Vier US-Amerikaner im Krieg
Erstellt von DL-Redaktion am Donnerstag 28. April 2022
Unterwegs mit vier US-Amerikanern, die in der Ukraine kämpfen
Reportage – Von : J Oliver Conroy
Die US-Amerikaner Rick, Tay, Scott und Alex riskieren in der Ukraine ihr Leben. Wer sind diese Männer und was treibt sie an?
Das Auto, das mit 160 Sachen Richtung Ukraine fährt, ist unglaublich vollgepackt. Neben fünf männlichen Insassen ist jedes bisschen Platz vollgestopft mit Gepäck, das man mitbringt, wenn man sich freiwillig für einen letzten verzweifelten Kampf in einem Atomzeitalter-Kreuzzug gemeldet hat: Schutzwesten, Jod-Tabletten, Kampfkleidung, Satelliten-Telefone. Alles außer Waffen. Die werden bereitgestellt.
Meine Mitfahrer sind vier US-Amerikaner, von denen drei früher bei der Armee waren. Sie erklären mir, warum jemand alles stehen und liegen lässt und um die halbe Welt fährt, um sein Leben für die Verteidigung eines Landes zu riskieren, das nicht das eigene ist. „Wir alle haben dieselbe Geschichte“, sagt Afghanistan-Veteran Tay. Das stimmt zwar nicht ganz, aber seine Geschichte ist ein guter Ausgangspunkt.
Vor einem Monat schaute er sich zuhause in Dallas, Texas, Videos über die russische Invasion an. Da sah er, wie der ukrainische Präsident sich an die Welt wandte: „An alle Freunde der Ukraine, die uns bei der Verteidigung beistehen wollen“, sagte Wolodymyr Selenskyj, „kommt! Wir werden euch Waffen geben.“
Tay hat in der 82. US-Luftlandedivision in der afghanischen Provinz Ghazni gedient. Er marschierte vor Panzerfahrzeugen, suchte nach Minen und stand gegen feindliche Motorräder Wache. Ständig war seine Einheit in Gefahr, von improvisierten Explosionen getroffen zu werden. Als er Krampfanfälle bekam, wurde er in Ehren entlassen und erhielt einen Behindertenstatus, den er aus wirtschaftlicher Notwendigkeit akzeptiert, aber eigentlich ablehnt.
Nach längerer Behandlung verloren sich die Krämpfe fast ganz, aber erst nachdem er eine sehr schwierige Phase durchgemacht hatte. Seine Ehe ging kaputt. Er geriet in Schlägereien und in Konflikt mit dem Gesetz. Erst nach Jahren konnte er sich wieder aus dem Tief herausziehen. Nach einer langen Zeit, die er fett und deprimiert verbracht hatte, gelang es ihm schließlich „das Dickerchen abzuspecken“. Er fand Arbeit als Privatdetektiv und baute später Bootsanlegestellen für reiche Leute. Das Projekt seines eigenen Wiederaufbaus war zum Teil gelungen, als er die ersten Bilder von ukrainische Zivilisten sah, die Molotow-Cocktails bauten, ausgebombte Geburtskliniken und Selenskyj in seiner olivfarbenen Reißverschlussjacke.
Tay kauft einen Hinflug nach Europa
Das war der Zeitpunkt, an dem er das Büro seines Kongressabgeordneten kontaktierte, um einen Eil-Reisepass zu bekommen. Nachdem er eine ukrainische NGO gefunden hatte, die für ihn bürgte, bekam er den Pass. Er begann zu packen und kaufte einen Hinflug nach Europa.
Als er Freunden und seiner Familie von seiner Entscheidung erzählte, „war die Reaktion schrecklich“. Sie waren bestürzt, dass er sein Leben als Zivilist und seine schöne Etagenwohnung aufgeben wollte, um in der Ukraine zu kämpfen und möglicherweise zu sterben. Sie verstanden nicht, sagt er, dass er sich so auf die beste Weise nützlich machen konnte, mit etwas, bei dem er sich auskannte – dass es eine Chance für ihn war, wieder etwas aus sich zu machen.
Nachdem 2014 mit Russland verbündete Truppen in die Krim und die östliche Ukraine eimarschiert waren, zog es ausländische Kämpfer in die Ukraine. Manche von ihnen kämpften auf russischer Seite. Damals war der Krieg auf ein kleines Gebiet beschränkt und erhielt weniger internationale Aufmerksamkeit. Die freiwilligen Kämpfer waren daher ein kleine und selbst auswählende Gruppe, die zumeist von ideologischem Eifer und post-sowjetischen Beschwerden angetrieben waren.
Unter den Freiwilligen waren auch einige Extremisten – Neonazis und Leute, denen Kriegsverbrechen vorgeworfen wurden. Eine der effektivsten Kampfeinheiten der Ukraine, das Asow-Bataillon, war anfangs eine rechtsextreme Miliz und es sollen noch immer einige Extremisten in ihm kämpfen. Die Existenz dieser Einheit, die 2014 in die ukrainische Armee eingegliedert wurde, spielte eine große Rolle bei Putins ansonsten grundloser Behauptung, sein Ziel sei es, die Ukraine zu „entnazifizieren“.
Die meisten dieser frühen ausländischen Kämpfer kamen aus Ländern der früheren Sowjetunion. Für sie war der Kampf um die östliche Ukraine die neueste Version eines längeren Krieges zwischen Russland und seinen Nachbarn. Von dieser ersten Gruppe von Freiwilligen „waren weniger als tausend aus dem Westen“, sagte der Experte für ausländische Kämpfer Kacper Rekawek dem Online-Magazine Slate.
„Facebook-“ und „Call of Duty-Krieger“
Kaum eine Woche nach der Invasion hatte die ukrainische Botschaft in Washington DC laut eigenen Angaben 3.000 Anträge von Leuten erhalten, die in der Ukraine kämpfen wollten. Schnell entstanden Gruppen auf Facebook und Reddit, über die man sich organisieren wollte. Dabei waren einige der US-amerikanischen Freiwilligen hoffnungslos naiv. Viele schienen mehr daran interessiert zu sein, darüber zu sprechen, in die Ukraine zu gehen, als es wirklich zu tun. Umgekehrt hatten einige von denjenigen, die besonders erpicht darauf waren, keine militärische Erfahrung oder andere nützliche Fähigkeiten wie eine medizinische Ausbildung. Die erste Gruppe wurde geringschätzig als „Facebook-Krieger“ bezeichnet und die zweite als „Call of Duty-Krieger“.
Die ernsthafteren Anwärter teilten sich in kleinere Gruppen auf, nutzten die verschlüsselte Nachrichten-App Signal, um zu kommunizieren und versuchten, sich gegenseitig zu überprüfen. Bald war ich mit mehr als einem Dutzend Amerikanern in Kontakt, die entweder sagten, sie seien bereits in der Ukraine oder innerhalb der nächsten Woche auf den Weg dorthin. Viele hatten gerade Flüge gekauft und waren in den letzten Zügen dabei, „ihre Angelegenheiten zu ordnen“, wie einer es formulierte.
Die überwältigende Mehrheit war männlich. Ich sprach aber auch mit einer Rettungssanitäterin bei der Feuerwehr, die erzählte, dass sie auf der Suche nach einem Sponsor war, der ihr die Reise in die Ukraine finanzieren würde. Wie einige der Anderen, mit denen ich sprach, schien sie bereit zu sein, für die Reise nach Europa ein deutliches finanzielles Risiko auf sich zu nehmen.
Auf dem Weg in den Krieg
Die meisten erzählten, dass Freunde und Familie zunächst nicht glücklich mit ihrer Entscheidung waren, sie aber unterstützten, als klar wurde, dass sie nicht abzubringen waren. Einige planten für zwei oder drei Wochen zu bleiben und dann zu ihren Frauen, Kindern, Jobs und Hunden in den USA zurückzukehren. Andere wollten solange bleiben wie nötig. Viele der Männer baten darum, nur mit ihrem Vornamen genannt zu werden, entweder aus Sicherheitsgründen oder weil ihre Freunde und Familien nichts von ihrer Entscheidung wussten.
„Es ist einfach, einen Krieg zu romantisieren“ oder ihn als „ein großes Abenteuer zu betrachten, so verrückt das klingt“, gibt Alex zu, der ebenfalls in die Ukraine will. Als dort der Krieg begann, scherzten und diskutierten seine alten Armee-Freunde – von denen viele nicht unbedingt kampferfahren sind – darüber, hinzufahren und zu unterstützen. Aber als es Ernst wurde, machten alle außer ihm einen Rückzieher.
Einige der Freiwilligen sagten, dass sie lieber Aufgaben außerhalb der Kampfhandlungen übernehmen wollten, und hofften, als Ärzte, Feuerwehrleute oder Fahrer nützlich zu sein. Viele betonten, dass sie tun wollten, was der Ukraine am meisten nützt, sei es an der Front oder im Hintergrund Versorgungskonvois zu beladen.
Nachdem ich von einem Mann kontaktiert worden war, der aus New York abflog, machten wir aus, dass ich ihm nach Warschau folgen würde, wo er einige andere treffen wollte, um gemeinsam zur ukrainischen Grenze zu fahren. Danach würden sie mir Updates schicken, während sie sich auf den Weg in den Krieg machten.
Scott erinnert sich an sein erstes Treffen mit den Anonymen Alkoholikern
Als er am Gate des New Yorker Flughafens neben mir sitzt, ist Scott wie leibhaftiges Koffein. Er hat gerade stundenlang und letztlich erfolgreich mit Zollbeamten diskutiert. „Ohne meine Schutzweste gehe nirgendwohin,“ erklärt mir Scott. „Ich bin vielleicht verrückt, aber nicht dumm.“
Scott ist überall mit Tattoos bedeckt. Er trägt eine Brille und ist mit seinen 49 Jahren älter als ich erwartet hatte, als ich anfing, mich mit ihm über Signal zu unterhalten. Er ist gesprächig, ein Menschentyp, der immer gewinnen muss, und leicht angespannt. Er spricht wie aus der Pistole geschossen mit einer Sprache, die von Gen-X Manierismen wie „Mann“ und „Dude“ unterbrochen wird.
Seine Corona-Maske setze er nicht ab, erklärt er nebenbei, weil er an Blutkrebs im vierten Stadium leidet. Als ich ihn frage, ob seine Entscheidung, sich dem Krieg gegen den russischen Imperialismus anzuschließen etwas mit seiner Erkrankung zu tun hat, scheint meine Annahme ihn zu verblüffen.
Das ist, wie ich später merken sollte, typisch Scott. Später wird er nebenbei erwähnen, dass er nur zweimal im Monat duscht und zusätzliches Baden unnötig findet; als ich ihm nicht glaube, ruft er seine Partnerin an und stellt sie laut, damit sie es bestätigen kann. „Aus irgendeinem Grund riecht er nicht“, sagt sie.
Scott ist ein ehemaliger Alkoholiker, der seit vielen Jahren trocken ist. Als er Selenskyjs Aufruf gehört habe, hätte er das gleiche Gefühl gehabt, wie bei einem der ersten Treffen der Anonymen Alkoholiker, als er gebeten wurde aufzustehen und zu sagen: Ich will das nicht tun, aber ich muss.
„Kein Erbarmen mit ausländischen Kämpfern“
Im Gegensatz zu den anderen in der Gruppe ist Scott kein Kriegsveteran. Aber er ist jemand, der viel in der Natur unterwegs ist und Such- und Rettungserfahrung hat. Er hofft, dass er helfen kann, indem er logistische Aufgaben übernimmt. Scott und seine Partnerin leben in New England. Sie haben keine Kinder und er arbeitet derzeit nicht.
Seine Partnerin, eine leitende Marketing-Angestellte, unterstützte seinen Aufbruch in die Ukraine, erzählt er. Sie tat das auch, weil sie weiß, dass es keinen Sinn hat, ihn aufhalten zu wollen, wenn er eine Entscheidung getroffen hat. Als wir ins Flugzeug steigen, stelle ich fest, dass er Business Class fliegt. „Das mache ich normalerweise nicht“, erklärt er, „aber sie sagte, da es mein letzter Flug sein könnte …“
Nur wenige Tage vor unserem Flug bombardierte Russland einen ukrainischen Militärstützpunkt, an dem ausländische Kämpfer trainierten; nach ukrainischen Angaben starben 35 Menschen. Russland behauptet, 180 „ausländische Söldner“ getötet zu haben, und drohte in einem Statement, es werde „kein Erbarmen mit ausländischen Kämpfern haben, egal wo in der Ukraine sie sich aufhalten”.
Scott erzählt, dass in den letzten 48 Stunden eine der Freiwilligengruppen, die die Anreise von Freiwilligen organisieren, komplett zusammengebrochen ist. Es entstand großes Chaos, mit Streitereien und Abspaltungen. Er wolle vermeiden, sich mit möglichen „Cowboys“ zusammenzutun, jetzt, da viele Menschen in Polen auftauchen, die nicht wissen, wohin sie gehen und wem sie vertrauen sollen.
Über Deutschland sind Kampfjets in der Luft
Später, als wir über Deutschland fliegen, winkt mich Scott an sein Fenster. Durch die Wolken hindurch sind Kampfjets im Manöver zu sehen. Er kichert. „Fühlt es sich schon echt an?“
„An welche Zeit in der Geschichte erinnert Sie das?“, fragte kürzlich ein CNN-Reporter drei Freiwillige auf dem Weg in die Ukraine. „1936“, antwortete ein junger Brite ohne zu zögern. „An die Zeit, als in Spanien der Faschismus aufkam.“ Er fuhr fort: „Damals sind viele nach Spanien gegangen, aber nicht genug. Hätten wir den Faschismus 1936 zerschlagen, hätten wir 1939 abwenden können. Genau so fühlt sich das hier an. Wenn wir ihn jetzt nicht stoppen, werden unsere Kinder diesen Kampf führen.“
Schätzungsweise 2.800 Freiwillige aus den USA kämpften im spanischen Bürgerkrieg gegen den Faschismus. Genaue Zahlen sind schwer zu erhalten, doch wird angenommen, dass etwa 800 von ihnen getötet wurden. Während des Kalten Krieges zogen Söldner, die aus einer Mischung von Geld und Ideologie motiviert waren, zwischen den schmutzigen Kolonialkriegen umher. Sie bekämpften kommunistische Bewegungen oder stützten in einigen Fällen Regime weißer Minderheiten. In jüngerer Zeit gingen westliche Freiwillige nach Syrien, um mit den Kurden gegen den Islamischen Staat (IS) zu kämpfen. Einige schlossen sich auch dem IS an.
Ukraine heißt Freiwillige willkommen
In der Ukraine ginge es nicht um „Ideologie oder Politik, nur um Leute, die einen gerechten Krieg nicht verpassen wollen“, sagte ein Ex-US-Marine der Military Times, der angab, früher freiwillig in kurdischen und jessidischen Einheiten gegen den IS gekämpft zu haben.
Bestrebt, ihre Sache internationaler zu machen, hat die Ukraine Freiwillige willkommen geheißen, aber auch versucht Prioritäten zu setzen. „Wir sollten nur erfahrene Kampfveteranen aufnehmen. Das ist die Lektion, die wir lernen“, sagte ein ukrainischer General dem amerikanischen Militärmagazin Task & Purpose. „Die anderen wissen nicht, worauf sie sich einlassen – und wenn sie es herausfinden, wollen sie wieder nach Hause.“
Einige Experten sehen etwa den praktischen Nutzen von Freiwilligen, die die Landessprache nicht beherrschen, skeptisch. Auch könnten ausländische Kämpfer den Konflikt eskalieren oder den Krieg in die Länge ziehen.
„Wenn ich nur einem Ukrainer helfen kann, ist es das wert“, erklärten mir mehrere amerikanische Freiwillige. Viele sagten, sie wüssten nicht wirklich, was sie erwartet. Ihre Devise: Erst einmal ankommen, die Einzelheiten klären wir später.
„Ich bin seit 4 Uhr morgens auf den Beinen“, sagt Tay, als er Scott und mich in einem Hotel in der Nähe des Warschauer Flughafens trifft, „um auf Leute aufzupassen, die ihren Kram nicht im Griff haben.“ Seine Frustration ist spürbar. Dabei ist sein Auftreten freundlich, wenn auch etwas rastlos.
Tay hat eine Lebenversicherung abgeschlossen
Seit seiner Ankunft vor einigen Tagen hat er die meiste Zeit mit dem Aufsammeln von Verirrten verbracht. Ein Amerikaner schlief in einem Park, nachdem er aus einem Hotel geworfen worden war, weil er sich mit dem Sicherheitspersonal angelegt hatte. Zwei andere, die eindeutig überfordert waren, haben beschlossen, wieder nach Hause zu gehen – eine Entscheidung, die Tay unterstützte.
Dem 30-Jährigen steht „ehemaliger Soldat“ auf den Leib geschrieben, und das im wahrsten Sinne des Wortes, denn er hat kleine Narben an der Seite seines Gesichts, die von einer Explosion in Afghanistan stammen. Er verfügt über Erste-Hilfe-Kenntnisse, die in einer humanitären Krise oder als medizinischer Versorger bei Kämpfen nützlich sein könnten, erzählt er. Aber Kämpfen sei das, was er wirklich kann, und er ist entschlossen, an die Front zu gehen.
Tay ist ledig, hat aber vor kurzem eine Lebensversicherung abgeschlossen. Er hofft, dass sie für seine Schwestern aufkommt, falls ihm in der Ukraine etwas zustößt. Als wir vor unserer Ankunft über Signal sprachen und ich zu fragen begann, ob er wirklich bereit sei, für die Ukraine zu sterben, unterbrach er mich. „Mit meinem Schutzschild, oder auf ihm“, sagte er.
Wie Tay von anderen Ex-Soldaten erfahren hat, herrscht bei den Freiwilligen immer noch Chaos. Ein Teil des Problems besteht darin, dass nur wenige Amerikaner bereit sind, der offiziellen ukrainischen Legion beizutreten. Dort wird erwartet, dass sie einen Vertrag unterschreiben, was niemand tun will, und sie haben gehört, dass ihnen der Pass abgenommen wird, um sie an einer Abreise zu hindern. Es gibt Gerüchte, dass einige der Milizen Leute, die nur kurz bleiben, noch weniger freundlich behandeln.
Und „die Leute kommen ohne Plan hierher“, sagt er. „Viele kommen mit Red Bull vollgepumpt her. Die Armee hat uns wie Babies versorgt – oder uns zumindest gesagt, wohin wir gehen und was wir tun sollen. Hier müssen wir das selbst tun.“
Rick war früher bei der Luftwaffe
Rick kommt an diesem Nachmittag an und sieht völlig erschöpft aus. Er hat eine ziemliche Tortur hinter sich. Zuerst wurde sein Flug gestrichen, dann durfte auch sein zweiter Flug nicht starten. Beim Umsteigen in Amsterdam aß er dann „gerade ein schönes Thunfischsandwich, als zwei riesige Holländer auf mich zukamen und fragten, ob ich mit ihnen reden könne“.
Die Polizisten, oder wer sie auch waren, befragten ihn 40 Minuten lang zu seiner militärischen Ausrüstung und seine Absichten. Er sagte ihnen ehrlich, dass er auf dem Weg in die Ukraine sei, um zu helfen. Schließlich ließen sie ihn gehen.
Rick war früher bei der Luftwaffe. Der Dreißigjährige hat einen Bart und die obligatorischen Arme voller Tattoos. Zum Militär ging er mit 17 Jahren – „ich war praktisch noch ein Kind“. Drei Einsätze in Afghanistan hat er mitgemacht, einige Zeit an einem winzigen Außenposten in Gardez, wo er nachts um zwei in Unterwäsche Taliban-Angriffe abwehrte. Er spricht offen über seine posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) und ist skeptisch gegenüber Kriegsveteranen, die behaupten, nicht daran zu leiden.
Rick ist weniger gesprächig als Scott und Tay, hat aber eine Vorliebe für Witzeleien. („Ich mag dich, Oliver“, bemerkt er später. „Ich würde eine Kugel für dich in Kauf nehmen. Nicht so eine großkalibrige Kugel. Vielleicht eine 22er.“) Zuhause ist er Feuerwehrmann und Rettungssanitäter irgendwo auf dem Land in Texas, wo er sich auch als Ausbilder für Schusswaffen qualifiziert hat. Im Gegensatz zu den beiden anderen hat Rick einen Rückflug; er will vielleicht für eine Woche in die Ukraine und hoffentlich als Sanitäter oder bei der Ausbildung anderer helfen. Wenn er von Nutzen ist, will er vielleicht wiederkommen.
Rick erzählt, dass bei ihm Bilder von verwundeten Kindern den Ausschlag gaben. „Ich sah mir meinen Achtjährigen an und dachte: ‚Wenn er beschossen wird, hoffe ich, dass jemand versucht, ihm zu helfen’“. In die Nähe der Front will Rick nicht, obwohl er später zugibt, dass er einen versiegelten Brief an seinen Sohn vorbereitete hat – für den Fall, dass er nicht zurückkehren sollte.
Mit dem Zug nach Lemberg
Die Gruppe sitzt in einem Hotelzimmer und diskutiert über die Surrealität der ganzen Sache. Als Rick seinen Flug buchte, fragte seine Freundin, ob er etwas eingenommen habe. „Sie hat mich tausendmal gebeten, nicht zu fliegen“, erzählt er. „Was?“ sagt Scott. „Meine hat gesagt, ich soll gehen.“
„Ich habe meinem Sohn versprochen, ihm ein Stück russischen Panzer mitzubringen“, erzählt Rick. „Er spielt mit einem Jungen in der Ukraine Xbox. Er wusste fast vor mir von dem Krieg.“
Quelle : Der Freitag-online >>>>> weiterlesen
Übersetzung: Carola Torti
J Oliver Conroy | The Guardian
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Grafikquellen :
Oben — Brennender Wohnblock infolge eines Bombenangriffes am 14. März
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2.) von Oben — Das Brandenburger Tor am 24. Februar 2022, angestrahlt in den Nationalfarben der Ukraine
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Unten — Zerstörungen in der Oblast Charkiw nach russischem Beschuss während der russischen Invasion der Ukraine im Jahr 2022.