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RENTENANGST

Ahnungslos in Chemnitz

Erstellt von Redaktion am Samstag 8. September 2018

Die Resterampe der West CDU verseuchte Sachsen ?

File:Karl-Marx-Monument in Chemnitz. 03.jpg

Von Gesa von Leesen

Baden-Württemberg war nach der Wiedervereinigung Partnerland von Sachsen. In die Verwaltung wurden Westbeamte gesetzt. Doch die Parteien haben es damals versäumt, einen demokratischen Aufbruch zu initiieren, meint unsere Autorin. Sie lebte zehn Jahre in Chemnitz.

In Chemnitz ist der Teufel los, und alle schauen hin, berichten und suchen wieder minutiös nach den Schuldigen. Oder sie demonstrieren. Wie zum Beispiel am vorvergangenen Montag die baden-württembergischen AfD-Landtagsabgeordneten Stefan Räpple und Hans Peter Stauch sowie am vorigen Samstag der AfD-Landesvorsitzende Ralf Özkara und die Landtagsabgeordnete Christina Baum. Sie marschieren mit den Rechtsradikalen. Bei der Gegendemo „Herz statt Hetze“ waren einige Bundespolitiker wie Linken-Fraktionschef Dietmar Bartsch und Familienministerin Franziska Giffey (SPD) vor Ort. Aus Stuttgart kamen rund zwei Dutzend junge linke AktivistInnen, um die Gegen-Demo in Chemnitz zu unterstützen. LandespolitikerInnen von den demokratischen Parteien Baden-Württembergs wurden nicht gesichtet.

Dabei war Baden-Württemberg, gemeinsam mit Bayern, einst Partnerland von Sachsen, damals nach der Wiedervereinigung. Von hier wurden in den 1990er-Jahren Beamte aus Verwaltung, Politik und Justiz in den Freistaat geschickt. Überall in Ostdeutschland dominierten in den Führungsebenen der Justiz und der Ministerien Westdeutsche. Damals kam der Begriff des „Dimido-Beamten“ auf, das waren die „Wessis“, die nur dienstags, mittwochs und donnerstags an ihren Arbeitsplätzen anzutreffen waren.

Die Rechten waren hier früh aktiv

Manche dieser Abgesandten machten Karriere, freundeten sich mit ihrer neuen Heimat an und blieben. Viele gingen nach ein paar Jahren zurück. Damit hätte das Wissen über die Verhältnisse im Osten auch in der baden-württembergischen Politik eine größere Rolle spielen können. Doch dem war nicht so. Hier tat man weiter so, als hätte es die Wiedervereinigung nicht gegeben. Maximal ging es mal nach Rügen an die „andere“ Ostsee oder nach Dresden, um Barock anzugucken. Ansonsten herrschte Ignoranz im Ländle, Arroganz oder naives Desinteresse. Wenn ich den Schwaben erzähle, dass ich elf Jahre in Sachsen als Journalistin gearbeitet habe, davon zehn in Chemnitz und das meistens gern, schaue ich auch heute noch in erschrockene bis mitleidige Gesichter. Chemnitz – war das nicht Karl-Marx-Stadt? Unter dem Nischel, wie man dort zu dem berühmten Karl-Marx-Monument sagt, sammeln sich jetzt die Rechten zu ihren Aufmärschen.

Es war spannend in Chemnitz damals, vieles war noch nicht so festgefahren wie im Westen. Und es war auch erschreckend. Denn die Rechten waren früh aktiv. Wer politisch interessiert war, wusste, dass in Chemnitz Ende der 1990er-Jahre die Berufsschulen rechts dominiert waren. Die Lehrer dort beklagten sich über Hakenkreuzkritzeleien und Hitlergrüße von Schülern und waren überfordert. Unterstützung aus Schulverwaltungen blieb aus. Es gab Stadtviertel und Dörfer im Chemnitzer Umland, die für ihre Nazi-Szene bekannt waren. Wenn es dort Prügeleien gab, rief man als Journalistin die Polizei an und fragte nach: Gab es politische Hintergründe? Fast immer lautete die Antwort: „Nein.“ Gerne hieß es noch, dass die Jungs alkoholisiert gewesen seien. Warum das politische Motive ausschloss, blieb offen.

In Chemnitz gab und gibt es ein Alternatives Jugendzentrum, das AJZ. Bekannt als Treffpunkt von jungen Linken, wurde es in den 1990er Jahren mehrmals überfallen. Von Rechten, wie die jungen AJZler berichteten. Bei einer Diskussion vor einer Landtagswahl im AJZ zum Thema „Rechtsradikalismus“ erklärte der CDU-Kandidat, IHK-Präsident und Spediteur, dass er mit Azubis, die rechts seien, in einer Diskussion über die deutsche Geschichte keine Chance habe. „Die sind so intelligent“, befand er verzweifelt. An einem 20. April Anfang dieses Jahrtausends konnten sich glatzköpfige Jungnazis vor der Chemnitzer Stadthalle nahezu ungestört mit erhobenem rechten Arm begrüßen. Kurz: Rechts zu sein, war nichts Besonderes, der Schritt zum Rechtsextremismus klein.

Gegen rechts fehlte der breite demokratische Konsens

Quelle    :        KONTEXT-Wochenzeitung        >>>>>        weiterlesen

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Grafikquelle      :

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Das Monument wurde Monate vor der Errichtung in Karl-Marx-Stadt in der Kunstgießerei Monument Skulptura in Leningrad in Bronze gegossen und dann in 95 Einzelteile zerlegt. In Karl-Marx-Stadt sollten diese Einzelteile wieder zusammengeschweißt werden, doch die sowjetische Technik war nicht geeignet, so dass man sich entschloss, den Auftrag an den VEB Germania zu übertragen, da sonst ein Auseinanderreißen der zusammengeschweißten Teile zu befürchten war. Das Denkmal steht auf zwei Sockeln, die mit Korninskij-Granit, benannt nach der Abbauregion in der Südukraine, plattenartig überdeckt sind.
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Source Own work
Author Kora27

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Unten    —       Demonstration am 27. August in Chemnitz

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