Guatemala: Failed State
Erstellt von DL-Redaktion am 26. Juni 2023
Am 25. Juni wurde in Guatemala gewählt.
Menschenrechte – davon hat auch in Europa kaum jemand etwas von gehört.
Ein Debattenbeitrag von Knut Henkel
Doch das Land wird von einer korrupten Elite kontrolliert. Daran sind die USA und die EU nicht unbeteiligt. Die letzte unabhängige Bastion der Demokratie war die Ombudsstelle für Menschenrechte.
Ganze 40 Jahre Haft für den Gründer und ehemaligen Direktor der kritischen Tageszeitung elPeriódico hat Guatemalas Staatsanwaltschaft am 30. Mai gefordert. Geldwäsche, Korruption und Erpressung werden dem 66-jährigen José Rubén Zamora vorgeworfen – belastbare Beweise: Fehlanzeige.
Der Fall ist der jüngste in einer langen Kette von Strafprozessen, die dazu dienen, diejenigen hinter Gitter zu bringen oder außer Landes zu drängen, die für ein anderes Guatemala stehen. José Rubén Zamora ist ohne jeden Zweifel so einer. Der hagere Mann mit dem zurückgekämmten Haar hat sich sein ganzes Leben lang für ein kritisches Mediensystem in Guatemala engagiert. Nun droht ihm, für Jahre weggesperrt zu werden – wie so vielen anderen auch.
Guatemala, das größte Land Mittelamerikas, dass hierzulande vielen für guten Kaffee, die Ruinen der Maya-Hochkultur und wenigen für den überaus blutigen Bürgerkrieg (1960–1996) bekannt ist, schmiert ab. In gerade acht Jahren ist das Land, das im September 2015 noch als Hoffnung für einen „mittelamerikanischen Frühling“ galt, zu einem autoritären Regime mutiert. Die Präsidentschaftswahlen vom Sonntag, 25. Juni, sind dafür das beste Beispiel, denn erstmals wurde ganz offen manipuliert: nicht an der Urne und während der Stimmauszählung, sondern schon davor.
Indigene Kandidatin vorab ausgeschlossen
Schon vor der Wahl spielten sich zwei Gerichte, das Oberste Wahlgericht und das Verfassungsgericht, die Bälle zu: Drei Kandidat:innen, darunter die aussichtsreiche indigene Kandidatin Thelma Cabrera, waren von beiden Gerichten unter dubiosen Begründungen von den Wahlen ausgeschlossen worden. Mit Edmond Mulet wartete am Ende ein vierter Kandidat auf sein endgültiges Urteil von der höchsten juristischen Instanz des Landes. Vieles deutete darauf hin, dass auch der ehemalige UN-Diplomat seine politischen Ambitionen beerdigen muss.
Thelma Cabrera.
Alles andere wäre eine Überraschung, denn viele der 17 Millionen Guatemaltek:innen wissen, dass Richter und Richterinnen in Schlüsselpositionen in Guatemala mittlerweile handverlesen sind. Dafür sorgt ein intransparentes Nominierungssystem, das schon vor Jahren hätte reformiert werden sollen. Nun befindet es sich in den Händen einer korrupten und überaus mächtigen Allianz: des Pakts der Korrupten.
So wird das Bündnis aus Militärs, einflussreichen Unternehmerfamilien, korrupten Politikern und der organisierten Kriminalität genannt, das sich ab 2015 langsam reorganisierte und peu à peu die Institutionen übernahm. Die Justiz war zwischen 2007 und 2015 zu einem immer unbequemeren und unkalkulierbaren Faktor geworden.
Das hatte seinen Grund, denn seit dem Dezember 2006 war die UN-Kommission gegen Straflosigkeit in Guatemala (Cicig) im Einsatz und sorgte dafür, dass sich die Strukturen im Justizsektor spürbar änderten. Richter:innen, die die Hand aufhielten, wurden vor die Tür gesetzt, neue Gerichtshöfe eingerichtet. All das sorgte 2015 für eine demokratische Zäsur: den unfreiwilligen Rücktritt von Präsident Otto Pérez Molina.
Der ehemalige General des militärischen Geheimdiensts verlor, nachdem die Ermittlungsbehörden ordnerweise Beweise für Korruption ins Parlament gekarrt hatten, am 1. September 2015 seine Immunität. Am nächsten Tag trat er zurück, und 150.000 Menschen feierten vor dem Nationalpalast die für Guatemala vollkommen ungewohnte Sternstunde der Demokratie. Selbst Experten wie der Menschenrechtsanwalt Edgar Pérez witterten Morgenluft und sahen ein Land auf der Kippe: zwischen Demokratie und dem Rückfall in autoritäre Strukturen.
Zwei Jahre später, im Sommer 2017, sorgte Präsident Jimmy Morales für eine Zäsur: er attackierte die international hochgelobte UN-Kommission Cicig. Zentraler Grund für die Attacken aus dem Präsidentenpalast war die Tatsache, dass die Cicig nicht nur gegen einen Sohn und den Bruder des Präsidenten, sondern auch gegen Morales selbst wegen illegaler Wahlkampffinanzierung ermittelte.
An den Parallelstrukturen gescheitert
Das war zu viel für den korrupten Präsidenten, der für eine mit ehemaligen Militärs durchsetze national-konservative Partei angetreten war. Erst erklärte er den damaligen Direktor der Cicig, den kolumbianischen Richter und heutigen kolumbianischen Verteidigungsminister Iván Velásquez, zur unerwünschten Person und entzog dann der Cicig im September 2019 ihr Mandat.
Quelle : TAZ-online >>>>> weiterlesen
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