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RENTENANGST

Archiv für Juni 28th, 2023

Das eingehegte Denken

Erstellt von DL-Redaktion am 28. Juni 2023

Die Entwicklung der Grünen

Ein Schlagloch von Charlotte Wiedemann

Eine globale Ethik der Gerechtigkeit hat bei den Grünen keine Heimat mehr. Notwendig ist eine politisch-philosophische Gegenkultur.

Was ist Gewalt – und für wen? Was ist Sicherheit – und vor wem? Antworten darauf sind für ein emanzipatorisches Denken essenziell. Und an den Antworten scheiden sich Weltentwürfe.

Es gibt Gründe, darüber gerade in diesen Tagen zu schreiben. Denn mir ist, als befände ich mich in einem sich ständig verkleinernden Raum. Die Wände rücken auf mich zu. Ich weiß, ich bin falsch in diesem Raum, es ist ein falscher Ort, aber ich scheine dort hineinzugehören, so sieht das Script es vor. Ich bin unentrinnbar Teil eines sich verengenden, verhärtenden, aufrüstenden Europas, und meine Hilflosigkeit schützt nicht davor, mitschuldig zu werden. Denn für das Kind in einem Grenzgefängnis ist mein Widerwille bedeutungslos.

„Nicht in meinem Namen!“, zu rufen, hätte nur Berechtigung, wenn es eine geistige, eine politisch-philosophische Gegenkultur gäbe, die sich der aufgezwungenen Versicherheitlichung unseres Lebens widersetzt. Doch scheint das Gespür für die ethische Unerträglichkeit bestimmter Verhältnisse verloren gegangen zu sein und damit die Voraussetzung, über diese Verhältnisse hinaus zu denken.

Die Entwicklung, welche die Grünen genommen haben (und lange zuvor die Sozialdemokratie), hat zur Folge, dass radikal fortschrittliche Politik in essentiellen Fragen keine organisierte Stimme mehr hat. Kompromissloser Schutz von Menschenrechten, eine universalistische Ethik der Gerechtigkeit und die Überzeugung: „Eine andere Welt ist möglich“, haben bei den Grünen keine Heimat mehr.

Wo bleibt die Rebellion auf der Straße?

Dieser Zustand verlangt nach einer ungebärdigen außerparlamentarischen Opposition, gerade zu den Anliegen einer globalen Ethik, wozu Klimaschutz ebenso wie der Schutz Geflüchteter gehören. Das grüne Führungspersonal scheint gar nicht mehr zu begreifen, dass es andere Auffassungen dessen gibt, was politisch ist, etwa bei der Letzten Generation: Stören wollen, provozieren, irritieren, den kapitalistischen Lebensalltag unterbrechen.

Dabei lehrt alle Erfahrung, wie der politische Betrieb von außen her zu beeinflussen ist; der Aufstieg der Grünen wäre anders gar nicht vorstellbar. Heute sind sie indes eine Kraft der Disziplinierung, der Einhegung geworden, der Betäubung und Verbravung des Denkens. Während sich andere verzweifelt ans Pflaster kleben, sind die Grünen mit den herrschenden Verhältnissen verleimt. In der Ampelregierung hat sich diese politische Degeneration in ungeahnter Weise beschleunigt.

Gerade zu einer Zeit, wo radikales Andersdenken und -handeln so nötig ist, wird Radikalität nun bekämpft, diffamiert, inhaftiert. Jüngst sprachen territoriale Demonstrationsverbote in mehreren Städten trotz ganz verschiedener Anlässe eine gemeinsame Sprache: Ganze Gruppen der Bevölkerung werden pauschal der Neigung zu Gewalttätigkeit bezichtigt, weswegen ihre Grundrechte außer Kraft gesetzt werden können.

Die Präventivhaft, die mittlerweile gegen Klimaschützer angewandt wird, damit sie sich einem geplanten Protest gar nicht erst nähern können, ist die kleine Schwester der präventiven Internierung von Asyl­be­wer­be­r:in­nen an den EU-Grenzen. Die Politik der Versicherheitlichung setzt Grundrechte außer Kraft, die Allgemeinheit nimmt daran keinen Anstoß, und bestimmte Medien hetzen zuverlässig gegen jene, denen die Rechte genommen werden.

Die Grünen stehen auf der falschen Seite

Der Polizeikessel jüngst in Leipzig erinnerte mich an den ersten bundesdeutschen Kessel dieser Art; Hamburg 1986. Danach protestierten 50.000 Menschen gegen die Polizeigewalt; ein Gericht erklärte den Kessel später für rechtswidrig. 37 Jahre ist das her. Die Grünen waren damals ein verlässliches Element in einem Milieu, das einen Begriff von Solidarität, Bürgerrechten und Widerstand hatte. Heute stehen sie häufig eher auf der anderen Seite.

Wie sich die Definitionen von Gewalt und Sicherheit sukzessive verschieben, das markiert durchaus den Geländegewinn rechter Gesellschaftskonzepte – und wenn sie nun gegendert daherkommt, ändert das nicht ihren Charakter. Während die Angriffe gegen Geflüchteten-Unterkünfte steigen, denkt sich die Bundesinnenministerin ein Verbot von Küchenmessern in Bussen und Bahnen aus, mit „stichpunktartigen Kon­trol­len“ – mit anderen Worten: Racial Profiling. Die „Messermänner“ von Alice Weidel sind in der Sozialdemokratie angekommen, so wie Seehofers Grenzgefängnisse nun grün angestrichen Wirklichkeit werden.

Quelle        :        TAZ-online           >>>>>       weiterlesen

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Grafikquellen     :

Oben           —      Powstaje zapora na granicy polsko-białoruskiej. Dzisiaj już wszyscy na Zachodzie widzą, że my, chroniąc granicę polsko-białoruską, chronimy wschodnią flankę NATO – powiedział premier Mateusz Morawiecki w środę (16 lutego br.) podczas konferencji prasowej przy granicy z Białorusią. W konferencji wziął również udział wiceminister Maciej Wąsik oraz gen. dyw. SG Tomasz Praga – komendant główny Straży Granicznej.

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Revoltierende Soldaten

Erstellt von DL-Redaktion am 28. Juni 2023

PUTINS BRÖCKELNDE HEIMATFRONT

Von Alexeï Sakhine und Lisa Smirnova

Was die Drohnen über dem Kreml bedeuten, weiß man nicht. Für den Hausherrn bedrohlicher ist die Stimmung im Land. Während die Siegeszuversicht sinkt, wächst das Misstrauen gegenüber den Eliten und die Kritik am System Putin, die jedoch aus unterschiedlichen Richtungen kommt und nicht unbedingt friedliebend ist.

Auf den ersten Blick scheint das russische Staatsschiff dem Sturm standzuhalten, den der Kreml mit dem Überfall auf den ukrainischen Nachbarn ausgelöst hat. Mehr als ein Jahr nach Kriegsausbruch befindet sich die russische Wirtschaft zwar in der Rezession, aber das Minus von 2,1 Prozent für das BIP 2022 bedeutet noch keinen Zusammenbruch. Und glaubt man den Umfragen auch staatsunabhängiger Meinungsforschungsinstitute, ist eine Mehrheit der Bevölkerung weiterhin für eine Fortsetzung der „Spezialoperation“.1

Allerdings werden die Risse in der russischen Gesellschaft stetig tiefer. Und erstaunlicherweise sind sich Menschen sehr unterschiedlicher politischer Orientierung in einem Punkt zunehmend einig: Unabhängig von ihrer Einstellung zum Krieg misstrauen immer mehr Russinnen und Russen den „Eliten“. Dieses Phänomen war bereits vor Februar 2022 zu beobachten, nun nimmt es an Bedeutung weiter zu.

In einem Klima der Angst, das sich laufend verstärkt, ist es sehr schwierig, der Gesellschaft den Puls zu fühlen. Angesichts dessen mag ein Blick auf die methodischen Anmerkungen der unabhängigen Meinungsforschungsinstitute zu ihren Ergebnissen hilfreich sein. Was sagt uns zum Beispiel der starke Rückgang der Antwortquoten? Laut einem Institut für Marketingstudien und Meinungsumfragen namens „Rus­sian Field“ antworten aktuell nur noch 5,9 bis 9,3 Prozent der Befragten auf alle die „militärische Spezialoperation“ betreffenden Fragen. Das entspricht nur einem Drittel bis einem Viertel der vor Kriegsausbruch üblichen Quote.2

Bei einer im Februar 2023 durchgeführten Umfrage bat Russian Fields die Teilnehmenden, sich entweder für Maßnahmen zur Verstärkung der Offensive oder für Frieden auszusprechen. Nur 27 Prozent der Befragten unterstützten eine Eskalation der Kämpfe, während sich 34 Prozent Schritte in Richtung Frieden wünscht

Zwischen Ultranationalisten und Kriegsmüden

Dabei kann man deutlich drei Gruppen unterscheiden: Die „Kriegspartei“, der 25 bis 37 Prozent der Befragten zuzurechnen sind, befürwortet die Verfolgung Protestierender, verurteilt Deserteure und ist bereit, Einschränkungen in der Sozialpolitik zugunsten militärischer Ziele in Kauf zu nehmen. In dieser Personengruppe sind ältere Bürgerinnen und Bürger sowie Menschen mit höherem Einkommen überproportional vertreten.

Zur „Friedenspartei“ am anderen Ende des Spektrums zählen 10 bis 36 Prozent der Befragten, bei denen es sich vor allem um junge Russinnen und Russen sowie sehr arme Personen handelt. Zwischen diesen beiden Extremen befinden sich diejenigen, die eigenen Angaben zufolge zu keiner klaren Meinung kommen oder die widersprüchliche Antworten geben. Viele Menschen aus dieser dritten Gruppe lehnen zwar eine militärische Eskalation ab, vertrauen aber der offiziellen Position der Behörden.

Die Kriegspartei nutzt die sozialen Netzwerke als Sprachrohr – darunter die Plattformen von Gruppen, die man als „Ultranationalisten“ bezeichnen könnte. Sie kann sich derzeit noch uneingeschränkt äußern, löst aber bei der politischen Führung eine gewisse Beunruhigung aus. So erklärte im Februar der Duma-Abgeordnete Oleg Matwei­tschew von der Präsidentenpartei Einiges Russland: „Einen liberalen Maidan müssen wir nicht fürchten, denn die Liberalen sind alle geflohen.“ Die einzige Gefahr für den Staat sei „ein ultra­na­tio­na­lis­ti­scher, leicht links eingefärbter Maidan und entsprechende Debatten über die Korruption.“4

Seit Beginn der Invasion füttern sogenannte Kriegsberichterstatter – Anhänger der extremen Rechten mit militärischen oder paramilitärischen Befugnissen – die sozialen Netzwerke mit Nachrichten über die militärischen Operationen. Der Bekannteste unter ihnen ist Igor Strelkow, ein früherer FSB-Geheimdienstoffizier mit monarchistischen Überzeugungen. 2014 eroberte er an der Spitze einer Einheit russischer Freiwilliger die Stadt Slawiansk im ukrainischen Donbass. Zwar hat Moskau die Separatisten militärisch unterstützt, aber ihre Anführer sind aufgrund ihrer Unberechenbarkeit und ihres Fanatismus auch dem Kreml nicht geheuer.5 Strelkow musste deswegen den Donbass verlassen. Heute beklagt er auf seinem Telegram-Kanal, dass der Kreml den ukrainischen Feind nicht hart genug bekämpft. Telegram nutzen fast 1 Mil­lion Menschen. Nach den militärischen Rückschlägen im Herbst 2022 prangerten Strelkow und andere radikale Na­tio­na­lis­ten die Fehler des Putin-Regimes an. Sie kritisierten die schlechte Organisation des militärischen Nachschubs, die Schwäche der Rüstungsindustrie, die Inkompetenz und Bestechlichkeit der Generäle und eine mediokre Führungselite, die im Luxus schwelge, während das Vaterland in Gefahr sei. Und sie mutmaßen, ein Teil von Putins Entourage wolle sich heimlich mit dem Westen aussöhnen, selbst wenn das die Kapitulation bedeuten sollte.

„Wenn sie Russland in diesem Krieg aufgeben, können wir ihren lieben Partnern aus dem Westen wahrscheinlich nichts anhaben“, schrieb Strelkow am 3. Februar 2023. „Aber wir werden alles tun, um sie selbst dann zu kriegen.“ Er bezweifelt, dass die Regierung den Krieg gewinnen wird. Noch weiter geht Maxim Kalaschnikow, ein Verbündeter Strelkows und Stalin-Bewunderer: „Es wird unvermeidlich zu einer großen Umwälzung kommen. Die da oben wissen das und machen sich Sorgen. Unser Ziel ist es, diese Umwälzung dann in einen nationalen, patriotischen Sieg umzumünzen.“6

Der Zorn der nicht zum eigentlichen Herrschaftssystem gehörenden Patrioten hat mittlerweile auch die loya­len Anhänger des Kriegslagers erfasst, was den Kreml enorm beunruhigt. Der Chef der Gruppe Wagner, Jewgeni Prigoschin, dessen Privatmiliz in der Ukraine kämpft und der mit den Generälen der Armee rivalisiert, spricht offen über Probleme wie soziale Ungleichheit, Korruption und Unfähigkeit innerhalb der Militärhierarchie.

Doch Prigoschins öffentlicher Aktivismus hat das Präsidialamt verärgert, das ihm mittlerweile den Zugang zu den russischen Gefängnissen verwehrt, wo er unter den Häftlingen Freiwillige für die Front rekrutiert hatte. Der neue Generalstabschef Waleri Gerassimow reduzierte außerdem den Munitionsnachschub für die Gruppe Wagner. Doch Prigoschin revanchierte sich rasch: Er wies seine Kämpfer an, Videos nach Strelkow-Art zu drehen, in denen der Militärführung und den Beamten Verrat vorgeworfen wird. In einem dieser Clips steht ein Söldner vor mehreren Leichen und sagt: „Hört auf mit dem Unfug. Lasst uns kämpfen, lasst uns unser Vaterland verteidigen.“7

Die Wut auf das Regime hat auch die Soldaten und Offiziere in den Schützengräben erfasst. Im Rahmen der Ende September 2022 verkündeten Mobilisierung wurden nach offiziellen Angaben 320 000, nach unabhängigen Schätzungen 500 000 Soldaten eingezogen.8 Die Zahl dürfte sich angesichts der im April 2023 von der Duma verabschiedeten Vorschriften noch erhöhen: Diese sehen eine elektronische Einberufung, ein Ausreiseverbot für Einberufene sowie das Einfrieren des Im­mo­bi­lien­ver­mö­gens von Exilrussen vor.

Die Mobilisierung hat vor allem die ärmsten Regionen getroffen – insbesondere die Kleinstädte und Dörfer rückständiger Provinzen, also die traditionellen Wahlhochburgen Putins. Die Behörden beriefen zunächst Reserveoffiziere und Reservisten mit militärischer Spezialausbildung ein: Männer mittleren Alters mit niedrigem oder mittlerem Einkommen aus Regionen fern von Moskau. Sie zählen mehrheitlich zu den „Neutralisten“, also jener gesellschaftlichen Gruppe, die den Krieg nicht aus militaristischer Überzeugung, sondern aus Loyalität unterstützt. Sie tragen mittlerweile die Hauptlast der Kampfeinsätze.

Quelle          :       LE MONDE diplomatique          >>>>>          weiterlesen

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Grafikquellen          :

Oben     —         Владимир Путин на заседании Государственной Думы был утвержден Председателем Правительства Российской Федерации

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Nach Grün + SPD rot = Tot

Erstellt von DL-Redaktion am 28. Juni 2023

Ein neuer Kompromiss in der europäischen Flüchtlingspolitik bahnt sich an

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Quelle       :        Scharf  —  Links

Von Gruppen gegen Kapital und Nation

Grüne, Sozis und Rechtsradikale raufen sich zusammen

In einem älteren Text haben wir mal anlässlich des sogenannten Flüchtlingssommer 2015 aufgeschrieben, worum es wesentlich in der Flüchtlingspolitik geht.1 Die deutsche Flüchtlingspolitik ist auf EU-Ebene im Rahmen des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems geregelt. Innerhalb der EU geraten aber die verschiedenen nationalen Standpunkte ständig aneinander, so dass das aktuell geltende Dublin-Verfahren praktisch nicht klappt. In unserem Text von 2015 wird erklärt, welche Standpunkte innerhalb der EU hier aneinander geraten. Der Text sei an dieser Stelle nochmal empfohlen, weil dort ausgeführt wird, was hier nur angerissen werden soll.

Lange Zeit hat sich in der EU-Asylpolitik nichts wesentlich geändert, doch derzeit arbeiten die EU-Staaten mit neuer Energie an einem neuen Kompromiss, der das alte Dublin-Verfahren im Februar 2024 ablösen soll. Dass ein Kompromiss überhaupt möglich scheint, hat schlicht mit dem Ukraine-Krieg zu tun. Seit Beginn des Krieges haben die EU-Staaten viele Flüchtlinge aufgenommen (allen voran Polen, dessen rechte Regierung lange Zeit schlicht keine Flüchtlinge aufnehmen wollte). Ukrainische Frauen, Kinder und alte Menschen sind willkommen und werden unbürokratisch in die Gesellschaften aufgenommen. Die Flüchtlinge aus der Ukraine erwartet eine echte staatliche Willkommenskultur und eine Grundversorgung ohne die sonst üblichen Schikanen. Das hat auch schon manche Flüchtlingsaktivist*in zur Verzweiflung gebracht: Warum geht hier umstandslos die staatliche Hilfe, während Flüchtlinge ohne ukrainischen Pass zugleich weiter schikaniert werden?

Der Grund ist einfach der, dass die ukrainischen Flüchtlinge einen klaren Nutzen für die EU-Staaten haben:

Über die Waffenhilfen an die Ukraine und über die Sanktionen führen die EU-Staaten (indirekt) Krieg gegen Russland. Das Interesse Russland ins moralische Abseits zu stellen, Russland als Verbrecherstaat darzustellen, hat daher absolute Priorität. Die Aufnahme der ukrainischen Flüchtlinge ist das Material für die Kritik der EU-Staaten an Russland: Das ist ein Staat, der in dieser Welt keinen Respekt verdient. Im Vergleich dazu merkt man, dass z.B. die Kritik des Assad-Regimes oder die Lage in Afghanistan nicht mehr die Hauptinteressen der EU-Staaten sind. Diesem sich veränderten staatlichen Interesse folgend sind syrische und afghanische Flüchtlinge zunehmend nicht mehr gewollt.

Zusätzlich gilt der Zusammenhang von ukrainischen Flüchtlingen mit dem gewollten Verlauf des Krieges: Wenn man sich z.B. die Bundestagsdebatte im März 2022 anschaut, dann kann man da durchweg bemerken, wie die Waffenhilfe für die Ukraine und die Hilfe für die ukrainischen Flüchtlinge in einem Atemzug benannt werden.2 Und das hat folgenden Grund: Ihre Umsorgung soll den ukrainischen wehrfähigen Männern und Frauen Kraft geben, ihr Leben im Krieg hinzugeben. Diesen Einsatz beschrieb die Präsidentin der Europäischen Kommission Ursula von der Leyen kürzlich so: „Die Ukrainer sind bereit, für die europäische Perspektive zu sterben“. Diese europäische Perspektive sieht derzeit so aus: In einen direkten Krieg mit Russland wollen die EU-Staaten nicht eintreten. Aber sie wollen Russland schwächen, indem man die Ukraine gerade mit so viel Waffen ausstattet, dass die Truppen dort Russland aufhalten und es somit in einen langen Abnutzungskrieg reinziehen. So will die EU, dass der Krieg verläuft und da ist es förderlich, wenn die kämpfenden Soldat*innen in der Ukraine sich ohne Rücksicht um den Verbleib der eigenen Familie und Verwandtschaft in den Kampf und Tod werfen können.3

Freilich: Die Unterstützung der ukrainischen Flüchtlinge kostet eine Menge und das wird dauerhaft so bleiben, zumindest solange die EU zusammen mit den USA den Krieg so gestalten wollen. In diesem Lichte fallen dann den EU-Staaten die weiteren Flüchtlinge, die gewohnheitsgemäß über die Balkan-Route und das Mittelmeer ankommen und sich überwiegend vorbei an bestehenden EU-Regeln, über die EU-Staaten verteilen, umso lästiger auf. Jetzt, da das Hauptinteresse auf die ukrainischen Flüchtlinge gerichtet ist und Flüchtlinge aus anderen Ländern weniger als nützliches politisches Mittel, sondern vor allem als Last auffallen, sind zumindest einige relevante EU-Staaten bereit, doch nochmal aufeinander zu zugehen.

Konkret heißt das Aufeinanderzugehen in der EU-Asypolitik:

Bislang konnten und wollten sich Italien und Griechenland nicht auf die Hot-Spot-Lösung verlassen. Die dort registrierten Flüchtlinge sollten in andere EU-Staaten weitergereicht werden, aber nur wenn die anderen Staaten freiwillig mitmachten. Das haben viele Staaten gar nicht gemacht. Selbst Deutschland, das diesen Mechanismus eingebracht hat, machte nur sehr zögerlich mit. Insofern haben Italien und Griechenland die Flüchtlinge einfach ohne Registrierung durchreisen lassen, zum Ärger von z.B. Österreich oder Deutschland. Jetzt sollen die Hot-Spots zu „Aufnahmeeinrichtungen“ werden. Über den Charakter dieser Anstalten wird kein Hehl gemacht. Die FAZ spricht von „haftähnlichen Bedingungen in streng kontrollierte Aufnahmeeinrichtungen“, die taz von „Internierungslagern“. Hier sollen all diejenigen Flüchtlinge landen, die – wie es so schön heißt – keine „Bleibeperspektive“ haben, weil die EU-Staaten ihnen die schlicht nicht geben wollen. „Das betrifft Menschen aus Ländern, bei denen die durchschnittliche Anerkennungsrate der Asylanträge in der EU unter 20 Prozent liegt oder die aus sogenannten sicheren Herkunftsländern stammen. Die 20-Prozent-Quote greift etwa bei Ägypten, Bangladesch oder Nigeria. Als sichere Herkunftsländer dürften etwa Marokko, Tunesien oder Algerien eingestuft werden.“ (taz, 09.06.2023) Mit ihnen soll ein Schnellverfahren durchgezogen werden, dass 12 Wochen dauern soll. Ist dann das Urteil negativ, dann sollen sie abgeschoben werden und dafür bis zu 6 Monate im „Gefängnis“ bleiben. Die EU-Staaten legen freilich Wert darauf, dass dies kein echter Freiheitsentzug sei, denn schließlich könnten die Menschen jederzeit freiwillig ausreisen – nur nicht in die EU.

Die Abschiebung ist nicht immer einfach, weil dabei irgendwelche Länder zustimmen müssen, in die „zurückgeschickt“ wird. Der Clou des neuen Kompromisses ist hier: 1. Die Aufnahmezentren sollen quasi extraterritorial sein, d.h. nicht echtes EU-Land. Die Flüchtlinge sind somit offiziell gar nicht „eingereist“ und das soll bei der Abschiebung einige bürokratische Hürden nehmen. 2. Das Land, in das abgeschoben wird, braucht nicht mehr dasjenige der Staatsbürgerschaft des Flüchtlings sein. Es reicht eine „Verbindung“ des Staates zum Flüchtling diese darf jetzt auch einfach irgendein „Transitland“ sein, das Flüchtlinge durchquert haben. Und was alles eine „Verbindung“ ist, das darf jedes EU-Land selber interpretieren und auslegen. So macht die EU dann z.B. Italien mit seiner rechtsradikalen Regierung zur Entscheidungsinstanz in Sachen Abschiebung. Die rechtsradikale Regierung liebäugelt derzeit mit Tunesien und die EU unterstützt Italien dabei, einen Deal mit dem Land hinzubekommen.4

Diejenigen Flüchtlinge, die wider erwarten doch Asyl bekommen sollten, sollen in die anderen EU-Staaten verteilt werden, wobei sich ein Staat hier auch mit einer Kopfprämie von 22.000€ freikaufen können soll. Daran könnte der neue Kompromiss noch scheitern, weil Polen und Ungarn das ablehnen. Sie wollen keine Flüchtlinge, die zuvor woanders angekommen sind, basta. Sie wollen vor allem aber nicht die ihre Souveränität in der Entscheidung, wer in ihren Ländern Aufenthaltsrechte bekommt, an die EU abgeben. Spekuliert wird darüber, dass die anderen EU-Staaten sie noch ins Boot holen könnten, wenn die finanziellen Beiträge für Frontex hier mit den Kopfprämien verrechnet werden könnten.

In dem neuen EU-Kompromiss zur Flüchtlingspolitik sind weitere eklige Details enthalten, die hier nicht weiter besprochen werden sollen. Es bleibt vorerst festzuhalten, dass die EU-Staaten folgendes wollen und/oder in Kauf nehmen:

1. An einer Weltordnung, in der die Kapitale abgehängte Staaten als Rohstofflieferanten benutzen können, hält die EU fest. Ob mit oder ohne IWF werden ganze Staaten und Regionen auf ihre Funktion als Rohstofflieferanten für den kapitalistischen Westen festgelegt. Die Überlegenheit der Kapitale aus den kapitalistischen Zentren sorgt dafür, dass sich in den abgehängten Staaten keine aufblühende kapitalistische Produktion mit umfangreichen Arbeitsplätzen durchsetzt. Für die Staatsführung eines „Rohstofflandes“ ist ihre Bevölkerung – im Unterschied zu erfolgreichen kapitalistischen Staaten – dann keine brauchbare Ressource, die man in rentable Arbeit führen will, sondern weitgehend überflüssig. Sie steht im Weg, weil große Landesteile für die kapitalistischen Rohstoff-Unternehmen gebraucht werden (wozu zukünftig auch die geplanten Solarparks gehören). Der Staat ist in einem „Rohstoffland“ im Großen und Ganzen die einzige gute Einkommensquelle und so finden sich immer wieder Leute, die abgehängte Bevölkerungsteile mobilisieren, um sich an die Macht zu putschen. Daraus resultierende Bürgerkriege (siehe aktuell Sudan) oder abweichende Regierungsprogramme werden vom Westen als Ordnungsprobleme gesehen und die „Verantwortung für die Welt“ wird dann mit Kriegen oder Unterstützung von Bürgerkriegen wahrgenommen. Die meisten Leute, die aus diesen Zuständen fliehen, sollen aus der EU draußen gehalten oder durch zu erwartende miese Behandlungen abgeschreckt werden. Ausgewählte Flüchtlinge sollen Asyl bekommen. Und damit verschafft sich Deutschland (bzw. alle EU-Staaten) die moralischen Titel „Verantwortung, Pflicht und Recht“, um mit denen – und so schließt sich der Kreis – in der Welt Einfluss zu nehmen.

2. Die in der Staatenkonkurrenz abgehängten Staaten in Nord-Afrika sollen für die EU-Staaten die Flüchtlinge verwalten. Dafür bekommen sie neue Finanzzuschüsse. Dass die Staaten einigermaßen autoritär organisiert sind, geht dabei für die EU in Ordnung, weil damit immerhin der Staat funktioniert, der mit seiner Gewalt seinen Dienst für die EU erledigen kann.

3. Das Mittelmeer bleibt ein Massengrab, das anhaltend mit neuen ertrunkenen Flüchtlingen angereichert wird.

4. Damit der Krieg in der Ukraine so weiterlaufen kann, wie bislang, müssen Flüchtlinge mit ukrainischer Staatsbürgerschaft umstandslos versorgt werden.

Darauf können sich pi mal Daumen viele EU-Staaten einigen und insbesondere die verantwortlichen Grünen und Sozialdemokrat*innen in Deutschland mit der rechtsradikalen Regierung in Italien.

An dieser Stelle ein Liedtipp – Pisse, Scheiß DDR:

Scheiß DDR

Ach was für ein schönes Land
Alle war’n im Widerstand
Videorekorder und Bananen
Stand geschrieben auf den Fahnen
’89 war’s vorbei
Ach was wart ihr alle frei
Alle auf zum Flüchtlingsheim
Jeder haut ’nen Molli rein

Scheiß BRD

Videorekorder und Bananen
Und japanische Sportwagen
Soldaten in Berlin nicht mehr
Heute rund um’s Mittelmeer

Scheiß Europa

1Was „Merkels kurzer Sommer der Menschlichkeit“ über die deutsche Realität aussagt https://gegen-kapital-und-nation.org/was-merkels-kurzer-sommer-der-menschlichkeit-%C3%BCber-die-deutsche-realit%C3%A4t-aussagt/

2Siehe https://dserver.bundestag.de/btp/20/20020.pdf, S. 1404ff.

3Zum Krieg siehe die Themenseite der Gruppen gegen Kapital und Nation.

4Dänemark und Österreich plädieren dafür es UK gleich zu tun: Flüchtlinge werden sofort in irgendeinen Dritt-Welt-Staat verfrachtet und dort wird dann das Asylverfahren durchgeführt (sogenanntes „Ruanda-Modell“). Soweit ist es jetzt noch nicht gekommen – hier würde keine Verbindung bestehen.

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Grafikquellen      :

Oben      —   Hannelore Kraft (l.) und Sylvia Löhrmann (r.) bei der Unterzeichnung des rot-grünen Koalitionsvertrags im Juni 2012

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L – A armselige Skyline

Erstellt von DL-Redaktion am 28. Juni 2023

In Los Angeles leben etwa 50.000 Menschen auf der Straße.

Downtown L.A.

Aus Los Angeles von Johannes Streek

Die demokratische Bürgermeisterin Karen Bass will das ändern. Wie das nachhaltig gelingen kann, ist unter sozialen Trägern jedoch umstritten. Ein Ortsbesuch in einer der ärmsten Gegenden der USA. An einem lauen Morgen im Juni ist es noch ruhig auf der San Pedro Street in Los Angeles. An einer Ecke frühstücken ein paar Leute aus Styroporbehältern, etwas weiter fegt jemand den Bürgersteig. Andere sitzen sind in Decken gehüllt am Straßenrand, ihnen ist die Kühle der vorherigen Nacht noch anzusehen.

„Skid Row“ heißt dieser Abschnitt der Stadt, der um einem mittlerweile stillgelegten Bahnhof entstanden ist. Rund 5.000 Menschen leben hier auf der Straße, in Autos oder Zelten. Andere wohnen vorübergehend in den Räumlichkeiten der hier ansässigen sozialen Einrichtungen. Diese gibt es zum Teil schon seit über 100 Jahren, so lange ist die Skid Row von Los Angeles schon ein Wohnort für all jene, die sonst kein Zuhause haben. Und die so schnell auch keins finden werden.

Der Name Skid Row bezeichnet ein Gebiet von 50 Wohnblocks inmitten der Innenstadt von Los Angeles. Es ist ein Ort, der wohl wie kein anderer zeigt, was Armut in den USA bedeutet. Seit Jahrzehnten ist das Stadtbild des Industrieviertels geprägt von Menschen, die auf der Straße leben, während im Hintergrund moderne Hochhäuser in der kalifornischen Sonne schimmern. Die Gegend ist eine Ansammlung trauriger Superlative. Laut einer im Jahr 2020 veröffentlichten Studie sind die drei gefährlichsten Nachbarschaften der USA auf der Skid Row zu finden. Krankheiten grassieren durch den mangelnden Zugang zu Wasser. Im Jahr 2017 brach in der Gegend eine Hepatitis-Epidemie aus, die auch in andere Stadtteile überschwappte. Eine längere Dürrezeit hatte zu einer Anhäufung von menschlichen Fäkalien auf den Bürgersteigen geführt, der lang erwartete Regen spülte sie in die Kanalisation. 2.201 Wohnungslose sind allein im Jahr 2021 in Los Angeles gestorben, fast jedes vierte Mordopfer ist eine Person ohne festen Wohnsitz.

Entgegen ihres anarchischen Rufes ist es auf der Skid Row weder besonders laut noch sehr viel schmutziger als in anderen Abschnitten der Innenstadt. Neben den vielen Wohnungslosen, die auf der Straße unterwegs sind, trifft man hier auch auf Streetworker verschiedener Organisationen, die Essen verteilen oder rudimentäre Gesundheitsversorgung anbieten und so staatliche Versorgungslücken schließen. Während viele in der Autostadt Los Angeles fast alle Wege mit ihrem Fahrzeug zurücklegen, sind auf der Skid Row die meisten Menschen zu Fuß oder mit dem Fahrrad unterwegs. Zwischen den gut befestigten Zelten, die vielerorts mit blauen Bauplanen verstärkt sind, schneiden sich Leute gegenseitig die Haare, lesen oder sitzen auf Klappstühlen und unterhalten sich. „Guten Morgen, wie geht’s?“ werden Besucher gefragt, die sich auf dem Bürgersteig einen Weg zwischen den Zelten bahnen.

Auch Brittany Robbins gehört zu den Menschen, die in und um die Skid Row ohne festen Wohnsitz leben. Die junge Frau mit dem strahlenden Lächeln sitzt auf einem kleinen Plastikhocker an einem Imbiss und erzählt von ihrem Alltag. „Ich wohne gleich da hinten im Weingart,“ sagt sie. Das ist eine der großen Herbergen, die Wohnungslosen auf der Skid Row Übergangszimmer, Essen und Duschen zur Verfügung stellen. „Ich mag es da, die Angestellten sind nett.“ Robbins erzählt ein wenig aus ihrem Leben, ihrer Zeit beim amerikanischen Militär, und, dass sie bereits in 49 der 51 Bundesstaaten war. Für den Stress der Streetworker und Stadtangestellten, mit denen sie zu tun hat, zeigt sie Verständnis. „Ich habe selber soziale Arbeit studiert, ich kenne also beide Seiten ein bisschen.“ Vom Elend der Skid Row ist Robbins nichts anzusehen, sie trägt saubere Kleidung und scheint unbeirrt vom Treiben um sie herum.

Gefragt, ob sie sich Sorgen um ihre Sicherheit auf der Skid Row mache, schüttelt sie energisch den Kopf. „Ich vertraue auf meinen Menschenverstand,“ sagt sie. „Wenn ich mich in einer Situation unwohl fühle, dann versuche ich einfach auf mein Bauchgefühl zu hören.“ Für Robbins ist zudem der christliche Glaube ein wichtiger Anker. „Ich glaube, ich werde durch Gott beschützt,“ sagt sie. „Mein Leben gehört mir sowieso nicht, und das gibt mir Kraft und nimmt mir ein wenig von der Angst.“ Bevor sie nach Los Angeles kam, war Robbins länger in Austin, Texas. Die Einrichtung, in der sie dort gelebt hat, habe ihr überhaupt nicht gefallen. Während ihrer Zeit hat sie mehrere Schießereien sowie einen Mord miterlebt, direkt vor ihrem Fenster. Durch ein Fernstudium bei der christilch-konservativen Liberty University macht Robbins nun ihren Master, größtenteils über ihr Handy und den Computerraum der nahegelegenen Stadtbücherei. „Ich versuche gerade, mit dem Wohnungsamt zusammenzuarbeiten, um hoffentlich eine längerfristige Lösung zu finden“, sagt sie lächelnd. Sie könnte sich vorstellen, später einmal ins Ausland zu gehen, um dort Englisch zu unterrichten, aber das sei alles noch nicht entschieden.

In Kalifornien, dem wirtschaftlich stärksten Bundesstaat der USA, ist die Wohnungslosigkeit besonders hoch. Rund 115.000 Menschen haben hier keine feste Bleibe, fast jeder dritte Mensch ohne Wohnsitz lebt in dem großen Staat am Pazifik. Das hängt auch mit den immensen Lebenskosten zusammen, eine Einraumwohnung in Los Angeles kostet rund 2.000 US Dollar Miete im Monat. Eine, die sich diesem schwierigen Thema annehmen will, ist Karen Bass. Sie wurde im letzten November zur Bürgermeisterin von Los Angeles gewählt. Mit dem Versprechen, durch umfangreiche Investitionen die grassierende Wohnungslosigkeit in der Stadt zu bekämpfen, hat sie Wahlkampf gemacht. 1,3 Milliarden Dollar sollen in den nächsten Jahren fließen, um temporären und festen Wohnraum zu schaffen. Kürzlich hat Bass bekanntgegeben, dass rund 14.000 Menschen seit ihrem Amtsantritt ein Zuhause finden konnten. Mindestens 50.000 bleiben damit im Bezirk Los Angeles noch auf der Straße.

Ein wesentlicher Dreh- und Angelpunkt in der Skid Row ist die Midnight Mission (dt. „Mitternachts-Mission“) auf der San Pedro Street. Georgia Berkovich leitet die Öffentlichkeitsarbeit der sozialen Einrichtung. Gerade führt sie zu einer Wandtafel, an der die Geschichte der Midnight Mission erzählt wird. 1914 begann der Geschäftsmann Tom Liddecoat mit nächtlichen Essensausgaben. Sie waren für die damals noch vorwiegend männlichen und weißen Menschen gedacht, die mittellos in der Innenstadt von L.A. landeten. „Vor dem Essen mussten sie sich aber zunächst seine Predigten anhören“, sagt Berkovich über den Gründer. „Der Name entstand, weil es oft schon Mitternacht war, bis sie endlich essen durften.“ Auf der Wandtafel sind Fotos von Männern in Anzügen und Hüten zu sehen, die über ihr Essen gebeugt sind. In den 30er Jahren wurde die Organisation hinter der Midnight Mission säkular und versorgte tausende Menschen durch die Brachzeiten der großen Wirtschaftskrise. Während Berkovich erzählt, führt sie auf den kleinen Vorhof der Einrichtung und erklärt, warum dieser eigentlich zu jeder Tageszeit voll ist. „Bis vor Kurzem hatte die Midnight Mission hier die einzigen Toi­letten, die 24 Stunden am Tag verfügbar waren,“ sagt sie und schüttelt dabei ungläubig den Kopf. „Eine Toilette für 5.000 Menschen.“ Zudem verfügt der Vorhof über große Ventilatoren, die an heißen Sommertagen für etwas Abkühlung sorgen. Für kalte Nächte gibt es Heizstrahler, an denen sich die Menschen aufwärmen können. „Die Leute wollen nicht glauben, dass es in Kalifornien Kältetote gibt, aber das passiert hier regelmäßig“, sagt Berkovich. Allein im Jahr 2022 starben in Los Angeles 14 Menschen an den Folgen von Kälte.

Hinter den schmucklosen Betonmauern des Gebäudes verbirgt sich die Infrastruktur einer Kleinstadt. Berkovich führt durch die vielen Etagen, in einen Musikraum, zu einer Bücherei und einem kleinen Friseursalon. Im Erdgeschoss findet gerade die Essensausgabe für all jene statt, die derzeit in der Midnight Mission leben und an einem der Rehabilitationsprogramme teilnehmen. „Jede Stadt in den USA hat eine eigene Skid Row,“ sagt die Mitarbeiterin, während hinterher Menschen in die Kantine strömen, um sich Salat, Kartoffeln und Fleisch auf ihre Tabletts geben zu lassen. Für sie ist das Ende der Obdachlosigkeit in Los Angeles das endgültige Ziel ihrer Einrichtung. „Wir versuchen uns seit dem Jahr 1914 die eigene Existenzgrundlage zu nehmen,“ sagt Berkovich über den Kampf gegen Wohnungslosigkeit, „aber ehrlich gesagt wird es immer schlimmer.“

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DL – Tagesticker 28.06.2023

Erstellt von DL-Redaktion am 28. Juni 2023

Direkt eingeflogen mit unseren Hubschrappschrap

Heute in der Leseauswahl des „Bengels“:  – . –  1.) Die Grünen als neuer Hauptgegner: Friedrich Merz wird offensiv  – . –  2.) Ampel räumt offene Konflikte aus  – . –    3.) Deutsche Soldaten in Litauen: Ankündigung mit Tücken – . –  4.) Tod im Titanic-U-Boot: Besser sind wir auch nicht  – . –  5.) Nato bereit zur Verteidigung gegen Bedrohung aus „Moskau oder Minsk“  – . –   DL wünscht allen Leser-Innen einen schönen Tag und gute Unterhaltung.

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Es war noch nie vom Vorteil für eine Partei, immer wieder mit den gleichen ewigen Verlierern als Spitzenkandidat aufzutreten ! Merz müsste das alte Westfälische Sprichwort als Sauerländer im Hinterkopf haben, welches besagt: „Aus einen Nachtpott kann niemand einen Bräter machen, er verliert seinen Geruch nie.“ So wird es auch wohl der CDU ergehen, wenn Merz jetzt die Tür für einen Zusammenschluss mit der AFD, als Koalition nach den Wahlen aufreißt.

Nach dem Sieg der AfD bei einer Landratswahl will der CDU-Chef sich stärker um Ostdeutschland kümmern – und die Grünen angreifen. Parteifreund und Ministerpräsident Daniel Günther sieht das anders, die Attackierten sind entsetzt.

1.) Die Grünen als neuer Hauptgegner: Friedrich Merz wird offensiv

Es wehte eine steife Brise, als der alte Mann an das Meer kam. Oder sollte sich an der abschätzigen Einstufung des Gastes etwas geändert haben? Der schleswig-holsteinische Ministerpräsident Daniel Günther hatte Friedrich Merz vor einiger Zeit den «älteren Herren» zugeordnet, die nur deshalb gegen die damalige Parteivorsitzende Angela Merkel stänkerten, weil ihre Zeit abgelaufen sei und sich ihre Karriereziele nicht erfüllt hätten. Stärker kann man einen Parteifreund nicht attackieren. An diesem Montag bemühten sich die beiden Antipoden um gute Stimmung bei stürmischem Wetter und verbargen doch ihre Differenzen nicht – zumal Merz eine klare Botschaft nach Kiel mitgebracht hatte: Die CDU müsse «die Auseinandersetzung auch und vor allem gegen die Grünen jetzt intensivieren», denn die Grünen seien «diejenigen, die grosse Teile der Bevölkerung gegen sich aufbringen». Nicht immer schon nach links schielen Natürlich weiss Merz, dass Daniel Günther in Schleswig-Holstein ebenso wie Ministerpräsident Hendrik Wüst in Nordrhein-Westfalen mit den Grünen eine Koalition bildet. Darum will er die Auseinandersetzung ausdrücklich «in Berlin» führen. Die Landespolitik, fügte er hinzu, habe andere Themen.

NZZ-online

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Die Dauerschläfer weckt man nicht, selbst wenn das ganze Land zerbricht. Oder wird jetzt auch innerhalb der Regierung der berühmte Hammelsprung eingeführt ? Vielleicht werden so die heimlichen Konflikte ausgeräumt ?

Kurz vor der Sommerpause – Die Koalition erzielt beim Heizungsgesetz einen Durchbruch und einigt sich auch im Haushaltsstreit. Wie viel die Kindergrundsicherung kosten darf, wird aber ausgeklammert.

2.) Ampel räumt offene Konflikte aus

Nach monatelangen, zum Teil erbitterten Streitigkeiten kann die Ampelkoalition aus SPD, Grünen und FDP ohne offene Großkonflikte in die parlamentarische Sommerpause gehen. Beigelegt wurde nach SZ-Informationen am Dienstag der Streit über den Haushalt für das kommende Jahr. Damit können das Budget 2024 und die Finanzplanung für die kommenden Jahre doch noch wie geplant am 5. Juli vom Kabinett beschlossen werden – dem letztmöglichen Termin vor der parlamentarischen Sommerpause. Außerdem gelang den Ampelfraktionen ein Durchbruch in den Verhandlungen über das umstrittene Heizungsgesetz. Alle Konfliktpunkte rund um den Haushalt seien geklärt worden, hieß es aus Regierungskreisen. Aufgelöst sei auch die letzte verbliebene Blockade, der Streit über die Kindergrundsicherung. Man sei sich einig, dass dieser jetzt nicht entschieden werde. Nach SZ-Informationen hatte zuletzt nur noch der Konflikt wegen des Finanzrahmens für die geplante Kindergrundsicherung einer Einigung im Weg gestanden. Familienministerin Lisa Paus (Grüne) wollte für das Vorhaben zwölf Milliarden Euro jährlich in die Finanzplanung schreiben lassen, Finanzminister Christian Lindner (FDP) lehnt diese Summe ab. Die Kindergrundsicherung soll 2025 in Kraft treten, ist also für den Haushalt 2024 noch nicht relevant – für die mittelfristige Finanzplanung aber schon.

Süddeutsche-online

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Endlich hat die SPD jemanden gefunden, welcher der ganzen Welt seine kalte Hundeschnauze der Deutschen wieder zeigt. Mut Hurra und Fahne wird nun der NATO gezeigt wie blinde Eiferer in Litauen kämpfen können. Nach vielen Jahren der kriegerischen Abstinenz dürfen Deutsch endlich wieder im gleichen Schritt und Tritt marschieren. Schon von Morgen an werden wohl in der SPD Zentrale die neu ausgedruckten James Bond Lizenzen zum Töten vergeben. Die Eva hält schon den Apfel mit Uniform parat.

Verteidigungsminister Pistorius will 4.000 Sol­da­t:in­nen dauerhaft in Litauen stationieren. Die Umsetzung wird dauern.

3.) Deutsche Soldaten in Litauen:Ankündigung mit Tücken

Nach rund eineinhalb Jahren Krieg zeigte sich an diesem Wochenende, wie schnell sich die Eskalationsspirale drehen kann. Mit dem abgebrochenen Wagner-Aufstand in Russland und der Ankündigung, dass der Chef der Söldner-Gruppe, Prigoschin nach Belarus ins Exil gehen könnte, stieg die Nervosität – insbesondere in den baltischen Staaten. Die Hauptstadt Litauens, Vilnius, ist nur rund 50 Kilometer von der belarussischen Grenze entfernt. So traf Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) mit seiner Ankündigung, rund 4.000 Sol­da­t:in­nen in Litauen dauerhaft stationieren zu wollen, um die Nato-Ostflanke zu stärken, einen schmerzhaften Nerv der Zeit. Eva Högl (SPD), Wehrbeauftragte des Bundestages, sprach von einem starken Signal an die Nato. „Für Litauen ist der Schritt eine sehr wichtige Perspektive, denn das Land ist durch die geografische Lage ganz anderen Herausforderungen im Bündnisgebiet der Nato ausgesetzt“, sagte Högl der taz. Mit der Bereitschaft eine „robuste Brigade“ aufzubauen, will Pistorius erfüllen, was die litauische Regierung seit Jahren fordert. Als Russland 2014 die Krim annektierte, gab es immer wieder Anfragen an die Nato, für mehr Schutz im Baltikum zu sorgen. Nach Angaben des Bundeswehrverbands trainieren derzeit 720 Sol­da­t:in­nen der Bundeswehr bei der Enhanced Forward Presence (EFP)-Kampfgruppe in Rukla. Zweimal im Jahr werden die deutschen Einsatzkräfte ausgetauscht. Auch Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hatte bereits vor einem Jahr zugesagt, dass das deutsche Truppenkontingent aufgestockt werden soll.

TAZ-online

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Wird es nicht immer diese vor überheblicher Arroganz strotzenden Maulhelden geben, welche sich das Geld erschleichen konnten, um solche Experimente durchzuführen? Selbst in der Politik kommt kein Großmaul für die Schäden auf, welche er in der Gesellschaft hinterlässt.

Ein U-Boot wollte zur Titanic. Jetzt liegen seine Trümmer mit ihr am Meeresgrund. Beide Male wurden Menschen Opfer ihrer gnadenlosen Selbstüberschätzung – aber es gibt noch mehr daraus zu lernen.

4.) Tod im Titanic-U-Boot: Besser sind wir auch nicht

Im Jahr 1935 schrieb Kurt Tucholsky einen Brief an uns. Im „Gruß nach vorn“ geht es um die Arroganz des modernen Menschen gegenüber Zeitgenossen vergangener Epochen. Statt zurückzublicken, richtet Tucholsky das Wort fünfzig Jahre in die Zukunft. „Wir verstehen einander gar nicht. Ich bin wohl zu klein; meine Zeit steht mir bis zum Halse“, schreibt der Satiriker. „Ich kann nicht einmal über die Köpfe meiner Zeitgenossen hinweg ein erhabenes Gespräch mit dir führen, so nach der Melodie: wir beide verstehen uns schon, denn du bist ein Fortgeschrittener, gleich mir. Ach, mein Lieber: auch du bist ein Zeitgenosse.“ Fürs tägliche Leben hätten wir sicher „dreihundert nichtige Maschinen mehr“ als er, und die großen Fragen würden wir trotzdem nicht lösen. Ein prophetischer Text – in diesen Tagen wohl mehr als je zuvor. „Ein experimentelles Tauchboot, das von keiner offiziellen Stelle genehmigt oder zertifiziert ist und physische Verletzungen, Behinderungen, emotionales Trauma oder Lebensgefahr verursachen kann“, liest Reporter David Pague in der US-amerikanischen Sendung CBS Sunday Morning vor. Dann grinst er. „Wo muss ich unterschreiben?“ Im Interview sitzt ihm Stockton Rush gegenüber. Der Gründer und CEO der Extremtourismus-Firma OceanGate ist ein smarter, athletischer Typ, der zehn Jahre jünger aussieht, als er ist. Trotz der grauen Haare. Eine Mischung aus Bill Clinton und Elon Musk. Stolz zeigt er Pague besagtes Boot, seine „Titan“, demonstriert ihren einzigen Knopf, die Einzelteile vom Camping-Ausstatter, den Videospielcontroller zum Steuern. Sechs Monate später geht der Clip viral. Da ist Stockton Rush schon tot. Zerquetscht von unvorstellbaren Wassermassen. So schnell, urteilen Experten, dass wohl weder er noch einer der vier weiteren Insassen etwas mitbekommen haben, bevor die Wände des „experimentellen“ Tauchboots kollabierten.

Freitag-online

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Ein kriegerischer Vorläufer reicht in dieser ach so verrückten Welt nicht mehr aus, um das Feuer anzuzünden. Jetzt zeigt die NATO einmal mehr, auf sich als größter Brandstifter hin, anstatt taktisch klug auch einmal den Mund zu halten:

Nato-Chef Stoltenberg betont bei einem Treffen in Den Haag, „jeden Zentimeter Nato-Territorium zu schützen“ – besonders die Mitgliedsstaaten an den Grenzen zu Russland und Belarus.

5.) Nato bereit zur Verteidigung gegen Bedrohung aus „Moskau oder Minsk“

 Zur Vorbereitung auf den Nato-Gipfel im Juli, fand am Dienstag ein informelles Treffen von einigen Nato-Mitgliedern in Den Haag statt, bei dem auch Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg sowie der niederländische Ministerpräsident Mark Rutte teilnahmen. Nachdem der Aufstand der Söldnergruppe Wagner eskaliert war, ging es bei dem Treffen auch um Sicherheitsbedenken und den Schutz der Mitgliedsstaaten. Stoltenberg: Nato bereit zur Verteidigung gegen Bedrohung aus „Moskau und Minsk“. Nato-Chef Jens Stoltenberg betonte, dass man Russland nach den Ereignissen am Wochenende nicht unterschätzen dürfe. „Absolut klar ist, dass wir eine klare Botschaft an Moskau und an Minsk geschickt haben, dass die Nato da ist, um jeden Verbündeten und jeden Zentimeter Nato-Territorium zu schützen“, sagte er. Es gebe „keinen Raum für Missverständnisse in Moskau oder Minsk über unsere Fähigkeit, Verbündete gegen jede potenzielle Bedrohung zu verteidigen, und das gilt unabhängig davon, was man über die Bewegungen der Wagner-Truppen denkt“, so Stoltenberg.

FR-online

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Den Morgengruß an gleicher Stelle – schreibt jeden Tag
„Der freche Bengel“

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Anregungen nehmen wir gerne entgegen

Wir erhalten in letzter Zeit viele Mails mit Texten zwecks Veröffentlichung – Um diese zu verbreiten  sollten Sie sich aber erst einmal vorstellen und zeigen mit wem wir es zu tun haben.  Danke !

Treu unserem Motto: Es gibt keine schlechte Presse, sondern nur unkritische Leser

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