Verbale Brutalität
Erstellt von DL-Redaktion am Donnerstag 11. September 2014
Antisemitismus in Deutschland
UNWISSEN – Juden sind keine Deutschen und Deutsche Leidtragende – Beobachtungen aus einer Politikstunde zum Thema Antisemitismus an einer Berufsschule in einer westdeutschen Kreisstadt.
VON STEFAN MOES
Ist der Lehrer der Einzige, der nichts hört? Er sitzt am Pult und lässt sich nichts anmerken. Es kommt mir vor, als beugten sich meine Mitschüler besonders tief über ihre Zeichenbretter. Wir sind Tischlerlehrlinge im dritten Lehrjahr. Zwei in der hinteren Bank ereifern sich halblaut: „Arschgefickte Juden … sind an allem schuld.“
„Jude“ ist ein gebräuchliches Schimpfwort an der Berufsschule in Westdeutschland. Ein 19-Jähriger erklärt mir, Juden seien Wucherer. Sie trieben Menschen in den Ruin.
Ich staune, wie offen im Unterricht Bemerkungen fallen wie „Schufa, alles Juden“. Als einmal ein Schüler ruft: „Aldi gehört den Juden“, reagiert der Lehrer: „Dazu könnte ich jetzt etwas sagen. Aber?“ Er lässt es. Ich bin Mitte fünfzig, fast so alt wie er. Und rund fünfunddreißig Jahre älter als meine Mitschüler.
Inzwischen hetzen die beiden Hinterbänkler weiter gegen „Drecksjuden“. Ein Mitschüler warnt sie leise: Wegen so etwas sei er schon mal fast von der Schule geflogen. Erst als ich die beiden laut anspreche – „Man muss nicht jeden Dreck, den man im Kopf hat, rauslassen!“ -, schweigen sie.
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Fotoquelle: Wikipedia – Urheber Benjamin Dahlhoff / Gedenkort Schlachthoframpe am Wiesbadener Bahnhof.
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