Auf den Punkt gebracht
Erstellt von DL-Redaktion am Freitag 26. Mai 2017
Von der Leyen und die Geister der Vergangenheit
Der Fall Franco A. hat ein unschönes Licht auf die Bundeswehr geworfen. Doch anstatt jegliche Traditionen zu bekämpfen und zu verleugnen, sollte die Verteidigungsministerin die Truppe endlich zukunftsfähig machen.
Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen hat der Bundeswehr in einem offenen Brief Haltungsprobleme, Führungsschwäche und falsch verstandenen Korpsgeist vorgeworfen. Auslöser war der Fall Franco A. und seiner Komplizen – ungeheuerlich, jenseits jeglicher Vorstellungskraft. Die Ministerin wollte resolut erscheinen. Sie sprach distanziert, wie eine unbeteiligte Ärztin, die eine Diagnose stellt. Dass sie selbst seit mehr als drei Jahren oberste Führungsverantwortung trägt und jede Führungsschwäche auf sie selbst zurückfällt, wollte sie offenbar ausblenden. Sie sprach von notwendigen „Säuberungs- und Reinigungsprozessen“ – und erweckte damit eigenartige sprachliche Assoziationen.
Am nächsten Tag ruderte die Ministerin zurück, betonte aber: „Zu groß ist die Zahl der Vorfälle, zu gravierend die zutage getretenen Fehlentscheidungen.“ Damit spielte sie auf Vorfälle in Pfullendorf, Bad Reichenhall und Sondershausen an, die allerdings nicht rechtslastig waren. Zuvor schon hatte sie den Kriminologen Christian Pfeiffer beauftragt, die Bundeswehr auf Fehlleistungen zu durchleuchten. Pfeiffer äußerte die Erwartung, dass diese Untersuchung weiteren Schmutz zutage fördern werde – nicht die beste Empfehlung für eine unvoreingenommene Untersuchung.
Zeitgleich wurde Generalmajor Walter Spindler als Kommandeur des Ausbildungskommandos des Heeres abgesetzt. Die Absetzung ist umso schmachvoller, als seine reguläre Dienstzeit ohnehin in drei Monaten geendet hätte. Hier wurde ein verdienter General ohne Not zum Sündenbock gemacht. Die Entscheidung erinnert an die Entlassung von Generalinspekteur Schneiderhan, dem der damalige Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg 2009 Fehlinformationen in der Kundus-Affäre zur Last legte.
Von der Leyen setzt falsche Prioritäten
Die Bundeswehr steckt in einer tiefen Krise. Von der Leyen muss sich fragen lassen, ob sie richtige Prioritäten gesetzt hat. Mit Kitas und Familienfreundlichkeit, mit Pflichtkursen über sexuelle Vielfalt in der Truppe lassen sich Struktur- und Motivationsprobleme nicht bewältigen. Die Bundeswehr muss nicht nur unvorbereitet die Umstellung auf eine Berufsarmee schultern, sie steht vor ernsthaften Ausrüstungsproblemen: Transportflugzeuge taugen nicht für Kampfeinsätze, Hubschrauber fliegen nicht, Gewehre treffen nicht, Nachtsichtgeräte sind nur auf dem Papier vorhanden. Panzer und gepanzerte Fahrzeuge fehlen, Tropentauglichkeit bleibt mehr als ein Jahrzehnt nach dem ersten Afrikaeinsatz ein Problem. Katrin Suder wurde 2014 von McKinsey als Staatssekretärin ins Verteidigungsministerium geholt, um die Rüstungsplanung zu professionalisieren. Inzwischen muss sie mit dem Spitznamen „Miss Management“ kämpfen. Seit Jahren wird eine Lückenwirtschaft betrieben. Die Bundeswehr galt einst als gefährlicher Gegner. Heute ähnelt sie eher einer Spielzeugtruppe – mehr mit internen Problemen beschäftigt als mit militärischer Leistungsfähigkeit.
Am 2. Mai betonte Ursula von der Leyen: „Die Wehrmacht ist in keiner Form traditionsstiftend für die Bundeswehr. Einzige Ausnahme sind einige herausragende Einzeltaten im Widerstand, aber sonst hat die Wehrmacht nichts mit der Bundeswehr gemein.“ Stimmt das?
Werhrmachtsoffiziere als Gründerväter
Die Konzeption der Bundeswehr beruht auf der Denkschrift, die 1950 im Kloster Himmerod von 15 Wehrmachtsoffizieren erarbeitet wurde. Acht von ihnen stiegen später in höchste Positionen der Bundeswehr auf: 1959 hatten drei Viertel aller Offiziere und Unteroffiziere der Bundeswehr noch in der Wehrmacht gedient, 300 sogar in der Waffen-SS. Der zweite Generalinspekteur, Friedrich Foertsch, war zuvor General der Wehrmacht. Ulrich de Maizière, vierter Generalinspekteur, hat die Bundeswehr wie kaum ein anderer Soldat geprägt. Er hat den gesamten Zweiten Weltkrieg vom Polenfeldzug bis zum Rückzug aus Russland mitgemacht; 1945 leitete er die Operationsabteilung im Generalstab. Der Vater des Begriffs der Inneren Führung, Wolf Graf Baudissin, diente im Generalstab bei Erwin Rommel in Afrika. General Wolfgang Altenburg (1983-1986) war der letzte Soldat an der Spitze der Bundeswehr, der noch in der Wehrmacht gedient hatte. Die Bundeswehr ist tief in der Wehrmacht verwurzelt, ohne die Wehrmacht hätte es die Bundeswehr niemals gegeben. Ihr wurde allerdings gerade von ehemaligen Wehrmachtoffizieren ein demokratischer, staatsbürgerlicher Geist verordnet.
Die Offiziere des militärischen Widerstands unter Graf Stauffenberg kamen aus der Wehrmacht und haben mit ihrer Treueidverpflichtung, ihrem Patriotismus und ihrem inneren moralischen Imperativ gerungen. Einige waren bei der Niederlage Frankreichs 1940 noch begeistert von Hitler und ihre Vorstellungen für ein Deutschland ohne Hitler hätten schwerlich den befreienden Neuanfang ermöglicht, der sich erst 1949 mit der Gründung der Bundesrepublik Deutschland eröffnete.
Die Bundeswehr hat ein Traditionsproblem
Geradezu absurd ist, dass an der Bundeswehruniversität ein Bild von Helmut Schmidt abgehängt wurde – Helmut Schmidt, dessen Verdienste als Verteidigungsminister und Bundeskanzler unbestritten sind, den dieser Staat mit einem Staatsakt geehrt hat. Weshalb? Er war in Wehrmachtsuniform abgebildet. Tyrannen verordnen eine „Verdammnis des Andenkens“ (damnatio memoriae). Josef Stalin verfuhr so mit Leo Trotzki. Wollen wir jetzt mit unserer eigenen Geschichte auch so verfahren? Die historischen Fakten ändern sich nicht, wenn sie ignoriert werden. Im Gegenteil: Verordnete Blindheit macht nur anfällig. Jede Generation sollte in offener diskursiver Auseinandersetzung Leistung und Belastung der Wehrmacht begreifen lernen.
Die Bundeswehr hat ein Traditionsproblem. Der letzte Traditionserlass datiert von 1982 – damals war Hans Apel (SPD) Verteidigungsminister. Darin ist von Wehrpflichtarmee, von Landesverteidigung, vom Staatsbürger in Uniform die Rede. Heute gibt es keine Wehrpflicht mehr, die Bundeswehr ist mehrfach im Einsatz, aber nirgends zur Landesverteidigung. Die Bundeswehr ist in gemischten Einheiten mit Soldaten europäischer Partnernationen verbunden. Es wird darüber nachgedacht, die Rekrutierung von Soldaten nicht mehr an die deutsche Staatsangehörigkeit zu knüpfen. Heute dienen Doppelstaatler in den deutschen Streitkräften. Wie weit entspricht das noch der Vorstellung vom Staatsbürger in Uniform?
Ein Soldat muss bereit sein, sein Leben zu opfern
Quelle : Cicero >>>>> weiterlesen
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Grafikquelle : Präsentation der MCV-Motivwagen für den de:Mainzer Rosenmontagszug 2015. „Flinten-Uschi“ (Bundesministerin der Verteidigung Ursula von der Leyen) beim Kriegspielen mit Papierfliegern statt einsatzfähigen Kampfflugzeugen.