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Philister des Volkes

Erstellt von Redaktion am Samstag 26. März 2022

„Ich bin nicht Minister für Grüne“

Für ein Stück vom Kuchen des Staat wurden die Grünen Wähler betrogen ?

Interview von Malte Kreutzfeldt und Bernhard Pötter mit Robert Habeck

Er wollte Windräder bauen, jetzt kämpft er für billiges Benzin. Der Wirtschafts- und Klimaminister erklärt, warum er gegen ein Gas- und Ölembargo ist.

Der Minister sieht müde aus und das hat einen Grund. Am Donnerstagnachmittag empfängt der grüne Wirtschafts- und Klimaminister Robert Habeck zum Interview nach einer durchgemachten Nacht. Bis acht Uhr morgens hat er mit den Koalitionspartnern über das Entlastungspaket verhandelt. Dann schnell nach Hause, duschen, Zähne putzen und wieder in den Bundestag: Rede zur Vorstellung seines Haushalts. Am Nachmittag sitzt er in seinem riesigen Amtszimmer im Wirtschaftsministerium. Nach einer kurzen Pause eine Cola gegen die Müdigkeit. Dann geht es los.

taz am wochenende: Herr Habeck, eine Frage, die man eigentlich nicht laut stellen darf: Ist dieser fürch­terliche Krieg in der Ukraine die Gelegenheit, auf die alle ­gewartet haben, die die Energiewende voranbringen wollen?

Robert Habeck: Jeden Tag sterben Menschen, werden verletzt, sitzen verzweifelt in Kellern, in der Hoffnung, von Bomben verschont zu bleiben. Also nein, alle Menschen wären froh, wenn es den Krieg nicht gäbe. Aber was zu spüren ist, ist die Entschlossenheit und die Geschlossenheit, dem etwas entgegenzusetzen. Wir wollen unabhängig werden von russischen Importen. Und dazu braucht es die Energiewende. Die Stimmung ist: Komm, jetzt ziehen wir es durch.

Sogar die FDP nennt die Erneuerbaren inzwischen Freiheitsenergie.

Wer das Klima schützt, schützt die Freiheit. Diese Erkenntnis hat jetzt noch mal eine neue Dimension. Alles hängt daran, dass sie auch trägt, wenn es zum Schwur kommt. Aber den Schwur bereiten wir vor, mit allem, was wir haben.

Was heißt das?

Wir bringen zu Ostern ein Gesetzespaket mit 56 verschiedenen Einzelmaßnahmen auf den Weg. Die wichtigsten davon: die größte Reform des EEG, die es je gab, mit neuen Ausbauzielen und der Abschaffung der Umlage, neuen Regelungen für Offshore-Wind und Photovoltaik, Änderungen im Gebäude-Energie-Gesetz. Auch in der Fläche wollen wir mehr Windenergieanlagen installieren. Im Sommer kommen dann noch die Regeln zum Netzausbau. Dazu ein großes Effizienzprogramm. Das ist dann unser Fahrplan für die nächsten Jahre, um Deutschland bis zum Jahr 2045 klimaneutral zu machen.

Aber das meiste davon war ja schon vor Kriegsbeginn geplant. Hätten Sie unter dem Druck des Krieges nicht noch mehr durchsetzen können?

Nein, die Ziele waren ja schon so extrem ehrgeizig. Deutschlands Energieunabhängigkeit und Klimaneutralität werden wir nur in einem großen, gemeinsamen Kraftakt erreichen, zu dem alle Ebenen – Bund, Länder, Kommunen, Unternehmen, private Haushalte – etwas beitragen. Der Ausbau von Windkraft und Photovoltaik in den jetzt vorgesehenen Größenordnungen wird das Land verändern und fordern. Noch mehr geht einfach nicht, auch schon physisch. So viele Hände gibt es gar nicht, die das alles umsetzen und verbauen. Aber wenn wir uns in den nächsten acht Jahren an die zwei Prozent der Landesfläche für Windanlagen heranarbeiten und die Verfahren beschleunigen, dann wäre das schon ein wahnsinniger Erfolg.

Dafür sind Sie auf die Länder angewiesen. Müssen Sie da den Druck nicht noch mehr erhöhen?

Wir könnten da als Bund vieles auch allein machen, aber wir wollen das als gesellschaftliche Gemeinschaftsleistung vollbringen.

Und wenn das nicht klappt mit der Gemeinschaftsleistung?

Im ersten Jahr der Legislaturperiode musst du anschieben, reden, fördern, überzeugen. In der Mitte der Legislatur muss ein Schalter umgelegt werden. Da muss es dann eine gesellschaftliche Dynamik geben: dass man Zustimmung gewinnt, wenn man Wind- und Sonnenkraft ausbaut und Landtagswahlen verliert, wenn man sich dagegenstellt. Wenn das nicht passiert, wird ein Bundesminister scheitern, auch wenn er noch so fleißig ist. Und weil ich nicht scheitern will, ist es meine Aufgabe, diese Dynamik zu orchestrieren. Die Logik ist: Jedes Land trägt Verantwortung, und wer die Veränderung mit aufs Gleis setzt, wird davon profitieren. Aber ein Verharren im Weiter-so darf politisch nicht belohnt werden.

Ein Verharren im Weiter-so gibt es aber beim Tempolimit. Warum ist das nicht durchsetzbar, obwohl es die Ölimporte verringern und bei den Klimazielen helfen würde?

Es ist kein Geheimnis, dass ich ein Tempolimit richtig finde. Wir reden ja viel über ein Embargo von russischem Öl. Ein Drittel unseres Öls kommt aus Russland. Und auch beim Klimaziel im Verkehr sind noch nicht alle Antworten gefunden. Aber ich weiß, dass unsere Koalitionspartnerin, die FDP, da anders draufschaut. Beim zweiten Problemfeld, bei den Gebäuden, haben wir jetzt im Entlastungspaket viele gute Sachen hinbekommen: Der neue KfW-Standard 55 für Neubauten ab nächstem Jahr, und ab 2024 gibt es keine reinen neuen Gasheizungen mehr.

Sie müssen laut Gesetz ein Sofortprogramm vorlegen. Aber alle diese Maßnahmen wirken nicht sofort.

Nein, natürlich wirken die Maßnahmen erst mit der Zeit. Ich habe ja schon gesagt, dass wir 2022 und wahrscheinlich auch 2023 kaum eine Chance haben, die Klimaziele im Gesetz in allen Ressorts einzuhalten. Da war die aktuelle Explosion der Preise noch nicht einberechnet. Es könnte sein, dass dadurch die Emissionen stärker sinken als wir dachten. Nur ist das keine Erfolgsmeldung: Denn bei den Unternehmen und bei einigen Bürgerinnen und Bürgern geht die blanke Existenzangst um. Manche Industriezweige fahren jetzt schon die Produktion zurück, Aluminium beispielsweise. Eine Wirtschaftskrise, Arbeitslosigkeit, Abbruch von Produktionsketten, Abwanderung von Industrie – das ist kein Klimaschutz, den man feiern sollte. Im Gegenteil: Es ist das Scheitern von Politik, wenn man die eine Krise, den Krieg, braucht, damit die andere Krise, die Klimakrise, nicht so schlimm wird.

Sie bekommen jetzt eine Minute zum Jammern: Was hat die Vorgängerregierung Ihnen hinterlassen, wo Sie sagen: Oh, mein Gott!

Ich habe ein paar Sachen vorgefunden, wo man sagt: Wie kann das eigentlich sein? Wir haben keine politische Möglichkeit, um eine Versorgungskrise im Gasbereich zu unterbinden? Oder, dass die Überförderung bei der Neubauförderung nicht erkannt wurde, das war schlechtes politisches Handwerk, das viel Geld kostet. Wer zu lange im Amt ist, verliert die Selbstkritik. Sollte ich sehr lange Minister sein, werde ich auch irgendwann im eigenen Saft schmoren. Das Gute an der Demokratie ist aber: Es kommen neue Leute, die hinterfragen das.

Habeck sitzt auf der Couch in seinem Ministerbüro, konzentriert vornübergebeugt. Er spricht mit leiser, belegter Stimme. Der riesige Raum ist karg möbliert. Deutschland- und EU-Fahne in der Ecke sind der einzige Schmuck. Die Schränke, bei seinem Vorgänger Peter Altmaier voller Geschenke und Andenken, sind noch leer. Der große Schreibtisch ist säuberlich aufgeräumt. Das habe er früh von einem seiner Büroleiter gelernt, sagt Habeck: Abends muss der Schreibtisch leer sein wie eine Landebahn.

Sie kommen gerade aus einer Verhandlung, die Ampel hat sich die ganze Nacht um ein Entlastungspaket gestritten. Wie schwierig ist denn die Umsetzung all dieser großen Ziele mit FDP und SPD?

Ich will es mal so beantworten: Dass wir unterschiedlich auf Dinge gucken, dass wir eine unterschiedliche politische Wertevorstellung haben, das ist einfach so. Bei vielen gesellschaftspolitischen Fragen passen wir sehr gut zusammen. Und es gibt andere Sachen, wo Ordnungsrecht und haushalts- oder finanzpolitische Aspekte berührt sind, wo die Spannungen größer sind. Und das sind jetzt interessanterweise eher die Bereiche, die ich betreue. Aber ich habe sehr gute Kollegen, mit denen ich das auch auf dieser handwerklichen Ebene immer wieder gut lösen kann. Mit dem Finanzministerium und auch ausdrücklich mit dem Verkehrsministerium.

Im Entlastungspaket geben Sie viel Geld aus, um den Benzinpreis zu senken. Wie schwer fällt Ihnen das als Politiker einer Partei, die diesen Preis mal auf fünf D-Mark hochsetzen wollte?

Das fällt mir nicht so schwer, weil ich sehe, wie die Preise für viele Leute extrem bedrückend sind. Bei Speditionen, Unternehmen, bei Taxifahrern, bei Berufspendler entstehen da materielle Nöte. Und die hohen Preise für Heizen und Strom werden mit Verzögerung ein noch größeres Problem darstellen. Das wird vielen Leuten richtig wehtun, da müssen wir Entlastung schaffen. Ich finde es aber noch besser, dass wir im öffentlichen Nahverkehr das Angebot attraktiver machen.

Mehr als die Hälfte der Preissteigerung bei Benzin und Diesel bleibt als Extragewinn bei Raffinerien und Zwischenhändlern. Muss man das noch mit Staatsgeldern subventionieren? Hätte man das nicht mit Gewinnabschöpfung mit Preisobergrenzen verhindern können?

So geht Politik – Zusagen im Wahlkampf nicht einhalten, bedeutet auch seine Wähler-Innen zu spalten.  Darum : “ Schau – Trau, nie eine-n/r Politiker-Inn!

Übergewinne abzuschöpfen finde ich als Idee richtig und sie sollte unbedingt auf der politischen Agenda bleiben. Kriegsgewinnlertum darf kein Geschäftsmodell sein. Wir haben die Abschöpfung der Gewinne aber nicht in dieses Paket reinbekommen, weil es noch kein durchgerechnetes, rechtssicheres Modell gibt. Das Steuerrecht ist komplex, und der Schuss muss sitzen.

Ein Geschäftsmodell, das in der akuten Krise jedenfalls wieder zurück ist, heißt Kohle. Die bisherige Planung zum Kohleausstieg beruhte darauf, dass es billiges Gas gibt. Muss man da nicht ganz neu nachdenken?

Die Notwendigkeit, aus der Kohle schnell auszusteigen, bleibt. Ohne hier wieder zu jammern: Die alte Bundesregierung hat zwei Gesetze geschaffen, die nicht miteinander kompatibel sind. Einmal das Kohleausstiegsgesetz mit 2038 als Enddatum und einmal das Klimaschutzgesetz mit seinen Minderungspfaden bis 2030 auf minus 65 Prozent und bis 2040 auf minus 88 Prozent der Emissionen gegenüber 1990. Wenn der Kohleausstieg erst 2038 erfolgt, ist das schlicht unmöglich. Die Ministerpräsidenten der Kohleländer haben darauf hingewiesen, dass es quasi eine Art Vertrauensschutz gibt mit dem Kohleausstieg 2038. Es gibt aber auch einen Vertrauensschutz gegenüber der Gesellschaft und anderen Staaten, um die Klimaziele zu halten. Dafür stehe ich. Wir müssen die Klimaschutzziele einhalten und dafür die Hilfen für die betroffenen Regionen beschleunigen.

Schneller weg vom Gas heißt aber: mehr Kohle und mehr C02.

Schneller weg vom Gas kommen wir durch den schnelleren Ausbau der Erneuerbaren und einer früheren Umstellung auf Wasserstoff. Auf zusätzliche Kohle wollen wir nur im Notfall zurückgreifen. Es sollen zwar mehr Kohlekraftwerke in die Sicherheitsbereitschaft, das heißt aber nicht, dass diese dann tatsächlich auch zum Einsatz kommen. Wenn wir in den nächsten Jahren mehr Kohle verfeuern sollten, müssen wir natürlich den zusätzlichen CO2-Ausstoß ausgleichen. Und ich bin da optimistisch: Beim Wasserstoff jedenfalls gibt es eine unglaubliche Dynamik.

Sie waren gerade in den Golfstaaten auf Energie-Shopping-Tour. Gibt es da jetzt Zusagen, was die Preise und die Mengen angeht?

Ja, es gab politische Zusagen und deswegen bin ich dorthin gefahren. Mengen und Preise verhandeln im Detail die Unternehmen.

Die Bilder, wie Sie vor dem Emir von Katar einen Diener machen, sind ja nicht überall so gut angekommen. Wie schwer fällt es Ihnen, bei diesen Regimes, die Menschenrechte missachten und Kriege führen, als Bittsteller aufzutreten?

Quelle        :      TAZ-online         >>>>>        weiterlesen

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Grafikquellen          :

Oben     —  Unterzeichnung des Koalitionsvertrages der 20. Wahlperiode des Bundestages am 7. Dezember 2021

Sandro Halank, Wikimedia Commons, CC BY-SA 4.0

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