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„Bild“ ist keine Macht

Erstellt von Redaktion am Montag 28. Februar 2011

Helden-Frontfrau Judith Holofernes

Judith holofernes.jpg

„Wir Sind Helden“ sind nun wirklich nicht als Band bekannt, die gerne Werbung macht. Schon gar nicht für Deutschlands Boulevard-Zeitung Nummer eins. Trotzdem klopfte die Werbeagentur Jung von Matt mit der Frage an, ob man nicht bei der aktuellen Werbekampagne für die BILD-Zeitung mitmachen möchte. An dieser Kampagne beteiligen sich unter anderen Promis wie Mario Barth, Franz Beckenbauer oder Phillip Lahm und äußern so ihre Meinung zum Blatt.

Die Antwort von Wir Sind Helden-Frontfrau Judith Holofernes ist lesenswert. Darin bezeichnet sie die BILD-Zeitung als „gefährliches politisches Instrument“ und „bösartiges Wesen“. Diese Briefe sind als „Offene Briefe“ ins Netz gestellt worden. Das Antwortschreiben von Holofernes wurde in der Montags-Ausgabe der TAZ als ganzseitiger Werbeauftrag der Bild abgedruckt.

„Offene Briefe“

Sehr geehrte Damen und Herren,

wir sind als Werbeagentur mit der aktuellen BILD-​Kampagne betraut, in der wir hochkarätigen Prominenten eine Bühne bieten, ihre offene, ehrliche und ungeschönte Meinung zur BILD mitzuteilen.

Derzeit planen wir die nächste Produktionsphase für Frühjahr 2011. Die neu zu produzierenden TV- und Kinospots sowie Plakat- und Anzeigenmotive sollen die bestehenden Motive von Veronica Ferres, Thomas Gottschalk, Philipp Lahm, Richard von Weizsäcker, Mario Barth u.v.m. ergänzen.

Für diese Fortführung der Kampagne möchten wir sehr gern “Wir sind Helden” gewinnen.

Das schöne an der Kampagne ist, dass sie einem guten Zweck zu Gute kommt. BILD spendet in Namen jedes Prominenten 10.0000,- Euro an einen von Ihnen zu bestimmenden Zweck.

Lassen Sie uns gern telefonieren und die Details besprechen. Zur Detailinformation senden wir Ihnen bereits heute anbei einige weiterführende Informationen.

Ich freue mich dazu von Ihnen zu hören.
Herzliche Grüße aus Hamburg,
Jung von Matt/Alster Werbeagentur GmbH

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Liebe Werbeagentur Jung von Matt,

bzgl. Eurer Anfrage, ob wir bei der aktuellen Bild – Kampagne mitmachen wollen:

Ich glaub, es hackt.

Die laufende Plakat-Aktion der Bild-Zeitung mit sogenannten Testimonials, also irgendwelchem kommentierendem Geseiere (Auch kritischem! Hört, hört!) von sogenannten Prominenten (auch Kritischen! Oho!) ist das Perfideste, was mir seit langer Zeit untergekommen ist. Will heißen: nach Euren Maßstäben sicher eine gelungene Aktion.

Selten hat eine Werbekampagne so geschickt mit der Dummheit auf allen Seiten gespielt. Da sind auf der einen Seite die Promis, die sich denken: Hmm, die Bildzeitung, mal ehrlich, das lesen schon wahnsinnig viele Leute, das wär schon schick… Aber irgendwie geht das eigentlich nicht, ne, weil ist ja irgendwie unter meinem Niveau/evil/zu sichtbar berechnend… Und dann kommt ihr, liebe Agentur, und baut diesen armen gespaltenen Prominenten eine Brücke, eine wackelige, glitschige, aber hey, was soll’s, auf der anderen Seite liegt, sagen wir mal, eine Tüte Gummibärchen. Ihr sagt jenen Promis: wisst ihr was, ihr kriegt einfach kein Geld! Wir spenden einfach ein bisschen Kohle in eurem Namen, dann passt das schon, weil, wer spendet, der kann kein Ego haben, verstehste? Und außerdem, pass auf, jetzt kommt’s: ihr könnt sagen, WAS IHR WOLLT!

Und dann denken sich diese Promis, im Rahmen ihrer Möglichkeiten, irgendeine pseudo -distanziertes Gewäsch aus, irgendwas “total Spitzfindiges”, oder Clever- Unverbindliches, oder Überhebliches, oder… Und glauben, so kämen sie aus der Nummer raus, ohne ihr Gesicht zu verlieren. Und haben trotzdem unheimlich viele saudumme Menschen erreicht! Hurra.

Auf der anderen Seite, das erklärt sich von selbst, der Rezipient, der saudumme, der sich denkt: Mensch, diese Bild – Zeitung, die traut sich was.

Und, die dritte Seite: Ihr, liebe jungdynamische Menschen, die ihr, zumindest in einem sehr spezialisierten Teil eures Gehirns, genau wisst, was ihr tut. Außer vielleicht, wenn ihr auf die Idee kommt, “Wir sind Helden” für die Kampagne anzufragen, weil, mal ehrlich, das wäre doch total lustig, wenn ausgerechnet die…

Das Problem dabei: ich hab wahrscheinlich mit der Hälfte von euch studiert, und ich weiß, dass ihr im ersten Semester lernt, dass das Medium die Botschaft ist. Oder, noch mal anders gesagt, dass es kein “Gutes im Schlechten” gibt. Das heißt: ich weiß, dass ihr wisst, und ich weiß, dass ihr drauf scheißt.

Die BILD -Zeitung ist kein augenzwinkernd zu betrachtendes Trash-Kulturgut und kein harmloses “Guilty Pleasure” für wohlfrisierte Aufstreber, keine witzige soziale Referenz und kein Lifestyle-Zitat. Und schon gar nicht ist die Bild – Zeitung das, als was ihr sie verkaufen wollt: Hassgeliebtes, aber weitestgehend harmloses Inventar eines eigentlich viel schlaueren Deutschlands.

Die Bildzeitung ist ein gefährliches politisches Instrument — nicht nur ein stark vergrößerndes Fernrohr in den Abgrund, sondern ein bösartiges Wesen, das Deutschland nicht beschreibt, sondern macht. Mit einer Agenda.

In der Gefahr, dass ich mich wiederhole: ich glaub es hackt.

Mit höflichen Grüßen,

Judith Holofernes

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Judith Holofernes über die „Bild“-Kampagne

„Die ‚Bild‘ ist keine Supermacht“

Das Interview:

Das Medium ist die Botschaft, sagt Judith Holofernes. Sie hat es abgelehnt, für die „Bild“-Zeitung zu werben, und ihre Absage ins Netz gestellt. „Bild“ bedankt sich mit einer ganzseitigen Anzeige.

taz: Da wir uns schon lange kennen, duze ich dich. Jetzt ist eure Band-Website zusammengebrochen. Liegt das daran, dass ihr so einen lahmen Server habt oder dass du einen Nerv getroffen hast?

Judith Holofernes: Also unser Server ist garantiert nicht der größte. Aber dass er zusammenbricht, hat mich dann doch überrascht. Und der von BildBlog.de ist auch angeschlagen.

Hast du den Brief schon mit der Absicht geschrieben, den dann auch in die Öffentlichkeit zu stellen, oder war der erst mal nur an die Damen und Herren von Jung von Matt gerichtet?

Das war schon so geschrieben als Antwort in die Öffentlichkeit, um meines eigenen Amüsements und Seelenheils willen. Ich hab über die Jahre so viel Blödheit an mich herangetragen bekommen, dass ich einfach ein ganz tiefes Bedürfnis hatte, nicht immer nur drüberzustehen, sondern auch mal zu reagieren.

Nun könnte man sich vorstellen, dass die Agentur für diese Werbekampagne öfter mal eine Absage kassiert – aber du machst mit deinem offenen Brief aus deiner Absage ja sozusagen eine Kampagne gegen Bild! Hast du eine Mission?

Es hatte in erster Linie was mit Herzenshygiene zu tun. Und ich habe ein starkes Bedürfnis, mich da abzugrenzen, drum wollte ich das öffentlich tun. Auf der anderen Seite habe ich mir schon auch gedacht, dass die Art, wie ich das getan habe, den ein oder anderen amüsieren könnte und vielleicht auch ein bisschen erhellen. Ich glaube, dass viele Leute verärgert und genervt waren von dieser Kampagne, aber gar nicht so genau benennen konnten, was das eigentlich ist, was sie daran so stört.

Quelle: TAZ >>>>> weiterlesen

IE

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Grafikquelle  : Judith Holofernes – Lead singer of the german pop band „Wir sind Helden“

2 Kommentare zu “„Bild“ ist keine Macht”

  1. schroeder.f sagt:

    Ich habe am vergangenen Freitag den „Kölner Treff“ angeschaut; hier war Judith Holofernes „Wir sind Helden“ zu Gast:

    http://www.wdr.de/tv/koelner_treff/

    Hinweis und Status: Heute, 28.02.2011, ist die Sendung noch an oberster Stelle zu finden; zu einem späteren Zeitpunkt über das ende dieser Woche hinaus ist die Sendung noch unter den „letzten fünf zu finden“; später wird man über die Suchfunktion fündig; Eingabe ‚Judith Holofernes‘

    Ich sage – als alter 68-iger – HUT APP, Judith. Haut dem Springer auf die Finger!

    Ich „lach mich immer noch kaputt“, wenn Atze Schröder sein Pseudogeschwätz loslässt, und die BILD-Leute „in den Arsch tritt“; Mario Barth macht sowieso aus Scheisse Geld, wobei ihm keine noch so dämlicher Witz zu dreckig ist, Beckenbauer hat es einfach nötig (Alimente) und Lahm – naja, kein Kommentar, in diesem Fall sagt der Name bereits etwas aus.
    Und seinen sonstigen Charakter hat der Lahm ja bei der Abservierung von Ballack öffentlich zur Schau gestellt.

  2. UP. sagt:

    Ich habe die Sendung auch gesehen. Fand die Reaktion von „Wird sind Helden“-Frontsängerin auch mehr als deutlich und richtig.

    Mehr noch beeindruckt hat mich Walter Kohl, der Sohn vom „Ehrenwort-Altkanzler“; er hat ein Buch geschrieben, welches sein Leben als Kohl-Kind beschreibt zwischen Maschinenpistolen und „der Liebe seine Vaters“.

    Entgegen der Überschrift halte ich BILD schon für eine Macht, sogar für eine sehr gefährliche, was sich nicht zuletzt in der Guggelberg-positiv-Aktion äusserte.

    Und man darf bei Erwähnung von BILD (und/oder RTL) nie das Kaffeekränzchen vergessen, welches Deutschland regiert:

    Der Hosenazug aus Meckpomm
    Friede Springer – BILD & Co
    Liz Mohn – Bertelsmann und RTL: z.Z. auch Arbeitgeberin von Freifr. zu Guttenberg.

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