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The Grand Budapest Hotel

Erstellt von Redaktion am Dienstag 11. Februar 2014

Zeitvergeudung auf hohem Niveau

Autor: U. Gellermann

Rationalgalerie

Datum: 10. Februar 2014

Tatatata: Der Eröffnungs-Film der Berlinale wirft mit Filmprominenz nur so um sich. In „The Grand Budapest Hotel“ sind sie alle versammelt: Ralph Fiennes, Willem Dafoe, Harvey Keitel, Jude Law, Bill Murray, Edward Norton und Tilda Swinton leihen im Film von Wes Anderson einem exquisiten Comic Strip ihre Gesichter. Aber auch wenn der Regisseur behauptet, er habe seine Story irgendwie dem österreichischen Schriftsteller Stefan Zweig zu verdanken, muss man den großen Autor in Schutz nehmen: Keiner seiner Bücher ist zu erkennen.

Zu erkennen ist eines der östlichen Länder der österreichischen Doppelmonarchie in der Zwischenkriegszeit. Der noch kaum verblassende Glanz eines Luxushotels ist die üppige Dekoration für den Lebensweg eines Concierge (Ralph Fiennes), dem der erheblich clevere Zero (Tony Revolori) als Lobby Boy assistiert. Nichts ist echt, bis in die kleinsten Lebensregungen ist alles wunderbar süßlich gefälscht und im Mittelpunkt steht die Form. Der Inhalt? Die Inhaberin des Hotels, die völlig verschandelte, weil auf über 80 Jahre gemaskenbildnerte Tilda Swinton, wird ermordet. Sie hat dem Concierge ein elend kostbares Gemälde vermacht, das ihre Sippe dem nicht gönnt.

Pünktlich mit Tilda Swintons Tod beginnt eine Schnitzeljagd durch die 20er Jahre, drohend, aber leider auch zu komisch, stehen die Nazis am Horizont, immer wieder fährt die Kamera faszinierend durch lange Flure, mal jene des Luxushotels, dann wieder durch jene eines Gefängnisses in dem der Concierge gelandet ist weil er unter Mordverdacht steht. Dort wird er, gemeinsam mit einer ausgesucht skurrilen Verbrechertruppe, ausbrechen und keinen Gag auslassen. Nicht einmal auf das in Pasteten eingebackene Ausbruchswerkzeug kann verzichtet werden.

Hundert Minuten Filmzeit gehen im „The Grand Budapest Hotel“ wie im Flug vorbei und wer ganz genau hinsehen will, der erkennt, statt des erwarteten Budapest das Städtchen Görlitz, den eigentlichen Drehort, und kann auch dieser sächsischen Stadt einiges abgewinnen. Der Film ist gemacht, um die Zeit zu vertreiben, und wenn alle einzelnen Diapositive, Standbilder die vorgeben Film zu sein, mit sanftem Klick gezeigt worden sind, ist die Zeit auch endlich vergnüglich vergeudet. Auf ziemlich hohem ästhetischen Niveau. Man wird sehen, was das wahrscheinlich größte Filmfestival der Welt mit seinen 409 Filmen, seiner nahezu halben Million Zuschauern, seinen 936 Vorführungen und seinen vielen Stars in den nächsten Tagen noch zu bieten hat. Sicherlich ein wenig mehr Inhalt.

BERLINALE: Sari trifft Dirndl

Über aus der Art geschlagene Kinder

Zu den vielen Sektionen der Berlinale, gehört auch die Reihe „Perspektive Deutsches Kino“. Hier sind die künftigen Fassbinders zu entdecken oder die Andreas Dresens oder Fatih Akins. Und zwei von diesen Talenten haben gemeinsam einen sehr privaten Film über zwei fremde Kulturen gemacht, über die Sitten und Bräuche der Bayern und der Tamilen: „Amma & Appa“. Schnell erfährt der Zuschauer das Amma nichts anders ist als Mamma auf Tamil, und Appa wiederum Pappa in der fernen fremden Sprache bedeuet.

Da lieben sie sich nun, die Franzi und der Jaya. Sie so handfest und pragmatisch wie nur je eine junge Frau in Bayern geboren wurde. Er eher zart und sensibel wie, ja nun, wie einer der Kunst studiert. Und weil Jaya aus Indien stammt und eher Englisch spricht (von seinem Herkunfts-Tamil ganz zu schweigen), kommt der Hochdeutsche in den angenehmen Genuss von Untertiteln auch unterhalb des Film-Bayerischen. Ob die das im Fernsehen auch machen könnten? Bei all den Dramen, die in den Alpen spielen und in denen kernige Burschen den drallen Madeln immer Worte zuwerfen, die wie Oachkatzlschwoaf klingen und weiß-Gott-was zu bedeuten haben? Das wäre eine echte Hilfe. Wer jetzt von Rassismus spricht, verkennt die tiefe Ausländerfreundlichkeit des Filmkritikers: Er will doch nur verstehen.

Um Verständnis ringen auch Pappa und Mamma in Franzis Fall. Die Franzi, sagt der Pappa, die habe schon immer eine Vorliebe für dunkle Typen gehabt, jo mei, er will das verbotene N-Wort nicht sagen, aber ganz schön dunkel sei der Jaya schon und Franzi ist schon dreissig, da waren die Eltern längst zehn Jahre verheiratet. Und ihre jüngere Schwester ist auch schon verehelicht, in Glitzerweiß und in einer Orgelkirche, prächtig anzuschauen. Nur sie, die Franzi, hat eine Beziehung zu einem indischen Tamilen, dessen Heimatort für indische Verhältnisse eher ein Kaff ist, Cuddalore, und das in Süd-Indien liegt, weit weg von den modernen indischen Zentren. Aber jetzt, sagt sich die Franziska Schönenberger, jetzt will sie die Verhältnisse mal anschieben und begibt sich gemeinsam mit ihrem Komilitonen Jayakrishnan Subramanian auf nach Indien und in einen Dokumentarfilm den die beiden drehen.

Was „Jo mei“ in Tamil heißt, sagt der Film nicht, aber so was wie „meine Fresse“ werden Amma und Appa, die Eltern von Jaya, sicher ausgerufen haben, auf Tamil versteht sich, als ihr Sohn sie mit seinen bayerischen Heiratsplänen konfrontiert hat: Keine Inderin! Keine Tamilin! Keine aus der selben Kaste! Und, last but allerschlimmst: Nicht mit tamilischen Eltern aus der gleichen Kaste vorher verabredet, ohne dass die Kinder lange gefragt wurden. Jetzt könnte der interkulturelle Dialog an seiner wundesten Stelle schon zugrunde gehen. Was? Keine Liebesheirat, eine Zwangsverheiratung gar? Aber Franzi und Jaya spielen da nicht mit und lassen Franzis Eltern vor der Kamera erzählen, dass deren Heirat zwar nicht arrangiert aber schon gut geplant war und das mit der Liebe, jo mei! Das zu erzählen ist den beiden höchst liebevoll geraten und mit jenem Augenzwinkern, das nur den besseren Filmemachern gelingt.

Völlig verständnislos fragt die Amma: Was macht die fremde junge Frau? Wenn die sich freut, macht sie laut „ha-ha“ und wenn sie traurig ist kräftig „hu-hu“, und ganz plötzlich fällt einem das grobe Deutsch bei der Zurschaustellung der Gefühle auf und die würdige tamilische Zurückhaltung. All das haben Amma und Appa ausgelöst, nur weil sie die Fremde höflich aufgenommen (ha-ha) und ihr dazu noch einen Sari geschenkt haben (hu-hu). Aber das Weinen ist doch aus purem Glück! Wenn dann liebevoll die Pflege des hinduistische Hausaltar gezeigt wird und im Gegenschnitt der ebenso liebevolle Aufbau einer Weihnachtskrippe in Bayern, dann ist der Betrachter schon darauf eingestimmt, dass sich die bayerischen wie die tamilischen Eltern zumindest in einem einig sind: In ihrer Sorge über die Zukunft dieser beiden aus der jeweiligen Art geschlagenen Kinder.

Zu sehen ist noch ein bayerisches Grillfest auf einem tamilischen Dach, zu sehen ist ein fahrender Tempel, zu sehen ist in keiner Minute eine Denunziation einer der beiden Kulturen. Und wenn man aus dem Film herauskommt, ist man klüger und fröhlicher als man hineingegangen ist. Was mit der Hochzeit ist? Jo mei, was, je nach Betonung ebenso „meine Fresse“ heißen kann wie „Du meine Güte“ oder auch „Schaun mer mal“. Womit dann wieder die Frage nach den Untertiteln auftaucht.

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Fotoquelle: Wikipedia – Author *Solar ikon*

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