Brandstifter Wagentain?
Erstellt von DL-Redaktion am Donnerstag 27. September 2018
Sahra Wagenknecht spielt mit dem Feuer!
Quelle : europa.blog
Autor : von Francis Wurtz
Die Debatte um die von Sahra Wagenknecht und Oskar Lafontaine angeschobene Bewegung #aufstehen hat auch in Medien der Nachbarländer Resonanz gefunden. In Frankreich haben so gut wie alle Zeitungen darüber berichtet. Auch die umstrittene Haltung von Sahra Wagenknecht zu Migranten war Gegenstand der Berichterstattungen.
Der französische Politiker und Publizist Francis Wurtz hat anlässlich dieser Berichterstattungen in einem Kommentar seine Bedenken gegenüber der Position von Sahra Wagenknecht zu Migranten zum Ausdruck gebracht und ihre Position kritisiert.
Francis Wurtz hat seinen Kommentar zunächst auf Facebook und dann auch auf seinem Blog unter dem Titel ALLEMAGNE : SAHRA WAGENKNECHT JOUE AVEC LE FEU ! veröffentlicht.
Europa.blog veröffentlicht diesen Kommentar im Folgenden in einer von Francis Wurtz autorisierten deutschen Übersetzung.
Beitrag von Francis Wurtz
Mit den Milliarden, die von der Kanzlerin seit 2015 zur Aufnahme von Migranten ausgegeben wurden „hätte wesentlich mehr Bedürftigen in Deutschland geholfen werden können“; „Mehr Wirtschaftsmigranten bedeutet mehr Wettbewerb, um an Jobs in den Niedriglohnsektoren zu kommen“; Deutschland verfügt nicht „über ausreichende Mittel für seine bedürftigsten Bürger, seine Sozialwohnungen oder seine überfüllten Schulen“ … In diesem Sommer rieben sich viele von uns die Augen, als sie diese Wortmeldungen aus der Presse entnahmen, stammen sie doch von einer der führenden Persönlichkeiten der Partei „Die Linke“: Sahra Wagenknecht!
Es gibt Schlimmeres, wird man uns entgegenhalten! Von Salvini, auf Seiten der Rechtsextremen, der sich weigert, die Insassen der auf hoher See eingesetzten Rettungsschiffe an Land gehen zu lassen, bis zum deutschen Innenminister, auf Seiten des rechten Rands der Konservativen, der sein „Verständnis“ für das Chemnitzer Pogrom gegen Ausländer zum Ausdruck brachte, über den Präsidenten der Tschechischen Republik Milos Zeman, ein Sozialdemokrat, der den „Feind“ in „der Anti-Zivilisation, die sich von Nordafrika bis Indonesien erstreckt“, sieht. Demgegenüber erklärt sich Sahra Wagenknecht mit den Positionen ihrer Partei zugunsten der Anerkennung des Rechts auf Asyl oder für die Zusammenführung von Familien einverstanden; sie fordert keine Massenausweisungen und sie hetzt nicht gegen den Islam. Aber von einer Führungsfigur der einzig wirklichen linken Partei eines Landes wie Deutschland, die überdies in den Medien sehr präsent ist, erwartet man weit mehr! Denn de facto rüttelt sie, in einer Gesellschaft, die ernsthaft von einer beginnenden Rückkehr ihrer alten Dämonen bedroht ist, auf diese Weise an einem der letzten Bollwerke, das Elemente einer Klassenorientierung sowie humanistische Werte verteidigte.
Niemand würde es ihr zum Vorwurf machen – ganz im Gegenteil! –, hätte sie eine sachliche Debatte über Migrationsbewegungen in der heutigen Welt angeregt, verbunden mit der notwendigen Suche nach humanen und tragfähigen Lösungen für die dramatischen Probleme, die durch eine kurzsichtige Verwaltung dieses dauerhaften Phänomens sowohl in den Herkunftsländern, wie in den Aufnahmeländern und, nicht zuletzt, für die Flüchtlinge selbst entstehen. Aber wie kann man als Vertreterin der Linken die Vorstellung gelten lassen, die Führungsmacht der Europäischen Union, die jährliche Handelsüberschüsse in Höhe von 250 Milliarden Euro anhäuft, – habe aufgrund von Migranten … – nicht die „ausreichenden Mittel“, um seine öffentlichen Dienste zu finanzieren und seinen „bedürftigsten Bürgern“ Hilfe zu leisten! Auf diese Weise – im Widerspruch zu den richtigen Kämpfen, die sie im Übrigen mit ihrer Partei führt – dazu beizutragen, den äußerst berechtigten Unmut der Millionen Menschen, die durch das Schröder-Merkel-Modell an den Rand gedrängt wurden, auf die Migranten zu lenken, ist das Letzte, was man von einer Vertreterin der Linken wie Sahra Wagenknecht erwartet.
Wie also die Beweggründe verstehen, die eine intelligente, talentierte und im Übrigen den Kämpfen ihrer Partei sehr verbundene Führungsfigur mit dieser Strategie verbindet – denn um eine solche handelt es sich; erprobt auf dem Parteitag der Linken im Juni 2018, wo sie unter den Buhrufen der großen Mehrheit der Delegierten scheiterte? Hierzu hat sie sich unlängst selbst geäußert: „Diese Bewegung muss Druck auf die bereits bestehenden Parteien aufbauen, damit unsere Politik von einer Mehrheit getragen wird. Der Wandel der „Parti de Gauche“ in Richtung „France Insoumise“ ist in gewisser Weise unser Vorbild (…) FI gelingt es, eine Wählerschaft zu erreichen, die wesentlich größer ist als unsere. Wir möchten das gleiche tun.“[1] Nein, Sahra: Der Zweck heiligt nicht die Mittel. Du spielst mit dem Feuer!
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[1] Interview in „Midi Insoumis, Populaire et Citoyen“ (7.9.2018). Siehe auch das besorgniserregende Interview von Djiordje Kuzmanovic auf der Seite der Zeitschrift „L’Obs“ und die Reaktion von Roger Martelli in „Regards“ (9.9.2018).
Übersetzung aus dem Französischen: Hanna Penzer