es zu spät sein.

Die Wahlkampfstrategie der Linkspartei war anders als das Wahlprogramm darauf ausgelegt, keine in der Partei umstrittenen Themen und Forderungen nach vorne zu stellen. Das lief auf eine Unterordnung unter den relativ kleinen, aber lauten sozialkonservativen Parteiflügel um Wagenknecht heraus. Geworben wurde mit „Brot- und Butter-Themen“, soziale Gerechtigkeit stand im Fokus, alle anderen Themen, wie z.B. die Klimapolitik kamen kaum vor. Dennoch ging das Konzept, die Partei einig aussehen zu lassen, nicht auf. Wagenknecht begann 48 Stunden nach ihrer Wahl auf Platz 1 der Landesliste NRW eine Medientour für ihr Buch „Die Selbstgerechten“, die nicht nur zu einer Abrechnung mit ihrer Partei geriet, sondern zusätzlich das gesamte gesellschaftliche Umfeld der Linkspartei zertrümmerte. An der Wahlniederlage der Partei DIE LINKE hatte diese Kampagne gegen die Partei einen großen Anteil.

Nach der Bundestagswahl setzten sich die Angriffe von Wagenknecht und ihren AnhängerInnen auf Partei, Parteivorstand und Parteiprogramm fort. Seine Stärke bezieht dieser Flügel, der auf dem Erfurter Parteitag im Juni 2022 höchsten 15% der Delegierten stellte, daraus, dass ihm ca. ein Drittel der Mitglieder der stark geschrumpften Bundestagsfraktion angehört. Direkt nach der Wahl begannen Drohungen aus dieser Gruppe die Fraktion zu verlassen, womit auch der Fraktionsstatus verloren gehen würde. In der Fraktion begann eine faktische Unterordnung unter die Bedingungen, die diese Gruppe stellte. Und Dietmar Bartsch war und ist immer noch bereit, mit denen, die die Fraktion als Rammbock gegen die Partei benutzen, bevorzugt zusammenzuarbeiten.

Die Energiepolitik hat sich als ein Feld der Auseinandersetzung und des Unterordnens unter den sozialkonservativen Flügel herauskristallisiert. Bald nach der Bundestagswahl wurde der einzige von der Linksfraktion zu besetzende Ausschussvorsitz im Deutschen Bundestag, der Vorsitz des Ausschusses für Wirtschaft und Energie Klaus Ernst zuerkannt. Da Ernst als Verfechter des Festhaltens an fossilen Energien gilt, ging ein Aufschrei durch die Partei. Innerhalb von wenigen Tagen unterschrieben mehr als 14000 Mitglieder und SympathisantInnen der Linkspartei einen Aufruf Ernst diesen Ausschussvorsitz nicht zu überlassen. Die Fraktion zeigte sich unbeeindruckt.

Die aufkommende Gas- und Stromkrise, die natürlich die Menschen bewegt, rief dann die Populistin Wagenknecht auf den Plan. In der Bundestagsdebatte am 8. September durfte sie zu diesem Thema reden. Der Energiepolitische Sprecher der Fraktion stellte sein Amt zur Verfügung. Nun greift sie nach dem Sitz und der Sprecherfunktion im Ausschuss für Wirtschaft und Energie. Ohne jeden Zweifel würden Wagenknecht und Ernst gemeinsam in diesem Ausschuss gegen die Beschlusslage der Partei zur Energiewende opponieren und erheblichen Schaden anrichten.

Schon während der ersten acht Monate des Jahres 2022 kam die Partei DIE LINKE aus der Krise nicht heraus. Auf die Corona-Krise folgte der Krieg Russlands gegen die Ukraine und damit die zweite Situation in der die Partei in ihrer Breite ganz unterschiedliche Positionen erkennen ließ. Wahlniederlagen in drei Bundesländern, wo jeweils mehr als 50% der bisher erzielten Stimmen verloren gingen, folgten. Das alles mündete in eine Austrittswelle. Pro Monat verließen in den ersten acht Monaten des Jahres ca. 1% der Mitglieder DIELINKE. Nach der Wagenknecht-Rede am 8. September, in der sie in nationalistischem Duktus und fürsorgend für das deutsche Kapital eine Unterordnung unter die imperialen Interessen Russlands empfahl, nahm diese Austrittswelle nie dagewesene Ausmaße an. Für viele Mitglieder, darunter auch solche, die der Partei seit Jahrzehnten die Treue gehalten hatten, ist jetzt ein Punkt erreicht, wo sie nicht mehr vertreten können, in einer Partei mit einem offensiven, sozialkonservativen Flügel zu sein. Die Partei geht unter den Attacken von Wagenknecht und Co. in den Selbstauflösungsmodus über.

Derweil bereiten Teile des Flügels um Wagenknecht ein eigenes Parteiprojekt vor. Abgeordnete dieses Flügels sprechen Funktionsträger-innen und Mandatsträger-innen an um sie für eine Konkurrenzkandidatur zur Europawahl gemeinsam mit der DKP zu gewinnen. Bei ausreichender Unterstützung, die vor allem aus einigen westlichen Landesverbänden zu erwarten ist, könnte die Gründung einer populistischen, sozialkonservativen Partei folgen. Einstweilen führt dieser Vorstoß allerdings zu noch größerer Bereitschaft der Minderheit entgegenzukommen um die organisatorische Einheit zu retten. Immer noch wirkt erpresserischer Druck.

Es ist keine Perspektive für ein konstruktives Zusammenwirken dieses Flügels mit der Mehrheit der Partei erkennbar. Deswegen muss die destruktive Auseinandersetzung beendet werden und zwar rasch. Es zeichnet sich ab, dass auch die Bundestagswahl im Land Berlin wiederholt werden könnte. DIE LINKE hat dort zwei ihrer drei Direktmandate gewonnen. Will sie diese verteidigen und ihre Präsenz im Bundestag erhalten, muss sie ihre innerparteilichen Probleme jetzt lösen.

Edith Bartelmus-Scholich, 29.9.2022

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Grafikquellen      :

Oben     —     Bundesparteitag DIE LINKE Mai 2014 in Berlin, Velodrom

Author  :       Blömke/Kosinsky/Tschöpe

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2.) von Oben      —     Foto: Martin Heinlein

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Unten     —       Karikatur von Gerhard Mester zum Klimawandel: „Weiter so“

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Recht auf Reparatur:

Erstellt von Redaktion am 27. September 2022

EU will nachhaltige Smartphones

Quelle      :        INFOsperber CH.

Daniela Gschweng /   

Weniger Elektromüll, dafür Geräte, die man reparieren kann – was sich einfach anhört, ist in der Praxis harzig.

Umwelt- und Konsumentenorganisationen weltweit fordern seit längerem ein Recht auf Reparatur, denn Elektroschrott macht einen grossen Teil der globalen Müllströme aus. In der Schweiz ist er die am stärksten wachsende Müllkategorie. Elektrogeräte sollten deutlich länger benutzt werden.

Besonders gilt das für Smartphones und Tablets. Obwohl sie hochwertige Elektronik und viele Rohstoffe enthalten, sind sie Wegwerfartikel. In Europa werden jedes Jahr 211 Millionen neue Smartphones verkauft, die dann etwa drei Jahre benutzt werden. Die Recyclingquote in der EU liegt bei rund 40 Prozent. In der Schweiz ist sie deutlich höher, die Zahl pro Kopf verkaufter Handys aber auch.

Ein Jahr länger würde einen Unterschied machen

Besser wäre es, ein Smartphone mindestens doppelt so lange zu nutzen, ideal wären zehn Jahre. Ein Jahr länger macht für die Umwelt bereits einen deutlichen Unterschied. Aber wie, wenn nach drei Jahren die Buchsen wackeln und der Akku so schwach ist, dass er ersetzt werden muss, das Gerät sich aber gar nicht öffnen lässt?

Elektrogeräte sollen langlebiger, stabiler und vor allem reparierbar werden. Frankreich führte 2021 den Reparierbarkeits-Index ein, der auf der Verpackung angibt, wie gut ein Elektrogerät zu flicken ist (Infosperber berichtete). In der Schweiz gibt es die Ökodesign-Richtlinie, die das Land von der EU übernommen hat. Darin ist zum Beispiel festgelegt, dass Ersatzteile für Waschmaschinen sieben Jahre lang verfügbar sein müssen. Selbst in den USA wächst der Druck, langsam bewegen sich nun auch Unternehmen wie Apple, das dem Recht auf Reparierbarkeit zunächst ablehnend gegenüberstand.

Gegner argumentieren: Handys seien keine Toaster

Mit Spannung erwartet wurde deshalb der Entwurf der Design-Richtlinie für Smartphones und Tablets, den die EU Ende August vorgelegt hat. Der Entwurf ist auch interessant für die Schweiz, die solche Richtlinien in der Regel übernimmt.

Ein Handy oder Tablet sollte so gebaut sein, dass es sich reparieren lässt, steht unter anderem darin. Komplett selbst auseinandernehmen lässt sich bisher aber fast nur das Fairphone, das zwar in jedem Nachhaltigkeits-Ranking auf den ersten Plätzen landet, aber ein Nischenprodukt ist.

Dem Branchenverband Bitkom geht der EU-Vorschlag zu weit. Ein Handy sei kein Toaster, argumentiert die Organisation. Vielen Nachhaltigkeitsorganisationen geht er nicht weit genug.

Für die Reparatur eines Smartphones nehme man…

Um zu verstehen, woran sich die Kritik fest macht, muss man sich klarmachen, was es alles braucht, um ein kaputtes Handy wieder flott zu mache: Zu einem Gerät, das der Nutzende öffnen und zerlegen kann, braucht er zum Beispiel ein Ersatzteil zu einem vernünftigen Preis, Werkzeug und eine Reparaturanleitung.

Im besten Fall sollten Nutzerinnen sich schon vor dem Kauf informieren können, ob bei diesem Gerätetyp oft Reparaturen anfallen und welche. Es geht also nicht nur um das Gerät selbst, sondern auch um Ersatzteile, Transparenz, Dokumentation, Reparatur- und Zugangsrechte. «Design» heisst mehr als austauschbare Akkus, Buchsen und Kameras. Die Initiative «Repair EU» hat die wichtigsten Punkte des EU-Entwurfs zusammengefasst:

Akkus und Display in Zukunft selbst wechseln

Der wichtigste Punkt: Nutzerinnen und Nutzer sollen Akku und Display in Zukunft selbst auswechseln können. Dafür sollen sie frei verkäufliches Werkzeug verwenden können.

Einschränkungen sind erlaubt, falls die Konsumentinnen und Konsumenten freiwillig darauf verzichten – etwa zugunsten von Robustheit und Spritzwassserschutz. Damit liessen sich die Regeln aushebeln, kritisiert die Initiative, die sich auf europäischer Ebene für ein Recht auf Reparatur einsetzt.

EU-Reparierbarkeitsindex und mehr Transparenz bei Ersatzteilpreisen

Der Entwurf sieht einen EU-weit gültigen Reparierbarkeits-Index vor. Ersatzteilpreise gehen darin nicht ein, dabei seien sie ein wesentlicher Teil der Kaufentscheidung, kritisiert «Repair EU». Hersteller müssten in Zukunft auch den Höchstpreis für gängige Ersatzteile nennen.

Nur wenige Ersatzteile für Endkunden garantiert

Alle Ersatzeile müssen aber nur Profis und Wiederverwertern zur Verfügung stehen. Für Endnutzer ist der geforderte Zugang auf Akku, Gehäuse, Display, Ladegerät sowie das SIM- und Speicherkartenfach beschränkt.

Zugang zu Reparatur-Manuals für Werkstätten für sieben Jahre

Werkstätten sollen für sieben Jahre Zugang zu Reparatur- und Wartungsinformationen bekommen. Dafür müssen sie sich unter Umständen qualifizieren und Gebühren bezahlen.

Transparenz zu Leistungsfähigkeit und Zustand der Akkus

Hersteller sollen Informationen zu Lebensdauer, Zustand und Wartung der Akkus zur Verfügung stellen, auch bei gebrauchten Geräten. Apple-User dürften sich über diese neue Transparenz freuen. Von iPhones ist bekannt, dass die Akkus oftmals nach ein bis zwei Jahren an Leistungsfähigkeit verlieren.

«Repair EU»: zu wenig Nachhaltigkeit

Insgesamt, findet «Repair EU», kommt die Nachhaltigkeit im Entwurf deutlich zu kurz. Würde der Entwurf so umgesetzt, reduziere er den Klimagasausstoss nur um 33 Prozent bis 2030 und nicht wie angestrebt um 55 Prozent. Auch enthalte er zu viele Schlupflöcher für die Hersteller.

Drei Jahre lang Updates

Nach dem Entwurf müssten die Hersteller auch nur drei Jahre lang Software-Updates liefern. Ohne diese ist ein Gerät aber schnell nutzlos. Die Hersteller wären auch nicht gezwungen, langlebige Akkus zu verbauen, stattdessen können sie Austauschteile zur Verfügung stellen. Das Nachhaltigkeitsziel werde damit verfehlt.

Der deutsche Interessenverband Bitkom warnte bereits Anfang des Jahres davor, «Ersatzteile auf Halde» zu produzieren. Das verkehre den Umwelteffekt schnell ins Gegenteil und lasse die Preise steigen. Hauptgeschäftsführer Bernhard Rohleder hält wenig davon, den Fokus auf Reparierbarkeit zu legen. Entscheidend seien Qualität und Zuverlässigkeit, sagte er dem deutschen «Handelsblatt»

Das Reparaturgesetz könnte schon 2024 in Kraft treten

Wenn der EU-Entwurf wie geplant bis Ende 2022 verabschiedet wird, könnte er 2024 in Kraft treten. Ob er Konsumentinnen und Konsumenten dazu bringen wird, sich für nachhaltigere Geräte zu entscheiden, wird kontrovers diskutiert. Vieles hängt von den Preisen ab – sowohl denen von Neugeräten wie auch der Reparaturen, die bei günstigen Handys einen Grossteil des Kaufpreises verschlingen können. Gegensteuern könnten die EU-Länder mit einem Reparaturbonus, mit dem das deutsche Bundesland Thüringen und auch Österreich bereits gute Erfahrungen gemacht haben.

In der Schweiz ist man sich noch nicht schlüssig

In der Schweiz gab und gibt es mehrere Bemühungen, die Kreislaufwirtschaft für elektronische Geräte voranzubringen. Die jüngste ist eine Motion zum Reparierbarkeitsindex, die vom Bundesrat zur Ablehnung vorgeschlagen wurde. Zur Einführung eines Reparaturindexes sei es zu früh, begründete er.

Eine Motion zum Recht auf Reparatur wurde 2020 ebenfalls abgelehnt, es lägen noch zu wenig Informationen darüber vor, wie gut sich Geräte reparieren lassen. Eine Mehrwertsteuersenkung auf Reparaturen hielt der Bundesrat auch nicht für sinnvoll. Im April 2022 reichte Greenpeace eine Petition zum Recht auf Reparatur beim Parlament ein.

FREIE NUTZUNGSRECHTE

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Grafikquellen        :

Oben      —   Geschwindigkeitstest für das mobile 3G-Datennetz in der Innenstadt von Brüssel, September 2012. Nach 2 Jahren des Verbots neuer mobiler Basisstationen ist die Download-Geschwindigkeit des Mobilfunknetzes auf 0,25 Mb / s gesunken.

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„Sisyphos? Nein.“

Erstellt von Redaktion am 24. September 2022

Er hat den „robusten Polizeieinsatz“ am 30. 09. 2010 hautnah erlebt.

Von Oliver Stenzel

Der Polizeieinsatz am 30. September 2010 im Stuttgarter Schlossgarten gab Dieter Reicherters Leben eine neue Wendung: Seitdem engagiert sich der ehemalige Richter gegen Stuttgart 21. Dass es immer wieder anders kommt als geplant, scheint eine Konstante in seiner Vita zu sein.

Idyllisch ist es hier. Der Waldrand 100 Meter entfernt, statt Autos brummen ein paar Wespen, und auf der gegenüberliegenden Seite des schmalen Sträßchens grasen zwei Pferde seelenruhig in einem Gatter. Dieter Reicherter wohnt am Rande von Fautspach, mitten im Schwäbischen Wald. Der zu Althütte gehörende Weiler hat rund 100 Einwohner:innen, zur Murrquelle sind es zu Fuß 20 Minuten, zum Ebnisee eine Stunde. Zum nächsten S-Bahn-Halt Backnang ist es etwas weiter, 15 Kilometer.

Dass Reicherter, 1947 geboren und in Stuttgart-Wangen aufgewachsen, hier lebt, hat auch etwas mit seiner Leidenschaft für Pop- und Rock-Musik zu tun. Mehrere Zehntausend Tonträger, größtenteils Vinyl und vor allem Langspielplatten, aber auch um die 30.000 Singles und etliche CDs lagern in seinem „Schallarchiv“, das einen Großteil des Kellers in Beschlag nimmt. Ein bezahlbares Haus mit Platz dafür und für eine kleine Familie, das war im Raum Stuttgart schwer zu finden, und so zog Reicherter 2004 mit Frau und zwei Töchtern von Esslingen hierher. Inzwischen lebt er alleine, er ist geschieden und auch die zweite Tochter ist aus dem Haus. Das Schallarchiv wächst weiter. „Das mit den Platten ist schon etwas verrückt“, sagt Reicherter und lacht, „denn anhören kann ich die ja nie alle.“

Der ehemalige Richter liebt Musik auch live; um die 100 Konzerte besucht er pro Jahr, fährt dafür durch ganz Deutschland, in angrenzende Länder und auch mal nach Großbritannien. Seine Leidenschaft so auszuleben, scheint kein schlechtes Rezept: Reicherter wirkt meist heiter, lacht gerne und oft.

Begonnen hat es bei ihm, erzählt er, mit 14 oder 15 Jahren. Die Eltern einer Freundin hatten ein Café und darin eine Musikbox, „die aussortierten Singles haben sie für eine Mark verkauft“. Das war der Anfang seiner Sammlung. Richtig los ging es mit den Beatles, und anders als viele Fans der Fab Four liebt Reicherter auch die Rolling Stones. The Who, die Beach Boys, The Zombies und und und. Die Sixties überwiegen in seiner Kollektion, aber auch für Neues ist er offen.

Der Strahl des Wasserwerfers änderte alles

Seine Platten kauft er mit Vorliebe bei „Second Hand Records“ in Stuttgart. Dort war er auch am 30. September 2010, ehe er mit einer frisch gefüllten Stofftasche voller LPs in den Schlossgarten ging, um sich die Demonstration gegen die anstehenden Baumfällungen für Stuttgart 21 anzuschauen. Bald war er nass wie viele andere, der Strahl des Wasserwerfers traf ihn, obwohl er am Rande des Geschehens stand. „Sowas hatte ich noch nie erlebt“, sagt Reicherter. Die Dusche und das brutale Vorgehen der Polizei gegen friedlich Demonstrierende änderten sein Bild vom Staat. „Ich war ja bis vier Wochen davor auf der anderen Seite und dachte, bei der Polizei kann man sich einigermaßen verlassen, dass sie Recht und Ordnung einhält – als Richter muss man das.“ Diese Gewissheit war dahin nach dem Tag, der bald „Schwarzer Donnerstag“ genannt wurde.

Reicherter war entsetzt über das, was er gesehen hatte, und wieder entsetzt, wie darüber berichtet wurde: In den TV-Nachrichten am Abend wurde teils die Behauptung der damaligen Landesregierung unter Ministerpräsident Stefan Mappus (CDU) wiedergegeben, die Demonstranten seien gewalttätig gewesen und die Polizei habe einschreiten müssen. Als er am Morgen des 1. Oktober diesen Tenor auch in der Zeitung las, „habe ich mich im Schlafanzug an den Schreibtisch gesetzt und angefangen, meine Erinnerung aufzuschreiben.“ Daraus wurde eine Dienstaufsichtsbeschwerde, gerichtet an den damaligen Innenminister Heribert Rech (CDU). Er schickte sie auch an die Presse, an Landtags- und Bundestagsabgeordnete und an Freunde, irgendjemand stellte den Text ins Internet – „und plötzlich stand mein Telefon nicht mehr still.“

Mit Stuttgart 21 hatte sich Reicherter bis dahin kaum auseinandergesetzt. Auch jetzt wollte er sich zunächst nur mit dem Schwarzen Donnerstag befassen und nicht mit dem ganzen Projekt. „Aber ich habe relativ schnell gemerkt, dass man das überhaupt nicht trennen kann. Dass bei S 21 genauso gelogen und betrogen wurde wie bei der Aufklärung des Polizeieinsatzes.“

Bald nach dem 30. September erhielt er eine Einladung bei den „Juristen zu S 21“ mitzumachen, seitdem „wurde es immer mehr“. Seit Februar dieses Jahres ist Reicherter Sprecher des Aktionsbündnisses gegen Stuttgart 21. Sein Engagement hatte zuletzt dazu geführt, dass er durch eine jahrelang beantragte Akteneinsicht nachweisen konnte, wie manipulativ die Regierung Mappus 2010 bei Schlichtung und Untersuchungsausschuss zum 30.9. vorgegangen war (Kontext berichtete). Und dass Mappus im Ausschuss nicht die Wahrheit gesagt hatte. Den Ex-CDU-Ministerpräsidenten dafür strafrechtlich zu belangen, war zu spät – verjährt. Doch ohne Reicherters Beharrlichkeit und seine Kenntnisse als ehemaliger Richter und Staatsanwalt wären diese Details womöglich gar nicht ans Licht gekommen.

Jura war dritte Wahl

Dabei war die Juristerei nicht Reicherters erste Wahl. „Eigentlich hat mich Medizin interessiert. Aber ich konnte kein Blut sehen.“ Die zweite Wahl war Theologie – aber nachdem er als jüngstes Mitglied des Kirchengemeinderats in Esslingen hinter die Kulissen blicken konnte, „wollte ich auch nicht mehr Theologe werden.“ Also blieb, an dritter Stelle, Jura.

1966 fing er in Tübingen an zu studieren, die 68er warfen dort damals schon ihre Schatten voraus. Doch richtig dabei in der Studentenbewegung war Reicherter nicht, auch wenn er viele Forderungen teilte. Bei Aktionen wurde damals auch mal der Zugang zur Uni versperrt, „das hat mich abgeschreckt. Wenn ich eines nicht leiden kann, dann wenn mir andere sagen, was ich machen soll, wenn ich nicht die Chance habe, mich selbst zu entscheiden.“ Politisch fühlte er sich der SPD und ihrem Vorsitzenden Willy Brandt verbunden, der Einfluss des Vaters, SPD-Mitglied, aktiv in Gemeinde- und Kreisrat. „Aber ich selbst war nie Mitglied.“

Anders gekommen als gedacht ist es immer wieder in Dieter Reicherters Leben. So wäre der Skandinavienbegeisterte während seiner Studienzeit fast nach Finnland ausgewandert, dort hatte er eine Freundin. Er lernte Finnisch, weil sie kein Englisch konnte, die Fernbeziehung fand ein Ende, als Reicherter seine spätere Frau kennenlernte.

Unfreiwillig zum Strafrecht – und geblieben

Quelle       :           KONTEXT Wochenzeitung-online      >>>>>       weiterlesen

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Grafikquellen       :

Oben      —     Tantal und Sisyphos im Hades (um 1850), ein (heute zerstörtes) Wandgemälde im Niobidensaal des Neues Museum, Berlin, Deutschland.

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Büttenredner der UNO

Erstellt von Redaktion am 23. September 2022

Cassis und Scholz hinterlassen wenig glaubhaften Eindruck

Datei:2021-08-21 Olaf Scholz 0309.JPG

Kommt alle zu mir – ihr mit Mühsal beladenen

Quelle      :        INFOsperber CH.

Von       :   Andreas Zumach /   

Mit Grund verurteilen beide äußerst heftig Putins Krieg. Aber sie schweigen über andere Konflikte und Krisen.

Wer den ersten 35 RednerInnen bei der am Dienstag eröffneten UNO-Generalversammlung in New York zuhörte, konnte meinen, die 33 Männer und zwei Frauen lebten in verschiedenen Welten. Bei den Auftritten von Bundeskanzler Olaf Scholz und anderer Regierungschefs aus den Mitgliedsländern von NATO und EU sowie mit ihnen verbündeter Staaten wie Japan oder von Ignazio Cassis aus der Schweiz war Putin-Russlands Krieg gegen die Ukraine das beherrschende Thema.

Andere aktuelle Kriege – etwa im Jemen oder in den vom NATO-Mitglied Türkei bekämpften Kurdengebieten in Syrien und im Irak – kamen in diesen Reden überhaupt nicht zur Sprache. Auch die Krisen, Katastrophen und Bedrohungen wie Hunger, Klimawandel, gestiegene Energiepreise, Umweltzerstörung und die Folgen der Corona-Pandemie, die vor allem den globalen Süden betreffen, wurden – wenn überhaupt – nur am Rande erwähnt.

Ganz anders in den Reden des senegalischen Präsidenten Macky Sall – des derzeit Vorsitzenden der Afrikanischen Union – und der anderen Regierungschefs aus Ländern Afrikas, Asiens und Lateinamerikas war es hingegen genau umgekehrt. Sie konzentrierten sich – ebenso wie UNO-Generalsekretär Antonio Guterres in seiner Rede zur Eröffnung der Generalversammlung – auf die globalen Krisen. Guterres kritisierte, dass zur Finanzierung dringender humanitärer Maßnahmen der UNO in Krisenregionen des Südens derzeit «32 Milliarden US-Dollar fehlen, soviel wie nie zuvor». Zum Ukrainekrieg erklärte der UNO-Generalsekretär lediglich, dieser habe die globalen Krisen noch zusätzlich verschärft.

Die große Diskrepanz bei der Wahrnehmung, Benennung und Beurteilung internationaler Problemlagen gibt es vor allem deshalb, weil die Staaten der «westlichen Wertegemeinschaft» in den letzten 25 Jahren wegen ihrer Doppelstandards und selektiven Anwendung der seit 1945 universell gültigen Völkerrechts- und Menschenrechtsnormen im «Rest der Welt» erheblich an Glaubwürdigkeit verloren haben.

Eine ganz wesentliche Rolle spielt dabei der von den USA und Großbritannien geführte völkerrechtswidrige Irakkrieg des Jahres 2003. In der Folge dieses Krieges und der nachfolgenden, ebenfalls völkerrechtswidrigen achtjährigen Besatzung Iraks durch die USA verloren rund eine Million IrakerInnen ihr Leben.

Es ist unter den Mitgliedern der UNO-Generalversammlung auch nicht vergessen, dass die USA seinerzeit durch massiven Druck und Drohungen gegen Südafrika und andere Staaten die Verabschiedung einer Resolution zur Verurteilung dieses Krieges verhinderten. Wer – wie die US-Regierung – den Irakkrieg bis heute zu rechtfertigen versucht oder ihn – wie auch viele Medien in Deutschland – lediglich als «Fehler» bezeichnet, ist wenig glaubwürdig, wenn er heute Putin-Russlands Krieg gegen die Ukraine – völlig zu Recht – als völkerrechtswidrig und verbrecherisch kritisiert.

Zu dem Glaubwürdigkeitsverlust haben auch die Drohungen der USA gegen den Internationalen Strafgerichtshof beigetragen, um unliebsame Ermittlungen zu mutmaßlichen Verbrechen von US-Soldaten in Afghanistan und anderswo zu verhindern.

Ebenfalls als selektive Anwendung von völkerrechts-und menschenrechtlichen Normen wahrgenommen wird die fehlende Kritik oder gar offene Unterstützung der NATO für die völkerrechtwidrige Kriegsführung ihres Mitglieds Türkei gegen die Kurden.

Dasselbe gilt seit Jahrzehnten für das mangelnde Engagement der westlichen Staaten zur Umsetzung der zahlreichen Resolutionen von UNO-Sicherheitsrat und Generalversammlung für eine gerechte Friedenslösung im Konflikt Israel/Palästina.

In jüngster Zeit hat die anhaltende Weigerung der nördlichen Industriestaaten, die bereits im September 2020 von über hundert UNO-Staaten aus dem globalen Süden beantragte Aussetzung der Patente für Corona-Impfstoffe zu ermöglichen, zum Glaubwürdigkeitsdefizit weiter beigetragen.

Dasselbe gilt für die seit Jahren anhaltende Blockade der Verhandlungen im UNO-Menschenrechtsrat in Genf über ein von den Länden des Südens angestrebtes Abkommen über völkerrechtlich verbindliche Menschenrechts-, Umwelt- Umwelt- und Sozialnormen für transnationale Konzerne mit wirksamen Überwachungs-, Durchsetzungs- und Sanktionsmechanismen.

In beiden Fällen ist Deutschland sowohl als nationaler Akteur wie auch als wirtschaftliche Führungsmacht der EU wesentlich verantwortlich für die Blockaden. All dies steht im Widerspruch zu den hehren – und richtigen – Bekenntnissen zu den «weiterhin universell gültigen Völkerrechts- und Menschenrechtsnormen», zur Institution der UNO sowie zu einer «regelbasierten Weltordnung», die Bundeskanzler Olaf Scholz in seiner Rede vor der Generalversammlung vorgetragen hat.

Die ständigen Mitglieder des UN-Sicherheitsrats verteidigen ihre Position

In einem Punkt herrscht unter den 193 Mitgliedern der UNO-Generalversammlungen ein Konsens zwischen fast allen westlichen Staaten – mit Ausnahme der USA, Frankreichs und Großbritanniens – und sämtlichen Ländern des Südens: Die derzeitige, 1945 in der UNO-Charta festgelegte Zusammensetzung des Sicherheitsrates wird als historisch überholt kritisiert und seine Reform durch eine Erweiterung um zusätzliche Mitglieder gefordert.

Die allermeisten Staaten fordern die Abschaffung des Vetos der fünf ständigen Mitglieder. Denn dieses Veto – oder oft auch nur schon seine Androhung – wurde in den letzten 77 Jahren  fast immer nur dazu eingesetzt, die Handlungsfähigkeit des Rates in den Fragen seiner exklusiven Zuständigkeit für die Bewahrung/Wiederherstellung des Friedens und der internationalen Sicherheit zu verhindern. Letztes Beispiel war das Veto Russlands vom 24. Februar gegen die Resolution zur Verurteilung des am selben Tag begonnenen Angriffskrieges gegen die Ukraine.

Die deutsche Bundesregierung hingegen strebt für Deutschland die ständige Mitgliedschaft im Sicherheitsrat mit einem Vetorecht an. Dass der Regierungsvertreter eines UNO-Mitgliedslandes so wie Bundeskanzler Olaf Scholz am Dienstag seinen Auftritt vor der Generalversammlung nutzt zur Formulierung dieser Forderung, ist allerdings seit Beginn der  Debatte um eine Reform des Sicherheitsrates nach Ende des Kalten Krieges nur einmal vorgekommen: Im September 1993 preschte der damalige Bundesaußenminister Klaus Kinkel (FDP) völlig überraschend und ohne Absprache mit Kanzler Helmut Kohl mit dieser Forderung vor. Seitdem schürten sämtliche Bundesregierungen die Illusion, dass diese Forderung in absehbarer Zeit erfüllt würde. Kinkel sagte den Einzug Deutschlands als ständiges Mitglied des Sicherheitsrates bereits zum 50. Gründungsjubiläum im Jahr 1995 voraus und – als daraus nichts wurde – für das Jahr 2000. Die Länder des Südens, die völlig zu Recht eine stärkere Vertretung ihrer Weltregionen Afrika, Asien und Lateinamerika im Sicherheitsrat fordern, sind da viel realistischer. Sie wissen, dass eine Erweiterung des Rates nicht nur am Widerstand der autokratisch regierten ständigen Mitglieder Russland und China scheitert, sondern ebenso am Widerstand der drei westlichen Demokratien USA, Frankreich und Grossbritannien. Denn alle fünf fürchten gleichermaßen, bei einer Erweiterung an Macht und Einfluss zu verlieren.

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Grafikquellen        :

Oben      —      Olaf Scholz, Politiker (SPD) – Zur Zeit Vizekanzler und Bundesminister der Finanzen der Bundesrepublik Deutschland.

Verfasser Michael Lucan        /       Quelle     :   Eigene Arbeit     /     Datum     :    Dienstag, 21. August 2021

Diese Datei ist lizenziert unter der Creative Commons Namensnennung-Weitergabe unter gleichen Bedingungen 3.0 Deutschland Lizenz.

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Unten        —       Bild: <a href=“http://stephan-roehl.de/“ rel=“nofollow“>Stephan Röhl</a>

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Klimawende jetzt sofort !

Erstellt von Redaktion am 22. September 2022

Eine Intervention zum Klimastreik am 23.09.2022

Quelle        :      Scharf   —   Links

Von Jürgen Tallig

Energiekrise und Klimakrise erfordern eine radikale sozial-ökologische Transformation.

Erst die Energiekrise hat den Herausforderungen der Klimakrise wirklichen Nachdruck verliehen und z.B. das Thema Energiesparen ernsthaft in den gesellschaftlichen Focus gerückt. Seit 30 Jahren wissen wir, dass wir uns in einer Klimakrise befinden, die außer Kontrolle zu geraten droht und dass wir weit über unsere natürlichen Verhältnisse leben. Das hinderte allerdings die westlichen Industrieländer nicht, ihre Klima- und naturzerstörende Wirtschafts- und Lebensweise weiter zu globalisieren. Seit 1990 haben sich der weltweite Energieverbrauch und das globale Bruttoinlandsprodukt mehr als verdreifacht und die Zahl der Autos hat sich auf etwa eine Milliarde verdoppelt. Es wurde und wird sehr viel Geld damit verdient, nicht zu sparen und weiter zu wachsen. Unsere imperiale Wirtschafts- und Lebensweise beruht auf billiger Energie, billigen Rohstoffen und billiger Mobilität,- also auf Natur- und klimazerstörender Verschwendung. Sie überschreitet längst wesentliche planetare Grenzen und gefährdet das Überleben der Menschheit. Und plötzlich herrscht nun allgemeine Weltuntergangsstimmung,- aber nicht wegen der drohenden Klimakatastrophe, sondern aus Sorge um die Konjunktur,- weil die Energieversorgung angeblich „in die Knie“ zu gehen droht, wo doch nur die Weltmarktpreise für Energie, wie vielfach prophezeit und gefordert, gestiegen sind. Nun sollen also 15 % beim Gasverbrauch, im Rahmen des EU-Energie- Notfallplans eingespart werden.

Hätten die EU und Deutschland die Verpflichtungen des Pariser Klimaabkommens ernst genommen, dann hätten sie längst weit mehr Energie einsparen können und müssen. Die EU hat bereits vor zwei Jahren den Klimanotstand ausgerufen, was allerdings keine Notfallmaßnahmen und Einsparungen zur Folge hatte. Dabei wären entschlossene Maßnahmen gegen die Klimakatastrophe längst dringend notwendig gewesen, wie die diesjährige Hitze und Dürre, mit ihren verheerenden Rekordwaldbränden und die europaweite Wasserkrise erneut gezeigt haben. Wir sind mit unserem ökologischen Imperialismus die Mitverursacher weltweiter Verheerungen, wie z.B. der Jahrhundertflut in Pakistan, die 33 Millionen Menschen die Existenzgrundlagen raubte und sie Krankheit und Tod aussetzt, obwohl sie kaum Emissionen verursacht haben.

Alarmstufe Rot oder „The Final Countdown“

“Code Red” – „Alarmstufe Rot“, so beschreibt der Weltklimarat IPCC in seinem jüngsten, nunmehr schon sechsten Sachstandsbericht die Situation. Hier eine Passage aus der Zusammenfassung für politische Entscheidungsträger:

„Etwa 3,3 bis 3,6 Milliarden Menschen leben unter besonders klimawandelanfälligen Bedingungen. Ein großer Teil aller Spezies ist anfällig für den Klimawandel und die Anfälligkeit des Menschen und von Ökosystemen sind wechselseitig verbunden. Die gegenwärtig vorangetriebenen nicht nachhaltigen Entwicklungsmuster setzen sowohl Ökosysteme als auch den Menschen zunehmend den Gefahren des Klimawandels aus.“

Der bekannte Klimawissenschaftler Mojib Latif hat in diesem Kontext 2022 ein neues Buch veröffentlicht: „COUNTDOWN. Unsere Zeit läuft ab- was wir der Klimakatastrophe noch entgegensetzen können“, das im Folgenden mit einigen markanten Aussagen zitiert werden soll.

Prof. Latif sieht die Menschheit am Abgrund und sich selbst zwischen Hoffnung und apokalyptischen Befürchtungen. „Wir scheinen die Dramatik des Klimawandels immer noch nicht zu erkennen.“

Die spekulativen Annahmen, auf denen die derzeitige hinhaltende „Klimapolitik“ beruht, werden durch zahlreiche Aussagen des Buches grundlegend in Frage gestellt. Die Abschnitte zu drohenden Kipppunkten, schwindenden CO?-Senken, zu den „schöngerechneten“ CO?-Budgets und zu den Spekulationen über „CO?-Rückholung“ im großen Stil verdeutlichen, wie willkürlich wissenschaftliche Tatsachen an wirtschaftliche Interessen angepasst werden. Es wird auch deutlich gesagt, dass Deutschland sein Restbudget an CO? bei gleichbleibenden Emissionen bereits in 10 Jahren ausgeschöpft haben wird. Eine Tatsache, die bislang bei allen klimapolitischen Debatten und Planungen einfach ignoriert wird.

Wachstumspolitik im Klimanotstand

Tatsache ist, wir befinden uns seit Jahren in einer Klima- und Wasserkrise und haben offensichtlich die atmosphärische Zirkulation grundlegend verändert, wie das absonderliche Jo-Jo-Wetter zeigt.

Wir sind ungebremst weiter in Richtung Klimakatastrophe unterwegs. Laut einer aktuellen Studie der Weltmeteorologieorganisation WMO, könnte eine Erderwärmung von 1,5 Grad bereits innerhalb der nächsten fünf Jahre erreicht sein und damit eine eskalierende Klimakettenreaktion drohen.

Doch auch die neue Bundesregierung hielt es bisher, selbst angesichts austrocknender und kippender Flüsse und Seen, brennender und schwer geschädigter Wälder und massiver Ernteausfälle, nicht für notwendig den Klimanotstand auszurufen und entschlossen gegen die Klimakrise vorzugehen. Sie nahm die „Energiekrise“ sogar zum Anlass, bisherige Klimaschutzmaßnahmen zu verschieben oder gar rückgängig zu machen.

So wurde jetzt die gesetzlich vorgesehene Erhöhung des nationalen CO2-Preises von 30 auf 35 Euro je Tonne um ein Jahr auf 2024 verschoben. Eine genauso unsinnige Maßnahme, wie die Abschaffung der EEG-Umlage. Es mutet schon sehr sonderbar an, wenn eine Regierung mir grüner Beteiligung, sogar die zaghaften klimapolitischen Maßnahmen der früheren CDU-Regierung rückgängig macht und gleichzeitig den Energieverbrauch zusätzlich subventioniert (Tankrabatt), was nichts anderes als ein verdecktes Konjunkturprogramm ist und mit Klimaschutz natürlich gar nichts zu tun hat. Wirtschafts- und Klimaminister Robert Habeck mutierte unversehens blitzschnell zum Wachstums -und Energieminister und die Grünen reihten sich ein in die Reihe der besorgten Krankenpfleger am „Siechenbett“ des Kapitalismus. Wenn dann auch noch „das Beste“, was die Koalition bisher zustande gebracht hat, wieder rückgängig gemacht wird und 49 oder gar 69 statt 9 Euro kosten soll, dann verliert diese Regierung zu Recht jede klimapolitische und soziale Glaubwürdigkeit. Ein guter Kompromiss wäre möglicherweise ein 6 Euro- Wochenticket und ein 30 Euro- Monatsticket.

Geld für einen günstigen oder gar kostenlosen ÖPNV wäre genug da, Herr Lindner, denn fossile Energie und klimazerstörender Verkehr werden nachwievor hoch subventioniert,- was nicht länger hinnehmbar ist. Jeden Tag tobt, angesichts der Klimakatastrophe der Verkehrswahnsinn auf den Straßen. Alleine die jährlichen Staus in Deutschland reichen 40 mal um den Erdball und die Emissionen und Schäden durch den Verkehrssektor sind gigantisch,- werden allerdings der Allgemeinheit und den kommenden Generationen aufgeladen. Wo bleiben die Fahr- und Flugverbote in der Energie- und Klimakrise?

Klimagerechtigkeit in der „Energiekrise“

Für die angeblich „systemrelevanten“ Strukturen war schon immer genug Geld da. Man erinnere sich nur an die Bankenrettung 2008/2009, an die Corona-„Wiederaufbau“-Pakete und an die jüngste Konjunkturspritze für die Rüstungsindustrie. In den letzten drei Jahren wurden mehr als 550 Mrd. Euro Schulden gemacht, zu großen Teilen zugunsten von Großkonzernen und von Schuldenbremse war da nicht die Rede.

Die reichsten 10 % der Haushalte in Deutschland verursachen übrigens 26 % der deutschen Treibhausgasemissionen, fast genauso viel, wie die gesamte ärmere Hälfte der Bevölkerung. Während die Reichen unverändert  eine unsittliche Energieverschwendung betreiben, SUV fahren, in 200 m²-Lofts und Villen wohnen, um die Welt jetten und die Gasumlage aus der Portokasse bezahlen, sollen also die Ärmeren den Gürtel enger schnallen und auch die Öffentlichen sollen teuer bleiben.

Es kann aber nicht sein, dass Energieverschwendung und Gewinne der Konzerne und der Reichen weiter subventioniert werden und die kleinen Leute und die kommenden Generationen die Zeche dafür zahlen sollen. Das ist nicht nur ungerecht, es ist auch rechtswidrig (siehe der Beschuss des BVG zum Klimagesetz) und zerstört die Zukunft von Milliarden Menschen. Widerstand tut not.

Es gibt ein völkerrechtlich verbrieftes Recht auf den Fortbestand des Lebens und auf ein lebenswertes Leben für Alle.

Die einzig hinreichend regulierungsfähige Macht, der Staat, befindet sich dummerweise in allen großen westlichen Ländern fest in der Hand kapitalhöriger Kräfte, die nicht die Interessen der Bürger und der Umwelt, sondern eben vor allem die Interessen des Großkapitals und der Monopole vertreten,- woran in Deutschland bisher auch die Regierungsbeteiligung der GRÜNEN nichts ändern konnte. Prof. Latif dazu:

„Die Gewinnmaximierung um jeden Preis, ob zu Lasten der Umwelt oder des Staates (also des Steuerzahlers) ist asozial. Die Übernahme von Verantwortung durch das gerechte Teilen von Vermögen und Gewinnen, gehört unbedingt zu der nötigen kulturellen Revolution…“.

Die EU und Deutschland haben sich bekanntlich zu Emissionsreduzierungen um 65 bzw. 50 % bis 2030 verpflichtet und zu Null Emissionen bis 2050 bzw. bis 2045. Selbst diese unzureichenden Ziele sind nicht allein durch Effizienzsteigerungen und den Ausbau erneuerbarer Energien zu erreichen, sondern erfordern eine sehr schnelle Verringerung des Energie- und Rohstoffverbrauchs der Ökonomien und Gesellschaften, also auch den Übergang zu einem emissionsarmen Verkehrssystem. „Energiesparen: Die neue Energiequelle“, das wusste man schon 1985. Das derzeitige symbolische Energiesparen, etwa niedrigere Raumtemperaturen und abgeschaltete Außenbeleuchtungen, ist natürlich völlig lächerlich und wird der Problemlage in keinster Weise gerecht. Die Haushalte verbrauchen nur 20 % der Energie und das auch noch sehr ungleich verteilt (siehe oben). Entscheidend sind die Wirtschaft, der Verkehr, die Globalisierung, die industrielle Landwirtschaft, die Verschwendung der Reichen, die gehypte energieverschwendende Digitalisierung, mit Streaming und Clouds,- die gesamten fehlentwickelten Strukturen.

Kohlendioxid und die Grenzen der Menschheit

Man kann nicht von einer „Energiekrise“ reden und dabei von der Klimakrise und vom Kapitalismus schweigen. Es geht nicht darum, fossile Energie anderweitig zu beschaffen und die alten Strukturen zu stabilisieren, damit es weitergehen kann mit dem Wachstum wie bisher. Es geht auch nicht darum die unrealistischen Verheißungen einer grünen Wasserstoffwirtschaft zu verkünden und Ungeduldige auf eine ungewisse Zukunft zu vertrösten, sondern es geht darum, jetzt die derzeitigen Klima- und umweltschädlichen Strukturen grundlegend umzubauen, den Irrweg einer entfesselten Globalisierung und einer energiefressenden Digitalisierung zu verlassen und die Emissionen und den Energieverbrauch sofort drastisch zu senken.

Was zurzeit an Energieeinsparungen beschlossen und vorgesehen ist, das ist nur ein Tropfen auf dem heißen Stein, der nicht weh tut und die alten Strukturen weitgehend unangetastet lässt.

Die Welt ist durch individuelles Wohlverhalten allein nicht zu retten,- es bedarf „systemischer“ Veränderungen, meint Latif. „Wir müssen die Welt komplett umbauen und das fossile Zeitalter schnellstens hinter uns lassen, wenn wir eine Überhitzung der Erde noch vermeiden wollen.“

Die sich aufschaukelnde Klimakatastrophe zeigt inzwischen überdeutlich, dass die bisherigen klimapolitischen Annahmen und Fristsetzungen wahrscheinlich sogar viel zu optimistisch sind.

Längst sind systemrelevante Strukturen der Natur gefährdet und der Mangel an Wasser erweist sich immer mehr als eigentliche Limitierung unseres Handelns, wovon auch bereits die konventionelle fossile und die atomare Energieerzeugung betroffen sind (Frankreich musste diesen Sommer die Hälfte seiner Atomreaktoren herunterfahren).

Prof. Latif verweist denn auch auf die Grenzen der Vorhersagbarkeit, der Anpassung und der Finanzierbarkeit angesichts der Klimakatastrophe und sieht unkalkulierbare Risiken. Er sieht seit Jahren keinerlei Fortschritte bei den Klimakonferenzen und fragt, was denn noch passieren muss, damit die Staatengemeinschaft endlich ernsthaft versucht, die Erderhitzung zu begrenzen? „Wir müssen in unserem Denken und Handeln viel radikaler werden….Sonst wird uns der Planet um die Ohren fliegen…“

Klimawende Jetzt-Klimagerechtigkeit Jetzt

Jetzt wäre die Gelegenheit für eine grundlegende soziale und demokratische Klimawende, die die Weichen neu stellt für viel weniger Energieverbrauch und die Kosten und Lasten gerecht verteilt.

Hierzu gehören eine energetische Grundsicherung und ein Klimabonus (der steuerliche Belastungen ausgleicht) für geringe Einkommen, Gewerbetreibende und kleine Unternehmen und eine progressiv steigende Gasumlage und Energiesteuer für Reiche und Großverbraucher und natürlich eine Übergewinnsteuer, sowie eine relevante, schnell steigende CO2- Steuer. Verschwendung und Klimazerstörung muss bestraft und Sparsamkeit belohnt werden.

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Unsinnige Fehlsubventionen für fossile Strukturen müssen umgelenkt werden,- die Zukunft muss subventioniert werden, nicht die Vergangenheit.

Notwendig ist ein grundlegender struktureller Umbau von Wirtschaft und Gesellschaft, der mit dem weiteren Wachstum der bisherigen Strukturen nicht zu vereinbaren ist.

Viel weniger Energie- und Rohstoffverbrauch, viel weniger Verpackungen und Transporte, Abbau von Monopolstrukturen, Förderung kleinteiliger Strukturen, eine Regionalisierung der Wirtschaft, ein weitgehendes Ende des motorisierten Individualverkehrs, mehr lebensdienliche Arbeit, mehr Zeit und vor allem viel mehr Gerechtigkeit,- das ist notwendig,- also eine wirklich radikale sozial-ökologische Transformation.

Auch wenn die Wissenschaft inzwischen vom „Klima-Endspiel“ schreibt, betreibt die etablierte Politik aber unverändert eine völlig illusionäre Politik der unendlichen Akkumulation und des unendlichen (grünen) Wachstums und benutzt den Staat für ihre Zwecke.

GRÜNE, aber auch Die LINKE müssen den Vorrang der Erhaltung der Lebensgrundlagen als zentral behaupten und viel entschiedener geltend machen und dürfen die Sicherung der Zukunft nicht für die tagespolitische Machteilhabe und Klientelpolitik aufgegeben. Wer soll denn die Interessen der Armen, der kommenden Generationen, des globalen Südens und die Natur verteidigen? Es gilt ein strategisches Zukunftsbündnis zu schmieden, das eine wirkliche Klimawende im Interesse der Vielen, gegen die Macht- und Profitinteressen der bisherigen Eliten durchsetzen könnte. Die Frage der Gerechtigkeit ist natürlich auch eine Frage der Macht, denn die bisherigen Vorteilsnehmer werden ihre bisherigen großen Stücke vom Kuchen nicht freiwillig hergeben. Naives Appellieren hilft da nicht!

Die Klimabewegung muss viel stärker politisch werden und sich erheblich verbreitern, um möglichst die ganze Gesellschaft zu erreichen. Motto: Zukunft für Alle- Alle für die Zukunft! L

Apokalypseblindheit und Katastrophendemenz

Sachsens Ministerpräsident Kretschmer zeigte sich angesichts der brennenden Sächsischen Schweiz tief betroffen: „Man möchte die Augen verschließen vor diesem Anblick.“

Jedoch: die bisherige Apokalypseblindheit und Katastrophendemenz haben uns erst soweit gebracht. Kretschmer weiter: „… die Natur heilt alle Wunden!“,- was aber inzwischen längst ein frommer Wunsch sein dürfte. Es ist an uns, die Wunden der Natur zu heilen und ihr keine weiteren zufügen.

„Die Natur kann unsere Rettung sein, aber nur, wenn wir sie retten!“, sagte die Direktorin des UN-Umweltprogramms UNEP, Inger Andersen zum neuen Klimabericht des Weltklimarates IPCC.

UN-Generalsekretär António Guterres (72) erhob zur Vorstellung des 3.Teils des jüngsten Berichts des Weltklimarates IPCC schwere Vorwürfe gegen Wirtschaft und Politik. Der Bericht sei ein „Dokument der Schande, ein Katalog der leeren Versprechen, womit die Weichen klar in Richtung einer unbewohnbaren Erde gestellt werden.“, sagte der Portugiese in einer Videobotschaft (UN-Klimabericht Guterres spricht von „Dokument der Schande“ Express.de).

Guterres schlussfolgert aus dem Bericht: „Klimaaktivisten werden manchmal als gefährliche Radikale dargestellt. Aber die wirklich gefährlichen Radikalen sind diejenigen, die die Produktion von fossiler Energie weiter erhöhen.“ Und nicht drastisch reduzieren, ist hinzuzufügen.

Der IPCC warnt in seinem neuen Bericht: „Falls die globale Erwärmung über 1,5 °C hinausgeht, auch vorübergehend in Form eines Overshoots, dann werden eine Vielzahl menschlicher wie auch natürlicher Systeme zusätzlichen schwerwiegenden Risiken ausgesetzt sein. Abhängig davon, wie groß die Temperaturüberschreitung ausfällt oder wie lange sie andauert, werden manche Klimawandelfolgen eine zusätzliche Freisetzung von Treibhausgasen bewirken.

Wieder andere Folgen (für die Ökosysteme) werden unumkehrbar sein, selbst gesetzt den Fall, dass die Erwärmung später wieder verringert wird.“

Ein „weiter so“ ist also unverantwortlich und führt blindlinks in die permanente ökologische Katastrophe und zerstört die Reproduktionsfähigkeit der Lebensgrundlagen,- auch bei uns.

Wenn wir nicht endlich mit dem Schlimmsten rechnen, nämlich dem apokalyptischen Ernstfall,

– einer drohenden weitgehenden Vernichtung des Lebens auf der Erde und einer sich selbst verstärkenden Erderhitzung-, dann werden wir das Schlimmste auch nicht verhindern können.

Es gilt endlich aufzuwachen und die Augen weit zu öffnen und die weltweit dramatischen Entwicklungen ernst und wahr zu nehmen. Wir müssen JETZT den Übergang von unserer zerstörerischen fossil-mobilen Wirtschafts- und Lebensweise des „immer mehr“ zu einer Natur- und klimaverträglichen Reproduktionsweise schaffen, die die Erhaltung und den Fortbestand des Lebens in den Mittelpunkt stellt.

Urheberrecht
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Grafikquellen       :

Oben      —       Karikatur von Gerhard Mester zum Klimawandel

Unten     —         Houseboat Row on South Roosevelt Boulevard after Hurricane Georges September 1998. From the Dale McDonald Collection. Hurricane Georges in Key West, Florida, September 1998.

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Irgendwas mit Internet:

Erstellt von Redaktion am 20. September 2022

Der Journalismus der Zukunft

Quelle          :        Netzpolitik ORG.

Von     :    Kolumne von 

Ich habe bei der Besser-Online-Konferenz des Deutschen Journalistenverbandes über die Zukunft des Journalismus gesprochen. Wie kann moderner Journalismus aussehen und was braucht er unter heutigen Bedingungen? Ein paar Thesen.

Am Samstag habe ich die Besser-Online-Konferenz des Deutschen Journalisten-Verbandes (DJV) mit einer Keynote eröffnet. Ich habe dabei das Thema „Die Krise als Chance! Was braucht der Online-Journalismus der Zukunft?“ genutzt, um neben einer kleinen Bestandsaufnahme auch einige netzpolitische Themen mit in die Debatte zu bringen. Aus der Keynote mit ihren Thesen ist dann diese kleine schriftliche Zusammenfassung entstanden.

Der Journalismus der Zukunft…

…bringt vielfältige Organisationsformen.

Ob 1-Frau-Podcast, Mailingliste, Slack-Kanal, Facebook-Gruppe, Verein, gGmbH, AG oder Reddit-Forum. Ob agil, top-down, lokal, global, spontan oder langfristig. Nie war es einfacher, Journalismus zu machen.

…ist vielfältig in der Vermittlung.

Ob Datenjournalismus, Podcasts, Twitch-Kanäle, Twitter, Newsletter, Animationen oder Zeitungen. Nie hatten wir mehr unterschiedliche Möglichkeiten, Geschichten zu erzählen und Fakten und Meinungen zu vermitteln. Wir sind dabei nicht mehr auf ein Ausliefermedium beschränkt. Und ständig kommen neue hinzu.

…braucht Unabhängigkeit von Plattformen.

Es gibt viele Plattformen, welche die notwendige Infrastruktur für Journalistinnen und Kreative anbieten, so dass man sich weitgehend auf das Schaffen von Inhalten konzentrieren kann. Das kann Unabhängigkeit bringen, aber auch zu neuen Abhängigkeiten führen. Plattformen wie Substack, Patreon, Twitch, Youtube und Co. bieten die Möglichkeit, in eine direkte Kommunikation mit Abonnent:innen zu gehen. Sie unterstützen den Vertrieb und wickeln Zahlungen ab. Problem ist bei den US-Plattformen der mangelnde Datenschutz: Im Zweifelsfall sind unsere Daten dort vogelfrei.

Häufig ändern sich die Regeln und zwar technischer und rechtlicher Art. Leider oft einseitig zu unseren Ungunsten. Da kann eine Algorithmusänderung schnell dazu führen, dass über Nacht die lange erstellte und finanzierte Verbreitungsstrategie kaputt ist.

Manche Plattformen bieten die Möglichkeit, bei einem Wechsel wenigstens die Kontaktdaten der eigenen Community mitzunehmen. Aber spätestens bei den Finanzen muss man immer neu anfangen. Hoffnung bieten neue Open-Source-Projekte wie BeaBee, das eine Plattform für Community-Journalismus schaffen will. Hier können Nutzer:innenverwaltung und Bezahlung in der eigenen Hand liegen.

…sollte sich von einem kaputten Werbesystem verabschieden.

Das aktuelle Online-Werbe-Ökosystem mit seinem intransparenten Tracking ist kaputt: Alle haben die Kontrolle verloren. Niemand kann bei den großen Werbe-getriebenen Webseiten noch genau sagen, welche Daten über Interessen und Nutzungsgewohnheiten der Leser:innen wohin überall abfließen und verkauft werden.

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Und hier haben wir selbstverständlich eine Herausforderung: Viele aktuelle journalistische Geschäftsmodelle basieren auf diesem Tracking-Ökosystem. Sie nehmen das in Kauf, ob gewollt oder nicht, dass das eigene Publikum gläsern wird. Das Modell finanziert zu Teilen Journalismus, der damit auch gesellschaftlich wertvolle Arbeit liefert, die sonst so vielleicht nicht ermöglicht werden könnte.

Aber die Frage ist doch: Sollte nicht der Journalismus der Zukunft die Grundrechte des eigenen Publikums respektieren und schützen?! Wir brauchen deswegen neue Wege aus der Abhängigkeit dieses intransparenten Werbe-Ökosystems heraus.

…braucht Pressefreiheit – und setzt sich gegen Überwachung ein.

Viele Überwachungsmaßnahmen gefährden die Pressefreiheit, beispielsweise durch eine Aushebelung des Quellenschutzes beim staatlichen Zugriff auf Verbindungsdaten im Rahmen der Vorratsdatenspeicherung. Oder durch die drohende Chatkontrolle. Mit der soll zur Bekämpfung von sexualisierter Gewalt gegen Kinder automatisiert alle unsere verschlüsselte Kommunikation durchleuchtet werden. Das ist brandgefährlich. Alleine die Etablierung eines solchen Mechanismus öffnet Tür und Tor für die Ausweitung. Und morgen besteht dann die abgeglichene Datenbank nicht mehr aus Missbrauchsdarstellungen sondern aus politisch unliebsamen Inhalten.

Oder indem Pegasus-Staatstrojaner gegen zahlreiche Journalist:innen eingesetzt werden. Was leider auch in diversen EU-Staaten praktiziert wurde. Da hilft es auch nicht, wenn die EU-Kommission im Rahmen der Stärkung der Medienfreiheit Staatstrojaner verbieten will – außer bei schweren Straftaten oder Belange der „nationalen Sicherheit“. Polen, Griechenland und Ungarn zeigen aktuell, dass die Überwachung von Journalist:innen genau damit begründet wird.

Für mich persönlich ist das nicht nur Theorie, vor sieben Jahren waren wir bei netzpolitik.org Opfer von Ermittlungen wegen Landesverrat. Das ist einerseits eine schwere Straftat, andererseits wurden die Ermittlungen mit „nationaler Sicherheit“ begründet. Diese wurden vom ehemaligen Verfassungsschutzpräsidenten und heutigem Rechtsaußen-Verschwörungsideologen Hans-Georg Maaßen auf den Weg gebracht. Sowas kann leider immer noch passieren.

Reformen mit besserem Schutz von Journalist:innen gegen Landesverrat-Ermittlungen und dem Offenbaren von Staatsgeheimnissen waren vom ehemaligen Justizminister Heiko Maas versprochen und scheiterten an der CDU/CSU. Die Union ist jetzt nicht mehr an der Macht – aber wo bleiben die versprochenen Reformen?

…muss gemeinnützig sein können.

Früher war es einfacher. Es gab kommerzielle Medien, den Öffentlich-Rechtlichen Rundfunk und einige wenige Exoten wie die taz. Heute haben wir teilweise eine Krise der Geschäftsmodelle, in Folge dessen gibt es eine zunehmende Konzentration vor allem auf lokaler Ebene. Häufig funktionieren die bekannten Geschäftsmodelle nicht mehr, weil die Zielgruppen zu klein werden. Gerade auf lokaler Ebene wird es zunehmend schwierig, Betrieb und Recherche zu finanzieren. Auch wenn es viele spannende Neugründungen wie zum Beispiels RUMS aus Münster gibt.

Einige Medien gehen schon erfolgreich den gemeinnützigen Weg. Aber teilweise hat auch das seinen Preis. Correctiv oder Riffreporter müssen über die Bildungs- oder Demokratie-Schiene Workshops machen, anstatt sich auf journalistische Recherchen zu konzentrieren. Finanztip und netzpolitik.org sind wegen Verbraucherschutz gemeinnützig. Bei uns ist das thematisch auch einfach, weil sehr viele Themen Nutzer:innenrechte und damit den Verbraucherschutz betreffen. Aber worauf kann eine kleine Lokalredaktion bei der Gemeinnützigkeit zurückgreifen?

Eine Lösungsmöglichkeit ist, Journalismus in die Gemeinnützigkeitszwecke aufzunehmen. Das ermöglicht eine dritte Säule neben kommerziellen Medien und dem Öffentlich-Rechtlichem System. Es wird niemanden etwas weggenommen, aber mehr Wettbewerb ermöglicht. Gerade da, wo es , wie auf lokaler Ebene häufig keinen Wettbewerb mehr gibt, weil die Geschäftsmodelle nicht mehr funktionieren. Immer mehr Stiftungen sehen die Systemrelevanz von Journalismus als wichtige Säule unserer Demokratie an. Und würden mehr Geld in diese Richtung geben, wenn sie die rechtlichen Möglichkeiten dazu bekommen.

Schach und Modellbau sind schon heute gemeinnützig. Das ist auch ok so. Aber Journalismus ist systemrelevanter und müsste deswegen auch gemeinnützig sein. Gemeinnütziger Journalismus bringt viele neue Chancen zur Finanzierung und schafft Rechtssicherheit.

…nutzt Informationsfreiheit und Open Data.

Das Informationsfreiheitsgesetz bietet neue Möglichkeiten für die Recherche und zur Kontrolle der Arbeit des Staates. Offene Daten bieten Datenjournalist:innen neue Möglichkeiten. Ersteres ist tatsächlich einfacher, weil dafür gibt es Plattformen wie Fragden-Staat. Unklar ist leider, ob man die gewünschten Informationen auch direkt bekommt oder erstmal klagen muss. Offene Daten zu nutzen ist deutlich schwieriger – nicht aus der Wikipedia, da gehts sehr einfacher – sondern wenn man staatliche Informationen nutzen möchte. Da ist Deutschland noch Entwicklungsland.

Die von der Ampel-Koalition versprochene Weiterentwicklung des Informationsfreiheitsgesetzes zu einem Transparenzgesetz ist notwendig. Denn eigentlich sollten nicht wir die Bittsteller sein, die den Staat um Infos anfragen, um ihn zu kontrollieren. Sondern der Staat sollte proaktiv soviel wie möglich transparent veröffentlichen – und wir diskutieren dann über die Ausnahmen. Das würde auch die Justiz entlasten, denn man müsste weniger klagen.

Apropos Offene Daten. Vorliegende Dokumente können selbstverständlich auch mit dem Publikum geteilt werden. Im Netz ist in der Regel noch etwas Platz dafür und eine Veröffentlichung bietet dem Publikum die Möglichkeit, die Arbeit von Journalist:innen kritisch zu hinterfragen und mit mehr Augen drauf zu schauen. Es gibt klare Ausnahmen dafür, wie eine Einhaltung des Quellenschutzes sowie der Schutz von Persönlichkeitsrechten. Aber noch ist es die Ausnahme, dass Dokumente im Rahmen eines offenen Journalismus auch mit der Öffentlichkeit geteilt werden. Das sollte sich ändern.

…ist transparenter.

Apropos Transparenz. Das sollten Medien und Journalist:innen nicht nur vom Staat einfordern, Journalismus kann auch mit gutem Beispiel vorangehen.

Es gibt viel Misstrauen gegen Journalist:innen. Manches wird von bestimmten Kreisen instrumentalisiert, um Vertrauen zu zerstören und die eigenen Desinformationsideologen zu kommunizieren. Anderes ist hausgemacht.

Journalismus kann aber selbst daran arbeiten, mehr Vertrauen herzustellen, indem er transparenter wird. Er müsste mehr eigene Abhängigkeiten anzeigen, denn raus kommt das meiste irgendwann eh. Matthias Döpfner ist da nur ein großes aktuelles Beispiel. Wir nutzen bei netzpolitik.org beispielsweise monatliche Transparenzberichte, um über unsere Einnahmen und Ausgaben zu berichten. Und damit proaktiv Misstrauen entgegen zu treten, unsere Meinung wäre gekauft. Ich muss aber zugeben, bei uns ist es einfach, wir werden zu fast 100 Prozent durch Spenden unserer Leser:innen finanziert. Aber warum nicht mehr die eigenen Geschäftsmodelle und Einkommensströme erklären, um transparent zu machen, wie sich Journalismus finanziert und wofür das Geld ausgegeben wird?

Journalismus braucht auch eine bessere Fehlerkultur und sollte die eigenen Fehler transparent korrigieren und kommunizieren. Journalist:innen müssen ihre eigene Arbeit besser erklären, denn für unser Publikum ist es nicht mehr selbstverständlich zu verstehen, wie Journalismus funktioniert. Wir leben nicht mehr in den Achtzigern mit wenigen Medien – und Digitalkompetenz muss wirklich vermittelt werden anstatt nur in Sonntagsreden vorzukommen.

…ist konstruktiver.

Datei:120613 Doppelleben Artwork.pdf

Schlechte Nachrichten klicken sich besser. Das mag aus kommerzieller Sicht stimmen. Aber was macht das mit unserem Publikum? Was macht das mit uns? Ist das die richtige Strategie zur Vermittlung von Journalismus? Wollen wir in einer Welt leben, die nur von negativen Berichten dominiert ist und in der unser Publikum die Hoffnung verliert? Klimakrise, Krieg, Corona – wir haben zahlreiche Krisen. Aber da müssen wir durch, depressiv werden hilft bei der Bewältigung wenig.

Zukünfte können in mehr konstruktivem Journalismus liegen, der Handlungsmöglichkeiten aufzeigt und das Publikum auf Augenhöhe anspricht. Wir brauchen mehr Experimente in diese Richtung. Und wieder mehr Hoffnung.

…ist kollaborativ und dialogisch.

Auch wenn viele Konkurrenten sind um Abos, Aufmerksamkeit und das Geld des Publikums – gemeinsame Recherchen werden immer einfacher – durch das Netz – und bieten viele Chancen. Wir können in der Kooperation Ressourcen, Fähigkeiten und Know-How bündeln und die Ergebnisse jeweils auf den eigenen Kanälen und für die jeweiligen Zielgruppen ausspielen.

Die Herausforderung dabei ist natürlich: Schlanke Strukturen, um nicht die ganze Zeit in Abstimmungsmeetings zu sitzen, Zusammenarbeit auf Augenhöhe bei unterschiedlich großen Partner:innen und natürlich Respekt und Mut.

Wir haben noch nicht mal angefangen, die Möglichkeiten alle zu verstehen, wie wir im Netz im Dialog mit unserem Publikum arbeiten und es besser einbinden können. Sei es zur Weiterentwicklung von besseren Services oder bei Crowd-Recherchen.

Das Publikum kann von zahlenden Kund:innen zur Community werden. Der Journalismus der Zukunft liegt auch in offenen Ökosystemen.

Wir sind immer noch in der Experimentierphase. Es war noch nie spannender, Journalismus zu machen. Es gibt so viele Möglichkeiten wie noch nie. Machen wir etwas Gutes daraus.

Lizenz: Die von uns verfassten Inhalte stehen, soweit nicht anders vermerkt, unter der Lizenz Creative Commons BY-NC-SA 4.0.

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Oben     —   4. Mai 2019, Berlin: Netzfest19, Tag 1: Gründer*innen & Direktorin der Re:publica

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Erhöhungen bei Strom+Gas

Erstellt von Redaktion am 18. September 2022

Wie Sie mit Ihrem Energieversorger gut durch die kalte Zeit kommen

Eine Kolumne von Hermann-Josef Tenhagen

In diesem Herbst bekommen Verbraucher die Energiekrise hart zu spüren: Anbieter vervielfachen den Preis, besonders für Gas. So können Sie sich wehren – und Alternativen finden.

Jahrelang war es einfach, einen guten und günstigen Strom- oder Gastarif für den eigenen Haushalt zu finden. Aber gerade jetzt, in Zeiten explodierender Energiepreise, wird die Suche zum Abenteuer. Der Anbieter, der gestern noch günstig war, verlangt heute Mondpreise. Deshalb suchen Kunden heute nach Anbietern, deren Preise nur moderat steigen. Mit ein paar Tricks und Kniffen erhöhen Sie die Chancen beträchtlich, besser und günstiger durch diesen schwierigen Winter zu kommen .

Die gute alte Zeit bis 2020

In der guten alten Zeit bis 2020 waren zwei Bestandteile entscheidend für einen guten Strom – und Gastarif. Zum einen ein günstiger Preis für die Kilowattstunde Energie, und zum anderen eine Vertragsgestaltung, die verbraucherfreundlich war – mit Preisgarantien und kurzen Kündigungsfristen. Natürlich waren die Preise niedriger .

Energiehändler. Im Gasmarkt ist das überwiegend getrennt – Deutschland verfügt kaum über eigenes Gas; es muss importiert werden. Der Energiehändler, der in der Vergangenheit etwas auf sich hielt, kaufte mehr oder weniger große Teil des Stroms oder Gases zum Weiterverkauf an die Endkunden mit Festpreisen bei den Erzeugern. Der Rest konnte leicht an der Strom- und Gasbörse in Leipzig gekauft werden – oft zu besonders günstigen Bedingungen .

Die Kauf- und Verkaufsbeziehungen waren und sind für Endkunden undurchsichtig. Wichtig ist den meisten Kunden aber ja ohnehin vor allem der Preis. Vergleichsportale wie Check24 und Verivox ermöglichten den Kunden immerhin, viele Angebote auf diesem immer unübersichtlicher werdenden Markt zu vergleichen und das preiswerteste Angebot zu finden. Bei Finanztip haben wir die besten Angebote aus beiden Portalen sogar in einer gemeinsamen Datenbank zusammenführen können .

Zeitenwende

In diesem Winter ist vieles anders. Die Preise für Strom und Gas waren schon 2021 deutlich angestiegen. Und zwar so deutlich, dass viele Anbieter sich außerstande sahen, noch neue Kunden zu bedienen. Sie machten potenziellen Neukunden einfach keine Angebote mehr. Oft bekamen nur noch Bestandskunden ein Verlängerungsangebot für Strom, vor allem aber für Gas. Und das musste nicht günstig sein.

Nach dem Überfall Russlands auf die Ukraine verschärfte sich die Situation noch einmal. Vor allem beim Gas. Angesichts der Abhängigkeit Deutschlands von russischem Gas stiegen die Preise an der Börse in Leipzig auf ein Vielfaches, von drei Cent pro kWh im Jahr 2020 auf mehr als 30 Cent. 50 Prozent des in Deutschland verfeuerten Gases stammten aus Russland, sogar zwei Drittel der Gasmenge, die hierzulande 2021 eingeführt wurde. Denn Deutschland war auch der große Gashändler, der zum Beispiel russisches Gas wieder nach Polen verkaufte . Händler, die bei ihrem Geschäftsmodell vor allem auf billiges Gas von der Börse gesetzt hatten, sahen ihre Felle davonschwimmen und versuchten, ihre Kunden mit Mondpreisen loszuwerden.

Großhändler hatten lange dieses Geschäftsmodell: Sie hatten mit Russland langfristige Verträge gemacht und das dort eingekaufte Gas über Jahrzehnte gewinnbringend weiterverkauft. Nun waren sie mit dieser Situation konfrontiert: Einerseits pochten ihre Kunden auf die Verträge mit günstigen Preisen, anderseits pumpte ihr Zulieferer in Russland aber kein oder kaum Gas mehr in die Pipelines. Ersatz an der Börse mit ihren Spekulationspreisen zu besorgen, hätte die Handelskonzerne in den Ruin stürzen können.

Uniper, der größte Gashändler Europas, stand deshalb vor der Pleite, bevor der Staat einstieg. Gazprom Germania, Tochtergesellschaft des russischen Gazprom-Konzerns und Besitzerin des größten deutschen Gasspeichers im niedersächsischen Rehden, wurde von der Ampelregierung unter staatliche Kontrolle gestellt .

Auf dieser Ebene funktionierte der Staat. Und mit einer Gasumlage sollen die Gaskunden für dieses Manöver zahlen, weil der Finanzminister dafür keine Steuergelder zur Verfügung stellen wollte.

Preischaos für Kunden

Jetzt aber bekommen die Kunden in diesem Herbst das Chaos besonders zu spüren. Anbieter vervielfachen den Preis, besonders für Gas, teilweise auch für Strom, und reichen die Spekulationspreise der Börse erbarmungslos an die Kunden weiter. Beim Gas treibt der Mangel den Preis in ungeahnte Höhen. Beim Strom ist es das Marktmodell, das Wind-, Solar-, Atom- und Kohlestromer mit hohen Preisen belohnt – denn den Preis bestimmt immer das teuerste Kraftwerk für alle anderen, und das sind derzeit die Gaskraftwerke, die fast täglich in den Stunden hoher Stromnachfrage produzieren. Morgens, mittags und abends klettern die Strompreise dann auf bis 50, 60 oder sogar 70 Cent pro Kilowattstunde. Die Erzeugung von Strom aus Steinkohle kostet aktuell rund 30 Cent; Atom-, Wind- und Solarstrom sind noch viel günstiger. RWE erhöhte seinen Gewinn im ersten Halbjahr 2022 im Vergleich zum Vorjahr von 1,8 auf 2,9 Milliarden Euro .

Privatkunden bekamen Briefe von ihren Anbietern, in denen diese die monatlichen Abschläge für Gas oder Strom von 100 auf 300 Euro oder von 200 auf 600 Euro erhöhten. Noch schlimmer traf es Unternehmen wie Wäschereien  oder Bäckereien, die bislang einen besonders günstigen Preis hatten verhandeln können und nun mit Marktpreisen konfrontiert wurden, die zehnmal so hoch lagen wie zuvor .

So wehren Sie sich

Quelle       :       Spiegel-online         >>>>>          weiterlesen

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Oben     —     [1] Schild, dass auf eine Leitung mit Erdgas hinweist

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Zoff in der Linkspartei

Erstellt von Redaktion am 17. September 2022

Linker Rosenkrieg

Sahra Wagenknecht. Leipziger Parteitag der Linkspartei 2018.jpg

Wer sich im Sozialismus schlafen legt – sollte auch so am Morgen Aufstehen.

Von Anna Lehmann, Pascal Beucker und Stefan Reinecke

Seit Sahra Wagenknechts von der AfD bejubelten Rede im Bundestag herrscht offener Kampf in der Partei.

Die Explosion fand am Donnerstagvormittag vor einer Woche im Bundestag statt. Die Erschütterungswellen sind bis heute zu spüren. Für die Detonation sorgte Sahra Wagenknecht, die der Regierung vorwarf einen „beispiellosen Wirtschaftskrieg gegen unseren wichtigsten Energielieferanten vom Zaun zu brechen“.

Die Sanktionen würden die „deutsche Wirtschaft“ ruinieren. Die AfD applaudierte. „Sie haben recht!“ rief AfD-Fraktionschefin Alice Weidel begeistert. Die Hälfte der Linksfraktion blieb der Show demonstrativ fern. Die Linkspartei unterstützt eigentlich Sanktionen gegen Putin wegen des Ukrainekrieges. Nach Wagenknechts Tirade steht man wieder als Putins fünfte Kolonne mit AfD-nahen Postionen da.

Seitdem hagelt es Angriff und Gegenangriff, Austritte und Vorwürfe. Partei und Fraktion sind im Ausnahmezustand. Ulrich Schneider, Geschäftsführer des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes und prominenter Genosse, gab sein Parteibuch zurück. Was Wagenknecht „vom Stapel ließ, war zu viel“, so Schneider.

Sein Austritt tut der Linkspartei derzeit besonders weh. Denn eigentlich will diese jetzt überall zusammen mit Sozialverbänden gegen die unbrauchbaren Entlastungspakete der Regierung demonstrieren. Ein Abgang zur Unzeit. Genauso wie der Streit um Wagenknecht. So richtig heiß sind in diesem Herbst bislang nur die internen Schlachten in Linkspartei und -fraktion.

Es herrscht Streit um fast alles. Auch darüber, was warum geschehen ist. Wieso durfte Wagenknecht, die in der Fraktion keine Funktion hat, in der im Parlament zentralen Haushaltsdebatte überhaupt reden? Dass Wagenknecht einen Feldzug gegen die Sanktionen führt, war bekannt, der Eklat absehbar.

KritikerInnen sehen die Verantwortung bei der Fraktionsspitze aus Dietmar Bartsch und Amira Mohamed Ali. Beide hätten Wagenknecht als Rednerin gegen skeptische Einwände aus der Fraktion durchgesetzt. Bartsch widerspricht: „Der Vorschlag kam von den Haushältern und nicht von der Fraktionsspitze. Niemand hat in der Fraktionssitzung den Antrag gestellt, dass Sahra Wagenknecht nicht reden möge“, so Bartsch zur taz.

Offener Brief: Wir sind es leid“

Linke Abgeordnete, die schon damals das Kommende ahnten, haben das etwas anders in Erinnerung. Mohamed Ali habe jede Kritik lautstark abgeschmettert. Die Fraktionsspitze wollte diese Rede. Die einzige Bedingung war, dass Wagenknecht nicht wieder die Öffnung der Pipeline Nord Stream 2 fordern dürfe. Bartsch, eigentlich Reformer, hat schon vor Jahren ein Bündnis mit Wagenknecht geschlossen.

Manche linke Abgeordnete halten Wagenknecht für das größte Problem und Fraktionschef Bartsch, der der Eigenwilligen immer wieder den Rücken frei hält, mittlerweile für das zweitgrößte Problem der Partei. Es geht dabei um mehr, als um Wagenknechts Egotrip. Es geht darum, wer die Fraktion führen soll. Und wie lange es die noch gibt.

Der erste Protest nach dem Eklat im Bundestag kam von drei Landtagsabgeordneten aus dem Osten, Katharina König-Preuss aus Thüringen, Jule Nagel aus Sachsen und Henriette Quade aus Sachsen-Anhalt. „Wir sind es leid“, heißt ihr offener Brief. Ob es um die Aufnahme von Geflüchteten, die Coronapolitik oder um das Verhältnis zu Russland gehe, immer wieder schieße Wagenknecht quer.

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Eine Linke benötigt weder Show noch Schminke –  Opposition ist harte Arbeit

Sie müsse aus der Fraktion ausgeschlossen werden, Mohamed Ali und Bartsch müssten als politisch Verantwortliche zurücktreten, so die Forderung. Ähnlich sieht es die Bundestagsabgeordnete Cornelia Möhring.

Den offenen Brief der drei Ostfrauen hat sie noch nicht unterschrieben, sie will erst sehen, was die Fraktionssitzung am kommenden Dienstag bringt. „Ich erwarte von der Fraktionsführung, dass Konsequenzen gezogen werden“, sagt Möhring zur taz am wochenende. So könne es nicht mehr weitergehen. Es gebe völlige „Führungslosigkeit der Fraktion“.

Christian Leye, früher Wagenknechts Büroleiter in NRW, heute Bundestagsabgeordneter, zählt zu der überschaubaren Unterstützergruppe, die Wagenknecht in der Fraktion noch hat. Die Rede war „politisch richtig und trifft einen Nerv in der Bevölkerung“, so der Linke aus Duisburg gegenüber der taz am wochenende. Man müsse „über Entspannung im Wirtschaftskrieg“ debattieren dürfen. Der AfD-Applaus ficht ihn nicht an: „Die NPD fordert auch den Mindestlohn. Sind wir deshalb jetzt dagegen?“

Das Blame Game hat begonnen

Die Wagenknecht-Anhänger sehen sich nicht als Brandbeschleuniger der innerparteilichen Krise, sondern als deren Opfer. „Es wird eine harte Linie gegen Wagenknecht und den Teil der Partei durchgezogen, der sich politisch dort verortet.

Angesichts des Tempos der Eskalation kann ich keine Prognose für die Zukunft abgeben“ so Leye. Also Spaltung der Fraktion? Das würde Leye „bedauern“, doch wenn es so komme, gehe es auf das Konto jener, die „den Ausschluss von Wagenknecht aus der Fraktion fordern“.

Wagenknechts Auftritt hat wie ein Katalysator gewirkt. Der Riss, der nun sichtbar geworden ist, geht tief. Die linke Anhängerschaft ist bei den Russlandsanktionen gespalten. Die eine Hälfte ist dagegen, die andere dafür. Viele WählerInnen im Osten haben Sympathien für eine putinfreundliche Haltung. Manche glauben, dass im Osten die Hälfte der Partei und auch der Landtagsfraktionen auf Wagenknechts Seite steht – wenn es hart auf hart kommt.

Möhring hält eine Trennung jedenfalls für besser, als einfach so weiter zu machen. „Lieber eine Linke Gruppe im Bundestag, die klare linke Positionen vertritt, als eine Fraktion, bei der niemand weiß, wofür sie steht“. Das Blame Game, wer an der möglichen Trennung Schuld ist, hat längst begonnen.

Die Konsequenzen einer Abspaltung wären schmerzhaft und hart. Falls Wagenknecht und ihre AnhängerInnen die Fraktion verlassen, würde die Linksfraktion im Bundestag zu einer Gruppe mit weniger Rechten und weniger Geld schrumpfen.

Schon drei Austritte reichen, damit die 39-köpfige Fraktion ihren Status verliert. Dieses Szenario wäre einmalig in der Parlamentsgeschichte, doch die Fraktionsführung spielt es schon durch. Welche juristischen Folgen hätte das? Wie viele Mit­ar­bei­te­rIn­nen könnte man in diesem Fall halten?

Kein zweiter Wagenknecht-Fall

Die Parteiführung steht bei alldem etwas hilflos an der Seitenlinie. Wagenknechts Auftritt hat Janine Wissler und Martin Schirdewan kalt erwischt. Sie hatten nach dem Bundesparteitag Ende Juni in Erfurt gehofft, die Streitereien erstmal eingedämmt zu haben.

Noch drei weitere Grabtücher der Partei ?

Die Kampagne eines „heißen Herbstes der sozialen Proteste“ lief an, die Umfragen zeigten eine zaghafte Aufwärtsbewegung. „Gerade in diesen Zeiten braucht es eine starke Linke, vielleicht mehr denn je“, so Wissler gegenüber der taz am Wochenende. Doch stattdessen beschäftigt sich die Partei mit sich selbst.

Die Kommunikation zwischen Partei und Fraktion ist wieder auf dem Nullpunkt angelangt. Für Donnerstag war eine gemeinsame digitale Sitzung der Parteispitze mit den Landesvorsitzende anberaumt. Auch die Fraktionsspitze war dazu geladen. Doch Bartsch und Mohamed Ali kamen nicht. Jetzt sollen sie erneut eingeladen werden.

Wie geht es nun weiter? Janine Wissler fordert: „Wer in Parlamenten für Die Linke spricht, muss die Positionen der Partei vertreten.“ Doch der Parteivorstand hat keine formelle Möglichkeit, das gegenüber der Fraktionsspitze durchzusetzen. Bei der Fraktionssitzung am kommenden Dienstag wollen manche Wisslers Forderung durchbringen. RednerInnen im Bundestag sollen dann die Parteiposition vertreten müssen – einen Fall Wagenknecht 2.0 soll es nicht geben.

Quelle          :         TAZ-online          >>>>>        weiterlesen

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Grafikquellen          :

Oben     —        Die Fraktionsvorsitzende der Linkspartei Sahra Wagenknecht. Leipziger Parteitag der Linkspartei 2018. 1. Tagung des 6. Parteitages der Partei DIE LINKE. Vom 8. bis 10. Juni 2018. Tagungsort: Leipziger Messe, Congress Center Leipzig.

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Kolumne-FERNSICHT-Kenia

Erstellt von Redaktion am 17. September 2022

In Kenia regiert jetzt Präsident Ruto, der Dynastien Killer

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Von Joachim Buwembo

Am 13. September bekam Kenia einen neuen Präsidenten. William Ruto wurde als fünfter Präsident der Republik Kenia vereidigt, gut einen Monat nach seinem Wahlsieg. Der bisherige Vizepräsident gewann gleich zweimal – erst an der Wahlurne und dann beim Verfassungsgericht, das die Wahlanfechtung des wichtigsten Gegenkandidaten Raila Odinga abwies.

Ruto war zwar zehn Jahre lang Vizepräsident unter Präsident Uhuru Kenyatta gewesen, aber sein Sieg war ein Sieg über Kenyatta, denn der hatte seinen früheren Erzrivalen Odinga als Wunschnachfolger unterstützt und sich gegen­ Ruto gestellt.

Mit der Amtseinführung des 55-jährigen William Ruto beginnt in Kenia nun eine neue Ära. Weithin im Land steht sein Sieg für den Sieg derjenigen, die es durch harte Arbeit und Geschäftssinn nach oben geschafft haben, über die, die immer schon oben gewesen sind – die „Hustler“, wie im kenianischen Englisch die Aufsteiger aus eigener Kraft genannt werden, über die „Dynastien“.

Uhuru Kenyatta und Raila Odinga sind nämlich die Söhne der ersten Präsidenten und Vizepräsidenten Kenias nach der Unabhängigkeit von Großbritannien 1963, Jomo Kenyatta and Oginga Odinga. Zwischen den beiden Kenyattas hatte Kenia nur zwei andere Präsidenten.

Wie die meisten afrikanischen Staaten ist auch Kenia ein Land, in dem der Präsident sehr leicht Reichtum anhäufen kann. So sind die Familien, die bislang an der Macht gewesen sind, steinreich. William Ruto hingegen, der in eine arme Familie geboren wurde, hat seinen Weg nach oben selbst erarbeitet, ein „Hustler“ eben. Sein Aufstiegskampf ist ein Vorbild für Millionen junge Menschen in Kenia aus unterprivilegierten Verhältnissen. Sie haben ihn in großer Zahl bei der Wahl unterstützt, um die „Dynastien“ zu stürzen. Dass er selbst auch inzwischen steinreich ist, war dabei für ihn kein Nachteil, obwohl seine Gegner versuchten, ihm den Vorwurf der Korruption anzuhängen.

Kenia ist eine von Afrikas größten Volkswirtschaften, und das Pro-Kopf-Einkommen ist mit aktuell 1.550 US-Dollar pro Jahr ansehnlich im afrikanischen Vergleich, doch die Kluft zwischen Arm und Reich bleibt immens. Als die ostafrikanischen Staaten in den frühen 1960er Jahren die Unabhängigkeit erlangten und die Welt in die Blöcke Ost und West geteilt war, lästerte Julius Nyerere, sozialistischer Präsident des pro-östlichen Nachbarn Tansania, über Kenia als eine „man eat man“-Gesellschaft, in der jeder seinen Nächsten übervorteilt. Jomo Kenyatta aus dem kapitalistischen, pro-westlichen Kenia konterte, Tansania sei eine „man eat nothing“-Gesellschaft, in der alle gemeinsam im Elend leben. Diese Charakterisierungen sind auch heute noch weit verbreitet.

Quelle       :       TAZ-online         >>>>>        weiterlesen

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Oben     —     Vogelbeobachtung in Panama

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Ampel-Bürgergeld Debatte

Erstellt von Redaktion am 15. September 2022

Das geht auch menschlicher!

File:Die Linke Grundrecht Grundeinkommen BGE Berlin 2013.jpg

Von Christoph Butterwegge

Das Ampel-Bürgergeld bringt ein paar Verbesserungen. Ein neues, besseres Grundsicherungssystem wie versprochen schafft es aber nicht.

Das Arbeitslosengeld II soll am 1. Januar 2023 vom Bürgergeld abgelöst werden, die Ampel-Regierung plant eine umfassende Reform der Grundsicherung für Arbeitslose. Arbeitsminister Hubertus Heil behauptet gern, dass Hartz IV damit „überwunden“ werde.

Zwar beinhaltet das Regierungskonzept durchaus positive Veränderungen, etwa im Verhältnis zum Jobcenter, bei den Maßnahmen zur beruflichen Weiterbildung, beim Vermittlungsvorrang sowie bei den Sanktionen für die bisherigen Hartz-IV-Bezieher/innen. In zentralen Punkten – etwa die zu geringe Anhebung des Regelbedarfs – bleibt eine substanzielle Korrektur des Grundsicherungssystems aber aus. Um Hartz IV wirklich zu überwinden, wären weitere Schritte nötig:

Immer mehr Erwerbslose erhalten nie Arbeitslosengeld I, sondern gleich Hartz IV. Deshalb sollten die Höchstbezugsdauer des Arbeitslosengeldes I und die Frist, in der man Leistungsansprüche erwerben kann, über die geltenden 30 Monate hinaus verlängert werden. Die Anwartschaftszeit dagegen, während der man Beiträge in die Arbeitslosenversicherung gezahlt haben muss, könnte von derzeit zwölf (unter bestimmten Voraussetzungen sechs Monaten) verkürzt werden, um den sofortigen Fall in die Grundsicherung zu verhindern.

Die einschneidendste Sozialreform der Bundesrepublik wird als „Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe“ verharmlost. Dabei entfiel mit der Arbeitslosenhilfe eine den Lebensstandard von Erwerbslosen noch halbwegs sichernde Lohnersatzleistung, an deren Stelle mit dem Arbeitslosengeld II eine höchstens noch das Existenzminimum sichernde Fürsorgeleistung trat, gedacht als bloße Lohnergänzungsleistung. Bezieher/innen von Arbeitslosenhilfe erhielten 57 Prozent beziehungsweise 53 Prozent (ohne Kind) ihres letzten Nettoentgelts. Dass sich die Zahl der von Transferleistungen abhängigen Kinder nach Einführung von Hartz IV im Jahr 2005 fast verdoppelte, war in erster Linie auf die Abschaffung der Arbeitslosenhilfe und den Bruch mit dem Lebensstandardsicherungsprinzip zurückzuführen.

Will man keine Lohnersatzleistung wie die Arbeitslosenhilfe einführen, kann man den Lebensstandard von Langzeiterwerbslosen auch durch ein im Extremfall bis zur Rente gezahltes Arbeitslosengeld sichern. Unbefristet anspruchsberechtigt müsste dann sein, wer eine bestimmte Mindestversicherungsdauer aufweist. Mit der Einführung von Hartz IV waren pauschale Regelsätze verbunden, die inzwischen Regelbedarfe heißen und auch beim Bürgergeld mit 502 Euro im Monat für Alleinstehende viel zu niedrig sind. Besonders kinderreiche Familien leiden darunter, dass die wiederkehrenden einmaligen Leistungen, etwa für die Reparatur einer Waschmaschine, weggefallen sind.

Einerseits müssten also die Regelbedarfe deutlicher erhöht werden, als das (erst) zum Jahreswechsel geschieht; andererseits sollten jene Beihilfen wieder eingeführt werden, die bedürftigen Familien helfen. Ein neues, partnerschaftliches, solidarischeres und menschlicheres Sozialstaatsmodell, wie es die Ampel-Koalition verspricht, ist nicht beinahe zum Nulltarif zu haben.

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Einen Berufs- und Qualifikationsschutz gibt es beim Bürgergeld ebenso wenig wie bei Hartz IV. Das heißt: Unabhängig davon, welche Ausbildung oder welches Studium die Leistungsbezieher/innen abgeschlossen haben und welchen Beruf sie vielleicht jahrzehntelang ausgeübt haben, müssen sie jedes Jobangebot akzeptieren. Damit eine Sekretärin nicht im Getränkemarkt und ein Soziologe nicht als Pförtner arbeiten muss, um ihren Leistungsanspruch zu erhalten, muss der Berufs- und Qualifikationsschutz im Sozialgesetzbuch verankert werden.

Erhalten bleiben die Zumutbarkeitsregeln bei der Arbeitsaufnahme. Leistungsbezieher/innen müssen jeden Job annehmen, auch wenn er weder nach Tarif noch ortsüblich entlohnt wird. So hat Hartz IV einen breiten Niedriglohnsektor geschaffen – Haupteinfallstor für Erwerbsarmut, Familienarmut und spätere Altersarmut. Daher müssen die Zumutbarkeitsregelungen entschärft werden. Der Staat darf Hungerlöhne nicht länger legitimieren, mittels Transferleistungen subventionieren und die entstehenden Folgekosten an die Allgemeinheit abgeben.

Bei einer Pflichtverletzung, die darin bestehen kann, dass man einen Job ablehnt, ein Bewerbungstraining nicht antritt oder eine Weiterbildung abbricht, soll der Regelbedarf nach Ablauf der „Vertrauenszeit“ von einem halben Jahr um 30 Prozent gekürzt werden. Damit fällt das Bürgergeld hinter das geltende Sanktionsmoratorium zurück, welches nur einen 10-prozentigen Abzug von der Regelleistung bei Meldeversäumnissen zulässt.

Quelle         :         TAZ-online          >>>>>         weiterlesen

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Oben      —         This image, originally posted to Flickr, was reviewed on  by the administrator or reviewer File Upload Bot (Magnus Manske), who confirmed that it was available on Flickr under the stated license on that date.

Source Die Linke 

Author stanjourdan from Paris, France

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Unten        —      Dirk Schneider (ds-foto) – Eigenes Werk (own work ) by ds-foto: http://dsfoto.wordpress.com

  • CC BY-SA 3.0
  • File:Prof Dr Christoph Butterwegge.jpg
  • Erstellt: 15. März 2013

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Ukrainekrieg und die SPD

Erstellt von Redaktion am 15. September 2022

Der Eiertanz der SPD um Panzerlieferungen ist absurd

Wenn die SPD wüsste wie ein Panzer funktioniert – hätte sie diesen schon vor der Warburg Bank geparkt !

Eine Kolumne von Sascha Lobo

Ein halbes Herz für die Ukraine: So richtig richtige Panzer will die SPD partout nicht bereitstellen. Was wirklich hinter den irrlichternden Aussagen ihres Spitzenpersonals steckt.

Die Zurückhaltung der Regierung Scholz, was Waffenlieferungen angeht, ist praktisch mit Händen greifbar. Von der Opposition, den osteuropäischen Nachbarn und auch der Ukraine selbst wird sie offen und zunehmend ungehalten kritisiert. Das Panzerzaudern liegt aber vor allem an der SPD.

FDP und Grüne vertreten mit großer Mehrheit und Klarheit eine wesentlich offensivere Position, konkret: deutsche Panzer für die Ukraine. Aber warum bremst die SPD eigentlich? Und wieso und wie verbirgt sie diese Haltung schamhaft hinter immer neuen, unsauber und unrealistisch vorgetragenen Argumenten, die der Kollege Jörg Römer fein säuberlich auseinandergenommen hat ? Natürlich könnte man nach militärischen Gründen suchen, aber es ist inzwischen wahrscheinlicher, dass es sich um ein SPD-internes Problem handelt. Eines, das man sich in einer Art SPD-Psychogramm erschließen kann, also einer Analyse der Seele der Partei anhand der Kommunikation des führenden SPD-Personals zum Thema.

Zuvor möchte ich eine oft erwähnte, theoretisch mögliche Begründung beiseitewischen, nämlich die, dass in der SPD zu viele relevante Leute von Putin profitiert haben und noch profitieren, von Gerhard Schröder über Matthias Platzeck bis Manuela Schwesig. Zwar haben US-Geheimdienste gerade veröffentlicht, dass Putin in den letzten Jahren mit mehr als 300 Millionen Dollar Politiker*innen, Politik und Wahlbeeinflussung in westlichen Ländern gekauft habe . Aber auch wenn die SPD eine umfangreiche Putin-Legacy mit sich herumträgt – die Geld- und Korruptionsthese ist zu simpel, populistisch und wird der SPD auch nicht gerecht. Denn die Partei bremst zwar, aber faktisch hat sie sich in der Ukrainefrage schon enorm bewegt, was man anerkennen muss. Das Zaudern der SPD ist eigentlich nur ein Restzaudern, das deshalb umso unverständlicher erscheint.

Führende Vertreter*innen der SPD sagen, dass Deutschland nicht in einen Krieg hineingezogen werden solle. Das ist natürlich ein legitimes, nein – ein geradezu verpflichtendes Ziel. Es unterstellt aber, dass mehr oder weniger alle anderen Politiker*innen und Länder mit dieser Frage fahrlässig umgingen. Es hat schon etwas von deutscher Überheblichkeit, wenn die SPD am allerallerbesten in Europa Bescheid weiß, wie man eine Eskalation des Kriegs durch Putin verhindert. Ein ähnliches Debattenschauspiel hat die SPD schon zum Thema »schwere Waffen« aufgeführt . Und dann doch geliefert, ohne dass Deutschland in den Krieg hineingezogen worden wäre.

Natürlich ist die SPD nicht monolithisch in diesen Fragen. Ein wehr- und westbindungsaffiner Realpolitiker wie Lars Klingbeil vertritt strukturell andere Positionen und Grenzen  als der gleichzeitige Putinversteher und Putinmissversteher Ralf Stegner. Ganz zu schweigen von der nordstreamenden Putinhupe Gerhard Schröder. Aber am Ende bremst die SPD doch, derzeit eben vor allem in der Panzerfrage. Dabei könnte Scholz mit einer Unterschrift sofort mindestens 16 Marder liefern .

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Verteidigungsministerin Christine Lambrecht sagt: »Noch kein Land hat Schützen- oder Kampfpanzer westlicher Bauart geliefert, und wir haben uns darauf verständigt, auch mit unseren Partnern, dass wir da keine deutschen Alleingänge machen.« Dieser plausibel scheinende Satz ist eine ausgefeilte PR-Konstruktion mit vielen kleinen Teufelchen im Detail. Zum Beispiel die »deutschen Alleingänge« . Was genau ist die Definition von Alleingang? Denn es sind bereits Kampfpanzer geliefert worden, nur eben nicht »westlicher Bauart«. Ist es ein deutscher Alleingang, wenn Polen über 200 Kampfpanzer schon im Juli geliefert hat  und Deutschland keinen? Oder ganz direkt auf einen möglichen Kriegseintrittsgrund bezogen gefragt: Findet es Putin so viel schöner, wenn seine Truppen von russischen Kampfpanzern überrollt werden als von deutschen? Das Argument wird detonieren, wenn etwa die USA doch Panzer liefern sollten, was gut möglich ist – aber die SPD wird mit Sicherheit umgehend neue Gründe finden, diesmal für deutsche Alleingänge, also nicht mitzuziehen.

Gleichzeitig insinuiert Lambrecht, dass man sich »mit unseren Partnern darauf verständigt« habe, keine Panzer zu liefern. Das könnte ein Ausdruck von verstörender Chuzpe sein – schon im Frühjahr wollte Spanien alte, deutsche Leopard-Panzer an die Ukraine liefern und wurde nach Einschätzung von Fachleuten von Deutschland daran gehindert. Aber selbst wenn das in dieser Form nicht korrekt sein sollte, zerfällt die PR-Bedeutung dieses Satzes, wenn man ihn genau liest. Sich darauf verständigen kann nämlich auch heißen: Wir haben das halt mitgeteilt. Nach dem Statement der Verteidigungsministerin sagte das US-Außenministerium  jedenfalls: »Die Entscheidung über die Art der Hilfen liegt letztlich bei jedem Land selbst.« Das ist diplomatisch für: Es gibt eigentlich keine Verständigung über keine Panzerlieferungen.

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Trojaner und Presse ?

Erstellt von Redaktion am 15. September 2022

EU will Presse vor Überwachung schützen

Quelle          :        Netzpolitik ORG.

Von      :       

Die EU-Kommission will den Einsatz von Staatstrojanern und anderen Überwachungsmethoden gegen Journalist-innen stark einschränken. NGOs geht ihr Gesetzesentwurf aber nicht weit genug.

Die EU-Kommission stellt diese Woche ein Gesetz vor, das die Presse in der Europäischen Union vor staatlicher Überwachung und Einflussnahme schützen soll. Ein Kernpunkt dabei ist ein generelles Verbot, Journalist:innen und ihre Angehörigen festzunehmen, zu durchsuchen, zu bestrafen oder zu überwachen, um an ihre Quellen heranzukommen. Ausgenommen seien nur Überwachungsmaßnahmen „im öffentlichen Interesse“. Der Entwurf verbietet ausdrücklich den Einsatz von Staatstrojanern zur Überwachung. Deren Verwendung soll nur aus Gründen der nationalen Sicherheit oder bei der Aufklärung schwerer Straftaten erlaubt bleiben. Jede Maßnahme müsse mit der EU-Grundrechtecharta vereinbar sein.

Die Kommission reagiert mit ihrem Vorschlag für den „European Media Freedom Act“ (Europäisches Medienfreiheitsgesetz) auf wachsende Sorge über die Pressefreiheit in einigen EU-Staaten. In Ungarn, Polen und Griechenland wurden zuletzt Journalist:innen mit dem Staatstrojaners Pegasus gehackt. Als Bedrohung wertet die Kommission aber auch unklare Besitzverhältnisse und die Konzentration von Medieneigentümerschaft in wenige Hände, sowie staatliche Einflussnahme durch Subventionen wie etwa in Österreich. Auch zu diesen Punkten macht die Kommission Vorschläge. Der Entwurf der Kommission wurde vor der offiziellen Vorstellung des Gesetzes vom französischen Medium Contexte geleakt (hier abrufbar).

NGOs äußerten schon im Vorfeld Bedenken, ob die Ideen der Kommission weit genug gehen. Sie zweifeln beispielsweise daran, wie effektiv das vorgeschlagene Überwachungsverbot tatsächlich ist. Denn die ungarische Regierung und polnische Regierung beriefen sich bei der Überwachung von Journalist:innen ausdrücklich auf den Schutz der nationalen Sicherheit. Außerdem dürfe der Schutz vor Überwachung nicht auf bestimmte Technologien wie Trojaner beschränkt sein, kritisiert die Bürgerrechtsorganisation Liberties.eu. „Wir brauchen zukunftssichere Lösungen, um Journalisten vor Lauschangriffen zu schützen und sicherzustellen, dass ihre verschlüsselte Kommunikation vor jeglicher Spähsoftware sicher bleibt.“

EuGH-Klage gegen Trojaner möglich

Die Kommission verweist in ihrem Gesetzesvorschlag darauf, dass Journalist-innen in verschiedenen EU-Staaten nicht immer gleich viel rechtlichen Schutz vor staatlicher Überwachung genießen. Das Gesetz soll dies ändern und das Reaktionsgeheimnis erstmals einheitlich unter den Schutz von EU-Recht stellen. Vom Staat bespitzelten Journalist-innen müsse die Möglichkeit zur Beschwerde bei einer unabhängigen nationalen Stelle gegeben werden. Diese muss binnen drei Monaten entscheiden, ob die Überwachungsmaßnahme gerechtfertigt gewesen sei. Im Streitfall können die Betroffenen bis vor den Europäischen Gerichtshof ziehen – ein Rechtsweg, der bislang bei solchen Verstößen gegen die Pressefreiheit nicht möglich war.

Umstritten ist auch der Vorschlag der Kommission, dass Plattformen wie YouTube und Facebook für Nachrichtenmedien privilegierte Beschwerdewege gegen das Löschen oder Sperren ihrer Inhalte schaffen müssen. Demnach sollen Einsprüche von Medien gegen Löschentscheidungen bevorzugt gegenüber anderen solchen Beschwerden behandelt werden. Wenn ein Medium mit seinen Inhalten regelmäßig den Zugang zu einer großen Plattform verliere, müsse diese in einen Dialog über eine „freundschaftliche Lösung“ des Problems eintreten, heißt es im Entwurf der Kommission. Dieses Medienprivileg könnte jedoch unfreiwillig die Propaganda autoritärer Staaten wie Russland unterstützten, kritisiert Liberties.eu. Ein ähnlicher Vorschlag für ein Privileg für Presseverlage im kürzlich beschlossenen Digitale-Dienste-Gesetz wurde von einer Mehrheit im EU-Parlament zurückgewiesen.

Einen Transparenzvorsprung bringen könnte das Medienfreiheitsgesetz bei öffentlichen Inseraten. In Ländern wie Österreich verteilt die öffentliche Hand jährlich Millionenbeträge an Medien für Werbeschaltungen, deren Wirksamkeit zumindest fragwürdig ist. Die Inseratenaffäre um Sebastian Kurz verdeutlichte das Korruptionspotential solcher versteckten Subventionen an die Presse – denn allzu leicht kann Werbegeld an politisch gewogene Berichterstattung geknüpft sein. Der Gesetzesvorschlag der EU-Kommission sieht nun vor, dass mit öffentlichen Mitteln finanzierte Werbeschaltungen nach objektiven, tranparenten Kriterien verteilt werden müssen. Auch müsste die Mittelausgabe an Medien vollständig offengelegt werden.

Großer Schritt zu einheitlichem EU-Medienrecht

Kritik gibt es unterdessen an den Vorschlägen der Kommission beim Thema Medienpluralismus. Expert:innen hatten von der Kommission gefordert, gegen Tendenzen wie jenen in Staaten wie Ungarn entgegenwirken. Dort haben regierungsnahe Geschäftsleute die meisten privaten Zeitungen, Radios und Nachrichtenseiten aufgekauft – geschrieben und gesendet werden darf in diesen nur, was Regierungslinie ist. Doch der Gesetzesentwurf der Kommission enthält dagegen keine bindenden Maßnahmen. Stattdessen schlägt sie lediglich vor, dass die Medienkonzentration regelmäßig von eine unabhängigen Behörde erhoben werden muss – ohne Konsequenzen, wenn das Ergebnis problematisch ausfällt.

Ein Grund für die Zurückhaltung der Kommission dürfte sein, dass jeder Eingriff in die nationalen Medienlandschaften wohl massiven Widerstand der Mitgliedsstaaten im Rat auslösen dürfte, der dem Gesetz zustimmen muss. Denn die EU betreibt bislang kaum Medienregulierung, der vorliegende Entwurf ist ein erster großer Schritt hin zu einem einheitlichen EU-Medienrecht. Entsprechend verhalten äußerten sich einige Pressefreiheitsorganisationen. Die positiven Seiten des Entwurfs – etwa dass er erstmals überhaupt einen Mindeststandard für den Schutz von Journalist:innen gegen Überwachung schafft – sollten nicht vom Start weg von berechtigter Kritik an seinen Schwächen überschattet werden, heißt es hinter vorgehaltener Hand. Für das Medienfreiheitsgesetz dürften nun langwierige Verhandlungen im Rat und im EU-Parlament anstehen. Wann das Gesetz tatsächlich beschlossen werden kann, traut sich in Brüssel niemand vorherzusagen.

Korrektur vom 13. September 2022: Im ersten Satz wurde nachträglich das Wort „heute“ durch „diese Woche“ ersetzt. Die Vorstellung des Gesetzes, die ursprünglich für Dienstag erwartet wurde, wurde von der Kommission für Freitag angesetzt.

Lizenz: Die von uns verfassten Inhalte stehen, soweit nicht anders vermerkt, unter der Lizenz Creative Commons BY-NC-SA 4.0.

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Oben     —     Videoüberwachung (Großbritannien)

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Das Wissen vermitteln

Erstellt von Redaktion am 15. September 2022

„Nicht jeder mit Professorentitel ist eine verlässliche Quelle“

INTERVIEW von CLARA ENGELIN mit Mai Thi Nguyen-Kim

Die promovierte Chemikerin Mai Thi Nguyen-Kim erklärt naturwissenschaftliche Themen für Laien in kurzen Videos. Im Interview erläutert sie, was ein Unkrautargument ist und warum sie sich Wissenschaftsvermittlung als Zwiebel vorstellt.

taz: Mai Thi Nguyen-Kim, 2016 haben Sie auf Youtube Ihr erstes Video „Was passiert, wenn Astronauten rülpsen“ veröffentlicht. Seitdem ist viel passiert. Ihr Kanal „maiLab“ ist eine Marke geworden, Ihr Video „Corona geht gerade erst los“ hat über sechs Millionen Aufrufe und war 2020 das erfolgreichste deutsche Youtube-Video. Wie schaffen Sie es, wissenschaftliche Erkenntnisse einer breiten Masse schmackhaft zu machen?

Mai Thi Nguyen-Kim: Mir geht’s immer darum, den methodischen Weg zu einer wissenschaftlichen Erkenntnis für alle Menschen nachvollziehbar zu machen. Nicht nur die Frage „Was weißt du?“ zu beantworten, sondern „Woher weißt du das?“ Wenn man einfach nur einen Fakt hinwirft, gibt es garantiert einen anderen Fakt aus dem Netz oder dem Fernsehen, der dem widerspricht. Aus Laiensicht steht dann Aussage gegen Aussage. Wissenschaftliche Methodik zu erklären, macht meine Beiträge zwar etwas länger, aber ich sehe das als eine Art Selbstermächtigung für Laien. So können sie sich ihre eigenen Gedanken machen und wandeln nicht völlig orientierungslos in diesem Informationschaos herum.

Haben Sie ein Beispiel?

Wissen wie: Bei einer Impfstoff-Studie brauche ich eine Kontrollgruppe – wenn es die nicht gibt, sagt die Studie nicht viel aus. Wenn ja, schon. Oder Antidepressiva: Klassischerweise wäre das Studiendesign, mit dem du einen Wirkstoff oder ein Medikament testest, eine kontrollierte Studie. Eine Gruppe bekommt es, eine nicht. Aber Antidepressiva kommen ja nur zum Einsatz, wenn Menschen eine schwere Depression haben. Aus ethischer Sicht wäre es nicht vertretbar, schwer depressive Personen für eine Studie eine längere Zeit nicht zu behandeln. Deswegen fehlen uns solche kontrollierten Langzeitstudien und damit fehlen uns auch solide Erkenntnisse. Das kann jeder Laie nachvollziehen! Solche wissenschaftlichen Abläufe sollten Allgemeinbildung werden. Dann würden die Menschen vielleicht weniger denken, Wissenschaft hätte immer die eine richtige Antwort parat. Und genauso wenig im anderen Extrem: Wissenschaft könne nie eine klare Aussage treffen. Beide Extreme stimmen natürlich nicht.

Aber wie bringt man solche Erkenntnisse unter die Leute? Man kann ja nicht erwarten, dass nun jeder anfängt, wissenschaftliche Papers zu lesen.

Eine der großen Herausforderungen in der Wissenschaftsvermittlung besteht ja im Kompromiss zwischen Korrektheit und Verständlichkeit. Oft heißt es: Um verständlich zu sein, muss ich verkürzen und im Zweifel weniger korrekt sein. Und andersrum: Je korrekter und genauer ich werde, desto weniger Leute verstehen mich. Das würde dem Bild einer Waage entsprechend, irgendwie frustrierend. Ich verstehe Wissenschaftsvermittlung lieber als eine Zwiebel.

Eine Zwiebel?

Ja, das ist viel motivierender. Die äußerste Schicht wären Videos auf Instagram oder Tiktok: eine Minute Zeit, ein Bild, sehr oberflächlich, aber breit zugänglich. Im Innersten der Zwiebel ist die originale, wissenschaftliche Veröffentlichung, the real thing sozusagen, aber nur ganz wenigen Leuten zugänglich. Jede Schicht der Zwiebel hat ihre Berechtigung und medial sollte alles vertreten sein. Da ich von Haus aus Wissenschaftlerin bin, ist es mein Ziel, Leute möglichst tief in die Zwiebel hineinzuziehen. Aber natürlich kann ich nicht erwarten, dass jemand sich gleich mühsam zum Kern durchbohrt. Die oberflächlichere Vermittlung ist absolut essenziell, um Menschen überhaupt erst mal zu erreichen und erstes Interesse zu wecken.

Im Intro Ihres Buchs „Die kleinste gemeinsame Wirklichkeit“ schreiben Sie, Ihrem Vater – wie Sie Chemiker – sei nicht ganz begreiflich gewesen, wie „über Wissenschaft Reden“ ein echter Beruf sein soll. Er war besorgt.

Mein Vater ist ein Old-School-Chemiker. Er hat das Fach studiert und arbeitete ganz klassisch als Chemiker. Meine Eltern sind in einer Zeit aufgewachsen, in der es das Internet noch nicht gab.

Sieht er das heute anders?

Absolut! Heute ist meine Mama wahrscheinlich mein größter Fan. Es ist fast schon obsessiv, sodass ich sage, ihr könnt euch ruhig auch etwas weniger mit mir auseinandersetzen (lacht). Aber es ist auch ganz süß. Ab und zu hat mein Papa jetzt Diskussionsbedarf. Politik war bei uns eigentlich nie Thema. Durch meine Arbeit sprechen wir nun auch über Wissenschaft, wo sie politisch relevant ist. Das ist ganz cool.

Sie sind zwar promovierte Chemikerin, arbeiten nun aber schon seit Jahren als Journalistin und Moderatorin. Um jetzt mal Klischees zu bedienen: Journalistinnen sind ex­trovertierte Charismatiker mit Geltungsdrang. Wissenschaftlerinnen hingegen gelten eher als zurückgezogene Nerds. Welcher Gruppe fühlen Sie sich zugehöriger?

Ach, im Herzen bin ich schon Wissenschaftlerin. Es ist ganz witzig, wenn man im Alltag andere Wissenschaftler trifft, dann gibt es so was wie eine „Instant Nerd Connection“. Ob man jetzt Bio oder Physik macht, man teilt eine Sicht auf die Welt. Von Claus Kleber wurde ich mal als „Anwältin für Fakten und Vernunft“ bezeichnet, das fand ich schön. Ich versuche, all die Leute zu vertreten, die die wichtige Arbeit in den Laboren machen, aber in den öffentlichen Diskussionen normalerweise unterrepräsentiert sind. Sodass Fakten und wissenschaftlicher Konsens Gehör finden. Deshalb fühle ich mich sehr wohl in dieser komischen Position zwischen Wissenschaft und Medien.

Sie plädieren auch für mehr Wis­sen­schafts­jour­na­lis­t:in­nen in politischen Redaktionen.

Ja, überhaupt in großen Redaktionen. Das Problem ist, in politischen Formaten werden immer wieder Fachleute aus der Wissenschaft hinzugezogen als diejenigen, die mit Autorität etwas erklären, was nicht zur Debatte gestellt wird. Die Journalisten, die sie interviewen, sind selten gut genug vorbereitet, um sie kritisch hinterfragen zu können. Als Wissenschaftsjournalistin muss ich aber wissenschaftliche Erkenntnisse nicht nur übersetzen, sondern auch einordnen. Nicht jeder mit einem Professorentitel ist automatisch eine verlässliche Quelle. Und natürlich gibt es auch unter Wissenschaftlern Interessenskonflikte oder andere Motive. Mir könnte man auch vorwerfen, ich will einfach nur mein Buch verkaufen. Diese Expertise zum Einordnen fehlt sehr oft in den Redaktionen, und so kommen Experten zu Wort, bei denen zu Hause vorm Fernseher alle Wissenschaftler kollektiv die Hände vorm Gesicht zusammenschlagen, wenn einfach alles stehen gelassen wird, was die sagen.

Sie sprechen manchmal von „Unkrautargumenten“. Was ist das?

Quelle        :          TAZ-online        >>>>>       weiterlesen

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Grafikquellen          :

Oben     — Chemikerin, YouTuberin und TV Moderatorin für die Reihe Terra X

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Ein Kommentar

Erstellt von Redaktion am 14. September 2022

Oh, ich bin plötzlich rechter Flügel …

Quelle:    Scharf  —  Links

Von Udo Hase

Die „Junge Welt“ vom 9. September bewertete (natürlich unwissentlich) meine politische Einstellung so, dass ich überraschender Weise zu einem vermeintlichen Anhänger eines „rechten Flügels“ in der Partei der LINKEN sortiert wurde.

Unter dem Untertitel „Die Linke: Kesseltreiben nach Wagenknecht-Rede. Rechter Flügel verteidigt Sanktionspolitik und kann keinen Wirtschaftskrieg erkennen“ teilte Nico Popp die (Partei-) Welt in zwei Hälften. Das ist schon eine reduktionistische Leistung, lassen nach meiner Einschätzung die Anzahl der Flügelchen in der LINKEN inzwischen jede Libelle vor Neid erblassen.

Die Tonlage der Poppschen Weltenteilung erinnert mich an eine scherzhafte Beschreibung der „Linie der Partei“ aus alten, stalinistisch geprägten Tagen. Wer konsequent internationalistisch und wertorientiert – humanistisch argumentierte, war entweder „rechts“ oder „links“ daneben. Was jeweils der Fall war und wo die Parteilinie dieses Mal zu suchen sei, konnte man in der Prawda, dem Neuen Deutschland und in der BRD in der UZ nachlesen. Da hat die jW jetzt endlich zu dieser schönen Tradition zurückgefunden. Die Rede von Sarah Wagenknecht war ein Meisterstück der politischen Verdummdeuvelung (Plattdeutsch für „böswilliges in die Irre führen“) und weil das gut zu den überkommenen Traditionen einiger „traditioneller Antiimperialisten“ zu passen scheint, stimmen diese mehr oder weniger begeistert zu. Vielleicht noch ein bisschen erschrocken ob der neuen Liaison mit den knallharten Nationallinken und ihrer gewohnten Sprecherin.

Dabei wird, in der überraschend großen Freude über das Wiedererstarken alter und geliebter Überzeugungsplattitüden, jede aktuelle Bezugnahme auf Fakten mutig ausgeblendet.

Man ist sich im Einmal Eins der Imperialismus – Analyse einig:

Das deutsche Kapital und seine politischen Herrschaftsfiguren haben andere Interessen als das russische Kapital und seine Herrschaftsfiguren. Das ukrainische Kapital ist nicht so gerne im Machtbereich des russischen Kapitals. Das findet das amerikanische Kapital prima und unterstützt, gemeinsam mit den kapitalistischen Machtinhabern eines „westlichen Bündnisses“ die Ukrainer. Damit sind die Ukrainer astrein zugeordnet. Zwar verurteilen wir den Angriff der russischen Regierung auf ein Nachbarland (zwischendurch höre ich auch immer wieder Stimmen, die bezweifeln, dass die Ukraine überhaupt ein Land sein darf) und je nach Laune sogar „aufs Entschiedenste“, was in diesem Fall bedeutet, wir entscheiden auf jeden Fall gegen den Krieg zu sein. So weit ist alles im Lot. Jetzt ginge es nur noch darum, zu erklären, wie „gegen den Krieg sein“ denn aussehen könnte.

Selbst mit unreflektierten antiimperialistischen Vorstellungen aus dem vorigen Jahrtausend ist die Situation ausreichend verständlich. Versuchen wir, bezogen auf antiimperialistische Gewohnheiten, „beschädigungsfrei“ aus der Nummer rauszukommen:

Russland wird der Einfachheit halber in die Tradition der Sowjetunion gesetzt und ein vormaliger Systemkonflikt nolens volens zur Blaupause für die Analyse eines astreinen imperialistischen Raubkrieges, der seine materiellen Wurzeln in Ressourcenkontrollbedürfnissen und nicht im historischen Müllhaufen einer imperialistischen Politik von vor 30 Jahren hat. Wer hat jetzt den Weg des offenen Krieges durch Angriff gewählt? Oh, Russland. Was machen wir da nur? Bis jetzt hat die tradierte Wohlfühlanalyse doch auch gepasst. OK, wir sagen vor jedem Statement, dass es sich um einen nicht zu rechtfertigenden Angriffskrieg handelt.
Dann folgt: Wir machen die ukrainische Regierung und die USA, ersatz- oder ergänzungsweise auch die deutsche Außenministerin dafür verantwortlich, wenn es Tote im Zehntausenderbereich gibt. Die Ukrainer hätten schließlich aufgeben können. Wir stellen fest, dass der Imperialismus des „Westens“ schon immer böse war (da schließe ich mich an!) und schließen daraus, dass der Imperialismus des russischen Kapitals angesichts eines brutalen militärischen Überfalls … (jetzt wird’s unangenehm, also sofort mit Denken aufhören!). Anstelle eines weiteren Nachdenkens tritt hier ein gut eingespieltes Ensemble auf die Bühne:

  • Waffen liefern geht gar nicht – weil, die werden ja von Rheinmetall und Konsorten gebaut. Also keine Waffen.
  • Sanktionen gegen Russland treffen die „breite Bevölkerung“ (das muss ein traditioneller Friedenskämpfer nicht belegen, dass ist sozusagen gefühlte, vor allem aber absolute Urwahrheit ????) – also auch nicht.

Was raten wir also den ukrainischen Menschen, die sich nicht gerne von russischen Raketen die Welt erklären lassen?  Nichts! Gar Nichts!

Wir schwafeln von den Möglichkeiten zivilen Widerstandes (haben sie versucht, hunderte ukrainischer Zivilisten haben sich unbewaffnet vor die Panzer gestellt, hat nicht geholfen, wie man hätte wissen können, weil es noch nie geholfen hat), rufen zu Allah oder in den unbelebten, gottfreien Äther, „man“ möge doch bitte Verhandlungen aufnehmen, stellen zwischendurch korrekt fest, dass das westliche Kapital gerne bis zur letzten Ukrainerin kämpfen lassen möchte (demonstrieren u. A. deswegen auch ein bisschen vor der Zentrale der Grünen) und – bleiben fest im Glauben an die Deutungsmuster von vor 30 – 80 Jahren. Vor der russischen Botschaft demonstrieren wir nicht (passt nicht zu den Wohlfühl – Glaubenssätzen) Oder warum eigentlich nicht? Weil da auch die Westimperialisten demonstrieren? Oh, und ich dachte, das sei kein Argument (siehe Pellmanns Montagsdemo).

Um das klarzustellen: Es ist nicht so, als würden wir hier grade eine Patentlösung übersehen. Es ist wirklich schwierig!

Was hier passiert ist, dass vermeintliche Patentlösungen repliziert werden, die erstens noch nie so „patent“ waren und zweitens auf Realitätsmissachtung beruhen. Statt zu glauben, was wir sehen, sehen wir, was wir gerne glauben möchten.

Das eignet sich wunderbar für einen Frontalangriff der linken Nationalisten.

Nun spricht Frau Wagenknecht im Bundestag zur Energiepolitik. Hauptaussagen:

  • „Der Krieg ist nicht zu rechtfertigen“ (sauber nach Drehbuch!).
  • „Deutschland hat die dümmste Regierung der Welt, weil sie einen Wirtschaftskrieg mit Russland begonnen hat und zerstört die deutsche Wirtschaft“ (Verwirrung jetzt genehmigt)

Und nun stellt die jW (also wohl eher Nico Popp) fest: Wer das kritisiert, ist an einer Kampagne des rechten Flügels beteiligt. So einfach kann politische Analyse sein (Ironie off).

Insgesamt ist mir eine gewisse Ähnlichkeit im Argumentationsmuster aufgefallen: Frau Wagenknecht polemisierte unter Bezugnahme auf rechtsradikale Parolen („wer Gastrecht missbraucht, hat Gastrecht verwirkt“) seit Jahren gegen die Aufnahme von Geflüchteten. Zum „Trost“ gab´s die „Begründung“, den Menschen sei in ihrem Land doch weitaus günstiger (im Sinne von: „kostet uns nicht so viel“) zu helfen, als im teuren Deutschland. Zu dieser These gab es dann niemals auch nur einen konkreten Vorschlag, wie dass denn wohl umzusetzen sei, z.B. im Bürgerkriegsland Syrien, oder gar in Afghanistan. LINKE für die deutsche Arbeiterklasse – andere Klassengenoss:innen mögen ertrinken – hoch die nationale Arbeiterklasse. Linksnationalismus „as it´s best“.

Diese seltsame Abwesenheit von Forderungen zu praktischen humanitären Katastrophen ist ein typisches Dilemma linksnationalistischer Ideologie, dort dürfen „die Anderen“ gerne sterben, aber man redet nicht gerne darüber. Im Falle der Forderung nach „Verhandlungen“ der Kriegsparteien wiederholt sich das schmerzhaft. Der russische Außenminister erzählt dazu jede Woche das Gegenteil von der Woche davor, die russ. Regierung hat bis heute (außer propagandistischem Geblubber / „Ukraine von Nazis befreien …“ etc.) nicht gesagt, was das territoriale Kriegsziel sein soll. Ohne diese „Auskunft“ kann nicht verhandelt werden, da niemand weiß worüber.

Also doch vor der russischen Botschaft demonstrieren, damit klar wird, wodurch Verhandlungen unmöglich sind? Auf keinen Fall, sagt nun der geübte“ Antiimp“, wir bleiben lieber bei „NATO raus aus der Ukraine“ (das war ein Demoschild von LINKEN auf der Pellmannschen „Montagsdemo“) und „stoppt den Krieg“, damit wir keinen eigenen Glaubenssatz verletzen.

Leute: Das ist eine Fliegenfalle linksnationalistischer Argumentationsmuster.

Zu imperialistischen Kriegen gibt es keine realistische Position ohne das gefühlte „Linke – Gewissheiten“ berührt werden. Dieser Satz ist den „gewissheitsverliebten“ Linken offenbar zu viel. Die russische Regierung verbietet ihrer Bevölkerung per Gesetz einen Angriffskrieg „Krieg“ zu nennen. Das wird mit über 10 Jahren Gefängnis bestraft. Begriffe zu verbieten, ordne ich hier mal unter „faschistische Methodik“ ein, dass ist aber nur eines von vielen Beispielen.

Wenn nun die westliche imperialistische Propaganda aus solchen „Kleinigkeiten“ wie der offenen Aggression und der Anwendung diverser faschistoider Methoden durch die russische Regierung „erfolgreich“ nutzen zieht, liegt das an … (bitte hier, je nach Geschmack „Nato – Imperialisten“ oder „russischer Regierung“ einsetzen).

Ach, so zum Schluss: Ich will mit den Deutungen von Frau Wagenknecht nichts zu tun haben!

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Grafikquellen      :

Oben       —      Rechte Tasche – linke Tasche – übrig blieb die leere Flasche /  Screenshot  YOUTUBE

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Unten        —   Mann an der Führleine

Wikipedia – Author Leemclaughlin
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Das sind im übrigen Schauspieler welche sich dort präsentieren.

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Was kostet Kapitalismus ?

Erstellt von Redaktion am 13. September 2022

Wer kann sich den Kapitalismus überhaupt noch leisten?

Quelle:    Scharf  —  Links

Von  :   Suitbert Cechura

Glaubt man den offiziellen Ansagen, dann können große Teile der Gesellschaft ihren Lebensunterhalt angesichts der Inflation nicht mehr bestreiten, sind also auf staatliche Nothilfe angewiesen.

Kapitalismus heißt hierzulande Marktwirtschaft, gern auch mit dem Zusatz „sozial“, die nach Angabe ihrer Vertreter und Verteidiger für die bestmögliche Versorgung der Menschen mit den benötigten Gütern steht. Zurzeit zeugt diese Wirtschaftsweise allerdings von einer recht mangelhaften Versorgung großer Teile der Bevölkerung, da die lebensnotwendigen Dinge für viele unbezahlbar geworden sind – und es weiterhin noch werden sollen.

Das liegt nicht daran, dass es diese Güter nicht geben würde. Statistiken der Ökonomen zeigen, dass der Reichtum im Lande immer noch – wenn auch nicht mehr sehr stark – wächst, während die Beschäftigtenzahlen Rekordhöhen aufweisen. Und dennoch können viele, die diesen Reichtum mit erarbeitet haben, sich alles Mögliche nicht leisten und sind auf Unterstützung angewiesen.

Da könnten doch bei so manchem Zweifel aufkommen bezüglich der Qualität dieser Wirtschaftsweise, die als alternativlos gilt, obwohl es Alternativen gibt. Sogar der staatstreue Ökoprotest wartet ja seit einiger Zeit mit der – wissenschaftlich beglaubigten – Erkenntnis auf, dass die Menschheit ohne „system change“ auf den Abgrund zutreibt…

Der alternativlose Kapitalismus

Alternativlos ist der Kapitalismus für viele Bürger im Lande in einem ganz praktischen Sinne: Sie stehen vor der Situation, dass alles Geschäftsmittel, also Eigentum von Händlern und Produzenten, ist und sie damit von dem, was sie zum Leben brauchen, ausgeschlossen sind. Die einzige Alternative, die sie haben, besteht darin, sich selber als Arbeitskraft zu verdingen, um an das Geld zu kommen, das sie zur Bestreitung ihres Lebensunterhaltes brauchen.

Ums Geld dreht sich eben alles in dieser wunderbaren Wirtschaftsweise. Alle „müssen es wollen – mit verheerenden Folgen für die Mehrheit“, wie es jüngst in einer Artikelreihe bei Telepolis hieß (https://www.heise.de/tp/features/Inflation-trifft-vor-allem-Geringverdiener-7244536.html).

Die Zwangslage vermögensloser Menschen wird von den meisten gar nicht als solche wahrgenommen, gilt sie doch selbstverständlich als die Normalität – und nicht als Armut. Abhängig sind Menschen in dieser Lage von Arbeitgebern, die ihre Arbeitskraft nutzen wollen, weil sie durch deren Anwendung ihren Reichtum mehren können. Diese Abhängigkeit kommt durchaus einem Gewaltakt gleich, wie jüngst ein Sozialmediziner festhielt:

„Mahatma Gandhi hat einmal gesagt: ´Armut ist die schlimmste Form von Gewalt`. Wir haben das Geld, wir sind ein reiches Land.“ (Gerhard Trabert, SZ, 29.8.22)

Mit dem „Wir“ unterstellt der Experte allerdings eine Gemeinsamkeit in dieser Gesellschaft, die es nicht gibt – schließlich redet er von der existierenden Armut. Wenn sie in einem reichen Land zuhause ist, muss sie sich für jemandem lohnen. Dies ist ja auch die Bedingung, unter der der Einsatz von Arbeitskräften stattfindet.

Der Lohn der Beschäftigten stellt für Arbeitgeber eine Kost dar, die den Gewinn und die Freiheit der Kalkulation mit den Preisen beschränkt. Deshalb orientieren sich die Löhne und Gehälter nicht an dem, was die so Beschäftigten zum Leben brauchen, sondern am Geschäftserfolg. Daher bedarf es auf Seiten der für Lohn Arbeitenden immer einiger Einteilungskünste, um mit dem Geld über die Runden zu kommen. Wenn jetzt staatlicherseits über die Notwendigkeit debattiert wird, Entlastungspakete für Beschäftigte, Rentner, Arbeitslosengeldbezieher, Auszubildende und Familien zu schnüren, dann ist dies die amtliche Bestätigung, dass das Resultat von Lohnarbeit ebenfalls Armut ist.

Die Mehrzahl der Bürger befindet sich in der Marktwirtschaft jedoch in einer doppelten Rolle, als Arbeitnehmer müssen sie billig sein, als König Kunde sollen sie durch Kauf den Produzenten und Händlern dazu verhelfen, das in die Waren investierte Geld mit Gewinn wieder in ihre Kassen fließen zu lassen. Schließlich gehört der von den Arbeitnehmern produzierte Reichtum nicht ihnen selbst, sondern ihren Anwendern, und um an Teile dieses Reichtums zu gelangen, müssen sie die Produkte kaufen.

In dieser Rolle erweisen sie sich oft genug als Versager, da sich ihre beschränkte Zahlungsfähigkeit immer wieder als Schranke geltend macht, wenn es darum geht, den Ansprüchen der Wirtschaft in Form hoher Preise zu genügen. Und so kommt es zu Stockungen im Gang des Geschäfts. Dann droht nicht nur ein bisschen Rezession, sondern dann kommt es unter Umständen zu einer regelrechten Krise des Kapitalismus.

Dass regelmäßige Krisen zum Gang des marktwirtschaftlichen Geschäfts gehören, ist gewusst und drückt sich in der Besprechung des Konjunkturverlaufs als Abfolge von Aufschwung, Boom, Abschwung, Rezession und Krise aus. Dennoch sollen die Krisen immer einer besonderen Situation geschuldet sein. Mal war es der Ölpreis, dann die Spekulation auf die Techno-Konzerne – die dot.com-Blase – oder die nicht zurückgezahlten Hypotheken der kleinen Häusle-Besitzer, die die Finanzkrise hervorgerufen haben sollen; dem folgte Corona – und jetzt ist Putin an allem schuld, obgleich es sich um eine Krise handelt, die sich, wie viele vor ihr in der Geschichte des Kapitalismus, als folgerichtige Etappe im Konjunkturverlauf abzeichnet.

Schließlich ist Gas nicht einfach knapp, sondern teuer, ebenso Strom, Lebensmittel und Mieten. Konsumgüter der gehobenen Sorte bleiben in den Regalen, weil die ins Auge gefassten Käufer sie sich nicht leisten können. Produkte finden zunehmend keine Abnahme und der Markt stockt, weil die gesammelte Kaufkraft zu gering ist – und gleichzeitig zu viel da ist.

Es gibt auf der einen Seite zu viel Geld, das keine lohnende Anwendung findet, und auf der anderen Seite massenhaft Menschen, die sich vieles nicht leisten können. Da gibt es Fabriken, die viele nützliche Dinge herstellen könnten, aber weil sich die Produktion nicht lohnt, stillgelegt werden. Da gibt es viele Menschen, die arbeiten wollen und müssen, aber entlassen werden, weil sie nicht lohnend eingesetzt werden können.

All dies wird nicht bestritten, sondern offiziell angekündigt, wenn von einer drohenden Rezession die Rede ist, die sich dann in den nächsten Monaten verschärfen soll:

„Die deutsche Wirtschaft wächst im zweiten Quartal dieses Jahres überraschend um 0,1 Prozent. Es könnte jedoch die letzte positive Nachricht vor Beginn einer längeren Talfahrt gewesen sein.“ (SZ, 26.8.22)

Obgleich dies alles bekannt und nicht neu ist, halten sich dennoch die immer gleichen Ideologien über die Wirkungsweisen des Marktes und seine positiven Seiten.

Und seine Ideologien

Damit der Markt seine segensreichen Wirkungen für die Menschen entfalten kann, brauchen die Güter nach dieser Vorstellung Preise, die dafür sorgen sollen, dass sie dorthin gelangen, wo sie am dringendsten gebraucht werden. Demnach werden die Güter immer am dringendsten von denen gebraucht, die über Geld verfügen und sich den Kauf leisten können. Menschen mit kleinem Einkommen oder ohne eigene Mittel haben nach dieser Logik offenbar keine Bedürfnisse – oder haben eben keine Bedürfnisse zu haben.

Wer sich das Heizen nicht leisten kann, kann ja auch einen Pullover anziehen, so die Logik. Man muss eben seine Bedürfnisse dem Geldbeutel anpassen und nicht umgekehrt (was jetzt, in Zeiten einer Energiekrise, auch noch als nationaler Dienst verbrämt wird).

Hohe Preise, wie sie zurzeit allenthalben beklagt werden, wie auch niedrige Preise sollen nicht einfach ein Mittel sein, Marktanteile zu erobern und seinen Gewinn zu realisieren, sondern Anreizcharakter haben, also ganz unabhängig von den Akteuren den Markt steuern. Sind die Preise hoch, werden mehr Güter hergestellt und verbilligen die Ware, sind sie billig und nicht so profitabel, wird weniger hergestellt. Aus Sicht der Ökonomen ist der Preis einerseits das Ergebnis der Marktsituation und andrerseits sein Steuerungsmechanismus. Deshalb ist eigentlich jeder Preis angemessen und damit leben wir immer in der besten aller Welten.

Für diejenigen, die nicht zu den Produzenten oder Händlern gehören bilden die Preise jetzt einen Anreiz, Energie zu sparen und sich einzuschränken. Kalt duschen soll ja erfrischend sein und soll auch noch der Umwelt dienen!

Wenn die hohen Preise oder die Inflation beklagt werden, wird meist unterstellt, dass man hier so etwas wie einen selbsttätigen Marktmechanismus vor sich hat, der sich irgendwie von selbst ergibt. So fallen die Erklärungen für die Inflation in der Regel sehr dürftig bzw. zirkulär aus:

„Die Inflation in der Euro-Zone hat sich im August auf dem hohen Niveau weiter beschleunigt und einen Rekordwert erreicht. Gegenüber dem Vorjahresmonat erhöhten sich die Verbraucherpreise um 9,1 Prozent… Getrieben wurde die Teuerung erneut durch den starken Anstieg der Energiepreise. Der Preisauftrieb bei Lebens-und Genussmitteln beschleunigte sich.“ (SZ, 1.9.22)

Interessant: Die Inflation gibt es, weil die Preise für Energie, Mieten und Lebensmittel gestiegen sind. Mit anderen Worten, die Preise steigen, weil sie steigen. Und das gilt hierzulande als ökonomischer Sachverstand! Dabei fallen Preise nicht vom Himmel, sondern werden von Menschen gemacht (https://www.heise.de/tp/features/Inflation-Krieg-Spekulation-6667414.html). Gelegentlich tauchen in den Meldungen dann auch die zuständigen Akteure als Institutionen auf, wenn von Gas-, Strom- oder Nahrungsmittelbörsen die Rede ist:

„Das zeichnet sich an den Terminbörsen ab: Stromkontrakte zur Lieferung im kommenden Januar waren in dieser Woche doppelt so teuer wie noch im Juli und um ein Vielfaches teurer wie im langjährigen Durchschnitt.“ (WAZ, 26.8.22)

An den Börsen handeln Investoren, die sich in großem Umfang die Verfügung über Gas, Öl, Strom oder Schweinbäuche und Getreide sichern, mit viel Geld in der Erwartung, diese Güter in Zukunft mit Gewinn veräußern zu können. Dazu brauchen sie weder Lagerhäuser, Schiffe oder Tanksäulen. Mit dem Kauf sichern sie sich das Zugriffsrecht auf diese Güter, die zum Zeitpunkt des Handels noch nicht einmal produziert sein müssen.

Solche Akteure schließen damit alle anderen von der Verfügung über diese Güter aus und können daher anderen die Preise diktieren. Von der Spekulation an den Börsen ist der Gang des Geschäftes der gesamten Gesellschaft abhängig gemacht.

Der freie Markt und sein Staat

Vor allem liberale Politiker betonen immer wieder, wie wichtig das freie Wirken des Marktes ist und wie sehr staatliche Eingriffe in dieses sensible Gebilde stören. Dabei macht die Diskussion um die Energiepreise gerade deutlich, dass es diesen Markt ohne Staat gar nicht gäbe. Schließlich wurde der Strommarkt durch Beschlüsse der früheren schwarz-gelben Regierung unter Wirtschaftsminister Rexrodt liberalisiert und damit zu einer Geschäftssphäre gemacht, die vorher von halbstaatlichen Monopolisten bestimmt wurde. Nun wird die Neuordnung des Strommarktes gefordert:

„Ursula von der Leyen ist am Montag und Dienstag viel herumgereist – und bei ihren Auftritten verbreitet die Kommissionspräsidentin die Botschaft, dass Brüssel bald etwas gegen die hohen Strompreise tun werde… Daneben müsse die Europäische Union `eine tiefgreifende, strukturelle Reform des Strommarktes machen.`“ (SZ, 31.8.22)

Welche Maßstäbe dort gelten, ist Gegenstand öffentlicher Debatten: „Der Anstieg der Stromnotierungen liegt daran, dass sich an Europas Energiebörsen der Preis an den Kosten des teuersten Kraftwerks orientiert, das zur Deckung der Nachfrage benötigt wird… Zugleich beschert dieser Börsenpreis günstigen Öko-, Atom- und Kohlestromanbietern riesige Gewinne.“ (SZ, 31.8.22)

Dort setzt dann die Diskussion um die „Übergewinnsteuer“ an. Ganz so, als ob diese Gewinne nicht das Ergebnis staatlichen Handels wären, sondern ein Resultat des Marktes, auf das der Staat jetzt reagieren müsse.

Zu den Vorstellungen über den Kapitalismus gehört auch die Ideologie, dass der Gewinn das Ergebnis unternehmerischen Risikos sei. Unternehmen riskieren ihr Geld und werden bei Erfolg belohnt, so der Gedanke. Bei Misserfolg droht ihnen der Untergang. Das mag zwar auf den Bäcker an der Ecke zutreffen, nicht jedoch auf Unternehmen, die als relevant für die nationale Ökonomie angesehen werden, wie das Beispiel von Uniper wieder einmal deutlich macht.

Uniper hat im großen Stil Gas aus Russland bezogen und war daher auch in der Lage, Gas als Großabnehmer billig zu bekommen. Dieses Gas hat Uniper mit Aufschlag an Stadtwerke und Unternehmen weiterverkauft und so sein Geschäft gemacht. Nun bleiben die billigen russischen Gaslieferungen aus und die Rechnung von Uniper geht nicht mehr auf, muss das Unternehmen doch an den Börsen teures Gas einkaufen, um seinen Lieferverpflichtungen gegenüber seinen Kunden nachzukommen. Die anstehende Insolvenz – weil das Geschäft nicht mehr aufgeht – will der Staat aber in Gestalt seines grünen Wirtschaftsministers um jeden Preis verhindern:

„Zu dem insgesamt 15 Milliarden Euro schweren Rettungspaket gehört der Einstieg des Bundes mit 30 Prozent bei dem MDax-Konzern, was die außerordentliche Hauptversammlung aber erst noch beschließen muss.“ (WAZ, 30.8.22)

Hat der Staat doch die Versorgung der Nation vom Gelingen dieses Geschäfts abhängig gemacht. Mit der Gasumlage soll nun das Geschäft wieder profitabel gemacht werden, wofür die Verbraucher in Haftung genommen werden. Damit stellt der Wirtschaftsminister mit den Sorgenfalten auf der Stirn klar, worauf es in dieser Gesellschaft ankommt: Das Geschäft muss gelingen, auch wenn die Versorgung der Bürger darunter leidet, weil die sich den Stoff dieses Geschäfts – in diesem Fall Gas – nicht mehr leisten können.

Gewinner versus Verlierer und ihre Betreuer

Dass die hohen Preise nicht nur Haushalte und Betriebe in Schwierigkeiten bringen, sondern sich für einige direkt lohnen, deren Gewinne enorme Zuwächse aufweisen, wird nicht verschwiegen. So melden nicht nur RWE und Steag hohe Gewinne (vgl. WAZ, 24.8.22).

Selbst wenn es zur Abschöpfung dieser Gewinne durch eine Übergewinnsteuer käme, hätte diese Einnahmen zunächst der Staat. Wofür er diese Mittel einzusetzen gedenkt, bleibt dann ganz den Politikern überlassen. Dringliche Vorhaben von Seiten der Politik gibt es ja genug – von der angestrebten Aufrüstung der Bundeswehr über die Sanierung des Haushaltes hin zur schwarzen Null, der stärkeren Unterstützung der Ukraine oder des deutschen (Automobil-)Standorts zur Bewältigung der energiepolitischer Transformation bis hin, zuletzt, zu den Entlastungsprogrammen für bedürftige Untertanen.

Vorher steht aber mit der Inflation zumindest der Staat als ein großer Gewinner fest, dessen Einnahmen mit steigenden Preisen und Löhnen automatisch anwachsen. Schließlich profitiert er prozentual von jedem Geschäft in Form der Mehrwertsteuer und ebenso von den nominal steigenden Löhnen und Gehältern, auch wenn diese real weniger Kaufkraft darstellen.

Da viele Bürger sich schon jetzt wenig und in Zukunft noch weniger leisten können, gilt ihnen die Anteilnahme aller Seiten. So wird der nächste Winter in den schwärzesten Farben ausgemalt – nicht ohne dem Publikum zu versichern, dass alles getan werde, um die sicher eintretenden Schäden abzumildern. Den Schaden zu beseitigen oder zu beheben, verspricht eigentlich niemand. Von Seiten der Politik wird gleich betont, dass der Staat nicht alle Teuerungen ausgleichen könne.

Mit den Entlastungspaketen soll die Schädigung erträglich gemacht werden für diejenigen, die als besonders Betroffen gelten. Und streng genommen wird ihnen noch nicht einmal das, die Kompensation der Schäden, versprochen, wie es letztens im Magazin der GEW (https://www.gew-ansbach.de/data/2022/08/Bernhardt_Schillo_Auch-das-noch-Putin_verarmt_und_spaltet_uns.pdf) hieß: Kanzler Scholz verspricht ja vor allem Respekt und Anerkennung angesichts der schweren Zeiten – getreu seiner ständig wiederholten Devise „You‘ll never walk alone“. „Walk on through the rain, though your dreams be tossed and blown“ geht’s bekanntlich weiter im Lied. Auf gut Deutsch: Auch wenn alles in die Hose geht – du bist nicht allein!

Und die Härten treffen nicht wenige in dieser Gesellschaft: „Weil die Energiepreise explodieren, dringt die SPD auf ein neues Entlastungspaket. Das Kernanliegen ist, den sozial Schwachen gezielt mit Direktzahlungen zu helfen: Rentnerinnen und Rentner, Alg-I-Empfängern, Studierenden, Auszubildenden. Die Auszahlung der Direktzahlungen orientiert sich offenkundig nach der Energiepauschale, die Arbeitgeber demnächst an die Arbeitnehmerinnen auszahlen.“ (WAZ, 30.8.22)

Mit den Entlastungspaketen wird deutlich, dass der größte Teil der Gesellschaft ohne staatliche Unterstützung die hohen Preise nicht zahlen kann, somit eine Ansammlung von Sozialfällen darstellt. Den Anspruch, die durch die Inflation verursachten Schäden auszugleichen, haben diese Maßnahmen nicht, sie sollen, siehe das Kanzler-Motto, hinnehmbar gemacht werden. Sprich: Die Bürger sollen sich die dauerhafte Schädigung durch leichte Milderungsmaßnahmen abkaufen lassen. Das scheint auch billig zu haben zu sein:

„Erfolgsmodell 9-Euro-Ticket – Mal günstig an die Ostsee, zur Arbeit oder zu Freunden: Das 9-Euro-Ticket hat in den vergangenen drei Monaten bundesweit 52 Millionen Abonnenten in Busse, Regionalzüge, S-Bahnen und U-Bahnen gelockt.“ (WAZ, 30.8.22)

Die königliche Familie Juni 2013.JPG

Die Queen, alle ihre Nachfolger-innen und Politiker-innen.

Offenbar kann ein Großteil der Bevölkerung eine Reise an die Ostsee, zur Arbeit oder zu Freunden nur schwer finanzieren und ist bereit, einiges an Unannehmlichkeiten wie volle und verspätete Züge etc. in Kauf zu nehmen, um auch mal zur Ostsee zu gelangen. Was da als Erfolgsmodell gefeiert wird, ist zudem keine Dauereinrichtung, sondern als begrenzte Maßnahme ein Trostpflaster für all diejenigen, denen die Inflation das Leben schwer macht.

Auch die Interessenvertretung der deutschen Arbeitnehmer in Form des Deutschen Gewerkschaftsbundes und seiner Mitgliedsgewerkschaften betont, dass man zwar einen Ausgleich für die Preissteigerungen anstrebt, wobei die Forderungshöhe bereits signalisiert, dass man bereit sind, auch unterhalb der Inflationsgrenze abzuschließen.

„IG-Metallchef Hofmann hatte im Vorfeld der Forderungsempfehlung immer wieder klargemacht, dass sich die Auswirkungen der hohen Inflation auf die Beschäftigten nicht allein mit Mitteln der Tarifpolitik ausgleichen ließen. Seine Gewerkschaft fordert deshalb von der Bundesregierung neben einem Gaspreisdeckel eine Senkung des Strompreises und für das kommende Jahr ein zusätzliches Entlastungspaket für die Verbraucher.“ (handelsblatt.com/politik/deutschland/tarifpolitik-bei-hoher-inflation-ig-metall-fordert-wohl-hoeste-lohnerhoehung-seit-14-jahren/28439050.html)

Gleich zu Beginn der Metalltarifrunde hat also der oberste Vertreter der IGM, der weltweit größten organisierten Arbeitnehmervertretung mit 2,26 Millionen Mitgliedern, betont, dass es eine Überforderung der Tarifpolitik sei, einen vollständigen Ausgleich zu schaffen. Auch so kann man zum Ausdruck bringen, dass einem als Gewerkschafter das Wohlergehen der Wirtschaft dringlicher ist als ein Schadensausgleich für die eigenen Mitglieder.

Schließlich sehen die Gewerkschaftsvertreter die Abhängigkeit der Arbeitnehmer vom Gang des Geschäftes längst nicht mehr als einen Mangel, der den Lohnarbeitern immer wieder zum Schaden gereicht, sondern als die positive Geschäftsgrundlage, auf der es zu verhandeln gilt.

Somit war das Ergebnis abzusehen: „Weniger Geld für Arbeitnehmer – Reallöhne sinken wegen der Inflation um 3,6 Prozent.“ (SZ, 24.8.22) Dem abzuhelfen, sehen sich die Gewerkschafter nicht gefordert, sondern verweisen auf die Politik, die gerade die schweren Zeiten ankündigt.

Die Opfer der Inflation können sich auch des Beistands der Kirchen sicher sein, die immer schon den Untertanen empfohlen haben, dem Kaiser zu geben, was des Kaisers ist. Sie stellen ihren Beistand in traditioneller Form unter Beweis:

(Die EKD-Ratsvorsitzende) „Kurschuss kündigte an, dass die evangelische Kirche im kommenden Winter Wärmeräume und Suppenküchen anbieten werde, sollten mehr Menschen angesichts der gestiegenen Lebenshaltungskosten in eine Notlage geraten.“ (WAZ, 25.8.22)

Sicherlich werden die Armen auch ins Gebet eingeschlossen und auf Gottes Hilfe verwiesen, was ja jedem, der‘s glaubt, den nun wirklich bombensicheren Trost „You‘ll never walk alone“ verschafft.

Auch die Medien begleiten die sich abzeichnende Notlage ihrer Leser und Zuschauerschaft mit praktischen Spartipps, die sie nicht neu erfinden müssen. Schließlich tun sich viele Bürger schon seit Jahren schwer, mit ihrem beschränkten Einkommen über die Runden zu kommen. Und so sind die Lüftungs- und Heizungstipps, die Empfehlungen zum billigen Einkauf oder günstigen Tanken (vgl. WAZ, 25.8.22) schon seit Jahren im Umlauf und bekommen nachgerade etwas Kalauerhaftes. Spitzenreiter dürfte wohl Bild sein mit dem heißen Tipp: Statt im Winter zu heizen in Urlaub fahren!

Gewarnt wird allenthalben vor einem sich abzeichnenden Wutwinter: „`Wutwinter`, `heißer Herbst` – in diesen Wochen wird gerne gemutmaßt, ob wegen der Energiekrise und den Preissteigerungen bald soziale Unruhen drohen.“ (Benedikt Peters, SZ, 24.8.22)

Womit gemeint ist, dass die Bürger anfangen könnten, sich gegen die ständige Verarmung zu wehren und auf die Straße zu gehen: „In diesem August hat im Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) eine neue Einheit ihre Arbeit aufgenommen. Eine sogenannte Sonderauswertung soll herausfinden, wie heiß der Herbst auf deutschen Straßen nun wirklich werden wird.“ (SZ, 30.8.22)

Dabei wird immer wieder betont, dass Protest und Demonstration in diesem Staat erlaubt sind. Sie müssen sich aber – Achtung! – im Bereich des Erlaubten bewegen, d.h. nicht darauf berechnet sein, irgendwie die Politik zu etwas zwingen zu wollen.

Wenn nun auch die Linkspartei hervorhebt, dass sie bestrebt ist, den möglichen Protest in demokratische Bahnen zu lenken, dann bedeutet dies, dass alles dafür getan werden soll, dass das Vertrauen in die Politik nicht erschüttert wird. Deshalb hat der Verfassungsschutz auch schon einen neuen Handlungsbereich für sich entdeckt: den der Delegitimierung. Was nichts anderes bedeutet, als dass schon jedes Hinterfragen der herrschenden Politik, das deren Anliegen nicht teilt und die Legitimierung mit den bekannten – alternativlosen – Sachzwängen nicht glaubt, so etwas wie einen Straftatbestand darstellt.

So rüstet sich die Nation für einen Winter, der einigen enorme Gewinne bescheren wird, während andere sehen müssen, wie sie ihren Alltag auf die Reihe kriegen. Eins soll in jedem Fall gesichert werden, dass die Betroffenen dies allenfalls mit ein bisschen Volksgemurmel hinnehmen.

Zuerst erschienen bei Telepolis

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Oben     —     Blick von der East 51st Street nach Norden am HQ-Eingang von en:BlackRock

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Atommüll – Schweiz:

Erstellt von Redaktion am 10. September 2022

Ein Debattenbeitrag aus der Umweltbewegung

Quelle:    Scharf  —  Links

Von Axel Mayer

Die Schweizer Regierung gibt am 12.9.2022 bekannt, wo das „Endlager“ für atomare Abfälle gebaut werden soll. Zur Auswahl stehen drei Standorte in der Nähe der Grenze zur Hochrhein-Bodensee-Region. Drei Standorte sind im Gespräch: Die Gebiete Jura Ost, Nördlich Lägern und Zürich Nordost in den Kantonen Aargau, Zürich und Thurgau.

  • Die kleine Schweiz betreibt heute noch vier (von ehemals fünf) Atomreaktoren, darunter das älteste AKW der Welt in Beznau.
  • Drei dieser AKW stehen nahe an der deutschen Grenze. Dazu kommt das grenznahe, hochgefährliche atomare Zwischenlager mit atomarem Verbrennungsofen in Würenlingen.
  • Auch die jetzt in der Diskussion befindlichen Gebiete Jura Ost, Nördlich Lägern und Zürich Nordost in den Kantonen Aargau, Zürich und Thurgau liegen nicht weit von der Grenze entfernt.
  • Die Frage muss erlaubt sein, wie die Schweiz regieren würde, wenn ein Nachbarstaat alle seine atomaren Risiken im Grenzgebiet ballen würde?
  • Es geht nach Betreiber-Schätzungen um rund 9.300 Kubikmeter hochradioaktive Abfälle sowie um rund 56.000 Kubikmeter schwach- und mittelradioaktive Abfälle, von denen rund die Hälfte beim Rückbau von Kernkraftwerken anfallen. Dazu kommen rund 16.000 Kubikmeter, die im Bereich Medizin, Industrie und Forschung anfallen. Der Großteil der Radioaktivität findet sich im hochradioaktiven Müll, der eine Million Jahre sicher eingeschlossen werden muss.
  • Weil „wir Menschen zu schlecht sind, um Atommüll dauerhaft oberirdisch zu lagern“, hat die Umweltbewegung zähneknirschend früh die Notwendigkeit eines „möglichst sicheren“ Endlagers akzeptiert.
  • Weil die Umweltbewegung mit dieser ethisch notwendigen Haltung in den Konflikt gegangen ist, wurde sie nach dem Prinzip der Salamitaktik über den Tisch gezogen und in unendlichen „dialogischen Prozessen“ aufgerieben.
  • Die von der Atomindustrie abhängige NAGRA (Nationale Genossenschaft für die Lagerung radioaktiver Abfälle) hat die Erzeugung der Illusion von Beteiligung sehr gut gemanagt. Je direkter die Demokratie, desto perfekter die PR- und Durchsetzungsstrategien.
  • Die NAGRA hat geologisch eine seriöse wissenschaftliche Arbeit geliefert. Sie hat aber frühzeitig die Illusion geweckt, die Schweiz wäre in der Lage, hochradioaktiven Müll zu lagern.
  • Die Arbeit der NAGRA war so langwierig und teuer, dass sie heute „too expensive to fail“ ist.
  • Die Schweiz ist ein geologisch sehr aktives Land. Die immer noch wachsenden Alpen kommen für ein atomares Endlager nicht infrage. Die früh angedachte „Granitoption“ war aus geologischen Gründen nicht machbar. Nicht nur die Geologie, sondern auch die politische Akzeptanz scheint leider eine wichtige Rolle bei der Standortauswahl zu spielen.
  • Der jetzt als Enlagerformation gepriesene Opalinuston hat Vor- und Nachteile, kommt theoretisch aber für ein atomares Endlager aber infrage.
  • Offen ist die Frage, ob es noch sinnvoll ist, Atommüll in nur 600 bis 900 Metern Tiefe vergraben. Die Nutzung des Untergrunds wird in den nächsten Jahrzehnten und Jahrhunderten massiv zunehmen.
  • „Die Standorte Bözberg und Nördlich Lägern liegen über einem Permo-Karbon-Trog, dessen Bedeutung bisher einfach nicht sauber abgeklärt wurde. Findet man tatsächlich Erdgas in diesem Trog, dürften die Tage eines Endlagers in diesen Gebieten gezählt sein“ sagt der unabhängige Experte Marcos Buser
  • Die Opalinustonschichten in der Schweiz sind im internationalen Vergleich sehr dünn, auch wenn die NAGRA gerne die darüber und darunter liegenden tonhaltigen Schichten dazurechnet.
  • Kritische Geologen und Geologinnen weisen auf Schwachstellen der bisherigen Ergebnisse hin. Offen ist die zentrale und entscheidende Frage, ob sich unter den drei vorgeschlagenen Standorten wirklich mindestens einer findet, der den Sicherheitsansprüchen an ein geologisches Tiefenlager für eine Zeitdauer von 1 Million Jahren wirklich genügt.
  • Ein Standort am Rhein muss eine Gefährdung der Unterlieger und der Wasserentnahme aus dem Rhein vermeiden.

Politisch unkorrektes Fazit: Der jetzt am Montag vorgestellte „eine“ Standort für das Endlager muss kritisch und unabhängig geprüft werden. Doch was tun, wenn der beste aller schlechten Schweizer Standorte nicht geeignet ist Atommüll über einen Zeitraum von 33.000 Menschheits-Generationen sicher zu verwahren? Es ist politisch korrekt zu fordern, dass jedes Land, das AKW betreibt, den Atommüll auf eigenem Boden endlagert. Es ist wissenschaftlich korrekt anzunehmen, dass Atommüll eine längere Halbwertszeit hat als Nationalstaaten. Wenn nicht wissenschaftlich einwandfrei nachgewiesen werden kann, dass das Schweizer Endlager den Sicherheitsansprüchen an ein geologisches Tiefenlager für eine Zeitdauer von 1 Million Jahren wirklich genügt, dann müssen internationale Lösungen angedacht werden.

Radioactive keeper drums.JPG

Der Müll sollte in den Kellern ihrer Befürworter endgelagert werden. Kanzlerämter, Bundestag usw.  

Dann muss die Schweiz „Abnehmer“ für den langlebig-hochradioaktiven Müll suchen, dafür aber als Ausgleich große Mengen an leicht- und mittelaktivem Müll importieren. Für die Lagerung von leicht- und mittelaktivem Müll dürfte der Schweizer Opalinuston geeignet sein. Sich mit dem Export des ganzen Atommülls aus der Verantwortung zu stehlen, geht nicht. Die Produktion von hochradioaktivem Atommüll, der 33.000 Menschheitsgenerationen gefährdet, hat Probleme geschaffen, die sich leider mit politischer Korrektheit und dem alten Denken in engen Nationalstaatsgrenzen nicht immer lösen lassen. Wenn die Badewanne überläuft, dann beginnt man nicht mit dem Aufwischen, sondern stellt zuerst die Wasserzufuhr ab. Die weitere Produktion von Atommüll, gerade auch im ältesten AKW der Welt, muss auch in der Schweiz schnell beendet werden.

Axel Mayer, Mitwelt Stiftung Oberrhein, (Der Autor war 30 Jahre lang BUND-Geschäftsführer und ist Mitglied im Vorstand des Trinationalen Atomschutzverbandes TRAS)

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Oben     —     Kernreaktoren 1 und 2 von Beznau. (Beznau, Schweiz) Bildnachweis: IAEA

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Kein Abschied aus der Kohle

Erstellt von Redaktion am 9. September 2022

Australien: Klimapolitische Zeitenwende?

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Oben     —    Das Feuer im Orroral Valley (ACT), Januar 2020

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Fluggastüberwachung :

Erstellt von Redaktion am 8. September 2022

62 Millionen Menschen unter Generalverdacht

Quelle          :        Netzpolitik ORG.

Von       :       

Millionen von Menschen werden jedes Jahr durch die anlasslose Fluggastdatenüberwachung erfasst, in Datenbanken abgeglichen und durch die Mustererkennung beim Bundeskriminalamt gejagt. Dabei ist die Überwachung der Flugreisen in dieser Form illegal, hat der Europäische Gerichtshof entschieden. Eine kleine Anfrage zeigt nun die Ausmaße dieser riesigen Datensammlung.

Mehr als 500 Millionen Datensätze werden in Deutschland im Rahmen der anlasslosen Fluggastüberwachung gespeichert. Allein im letzten Jahr waren mehr als 62 Millionen Menschen von der Speicherung betroffen. Die Datensätze gleicht das Bundeskriminalamt nicht nur mit den Datenbanken INPOL-Z und dem Schengener Informationssystem SIS ab, sondern lässt auch eine Mustererkennung darüber laufen. Das geht aus der Antwort des Bundesinnenministeriums (PDF) auf eine kleine Anfrage der linken Abgeordneten Martina Renner hervor.

Bei der Fluggastdatenspeicherung, technisch Passenger Name Record (PNR) genannt, werden bis zu 20 unterschiedliche Daten pro Person gespeichert. Die Daten enthalten Name, Adresse, Buchungscode und Reiseverlauf, aber auch Informationen über die Bezahlung, den Vielflieger-Status, den Sitzplatz und das Gepäck. Einzig ausgenommen sind heute Flüge von Privatjets.

84 Prozent False-Positives

Im Jahr 2021 haben die Airlines 211 Millionen Datensätze von etwa 62 Millionen Fluggästen übermittelt. Nach dem Abgleich mit den Datenbanken ergaben sich mehr als 300.000 „technische Treffer“, zu denen noch einmal etwa 5.500 Treffer vom „Musterabgleich“ kamen. Aus diesen technischen Treffern ergaben sich im Jahr 2021 nach Bearbeitung durch die „Fluggastdaten-Zentralstelle“, bei der derzeit im Bundesverwaltungsamt und im BKA etwa 185 Menschen arbeiten, etwa 46.000 Vorgänge, die eine Personen- oder Dokumentenfahndung auslösten.

Nur etwa jeder sechste technische Treffer hält also einer menschlichen Überprüfung stand. Das heißt, dass allein auf dieser Stufe etwa 84 Prozent False-Positives entstehen. Auch die hohe Zahl an False-Postives war ein Grund, warum der EuGH in seinem Urteil vom Juni das Vorgehen kritisierte.

Die 46.000 Vorgänge führten dazu, dass knapp 10.000 dieser Menschen bei der Personenfahndung angetroffen wurde. (Woher die große Diskrepanz kommt, geht aus den Antworten auf die kleine Anfrage nicht hervor.) Von diesen 10.000 Menschen wurde sieben die Einreise verweigert, gut 1.000 wurden festgenommen, knapp 1.200 offen kontrolliert, gut 1.500 verdeckt kontrolliert und bei gut 5.000 Menschen wurde im Rahmen der Aufenthaltsermittlung eine ladungsfähige Adresse versucht herauszufinden.

„Rechtfertigung zum Sammeln“

Aus der Anfrage geht auch hervor, dass es sich bei drei Vierteln aller Fälle um (vermutete) Straftaten handelt, die nichts mit Terrorismus zu tun haben. Die Fluggastdatenspeicherung wurde aber mit der Bekämpfung des Terrorismus begründet, lässt jedoch die Fahndung nach anderen Straftaten zu.

Der Straftatenkatalog des Fluggastdatengesetzes diene dem Zweck, eine Rasterfahndung zu ermöglichen, sagt Martina Renner. „Das Verhindern und Aufklären von Straftaten ist doch eher zweitrangig und dient lediglich der allgemeinen Rechtfertigung zum Sammeln dieses riesigen Datenpools.“

Im vergangenen Juni hatte der Europäische Gerichtshof (EuGH) in einer Grundsatzentscheidung die Fluggastdatenüberwachung als zu weitgehend eingestuft. Das Gericht verlangte wegen der verletzten Grundrechte von Millionen Reisenden eine Beschränkung der Datensammlung und -auswertung auf das „absolut Notwendige“. Die betreffende EU-Richtlinie, die das massenhafte Sammeln, Übermitteln und Verarbeiten von Reisedaten vorschreibt, um Terrorismus und schwere Kriminalität vorzubeugen, solle mit dieser Entscheidung in Einklang mit EU-Rechten gebracht werden.

Bundesregierung prüft

In der Antwort auf die kleine Anfrage heißt es, dass die „Bundesregierung unter Einbindung der betroffenen Behörden die Auswirkungen der Entscheidung auf die deutsche Rechtslage und Verarbeitungspraxis“ analysiere, diese „komplexe Prüfung“ sei noch nicht abgeschlossen. Schon jetzt zeichne sich aber ab, dass das Urteil zu „Beschränkungen für die Verarbeitung von Fluggastdaten“ führen werde.

Das fordert auch das Gericht, dass beispielsweise eine innereuropäische Speicherung beendet werden muss. Sie sei nicht zulässig, wenn keine „reale und aktuelle oder vorhersehbare“ terroristische Bedrohung bestehe.

Martina Renner sagt: „Die Umsetzung der EU-Richtlinie durch das Fluggastdatengesetzes muss revidiert werden.“ Eine massenhafte Speicherung von Daten der reisenden Bürgerinnen und Bürger zum einen und eine Rasterung dieser Daten zum anderen sei offensichtlich rechtswidrig und ungeeignet. „Denn die polizeilichen Ergebnisse, also die Treffer, liegen im Promillebereich und damit auf dem Niveau von zufälligen Grenzkontrollen. Dieses Instrument ist gescheitert und verschlingt Unmengen Geld sowie Ressourcen“, so Renner weiter.

Lizenz: Die von uns verfassten Inhalte stehen, soweit nicht anders vermerkt, unter der Lizenz Creative Commons BY-NC-SA 4.0.

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Oben     — 500px bereitgestellte Beschreibung: Tempelhof Abflughalle [#Berlin ,#Tempelhof ,#Summilux]

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Ein Ukraine – Tagebuch

Erstellt von Redaktion am 8. September 2022

„Krieg und Frieden“
Umstrittene Erinnerung an Gorbatschow

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Aus Tiflis von Sandro Gvindadze

Kritisches Gedenken in Georgien. Der Tod Michail Gorbatschows ist in Georgien fast unbemerkt geblieben. Auch, weil man ihn für die Niederschlagung einer Demo 1989 verantwortlich macht.

Hier liegen immer frische Blumen. Auf dem Rustaveliprospekt, der Hauptstraße im Zentrum von Tiflis, steht ein Denkmal für die Menschen, die am 9. April 1989 gestorben sind. Die friedlichen Demonstranten, die von russischen Soldaten brutal auseinandergetrieben wurden, hatten einen Austritt Georgiens aus der Sowjetunion gefordert. Die Soldaten setzten Giftgas ein und schlugen die Protestierenden mit Klappspaten. Einundzwanzig Menschen starben, es gab mehr als 2.000 Verletzte.

Für viele Menschen in Georgien ist dieses Denkmal ein Beweis dafür, dass die liberalen Reformen des letzten Präsidenten der UdSSR, Michail Gorbatschow nur eine Fassade für das unverändert repressive Regime waren. Diese Meinung ist bis heute im Land verbreitet. Gorbatschow hat bis zum Schluss selbst behauptet, dass die Entscheidung über den Einsatz von Gewalt „hinter seinem Rücken“ getroffen wurde und die damalige politische Führung in Georgien Schuld daran gewesen sei. Aber viele denken, dass der Generalsekretär der kommunistischen Partei den Einsatzbefehl dafür gegeben haben könnte.

Die Sowjetarmee versprühte das Tränengas „Tscheremucha“ und Giftgas vom Typ „CS“. Letzteres hatten auch US-amerikanische Soldaten im Vietnamkrieg eingesetzt. Um welches Gas es sich damals wirklich handelte, wurde erst später bekannt. Am 9. April verheimlichte das Innenministerium diese Information sogar vor den Ärzten, die die Opfer behandelten. Trotz Gorbatschows Glasnost und Demokratie hat das sowjetische Regime zunächst versucht, diese Verbrechen zu verheimlichen.

1987

Die sowjetischen Zeitungen gaben den Demonstranten die ganze Schuld. „Sechzehn Menschen wurden bei einem Zusammenstoß getötet, der durch hartes Vorgehen gegen provozierende, asoziale Randalierer verursacht wurde“, so die offizielle Version des Kremls, die von den Medien übernommen wurde.

Niemand glaubte das. Aus Zeugenaussagen wurde immer klarer, dass es sich hier um eine Strafoperation handelte. Auch die georgische Polizei gehörte übrigens zu den Opfern russischer Soldaten, als sie versuchten, die Demonstrierenden zu schützen. Mehr als 20 Polizisten mussten mit Schädel-Hirn-Traumata ins Krankenhaus eingeliefert werden.

Quelle         :         TAZ-online          >>>>>        weiterlesen

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Oben     —    Anne Frank in 1940, while at 6. Montessorischool, Niersstraat 41-43, Amsterdam (the Netherlands). Photograph by unknown photographer. According to Dutch copyright law Art. 38: 1 (unknown photographer & pre-1943 so >70 years after first disclosure) now in the public domain. “Unknown photographer” confirmed by Anne Frank Foundation Amsterdam in 2015 (see email to OTRS) and search in several printed publications and image databases.

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Unten        —       1987    –  Der sowjetische Generalsekretär Gorbatschow in der Bibliothek des Weißen Hauses

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Aus alt mach alt – diesmal

Erstellt von Redaktion am 7. September 2022

Verfassungsreferendum in Chile

Ein Schlagloch von Georg Diez

Beim Volksentscheid in Chile blieb die Veränderung dem Altbekannten unterlegen. Der Prozess hat allerdings einen demokratischen Diskurs angeschoben.

Politik braucht Imagination, Vorstellungskraft, Veränderungswillen – sonst gleitet sie ab in die Verwaltung des Status quo, was dann fast automatisch dazu führt, dass sie Interessen vertritt und nicht Prinzipien. Und es ist jetzt schon ein großer Erfolg des chilenischen Verfassungsprozesses, auch wenn der so vielversprechende Neuentwurf gerade in einem Referendum abgelehnt wurde, dass diese Imagination befreit wurde aus der Enge des Denkens der vergangenen Jahre und Jahrzehnte.

Wir leben, das wird in diesen Tagen wieder klar, wo Liz Truss laut New Statesman die rechteste britische Premierministerin mindestens seit Margaret Thatcher sein wird, wir leben am Ende des neoliberalen Zeitalters. Was nicht heißt, dass der Neoliberalismus am Ende ist; es heißt vor allem, dass die Verfassung der Welt, so wie der Neoliberalismus sie geschaffen hat, zu Verheerungen in den Menschen und in der Natur geführt hat, deren Folgen immer deutlicher werden – das Ende der Welt scheint da leichter vorstellbar als das Ende des Kapitalismus.

Und das Verwirrende dieser Situation ist, dass Dringlichkeit und Notwendigkeit der Veränderung immer deutlicher werden, die Folgen des Raubbaus der vergangenen Jahre und Jahrzehnte für Klima, Natur, Gerechtigkeit – dass die Kraft und der Mut aber oft genau denen zu fehlen scheint, die unter der Ungerechtigkeit des gegenwärtigen Regimes am meisten leiden. Die Abstimmung in Chile hat gezeigt, woran das liegen könnte.

Sie hat auch gezeigt, dass es eine neue, andere, offene Linke gibt, die es versteht, die verschiedenen Themen zusammenzuführen und neue politische Lebensentwürfe zu entwickeln, umfassend und menschenfreundlich. Es war, wie so oft, ein Kampf des Alten gegen das Neue. Der neue Verfassungsentwurf markierte die Grenze zur Vergangenheit, eine Vergangenheit unterstützt durch mächtige Interessen:

Mediale Kampagne im In- und Ausland

Chiles derzeitige Verfassung ist ein Produkt der Diktatur von General Pinochet, 1980 erdacht, um der Privatisierung und dem radikalen Staatsabbau den Weg zu bereiten – das Land wurde zum neoliberalen Labor erklärt, unterstützt von US-Ökonomen, die kein Problem damit hatten, Grundrechte wie Bildung, Gesundheit, Zugang zu sauberem Trinkwasser zu kommerzialisieren.

Wie mächtig diese Strukturen der Vergangenheit sind und bleiben, zeigte sich etwa in der medialen Kampagne gegen die neue Verfassung: In Chile selbst, wo der politische Diskurs massiv verengt ist, aber auch in internationalen Medien, die mit grenzüberschreitender Parteilichkeit – man könnte es auch Aktivismus oder Lobbyismus nennen – das Alte gegenüber dem Neuen favorisierten.

The Economist etwa, lange Leitmedium einer Umverteilung von unten nach oben, brachte Schreckenstexte mit Krawallbildern. Und die Washington Post, im Besitz des Internet-Milliardärs Jeff Bezos, warnte davor, dass Chile seine reichhaltige Lithiumproduktion durch die neue Verfassung anders, womöglich gerechter oder weniger umweltschädlich, gestalten könnte; Lithium treibt die Internet-Ökonomie an.

Georg Diez im Jahr 2018.jpg

Während also die Kräfte der Vergangenheit und des Status quo mächtig und gut organisiert waren, war auch der Kampf um die Zukunft nicht leicht, bleibt nicht leicht – auch das ist eine Lektion dieses Verfassungsprozesses, der schon deshalb inspirierend war, weil er eben über lange Zeit ein gesellschaftliches Großgespräch ermöglichte, wie die Wunden der Vergangenheit, koloniale Ausbeutung von Mensch und Natur, Unterdrückung der indigenen Bevölkerung, Frauenfeindlichkeit, mit den Möglichkeiten und Erfordernissen des 21. Jahrhunderts in Einklang gebracht werden könnten.

Von Lateinamerika lernen

Der Verfassungsentwurf bleibt exemplarisch, weil er eine Ordnung nach dem Nationalstaat entwirft, einen plurinationalen Staat, in dem die souveränen Rechte der indigenen Bevölkerung anerkannt werden. Wobei der Gedanke eines sehr viel weiter gefassten politischen Rahmens eben auch für Nationalstaaten in Europa oder anderswo eine Inspiration sein sollte – der demokratische Diskurs ist in vielen Ländern so veränderungsscheu heruntergefahren, die politische Imagination des sogenannten Westens könnte so viel von Chile, aber auch Kolumbien und anderen lateinamerikanischen Ländern lernen, es ist ein Jammer, dass eine direktere Kraftübertragung ausbleibt.

Quelle      :         TAZ-online          >>>>>         weiterlesen

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Oben       —     Santiago im April 2013

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Fiktion Schuldenbremse

Erstellt von Redaktion am 6. September 2022

Am 9. Oktober wird in Niedersachsen gewählt,
bis dahin darf das Profil der Ampelparteien nicht leiden.

Zur Debatte – von Ulrike Herrmann

Beim Entlastungspaket wären umfangreichere Hilfen locker möglich gewesen, würde Finanzminister Lindner nicht an seiner fixen Idee festhalten.

Das neue „wuchtige“ Entlastungspaket wird 65 Milliarden Euro kosten, was sofort die Frage provoziert: Wo soll denn dieses viele Geld herkommen? Doch die Kosten sind kein Problem. Sie finanzieren sich weitgehend selbst – und zwar durch die Inflation. Wenn die Preise steigen, nimmt der Staat automatisch mehr Umsatzsteuer ein. Zudem fließen höhere Lohnsteuern, wenn die Gehälter zulegen, um die Geldentwertung auszugleichen.

Das Bundesfinanzministerium schätzt, dass die Steuereinnahmen in diesem Jahr um 7,4 Prozent zunehmen werden – obwohl die Wirtschaft höchstens um 2 Prozent wachsen dürfte. Der große Rest erklärt sich durch die Inflation, die die Steuern sprudeln lässt.

Ein weiterer Effekt: Auch die Schuldenlast des Staates verringert sich, wenn das Geld an Wert verliert. 2021 entsprachen die deutschen Staatsschulden 69 Prozent des BIP, aktuell sind es nur noch 66,1 Prozent – obwohl der Staat keinen einzigen Cent zurückgezahlt hat. Die Schulden verlieren an Bedeutung, weil die steigenden Preise automatisch die Wirtschaftsleistung aufblähen.

Auch ist es keinerlei Problem, dass der Staat Zinsen auf seine Schulden zahlen muss. Auf den internationalen Finanzmärkten betrug die Rendite für 10-jährige Bundesanleihen am Montag ganze 1,56 Prozent. Diese niedrigen Zinsen gleichen die Inflation längst nicht aus, die im Euroraum aktuell bei 9,1 Prozent liegt. Die Anleger sind also bereit, enorme Verluste hinzunehmen, nur damit sie ihr Geld beim deutschen Staat parken dürfen. Oder anders gesagt: Finanzminister Lindner bekommt sogar noch Geld geschenkt, wenn er Kredite aufnimmt. Da wäre es schön blöd, eisern zu sparen und die BürgerInnen in der jetzigen Krise allein zu lassen.

Es war daher absolut richtig, ein großes Entlastungspaket zu schnüren. Die Frage ist allein, ob es „wuchtig“ genug ist – und wie sinnvoll die einzelnen Maßnahmen sind.

Besonders umstritten war im Vorfeld, ob es eine Steuerentlastung geben soll, die die „kalte Progression“ kompensiert. Damit ist der Effekt gemeint, dass ein höherer Steuertarif fällig wird, obwohl das gestiegene Einkommen nur die Inflation ausgleicht. Die Kaufkraft hat also nicht zugenommen – aber die Steuerlast.

Kritiker monierten, dass von einer korrigierten Progression vor allem die Wohlhabenden profitierten. Denn 70 Prozent der Entlastungen würden den obersten 30 Prozent der Steuerzahler zugute kommen. Dies sei ein „Schlag ins Gesicht“ der Armen, befand etwa der Sozialverband Deutschland.

Diese Schieflage schien bestens ins Bild zu passen: FDP-Chef Lindner bedient mal wieder nur die Reichen. Denn bisher hat der Finanzminister tatsächlich wenig Empathie für die Bedürftigen gezeigt und sich vor allem um seine eigenen betuchten WählerInnen gekümmert.

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Trotzdem ist es richtig, die kalte Progression zu bekämpfen und die Steuersätze an die Inflation anzupassen. Würde die Geldentwertung nämlich nicht berücksichtigt, würde demnächst jeder den Spitzensteuersatz zahlen – auch die Armen.

Eine kleine Rückschau macht dies deutlich. Im Jahr 1958 wurde der heutige Spitzensteuersatz von 42 Prozent für Singles bereits bei einem Jahreseinkommen von ungefähr 20.000 Mark fällig. Das wären heute 10.000 Euro. Inzwischen ist man mit 10.000 Euro aber nicht mehr reich – sondern lebt am Existenzminimum und zahlt fast gar keine Steuern mehr. Der Grundfreibetrag für Singles liegt derzeit bei 9.984 Euro, weil die „kalte Progression“ regelmäßig korrigiert wurde. Lindner setzt nur fort, was unausweichlich ist und alle seine Vorgänger auch schon praktiziert haben.

Problematisch sind vor allem zwei andere Aspekte des Entlastungspakets. Erstens: Die meisten Hilfen kommen zu spät. Das erweiterte Wohngeld oder der erhöhte Hartz-IV-Satz von 500 Euro sollen erst ab dem 1. Januar gelten. Aber wie jeder weiß, wird es schon ab Oktober kalt, sodass sich die Frage stellt, wie die potenziellen Wohngeldempfänger bis zum Jahresende ihre Gasrechnung bezahlen sollen. Hartz-IV-Empfänger bekommen ihre Heizkosten zwar erstattet, werden aber hart von den steigenden Lebensmittelpreisen getroffen. Nun werden sie ein weiteres Vierteljahr vertröstet.

Quelle      :          TAZ-online         >>>>>       weiterlesen

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Oben      —     Protest von FridaysForFuture und Anderen, sowie Ankunft der Verhandlungsteilnehmenden an der Messe Berlin zum letzten Tag der Sondierungsgespräche für eine Ampelkoalition.

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Mitgliederentscheid zum BGE

Erstellt von Redaktion am 4. September 2022

Die  Chance zum Aufbruch der Partei DIE LINKE

http://www.archiv-grundeinkommen.de/material/pk/PK-6-finanzierbarL-v.jpg

Quelle        :      Scharf   —   Links

Von      :      Jörg Reiners  –  ist Bundeskoordinator der BAG Grundeinkommen und Mitherausgeber der Textsammlung “Digitalisierung? Grundeinkommen!” (Mandelbaum-Verlag). Er war mehrere Jahre Netzwerkrat des Netzwerkes Grundeinkommen.

“Alles neu macht der Mai”, so heißt es in einem Sprichwort. Vielleicht macht aber jetzt der September alles neu für DIE LINKE! Denn in wenigen Tagen verschickt die Bundesgeschäftsstelle Briefe an alle Mitglieder der Partei. Ein letztes Mal erhalten die Gegnerinnen und Gegner des linken, emanzipatorischen Grundeinkommens Gelegenheit, ihre Argumente vorzutragen. Auch die Befürworterinnen und Befürworter tragen ihre Sichtweise vor. Obwohl nicht dazu verpflichtet, begleitet der Parteivorstand die Urabstimmung mit einem eigenen Kommentar.

Obwohl hier in Rücksichtnahme auf den anstehenden basisdemokratischen Entscheid eher Neutralität geboten wäre, rät der Parteivorstand -jedoch nicht einstimmig!- dazu, alles beim Alten zu belassen. Offenbar hat er vergessen, was überhaupt erst zu diesem Mitgliederentscheid geführt hat: die seit Jahren anhaltende Lethargie der Partei und ihre Unfähigkeit, offene Fragen zu beantworten!

Was die Parteivorstände in der Vergangenheit und heute nicht vermocht haben, können nun die Genossinnen und Genossen erledigen: die Hand erheben, den Zeigefinger ausstrecken und der Partei die Richtung vorgeben! Ein Novum – nicht nur in der Partei DIE LINKE, sondern generell. Bleibt zu hoffen, dass die Parteimitglieder diese Chance erkennen und auch nutzen.

Natürlich werden einige Parteimitglieder überfordert sein, eine solch richtungsweisende Entscheidung voller Überzeugung zu treffen. Denn beide Seiten haben ja durchaus überzeugende Argumente. Auch wird es Genossinnen und Genossen geben, für die das Thema Grundeinkommen in der Tat Neuland ist. Aber auch diese Genossinnen und Genossen haben Gelegenheit, sich noch bequem auf den letzten Metern zu informieren: die BAG Grundeinkommen bietet ihr BGE-Konzept zum Hören an: https://linktr.ee/dielinke.baggrundeinkommen

File:Die Linke Grundrecht Grundeinkommen BGE Berlin 2013.jpg

Die Gegnerinnen und Gegner einer Verankerung eines sozialen, emanzipatorischen, somit linken Grundeinkommens ins Programm raten all diesen Unentschlossenen dazu, mit Nein! zu stimmen. Nur so könne man die Frage unbeantwortet und den Diskurs in Sachen Grundeinkommen offen lassen. Aber das ist eine Falle! Nicht von ungefähr gibt es ja die Möglichkeit, sich zu enthalten. Nein heißt nein, und nichts anderes!

Solange DIE LINKE ihre Baustellen nicht angeht und offene Fragen beantwortet und innerparteiliche Diskrepanzen proaktiv verarbeitet, so lange wird DIE LINKE um die 5-%-Hürde herum weiter zittern.

Es liegt nun einzig und allein an den Mitgliedern der Partei DIE LINKE, ob es den überfälligen Aufbruch geben wird oder nicht! Dabei ist eine klare Kante allemal besser als ein Weiter so.

Urheberrecht
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Oben      —         Es liegt kein Copyright auf den BGE-Motiven. Motive und Dateien stehen unter der CC-Lizenz. Sie dürfen beliebig kopiert und verbreitet werden.

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Unten        —

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Source Die Linke 

Author stanjourdan from Paris, France

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Die Regierungsblindheit

Erstellt von Redaktion am 3. September 2022

Blind für die Realität und ab in die falsche Richtung

Sie alle reden viel – aber sagen und machen nichts !!

Quelle       :        Scharf  —  Links

Ein Kommentar von Georg Korfmacher, München

Während unsere Politiker trefflich über Für und Wider der Globalisierung streiten, hat China längst die Vorteile internationalen Handels und Kulturaustausches – wohl aufgrund der Erfahrung mit der „alten Seidenstraße“ – verinnerlicht und zeigt dem stupenden Westen, dass man internationale Beziehungen auch ohne Macht und Gewalt zum gegenseitigen Vorteil pflegen kann.

Blindwütig mit den hausgemachten Fehlern beschäftig, haben unsere Politiker den Blick für die Realitäten unserer Welt verloren und wollen uns in die falsche Richtung drängen: weg von China. Dabei übersehen sie geflissentlich oder haben es bewusst verschlafen, dass China mittlerweile mit dem“globalen Süden“ Geschäfte im Volumen gleichgroß mit denen der USA und Europa zusammen betreibt. Nur, im Gegensatz zur US-Kuli-Mentalität betreibt China die „neue Seidenstraße“ (BRI) im Geist einer ausgewogenen Partnerschaft und hilft seinen Partnern, dem Beispiel Chinas für den eigenen Erfolg zu folgen. Dazu fördert China das Potential seiner Partner durch den Aufbau einer soliden Infrastruktur, baut Fabriken und installiert eine zeitgerechte IT-Technik inklusive Bildung und Ausbildung. Wenn unsere hoch- bzw. langnäsigen Politiker das nicht verstehen wollen oder können, sollten sie Firmen wie Bosch, VW, BMW und viele mehr befragen, warum deren Geschäfte in China trotz Pandemie besser laufen als die im eigenen Land. Oder Duisburg und Piräus, wie diese die Zusammenarbeit mit China bewerten.

Beziehungen und Geschäfte nur zum eigenen Vorteil und ohne Respekt vor der Kultur des Anderen sind langfristig zum Scheitern verurteilt. Ohne Respekt und Austausch von Kultur ist jede Beziehung hohl und morsch. Ein Reichtum unserer Welt ist die Vielfalt der Kulturen. Unsere christlich-abendländliche Kultur mit ihrem Aufruf, sich due Erde untertan zu machen (1.Mose 1,27-28), ist da ein eher fragwürdiges Leitbild. China hingegen zeigt uns, wie man seit nunmehr 5000 Jahren das stets größte und menschenreichste Land der Welt zum Wohl des Volkes führt.

Das mögen wir mit unserer Bildung nicht immer verstehen. Respekt fordert aber allemal, dass und wie China in nur vier Jahrzehnten sein Volk aus 90% Armut herausgeführt hat, und zwar mit den Gewinnen, die es mit den Produktionsaufträgen aus dem Ausland und den daraus entwickelten Eigeninitiativen und -Innovationen zum Wohl des Volkes realisiert hat. Daran könnten wir und insbesondere die USA uns ein Beispiel nehmen. Aber nein, immer wieder dieselben eigenen Fehler machen, weil man die ja so gut kennt.

Zum Gedeihen braucht unsere Welt Frieden und Kooperation und nicht Aufrüstung mit Waffen und/oder Missachtung bis Hass und Gewalt. Wenn unsere Politiker nicht sehen wollen, dass ein Bruch mit China zum totalen Zusammenbruch unserer Wirtschaft führt, liefern sie selber den Beweis ihrer mangelnden Kompetenz und Verantwortung für das Amt, in das sie gewählt worden sind. In dem kümmerlichen Rest von Demokratien im globalen Norden müssen wir alles tun, um zu verhindern, dass wir trotz der scheinbar blinden Politiker nicht in die falsche Richtung gedrängt werden. Der Weg ist das Ziel, so Konfuzius, und nicht der geile Profit für wenige. Und der Weg kann sehr lang sein. Nicht gerade das Traumziel der Eigennutzer.

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Oben      —    Unterzeichnung des Koalitionsvertrages der 20. Wahlperiode des Bundestages am 7. Dezember 2021

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Baerbock ohne Amt Würde

Erstellt von Redaktion am 2. September 2022

Baerbock, der Schicksalsschlag unserer Nation

Quelle      :      Ständige Publikumskonferenz der öffentlichen Medien e.V.

Von Friedhelm Klinkhammer und Volker Bräutigam

Die personifizierte Unfähigkeit fährt alles in die Grütze, wofür das bessere Nachkriegs-Deutschland einmal stand

Frauenpower, erinnern Sie sich noch? Angela Merkel fand nichts dabei, Josef Ackermann, dem Chef der Deutschen Bank, im Kanzleramt eine Saus-und-Braus-Fete zum 60. Geburtstag auszurichten.[1] Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen fand, dass sie bei 300 Millionen Euro für Beraterverträge auch einen ihrer Söhne bedenken könne.[2] Die Olivgrüne Annalena Baerbock fand, ein Sonder-Honorar aus der Parteikasse brauche nicht in ihrer Einkommensteuererklärung aufzutauchen, und Nebeneinnahmen zu melden könne jeder mal vergessen.[3] Patricia Schlesinger fand, Promis aus Wirtschaft und Politik zu opulenten Fressabenden einzuladen und den Rundfunkbeitragszahler dafür blechen zu lassen, stehe einer RBB-Intendantin zu.[4] Der Tagesschau ist der Aspekt „korrupte Politik von Frauen“ bisher allerdings nicht aufgefallen. Die schnallt aber sowieso nie, was Sache ist.

Mag sein, man meint bei ARD-aktuell, Frauen seien per se vertrauenswürdiger, da brauche man nicht so genau hinzuschauen. Aber Frauen haben in der Weltgeschichte schon immer ihren Mann gestanden: Sie korrumpieren sich und ihre Ämter ebenso effektiv, der hochgeschätzten Alice Schwarzer sei’s geklagt. Kalenderblatt-Weisheit: In der repräsentativen Demokratie ist Korruption systemisch bedingt, die Weiße Weste gehört nicht zum Geschäftsanzug, auch wenn Frauen ihn tragen.

Merkel ist inzwischen politische Vergangenheit und soll uns hier nicht weiter beschäftigen. Von der Leyen ebenfalls nicht, denn im Unterschied zu Baerbock hat sie einen Doktortitel (sie promovierte mit einer Plagiats-verdächtigen Dissertation von dünnen 65-Seiten [5] ) und spricht etwas besser Englisch. Baerbock hingegen

… we are thinking in old boxes“ [6]

(das peinliche Gestammel mag sich im O-Ton anhören, wer mit seiner Zeit nichts anzufangen weiß)

hat nur ein Master-Studium an der London-School of Economics (für Kinder begüterter Eltern) absolviert und macht den Eindruck, ihr Diplom aus einem Münz-Automaten auf dem Flughafen Heathrow gezogen zu haben. Ihr „… ich komm‘ eher aus‘m Völkerrecht“-Niveau [7] könnte uns egal sein, wäre sie nicht grade Deutschlands katastrophale Außenministerin, die alle ihre Vorgänger intellektuell weit unterbietet.

Aus dem Nähkästchen NDR

Gucken wir aber zunächst kurz ins eigene Nähkästchen, den NDR. Aus dem können wir plaudern, schließlich haben wir beide dort Jahrzehnte unseres Berufslebens verbracht. Wir kennen Patricia Schlesinger schon, seit sie eine karrieregeile Jungredakteurin der Fernseh-Programmdirektion in Hamburg-Lokstedt war und einen angetragenen Gewerkschaftsbeitritt brüsk abwies. Dass sich diese Kollegin im Dunstkreis des NDR mit dem Korruptionsvirus infiziert haben könnte, wunderte uns nicht. Der Sender war längst bekannt für Eigennutz und Machtmissbrauch einiger seiner Führungskräfte und Mitglieder der Aufsichtsgremien.

Wir erinnern uns, dass ein ehemaliger stellvertretender Intendant seiner Ehefrau einen hoch dotierten Schein-Arbeitsvertrag bei der NDR-Werbe-Tochter verschaffte, ohne dass sie dafür irgendetwas zu tun hatte.[8][9] Die Nummer bewirkte erhebliche Unruhe im Betrieb und führte schließlich zum nicht ganz freiwilligen Abgang des Mannes. Allerdings kam er beruflich gut versorgt bei seinen Parteifreunden unter: in der Konrad-Adenauer-Stiftung.

Datei:Nähkästchen.jpg

Ein weiterer NDR-Intendant ließ sich zu seinem 60. Geburtstag mit pompösem Aufwand in der eigens dafür angemieteten Hamburger Musikhalle feiern und die Kosten des delikaten Events – mehr als 100 000 Euro – dem Gebührenzahler aufs Auge drücken, mit Einwilligung der Verwaltungsrats-Vorsitzenden.[10][11] Er schied ein halbes Jahr vor Vertragsablauf aus, bezog aber bis zum formellen Ende weiter sein volles Gehalt.[12] Derlei Schamlosigkeit hat Tradition im öffentlich-rechtlichen Rundfunk, und die zur Kontrolle bestellten Gremienmitglieder stecken dabei nur allzu oft mit dem zu beaufsichtigenden Spitzenpersonal unter einer Decke.

Viel ist seit dem schmählichen Abgang der RBB-Intendantin Schlesinger nun von „Reformen“ die Rede, von „Schadensbegrenzung“, von „mehr Transparenz“ im öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Aber wir werden es erleben: Schon zum Jahresende geht alles bei den Gebührensendern wieder im gewohnten Trott.

Der Treppenwitz: Übergangsweise hat WDR-Intendant Tom Buhrow von Schlesinger den ARD-Vorsitz übernommen und gibt jetzt den Saubermann. Ausgerechnet Buhrow, der sich vom Verwaltungsrat fürstliche 413 000 Euro Jahresgehalt anweisen lässt [13] – von Aufwandsentschädigungen, Spesenkonto und amtsbedingten Nebeneinnahmen gar nicht erst zu reden. Er weiß, wie man zwecks Erhalt der Freundschaft mit wichtigen Volksvertretern umgeht: Man schafft das nach Seriosität duftende Institut eines „Parlamentarischen Abends“ [14][15][16] , auf dem sich Landtagsabgeordnete, Rundfunkräte und ihre Entourage auf Kosten des Rundfunkbeitragszahlers gütlich tun. Danach werden den WDR betreffende Gesetze ganz bestimmt so formuliert, dass sie Buhrow und den Herrschenden ein Wohlgefallen sind.

Der öffentlich-rechtliche Rundfunk ist gegen jede revolutionäre Veränderung hin zum „Kontrollorgan des Volkes“ gefeit. Er muss bleiben, was er immer war: Herrschaftsinstrument der Regierenden, das die sich keinesfalls mehr aus der Hand nehmen lassen werden. Ob Männer oder Frauen am Ruder sind, bleibt sich dabei selbstverständlich gleich.

Ignoranz, die Wurzel allen politischen Übels

Doch zurück zur sogenannten „feministischen Politik“ (die ja nur eine feministische Personalpolitik ist nach dem Prinzip Quote statt Qualität): Annalena Baerbock! Sie bringt insofern Neues auf die Bühne, als sie vollkommen hemmungslos ihren Kenntnismangel, Blickverengung, Geschwätzigkeit, Geltungssucht und kriegslüsterne Aggressivität auslebt:

„Für mich ist klar: Die Ukraine verteidigt auch unsere Freiheit, unsere Friedensordnung und wir unterstützen sie finanziell und militärisch – und zwar so lange es nötig ist. Punkt.“ [17]

Auf einem Treffen der Nicht-Regierungsorganisation „Forum 2000“ am 31. August in Prag erklärte sie, sie stehe zur Ukraine:

„… egal, was meine deutschen Wähler denken … “ [18]

Dabei bleibe sie selbst dann,

„wenn die Menschen in großer Zahl wegen der hohen Energiekosten auf die Straße gehen.“ [19]

Kontext: Ist mir doch scheißegal, wie schlecht es den deutschen Bürgern geht. Das hätten die allerdings vor der Wahl zum 20. Deutschen Bundestag wissen sollen / können.

Es wäre Baerbocks Amtes, auf Verhandlungen zwischen der Ukraine und Russland über einen Friedensschluss zu drängen sowie auf direkte eigene Gespräche mit der russischen Regierung hinzuarbeiten. Stattdessen setzt sie unverhohlen auf Waffenlieferungen an Kiew, auf Deutschlands Rolle als Kriegspartei gegen Russland und auf Verlängerung des Entsetzens in der Ukraine:

„Wir müssen uns darauf einstellen, dass dieser Krieg noch Jahre dauern könnte.“ [20]

Zu solch bösartiger Perspektivenwahl und sprachlicher Schwäche passt das typische Nachplappern einer Grünen Göre: „Die Ukraine verteidigt auch unsere Freiheit, unsere Friedensordnung“. Baerbock quasselt garantiert kenntnisfrei und ohne zu bedenken, über was: Über das mit Abstand korrupteste Staatsgebilde Europas, die Ukraine. Geführt von einer ersichtlich koksenden US-Marionette, einem schamlosen Neonazi-Förderer und Steuerhinterzieher mit millionenschweren Auslandskonten.[21] Die olivgrüne Camouflage dieses hemmungslosen Antidemokraten erspart uns die Tagesschau seit Monaten an kaum einem Tag. Die Ukraine ist ein „failed state“ am Tropf des Westens. Dem Selenskyj verboten Großbritannien und die USA im Mai weitere Friedensverhandlungen in der Türkei, um Russland in einem langwierigen Krieg „schwächen“ zu können. In beispielloser Verantwortungslosigkeit ließ sich die Marionette Selenskyj von den USA und der EU als machtgieriger Kriegsherr aufbauen, der seine Landsleute zu Zigtausenden als Kanonenfutter opfert. Im geostrategischen Interesse der USA. Sein Motto: Ihr liefert die Waffen, wir die Leichen.

Den US-Amis zu Diensten

„Feministische Außenpolitik“? Baerbocks Kriegskurs[22] ist nicht feministisch, schon gar nicht feminin (im Sinne von fraulich-mütterlich). Nicht ein einziges bewegendes Wort des Gedenkens und der Trauer hat Baerbock den ukrainischen und den russischen Kriegstoten gewidmet. Die Tagesschau verschweigt eh gewohnheitsmäßig, was sich auf dem „Schlachtfeld“ ereignet: Jeden Tag meldet das russische Verteidigungsministerium zwischen 200 und 500 „vernichtete“ ukrainische Soldaten.[23] Hunderte Tote, Tag um Tag, in einem Krieg, der zugunsten von Freiheit und Demokratie von jetzt auf gleich beendet sein könnte – wenn Washington, London und Berlin es nur wollten.

Seit Kriegsbeginn haben mehr als 50 000 Ukrainer ihr Leben verloren. Zehn Millionen Menschen sind geflohen. Sich darüber halbwegs gesichert und aus unterschiedlichen Quellen zu informieren, ist dem deutschen Zeitgenossen normalerweise verwehrt: Alle „Feindmedien“ unterliegen hierzulande der Zensur[24], die laut Grundgesetz aber gar nicht stattfindet und die es demnach auch nicht ausnahmsweise geben darf.[25] Doch Rechtsnihilismus ist neuerdings deutsche Staatsräson.

Dem bundesdeutschen Erzählerjournalismus andererseits geht es um Verdummung der Bürger, um das Einlullen der Sofabesatzung: Sie soll nicht merken, dass sie für die Fortsetzung eines längst verlorenen Krieges gemolken wird. Deshalb auch meint Baerbock, zum wiederholten Male vor „Kriegsmüdigkeit“ warnen zu müssen, vor dem Schreckgespenst des Friedens.[26]

Regierungs-Sprachrohr

Die Tagesschau widmet sich hingebungsvoll der Aufgabe, den Widerstand des Westens gegen Friedensverhandlungen und die fortgesetzten massenhaften Waffenlieferungen an Kiew als Politik zur Kriegsverkürzung auszugeben. Damit verlädt die Hauptabteilung ARD-aktuell ihr Publikum vollends:

„Waffenlieferungen jeder Art sind die wahrscheinlich beste Möglichkeit, den Krieg zu verkürzen, um die Balance klar in eine Richtung zu drehen.“ [27]

Das hat schon Baerbock‘sches Format.

Ach, was waren das noch dumm-glückliche Zeiten, als die TAZ (Hermann Gremliza: „Kinder-FAZ“) sich kaum einkriegen konnte vor Freude über die erste Frau im deutschen Außenamt:

„Wichtiger noch als eine Frau ist aber eine feministisch denkende Person. Dass wir das nun in einem haben – eine feministische, kompetente Person und dann auch noch eine Frau – das ist schon ein Glücksfall.“ [28]

Zu diesem Zeitpunkt wussten kompetente und überzeugende Feministinnen längst, was von einer Annalena Baerbock zu erwarten war. Alice Schwarzer im Frühjahr 2021:

„Aber setzt diese Frau überhaupt auf die Frauenkarte? Ist sie sich eigentlich dessen bewusst, dass sie zwar jetzt eine Frau an der Spitze ist, aber doch in einer weiterhin männerbeherrschten Welt? … Doch die F-Frage schien sie nicht zu verstehen oder nicht verstehen zu wollen. Sie plauderte kurz und munter über ihre eigene Familie und dass die immer wisse, wo sie, die Mutter, ‚hingehöre‘. Aber weiß Annalena Baerbock auch, wo sie politisch hingehört?“ [29]

Im Januar 2022 ließ Ministerin Annalena Baerbock die Leitlinien ihrer zukünftigen Arbeit skizzieren: im Kern eine menschenrechtsorientierte Klimapolitik und eine „feministische Außenpolitik“. Expertendefinition: Unter feministischer Außenpolitik sei die Militarisierung von Sicherheitsstrukturen aufzugeben und gegen die Überzeugung aufzutreten, dass „mehr Waffen gleich mehr Sicherheit bedeuten …“ [30]

Schon zwei Monate später galt das nicht mehr. Baerbock machte die Volte rückwärts und bewies mit überschäumendem Engagement für Waffenlieferungen an die Ukraine, dass ihr jegliche Grundsatztreue fehlt. Sie lebt seither mannhaft ihre Machtbefugnis aus. Dass sie sich noch zu Jahresbeginn gegen Waffenlieferungen in Krisengebiete ausgesprochen hatte, war vergessen.[31]

Im Zivilleben nennt man solche Leute auf Rheinisch „‘ne fiese Möpp“. Auf Alltagsdeutsch charakterlos.

Krankhafte Realitätsverweigerung

Statt grundgesetzkonform friedensbemühter Außenpolitik liefert Baerbock kriegerische und völkerrechtswidrige Sanktionsbeschlüsse vom Band, ganz im Sinne ihrer Washingtoner Vorturner:

„Wir treffen das System Putin dort, wo es getroffen werden muss, eben nicht nur wirtschaftlich und finanziell, sondern in seinem Machtkern“,

schwadronierte Baerbock und ließ ihrem Publikum damit die Wahl, ob es über soviel Unverstand lachen oder weinen sollte. Putin und Lawrow seien, behauptete Baerbock, verantwortlich dafür,

„dass das internationale System mit Füßen getreten wird. Und das nehmen wir als Europäerinnen und Europäer nicht hin.“ [32]

Mit diesem Dummgeschwätz aber nicht genug. Baerbock-Schnellsprech, ohne Punkt und Komma, am Rande des NATO-Sommergipfels in Madrid:

„ … wir wollten weiter mit Russland äh leben, es war nie Ziel der NATO in Konfrontation mit Russland zu gehen ganz im Gegenteil man hat ja im Rahmen der NATO gemeinsam mit Russland vor einiger Zeit, vor längerer Zeit, die NATO-Russland-Grundakte auch beschlossen das war genau das Instrument wie man in Frieden, in Vertrauen miteinander lebt aber dieses Vertrauen hat Russland im wahrsten Sinne des Wortes in die Luft gesprengt und jetzt gilt es gerade, diese Länder zu unterstützen, die in direkter Nachbarschaft an der Grenze zu Russland, äh, liegen, weil die sich fürchten, äh, wenn sie angegriffen werden wir machen hier deutlich wir stehen in voller Solidarität mit den baltischen Staaten, mit Finnland und Schweden und werden jeden Winkel unseres gemeinsamen Bündnisgebietes verteidigen wenn es denn so sein sollte aber wir tun alles, dass es dazu nicht kommt …“ [33]

An dieser Stelle des Interviews haben wir kapituliert. In Anlehnung an Karl Kraus gestehen wir der Baerbock zu: Man muss nicht nur keine Ahnung haben, wovon man eigentlich spricht, man muss es auch noch schlecht ausdrücken können. Dann kann man deutsche Außenministerin.

Endsieg-Besoffenheit

Hochmut kommt vor dem Fall, weiß der Volksmund. Die Sanktionen der USA und der EU in Verbindung mit deutscher Endsieg-Besoffenheit und dem Berliner Wohlwollen für Ukronazis treffen bekanntlich nicht die Russen, sondern schlagen auf die sanktionierenden Staaten zurück: Unerträgliche Preiserhöhungen, Konkurse, zunehmende Schwäche und Kostenexplosion bei der Energieversorgung, Reallohn- und Arbeitsplatzverluste. Schwächelnder Dollar und Euro, zerlegender Rubel. All das begleitet von machttrunkenen Normierungsappellen (Heizung abdrehen, Pullover anziehen, Waschlappen statt Dusche … Fehlt nur noch: Klopapier sparen, die Zeitung dafür vierteln – oder gleich Gras nehmen, wie früher der Soldat im Felde).

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Das ist die Darbietung Grüner Dilettanten, deren Russenhass sie längst auch persönlich disqualifiziert: Baerbock (und gleich nach ihr Habeck) sind Versager, denen man zumindest Untreue, Amtsmissbrauch und letztlich Friedens- und Landesverrat vorwerfen kann. Und die trotzdem nicht im Traum daran denken, sich endlich vom Acker zu machen. Hinter Baerbocks öffentlicher Warnung vor Volksaufständen [34] steckt keine Spur von Bewusstsein ihrer Inkompetenz.

Es ficht sie nicht an, dass viele ihrer Mitbürger in objektiv begründeten Existenzängsten leben und sich an den schon leeren Tafeln immer noch lange Warteschlangen bilden. Ihr und ihren Grünen Ministerkollegen geht es ja prächtig, sie sind dicke versorgt, ihr Alltag bleibt von den Folgen ihrer Politik weitestgehend unberührt. Der Elitenforscher Michael Hartmann bündig:

„Die Eliten sind in ihrer großen Mehrheit inzwischen so weit von der breiten Bevölkerung entfernt, dass sie zunehmend Schwierigkeiten haben, deren Probleme zu erkennen und die Folgen ihrer Entscheidungen für die Bevölkerung zu verstehen.“ [35]

Das Einst und das Jetzt

Otto Graf Bismarck reiste 1859 als preußischer Gesandter nach St. Petersburg, lernte in kürzester Zeit Russisch und bezeichnete den Außenminister Fürst Gortschakow als seinen Lehrmeister in Diplomatie. Er warnte vor jedem Gedanken an Krieg gegen Russland:

„Selbst der günstigste Ausgang … würde niemals die Zersetzung der Hauptmacht Russlands zur Folge haben … (und Russland würde) nach einer Niederlage unser geborener und revanchebedürftiger Gegner bleiben.“ [36]

Noch auf seinem Sterbebett warnte Bismarck: „Niemals gegen Russland!“ Außenministerin Baerbock („… ich komm‘ ja mehr aus‘m Völkerrecht“) weiß aber auch von Bismarck wahrscheinlich nicht viel mehr, als dass er mit Nachnamen Hering hieß und von ihm der Rollmops kommt. So ist das eben, wenn eine Außenministerin aus unserer Geschichte nichts gelernt und von Diplomatie sowieso keinen Schimmer hat.

Borniertheit gedeiht auf grünem Nährboden bestens. Da verspricht sie reiche Ernte: Faschistoides Denken und Verhalten – deutsche Blockwartmentalität! – werden folglich bei uns abermals zur Normalität. Sie zeigen sich deutlich im neuerlichen Diskurs über Deutschlands Mitwirkung am Krieg gegen Russland. Oskar Lafontaine:

„Die Äußerung von Annalena Baerbock, wir sollten ‚Russland ruinieren‘, muss man schon faschistoid nennen.“ [37]

Stimmt.

Quellen und Anmerkungen:

[1] https://www.spiegel.de/politik/deutschland/party-im-kanzleramt-ackermann-feierte-auf-staatskosten-a-644659.html

[2] https://www.zaronews.world/zaronews-presseberichte/profitiert-ursula-von-der-leyens-sohn-von-zugeschusterten-beratervertraegen-der-mutter/

[3] https://de.quora.com/Ist-die-Aussage-von-Annalena-Baebock-die-nicht-fristgemäße-Anzeige-von-Nebeneinkünften-beim-Bundestag-sei-lediglich-ein-blödes-Versäumnis-gewesen-glaubhaft?share=1

[4] https://www.businessinsider.de/wirtschaft/abendessen-auf-rbb-kosten-staatsanwaltschaft-interessiert-sich-fuer-belastende-aussagen-der-gaeste-von-patricia-schlesinger/

[5] https://www.welt.de/politik/deutschland/article153127144/Von-der-Leyen-darf-ihren-Doktor-behalten.html

[6] https://twitter.com/libra08101/status/1542265122332282880

[7] https://www.youtube.com/watch?v=nOMW8Kn4OLw

[8] https://www.focus.de/kultur/medien/plogs-problem-norddeutscher-rundfunk_id_1848591.html

[9] https://www.spiegel.de/kultur/stehlings-schwarze-stunde-a-5a6a188e-0002-0001-0000-000009199998

[10] https://www.welt.de/wams_print/article1522352/Fast-ein-Staatsakt-Ein-Sendefuerst-nimmt-Abschied.html

[11] https://www.ossietzky.net/laden/krieg-und-frieden-in-den-medien-ialana-hrsg/ (s.S. 231 ff)

[12] https://www.digitalfernsehen.de/news/medien-news/maerkte/ndr-intendant-jobst-plog-bekommt-nach-ausscheiden-weiter-gehalt-375398/

[13] https://de.statista.com/statistik/daten/studie/785812/umfrage/jahresgehaelter-der-ard-intendanten-derlandesrundfunkanstalten/

[14] https://www.youtube.com/watch?v=HjfrnpfJhQE

[15] https://www1.wdr.de/unternehmen/der-wdr/unternehmen/parlamentarischer_abend-102.html

[16] https://www.wz.de/kultur/wdr-bewirtet-nrw-abgeordnete-vor-lesung-des-wdr-gesetzes_aid-26016769

[17] https://www.berliner-zeitung.de/news/annalena-baerbock-unterstuetzen-die-ukraine-so-lange-es-noetig-ist-li.261034

[18] https://www.infowars.com/posts/german-foreign-minister-says-support-for-ukraine-will-continue-no-matter-what-voters-think/

[19] https://ussanews.com/2022/09/01/german-foreign-minister-says-support-for-ukraine-will-continue-no-matter-what-voters-think/

[20] https://www.tagesschau.de/multimedia/sendung/ts-52933.html

[21] https://www.welt.de/kultur/plus240130237/Selenskyj-Offshore-Konten-und-Wagnergate-geheime-Geschaefte-des-Praesidenten.html

[22] https://lostineu.eu/baerbock-wuenscht-russland-ein-strategisches-scheitern/

[23] https://eng.mil.ru/en/news_page/country.htm

[24] https://www.wsws.org/de/articles/2022/03/04/cens-m04.html

[25] https://www.gesetze-im-internet.de/gg/art_5.html

[26] https://www.rnd.de/politik/akw-saporischschja-lage-angespannt-berichte-ueber-folter-des-akw-personals-baerbock-warnt-vor-VYRGGJCMPGN3LQJGYCD5KP537U.html

[27] https://www.tagesschau.de/ausland/europa/ukraine-russland-sechs-monate-krieg-101.html

[28] https://taz.de/Feministische-Aussenpolitik/!5822730/

[29] https://www.emma.de/artikel/die-kandidatin-und-der-feminismus-338553

[30]  https://www.boell.de/en/2019/01/30/feminist-foreign-policy-imperative-more-secure-and-just-world

[31]  https://www.n-tv.de/politik/Baerbock-verweigert-Waffen-fuer-die-Ukraine-article23064810.html

[32] https://www.rnd.de/politik/ukraine-krieg-baerbock-ueber-sanktionen-das-wird-russland-ruinieren-RZDYS2DEPRK5OST7ZGGRZ6UN4I.html

[33] https://www.welt.de/politik/ausland/video239630381/Nato-Gipfel-Aussenministerin-Baerbock-erklaert-wie-die-Nato-der-Ukraine-hilft.html

[34] https://www.nachdenkseiten.de/?p=86150

[35] https://hpd.de/artikel/abgehobenheit-eliten-soziologischer-sicht-15899

[36] https://de.rbth.com/kultur/2015/04/03/otto_von_bismarcks_russische_spuren_33309

[37] https://www.berliner-zeitung.de/politik-gesellschaft/oskar-lafontaine-deutschland-handelt-im-ukraine-krieg-als-vasall-der-usa-li.261471

Anmerkung der Autoren:

Unsere Beiträge stehen zur freien Verfügung, nichtkommerzielle Zwecke der Veröffentlichung vorausgesetzt. Wir schreiben nicht für Honorar, sondern gegen die „mediale Massenverblödung“ (in memoriam Peter Scholl-Latour). Die Texte werden vom Verein „Ständige Publikumskonferenz öffentlich-rechtlicher Medien e.V.“ dokumentiert: https://publikumskonferenz.de/blog

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Grafikquellen          :

Oben     —     Premierminister Denys Shmyhal traf sich am 7. Februar 2022 mit der deutschen Außenministerin Annalena Baerbock.

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Nazi-Jurist Carl Schmitt

Erstellt von Redaktion am 1. September 2022

Statt Verwesung neue Vitalität

Quelle      :        INFOsperber CH.

Jürg Müller-Muralt /   

Wie ein nazistischer Staatsrechtler wieder erstaunlich viel Resonanz findet – nicht nur in Diktaturen wie Russland und China.

Er gibt keine Ruhe, er geistert wieder durch die öffentlichen Debatten, und man muss seinen Namen öfter lesen als auch schon: Carl Schmitt (1888-1985). Er gilt als einer der bekanntesten, aber auch umstrittensten deutschen Staats- und Völkerrechtler des 20. Jahrhunderts. Nach Hitlers Machtergreifung 1933 profilierte sich Schmitt als überzeugter Anhänger der Nazis, was ihm später den Ruf als «Kronjurist des Dritten Reiches» bescherte. Vor allem seine Theorie der Freund-Feind-Unterscheidung scheint es einigen heutigen Zeitgenossen besonders angetan zu haben.

«Neue Aktualität» Schmitts

In der NZZ etwa unternimmt der deutsche Politikwissenschafter Jörg Himmelreich einen etwas verrenkten Rehabilitationsversuch Schmitts. Er bezeichnet dessen Betrachtungsweise, «wonach politische Auseinandersetzung und politisches Handeln auf Freund und Feind, auf Feindschaft hinauslaufen kann, aber nicht muss» als «fundamental». Der Westen habe dieses Politikverständnis «in Anlehnung an die Utopien» von Jürgen Habermas «von einer Weltbürgergesellschaft völlig ignoriert.» Das mache den Westen und insbesondere Deutschland so unvorbereitet auf Putins Krieg gegen die Ukraine. Im Unterschied zu Habermas’ politischem Denken besitze jenes von Schmitt «eine neue Aktualität».

Philosophen-Bückling vor Schmitt

Auch der österreichische Philosophieprofessor Konrad Paul Liessmann darf seine Wiederentdeckung des Schmittschen Freund-Feind-Denkens in einem langfädigen Beitrag in der NZZ zum Besten geben. Seine Quintessenz: Es gehe heute «um die Wiedergewinnung der Einsicht, dass es keine Politik, die diesen Namen verdient, gibt, ohne zwischen Freund und Feind zu unterscheiden.» So tönt es, wenn einst liberale Autoren finden, sie müssten ihre intellektuelle Wehrhaftigkeit mit dem Rückgriff auf die schlimmsten autoritär-reaktionären Geister unterstreichen. Wieso braucht es diesen Bückling vor einem schlimmen Juristen, nur um klar festzustellen, wer die alleinige Schuld am Angriffskrieg gegen die Ukraine trägt?

Verteidiger der Nürnberger Rassengesetze

Schmitt hat mit seinem ganzen juristischen Renommee in den Dreissigerjahren des letzten Jahrhunderts den absoluten Führerstaat propagiert. Der Historiker Jürgen Overhoff, Professor an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster, schreibt dazu: Schmitt «behagte es, dass Hitler willkürlich befehlen und Gesetze erlassen konnte, ohne sich auch nur einen Deut um allgemein verbindliche Werte oder moralische Positionen scheren zu müssen. Wenn es dem Führer gefiel, die Juden zu eliminieren, dann musste Folge geleistet werden, schloss Schmitt. Und so pries er die Nürnberger Rassengesetze von 1935 lauthals als grossen, befreienden Wurf».

Gegenentwurf zur Demokratie

Schmitt hat sich im Dritten Reich vollkommen diskreditiert und auch Schuld auf sich geladen. Trotzdem galt er nach dem Zweiten Weltkrieg – und gilt offensichtlich immer noch – vielen konservativen Intellektuellen als hochgelehrter, brillanter und geistreicher Kopf. Overhoff dagegen kommt zum Schluss: Schmitts «Ur-Absolutismus» könne nur wirksam begegnet werden, wenn er immer wieder als das, was er ist, entlarvt wird: Als «der genaue Gegenentwurf zur freiheitlichen Demokratie und zum liberalen Rechtsstaat.»

Fragwürdige Brillanz

Ob der Entschluss Schmitts, die Welt in Freund und Feind einzuteilen, viel mit denkerischer Brillanz zu tun hat, darf bezweifelt werden; er entspringt eher einem «voluntaristischen Hauruck», wie Karl-Heinz Ott in seinem Buch Verfluchte Neuzeit: eine Geschichte des reaktionären Denkens (München, 2022) schreibt. Schmitt zeichne sich tatsächlich durch eine «kristalline Diktion» aus: «Man muss seine Sätze nicht dreimal lesen, sie sind nicht schwer zu verstehen. Im Grunde besteht alles aus Oppositionspaaren: hier die Kategorie X, dort die Gegenkategorie Y, hier Freund, dort Feind.» Wer ein klares Koordinatensystem besitzt, kann mühelos als scharfsinnig gelten. «Ob solche Schemata selbst brillant sind, steht auf einem anderen Blatt; das Wichtigste, es herrscht Übersicht: die guten ins Töpfchen, die schlechten ins Kröpfchen.»

Gesellschaft hat sich dem Staat unterzuordnen

Schmitt sei ein Meister der Komplexitätsreduktion, schreibt Karl-Heinz Ott, der sich in seinem Buch ausführlich mit dem nazistischen «Meisterdenker» auseinandersetzt. Komplexitätsreduktion an sich muss nicht schlecht sein. Bloss: Wer Übersichtlichkeit nur durch das Ausblenden grosser Teile der Wirklichkeit herzustellen vermag, darf wohl kaum als brillant bezeichnet werden. Ott zeigt das am Beispiel der obsessiven Fixierung Schmitts auf den Staat. Alles Gesellschaftliche spiele bei Schmitt nicht nur keine Rolle, es störe regelrecht: «In seinen Augen hat die Gesellschaft sich dem Staat zu fügen und zu funktionieren.» Die Verachtung der (Zivil-)Gesellschaft und gesellschaftlicher Organisationen ist typisch für autoritär-reaktionäres Denken. Berühmt ist das Zitat der neoliberalen britischen Premierministerin Margaret Thatcher: «So etwas wie eine Gesellschaft gibt es nicht. Es gibt nur einzelne Männer und Frauen und es gibt Familien.»

Freund-Feind-Denken als Mittel gegen die Opposition

Das Schmittsche Denken ist heute weltweit stark präsent; nicht nur bei einzelnen westlichen Intellektuellen. In Ländern wie etwa Polen, Russland und China ist es zudem wirkmächtig und beeinflusst das politische Denken zum Teil stark. Der Historiker Felix Ackermann, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Deutschen Historischen Institut in Warschau, macht in einem Beitrag vom April 2022 darauf aufmerksam, dass das Freund-Feind-Denken die polnische Innenpolitik – selbst nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine – nach wie vor stark präge: «Dieses von Carl Schmitt inspirierte und von Jarosław Kaczyński verinnerlichte Politikverständnis führt dazu, dass oppositionelle Gegner weiterhin als angebliche Angehörige einer deutschen oder russischen fünften Kolonne diffamiert werden und die Europäische Union selbst im Moment des Zusammenrückens jederzeit mit der UdSSR verglichen werden kann.» Das zeigt: Wer nur in simplen Schwarz-weiss-Kategorien denkt, verkennt die komplexe Wirklichkeit.

Putins «Grossraum»-Vision und Schmitt

Doch Schmitt ist nicht nur Inspirator von Populisten und Antiliberalen im Westen, sondern vor allem auch in den beiden diktatorischen Grossmächten Russland und China. Aleksandr Dugin, einer der imperialistisch-faschistischen russischen Agitatoren, ist schon früh mit Carl Schmitt in Berührung gekommen. Putins Vorstellungen von einer in Einflusszonen gegliederten Weltordnung gleicht in auffallender Weise Schmitts «Grossraum»-Vision. Dieser hat 1939 in seiner Schrift mit dem bezeichnenden Titel Völkerrechtliche Grossraumordnung mit Interventionsverbot für raumfremde Mächte versucht, den Hegemonialanspruch Nazi-Deutschlands über Europa zu legitimieren. «Dem Konzept eines global gültigen Völkerrechts, das auf universalen Werten beruht, setzte Schmitt den Entwurf einer aus geopolitischen ‹Grossräumen› zusammengesetzten Weltordnung entgegen, in denen jeweils eigene, den ethnischen und territorialen Besonderheiten dieser Räume gemässe Rechtsnormen herrschen sollten. Diese würden vom stärksten, einen Grossraum dominierenden Volk definiert und durchgesetzt», schreibt der Publizist Richard Herzinger.

Schmitts wachsende Bedeutung in China

Was für Russland gilt, trifft in weiten Teilen auch auf die Volksrepublik China zu. Vor allem seit Xi Jinpings Machtübernahme im Jahr 2012 ist Schmitts Bedeutung in der chinesischen Politischen Theorie auffallend gewachsen. Das trifft in besonderem Masse auf die erwähnte Unterscheidung zwischen Freund und Feind zu.

In einer Dissertation von 2021 mit dem Titel Schmitt in China: Liberalismus und Rechtsstaatdiskurse 1989-2018 zeigt Charlotte Kroll auf, dass die Auseinandersetzung chinesischer Wissenschafter mit Carl Schmitt sichtbare Spuren hinterlassen hat – und zwar ganz konkret «auch mit Blick auf die Politik der chinesischen Zentralregierung gegenüber der Sonderverwaltungszone Hongkong.» Die Autorin stellt fest, dass im akademischen Diskurs jene Form eines Rechtsstaates legitimiert werde, «die sich immer stärker von einer Kontrolle der Politik durch das Recht distanziert.» Der «sozialistische Rechtsstaat chinesischer Prägung», so schreibt die Autorin, grenze sich entschieden von einem Rechtsverständnis ab, «in dem die Gültigkeit und Umsetzung der in der Verfassung gesetzten Normen durch eine unabhängige Justiz garantiert wird.» Mit anderen Worten: Schmitt ist auch in China ein wichtiger Autor, wenn es darum geht, den absoluten Durchgriff des diktatorischen Staates unter Ausschaltung rechtsstaatlicher Kontrollen zu legitimieren.

Immerhin eines kann man vom Freund-Feind-Schema lernen: Der kompromisslose rechtsphilosophische Feind der offenen Gesellschaft par excellence ist Carl Schmitt.

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Grafikquellen        :

Oben      —     Carl Schmitt als Student im Jahre 1912

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