75 Jahre Israel
Erstellt von DL-Redaktion am Sonntag 7. Mai 2023
Mit offenen Grenzen
Ein Debattenbeitrag von Hiba I Husseini und Jossi Bellin
Palästinenser und Israelis, die die Hoffnung auf Frieden nicht aufgeben, formulierten gemeinsam einen neuen Plan: die Konföderation im Heiligen Land.
Mag sein, dass der Osloer Friedensprozess tot ist. Eine Rechtfertigung, aufzugeben, ist das nicht. Deshalb haben wir, eine Gruppe von Palästinensern und Israelis, über zwei Jahre lang einen neuartigen Vorschlag für eine Konföderation im Heiligen Land erarbeitet.
Seit Jahrzehnten trennt Palästinenser und Israelis im Friedensprozess eine Kluft. Verschiedene Vorschläge wurden zur Beilegung der Hauptstreitpunkte unseres Disputs gemacht: zum Verlauf der Grenze zwischen beiden Staaten, zur Zukunft von Jerusalem, dem Schicksal der israelischen Siedlungen und palästinensischen Geflüchteten wie auch zu kooperativen Sicherheitsregelungen.
Grundsätzlich besteht Einigkeit über die Prinzipien einer dauerhaften Konfliktregelung, wie sie die Resolution 2334 des UN-Sicherheitsrats aus dem Jahr 2016 festhält. Diese Prinzipien finden von allen Vorschlägen die größte Unterstützung bei Palästinensern und Israelis, auch wenn die Zustimmung bei beiden Völkern von einer absoluten auf eine relative Mehrheit sank. 30 Jahre nach Unterzeichnung der Osloer Prinzipienerklärung dauern Besatzung und Gewalt an.
Die Schuld dafür den Politikern zuzuschieben ist wenig hilfreich. Stattdessen könnten neue Ideen dieses stete Patt aufrütteln und Verhandlungen über eine dauerhafte Friedenslösung anstoßen. Angesichts der veränderten Ausgangslage erscheint es aussichtsreicher für eine bilaterale Einigung auf eine Zwei-Staaten-Lösung, wenn diese unter dem Schirm einer Konföderation konzipiert wird und wenn der Grundsatz der Gegenseitigkeit gilt.
Siedler könnten bleiben
Wenn also die israelische Führung nicht mehr gezwungen wird, Siedler aus ihren Häusern zu holen, sollte derselben Zahl von Palästinensern ermöglicht werden, sich in Israel anzusiedeln. Prinzipiell könnte diese Lösung auch ohne Konföderationsvereinbarung umgesetzt werden. Eine israelisch-palästinensische Konföderation, die sich am Modell der Europäischen Union orientiert, hätte allerdings den Vorteil, dass sie eine verstärkte Wirtschafts- und Sicherheitskooperation mit sich brächte.
Zudem würde dieses Modell Bürgerinitiativen die das gegenseitige Verständnis stärken wollen und die Ablehnung und Feindseligkeit auf beiden Seiten abbauen, die Arbeit erleichtern. Die Konföderation im Heiligen Land sieht vor, dass zehntausende Bürger der beiden Staaten mit dauerhaftem Aufenthaltsrecht auf der jeweils anderen Seite der Grenze leben.
Die israelischen Siedler, deren Ortschaften auf dem Territorium des zukünftigen Palästinenserstaats bleiben, könnten wählen, ob sie nach Erhalt einer angemessenen Entschädigung nach Israel umziehen, oder sie bleiben in Palästina und halten sich an die dort geltenden Gesetze und Regeln. Eine ebenso große Zahl palästinensischer Bürger könnten umgekehrt mit dauerhaftem Aufenthaltsrecht in Israel leben.
Kooperation statt Abgrenzung
Beide Gruppen, Israelis wie Palästinenser, nehmen jeweils an den eigenen nationalen Wahlen teil sowie an den Kommunalwahlen des Landes, in dem sie ihren offiziellen Wohnsitz haben. Sie genießen dort die gleichen bürgerlichen Rechte und erhalten die gleichen Sozialleistungen wie die Staatsbürger vor Ort. Palästinensische Geflüchtete von 1948 sollten in vereinbartem Umfang die Möglichkeit einer Einbürgerung haben.
Zudem ist ein gemeinsames historisches Narrativ anzustreben, das die wichtigsten Wegmarken in den Jahrzehnten des Konflikts umfasst. Bislang erschien es unmöglich, sich auf mehr einigen zu können, als die unterschiedlichen Sichtweisen auf die Geschichte zur Kenntnis zu nehmen. Sobald Kooperation den Vorzug vor Abgrenzung hat, wird sich das ändern. Die Grundlagen einer Konföderation, wie wir sie uns vorstellen, müssen nicht auf ewig Bestand haben, um einen wertvollen Beitrag zu leisten.
Es bleibt Israelis und Palästinensern überlassen, ob sie in der Zukunft stärker miteinander kooperieren oder eher weniger. Unverrückbar wird aber der Grenzverlauf zwischen den beiden Staaten sein. Dem Entwurf der Konföderation zufolge wird es einen sogenannten Landswap geben, dem zufolge Israel 2,25 Prozent der Westbank annektiert und eine gleich große Fläche an anderer Stelle an die Palästinenser abtritt.
Dementgegen flexibel wird – jeweils die beiderseitige Zustimmung vorausgesetzt – das Grenzregime und das Maß an Bewegungsfreiheit für Menschen und Güter. Im Abstand von mindestens allen vier Jahren sollte dann geprüft werden, ob weitere Liberalisierungen möglich sind. Ist aktuell der richtige Zeitpunkt für einen diplomatischen Vorstoß und kann der Vorschlag im herrschenden politischen Kontext den Friedensprozess wirklich neu beleben?
Quelle : TAZ-online >>>>> weiterlesen
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Grafikquellen :
Oben — Jerusalem, Dome of the Rock, Church of the Holy Sepulcher in the background.