BERLINALE: Censored Voices
Erstellt von Gast-Autor am Sonntag 25. Januar 2015
Amos Oz: Israels Schande auf Band
Autor: U. Gellermann
Datum: 24. Januar 2015
Der große alte Mann der israelischen Literatur, Amos Oz, ist die zentrale Figur des Films „Censored Voices“ von Mor Loushy, der in den nächsten Tagen in der Sektion „Panorama“ der Berlinale gezeigt wird. Vorab versucht die Berlinale einen Teil der zumeist über 400 Filme den Journalisten vorab zu präsentieren. Nun also ein Film über Tonbänder, die Amos Oz unmittelbar nach dem israelischen „Sechstage-Krieg“ (1967) von jungen Soldaten besprechen ließ, die ihre Erfahrungen zu Protokoll gaben. Und anders als die offizielle Sieges-Propaganda verordnete, gaben die jungen Männer auch ihr Grauen preis, ihre Ängste und Zweifel. Deshalb fielen die Bänder von damals bis heute unter die Zensur.
Noch sind die Eindrücke frisch, unverstellt von der ideologische Überformung, die den Sechstage-Krieg bis heute als gerechten, sauberen und notwendigen Krieg verkauft. Die jungen Männer haben Leid und Tod gesehen, mehrheitlich sind sie nicht gefühllos, wissen um Gefangenenerschießungen, um die Erniedrigung des Gegners, und vor allem um die Vertreibung der Palästinenser von ihrem Land. Die, so wörtlich, an den Holocaust erinnert, den die Soldaten zwar nicht miterlebt haben können, dessen Erzählung aber ihr Leben prägte. Der Regisseurin ist es gelungen, zu den historischen Tonbändern alte Filmaufnahmen zu finden, die mit ihren Transportwagen voller wehrloser Flüchtlinge und dem Massen-Exodus der Palästinenser aus ihren Orten auf Eseln und zu Fuß, tatsächlich an die Vertreibung polnischer Juden aus ihren Häusern während des 2. Weltkrieges gemahnen.
„Nicht einmal Michis Fingernagel“, erinnert sich einer der damals jungen Soldaten an den Ausruf einer Mutter am Grab ihres Sohnes, „ist die Eroberung Ostjerusalems und der Klagemauer wert!“ Und mahnt so, nach- und eindrücklich, dass auch gewonnene Kriege eigene Opfer kennen. Und bitter konstatiert einer der jungen Männer, dass dieser Krieg kein Ende haben wird, haben kann, weil er ungerecht ist. Er sollte mit seiner Prophetie Recht behalten. – Konzentriert und nur selten sichtbar bewegt schauen die nun alt gewordenen Soldaten in die Kamera, während ihre Tonbandprotokolle ablaufen. Manchem von Ihnen war der Krieg eine Lehre, andere haben in den Jahren danach wenig begriffen.
Ob Zuschauer durch den Film dem Begreifen der israelischen Unterdrückung nahe kommen ist schwer zu beantworten. Ist doch gerade der Sechstage-Krieg, die Legende vom israelischen David, der gegen die vereinigten arabischen Nachbarn einen verdienten Sieg errungen hat, übermächtig in seiner ideologischen Wirkung. Längst vergessen die vorausgegangene Nakba (Katastrophe), die brutale Vertreibung von 700.000 arabischen Palästinensern 1947, verdrängt die Beteiligung von israelischen Fallschirmjägern an der französisch-britischen Invasion in das Ägypten des Jahres 1956. Bar jeder weiteren historischen Analyse wird es der mutige Film schwer haben in Israel ein Umdenken zu bewirken.
Umdenken in einem Israel, an dessen Spitze ein völlig verrückter Netanjahu steht, ein Ministerpräsident, der sich gerade in diesen Tagen mit dem US-Präsidenten anlegt und – von den Republikanern eingeladen – demnächst im US-Kongress gegen Obama sprechen wird. Um „über die gravierende Bedrohung zu sprechen, die der radikale Islam und Iran für unsere Sicherheit und Lebensart darstellen.“ Die israelische Radikalität und Bedrohung für den Frieden der Welt ist in „Censored Voices“ zu erkennen. Dass der Staat Israel daraus Lehren ziehen wird, ist eher unwahrscheinlich.
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Grafikquelle : Deutsch: Mirjam Pressler und Amos Oz auf Leipziger Buchmesse 2015
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