Auf dem Trockenen
Erstellt von Redaktion am Freitag 6. August 2021
Äthiopiens Hauptstadt Addis Abeba hat zu wenig Wasser.
Von Ilona Eveleens
Dabei liegt sie mitten im fruchtbaren Hochland, dessen Flüsse Ostafrika mit Wasser versorgen. Um das Dilemma zu lösen, soll die alte Landwirtschaft in den Bergen neuen Formen des Wirtschaftens weichen. Was sagen die Bauern dazu?
Heute ist der dritte Tag, an dem es kein Wasser gibt“, erzählt ein Mann außerhalb seines winzigen Appartements. Auch bei seinen Nachbarn bleiben die Wasserhähne trocken. Wie auch im gesamten Viertel am Ende der Landebahn des Flughafens Bole mitten in der äthiopischen Hauptstadt Addis Abeba. Regelmäßig werden dort Gespräche unterbrochen durch den Fluglärm.
„Eine Freundin in einem anderen Stadtteil hat Wasser. Sie hat mir zwei Kanister gebracht. Wenn sie kein Wasser bekommt, helfe ich ihr aus. Das ist eine bessere Lösung, als bei dem Wasserunternehmen zu klagen.“ Der Mann und seine Nachbarn wollen nur anonym sprechen, weil sie Rückwirkungen befürchten, wenn sie die Behörden kritisieren. Seit einem Jahr ist Äthiopien, nach einer kurzen Liberalisierung, zur Autokratie zurückgekehrt und die Bevölkerung zensiert sich selbst, selbst bei Alltagsdingen wie Wasser.
Äthiopien ist wie andere Länder am Horn von Afrika immer häufiger von Extremwetterlagen betroffen: mal Dürre durch zu wenig Regen, mal Überschwemmungen durch zu viel. Die Folgen des Klimawandels sind deutlich spürbar. Das Land hat eigentlich viele Wasserressourcen mit neun großen Flüssen und zwölf Seen, Ostafrika speist sich mit Wasser aus dem äthiopischen Hochland. Aber in Addis Abeba, das mitten im Hochland liegt, fehlt es an Wasser. Wie kommt das?
Das Problem fängt eigentlich 700 Meter oberhalb der Hauptstadt an: in Bura. Das ist eines der wichtigsten Wassereinzugsgebiete der Hauptstadt. Aber es ist kein Wasser zu sehen. Auf einem kahlen Berg treibt Bahiru Abseno seine beiden Ochsen an, die einen antiken Holzpflug durch die harte Erde den Hang hinaufziehen. Es ist harte Arbeit für Bauer und Tiere, weil zwischen den Erdklumpen auch noch endlos viele Steine liegen. Eile ist aber geboten, denn immer mehr dunkelgraue Wolken ziehen über dem nahen Gipfeln auf. „Wir rechnen jeden Moment mit Regen und müssen schnell säen“, sagt Bahiru, während er eine kurze Pause macht.
Bauer Bahiru baut Gerste, Bohnen und Erbsen an und ist völlig abhängig vom Regenfall. Ihm zufolge sind die Ernten in den letzten zehn Jahren stark geschrumpft. „Der Boden ist arm geworden und die Pflanzen wachsen schlecht. Auch das Wetter hat sich geändert. Früher hatten wir zwei Regenzeiten im Jahr, also zwei Ernten. Jetzt aber nur noch eine, weil die kurze Regensaison nicht genug Wasser bringt.“
Bahiru ist in den Fünfzigern, aber er sieht älter aus, die harte Arbeit auf dem Land mit altmodischen Anbaumethoden hat tiefe Spuren in seinem Gesicht hinterlassen. „Ich habe acht Kinder und muss traditionell mein Land unter ihnen aufteilen, aber das macht keinen Sinn bei so wenig Ernte. Nur einer meiner Söhne ist Bauer und arbeitet mit mir. Fünf machen eine Ausbildung für andere Berufe und zwei haben Jobs in Nachbarstädten.“
Sein Hof besteht aus drei Häusern aus Lehm und Holz, umzäunt mit stachligen Ästen. Es sind große, dunkle Strukturen mit wenigen kleinen Fenstern. Die Menschen leben unter einem Dach mit ihrem Vieh, das mit seiner Körperwärme das Haus ein wenig angenehmer macht. Es ist kalt auf fast 3.000 Meter Höhe, und die Luft ist dünn.
In Bura hat im Laufe der Jahre das Regenwasser große Teile der obersten Erdschicht weggespült und tiefe Furchen an den Hängen hinterlassen. Bauer Bahiru hat versucht, die Bodenerosion mit Terrassenanbau zu bekämpfen, aber das erzeugte ein neues Problem. „Ratten fanden Unterschlupf zwischen den Steinen und fraßen das Saatgut und die Pflanzen. Uns fehlt das Geld für Pestizide, also haben wir den Bau der Terrassen eingestellt.“ Er geht wieder an die Arbeit und treibt mit lauter Stimme seine Ochsen an.
Das Wassereinzugsgebiet, wo sein Acker liegt, ist etwa 1.600 Hektar groß. Früher gab es hier Gestrüpp und Bäume, die aber den Äckern weichen mussten. Ohne Baumwurzeln ist die Erde ungeschützt, der Regen spült immer mehr von der obersten Erdschicht den Hang hinunter ins Tal des Adere-Flusses. Der Fluss transportiert die Erde dann zum Dire-Staudamm, der durch ein Aquädukt mit dem Legedadi-Staudamm weiter südlich verbunden ist. Die Stauseen dieser beiden Dämme liefern etwa zwei Drittel des Trinkwassers für Addis Abeba und Umgebung.
Die Hauptstadtregion hat rund fünf Millionen Einwohner und wächst alle zwei Jahre um eine halbe Million. Zugleich schrumpft die Wasserversorgung, weil sich in den Stauseen, die jeweils 1999 und 1967 gebaut wurden, so viel Erde ansammelt. Kein Wunder, dass es nicht genügend Wasser gibt.
„Wenn ich sehe, was das Land einbringt, denke ich, dass die Zeit der Landwirtschaft für uns vorbei ist“
BERKE ELIKU, BÄUERIN
In Äthiopien hat sich der Zugang zu sauberem Trinkwasser in den letzten Jahren zwar deutlich verbessert, aber erreicht immer noch nur 57 Prozent der mehr als 110 Millionen Äthiopier. Zugang zu guten sanitären Einrichtungen haben sogar nur 28 Prozent.
Das Wasser aus Äthiopiens vielen Stauseen wird gebraucht für Bewässerung von großflächiger Landwirtschaft, aber vor allem für Wasserkraftwerke – Äthiopien will Afrikas Wirtschaftsmacht werden und dafür braucht es Strom. Am bekanntesten und umstrittensten ist der riesige Staudamm GERD (Grand Ethiopia Renaissance Dam) am Blauen Nil kurz vor der Grenze zu Sudan. Er ist fast fertig und soll mit seinen Turbinen das größte Wasserkraftwerk Afrikas antreiben.
Der GERD-Stausee ist zu zwei Dritteln gefüllt – jedes Jahr in der Regenzeit wird er voller. Das sorgt für gefährliche Spannungen zwischen Äthiopien einerseits und Sudan und Ägypten flussabwärts andererseits – sie fürchten, dass Äthiopien zu viel Wasser zurückhält, den Nil anders reguliert als bisher und zu wenig für ihre eigene Landwirtschaft und Trinkwasserversorgung übrigbleibt. Die Angst besteht, das der GERD der Grund sein könnte für den ersten Wasserkrieg der Welt.
Für die meisten Äthiopier ist das Wasserproblem viel konkreter und gegenwärtiger. Berke Eliku, die Schwiegertochter des Bauern Bahiru, hat keinen Strom und kein fließendes Wasser auf dem Familienbauernhof. Es gibt Öllampen und täglich holt sie Wasser aus einer Quelle, zu der sie etwa 40 Minuten bergabwärts läuft und dann wieder bergauf mit einem 20 Liter schweren Kanister – vier Mal am Tag.
Quelle : TAZ-online >>>>> weiterlesen
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Grafikquellen :
Oben — The situation during the Ethiopian Civil War
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2.) von Oben — Addis from the Sheraton