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Berufungsverfahren-Assange

Erstellt von DL-Redaktion am Samstag 30. Oktober 2021

Das letzte bisschen Hoffnung

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Jede Macht auf dieser Erde wird einen solchen Fall unter Demokratie verbuchen ! Recht hat immer der, welcher auch Recht bekommt.

Von Susanne Schwarz

In London kämpfen Anwälte und Unterstützer von Julian Assange weiter gegen eine Auslieferung in die USA. Sie könnte für ihn tödlich enden.

In den britischen Zeitungen erscheinen am Mittwochmorgen ganzseitige Anzeigen. Darauf ist das Gesicht eines Mannes im mittleren Alter mit gepflegtem Dreitagebart zu sehen, Julian Assanges Gesicht. „Journalismus ist kein Verbrechen“ steht auf der schwarz-weißen Nahaufnahme. Das Gesicht hat nur noch wenig Ähnlichkeit mit jenem, das bald darauf per Videostream aus dem Londoner Gefängnis Belmarsh zu sehen sein wird. Der Gründer der Enthüllungsplattform Wikileaks ist 50 Jahre alt und hat die letzten neun davon in geschlossenen Räumen verbracht. Er sieht heute aus wie ein Greis, abgemagert, krank.

Die USA werfen ihm Spionage vor, was ihm 175 Jahre Haft einbrächte. Im Januar hatte ein britisches Gericht die Auslieferung abgelehnt, die USA reichte Beschwerde ein, jetzt verhandelt der High Court in einem kirchenartigen Justizpalast im Zentrum Londons darüber.

Assange nimmt an der Verhandlung nur per Video aus dem 18 Kilometer entfernten Gefängnis teil. „Wir haben beantragt, dass er ins Gericht kommen darf, aber das wurde ohne Begründung abgelehnt“, sagt Aitor Martínez. Der Spanier gehört seit 2013 zu Assanges Verteidigern. Dass er ihn persönlich sprechen konnte, ist Monate her. Als er am Dienstag in London eintrifft, ist er dennoch guter Dinge. Aus Verteidigungssicht liefen die letzten Monate nicht schlecht.

Im Juni räumte der isländische Hacker Sigurdur Thordarson, 2010 bei Wikileaks aktiv, in einem Interview ein, belastende Aussagen gegen Assange erfunden zu haben. Assange habe ihn in Wahrheit nie gebeten, Telefon­aufzeichnungen von Abgeordneten zu hacken. Er habe Assange nur belastet, weil das FBI ihm dafür Straffreiheit wegen anderer Vorwürfe zugesichert hatte. Die Aussage Thordarsons ist einer der wichtigsten Beweise, den die USA in London vorgelegt hatten, um ihr Auslieferungsersuchen zu begründen. Thordarson sitzt in Island wegen anderer Straftaten in Haft.

Einsitzen neben Dschihadisten und Nazi-Terroristen

Im September dann gaben Ex-CIAler gegenüber der US-Nachrichtenseite Yahoo zu, dass sie Pläne geschmiedet hatten, Assange zu töten. Genau das hatten Mitarbeiter einer an dem Komplott beteiligten spanischen Sicherheitsfirma zuvor schon in einem Verfahren in Madrid ausgesagt, das der Anwalt Martínez dort führt. „Es ist völlig unmöglich, unter diesen Umständen eine Auslieferung zuzulassen“, sagt Martínez.

Für viele, vor allem im Globalen Süden, ist Assange der Inbegriff eines politischen Gefangenen: Jemand, der Kriegsverbrechen des Westens aufdeckte und dafür heute neben Dschihadisten und Nazi-Terroristen einsitzt und womöglich bald im selben US-Hochsicherheitsgefängnis wie mexikanische Kartellbosse.

Assange verlor viele Sympathien, als er 2016 von Russland gehackte E-Mails der US-Demokraten veröffentlichte, Hillary Clintons Kampagne so ins Chaos stürzte und Trump auf dem Weg ins Weiße Haus half.

Für seine Unterstützer, die sich an diesem Morgen vor dem Gericht in London versammelt haben, spielt das keine Rolle. Sie tragen Transparente, haben Hunderte gelbe Schleifen an die Zäune geknotet. Assanges Vater, seine Verlobte, mit der er zwei kleine Kinder hat, und die Anwälte, werden bejubelt, als sie in das Gerichtsgebäude laufen.

Elektro-Orgel und Beatles-Songs für Assange

Für Assanges Anhänger ist der „Krieg gegen den Terror“, vor allem in Afghanistan und Irak, der größte Sündenfall des Westens, den sie erlebt haben – und Großbritannien war eine der treibenden Kräfte. Auf den Tischen der Mahnwachen liegen Broschüren zum 20. Jahrestag der britischen „Stoppt-den-Krieg“-Kampagne. Assange ist für viele hier auch deshalb eine Lichtgestalt, weil er den Krieg, den sie nicht zu verhindern vermochten, entlarvte: 2010 veröffentlichte Wikileaks geheime Dokumente der US-Armee. Sie belegten tausendfache Folter und zeigten, dass die USA bis dahin rund 15.000 Zivilisten mehr im Irak getötet hatten, als offiziell bekannt war.

Mark Record ist einer der Demonstranten. In einem Lastenrad hat er eine Elektro-Orgel vor das Gericht geschoben. Er trägt ein Richterkostüm, die grauen Locken seiner Richterperücke fliegen hin und her, wenn er mit seinem Holzhammer auf ein Tischchen schlägt. Den ganzen Tag steht er wie ein tanzendes Maskottchen vor den Demonstranten, singt umgetextete Beatles-Songs. Ab und zu unterbricht er seine Show, um die Tonspur eines Videos abzuspielen, das Wikileaks 2010 unter dem polemischen Titel „Kollateralmord“ veröffentlichte.

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Es zeigt aus Sicht der Besatzung eines US-Armeehubschraubers, wie diese mindestens ein Dutzend Menschen, darunter unbewaffnete Zivilisten und drei Reuters-Journalisten, tötet. Der Pilot lässt sich zu den „toten Bastarden“ gratulieren. „So was passiert dauernd, aber es ist das einzige Video von einer solchen Situation“, sagt Record. „Darum geht es hier. Die Leute sollen sehen, dass Julian nicht irgendein Idiot ist, der einfach irgendwas gehackt hat.“

US-Gefängnis mit „Supermax“-Sicherheitsstandard

Die Verhandlung dreht sich vor allem um die Frage, wie wahrscheinlich es ist, dass Assange sich in US-Haft umbringen könnte. Seine Verteidiger stützen ihre Argumentation darauf, dass er in ein bestimmtes Gefängnis in Colorado kommen würde. Es ist der einzige US-Knast, der den „Supermax“-Sicherheitsstandard erfüllt: Die Insassen haben null Kontakt mit anderen und nur zwei Stunden Ausgang – nachts.

Zudem dürfte Assange sogenannten „Sonderverwaltungsmaßnahmen“ unterworfen sein. Nicht mal mit seinen Anwälten könnte er vertraulich sprechen. Im ersten Verfahren hatte der Londoner Neuropsychiatrie-Professor Michael Kopelman festgestellt, dass solche Isolation den psychisch mittlerweile schwer erkrankten Assange in den Suizid treiben könnte. Der Auslieferungsantrag wurde deshalb abgewiesen.

Quelle       :         TAZ-online           >>>>>         weiterlesen

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Grafikquellen          :

Oben     —     Londres (Reino Unido), 18 de Agosto 2014, Canciller Ricardo Patiño y Julian Assange ofrecieron una rueda de prensa con presencia de medios internacionales. Foto: David G Silvers. Cancillería del Ecuador.

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