Bewegt Euch! – LINKE
Erstellt von DL-Redaktion am Freitag 2. Februar 2018
Die Politik verzettelt sich im Klein-Klein
Von Gero von Randow
Brauchen die politischen Linken wirklich eine neue linke Volkspartei?
Es liegt etwas in der Luft. Vielleicht bleibt es da auch, in der Luft. Vielleicht aber schlägt es sich nieder.
Aber die globalen Krisen, deren Zeitgenossen wir sind – jeder Zeitungsleser kennt sie, sie seien nicht wieder aufgezählt –, passen nicht in das kleinräumige Geschirr, von dem jetzt täglich zu lesen ist. Von den Nachbesserungen oder Neuverhandlungen etwa, die der SPD-Parteitag von der Parteiführung verlangt. In der Binnenlogik der Politik ist das alles folgerichtig und kann ihr daher schlecht vorgeworfen werden, aber es hat schon seine Gründe, dass derzeit von einem neuen Bedarf an Utopien gesprochen wird oder wenigstens davon, den Blick über den Horizont des Gegebenen streifen zu lassen.
Hätte es eines äußeren Anlasses bedurft, dann wären es die fälligen Jubiläen dieses Jahres, dessen Zahl mit einer Acht endet. 1848, 1918, 1968. Ihnen gemeinsam ist, dass ihr Thema die einstige und die zukünftige Linke ist. Mit den Zeiten ändert sich das, was unter links verstanden wird, aber die Tradition besteht fort, dass die Linke, stets etwas abstrakt, die Zukunft ausmalt und die Rechte (im herkömmlichen, nicht pejorativen Sinn), stets konkreter als die Linke, auf das achtet, was besser bewahrt werden soll. Eine bewährte Arbeitsteilung, und wir könnten im Stil der Märchen von Rudyard Kipling fragen: So weit ist alles schön und gut, nicht wahr, mein Liebling?
Leider ist nicht alles schön und gut so weit. Überhaupt nicht schön und gut. Weshalb etwa seit der Jahreswende die Idee kursiert, eine neue Partei zu gründen. Das zeigt im Übrigen, dass die Parteiendemokratie ganz so tot nicht ist.
Es handelt sich, genauer gesagt, um zwei Ideen. In beiden Fällen wird zwar von „Bewegungen“ gesprochen, aber gemeint sind durchaus solche, aus denen Formationen hervorgehen sollen, die sich Wahlen stellen.

Was hätten wir dann? Eine nationalbornierte Linke, so wie es derzeit aussieht. Mario Neumann, ein junger Aktivist und Theoretiker aus Berlin, beschreibt sie so: „Ihr geografischer und politischer Horizont ist der nationale Wohlfahrtsstaat.“ Ein Raum, in dessen klar definierten Grenzen ein klar definiertes Staatsvolk die „soziale Frage“ stellt. Wer nicht dazugehört, dem werde bestenfalls Asyl gewährt: Das aber sei „keine linke Antwort auf den globalisierten Kapitalismus, sondern eine Bankrotterklärung“, denn sie gebe jeden universalistischen Anspruch auf.
Die KPD flirtete in den Zwanzigern mit dem rechten Rand
Gewiss, die Vertreter des Lafontaineschen Kurses haben sich bislang nur in seltenen Momenten der Offenheit dafür ausgesprochen, Deutschland abzuschotten. Vielmehr fordern sie, die Kosten der Migration nicht auf die Einkommensschwachen abzuwälzen. Aber sie werden wissen, wie die Basis ihre Signale versteht: Grenzen dicht. Nur wir sind das Volk.
„Wir geben unsere Traditionen nicht auf, unseren Nationalcharakter, um uns durch andere Völker oder Roboter ersetzen zu lassen“ – so spricht Marion Le Pen, die Nichte (und eines Tages vielleicht Nachfolgerin) von Marine Le Pen. Kein Zutritt für Roboter und andere Fremde also. Wir bunkern uns ein und blicken auf die Welt durch die Schießscharte. Die Nationallinke darf sich währenddessen um die sozialstaatliche Ausgestaltung des Innenraums kümmern.
Polemische Überzeichnung? Es kursiert das Argument, die Linke müsse angesichts rechtsradikaler Trends so argumentieren, dass sie auch deren Anhängerschaft erreicht. „Da muss man sich halt mal die Finger schmutzig machen“, wie ein prominenter Verfechter dieses Gedankens mit der Bitte um Anonymität verrät. „Die KPD in der Weimarer Republik hat das ja auch versucht.“ Ein Hinweis, dem nachzugehen keine vertane Zeit ist.
Denn auf welche Weise sich die KPD bemühte, das demonstrierte ein unter Historikern viel diskutierter Auftritt der führenden KPD-Funktionärin Ruth Fischer im Jahr 1923, die auf einer Versammlung rechtsradikaler Studenten gesagt haben soll: „Wer gegen das Judenkapital aufruft, meine Herren, ist schon Klassenkämpfer, auch wenn er es nicht weiß.“ Wie ja auch nach Ansicht mancher Leute die Wähler der AfD oder Donald Trumps nicht wissen, dass sie in Wahrheit den Neoliberalismus bekämpfen.
Quelle — Zeit-online >>>>> weiterlesen
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Grafikquellen .
Oben — Nicht angemeldete Demonstration am 1. Mai 2006 in Berlin-Kreuzberg