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Archiv für Juni 29th, 2023

Am Ort ihres Verbrechens

Erstellt von DL-Redaktion am 29. Juni 2023

Die internationale Gemeinschaft wäre gut beraten, die Prozesse zumindest zu unterstützen.

Rojava february 2014.png

Ein Debattenbeitrag von Ibrahim Murad

Die Selbstverwaltung in Nord- und Ostsyrien strebt Prozesse gegen ausländische IS-Täter an. Die Herkunftsländer haben ihre Pflicht versäumt.

Der vereitelte Anschlag auf die Regenbogenparade in Wien Anfang des Monats erinnert daran, dass der sogenannte Islamische Staat (IS) weiter existiert und unverändert eine ernsthafte Bedrohung darstellt. Seit 2019, als der IS in Syrien besiegt wurde, leben in den Lagern und Gefängnissen Nord- und Ostsyriens mehr als 60.000 Mitglieder und Angehörige des IS, darunter auch knapp 2.000 ausländische Kämpfer.

Die unter dem kurdischen Namen Rojava bekannte Selbstverwaltung von Nord- und Ostsyrien, kurz AANES, mit einer mehrheitlich kurdischen Bevölkerung, fordert seit Jahren, dass die Herkunftsländer der Kämpfer, darunter Deutschland, ihre Staatsbürger zurückholen und strafrechtlich verfolgen. Doch abgesehen von der Rückführung einiger Frauen und Kinder ist bislang wenig passiert.

Mitte Juni erklärte nun die AANES, die mutmaßlichen IS-Terroristen mit ausländischer Staatsbürgerschaft selbst vor Gericht zu stellen. Jemand muss für Gerechtigkeit und die Gewährleistung von Sicherheit und Frieden sorgen. Das Versäumnis der Herkunftsstaaten, die mutmaßlichen Terroristen selbst strafrechtlich zu verfolgen, hat bereits zu sicherheitspolitischen Problemen geführt. In den Lagern und Gefängnissen kommt es wiederholt zu Aufständen und Ausbruchsversuchen.

Die ersten Prozesse sollen in der symbolisch wichtigen Stadt Kobane stattfinden, wo 2014 in erster Linie kurdische Truppen vor den Augen der Weltöffentlichkeit Widerstand gegen den IS leisteten. Die Verfahren sollen öffentlich, fair und transparent sein. Die AANES hat die betreffenden Herkunftsländer, die Vereinten Nationen, NGOs und die Medien eingeladen, den Prozessen beizuwohnen. Außerdem ist man auch weiterhin für die Einrichtung eines internationalen Tribunals offen.

Eine juristische Aufarbeitung ist zweifellos auch im Interesse der Weltgemeinschaft. Der Terror des IS ist ein globales Problem. Zahlreiche Drahtzieher terroristischer Anschläge sind vermutlich in Nord- und Ostsyrien inhaftiert. Die internationale Gemeinschaft wäre also gut beraten, ihrer Pflicht nachzukommen und die nun angekündigten Prozesse zumindest zu unterstützen.

Die Mitgliedstaaten der EU scheinen indes noch nicht einmal in der Lage zu sein, angemessen darüber zu diskutieren. Vielmehr scheint es, als wolle man das Problem aussitzen. Die USA wiederum forderten zwar die Länder der Welt dazu auf, ihre jeweiligen Staatsbürger zurückzuholen, weigerten sich aber selbst hartnäckig, US-Bürger zu repatriieren. Diese Doppelmoral muss ein Ende haben. Der Status quo ist nicht nur gefährlich. Es geht auch um eine lückenlose Aufklärung von Terroranschlägen in den eigenen Ländern. Und schließlich um Gerechtigkeit: Die Opfer des IS-Terrors warten darauf, dass die Täter zur Rechenschaft gezogen werden. Umgekehrt haben die mutmaßlichen IS-Mitglieder selbst – trotz allem – ein Anrecht auf ein Gerichtsverfahren unter fairen Bedingungen.

Bei ihrer Entscheidung, über Verbrechen auf eigenem Boden zu richten, war für die AANES ein wesentlicher Faktor, dass hier belastbares Beweismaterial und vor allem Zeugen, wie Überlebende der IS-Verbrechen, verfügbar sind. Die Bewohner und Kämpfer der Region haben große Opferbereitschaft im Kampf gegen den IS gezeigt. Es ist nur folgerichtig, dass die Prozesse vor Ort stattfinden. Die AANES wird die Prozesse gemäß eigener Gesetze zum Terrorismus führen, jedoch die geltenden internationalen Menschenrechtsstandards dabei achten. Die Todesstrafe ist, wie in der Verfassung der AANES verankert, untersagt.

Die Prozesse werden große finanzielle, logistische und rechtliche Ressourcen erfordern. Der AANES fehlt es aktuell noch an Kapazitäten, diese Prozesse ohne internationale Unterstützung zu stemmen. Die Mitgliedstaaten der EU sollten der AANES daher im Einklang mit geltendem internationalem Recht die nötige Unterstützung gewähren und mit ihr zusammenarbeiten. Beispielsweise könnte bei der Ausbildung von Richtern und nötigem Gerichtspersonal geholfen werden. Daneben muss angesichts der Gefahren für die Sicherheit aller Prozessbeteiligten gesorgt werden.

Beobachter der Herkunftsstaaten sollten vertreten sein, um bei der Aufklärung zu helfen und die eigenen Justizbehörden auf etwaige spätere Prozesse im Heimatland vorzubereiten. Schließlich muss die internationale Gemeinschaft auch den zuletzt intensivierten Angriffen der Türkei auf Nord- und Ostsyrien Einhalt gebieten, die sich gegen dieses Vorhaben positioniert und dieses gefährdet haben.

Es bleibt die Frage, was passiert, wenn die in den nun beginnenden Prozessen verhängten Strafen verbüßt sind und die Täter nach ihrer Entlassung vor der Frage stehen, wohin. Spätestens dann wird man sich die Frage nach einer Rehabilitierung stellen müssen. Schon jetzt stellen die überfüllten und vernachlässigten Gefängnisse und Lager einen Hotspot der Radikalisierung dar. Die humanitären Bedingungen sind miserabel. Vor allem Frauen und Kinder bleiben ihrem eigenen Schicksal überlassen.

Quelle          :           TAZ-online           >>>>>       weiterlsen

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Grafikquellen          :

Oben        —      Während Rojava 2014 mehr oder minder nur aus den drei Gründungskantonen Efrîn, Kobanê und Cizîrê bestand, wuchs es bis 2017 beträchtlich und nimmt nun den größten Teil Nordsyriens ein. Die Städte al-Hasaka und Qamischli stehen jedoch teilweise unter Kontrolle der syrischen Regierung. Mehrere Militäroperationen der Türkei mit ihren syrischen Verbündeten führten zu Verlusten, wie z. B. Afrin 2018

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Rüstung und Militär

Erstellt von DL-Redaktion am 29. Juni 2023

Eine EU-Armee für das deutsche Europa?

Blutrote Teppiche gibt es nicht für Panzer Verkäufer in der USA

Quelle     :     Untergrundblättle – CH

Von              :    Jürgen Wagner
Artikel aus: Graswurzelrevolution Nr. 398, April 2015, www.graswurzel.net

Rüstungshaushalt, Militär und Rüstungsindustrie.  Die Pläne zum Aufbau einer „Vereinigten Armee von Europa“ reichen zurück bis zum Pleven-Plan der frühen 1950er Jahre.

Seither werden sie in schöner Regelmässigkeit aus der politischen Mottenkiste geholt, zuletzt Anfang März 2015 durch EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker, dem schnell andere Politiker, besonders aus Deutschland, beisprangen.Dahinter steckt das Kalkül, nur im EU-Verbund liesse sich die militärische – und damit auch die machtpolitische – Schlagkraft der Europäischen Union auf das Niveau ihrer Wirtschaftskraft hieven. Schon vor Jahren fasste der ehemalige belgische Aussenminister Mark Eyskens diese Überlegungen in einem Spruch zusammengefasst, der inzwischen zum geflügelten Wort avanciert ist: „Europa ist ein wirtschaftlicher Riese, ein politischer Zwerg und, was noch schlimmer ist, ein militärischer Wurm, wenn es keine eigenständige Verteidigungsfähigkeit entwickelt.“

Tatsächlich wurde aus genau diesen Gründen mit dem – schrittweisen – Aufbau einer EU-Armee längst begonnen. Die wohl wichtigste Massnahme in diesem Bereich ist das sogenannte Pooling & Sharing (P&S), die gemeinsame Beschaffung und Nutzung von Militärgerät.

Damit droht jedoch der komplette aussen- und sicherheitspolitische Bereich jeglicher nennenswerten parlamentarischen Kontrolle entzogen zu werden. Dies dürfte allerdings sogar eher ein gewünschter Effekt sein – was dem Aufbau einer EU-Armee dagegen aktuell wirklich ernsthaft im Wege steht, sind die unterschiedlichen Interessen zwischen Deutschland und dem überwiegenden Rest der EU-Länder.

Machtpolitischer Mehrwert

Wie gesagt, die Forderung nach einer EU-Armee ist nicht eben originell, teils neu ist allerdings der Begründungszusammenhang (1), in den EU-Kommissionspräsident Juncker seine Initiative stellte: „Eine europäische Armee hat man nicht, um sie sofort einzusetzen. [] Aber eine gemeinsame Armee der Europäer würde Russland den Eindruck vermitteln, dass wir es ernst meinen mit der Verteidigung der Werte der Europäischen Union. [] Eine solche Armee würde uns helfen, eine gemeinsame Aussen- und Sicherheitspolitik zu gestalten und gemeinsam die Verantwortung Europas in der Welt wahrzunehmen. [] Im Übrigen würde eine europäische Armee zu einer intensiven Zusammenarbeit bei der Entwicklung und beim Kauf von militärischem Gerät führen und erhebliche Einsparungen bringen.“

Der Verweis auf Russland soll hier augenscheinlich den nötigen Alarmismus erzeugen, um seinen Forderungen Nachdruck zu verleihen. Viel interessanter ist dagegen Junckers Äusserung, eine solche Armee sei generell von grossem Nutzen, und zwar unabhängig davon, ob sie überhaupt eingesetzt wird. Hier reproduziert der EU-Kommissionschef die innerhalb der Eliten omnipräsente Vorstellung, dass der weltpolitische Einfluss eines Landes eng mit dessen militärischen Schlagkraft zusammenhängt. Mit anderen Worten brachte diesen Gedanken der ehemalige EU-Parlamentspräsident Hans-Gert Pöttering folgendermassen auf den Punkt: „Politische Gestaltungskraft ist in der internationalen Politik aber unveränderlich an militärische Stärke gebunden. [] Die EU sollte sich daher nicht nur in ihrem Wunschdenken und ihrer Rhetorik zu einem Akteur von globaler Relevanz erklären, sondern sie muss auch die Mittel besitzen und danach handeln.“

Folgt man dieser Auffassung, so ist ein Zuwachs an militärischer Macht allein deshalb schon wünschenswert, da er mit der Vergrösserung des eigenen Einflusses einhergeht. Hier setzt Junckers zweites Argument in seinem Plädoyer für eine EU-Armee an: beim Geld. Denn selbstredend sollen die von ihm prognostizierten Einsparungen nicht zu einer Absenkung der Rüstungshaushalte führen, sondern zu Effizienzsteigerungen, also knapp zusammengefasst: Zu mehr Krieg pro Euro!

Ausgangspunkt der diesbezüglichen Überlegungen ist der kleinteilige europäische Rüstungssektor, der sich auf viele Länder und Rüstungsbetriebe verteilt und durch den das ganze Geschäft mit dem Krieg reichlich ineffizient wird. So argumentierte etwa Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel in seiner rüstungspolitischen Grundsatzrede (2) vom 8. Oktober 2014: „Die Verteidigungsindustrie in der EU ist nach wie vor national ausgerichtet und stark fragmentiert. Europa leistet sich den ‚Luxus‘ zahlreicher Programme für gepanzerte Fahrzeuge, den intensiven Wettstreit zwischen drei Kampfflugzeugen und eine starke Konkurrenz z. B. im U-Boot-Bereich. [] Folgen dieser unbefriedigenden Situation sind hohe Kosten und nachteilige Folgen für den internationalen Wettbewerb, aber auch negative Auswirkungen für die Streitkräfte. Die Bundesregierung muss daher nach meiner Meinung verstärkt auf eine europäische Zusammenarbeit bis hin zum Zusammengehen von in einzelnen Mitgliedstaaten ansässigen Unternehmen setzen.“

Eine Bündelung des Rüstungssektors in einer EU-Armee (im Fachjargon: Konsolidierung) soll hier Abhilfe schaffen, wie etwa eine Studie des wissenschaftlichen Dienstes des EU-Parlaments namens „Cost of Non-Europe Report“ (3) argumentiert: „73 Prozent der Beschaffungsvorhaben würden bis heute nicht europaweit ausgeschrieben. ‚Zusammenarbeit bleibt die Ausnahme‘, urteilen die Experten. Die daraus entstehenden Mehrkosten sind immens. Laut Bericht belaufen sie sich auf mindestens 26 Milliarden Euro pro Jahr. Maximal könnten sich die verschwendeten Steuergelder sogar auf 130 Milliarden Euro jährlich summieren. Im Jahr 2012 gaben die EU-Staaten rund 190 Milliarden für Rüstung aus.“ (Spiegel Online, 08.12.2013) Auch Junckers Pressesprecher Margaritis Schinas gab an, mit der vom EU-Kommissionschef geforderten Intensivierung der „Zusammenarbeit bei der Entwicklung und beim Kauf von militärischem Gerät“, also mit Pooling & Sharing, könnten Kostensenkungen in dieser Grössenordnung erreicht werden: „Wir haben Studien, die zeigen, dass wir bis zu 100 oder 120 Milliarden Euro pro Jahr einsparen können“ (euraciv.de, 10.03.2015)

Nukleus einer EU-Armee

Auch wenn die Einschnitte in den Rüstungshaushalten bei weitem nicht so dramatisch ausfallen, wie das Gejammer von Politik, Militär und Rüstungsindustrie nahe legt, existiert trotzdem aus oben beschriebenen Gründen ein hohes Interesse an einer Vergrösserung der militärischen Schlagkraft – und P&S soll genau dies bewerkstelligen. So heisst es in einem Papier der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP): „Europa verliert die Fähigkeit, jenseits seiner Grenzen militärisch zu handeln. [] Die chronisch unterentwickelten militärischen Fähigkeiten drohen weiter zu verkümmern: als Folge der Finanzkrise schrumpfen die Verteidigungsapparate rasant. [] In den verteidigungspolitischen Kommuniqués von Nato und EU gilt Pooling und Sharing (P&S) derzeit als technokratische Wunderwaffe gegen drohende militärische Handlungsunfähigkeit.“

Die bislang aus 28 Einzelarmeen mit häufig vollkommen unterschiedlicher Ausrüstung modular oder ad-hoc zusammengesetzten EU-Einheiten sollen sukzessive in immer mehr Teilbereichen durch stehende gemeinsame Truppenteile mit gemeinsamen Stäben und einheitlicher Bewaffnung ersetzt werden. Die derart gebündelten Kräfte stellen den Nukleus einer künftigen EU-Armee dar und sollen dann die prognostizierten deutlichen Kostensenkungen in den Bereichen Anschaffung, Betrieb und Wartung militärischen Geräts nach sich ziehen. Das Ganze ergibt dann deutlich mehr Militärmacht als die Summe seiner Teile, so die Argumentation.

Der erste wesentliche Impuls zur Intensivierung von Pooling & Sharing ging von der deutsch-schwedischen Gent-Initiative aus, deren Vorschläge der Europäische Rat am 9. Dezember 2010 billigte. Im Dezember 2011 wurden elf Pilotprojekte vereinbart, die sich etwa auf Bereiche wie Luftbetankung, Satellitenkommunikation, „intelligente“ Munition usw. erstrecken. Um diese Bereiche auszuweiten, wurde am 19. November 2012 ein Verhaltenskodex (Code of Conduct) verabschiedet, dessen Zweck der damalige Staatssekretär im Verteidigungsministerium, Christian Schmidt, folgendermassen zusammenfasste: „Dieser Verhaltenskodex enthält eine starke politische Selbstverpflichtung der Mitgliedstaaten, die multinationale Kooperation stärker und von Anfang an in ihre nationalen Planungen einzubeziehen und möglichst zur bevorzugten Methode im Bereich der Fähigkeitsentwicklung zu machen.“

Auf dem Rüstungsgipfel im Dezember 2013 wurde dann ein „Policy Framework for Systematic and Long-Term Defence Cooperation“ in Auftrag gegeben, das im November 2014 veröffentlicht wurde. Beim nächsten anstehenden Rüstungsgipfel der Staats- und Regierungschefs im Juni 2015 soll die Intensivierung von Pooling & Sharing erneut weit oben auf der Agenda stehen – u.a. dürfte dabei der wiederholt gemachte Vorschlag debattiert werden, europaweite Beschaffungsprojekt generell von der Mehrwertsteuer zu befreien, um so P&S voranzubringen.

Kriegspolitik im stillen Kämmerlein

Zwar darf bezweifelt werden, dass Pooling & Sharing auch nur ansatzweise zu Einsparungen in Dimensionen führen wird, wie sie die oben genannten Studien nahelegen. Doch selbst wenn dies der Fall wäre, besteht, wie bereits erwähnt, die Absicht dann ohnehin nicht darin, dies für eine Senkung der Rüstungshaushalte zu nutzen, sondern für die Erhöhung der militärischen Schlagkraft. Allein schon deshalb ist das gesamte Konzept friedenspolitisch bedenklich.

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Doch der eigentliche Haken ist die Frage der demokratischen Kontrolle – in einigen EU-Ländern, unter anderem auch hierzulande, verfügen die nationalen Parlamente (noch) über erhebliche Mitspracherechte, insbesondere was die Zustimmung zu Auslandseinsätzen anbelangt. Obwohl ein Szenario, in dem der Bundestag einen von der Regierung beschlossenen Einsatz kippen würde, nur schwer vorstellbar ist, hat der Parlamentsvorbehalt dennoch eine wichtige Funktion: Er zwingt dazu, über den Sinn bzw. Unsinn von Militäreinsätzen öffentlich zu debattieren und ein Mindestmass an Rechenschaft darüber abzulegen.

Genau hier ergibt sich aus der Debatte um eine EU-Armee ein militaristischer Kollaterallnutzen, indem argumentiert wird, es könne nicht angehen, dass der Bundestag – und sei es nur theoretisch – den Einsatz von gemeinsam angeschafftem und/oder genutztem Militärgerät die Zustimmung versagen könnte. Dieser Mangel an „Verlässlichkeit“ sei der wesentliche Stolperstein, weshalb P&S nur langsam vorankomme. Er müsse aus diesem Grund aus dem Weg geräumt werden.

Am lautstärksten fassten diese Überlegungen der inzwischen verstorbene CDU-Bundestagsabgeordnete Andreas Schockenhoff und sein Kollege Roderich Kiesewetter schon 2012 folgendermassen zusammen: „Wichtig ist, dass wir wie unsere Verbündeten auf Kommando-, Logistik-, Aufklärungs- oder Ausbildungseinheiten, die ‚geteilt‘ werden, verlässlich zugreifen können. [] Eine wirkungsvolle GSVP [Gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik] wird die militärischen Fähigkeiten der einzelnen Staaten in so starkem Masse zusammenlegen und unter geteilte Führung stellen, dass es nicht möglich sein wird, nationale Vorbehalte als Einzelmeinung durchzusetzen. Deutsche Soldaten könnten damit in einen EU-Einsatz gehen, den die deutsche Regierung und der Deutsche Bundestag allein aus eigener Initiative nicht beschlossen hätten. [] Dieser Souveränitätsverzicht betrifft gerade den Bundestag mit seiner im europäischen Vergleich eher starken Mitspracherolle und müsste sich in einer Reform des Parlamentsvorbehalts bei Auslandseinsätzen der Bundeswehr niederschlagen. Der Bundestag muss weiterhin das letzte Wort in Form eines Rückrufvorbehalts bei solchen Entscheidungen behalten.“

Mit der Frage, wie sich der Parlamentsvorbehalt am „besten“ aushebeln lässt, beschäftigt sich derzeit eine Kommission unter Leitung des ehemaligen Verteidigungsministers Volker Rühe, die in absehbarer Zeit ihre Vorschläge präsentieren will. Dabei ist zu sagen, dass ein Abbau nationaler Kontrollmöglichkeiten grundsätzlich abzulehnen ist. Dies gilt aber umso mehr dann, wenn gleichzeitig keine Stärkung des EU-Parlaments erfolgt – und genau hiervon ist nirgends in der gesamten Debatte ernsthaft die Rede. Bislang hat das EU-Parlament in der Aussen- und Sicherheitspolitik faktisch nichts zu sagen und es deutet auch nichts darauf hin, dass sich dies in absehbarer Zeit ändern könnte. Die als Exekutive agierenden EU-Staats- und Regierungschefs – und zwar v.a. die der grossen EU-Länder, allen voran Deutschland – könnten also in absehbarer Zukunft die EU-Militärpolitik im Alleingang weitgehend unbehelligt von nationaler oder europäischer Kontrolle betreiben.

Pleven Redux

Trotz der machtpolitischen Attraktivität von P&S sind viele BefürworterInnen des Konzeptes unzufrieden, mit den eher mauen bisherigen Fortschritten in diesem Bereich. An Deutschland liegt es hier bestimmt nicht: Auch die Juncker-Initiative erfreute sich grosser Unterstützung quer durchs nahezu komplette politische Farbenspektrum. Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen und auch Kanzlerin Angela Merkel begrüssten den Vorstoss ebenso wie der SPD-Vorsitzende des Verteidigungsausschusses, Hans-Peter Bartels und Aussenminister Frank-Walter Steinmeier. Als eine „hervorragende Idee“ bezeichnete auch der Grünen-Aussenpolitiker Omid Nouripour die jüngste EU-Armee-Initiative, verwies allerdings darauf, dass dem einige „Elefanten“ im Weg stünden, etwa, dass eine EU-Armee unrealistisch sei, „solange es nicht eine europäische Aussenpolitik gibt“.

Ungewollt verweist der heutige Leiter der Konrad-Adenauer-Stiftung Hans-Gert Pöttering auf den eigentlichen Elefanten im Raum: „Die EU kann nur gemeinsam das Gewicht, das sie mit Blick auf ihre Bevölkerung und Wirtschaftskraft besitzt, in die Waagschale werfen. Die Schuldenkrise in einigen EU-Ländern macht noch einmal offenkundig, was längst hätte klar sein müssen: Von einer gemeinsamen Währung profitieren alle, und daher müssen sich auch alle an die Spielregeln, an die vertraglichen Grundlagen der Währungsunion halten. [] In der Finanz- und Wirtschaftspolitik haben die Eurostaaten entscheidende nationale Kompetenzen schon an die supranationale Ebene übertragen. Es ist an der Zeit, dies auch im Bereich der Sicherheits- und Verteidigungspolitik zu wagen.“

Angesichts solcher Sätze dürften in nahezu allen EU-Hauptstädten die Alarmglocken angehen. Schliesslich hat die Bundesregierung gerade im Zuge der Wirtschafts- und Finanzkrise unter Beweis gestellt, dass sie bereit und in der Lage ist, ihren Willen in diesem Bereich auch rabiat gegen andere EU-Länder durchzusetzen. Gepaart mit den teils offen artikulierten Forderungen nach einem „deutschen Europa“ dürfte hier die Ursache liegen, dass sich der Enthusiasmus dafür, auch im Militärbereich „nationale Kompetenzen an die supranationale Ebene zu übertragen“, derzeit in Grenzen hält. So äusserte sich etwa der britische Premier David Cameron zu Junckers Vorschlägen: „Unsere Position ist absolut klar. Für die Verteidigung sind konkrete Staaten und nicht die Europäische Union zuständig.“ Auch Polens Aussenminister Grzegorz Schetyna nannte die Initiative eine „sehr riskante Idee“.

Und selbst aus Frankreich kommen eher zurückhaltende Töne und zwar aus nicht gänzlich anderen Gründen, weshalb die französische Nationalversammlung bereits den Pleven-Plan zum Aufbau einer Europäischen Verteidigungsgemeinschaft im Jahr 1954 versenkte. Louis Terrenoire, der damalige Generalsekretär der Gaullisten, kritisierte den Plan ein Jahr vor seinem Scheitern folgendermassen: „Acht Jahre nach dem Zusammenbruch des Nationalsozialismus sind die diplomatischen Bestandteile der germanischen Macht wiederhergestellt. Wenn die europäischen Integrationspläne, vor allem die Europäische Verteidigungsgemeinschaft, verwirklicht werden sollten, wird künftig über die deutsche Vorherrschaft kein Zweifel mehr möglich sein.“

Jürgen Wagner
Artikel aus: Graswurzelrevolution Nr. 398, April 2015, www.graswurzel.net

Anmerkungen:

Jürgen Wagner ist Politikwissenschaftler und geschäftsführender Vorstand der Informationsstelle Militarisierung (IMI, www.imi-online.de) in Tübingen.

(1) www.focus.de/politik/ausland/verteidigung-der-werte-um-russland-in-schach-zu-halten-juncker-fordert-europa-armee_id_4528731.html

(2) www.bmwi.de/DE/Presse/reden,did=661856.html

(3) www.europarl.europa.eu/RegData/etudes/etudes/join/2013/494466/IPOL-JOIN_ET(2013)494466_EN.pdf

Soweit nicht anders angegeben und keine Quellenangabe (Name einer Organisation oder Internet-Adresse) vorhanden ist, gilt für die Texte auf dieser Webseite eine Copyleft (Public Domain) Lizenz.

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Grafikquellen          :

Oben        —   Secretary of Defense Lloyd J. Austin III is greeted upon arrival to the Ministry of Defense in Berlin by German Defense Minister Boris Pistorius and Ambassador Amy Gutmann Jan 19, 2023. (DoD photo by U.S. Air Force Tech. Sgt. Jack Sanders)

Unten        —      Leopard 2 Panzer der neuesten Generation auf dem Gelände der Rheinmetall.

Datum
Quelle Eurosatory_1506–0785
Urheber AMB Brescia

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Der Glaube an die Medien

Erstellt von DL-Redaktion am 29. Juni 2023

So verlor ich den Glauben an die etablierten Medien

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Quelle      :        INFOsperber CH.

Helmut Scheben /   Wenn Nachrichten sich später als falsch erweisen, sind sie in der Erinnerung oft schon als «historische Wahrheit» eingebrannt.

Während und nach dem Golfkrieg von 1991 war es den Medien in den USA verboten, Bilder von Särgen toter US-Soldaten zu zeigen. Die Massnahme wurde erst im Februar 2009 aufgehoben. Auch das Filmen toter oder verwundeter US-Soldaten war verboten, und das Verbot wurde vor allem im Irak-Krieg mit extremer Härte durchgesetzt, wie Kameraleute berichteten. Als ich einmal im riesigen Archiv des Schweizer Fernsehens solche Aufnahmen suchte, fand ich eine einzige Sequenz, die etwa drei Sekunden dauerte. Ein amerikanischer Soldat versuchte da, aus einem brennenden Panzer zu klettern.

Drei Sekunden von tausenden Videos, die in diesem Krieg gedreht worden waren. Drei Sekunden, die – wie deutlich erkennbar – auf einen Fehler eines Cutters zurückzuführen waren, der ein IN oder OUT falsch gesetzt hatte, sodass Material sichtbar wurde, welches eigentlich der Zensur hätte anheimfallen sollen.

Szenen einer Niederlage werden seit Vietnam nicht mehr gezeigt. Also gibt es keine Niederlagen mehr, denn die auf zweieinhalb Minuten komprimierten TV-News sind es, die in unseren Köpfen Geschichte schreiben

In seinem Buch «Liberty and the News» konstatierte 1920 der US-amerikanische Journalist und Medientheoretiker Walter Lippmann:

«Die Zeitungsspalten sind öffentliche Informationsträger. Wenn diejenigen, die sie kontrollieren, sich das Recht herausnehmen, zu bestimmen, was zu welchem Zweck berichtet werden soll, dann kommt der demokratische Prozess zum Erliegen.»

(Lippmann S.24) 

Ich hätte mir noch vor ein paar Jahren nicht vorstellen können, dass mein morgendlicher Gang zum Briefkasten, um die Zeitungen zu holen, begleitet sei von einem leisen Kontrapunkt aus Widerwillen und Langeweile. Ich habe gern zum Morgenkaffee Papier in der Hand, statt auf einen Bildschirm zu schauen. Die Lektüre nimmt indessen von Jahr zu Jahr weniger Zeit in Anspruch. Das liegt zum einen daran, dass viele Themen mich nicht mehr interessieren, zum Beispiel die ewige Seifenoper britischer Royals, die täglich obligatorischen LGBTQ-Probleme, die Me-Too-Befindlichkeit von Groupies bei Rockkonzerten oder parlamentarische Untersuchungen, die herausfinden sollen, warum im Finanzkasino Banken an die Wand fahren.

Die wirklichen Probleme der meisten Menschen, der Krieg in der Ukraine, der eskalierende Konflikt zwischen USA und China, also Vorgänge, die das Leben von Millionen Steuerzahlenden derzeit verändern und künftige Generationen belasten (Aufrüstung, Inflation, Energiepolitik, Sanktionspolitik, Asylwesen etc.) werden aber in unseren führenden Medien mit einem derart reduzierten Blickwinkel dargestellt, dass es mich fassungslos macht. Die Realitätsverweigerung erfolgt mit einer an Tollwut grenzenden Selbstverständlichkeit.

Von 100 Artikeln gibt es keine 5 aus der Sicht der anderen Kriegspartei

Ich habe mir die Mühe gemacht, als Beispiel den Zürcher Tages-Anzeiger, den ich abonniert habe, auf Einseitigkeit zu prüfen. Vom Angriff Russlands im Februar 2022 bis zum Jahresende 2022 habe ich rund einhundert Artikel angeschaut, die direkt vom Ukraine-Krieg handeln.  Beim hundertsten Bericht war ich erschöpft von immer dem Gleichen. Fast alle schildern das Leid und das Heldentum der Westukraine in dem russischen Angriffskrieg und – in schrillen Farben – die Verbrechen Russlands.

Kenner von Waffensystemen und Geostrategie repetieren unaufhörlich, warum Russland besiegt werden muss, und die Investigativen kennen kaum mehr anderes als die Jagd nach irgendeinem Russen oder einer Russin, denen man noch das Vermögen enteignen könnte.

Auf hundert Artikel habe ich keine fünf gefunden, die informierten, was auf der anderen Seite der Front passiert. Das Leid der pro-russischen Ukrainer unter den Raketenangriffen und dem Artilleriefeuer der pro-westlichen Ukrainer ist keiner Erwähnung wert. Die Menschen hinter der Frontlinie scheinen für unsere grossen Medien nicht zu existieren. Berichtet wird ausschliesslich mit der Optik der NATO, also mit der Optik einer Rüstungs-Lobby, die weltweit als Brecheisen der Ordnungsmacht USA funktioniert.

Die Einseitigkeit der Berichte entspringt der Einseitigkeit der Quellen. Neben dem unausweichlichen britischen Geheimdienst (ob 007 mitarbeitet, bleibt bisher im Dunkel) sind die täglichen Quellen unserer «Benachrichtigung»:  Präsident Selensky und seine Entourage in Kiew sowie seine Freunde in Brüssel, London, Washington und die zugehörigen Experten und NATO-Denkfabriken. Die Russen erscheinen hauptsächlich als Verbrecher, die ihre Verbrechen leugnen.

Und wenn ein Damm bricht, der russische Verteidigungsstellungen und ein von Russland besetztes Gebiet weitgehend überschwemmt, dann finden alle deutschen Talkshows, aber auch das Schweizer Radiomagazin «Echo der Zeit», unverzüglich Experten, die wissen, dass es die Russen waren, die den Damm zerstörten. Wie es auch die Russen sind, die sich selbst in dem Atomkraftwerk beschiessen, welches sie besetzt halten. «Tis the times‘ plague, when madmen lead the blind«, heisst es bei Shakespeare im King Lear.

In den Jahren vor dem russischen Angriff registrierten die OECD-Beobachter täglich Detonationen der Artillerie, im Februar 2022 schliesslich hunderte Explosionen pro Tag. Weit mehr als zehntausend Tote haben die Kämpfe in der Ostukraine zwischen 2014 und 2022 gefordert. Dieser Krieg hat also nicht im Februar 2022 begonnen.

Haben unsere Zeitungen darüber berichtet? Sie haben es weitgehend unter den Teppich gekehrt. Sie sehen nur, was sie schon wissen. Das heisst: Sie wissen immer schon, was sie sehen werden. Also das, was ich jeden Morgen in den Zeitungen lesen kann. Und somit das, was ich nicht mehr lesen muss, weil ich schon weiss, was es ist, bevor ich die Zeitung aufschlage.

«Lasst euch nicht von den eigenen täuschen»

Im Herbst 1983 demonstrierten mehr als eine Million Menschen überall in der Bundesrepublik Deutschland gegen die Stationierung von Atombomben. Auch in mehreren Ländern, die Mitglieder der NATO waren, widersetzte sich eine Mehrheit der Menschen der weiteren atomaren Aufrüstung, denn es war klar, dass das vielbeschworene «Gleichgewicht des Schreckens» durch die britischen und französischen A-Bomben längst garantiert war. Bei der Debatte im Bundestag sagte Oppositionsführer Willy Brandt, seine Partei, die SPD, werde mit Protestbriefen zugeschüttet:

«Das sind Deutsche West und Deutsche Ost, das sind Europäer und Amerikaner, das sind Mütter und Väter, Grossmütter und Grossväter, Arbeiter und Unternehmer, Künstler und Soldaten, Hausfrauen, Rentner, und es sind Naturwissenschafter und Ingenieure aller akademischen Grade. Ich frage mich, wem es guttut, wenn das Engagement und der versammelte Sachverstand dieser Mitbürgerinnen und Mitbürger mit der ganzen Arroganz der Macht in den Abfall geräumt wird.»

Die FDP-CDU-Mehrheit des deutschen Parlamentes wählte für Volkes Stimme den Abfallkübel und beschloss die Stationierung von atomaren Mittelstreckenraketen. Diese wurden zwar im Rahmen eines Abrüstungsabkommens abgeschafft, gleichwohl lagern im Fliegerhorst Büchel in der Eifel heute US-amerikanische Atomsprengköpfe. Deutsche Luftwaffenpiloten trainieren deren Einsatz im Rahmen der sogenannten «nuklearen Teilhabe». Es ist kein militärisches Geheimnis, dass Russland stets das Hauptangriffsziel war und nach wie vor ist.

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Im selben Jahr 1983 erscheint Christa Wolfs Buch «Kassandra», ein Text über eine Seherin, die vor ihrem Tod über den Untergang ihrer Heimat Troja nachdenkt:

«Wann der Krieg beginnt, das kann man wissen, aber wann beginnt der Vorkrieg? Falls es da Regeln gäbe, müsste man sie weitersagen. In Ton in Stein eingraben, überliefern. Was stünde da? Da stünde unter anderen Sätzen: Lasst euch nicht von den eigenen täuschen.»

Ich habe mich von den eigenen täuschen lassen, aber es hat lange gedauert, bis ich dessen gewahr wurde. Die «Süddeutsche», die «Frankfurter Rundschau», die «Neue Zürcher», der «Spiegel» und andere Blätter, das waren meine Leitmedien, als ich Journalismus lernte.

Die grossen Medien, sowohl die gebührenfinanzierten wie die der privaten Konzerne, haben in allen Kriegen, die ich beobachten konnte, krachend versagt. Ihre Aufgabe wäre gewesen, das Handeln der Regierungen in Frage zu stellen, aber sie haben sich in vielen Fällen als Lautsprecher der Regierungs-Propaganda und als Kriegstreiber in ungerechtfertigten und sinnlosen Kriegen erwiesen.

Die Balkankriege öffneten die Büchse der Pandora

Meine erste grosse Berufskrise kam, wenn ich mich recht erinnere, während der Balkankriege. Ich fand nachts keinen Schlaf mehr, als ich merkte, dass da das Blaue vom Himmel herunter gelogen wurde. Tuzla war damals mein Schlüsselerlebnis. Die Stadt in Bosnien war 1993 als Schutzzone definiert worden. Blauhelme waren dort stationiert. Die bosnisch-moslemische Bevölkerung sollte vor serbischen Angriffen geschützt werden. Die serbische Artillerie schoss aber gleichwohl auf die Stadt. Diese Angriffe waren Monate lang tägliche Meldung in den Radionachrichten. Die westlichen Medien flossen über vor Empörung über den Beschuss der «Safe Area».

Ich fiel aus den Wolken, als mir 1995 Blauhelm-Soldaten sagten: «Die Serben schiessen zwar manchmal da rein, aber die Artillerie in Tuzla schiesst auch jede Nacht raus auf die umliegenden serbischen Dörfer.»

Tuzla wurde bei Nacht und Nebel von den USA mit Waffen versorgt. Es gab dort militärische Sperrgebiete, wo UN-Einheiten der Zutritt verwehrt wurde. Dieselbe Regierung in Washington, die nach aussen hin die Rolle des «honest broker» spielte, um ein Ende des Krieges zu erreichen, organisierte im Geheimen sogenannte «black flights», um das bosniakische Militär aufzurüsten.

Als ein norwegischer Blauhelm-Offizier dies 1995 bemerkte und publik machte, bekam er den Befehl zu schweigen und wurde strafversetzt. Der britische Sender ITN/Channel 4 hatte einen Beitrag über die Sache gedreht, den ich für ein Magazin des SRG-Programms Schweiz 4 übernahm.

Meine Versuche, Schweizer Medien auf die Enthüllungen aufmerksam zu machen, stiessen auf Indifferenz. In Bosnien wie auch im Kosovo bestimmte die NATO, was man wissen durfte und was nicht. Carla Del Ponte, Chefanklägerin in Den Haag, beklagte sich später, dass sie mit ihrer Bitte um Einsicht in die Geheim-Operationen der NATO gegen eine Wand lief.

Erst viel später erfuhr ich, dass führende PR-Agenturen der USA damals die Presse mit Schauergeschichten über serbische Konzentrationslager und Holocaust-Pläne fütterten, welche ein gigantischer Medienapparat in Sekundenschnelle um die Welt jagte. Die Politikwissenschafter Jörg Becker und Mira Beham haben in ihrer Studie «Operation Balkan: Werbung für Krieg und Tod» in US-Archiven weit über hundert solcher PR-Verträge nachgewiesen. Der Auftrag hiess, die Serben als Täter und die andern als Opfer darzustellen. James Harff, Chef der PR-Agentur Ruder Finn, beschrieb seinen Job folgendermassen:

«Unser Handwerk besteht darin, Nachrichten auszustreuen, sie so schnell wie möglich in Umlauf zu bringen (…) Die Schnelligkeit ist entscheidend. Denn wir wissen genau, dass die erste Nachricht von Bedeutung ist. Ein Dementi hat keine Wirkung mehr.»

Mira Beham: Kriegstrommeln. Medien, Krieg und Politik. 1996. S.172 ff.

PR-Agenturen liefern die Argumente für Krieg und Tod

Harff zeigte gegenüber Jacques Merlino, einem stellvertretenden Chefredaktor von France 2, einen gewissen Berufsstolz, wenn er in aller Offenheit beschrieb, wie seine Agentur «mit einem grossartigen Bluff» ihren Auftrag erledigte, indem sie drei mächtige jüdische Lobby-Organisationen der USA dazu brachte, in Inseraten in der «New York Times» vor einem drohenden Holocaust auf dem Balkan zu warnen.

«Mit einem Schachzug konnten wir die Sache vereinfachen und sie darstellen als Geschichte von den guten und den bösen Jungs (…) Und wir haben gewonnen, denn wir haben das richtige Ziel ausgewählt, das jüdische Publikum (targeting Jewish audience). Sofort stellte sich eine bemerkbare Veränderung des Sprachgebrauchs in den Medien ein, begleitet von der Verwendung solcher Begriffe, die eine starke emotionale Aufladung hatten, wie etwa ethnische Säuberung, Konzentrationslager und so weiter, und all das evoziert einen Vergleich mit Nazi-Deutschland, Gaskammern und Auschwitz. Die emotionale Aufladung war so mächtig, dass niemand wagte, dem zu widersprechen.»

Der deutsche Aussenminister Joschka Fischer tourte folgerichtig mit der Parole «Nie wieder Auschwitz» durch Europa und sein Verteidigungsminister Scharping brachte unters Volk, man wisse, dass die Serben «mit den abgeschnittenen Köpfen ihrer Feinde Fussball spielen.» Ein Foto, das als Beweis der serbischen Gräuel und als Argument für den NATO-Angriffskrieg um die Welt ging, zeigte einen entsetzlich abgemagerten Mann mit nacktem Oberkörper hinter Stacheldraht. Es erinnerte an die Fotos von deutschen Vernichtungslagern 1945. Die Aufnahme war – wie später nachgewiesen wurde – eine Fälschung. Das fragliche Flüchtlingszentrum Trnopolje war damals weder durch einen Stacheldrahtzaun abgesperrt noch gab es dort halb verhungerte Menschen.

Nichts hat sich geändert. Der Krieg generiert die ewig gleichen Propagandamittel. Ein in der Ukraine lebender «Schriftsteller aus Ostdeutschland» namens Christoph Brumme schrieb 2022 in der «NZZ am Sonntag» ein regelmässiges «Tagebuch», in dem er unter anderem vorhersagte, die Russen würden in der Ukraine Konzentrationslager einrichten und Putin sei ein zweiter Hitler. Er sei vermutlich schwer krank und werde mit einer Atombombe seinen Suizid inszenieren. Und dergleichen mehr.

Schon im Golfkrieg von 1991 war die Kategorie der «eingebetteten Journalisten» entstanden, und es gibt wohl kaum einen Begriff, der besser umschreibt, wie dieser Beruf zu einer Art Prostitution verkommen kann. Der US-Journalist John R. MacArthur hat in seiner Studie «Second Front: Censorship and propaganda in the 1991 Gulf War» (auf Deutsch bei dtv «Die Schlacht der Lügen») gezeigt, wie die Medien an der Leine geführt und wie die Öffentlichkeit getäuscht wurde.

Die Symbiose der grossen Medien und ihrer Regierungen wurde nach dem Anschlag von 9/11 vollends zur Selbstverständlichkeit. Dieser wurde als Angriff einer feindlichen Macht definiert und in dieser Logik erst Afghanistan, dann der Irak angegriffen. Weltweit wurde ein «Krieg gegen den Terror» begonnen, und da man einmal am Aufräumen war, wurden «by the way» auch in Libyen und Syrien «unterdrückte Völker befreit». Die Resultate sind in all diesen Ländern zu besichtigen.

Der renommierte Wissenschaftsjournalist und Friedensaktivist Norman Cousins hatte der ideologischen Mission der Supermacht USA schon 1987 einen Namen gegeben: «The Pathology of Power».

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Autor Helmut Scheben

Helmut Scheben (*1947 in Koblenz, Deutschland) studierte Romanistik in Mainz, Bonn, Salamanca und Lima. 1980 promovierte er zum Doktor phil. an der Universität Bonn. Von 1980 bis 1985 war er als Presseagentur-Reporter und Korrespondent für Printmedien in Mexiko und Zentralamerika tätig. Ab 1986 war er Redaktor der Wochenzeitung (WoZ) in Zürich, von 1993 bis 2012 Redaktor und Reporter im Schweizer Fernsehen SRF, davon 16 Jahre in der Tagesschau.

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Eine erfundene Vergewaltigungs-Story in Libyen 

Mir ist unverständlich, wie Journalisten, die so oft von Regierungen belogen wurden, weiterhin die politischen Vorgaben von oben weiterverbreiten, als wären es die Tafeln der Zehn Gebote. Im Juni 2011 sagte US-Aussenministerin Hillary Clinton vor laufenden Kameras, sie habe jetzt den Beweis, dass der libysche Herrscher Muammar al-Gaddafi «systematische Vergewaltigung» als Strategie einsetze. Zu diesem Zeitpunkt herrschte Bürgerkrieg in Libyen. Die libysche Armee versuchte, einen Aufstand niederzuschlagen, der im Sog des sogenannten «arabischen Frühlings» seit Februar 2011 eskalierte. Die USA und ihre NATO-Verbündeten bombardierten seit März 2011 das Land, um – so die offizielle Argumentation – dem von Gaddafi unterdrückten libyschen Volk zu helfen und «eine Flugverbotszone durchzusetzen».

Als lebender Beweis für den Vorwurf der Vergewaltigungen galt eine Libyerin namens Eman-al Obeidi. Die Frau hatte sich am 26. März 2011 Zugang zum Luxus-Hotel Rixos Al Nasr in Tripolis verschafft. Hotelpersonal und Security-Leute versuchten zu verhindern, dass sie Kontakt mit den Journalisten aufnahm, die dort beim Frühstück sassen. Die Frau schrie, sie sei drei Tage zuvor von Milizionären Gaddafis an einem Checkpoint entführt und vergewaltigt worden.

Der libysche Regierungssprecher Musa Ibrahim erklärte später, man habe Frau Obeidi zunächst für alkoholisiert und psychisch gestört gehalten. Dann habe man festgestellt, dass ihre Angaben glaubwürdig seien. Der Fall sei in den Händen der Justiz. Es handele sich um gewöhnliche Kriminalität und nicht um ein politisches Verbrechen.

Frau Obeidi wurde von CNN und zahlreichen anderen Medien interviewt. Sie figurierte als Beweis für die Verruchtheit des libyschen Staatsoberhauptes Gaddafi. Dabei schien den grossen Medien kaum erwähnenswert, dass libysche Ärzte die Frau betreut hatten, die Vergewaltigung bestätigt hatten und die libysche Polizei kurz darauf Tatverdächtige festgenommen hatte.

In einem Büro von Amnesty International in Zürich fragte ich 2011, was an den Vorwürfen dran sei. Ich erhielt die Auskunft, Amnesty habe mehrere Monate lang in Libyen ermittelt und keine Bestätigung für den Vorwurf der Massenvergewaltigung gefunden. Auch der Sprecher der libyschen Organisation «Human Rights Solidarity Libya», die den Aufständischen nahestand, sagte mir am Telefon: «Wir haben keine Beweise. Der einzige konkrete Fall ist der von Frau Obeidi.»

Der Mist war indessen gefahren und die Story erfuhr eine geradezu rasende Proliferation in praktisch sämtlichen westlichen Medien. Meine Google-Suche am Sonntag, 20. Juli 2011, zeigte 21 Millionen Ergebnisse. Der Chefankläger des Internationalen Strafgerichtshofes in Den Haag, Luis Moreno Ocampo, lieferte ein vorzügliches Schmiermittel für den Medien-Apparat mit der Bemerkung, er habe tatsächlich «Informationen» über Massenvergewaltigungen. Auf die Frage eines Journalisten, was er von Berichten halte, Gaddafi lasse Viagra importieren, damit seine Soldaten vergewaltigen könnten, entgegnete der Chefankläger nicht etwa: «Lassen Sie mich mit solchem Blödsinn in Ruhe». Er sagte stattdessen den perfiden Satz, man sammle noch Beweise: «Yes, we are still collecting evidence.»

Das Phantasie-Gebilde wucherte wochenlang weiter. Die Schweizer Zeitung «Le Matin» trieb das kreative Story-Telling bis zu der Foto-Abbildung eines King Size Bettes samt Lampe und Nachttisch: angeblich ein Raum in einem unterirdischen Bunker, wo dem Blatt zufolge Gaddafi seine weiblichen Opfer missbrauchte. Ich habe in dieser Zeit keinen Journalisten getroffen, der sagte, er schäme sich dafür, dass er durch seine Berufswahl zu dieser Branche gehöre.

«Atrocity Management» ist so alt wie der Krieg selbst.

Die Verteufelung des Feindes ist ein bewährtes Instrument, welches so alt ist wie der Krieg selbst.

Der Historiker Gerhard Paul hat in seinem Standardwerk «Bilder des Krieges, Krieg der Bilder» anhand von über 200 Abbildungen dargestellt, wie die modernen Bildmedien den Krieg als Ikonographie in der kollektiven Erinnerung einbrannten. Dabei geht laut Gerhard Paul die Wirklichkeit in gleichem Mass verloren wie die Bilder perfektioniert und standardisiert werden.

Medienwirksam sind stets Verbrechen an Kindern. Das geht von der kuwaitischen «Pflegerin Najirah», die vor einem Menschenrechtskomitee des US-Kongresses sagte, sie habe gesehen, wie irakische Soldaten Brutkasten-Babies die Schläuche herausrissen, was sich später als eine Erfindung der PR-Agentur Hill & Knowlton erwies, bis zur Menschenrechtsbeauftragen Denissowa in Kiew, die im Juni 2022 ihren Job verlor, weil klar geworden war, dass sie Lügen verbreitet hatte. Darunter die Behauptung, sie habe Beweise, dass russische Soldaten Kleinkinder vergewaltigten.

Die Darstellung des Feindes als bestialisches Ungeheuer scheint unvermeidbares Stereotyp der Kriegspropaganda. Im Ersten Weltkrieg war die Story, deutsche Soldaten hätten einer belgischen Frau ihr Baby entrissen, diesem die Hände abgehackt und selbige dann verspeist, ein Dauerbrenner in der französischen und britischen Presse.

Wenn der Feind ein Ungeheuer ist, welches das Böse an sich verkörpert, sind Kriege leichter zu rechtfertigen. Ich habe in mehr als vierzig Jahren journalistischer Arbeit feststellen müssen, dass die grossen Medien solche Propaganda-Erzählungen meist unkritisch verbreiten und erst sehr spät oder nie bereit sind, ihre Fehler einzugestehen. Die «New York Times», die bei ihren Leserinnen und Lesern für die Falschinformation rund um den Irak-Krieg um Vergebung bat, ist der einzige mir bekannte Fall.

In 19 Arbeitsjahren beim Schweizer Fernsehen SRF ist mir kein Fall bekannt geworden, in dem eine Sendung sich für falsche Nachrichten entschuldigt hätte. Mit Ausnahme der Sendung Meteo, wenn die Wetterprognose falsch war.

2011 machte ich Amnesty International Schweiz darauf aufmerksam, dass es keine Fernsehbilder von den Zerstörungen der NATO-Luftangriffe in Libyen gab. Die Fernsehstudios der libyschen Regierung waren in der ersten Angriffswelle in Schutt und Asche gelegt worden. Die NATO-Kommandozentrale in Neapel konnte dadurch verhindern, dass emotionale Bilder von Opfern, die aus den Trümmern gezogen wurden, auf westlichen TV-Kanälen zu sehen waren. Das Problem war den grossen Medien nicht aufgefallen, oder sie haben es ignoriert.

Der Amnesty-Sprecher erwiderte mir damals, diese Einseitigkeit der Darstellung mache ihnen ebenfalls grosse Sorgen. Als ich abends mit dem Cutter am Schnittplatz den Beitrag für die Tagesschau fertiggestellt hatte, sagte der Tages-Chef bei der Abnahme, dieser Satz des Amnesty-Sprechers müsse raus aus dem Beitrag. Auf meine Frage nach der Begründung hiess es:  «Sonst könnten die Zuschauer ja denken, Gaddafi sei gar nicht so bös und am Ende noch im Recht.»

Eine neue Epoche der Zensur ist angebrochen

Die Konzernmedien und die gebührenfinanzierten Anstalten dominieren den Nachrichtenmarkt. Sie behaupten alle von sich, sie seien die Vierte Gewalt, die den Mächtigen auf die Finger schaue, und dadurch werde Demokratie erst ermöglicht. Meine Erfahrung ist: Sie sind viel mehr Gläubige in einer Art von Religionsgemeinschaft, die sich als Achse des Guten sieht. Wer ihre Weltsicht nicht teilen will, der wird totgeschwiegen, diffamiert oder schlicht verboten.

In diesem Sinne arbeiten die Regierungen und ihre zugewandten Medien effizient. Die 27 Länder der Europäischen Union haben die russischen Nachrichtensender RT und Sputnik verboten. Wer sie verbreitet oder empfängt, zahlt in Österreich sogar bis zu 50’000 Euro Strafe. So einfach glaubt man, die Meinungs-Einfalt durchsetzen zu können. Protest oder Kritik aus den grossen Redaktionen der Vierten Gewalt? Null.

Während in russischen Talkshows und in den russischen Social Media mit erstaunlicher Härte immer wieder kontrovers über diesen Krieg diskutiert wird, versuchen westliche Medien uns mit obsessiver Emsigkeit einzutrichtern, dass in Russland jeder eingesperrt wird, der etwas gegen diesen Krieg sagt. «Zehn Jahre Gefängnis fürs Denken» titelt die Neue Zürcher Zeitung (6. Juni 2023).

In Kiew sind oppositionelle Medien schlicht verboten. Muss man darüber berichten? Offensichtlich nicht. Das wird dann beiläufig, quasi als abschweifender Schlenker, in acht Wörtern abgehandelt: «Seit Kriegsbeginn zeigen die ukrainischen Sender ein Gemeinschaftsprogramm» (Zürcher Tagesanzeiger, 28. Juli 2022). Gemeinschaftsprogramm? Das tönt schon fast wie gemeinnützige Arbeit.

Das Verschweigen hat System. Nirgends wird das so sichtbar wie in dem Stillschweigen, welches unsere führenden Medien über die um sich greifende Zensur der Social Media bewahren. Wenige Wochen nachdem die EU die russischen Sender verboten hatte, kündigte Google an, weltweit alle mit Russland verbundenen Medien zu blockieren. Wie so oft bei Big Tech kam der Druck angeblich von der eigenen Belegschaft: «Mitarbeiter von Google hatten YouTube gedrängt, zusätzliche Strafmassnahmen gegen russische Kanäle zu ergreifen.»

Millionen von Beiträgen verschwinden von der Plattform. Der Investigativ-Journalist Glenn Greenwald, der an den Enthüllungen von Edward Snowden beteiligt war, hat auf diese extreme Zensurkampagne und die Dollarmilliarden hingewiesen, die dabei eine Rolle spielen:

«Es ist wenig überraschend, dass die Monopole des Silikon Valley ihre Zensurmacht in voller Übereinstimmung mit den aussenpolitischen Interessen der US-Regierung ausüben. Viele der wichtigsten Tech-Monopole – wie Google und Amazon – bemühen sich routinemässig um äusserst lukrative Verträge mit dem US-Sicherheitsapparat, einschliesslich der CIA und der NSA, und erhalten diese auch. Ihre Top-Manager unterhalten enge Beziehungen zu Spitzenvertretern der Demokratischen Partei. Und die Demokraten im Kongress haben wiederholt Führungskräfte aus der Tech-Branche vor ihre verschiedenen Ausschüsse zitiert , um ihnen mit rechtlichen und regulatorischen Repressalien zu drohen, falls sie die Zensur nicht stärker an die politischen Ziele und Interessen der Partei anpassen.»

Wer die Twitter Files liest, der weiss, wie das System funktioniert. Eine diskrete Intervention des FBI kann bewirken, dass führende Medien politisch heikle Themen solange auf Eis legen, bis die «Gefahr», in dem Fall eine Wahlniederlage des Kandidaten Joe Biden, gebannt ist.

Was mich damals schockierte und auch heute fassungslos macht, ist das Kesseltreiben, das von einer Medienmeute reflexartig in Gang gesetzt wird, wenn einige wenige es wagen, gegen den Strom zu schwimmen und die veröffentlichte Meinung in Frage zu stellen. Die Politologin Mira Beham hatte mir gesagt, sie habe in der «Süddeutschen Zeitung» Schreibverbot bekommen, weil sie zu argumentieren wagte, in den Balkankonflikten komme man nicht weiter mit dem Täter-Opfer-Schema, die Sache sei komplexer. Heutzutage verliert ein renommierter Journalist wie Patrick Baab seinen Lehrauftrag an der Universität Kiel, wenn er es wagt, aus dem Donbass «von der falschen Seite der Front» zu berichten.

Orwells dystopische Vision des «Newspeak» und der «Wahrheitsministerien» ist auf dem besten Weg, Realität zu werden. Wir erleben in dieser Hinsicht tatsächlich eine Zeitenwende, wenn auch der deutsche Kanzler etwas anderes meinte, als er den Begriff gebrauchte.

Das Wort Lügenpresse trifft die Sache nicht

Der Medien-Wissenschafter Uwe Krüger hat dokumentiert, dass die meisten Alphatiere der etablierten Medien Mitglieder in NATO- und US-affinen Institutionen sind. Natürlich gibt es den Faktor Zwang und Anpassung, etwa die bekannte Tatsache, dass im Axel Springer Verlag («Bild», «Die Welt») jeder Mitarbeiter den Statuten zustimmen muss, die die Unterstützung des transatlantischen Bündnisses und die Solidarität mit den USA einfordern.

Gleichwohl sollte man vorsichtig sein mit dem Schmähwort «Lügenpresse». Die Sache ist unendlich komplizierter. Da ist zum einen, was die News-Gefässe angeht, ein System, das auf Verkürzung und überhöhten Drehzahlen beruht. Der Philosoph Paul Virilio sprach von einer «Industrie des Vergessens», die mit neuen Nachrichten unaufhörlich zuschüttet, was eben noch gemeldet wurde. Ein Nachrichten-Apparat, der stark zerkleinerte Bruchstücke von Ereignissen produziert, kann keine Zusammenhänge und Hintergründe liefern, selbst wenn wohlgesinnte Journalistinnen und Journalisten dies wollten.

Und sie wollen es. Ich habe in meinem ganzen Leben kaum Medienleute getroffen, die fälschen oder unredlich berichten wollten. Die Leute lügen nicht, sondern sie sind meist überzeugt von dem, was sie sagen und schreiben. Sie sind in ihrer ganzen Lebensgeschichte, in ihrer Ausbildung und in ihren sozialen Kontakten geprägt und eingebunden in der Weltsicht ihrer Umgebung.

Da ist dieser «riesige Brocken Wahrheit», den der israelische Historiker Shlomo Sand «implantiertes Gedächtnis» nannte: 

«Wir alle werden in ein Universum von Diskursfeldern hineingeboren, das die ideologischen Machtkämpfe früherer Generationen geformt haben. Noch ehe sich der Geschichtswissenschaftler das Rüstzeug zu einer kritischen Hinterfragung aneignen kann, formen all die Geschichts-, Politik- und Bibelstunden in der Schule, die Nationalfeiertage, Gedenktage, öffentlichen Zeremonien, Strassennamen, Mahnmale, Fernsehserien und sonstige Erinnerungssphären seine Vorstellungswelt. In seinem Kopf liegt ein riesiger Brocken ‹Wahrheit›, den er nicht einfach umgehen kann.» 

Shlomo Sand: Die Erfindung des jüdischen Volkes. S. 40

Das Problem einer Branche, die unter dem Namen Journalismus der täglichen Wahrheitsfindung dienen soll, ist jedem Zauberkünstler und Taschenspieler geläufig: Wahrnehmung wird nicht von tatsächlichen Ereignissen bestimmt, sondern von Erwartungshaltungen. Von einem riesigen Brocken «Wahrheit».

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Dieser Beitrag erschien am 13. Juni auf GlobalBridge.

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Frankreich tut weh

Erstellt von DL-Redaktion am 29. Juni 2023

Polizist tötet Jugendlichen in Nanterre

Aus Paris von Rudolf Balmer

Im Pariser Vorort Nanterre hat ein Polizist einen Jugendlichen erschossen – schon wieder. Dieses Mal meldet sich auch Fußballstar Kylian Mbappé zu Wort.

Im Pariser Vorort Nanterre hat am Dienstagvormittag ein Verkehrs­polizist einen Jugendlichen im Verlauf einer Kontrolle mit seiner Dienstwaffe tödlich verletzt. Der 17-Jährige am Lenkrad eines Pkw habe versucht, sich einer polizeilichen Überprüfung seiner Papiere zu entziehen, und damit die beiden Beamten in Gefahr gebracht. Darum habe der Polizist zu seiner Verteidigung „in angemessener Weise“ reagiert, lautete dazu die erste offizielle Version. Suggeriert wurde damit, dass der Polizist zu seiner eigenen Verteidigung geschossen habe oder schießen musste.

Auf Druck der Polizeiverbände wurde 2016 der Waffeneinsatz gelockert. In der Folge haben die tödlichen Zwischenfälle sprunghaft zugenommen

Doch die Zweifel an dieser Notwehrthese sind erheblich: Im Internet war wenig später ein Video der Kontrolle zu sehen. Darauf ist deutlich zu erkennen, wie einer der Polizisten neben dem gestoppten gelben Mercedes den Fahrer mit seiner Pistole bedroht. Trotz des Verkehrslärms ist zu hören, wie einer der beiden Beamten unter anderem schreit: „Du bekommst eine Kugel in den Kopf!“ Daraufhin setzt sich das Fahrzeug im Schritttempo in Bewegung, und der verhängnisvolle Schuss fällt, der Wagen rollt noch ein paar Meter weiter, bis er an ein Verkehrsschild prallt. Der in der Herzgegend verletzte Jugendliche starb wenige Minuten später nach vergeblichen Wiederbelebungsbemühungen der Sanitäter einer Ambulanz.

Während Politiker des rechtspopulistischen Rassemblement national und der konservativen Partei Les Républicains sogleich das Vorgehen der Polizei in Nanterre verteidigten und deren Recht auf eine besondere Unschuldsvermutung in ihrem gefährlichen Kampf gegen Verbrecher unterstreichen, kommt von links scharfe Kritik an einer längst notorischen Polizeigewalt und dem laxen Umgang mit ihr von vorgesetzten Stellen und der Justiz.

Auf Druck der Polizeiverbände wurde 2016 der Waffeneinsatz gelockert. In der Folge haben die tödlichen Zwischenfälle sprunghaft zugenommen. Allein im Jahr 2022 sind 13 Personen von Polizisten getötet worden, weil sie sich angeblich der Kontrolle und einer eventuellen Festnahme entziehen wollten. Nur gegen fünf Beamte wurden Ermittlungen eingeleitet.

„Diese Situation ist unerträglich.“

Da sich diese Tragödien vor allem in konfliktreichen Außenquartieren ereignen und die Todesopfer meistens Jugendliche mit Migrationshintergrund sind, ist in Anspielung an den emblematischen Fall George Floyd von einer „Amerikanisierung der französischen Polizei“ die Rede. Der Fußballstar Kylian Mbappé, der sich früher schon zum Thema Polizeigewalt geäußert hatte, erklärte auf Twitter: „Mein Frankreich tut mir weh, diese Situation ist unerträglich.“

Ausnahmsweise hat sich diesmal nun selbst Innenminister Gérald Darmanin, der sich sonst immer hinter seine Polizisten stellt, entsetzt geäußert: Die Bilder auf dem fraglichen Video seien „extrem schockierend“ und könnten „eine solche Reaktion (des Polizeibeamten) keinesfalls rechtfertigen“, sagte er vor Abgeordneten der Nationalversammlung.

Quelle       :           TAZ-online          >>>>>       weiterlesen

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DL – Tagesticker 29.06.2023

Erstellt von DL-Redaktion am 29. Juni 2023

Direkt eingeflogen mit unseren Hubschrappschrap

Heute in der Leseauswahl des „Bengels“:  – . –  1.) Der »No-Bullshit-Typ« kommt an in Washington  – . –  2.) Die Vereinten Nationen fordern Zensur  – . –    3.) Pestizidverbote und mehr Artenvielfalt  – . –   4.) Wladimir Putin bedient sich einer riskanten historischen Analogie  – . –   5. AfD: Der Osten sehnt sich nach Führung   – . –   DL wünscht allen Leser-Innen einen schönen Tag und gute Unterhaltung.

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Kommt in der heutigen USA nicht ein jeder gut an, welcher die Arbeiten unter einer Uniform gutheißt, selbst wenn er nie einen Presskopf auf seinen Fresskopf getragen hätte ? In den Staaten zählt mehr als in allen anderen Staaten der rechte Finger am Abzug und ein grobklotziges Aussehen. Alles was im Kopf sitzen müsste, ist lästiges Beiwerk.

Pistorius-Besuch in den USA. – Bei seinem Antrittsbesuch wird der Verteidigungsminister in den USA freundlich empfangen. US-Regierung und die Medien im Land sehen Boris Pistorius als Beweis, dass Deutschland es mit einem Versprechen ernst meint.

1.) Der »No-Bullshit-Typ« kommt an in Washington

Der kräftezehrende 18-Stunden-Tag, der hinter Boris Pistorius liegt, ist ihm am Mittwochnachmittag kaum anzumerken. Nur für gut zehn Stunden ist der Verteidigungsminister in die US-Hauptstadt gekommen. Früh am Morgen war er in Berlin in eine kleine Bundeswehrmaschine gestiegen, dabei nur seine engsten Berater und die Personenschützer. Neun Stunden ging es dann in der »Global6000« über den Atlantik, vom Flughafen in Dulles ins Pentagon und danach ins Weiße Haus. Nun steht Pistorius nahe des Weißen Hauses, auf einer Kreuzung mit Blick aufs Kapitol soll er seine Gespräche mit seinem US-Kollegen Lloyd Austin und Sicherheitsberater Jake Sullivan zusammenfassen. Pistorius macht es kurz. Man sei sich weitgehend einig gewesen, sagt er, egal ob es um die Ukraine, die fragile Lage in Russland oder die Planungen für den Nato-Gipfel ging. Austin hatte zuvor gesagt, er schätze alles, was Deutschland unternehme – von den umfangreichen Waffenpaketen bis hin zur Ausbildung von ukrainischen Soldaten. Ein echter Antrittsbesuch ist die Kurzvisite nicht. Mit Lloyd Austin hat sich Pistorius seit seinem Amtsantritt im Januar schon ein halbes Dutzend Mal getroffen. Der US-Kollege war am ersten Amtstag sein erster Gast im Bendlerblock, nur Stunden nach der Vereidigung durch den Bundespräsidenten. Danach kamen die beiden immer wieder bei den Ukraine-Konferenzen der Verteidigungsminister zusammen. Am vergangenen Wochenende tauschten sie sich per Telefon über die Lage in Russland aus.

Spiegel-online

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Haben die ehemaligen politischen Hinterbänkler in ihren ehemaligen Länder nicht schon immer mehr gefordert, als ihnen zustehen würde? Dabei können sie nicht einmal einfordern, was sie einst als Menschenrechte festschreiben ließen. Siehe das Versagen der EU an ihren Außengrenzen! Von  den VN hört man keine Widerstände.

Eine Politikrichtlinie der Vereinten Nationen möchte vermeintliche Hassrede und Desinformation bekämpfen. Doch ist dabei allerdings etwas anderes zu befürchten: Zensur. Dabei gibt es kein Recht auf exklusive Wahrheitsansprüche und unverletzte Gefühle.

2.) Die Vereinten Nationen fordern Zensur

Der Generalsekretär der Vereinten Nationen, Antonio Guterres, hat soeben eine Politikrichtlinie (policy brief) vorgestellt, welche „misinformation and disinformation“, also in Treu und Glauben ebenso wie absichtlich mit Schädigungswillen verbreitete Fehlinformationen, insbesondere auf digitalen Plattformen, verurteilt – und ausgerechnet Zensur als Gegenmittel empfiehlt. Das macht die Richtlinie ironischer- oder vielleicht eher zynischerweise zum besten Beispiel für das, was sie kritisiert. Sie verbreitet nämlich Fehlinformationen.  Dass dies im besten Glauben und mit lauteren Absichten geschieht, wird man bezweifeln dürfen. So erklärt Guterres, er möchte den „digitalen Raum inklusiver und sicherer für alle machen, zugleich aber das Recht auf Meinungs- und Redefreiheit energisch verteidigen“. Bittere Erfahrungen mit Cancel Culture lehren jedoch, dass diejenigen, die woke Forderungen nach „sicheren Räumen“ und „Inklusion“ unterschreiben, ganz im Gegenteil alles daransetzten, dissidente Stimmen von allen Räumen auszuschließen, in denen sie ihren Dissens effektiv äußern könnten. Guterres erklärt zudem, die Gefahr könne „nicht übertrieben werden. Durch soziale Medien unterstützte Hassrede und Desinformation kann zu Gewalt und Tod führen.“ Die Gefahr kann sehr wohl übertrieben werden, zum Beispiel indem man, wie Guterres, vergisst zu erwähnen, dass von NGOs und Regierungen unterstützte Zensur angeblicher „Hassrede und Desinformation“ ebenfalls zu Gewalt und Tod führen kann.  Zensur bekämpft keine Fehlinformationen.

Cicero-online

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Wer fragt hier noch nach Verstand, wenn der Oberbauer ist ein Mitglieder der CDU im Baden-Württemberger Land. Dort wo der Clan-Filz immer schon am dichtesten, scheißen die Ferkel die meisten Zuschüsse in deren Tröge.

Bauern gegen EU-Naturschutzpläne. –  Pestizidverbote in Schutzgebieten vernichteten Höfe, so Verbandschef Rukwied. Mehr Flächen für Artenvielfalt zu reservieren gefährde die Ernährung.

3.) Pestizidverbote und mehr Artenvielfalt

Der Deutsche Bauernverband lehnt die zentralen Naturschutzvorhaben der EU-Kommission ab. Zwar habe die Behörde die „sensiblen Gebiete“ verkleinert, in denen künftig Pestizide verboten sein sollen, sagte Verbandspräsident Joachim Rukwied zum Auftakt der Mitgliederversammlung seiner Organisation am Mittwoch in Münster. „Aber ihr Ansatz ist vom Grund her falsch, mit einem Verbot in gewissen Regionen den Pflanzenschutzmittel-Einsatz zu reduzieren“, fuhr der Landwirt fort. Denn ein Verbot wäre „existenzvernichtend“ für die betroffenen Höfe. Besser sei es, etwa durch Digitalisierung Pestizide einzusparen. Die Landwirtschaft gilt als ein Hauptverursacher des Artensterbens. Auch an der von der EU-Kommission vorgeschlagenen „Verordnung über die Wiederherstellung der Natur“ ließ Rukwied kein gutes Haar. Denn sie bedeutet dem Bauernverbandschef zufolge: „Naturwiederherstellung auf 10 Prozent der Fläche – im Sinne Brüssels Herausnahme der Fläche aus der Produktion.“ „Das können wir uns schon aus Ernährungssicherungsgründen nicht leisten“, sagte Rukwied in seiner Rede. Solche Vorschriften seien auch der „schlechtere Weg“, um die Artenvielfalt zu erhöhen. „Unser Ansatz ist kooperativer Naturschutz“, so Rukwied. Er verwies auf das „Franz“-Projekt, bei dem Demonstrationsbetriebe Lösungen zeigen. Landwirte würden zum Beispiel gern Blühstreifen säen. Die Bauern könnten und wollten da mehr unternehmen – aber unter einer Bedingung: „Das muss dann auch honoriert werden, mit entsprechenden öffentlichen Mitteln.“ Martin Hofstetter, Agraringenieur der Umweltorganisation Greenpeace, warf Rukwied daraufhin eine „bewusste Fehlinterpretation“ des Verordnungsentwurfs zur Wiederherstellung der Natur vor.

TAZ-online

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Wer hat es noch in Erinnerung ? Auch hier im Lande wurde vor nicht langer Zeit zur Staatsräson aufgerufen und wer flog damit auf dem Bauch? Lassen wir uns von den weiteren Ablauf überraschen und verzichten wir besser auf das Orakeln. Alle Politiker-innen zeigen doch nach 1950 kein Format mehr.

Prigoschin-Putsch: – Als Jewgeni Prigoschin rebellierte, erinnerte Wladimir Putin an das Jahr 1917, als Russland mitten im Ersten Weltkrieg der handlungsfähige Staat abhandenkam. Doch es gibt auch andere Parallelen zu heute

4.) Wladimir Putin bedient sich einer riskanten historischen Analogie

Man war sich von Washington bis Berlin vermutlich der Risiken bewusst, die eintreten, wenn Russland mitten im Krieg die anarchischen Zustände eines Machtwechsels heimsuchen. Wenn niemand weiß, wer dann über die Nuklearpotenziale gebietet und was damit anstellt. Insofern war der Westen gegen jede Verführung gefeit, im Warlord Jewgeni Prigoschin einen Hoffnungsträger zu sehen, der Wladimir Putin zu Fall bringt. Dazu kam es nicht, weil Russlands Präsident Herr des Verfahrens blieb. Dies nicht anerkennen zu wollen, sollte nicht davon entbinden, es erkennen zu können. Putin geht gestärkt aus dieser Meuterei hervor, weil er Konzessionen machte, obwohl er den „Verrätern“ zuvor mit Revanche und Rache gedroht hatte. Im Interesse der Staatsräson mochte Vergeltung legitim sein, doch erschien es für die moralische Konstitution Russlands unverzichtbar, dieser zu entsagen, falls der Zweck die Mittel eben nicht heiligt. Entsprechend war Prigoschin schon amnestiert, bevor er überhaupt bestraft werden konnte – ein lumpiger Meuterer, kein lupenreiner Putschist. Putin, dem so gern die Rationalität bestritten wird, erwies sich als nüchterner Realist, der auch um seiner selbst willen eine innere Krise löste, indem er sie entschärfte, ob sein Prestige nun darunter litt oder nicht. Wer das mit Häme quittiert, muss nach der Alternative gefragt werden. Als sich Prigoschins Kolonne am 24. Juni durch Südrussland bewegte wie das berühmte Messer durch die Butter, sprach nicht nur viel, sondern so gut wie alles dafür, dem zunächst keinen Widerstand entgegenzusetzen. Man musste mit vielen Toten rechnen. Von der Initialzündung für einen Bürgerkrieg ganz zu schweigen. Fällt in derart brisanter Lage der erste Schuss, ist nie ausgemacht, wann der letzte fällig ist, und was bis dahin passiert. Alles war besser, als sich gegenseitig umzubringen und der Welt ein Schauspiel russischer Selbstzerfleischung zu liefern. Und das in einem Augenblick, da die ukrainische Armee vielfach zum Angriff übergeht, um gegnerische Linien zu durchbrechen.

Freitag-online

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Eins, zwei, drei im Sauseschritt ich bin nicht der Merz, aber wer führt mit ?

Tribute to White Power

 

Studie beobachtet verbreitete rechtsextreme Einstellungen und »ausgeprägtes Fremdeln mit der Demokratie«

5. AfD: Der Osten sehnt sich nach Führung

Die Debatten um Rechtsextremismus in Ostdeutschland flammen seit Jahrzehnten regelmäßig wieder auf: nach den Pogromen in Hoyerswerda und Rostock-Lichtenhagen 1991, nach dem Mord an Alberto Adriano in Dessau im Jahr 2000, nach dem Auffliegen des NSU im Jahr 2011 oder den fremdenfeindlichen Ausschreitungen in Heidenau, Freital und anderswo ab 2015. Über Ursachen und Antworten geredet wurde viel, geändert aber hat sich nichts. Die »öffentliche Auseinandersetzung über antidemokratische Ressentiments« sei intensiv gewesen, resümiert eine jetzt vorgestellte Studie des Else-Frenkel-Brunswick-Instituts (EFBI) für Demokratieforschung an der Universität Leipzig. Die Debatte habe aber »auf die Einstellung der Menschen so gut wie keinen Einfluss«.  Es ist ein ernüchternder Befund in einer wissenschaftlichen Analyse, die auch ansonsten erschreckende Einsichten liefert. Extrem rechte Ressentiments sind demnach in Ostdeutschland weit verbreitet und blieben über die Jahre stabil. Mehr als die Hälfte der Bürger hegt Vorurteile gegen Migranten. 62 Prozent fürchten eine »Überfremdung« durch Zuwanderung, 69 Prozent meinen, Ausländer kämen nur, um hiesige Sozialsysteme auszunutzen. Auch Chauvinismus, also die Aufwertung des Eigenen und die Abwertung von »Anderen«, grassiert. Zwei Drittel meinen, es brauche »Mut zu einem starken Nationalgefühl«. Nennenswerte Teile plädieren für ein Recht des Stärkeren in der Gesellschaft.

ND-online

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