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Kaltgestellt nach Demoanmeldung Betriebsrätin in Bremer Krankenhaus freigestellt nach Solidaritätskundgebung für Daniela Klette

Erstellt von Redaktion am 18. März 2024

Aus: Ausgabe vom 19.03.2024, Seite 4 / Inland
Repression gegen Linke
Kaltgestellt nach Demoanmeldung
Betriebsrätin in Bremer Krankenhaus freigestellt nach Solidaritätskundgebung für Daniela Klette
Von Annuschka Eckhardt
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Carmen Jaspersen/dpa
Solidaritätskundgebung mit harten Konsequenzen (Vechta, 17.3.2024)

So schnell kann’s gehen: Vom Grundrecht Gebrauch gemacht und schon vom Dienst am Patienten freigestellt. Die Hysterie um die Festnahme des mutmaßlichen ehemaligen RAF-Mitglieds Daniela Klette und die Fahndung nach ihren mutmaßlichen Komplizen Ernst-Volker Staub und Burkhard Garweg nimmt immer groteskere Züge an.

Die bis Freitag morgen freigestellte Betriebsrätin und Krankenpflegerin Ariane Müller hatte die Solidaritätskundgebung vor dem Frauengefängnis in Vechta, in dem Daniela Klette zur Zeit einsitzt, angemeldet, die am Sonntag nachmittag anlässlich des Tages der politischen Gefangenen, stattgefunden hatte. Um die 50 Personen waren zur friedlich verlaufenden Kundgebung erschienen, dazu viele Pressevertreter: »Die Medien stürzten sich regelrecht auf mich. Ich konnte kaum aus dem Auto steigen, als sie wie ein wild gewordener Bienenschwarm auf mich zuliefen. Sie waren regelrecht enttäuscht, als ich sagte, ich gebe heute keine Statements ab«, sagte Müller gegenüber junge Welt. Unweit des Kundgebungsortes hatte die CDU Vechta zu einer Gegendemonstration aufgerufen, zu der ungefähr 80 Personen erschienen.

Schon vergangenen Freitag – vor dem Termin der Kundgebung – bekam Müller Maßregelungen zu spüren. In einer sehr kurzfristig anberaumten Sondersitzung wurde sie »mit sofortiger Wirkung aus ihrer Freistellung für den Betriebsrat« entlassen. Diese überraschend harte Sanktion war jedoch nicht das Ende vom Lied, »dieser Schritt war eine Mitvoraussetzung dafür, dass auch die Gesundheit Nord und das Klinikum Bremen-Mitte als Arbeitgeber reagieren und die Mitarbeiterin bis zur Klärung des Falls freistellen«, gab die Geschäftsführung der Gesundheit Nord und der Betriebsrat des Klinikums Bremen-Mitte in einer Pressemitteilung am Montag bekannt.
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Die Betriebsratskollegen helfen also dabei, die Beschäftigte abzusägen. »Für uns war die Entscheidung eindeutig und die Situation unzumutbar. Wir möchten dadurch auch ein Zeichen setzen, dass wir uns vom Handeln dieser Person deutlich distanzieren«, sagte Dr. Manfred Kölsch, Betriebsratsvorsitzender am Klinikum Bremen-Mitte in der Pressemitteilung. »Es ist eine regelrechte Menschenjagd, obwohl ich doch nur mein demokratisches Grundrecht – das Anmelden eine Kundgebung – wahrgenommen hab«, sagte Müller am Montag im jW-Gespräch. »Obwohl Krankenhäuser und Kliniken unter krassem Fachkräftemangel leiden, werde ich von der Arbeit am Patientenbett freigestellt«, so Müller.

»Wir distanzieren uns als Unternehmen aufs Schärfste von allen Aktivitäten, die Solidarität oder Sympathien für die RAF oder jede andere terroristische Vereinigung zeigen. Insofern prüfen wir, welche Konsequenzen wir ziehen können. Bis diese Prüfung abgeschlossen ist, haben wir die Betriebsrätin, um die es geht, zunächst freigestellt«, ließ Karen Matiszick, Leiterin der Unternehmenskommunikation der Gesundheit Nord gGmbH, am Montag gegenüber junge Welt verlauten. Verdi war zu einer Stellungnahme nicht bereit.

Diese Freistellung ist jedoch nicht rechtens, »die Anmeldung einer Kundgebung oder Versammlung ist kein Grund, jemanden nicht mehr zu beschäftigen«, so schätzte es Rechtsanwalt Benedikt Hopmann am Montag gegenüber jW ein. »Es gibt einen Anspruch auf Beschäftigung, arbeitsgeberseitige Sanktionen können nicht das Grundgesetz aushebeln. Abhängige Beschäftigte dürfen nicht, wenn sie ihre Grundrechte wahrnehmen, noch mit einer zusätzlichen Möglichkeit unter Druck gesetzt werden, die allein aus dem strukturellen Machtverhältnis im Arbeitsverhältnis herrührt«, erklärte der Jurist. »Das ist eine zusätzliche Machtressource, die das Kapital, oder in diesem Falle die Krankenhausleitung, als Repressionsmittel benutzt.«

Quelle: https://www.jungewelt.de/artikel/471680.repression-gegen-linke-kaltgestellt-nach-demoanmeldung.html

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Operation gelungen, Klinik tot. Krankenhausgesellschaft warnt vor Dutzenden Insolvenzen noch in diesem Jahr. Gesundheitsminister Lauterbach bereitet Großkahlschlag vor.

Erstellt von Redaktion am 21. Februar 2024

 

Gesundheitswesen  –  Operation gelungen, Klinik tot

 

Von Ralf Wurzbacher

Pixabay.com/de; IMAGO-Images/Montage: jW

»Mindestens jede dritte, eigentlich jede zweite ­Klinik schließen« (Bundesgesundheits­minister Karl Lauterbach/SPD)

Wo man hinsieht: Agonie.

Neuruppin, Wertheim, Bremerhaven, Werra, Ettenheim. Landauf, landab kämpfen Menschen gegen die drohende Schließung ihrer örtlichen Klinik.

Am Dienstag schlug einmal mehr die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) Alarm.

Bundesweit hätten seit Ende 2022 mehr als 40 Standorte Zahlungsunfähigkeit angemeldet,

allein im Januar seien sechs dazu gekommen.

Sollte die Politik nicht schnellstens eingreifen, »könnten in diesem Jahr 80 Kliniken pleite gehen«, sagte Verbandschef Gerald Gaß der Rheinischen Post.

»Das ist ein ungeordnetes Sterben, das zu Lasten der Mitarbeiter und Patienten geht.«

An diesem Mittwoch beraten Bund und Länder im Vermittlungsausschuss

das sogenannte Transparenzgesetz von Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD).

Gaß empfiehlt die Ablehnung, wenn Lauterbach

»den nötigen Inflationsausgleich weiterhin verwehrt«.

Schon eine halbe Ewigkeit lassen die Bundesländer die Krankenhäuser am langen Arm

verhungern. Seit Corona bleiben Patienten in Scharen fern,

der Preisschock infolge des ­Ukraine-Kriegs gab vielen den Rest.

Laut Gaß schreiben inzwischen »fast alle Kliniken rote Zahlen«.

Auf der DKG-Webseite tickt eine »Defizituhr«:

Am Dienstag erreichte sie die Marke von 9,2 Milliarden Euro.

Lauterbach behauptet, dem Siechen ein Ende setzen zu wollen,

verweigert aber kurzfristige Geldspritzen.

Heilung verspricht er statt dessen mit seiner »Krankenhausreform«, die teilweise Abkehr vom Fallpauschalsystem verschaffe vor allem kleineren Anbietern finanziell neue Luft. So könnten ein »ökonomischer Kampf um das blanke Überleben« und »wahrscheinlich« die meisten Insolvenzen »noch abgewendet werden«. Bedingung dafür sei jedoch die Zustimmung der Länder im Bundesrat.

Böse Falle: Das »Transparenzgesetz« ist eine Vorstufe zum geplanten Großkahlschlag. Es dreht sich vordergründig darum, den Zugang zu Informationen über Leistungsangebote, Fallzahlen und personelle Ausstattung der Versorger zu verbessern. Wobei Verbände wie der Marburger Bund die Rezepte missbilligen und vor überbordender Bürokratie und Doppelstrukturen warnen. Viel fataler noch: Mit der Lauterbach-Vorlage sollen die Weichen für die Neueinteilung der Kliniklandschaft nach »Leistungsgruppen« und »Leveln« gestellt werden. Auf diesem Wege würden »rund 350 Standorte zu ambulanten Zentren degradiert, womit sie dann de facto keine Krankenhäuser mehr sind«, beklagte am Dienstag Laura Valentukeviciute, Sprecherin vom »Bündnis Klinikrettung«, gegenüber jW. »Damit bricht die Grund- und Notfallversorgung auf dem Land einfach weg.«

 

»Jeder weiß, dass wir in Deutschland mindestens jede dritte, eigentlich jede zweite, Klinik schließen sollten«, hatte der SPD-Politiker noch im Sommer 2019 frank und frei erklärt. Jetzt macht er sich höchstpersönlich ans Werk. »Der Minister sucht Mittel und Wege, um die Versorgungslandschaft auszudünnen, das Transparenzgesetz ist Teil seiner Strategie«, betonte Valentukeviciute. DKG-Chef Gaß spricht Lauterbach die Kompetenz ab. Dieser kenne die Verhältnisse in den 1.900 Kliniken gar nicht, befand er.

Der Attackierte selbst verkauft sein Vorhaben als »Optimierung«. Wer mit Herzinfarkt oder Schlaganfall eingeliefert werde, »kann künftig darauf vertrauen, dass der Krankenwagen zum besten Krankenhaus für den jeweiligen Notfall fährt«, bemerkte er. Was aber, wenn es im Umkreis von 50 Kilometern bald keine Klinik mehr gibt? Operation gelungen, Patient tot!

Quelle:

https://www.jungewelt.de/artikel/469774.gesundheitswesen-operation-gelungen-klinik-tot.html

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