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Anleitung in fünf Schritten

Erstellt von Redaktion am Montag 24. August 2020

So klappt es mit dem Rechtsruck

Eine Kolumne von Sascha Lobo

Sie wollen gern ein Rechter werden, wissen aber nicht, wie? Kein Problem! Unser Autor hat da ein paar Tipps für Sie.

Plötzlich merken Sie, dass Sie im Bekanntenkreis die einzige Person sind, die nicht nach rechts geruckt ist – und bekommen Panik. Politische Einsamkeit droht! Das muss nicht sein, denn jede aktuelle Debatte und jede neue politische Entwicklung bietet stets die Möglichkeit für den persönlichen Rechtsruck.

Das geht eigentlich sehr leicht, denn rechts sein ist wie Dehydrierung, wenn man nicht ständig aktiv dagegenhält, passiert es von selbst.

Zur Sicherheit hier aber eine simple Anleitung in fünf Schritten, wie man den ganz persönlichen Rechtsruck hinbekommt. Wichtig: Nicht jeder rechte Gedanke lässt eine Person gleich richtig rechts werden. Zu groß ist die Gefahr, nur die Vorstufe der Rechtsoffenheit zu entwickeln. Das ist auch schon etwas, reicht für einen soliden Rechtsruck aber kaum aus. Es kommt nämlich auf das Menschenbild an und auf dieser Basis dauerhaft zu denken und zu handeln.

1. Ungleichwertigkeit

Die Essenz des Rechtsseins ist die Überzeugung: Ich bin mehr wert als du. Mit diesem kleinen Sätzlein bewaffnet, lässt sich noch jedes Thema auf rechts wenden. Aber bereits hier muss man verdammt gut aufpassen. Schon bei der vermeintlich kleinen Abweichung Richtung „ich bin dir aus Prinzip moralisch überlegen“ droht unter Umständen eine ungünstige Linksverschiebung. Ebenso muss man den Unterschied zwischen rechts und konservativ erkennen. Konservative haben die linke Kröte der prinzipiellen Gleichwertigkeit aller Menschen vor langer Zeit geschluckt und hadern nur sehr selten mal damit.

2. Gruppennarzissmus

Im nächsten Schritt muss man aus dem rechten Glaubenssatz „Ich bin mehr wert als du“ irgendwie eine Gruppe herstellen, also gewissermaßen von der privaten Arschigkeit zur kollektiven gelangen. Man muss also ein „Wir“ konstruieren. Das ist bei Leuten, die sich für wertvoller halten als andere, naturgemäß gar nicht so leicht, was schon zum einen oder anderen Milzriss geführt haben dürfte. Aber der Gott des Hochmuts hat sich hierfür einen fantastischen Trick ausgedacht: Selbstähnlichkeit. Das rechte „Wir“ ist nichts als ein „Ich und Leute, die mir ähnlich sind“. Fertig ist das Prinzip des kollektiven Narzissmus: Wir Selbstähnlichen sind mehr wert als ihr.

3. Wir gegen die

Naheliegenderweise braucht man dafür aber auch die Gruppe der anderen. Hier liefert der Gott der Feindseligkeit einen fabelhaften Ansatz, nämlich das sogenannte Othering. Dabei konstruiert man die Gruppe der anderen einfach anhand von sichtbaren, vermuteten oder gleich vollständig ausgedachten Merkmalen. Dann wertet man sie ab, egal, ob es sich um Hautfarbe, Religion, politische Überzeugungen, Geschlechtliches oder andere tatsächliche oder herbeigeredete Kardinalunterschiede handelt. Was zählt, ist allein die Abweichung von der Selbstähnlichkeit.

4. Differenzierung bei uns, Vereinfachung bei denen

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Die prinzipielle Abwertung der soeben konstruierten Gruppe dient der Versicherung der eigenen Überlegenheit. Anschließend schreibt man ihr mithilfe des stolzen Gottes des Vorurteils alle möglichen Eigenschaften zu. Konkret sieht das so aus: Man betrachtet sämtliche braunen Menschen als Muslime, die zudem sämtlich keinen Respekt vor dem Rechtsstaat haben. Während man bei den Selbstähnlichen stets auf Differenzierung pocht – sie haben das ja verdient! -, sind diese Umstände bei den Anderen nicht nötig. Deshalb reicht es aus, dass es nachweislich Muslime gibt, die keinen Respekt vor dem Rechtsstaat haben, um diese Haltung allen anderen ebenfalls überzustülpen.

5. Rechte Bigotterie

Mit dieser Basis lässt sich das gesamte Spektrum als Politik getarnter, rechter Bauchgefühle ausschöpfen und im Alltag umsetzen. Wie eine getönte Brille, durch die man auf das Geschehen, auf die Gesellschaft, auf die Welt schaut und die alles einfärbt. In der Praxis ergibt das ein schlichtes, aber wirkungsvolles Rechtsmantra: Mir steht zu, was dir nicht zusteht, wir Selbstähnlichen messen uns mit anderem Maß als euch, und es ist auch richtig und alternativlos, das zu tun. Diese rechte Bigotterie müssen Sie verinnerlichen und fertig ist Ihr persönlicher Rechtsruck, der sich überall easy anwenden lässt.

Praxisbeispiel 1: Cancel Culture

Quelle       :      Spiegel-online         >>>>>        weiterlesen

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Grafikquellen        :

Oben        —        Neonazi-Demonstration am 2. April 2005 in München

Unten          —        Sascha Lobo; 10 Jahre Wikipedia; Party am 15.01.2011 in Berlin.

Ein Kommentar zu “Anleitung in fünf Schritten”

  1. Jimmy Bulanik sagt:

    Die Gesellschaft hier braucht bessere Gesetze. Insbesondere zum Sozialstaates, Arbeitsmarkt. Die Gewerkschaften sollten sich attraktiver gestalten und proaktiv für sich werben. Je aktiver (wie bei Friday’s For Future, Black Lives Matter) die Menschen innerhalb einer Gesellschaft ist, desto höher die Chance auf bessere Gesetze. Die Menschen im Land sollten über die hohe Wahlbeteiligung hinaus einen vertretbaren Betrag als Wahlkampfspende überweisen. Damit werden Parteien unabhängiger von dem Einfluss von Konzernen. Oftmals sind Konzerne nach innen gänzlich gegen die Regeln einer Demokratie. Die aggressive Bekämpfung von gewerkschaftlicher Orientierung in den Betrieben beispielsweise.

    Auch wichtig ist, das die Menschen fleißig ihre Anliegen gegenüber den Mitgliedern des Bundestags schriftlich zu kommunizieren. Mittels dem Internet eigene Öffentlichkeit herzustellen. Damit berechtigte Debatten zu beginnen und leiten.

    Mit diesen Modalitäten kann jeder Mensch für sich und der Gesellschaft etwas zum positiven Bewerkstelligen.

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