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Barbara Thalheim

Erstellt von Redaktion am Freitag 17. Januar 2014

Herzblut fließt aus der neuen CD

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Autor: U. Gellermann

Rationalgalerie

Datum: 16. Januar 2014

Was da aus dem Lautsprecher kommt, das heisert, das flüstert, das röhrt: Barbara Thalheim hatte mal wieder eine Häutung erzählt ihre neue CD „Zwischenspiel“ und so überlegt der Hörer, ob die Lieder vorher alle nur ein Vorspiel waren und ob das Zwischenspiel uns auf ein Endspiel vorbereiten soll, jene finale Musik, die auch die Verdammten dieser Erde aufwachen lässt. Denn natürlich tarnen sich die Texte der Thalheim nur als private Liebeslieder, in Wahrheit ist die komplette CD ein öffentliches Bekenntnis zur Menschenliebe, zu jener Sorte Zuwendung, deren Ergebnis nur Umwälzung werden kann.

Überdeutlich wird das Umwälzungspotential im Stück „Ist vielleicht . . .“, hier wird der Konjunktiv zum Hebel Zukünftiges zu verändern, es für möglich zu halten, dass in jedem beliebigen Kind ein Mozart stecken kann, in jedem Punk ein Heine, in jedem Autist ein Humboldt zu finden wäre, wenn man nur achtsam mit ihnen umginge. Und wenn die Sängerin ausruft, sie sei „Zum Sehen geboren“, dann ist das poetische Plädoyer für eine Selbstständigkeit zu hören, die mit der lateinischen Emanzipation nur mühsam das Wort Befreiung kaschiert: „Ich bin zum Sehen geboren, und nicht, dass mir einer sagt was er sieht“ singt Barbara Thalheim und wir wissen: Die lässt sich nix sagen, die sagt lieber selbst was.

Wie wird einer, eine Sängerin, Musikerin? Früher fing man mit der Blockflöte an, später ging man zum Take That-Konzert, heute lässt man sich von Dieter Bohlen traktieren. Viele wollen, wenigen gelingt es. Man muss bluten, wenn man auf die Bühne will, man muss sein Herzblut opfern, sich ausliefern. Was kann bei Barbara Thalheim der Auslöser für diese Art von Masochismus gewesen sein? Sicher ist, das ist aus ihren Liedern zu hören, dass sie ein einsames Kind war. Kann sein, dass ihr häufiger Wechsel zwischen Leipzig und Berlin, bedingt durch den Beruf ihres Vaters, zur Einsamkeit beitrug. Wie in aller Kunst sind es Verletzungen, die jener Sublimierung bedürfen, die auf die Bühne führen.

Immerhin drei Jahre war Barbara Thalheim Mitglied des Oktoberklubs, jenes schnellen Talentbrüters in der DDR, der sich dem politischen Lied und auch dem Land verschrieben hatte. Und wenn sich die Thalheim auf dem Weg zum eigenen Lied auch zeitweilig als Botin im Deutschen Theater betätigte, in der fürsorglich-vormundschaftlichen DDR entging sie nicht einem „Berufsausweis als Sängerin“ und einem Hochschulstudium. Das hinderte sie nicht den kaum akademischen Pfad zum Chanson zu finden. Da haben wir sie nun heute, eine der wenigen deutschen Diseusen, auf ihrer neuen CD eingebettet in eine Gruppe exzellenter Musiker, in der Rüdiger Krause die Töne aus seiner Gittare perlen lässt, Topo Gioia mit Latino-Trommeln den Takt schlägt und Bartek Mlejnek mit dem Bass den Rhythmus vorgibt.

„Mein Kinderland, mein flaches Land,“ davon erzählt das letzte Stück der CD. Von einem abgebrannten Land ihrer Kindheit singt die Thalheim und das Herzblut sickert aus den Zeilen, manchmal marschieren auch zu Riesen aufgeblasene Zwerge aus dem Lied, und doch bleibt ihr das flache Land jene widersprüchliche Heimat, der man nicht entkommen kann. In diesem großen Gesang schillert ihre Stimme, manchmal scheint sie zu brechen, dann wieder posauniert sie, schwillt an zur Kampfansage, tropft aus allen Ritzen der Traurigkeit und erklärt unmissverständlich: Barbara Thalheim ist eine große Sängerin.

Das „record release concert“ der CD ZWISCHENSPIEL ist am 25. 01. 2014 um 20.00 Uhr im Kino Babylon zu hören und zu erleben (www.babylonberlin.de).


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in Version 3.0 (abgekürzt „CC-by-sa 3.0/de“) veröffentlicht.

Urheber bzw.
Nutzungsrechtinhaber
Andreas Augstein

Ein Kommentar zu “Barbara Thalheim”

  1. Ostler sagt:

    Naja, was denkt EIN „Ossi“ darüber?
    Habe seit 30 Jahren nichts von ihr gehört. War zu DDR- Zeiten nicht meine Musik und der „Oktoberclub“ schon gar nicht.
    Wo war sie zur Wende?
    Geschmackssache und übrigens hatten diese Künstler zu DDR-Zeiten alle Privilegien, die ein normaler Bürger niemals bekommen hätte.

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