Auto heute – Bahn morgen ?
Erstellt von Redaktion am Freitag 17. Januar 2020
Das Auto ist als Verkehrsmittel ungeschlagen
Von Svenja Bergt
ürzlich vor dem Sitz eines mittelständischen Unternehmens im Berliner Zentrum: Drei Mitarbeiter:innen gehen zu ihrem mutmaßlichen Dienst-BMW, sie unterhalten sich über einen bevorstehenden Termin in München und die Frage, ob sie es pünktlich bis 18 Uhr schaffen werden. Es ist kurz vor 12 Uhr mittags, ein Wochentag. In einer halben Stunde würde der ICE ab Berlin Hauptbahnhof fahren – um 17.01 wären sie in München.
Es ist unwahrscheinlich, dass diese Information für die drei einen Unterschied gemacht hätte. Denn selbst wenn sie mit dem Auto im Stau stehen und erst mit Verspätung in München ankommen – alles andere wäre genau nach ihren Vorstellungen gelaufen. Im Auto ist es genauso kalt oder warm, so verraucht oder nach Wunderbaum riechend, so podcastbeschallt oder weihnachtsmusikverdudelt, wie sie es sich wünschten. Sie können genau dann Rast machen, wenn ihnen nach etwas zu essen ist, und wären nicht davon abhängig, ob die Mikrowelle im Bordbistro heute Lust auf Dienst hat. Und sie können sich über private und geschäftliche Dinge unterhalten, ohne Angst davor zu haben, dass fremde Ohren mithören und Firmeninterna nicht mehr ganz so intern sind.
Es gibt wunderbare Forschung rund um die Frage, warum öffentlicher Personennahverkehr nur so mittelbeliebt ist. Eines der zentralen Probleme aus Sicht des einzelnen Passagiers: die anderen Passagiere. Sie stinken und pöbeln und schmatzen, sie hören zu laut Musik und dazu die falsche, sie nehmen zu viel Raum ein, und wenn sie aussteigen wollen, drücken sie vorne mit dem aus Diebstahlschutzgründen auf den Bauch geschnallten Rucksack und schlagen sich parallel dazu eine Schneise mit dem Regenschirm.
Die anderen Passagiere, das ist etwas, das man nur gelindert bekommt, mit intelligentem Innendesign der Fahrzeuge. Eine Choreografie aus Sitzen, Trennwänden, Gängen und Haltestangen, die natürliche Abstandsfaktoren einbaut und das größtmögliche Gefühl eines eigenen, sicheren Bereichs vermittelt. Aber die Vorstände solcher Unternehmen interessiert das nicht primär, sie wollen lieber proppenvolle Busse und Züge und bevorzugen selbst den Dienst-Mercedes. Ja ist doch so.
Das Auto ist als Verkehrsmittel ungeschlagen. Aus individuell-egoistischer Sicht ist es das Bequemste, was derzeit möglich ist. Es gibt Menschen, die lagern einen Teil ihres Haushalts in den Kofferraum aus, immer das, was gerade keinen Platz in der Wohnung findet. Andere haben ständig die Sporttasche dabei, wieder andere einen fertig gepackten Koffer. Es könnte schließlich sein, dass es spontan nach Sevilla geht oder nach Paris. Oder zumindest nach Würzburg.
Das Auto ist, bei allem Postmaterialismus, immer noch ein Freiheitsversprechen. Das zeigt schon das wachsende Segment von Wohnwagen und ausgebauten VW-Bussen. Wer das nicht glaubt, geht auf eine einschlägige Reisemesse. Oder auf Instagram, wo die Busse mit Meerblick im Sonnenuntergangslicht inszeniert werden. Das Auto ist die Antwort der industrialisierten Welt auf den selbst verursachten Dichtestress.
Diese ungeschlagene Position des Autos zu verstehen ist nicht gerade angenehm. Besonders nicht für Menschen, die davon ausgehen, dass überzeugte Autofahrer:innen mit einer Jahreskarte für die Bahn oder mit einem guten E-Bike schon umzustimmen sind. Aber es ist wichtig, die Spitzenposition anzuerkennen, wenn es darum geht, die dringend notwendige Verkehrswende anzugehen.
Quelle : TAZ >>>>> weiterlesen
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Unten — Citroën Jumpy 2007…
Freitag 17. Januar 2020 um 16:02
Es gibt noch eine andere Seite:
Die oft mehrere KM-langen Kolonnen und stundenlange An- und Abfahrtswege von der Wohnung zum Arbeitsplatz. Dieser Raub des Autos („als unschlagbares Verkehrsmittel“) an der Lebenszeit der Nutzer und deren Familie fordert auch seinen (unsichtbaren) Preis.
In der Familie, am Arbeitsplatz („Team“) und letzlich auch als Teil des „Krankenstandes“.
Eine deutliche steuerliche Erhöhung für die sonst kostenlose , (i.d.R. private) Nutzung der Firmen-Fahrzeuge („Dienstwagen“) könnte auch ein Beitrag zum Thema „Auto-Nutzung“ sein. Und dazu ein Beitrag zur sozialen Gerechtigkeit, in dem diese privilegierte Personenkreise einen höheren Beitrag zum Steueraufkommen zahlen müsste. Höhere Beiträge zur Sozialversicherung zahlen diese wegen der Beitragsbemessungsgrenzen sowieso nicht.
Aber bei den Befehlsempfängern von Black-Rock und Co. in den Ministerien der Bundesregierung und im Bundeskanzlerleramt wird sich wohl erst etwas ändern, wenn Black-Rock und Co, selbst, aus Gründen der Selbsterhaltung des Systems, die entsprechenden Anweisungen gibt.