DEMOKRATISCH – LINKS

                      KRITISCHE INTERNET-ZEITUNG

RENTENANGST

Archiv für Mai 20th, 2023

König ohne Land

Erstellt von DL-Redaktion am 20. Mai 2023

Nach der Rentenreform: Emmanuel Macron ist zunehmend entrückt. 

Von Harriet Wolff

Es ist ein Symptom dafür, dass die Machtfülle des französischen Präsidenten völlig aus der Zeit gefallen ist. So rigoros Teile Frankreichs die präsidentielle Machtfülle infrage stellen, so wenig Kompromissbereitschaft zeigt sich bislang.

Der französische Staatspräsident ist ein Getriebener, einer, der immer glänzen will, auch wenn es nichts zum Glänzen gibt. Aber vielleicht hilft ja diesmal beten. Gut möglich, dass Emmanuel Macron, der sich mit zwölf Jahren römisch-katholisch taufen ließ, das tat, als er Mitte April die Baustelle der 2019 fast abgebrannten Pariser Kathedrale Notre-Dame besuchte. Am selben Tag noch unterzeichnete er das höchst umstrittene neue Rentengesetz: 

Schrittweise steigt das gesetzliche Rentenalter in den meisten Fällen damit von 62 auf 64 Jahre. Die Beitragsjahre für eine volle Rente steigen auf 43. Das System sei nur so „überlebensfähig“, sagt ­Macron. Millionen in Frankreich haben, teils auch gewalttätig von ­Demonstranten- wie von ­Polizeiseite aus, an bis jetzt 13 landesweiten Streiktagen seit Jahresbeginn gegen die Reform protestiert. Auch viele nicht gewerkschaftlich organisierte Menschen sind dabei.

Der rechtsextreme Rassemblement National (RN) wettert im Parlament gegen die Rentenreform, will es sich aber nicht mit seinen vielen Wäh­le­r:in­nen in der Polizei verderben, die die Demos begleiten müssen. Außerdem ist er dort verständlicherweise nicht erwünscht.
 Anfang Juni soll ein weiterer großer Demotag folgen – zwei Tage bevor eine kleine Fraktion in der Nationalversammlung versuchen wird, das Gesetz doch noch per Abstimmung zu kippen. Eine Aussicht, die der Regierung unter Premierministerin Élisabeth Borne sowie Macron natürlich nicht schmeckt – auch wenn als sicher gilt, dass der konservativere Senat erneut gegen eine Reformaussetzung ist. 
Im März überstand Bornes Regierung zwei Misstrauensanträge. Zuvor hatte die 62-Jährige einen Ver­fah­rens­kniff angewendet – sie umging mit Artikel 49.3 eine Parlamentsabstimmung zur Reform und beschloss so das höhere Rentenalter. Was die meisten ihrer Landsleute seitdem noch stärker gegen sie, aber vor allem gegen Macron aufbringt. Denn klar war, dass Macron qua seiner Machtfülle die Premierministerin dazu gedrängt hatte, autoritär und kompromisslos vorzugehen. Danach segnete auch der Verfassungsrat die Reform ab und verwarf schließlich Anträge auf Volksabstimmungen in der Sache. Nur bedingt vergleichbar mit dem Bundesverfassungsgericht, ist der ­Conseil ­constitutionnel stark politisch geprägt. Staats-, Nationalversammlungs- und Senatspräsidenten ernennen die Mitglieder.


Macron lässt Première Borne, seit einem Jahr im Amt, Mitglied von Macrons eigener Partei Renaissance und eine gestandene Verwaltungsexpertin, regelmäßig im Regen stehen – durch seine Art des alles an sich Reißenden. Gestaltungsspielräume erlaubt er in diesen verfahrenen Zeiten nicht. Funfact am Rande: Vor Weihnachten verkündete der Präsident höchstselbst, dass Kondome für junge Leute bis 25 Jahre ab sofort gratis seien. Tja, wozu hat man ein Gesundheitsministerium? Der Präsident, der 2017 mit dem Motto antrat, einer für alle zu sein, einer, der auf keinen Fall vertikal durchregiert (was man ihm damals schon nicht abnahm), macht momentan als rastloser Pseudoheilsbringer Stippvisiten quer durch Frankreich. Fast schon wäre der im Grunde Dia­log­un­fä­hig­e ein Grund zum Lachen – wäre die Lage in und außerhalb Frankreichs eben politisch nicht so kompliziert. Da helfen auch keine simplifizierenden „100 Tage“, die er nach seiner durchgepeitschten Rentenreform ausrief zur „Wiederbelebung“ Frankreichs bis zum 14. Juli. Und da wird es auch keine schwammige „Reformagenda“ richten.

Gelang es Macron nach den Gelbwestenprotesten durch seine Erfindung einer, letztlich rein symbolisch gebliebenen, nationalen „großen Debatte“, 2019 kurzfristig wieder Oberwasser zu bekommen und zumindest seine Fanbasis zu konsolidieren, so nimmt ihm echtes Interesse an seinen Landsleuten diesmal niemand mehr ab. Zunehmend kommt auch Kritik aus der eigenen Partei. So meinte kürzlich der Abgeordnete Ludovic ­Mendes in Le Monde, dass man sich intern eine kritische Debatte verbiete, „obwohl wir doch keine Ideen mehr haben und die Mitstreiter verlieren“.

Gut möglich, dass sich Renaissance darob vor den Wahlen 2027 auflöst – Macron darf qua Verfassung kein drittes Mal antreten. Präsidentschafts­ambitionen haben wohl unter anderen der Ex-Premier und heutige Bürgermeister von Le Havre Édouard Philippe und der seit 2017 amtierende Finanzminister Bruno Le Maire. Wer von den konservativen und tief zerstrittenen Republikanern einst ins Rennen ziehen wird? Nicolas Sarkozy sicher nicht; er wurde gerade wieder zu einer Gefängnisstrafe verurteilt, gegen die er noch einmal Berufung einlegt. Die früher mächtigen Sozialisten dümpeln richtungslos im linken interfrak­tio­nellen Sammelbecken NUPES vor sich hin, ähnlich wie EELV, die französischen Grünen. Und die Götterdämmerung von Jean-Luc Mélenchon, der als linker, volkstribunartiger Kandidat von La France insoumise nur knapp die Stichwahl 2022 verpasste, die hat parteiintern zum Glück definitiv begonnen.

Frankreich, dessen Wirtschaft trotz allem im Aufwind ist, ist spürbar in einer politischen, einer sozialen Krise. Und diesem Präsidenten, der anders als hierzulande mit kolossaler Wirkungs- und Gestaltungsmacht ausgestattet ist und eigentlich die Nation befrieden müsste, fällt nichts Besseres ein, als jüngst in einem Bür­ge­r:in­nen­in­ter­view erneut seinen polemischen Satz: „Arbeit findet man, man muss nur über die Straße gehen“, zu bekräftigen.

Hier unterscheiden sich alle Politiker-innen nicht – sie sind zu faul auch nur einen Finger zu krümmen.

Die Krise ist vielschichtig: Sie ist unter anderem eng verbunden mit Macrons Hybris. Die goutiert die Gesellschaft, konkret das wachsende Prekariat und die abstiegsgefährdete Mittelschicht, auf Dauer nicht – Macron dringt außerhalb seiner bröckelnden Stammwählerschaft (knapp 25 Prozent der Französ:innen, davon viele über 65 Jahre) nicht mehr durch. Er scheint vergessen zu haben, dass ihm seine Wiederwahl in erster Linie nicht gelang, weil man ihn so fähig fand, sondern nur, weil zumindest 2022 noch gerade so der Abwehrreflex gegen einen Sieg Marine Le Pens vom rechts­ex­tre­men RN funktionierte. Le Pen wird wohl zum vierten Mal 2027 kandidieren. Momentan liegt ihre Partei, die derzeit 88 von 577 Parlamentssitzen innehat, beunruhigend stark im Aufwind. Sie präsentiert sich, auch durch das smarte Auftreten ihres neuen 27-jährigen Vorsitzenden Jordan Bardella, geschickt im Schatten der aktuellen Proteste und gibt sich als Hüterin des vermeintlich guten alten Frankreichs. Ihr sozialer Anstrich kaschiert die rechtsextremen Positionen etwa zu Migration oder Kriminalität.

Frankreichs Krise ist aber auch eine des politischen, stark zentralistischen Systems. Viele Menschen stellen sich dort die drängende Frage, ob die Verfasstheit der sogenannten Fünften Republik noch zeitgemäß ist und modernen Anforderungen an eine Demokratie genügt. Diese Fran­zö­s:in­nen haben recht. Der Präsident hat zu viel Macht, das Parlament und die Regierung zu wenig. Die Fünfte Republik, die mittlerweile 65 Jahre auf dem Buckel hat, sollte perspektivisch abgelöst werden – von einer Sechsten Republik, erdacht von einer paritätisch besetzten Verfassungsversammlung, die den Kompromiss, die Koalitionenbildung und ein Verhältniswahlrecht fördert. Diese Debatte wird zumindest im linken Meinungsspektrum geführt.

Doch Achtung, Politik und soziale Ak­teu­r:in­nen fremdeln in Frankreich oft heftig mit dem Wesen von Kompromissen – ein Fakt, der im hinkenden Vergleich des deutschen Regierungs- und Sozialstaatssystems mit dem französischen beachtet gehört. Soll polemisch heißen: So rigoros Teile Frankreichs etwa die präsidentielle Machtfülle infrage stellen, so wenig Kompromissbereitschaft zeigt sich bislang letztlich in der DNA Frankreichs. Hierarchisches Denken ist schlicht noch stark verankert.

Quelle         :           TAZ-online          >>>>>         weiterlesen

*********************************************************

Grafikquellen     :

Oben           —     Manifestation contre la réforme des retraites 2023 à Paris le 11 février. Affiche.

Abgelegt unter Europa, Gewerkschaften, Positionen, Regierung | Keine Kommentare »

Grundrechte-Report 2023:

Erstellt von DL-Redaktion am 20. Mai 2023

Zentralisierte Gesundheitsdaten

undefined

Quelle          :        Netzpolitik ORG.

, von Rainer Rehak

Im Rahmen der seit Jahrzehnten andauernden Digitalisierung der Gesellschaft werden stetig neue Sachbereiche daraufhin abgeklopft, wie die vorliegenden Daten nutz- und gewinnbringend ausgewertet werden können. Die Gesundheitsdaten der deutschen Bevölkerung sind da keine Ausnahme.

Unter der Ägide des damaligen Gesundheitsministers Jens Spahn beschloss der Deutsche Bundestag im Dezember 2019 das sogenannte Digitale-Versorgung-Gesetz (DVG). Auf dessen Grundlage wurden die Gesundheitsdaten aller 73 Millionen gesetzlich Versicherten im sogenannten Datentransparenzverfahren (DTV) seit Oktober 2022 zusammengeführt und zentral gespeichert. Begründet wurde das Vorhaben damit, dass dadurch neue Möglichkeiten für die medizinische Forschung, die Versorgungsforschung, die Gesundheitsberichterstattung und die Steuerung des Gesundheitswesens entstehen sollen.

Auch wenn dies berechtigte Anliegen sind, dürfen die Grundrechte der Betroffenen bei der Umsetzung nicht auf der Strecke bleiben: Bei der Verarbeitung hochsensibler Gesundheitsdaten von Millionen Versicherten braucht es angemessene Schutzstandards und Widerspruchsrechte, beides fehlt im DVG.

Zentrale Speicherung birgt unnötige Risiken

Die Datentransparenzverordnung vom 26. Juni 2020 sieht vor, dass spätestens am 1. Oktober 2022 alle Versichertendaten von den gesetzlichen Krankenkassen zur Datensammelstelle, dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen (BdK), fließen sollten. Zu jeder Person werden u. a. folgende Gesundheitsdaten als zusammenhängender Datensatz verarbeitet: Diagnosen, Behandlungen, Operationen, Arzneimittel, Zuzahlungen, Krankengeld-Informationen und viele andere Kosten- und Leistungsdaten sowie Geburtsjahr, Geschlecht und Postleitzahl.

Für die beschriebenen Zwecke, insbesondere die medizinische Forschung, würde es genügen, wenn die Daten dezentral gespeichert und nur projektbezogen temporär zusammengeführt würden. Stattdessen werden die Gesundheitsdaten aller Versicherten nun zusätzlich zur Speicherung bei den Krankenversicherungen in einer zentralen Datenbank vollständig, gemeinsam und bis zu 30 Jahre lang vorgehalten.

Eine solche zusätzliche zentrale Speicherung erhöht die Risiken eines Datenmissbrauchs oder eines unbefugten Datenzugriffs. Ein erfolgreicher Angriff oder eine Fehlbenutzung betreffen in einem zentralen System zudem potenziell schnell alle Daten und können verheerende Folgen haben für die Versicherten (Identifikation, Stigmatisierung und Arbeitsplatzverlust nach Veröffentlichung, Verletzung der Selbstbestimmung) und auch für den Betreiber (Haftungsansprüche). Zudem bedeutet eine unnötige Datenzentralisierung immer eine unverhältnismäßige staatliche Machtkonzentration, denn liegen die Daten einmal vor, können sie schnell auch für andere Zwecke verwendet werden, etwa für individualisierte Versicherungstarife oder gar zur Strafverfolgung.

Aus dem im Grundgesetz verankerten Recht auf informationelle Selbstbestimmung und aus dem Grundrecht auf Datenschutz in Artikel 8 der EU-Grundrechtecharta ergibt sich die staatliche Schutzpflicht, Menschen bei der Verarbeitung sensibler Daten adäquat vor negativen Folgen zu schützen. Auch die EU-Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) sieht einen hohen Schutzbedarf bei Gesundheitsdaten vor. Für die IT-Sicherheit gilt die Faustregel, dass sich erfolgreiche Sicherheit dadurch auszeichnet, dass der Aufwand eines Einbruchs größer ist als der vermutete Wert. Die umfangreiche Speicherung und das dauerhafte Vorhalten der Gesundheitsdaten einer ganzen Bevölkerung würde es nach dieser Faustregel nicht geben. Sie stellt ein lohnendes Angriffsziel dar und erhöht die dafür nötigen Sicherheitsvorkehrungen daher immens.

Fragwürdige Pseudonymisierung

Eine der wesentlichen Schutzvorkehrungen des Verfahrens ist die Pseudonymisierung der Datensätze. Konkrete Namen werden im Zusammenführungsprozess durch dauerhafte Pseudonyme ersetzt. Das Robert Koch-Institut tritt dabei als Vertrauensstelle auf und verwaltet die vom BdK genutzten Lieferpseudonyme, Arbeitsnummern und dauerhaften Pseudonyme. Nach der Pseudonymisierung fließen die Daten dann vom BdK zum Forschungsdatenzentrum (FDZ), das beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) angesiedelt ist, wo die eigentliche zweckmäßige Datenverarbeitung vorgenommen werden kann.

Die Pseudonymisierung – Namensverschleierung – soll verhindern, dass konkrete Personen aus den Datensätzen re-identifiziert werden können. Sehr detaillierte Datensätze sind jedoch schwer sinnvoll durch Namensersetzung zu maskieren, weil Menschen im Detail doch sehr individuelle Biographien haben. Zudem sind gerade die zusammenhängenden individuellen Krankengeschichten und Sachhergänge für die medizinische Forschung relevant – dies gilt umso mehr bei seltenen Diagnosen und Krankheiten. Dabei genügen dann die Postleitzahl und das Krankenbild für eine Identifikation der Person. Inwiefern auswertbare Gesundheitsdaten überhaupt sinnvoll pseudonymisierbar sind, ist somit hochgradig fragwürdig.

Unklare Zweckbestimmung und keine Widerspruchsmöglichkeit

Aus Datenschutzsicht steht vor allen Datenverarbeitungsverfahren die Zweckfrage, also die Frage danach, welches Problem das Verfahren lösen soll. Datenschutzrechtlich muss der Zweck konkret, festgelegt und eindeutig sein. Je nach Zweck ergeben sich daraus die nötigen Verfahren, Risikoabwägungen und Schutzvorkehrungen.

Im vorliegenden Fall wird als Zweck die Verbesserung der medizinischen Forschung, der Versorgungsforschung, der Gesundheitsberichterstattung und der Steuerung des Gesundheitswesens angesehen. Dieses Zweckbündel wirkt weder festgelegt noch eindeutig und erschwert dadurch die Risikoabschätzung. Hier muss dringend nachgeschärft werden, um Beliebigkeit zu verhindern. Auch andere grundsätzliche Datenschutzfragen sind noch offen. Die Umsetzung von Auskunfts- und Korrekturrechten sind im aktuellen Modell technisch schwer bis gar nicht umsetzbar und ein Widerspruchsrecht ist explizit ausgeschlossen.

Das Digitale-Versorgung-Gesetz vor Gericht

Im Mai 2022 klagten die Informatikerin und Sprecherin des Chaos Computer Clubs, Constanze Kurz, und eine weitere Person mit Unterstützung der Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF) vor den Sozialgerichten Berlin und Frankfurt am Main gegen die zentrale Speicherung ihrer Gesundheitsdaten. Constanze Kurz befürchtet, dass die bestehenden konzeptionellen Sicherheitsmängel früher oder später zu einem gefährlichen Datenabgriff führen könnten. Der zweite Kläger hat eine seltene Krankheit und Sorge, trotz Pseudonymisierung seiner Daten leicht re-identifiziert zu werden. Im Oktober 2022 fand der erste Verhandlungstag in Berlin mit einer Anhörung von diversen Sachverständigen statt.

Im Kern sehen die zwei klagenden Personen also schwere und unnötige grundrechtliche Risiken beim aktuellen Datentransparenzverfahren, etwa die IT-Sicherheitsrisiken durch Zentralisierung, die unzureichende Pseudonymisierung, die unklare Zweckbestimmung und die fehlende Widerspruchsmöglichkeit.

Die beabsichtigten Ziele des Datentransparenzverfahrens – die Forschung mit Gesundheitsdaten – können auf verschiedenen technischen Wegen verfolgt werden. Die Informatik bietet dafür viele Gestaltungswerkzeuge, um Daten sicher und sinnvoll dezentral auszuwerten. In der aktuellen Ausgestaltung des DTV werden jedoch konkret Grundrechte missachtet für einen theoretischen zukünftigen Nutzen. Aber das müsste nicht so sein; die Auswertung könnte durchaus mit einer anderen Datenarchitektur und besseren Schutzmechanismen technisch grundrechtskompatibel ausgestaltet werden.

Abschließend bleibt die grundsätzliche Frage, ob das Datentransparenzverfahren angesichts seiner immensen Risiken für Grundrechtsverletzungen tatsächlich einen Beitrag zur besseren Gesundheitsversorgung leisten kann. Denn wenn die proklamiert missliche Gesundheitsdatenlage gar kein zentrales Nadelöhr der Gesundheitsversorgung wäre, so wäre das aktuelle Datentransparenzverfahren nicht nur aus Datenschutzsicht unverhältnismäßig, sondern auch ein weiterer Beleg dafür, wie sich politische Akteur*innen durch moderne Informationstechnik ablenken lassen von sozialpolitischen Problemen.

Rainer Rehak ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Weizenbaum-Institut für die vernetzte Gesellschaft (WZB) und Ko-Vorsitz des Forums InformatikerInnen für Frieden und gesellschaftliche Verantwortung (FIfF ). Der Beitrag erschien im Grundrechte-Report 2023. Der „alternative Verfassungsschutzbericht“ wird am 23. Mai im Haus der Demokratie und Menschenrechte in Berlin sowie im Livestream vorgestellt. Veröffentlichung mit freundlicher Genehmigung des Fischer Verlages. Alle Rechte vorbehalten.

Grundrechte-Report 2023. Herausgegeben von: Benjamin Derin, Rolf Gössner, Wiebke Judith, Sarah Lincoln, Rebecca Militz, Max Putzer, Britta Rabe, Rainer Rehak, Lea Welsch, Rosemarie Will ISBN: 978-3-596-70882-6. 224 Seiten. E-Book und Taschenbuch. S. Fischer Verlag.

Lizenz: Die von uns verfassten Inhalte stehen, soweit nicht anders vermerkt, unter der Lizenz Creative Commons BY-NC-SA 4.0.

*********************************************************

Grafikquellen     :

Oben           —     Muster einer Elektronischen Gesundheitskarte (Generation G1) der Gematik

Abgelegt unter Deutschland, Gesundheitspolitik, Politik und Netz, Positionen | Keine Kommentare »

LG – Karlsruhe Verfahren

Erstellt von DL-Redaktion am 20. Mai 2023

Eine Warnung vor voreiliger Entwarnung und eine (weitere) erfreuliche Neuigkeit

undefined

Quelle       :        Scharf  —  Links

Von       :        Detlef Georgia Schulze

Wie hier und anderer Stelle bereits mehrfach berichtet, ermittelte die Staatsanwaltschaft Karlsruhe gegen zwei Journalisten des freien Freiburger Senders Radio Dreyeckland wegen angeblicher Unterstützung einer verbotenen Vereinigung (§ 85 Absatz 2 Strafgesetzbuch) (siehe z.B. express 3-4/2023 und contraste Mai 2023) und erhob schließlich Anklage gegen einen von beiden (EmRaWi vom 16.05.2023): Fabian Kienert – wegen Veröffentlichung dieses Artikels: https://rdl.de/beitrag/ermittlungsverfahren-nach-indymedia-linksunten-verbot-wegen-bildung-krimineller.

Dazu ist gestern eine Entscheidung des Landgerichts Karlsruhe ergangen und heute bekannt worden:

Aber zunächst einmal dazu,

wie es nach der Anklageerhebung weiterging

Nachdem die Staatsanwaltschaft ihre Anklageschrift an das Gericht gesandt hatte und dieses die Anklageschrift an Fabian weiterleitete, hatte Fabian bzw. seine Anwältin Ge­legenheit, zu der Anklageschrift (vorliegend: bis zum 04.05.2023) Stellung zu nehmen (vgl. § 201 StPO). Diese Gelegenheit hat die Anwältin – m.E.: richtigerweise – auch ge­nutzt.

Sodann hatte das Landgericht Karlsruhe zu prüfen, ob es

  • das sog. „Hauptverfahren“ (das Ermittlungsverfahren ist demgegenüber das „vor­bereitende Verfahren“) eröffnet, das heißt: die Anklage zuläßt,

    oder

  • ob es die Anklage nicht zuläßt und das Verfahren einstellt (vgl. § 199 Absatz 1 StPO).

Der gesetzliche Maßstab für diese Entscheidung ergibt aus § 203 Strafprozessordnung (StPO): „Das Gericht beschließt die Eröffnung des Hauptverfahrens, wenn nach den Er­gebnissen des vorbereitenden Verfahrens der Angeschuldigte einer Straftat hinreichend verdächtig erscheint.“

Dies ist die erste erfreuliche Neuigkeit

Einen solchen „hinreichend[en]“ Tatverdacht hat das Landgericht Karlsruhe nun ver­neint – und zwar (nach Auskunft der Pressestelle des Landgerichts) aus zwei voneinan­der unabhängigen Gründen:

1. „es [ist] nach Auffassung der Kammer für den Straftatbestand des § 85 Abs. 2 StGB rechtlich erforderlich, dass die unterstützte verbotene Vereinigung zum Zeitpunkt der Tathandlung besteht bzw. teilidentisch fortbesteht. Ein Fortbestehen einer solchen ver­botenen Vereinigung (linksunten.indymedia) ist jedoch weder in der Anklage beschrie­ben, noch durch den Akteninhalt belegt und auch sonst nicht ersichtlich.“

Vgl. zu dieser Problematik bereits

2. „Zum anderen hat die Kammer den vom Angeklagten veröffentlichten Artikel nach umfassender Auslegung seines gesamten Inhalts im Lichte der Meinungs- und Presse­freiheit nicht als tatbestandsmäßige Unterstützung des organisatorischen Zusammen­halts und/oder der weiteren Betätigung einer verbotenen Vereinigung im Sinne des § 85 Abs. 2 StGB, sondern als zulässige Presseberichterstattung bewertet, auch unter Be­rücksichtigung des verwendeten Lichtbildes und der Tatsache, dass der Beitrag einen Link auf die statische Archivseite von linksunten.indymedia enthält.“

Dazu ist Folgendes anzumerken:

  • Es ist zutreffend, daß Fabians Artikel keine Unterstützung darstellt und auch nicht dargestellt hätte, wenn der angebliche Verein noch existieren würde.
  • Es ist aber unzutreffend, überhaupt der Idee zu verfallen, eine Äußerung, z.B. Linksetzung, könne eine „Unterstützung“ im strafrechtlichen Sinne sein. Denn das Gesetz unterscheidet gerade
    • zwischen Mitgliedschaft usw. und Unterstützung in § 84 StGB (in Bezug auf verbotene Parteien) und § 85 StGB (in Bezug auf verbotene Vereinigungen) einerseits und Verbreitung von Propagandamitteln in § 86 StGB und Verwen­dung von sog. Kennzeichen solcher Parteien bzw. Vereinigungen in § 86a StGB anderseits

      sowie

    • zwischen Werbung (bis 1968 nicht nur in Bezug auf Kriminelle [§ 129 StGB] und später dann auch Terroristische Vereinigungen [§ 129a StGB], sondern auch in Bezug auf verbotene Vereinigungen und Parteien strafbar; seit 1968 in Bezug auf letztere aber gerade nicht mehr strafbar) und Unterstützung (bis und seit 1968 strafbar).

Siehe zu diesem Problemkreis bereits

Das Ergebnis ist also erfreulich und die Begründung ist zumindest teilweise zutreffend – in zuletzt angesprochener Hinsicht aber gleichermaßen unzutreffend wie unerfreulich.

Auch darüber hinaus ist eine

Warnung vor voreiliger Entwarnung

geboten, denn: „Der Beschluß ist noch nicht rechtskräftig“, wie auf der Webseite von Radio Dreyeckland zutreffend heißt.

Denn § 210 Absatz 2 und 3 StPO bestimmen:

„(2) Gegen den Beschluß, durch den die Eröffnung des Hauptverfahrens abgelehnt oder abweichend von dem Antrag der Staatsanwaltschaft die Verweisung an ein Ge­richt niederer Ordnung ausgesprochen worden ist, steht der Staatsanwaltschaft so­fortige Beschwerde zu.

(3) Gibt das Beschwerdegericht der Beschwerde statt, so kann es zugleich bestim­men, daß die Hauptverhandlung vor einer anderen Kammer des Gerichts, das den Beschluß nach Absatz 2 erlassen hat, oder vor einem zu demselben Land gehören­den benachbarten Gericht gleicher Ordnung stattzufinden hat. In Verfahren, in de­nen ein Oberlandesgericht im ersten Rechtszug entschieden hat, kann der Bundes­gerichtshof bestimmen, daß die Hauptverhandlung vor einem anderen Senat dieses Gerichts stattzufinden hat.“

Die Staatsanwaltschaft Karlsruhe hat mir dazu auf Anfrage mitgeteilt: „Der Beschluss des Landgerichts wird hier geprüft und im Anschluss über das weitere Vorgehen ent­schieden werden.“

Eine zweite – erfreuliche – Neuigkeit

Fabian berichtete ja in seinem Artikel, der Gegenstand der Anklage war, über die Ein­stellung des Ermittlungsverfahren gegen angebliche Mitglieder des früheren Betreibe­rInnenkreises; dazu hieß es in dem Artikel:

„Bald fünf Jahre ist der konstruierte Verein Indymedia Linksunten nun verboten. Jetzt informiert die Autonome Antifa Freiburg darüber, dass das zugehörige straf­rechtliche Ermittlungsverfahren wegen ‚Bildung einer krimineller Vereinigung‘ am 12. Juli nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt wurde. Die Staatsanwaltschaft habe keine Beweise finden können und damit keinen genügenden Anlass zur Erhebung einer öffentlichen Klage. ‚Bis heute konnte offenbar keiner der bei den linksunten-Razzien im August 2017 beschlagnahmten Datenträger entschlüsselt werden.‘ so die Autonome Antifa.“

Ich hatte dies (und auch die verlinkte Pressemitteilung der Autonomen Antifa Freiburg) so verstanden, daß ein Anklagen an Nicht-Entschlüsselung der Datenträger scheiterte, da dadurch Beweise für die angebliche Mitgliedschaft fehlen.

Ich hatte dies auch neulich bei publikum.net geschrieben:

„Sebastian Meineck [schrieb am 03.05.2023 bei netzpolitik.org]: ‚Linksunten Indyme­dia war bis zum Verbot im Jahr 2017 ein wichtiges Informationsportal für Teile der linken Szene und eine Plattform für unter anderem Demonstrationsaufrufe und Be­kennerschreiben. Das Innenministerium stufte die Seite damals allerdings nicht als Medium ein, sondern als Verein, um sie daraufhin mithilfe des Vereinsgesetzes zu verbieten. Schon damals verurteilte das etwa ›Reporter ohne Grenzen‹ als Angriff auf die Pressefreiheit. Vergangenes Jahr wurden Ermittlungsverfahren gegen Links­unten Indymedia eingestellt; das heißt, der Vorwurf der Bildung einer kriminellen Vereinigung ist viele Jahre später geplatzt.‘

Letzteres dürfte die Sache allerdings etwas zu freundlich interpretieren, denn in dem RDL-Artikel aus dem vergangenen Sommer hieß es ja:

‚Die Staatsanwaltschaft habe keine Beweise finden können und damit keinen genü­genden Anlass zur Erhebung einer öffentlichen Klage. ›Bis heute konnte offenbar keiner der bei den linksunten-Razzien im August 2017 beschlagnahmten Datenträ­ger entschlüsselt werden.‹ so die Autonome Antifa.‘

Das scheint mir nur zu heißen, daß sich die Staatsanwaltschaft Karlsruhe nicht in der Lage sah, den Beschuldigten eine Mitgliedschaft im BetreiberInnenkreis von linksunten nachweisen; aber nicht, daß sie von ihrer Auffassung abgegangen ist, daß der BetreiberInnenkreis eine kriminelle Vereinigung gewesen sei. – Sollte sich aus dem Einstellungsbescheid der Staatsanwaltschaft etwas anderes ergeben, wäre es wünschenswert, er würde von denen, die ihn haben, im Wortlaut veröffentlicht.“

Nun habe ich heute mal bei der Staatsanwaltschaft Karlsruhe nachgefragt, warum sie das alte Verfahren eigentlich eingestellt hat – und anders als von mir gedacht, kam da­bei heraus:

„Nach Durchführung der Ermittlungen ließ sich nicht mit der für eine Anklageerhe­bung notwendigen hinreichenden Verurteilungswahrscheinlichkeit nachweisen, dass es sich bei dem u.a. von den Beschuldigten gebildeten Zusammenschluss mehrerer Personen zum Betrieb und zur Aufrechterhaltung der Internetplattform ‚linksunten.in­dymedia.org‘ um eine kriminelle Vereinigung gemäß § 129 StGB (in der a.F. bis zum 23.08.2017) gehandelt hat.

Es war nicht feststellbar, dass die auf der betreffenden Internetseite eingebrachten strafbewehrten Äußerungen nach ihrem Inhalt und ihrem Umfang derart dominie­rend waren, dass sie als ein bestimmender und prägender Zweck der Internetplatt­form ‚linksunten.indymedia.org‘ zu bewerten gewesen wären, d.h. dass der Zusam­menschluss der Betreiber als Vereinigung also gerade mit der Zielsetzung der Bege­hung von Straftaten – hier in Form von Äußerungsdelikten – erfolgt wäre.“

Dazu stellte ich noch folgende Nachfrage:

„Heißt das: Die Mitgliedschaft der Beschuldigten wurde – trotz des Scheiterns der Datenträger-Entschlüsselung – für hinreichend wahrscheinlich angesehen – und die Anklage wurde (allein) deshalb unterlassen, weil nicht hinreichend wahrscheinlich war/ist, daß der Personenkreis unter die tatzeitpunktliche Definition von Krimineller Vereinigung fiel?

Und bezieht sich letzteres speziell auf § 129 III Nr. 2 StGB oder schon auf § 129 I StGB?“

und erhielt als Antwort:

„die im Zuge des Ermittlungsverfahrens gewonnenen Erkenntnisse ließen jedenfalls darauf schließen lassen, dass sich die Beschuldigten am Aufbau und Betrieb der In­ternetplattform ‚linksunten.indymedia.org‘ beteiligt hatten. Im Ergebnis kam es hier­auf aber nicht (mehr) an, weil bereits der gesicherte Nachweis einer kriminellen Ver­einigung aus den von mir erwähnten Gründen verneint wurde. Dies bezog sich ins­gesamt auf den § 129 StGB (in der a.F. bis zum 23.08.2017).“

Anmerkung:

Eine Sache ist, daß ich auch selbst schon längst mal hätte nachfragen können und sol­len (sei es – wie jetzt – bei der Staatsanwaltschaft oder bei der Autonomen Freiburg).

Eine andere Sache ist, daß in der Pressemitteilung der Autonomen Antifa Freiburg der entscheidende Punkt nicht klar rüber kam.

Jedenfalls ist der Unterschied von erheblicher Bedeutung für die zukünftige politische Praxis: Die konkrete Beweislage wäre nur für das alte Verfahren relevant; der Satz,

„Es war nicht feststellbar, dass die auf der betreffenden Internetseite eingebrachten strafbewehrten Äußerungen nach ihrem Inhalt und ihrem Umfang derart dominie­rend waren, dass sie als ein bestimmender und prägender Zweck der Internetplatt­form ‚linksunten.indymedia.org‘ zu bewerten gewesen wären“,

läßt sich dagegen auch auf die HerausgeberInnenkreise von Medien mit ähnlichem In­halt übertragen.

Dieses erfreuliche Ergebnis des Strafverfahrens wirft meines Erachtens die Frage auf, ob die Betroffenen im Rahmen ihrer Klage vor dem Bundesverwaltungsgericht, wo sie eine Mitgliedschaft im BetreiberInnenkreises in der Schwebe ließen (was zur Folge hat­te, daß das Bundesverwaltungsgericht das Vorliegen der Verbotsgründe gar nicht erst prüfte – was von vornherein absehbar war), unnötig defensiv agierten; wobei ich aber anstandslos zugestehe, daß Vorsicht defensives Agieren gebot, da der Ausgang des Strafverfahrens nicht von vornherein sicher war. –

  • Interview beim Freien Sender Kombinat Hamburg mit mir zur heutigen Entschei­dung des Landgerichts Karlsruhe:

    https://www.freie-radios.net/122113 (ca. 17 Minuten; am Freitag oder Montag folgt ein ausführliches Gespräch).

——

Von mir noch vor der Entscheidung des Landgerichts:

——

Zu meiner Kritik an den politischen und juristischen Reaktionen auf das linksunten-Verbot:

Die angekündigte Fortsetzung dazu folgt auch noch; wir haben nur jetzt erst einmal der Be­schäftigung mit der Anklage gegen Fabian Vorgang vor der Aufarbeitung der Vergangenheit ge­geben.

Urheberrecht
Die unter www.scharf-links.de angebotenen Inhalte und Informationen stehen unter einer deutschen Creative Commons Lizenz. Diese Lizenz gestattet es jedem, zu ausschließlich nicht-kommerziellen Zwecken die Inhalte und Informationen von www.scharf-links.de zu vervielfältigen, zu verbreiten und öffentlich zugänglich zu machen. Hierbei müssen die Autoren und die Quelle genannt werden. Urhebervermerke dürfen nicht verändert werden.  Einzelheiten zur Lizenz in allgemeinverständlicher Form finden sich auf der Seite von Creative Commons http://de.creativecommons.org/was-ist-cc

*********************************************************

Grafikquellen       :

Oben       —   Fassaden zur Hans-Thoma- und Stephanienstraße

Abgelegt unter Baden-Württemberg, Deutschland, Gerichtsurteile, Positionen | Keine Kommentare »

Kolumne FERNSICHT Uganda

Erstellt von DL-Redaktion am 20. Mai 2023

Wenn im Schlafzimmer die Frösche quaken

Vogelbeobachtung (8618362879).jpg

Von Joachim Buwembo

Ugandas Staatsgebiet besteht zu 20 Prozent aus Wasser, und mit Lake Victoria besitzt das Land die Hälfte des zweitgrößten Süßwassersees der Welt; aber Wasser als Verkehrsweg ist praktisch unbekannt. Auf Ugandas 28 Seen sind fast nur Fischkutter unterwegs, ein paar wenige Inselfähren und Militärboote, die Fischer jagen, wenn sie ­illegalerweise zu junge Fischbestände fangen.

Nun aber zwingt das Wasser die Regierung dazu, Wasser als Verkehrsweg zu nutzen, und das verdanken wir dem Klimawandel. Am Donnerstag, 11. Mai, wachten die Ugander zu der Nachricht auf, dass eine wichtige Brücke und eine erhebliche Strecke der wichtigen Fernstraße aus Kampala nach Südwesten Richtung Tansania und Ruanda und damit in die gesamte Region der Großen Seen unter Wasser standen. Das ist auch der Verkehrsweg, der von Tansania durch Uganda hoch nach Südsudan führt, und Südsudan importiert gerade immer mehr tansanisches Getreide.

Es war nämlich der Katonga, der aus Lake Victoria westwärts Richtung Lake Edward an der kongolesischen Grenze fließt, über die Ufer getreten. Der Süden und Südwesten Ugandas waren damit komplett von der Hauptstadt abgeschnitten. So mietete Ugandas Verkehrsministerium eine Passagierfähre an, um Menschen aus Kampala in die südwestliche Stadt Masaka reisen zu lassen – eigentlich nur 128 Kilometer auf dem Landweg, aber nun mussten die Leute aus Kampala erst mal nach Entebbe und von dort per Schiff weiter. Die Reise wird subventioniert.

Nun merken die Leute plötzlich, dass vier der wichtigsten ugandischen Städte – Kampala, Entebbe, Jinja und Masaka – alle mehr oder weniger am Wasser liegen und man eigentlich ganz einfach über den Lake Victoria von einer Stadt zur nächsten fahren könnte. Die Straßen sind nämlich permanent verstopft, auch kurze Strecken dauern viele Stunden.

Aber diese positive Wendung steht im Schatten der schweren Überschwemmungen und Erdrutsche der vergangenen Wochen – von den Hängen des Mount Elgon an Ugandas Grenze zu Kenia, wo jedes Jahr wegen Abholzung und Erosion Menschen auf ihren Feldern und in ihren Gärten lebendig begraben werden, bis zu den katastrophalen Schlammlawinen in Teilen der Demokratischen Republik Kongo mit Hunderten Toten. Steigende Wasserpegel richten ebenfalls schwere Schäden an. Schon während der Pandemie mussten Anwohner des Lake Victoria in allen drei Anrainerstaaten – Uganda, Kenia und Tansania – im Lockdown mit Fröschen im Schlafzimmer und Fischen im Wohnzimmer leben, viele teure Häuser mit Seeblick wurden verlassen. Im kenianischen Kisumu verklagten Menschen Ugandas Regierung wegen mutmaßlicher Mängel bei der Regulierung der Wasserströme des Nils, die den Wasserpegel des Sees ansteigen ließen. Die Regierung sagt dazu, dass der Fluss versande, was Fluten begünstige. Ein weiteres und immer häufigeres Phänomen sind die durch Wasser verbreiteten Seuchen, wogegen es weder Planungen noch Haushaltsreserven gibt.

Quelle      :         TAZ-online          >>>>>          weiterlesen

*********************************************************

Grafikquellen          :

Oben     —     Vogelbeobachtung in Panama

Abgelegt unter Afrika, Medien, Positionen, Umwelt | Keine Kommentare »

DL – Tagesticker 20.05.2023

Erstellt von DL-Redaktion am 20. Mai 2023

Direkt eingeflogen mit unseren Hubschrappschrap

Heute in der Leseauswahl des „Bengels“:  – . –  1.) WELTHANDEL – G7-Staaten erhöhen Druck auf China  – . –  2.) F-16-Zusage ist keine Kehrtwende  – . –  3.) Der Islamo-Nationalismus hat es der türkischen Opposition schwer gemacht  – . –  4.) Naturkatastrophen in Italien:  – . –  5.) Doktor Heuschrecke  – . –   DL wünscht allen Leser-Innen einen schönen Tag und gute Unterhaltung.

******************************************************************

Da sitzen nun mit langen Fingern, neun  Grabscher um den Tisch herum. Was dort am Ende dann noch bleibt, nicht einmal für die Ärmsten reicht. 

Mehr Rivale, weniger Partner oder Wettbewerber: Im Umgang mit der aufstrebenden Großmacht China verfolgen die G7-Staaten einen neuen Kurs. Auf die frühere Naivität soll ein neuer Realismus folgen.

1.) WELTHANDEL – G7-Staaten erhöhen Druck auf China

Die Gruppe der großen demokratischen Industrieländer (G7) hat sich auf eine härtere Gangart gegenüber China geeinigt. Risiken im China-Geschäft und für die Lieferketten müssten verringert werden. Auch sollen Investitionen in der Volksrepublik vorher zum Schutz wichtiger Technologien besser überprüft werden. Diese Kernpunkte einer neuen Strategie für den Umgang mit China zeichneten sich am Samstag auf dem G7-Gipfel in Hiroshima in Japan ab. In einer gemeinsamen Erklärung wollten sich die G7-Staaten auch gegen „wirtschaftliche Zwangsmaßnahmen“ wenden, was auf China abzielt. Die G7-Staaten sehen mit Sorge, das China bei politischen Streitigkeiten häufig sein wirtschaftliches Gewicht einsetzt und Druck auf andere Staaten ausübt. Ein EU-Diplomat sah einen neuen Realismus unter den G7-Staaten: „Es gibt keine Naivität.“ Bei der Unterstützung der Entwicklung in China in den vergangenen zwei Jahrzehnten hätte es mehr Vorsicht bei kritischen Lieferketten geben müssen. So gibt es Einigkeit unter den G7-Staaten, Abhängigkeiten abzubauen. Keine Abkopplung. „Wir wollen das Risiko verringern, uns nicht abkoppeln“, sagte der Sicherheitsberater von US-Präsident Joe Biden, Jake Sullivan. Obwohl im Vorfeld des Gipfels durchaus Differenzen über die richtige Gangart – unter den Europäern und auch mit den USA – erkennbar waren, sah Sullivan Geschlossenheit der G7-Gruppe. Gleichwohl werde anerkannt, dass jedes Land sein eigenes Verhältnis zur Volksrepublik pflege. Er nannte die erwartete Erklärung „nicht feindlich“: „Sie ist nur direkt und freimütig.“

Berliner MoPo-online

******************************************************************

Die Berater sitzen wohl weislich Rechts und Links, da es in der Mitte zu sehr nach Altersschwäche stinkt ? So kann denn jeder Ziesel – bedächtig seine Mittel miesen.

Biden-Berater: – Jake Sullivan hat sich zur Entscheidung der F-16-Zusage für die Ukraine geäußert. Ein mögliches Eskalationspotenzial im Konflikt schließt der Nationale Sicherheitsberater von US-Präsident Biden aus.

2.) F-16-Zusage ist keine Kehrtwende

Die US-Regierung will den Eindruck zerstreuen, die amerikanische Unterstützung einer Kampfjet-Koalition für die Ukraine sei eine politische Kehrtwende. „Es hat sich nichts geändert“, sagte der Nationale Sicherheitsberater von US-Präsident Joe Biden, Jake Sullivan, am Rande des G7-Gipfels im japanischen Hiroshima. Die USA hätten Kampfjets vom US-Typ F-16 vorher nie vom Tisch genommen. Zuvor sei jedoch nicht die Zeit dafür gewesen. Biden hatte die Staats- und Regierungschefs der G7-Staaten am Freitag in Hiroshima darüber informiert, dass die USA die Ausbildung ukrainischer Piloten an Kampfflugzeugen der vierten Generation, einschließlich der F-16, unterstützen werden. Zunächst sollten Piloten ausgebildet werden. Dann werde entschieden, wann und wie viele Flugzeuge geliefert werden und wer sie zur Verfügung stelle. Zuvor hatte die US-Regierung monatelang Forderungen aus Kiew nach F-16-Jets abgewiesen.„TIMING AUS UNSERER SICHT STIMMIG“ Sullivan sagte, die Entscheidung über Waffenlieferungen an die Ukraine seien von Anfang an den Erfordernissen im Kriegsgeschehen gefolgt. Die USA hätten alles geliefert, was sie versprochen hätten. Nun sei man „an einem Punkt angelangt, an dem es an der Zeit ist, in die Zukunft zu blicken“ und zu bewerten, was die ukrainischen Streitkräfte langfristig bräuchten, um russische Aggression abzuschrecken und abzuwehren. Und da kämen die Kampfjets ins Spiel.

Weser -Kurier-online

******************************************************************

Ja, so sind und waren sie immer – die Witzfiguren der internationalen Politik. Der Spruch : „Heil dir du Siegerkranz nimm was du kriegen kannst“ hat bis zum häutigen Tag, nichts an seiner Aussagekraft verloren“. 

Ich liebe Erdoğan“! Der Satz hört sich in deutschen Ohren wohl an wie ein Witz, zumindest wie eine Übertreibung. Wer würde schon ernsthaft sagen „Ich liebe Merkel, Kohl oder Scholz?“ Tatsächlich gibt es aber in der Türkei Hunderttausende Menschen, die das ernsthaft behaupten.

3.) Der Islamo-Nationalismus hat es der türkischen Opposition schwer gemacht

Sie lieben und verehren ihren „Reis“, ihren Führer, ohne Abstriche. Eine bittere Erkenntnis aus dem Ergebnis der ersten Runde der Präsidentschaftswahl ist, dass die Gruppe dieser bedingungslosen Er­do­ğan-Verehrer offenbar doch größer ist, als zuletzt angenommen. Einige Beobachter sprechen von einem in 22 Jahren Erdoğan-Herrschaft analog zum Kemalismus neu entstandenem „Erdoğanismus“, einem ideologischen Amalgam von Islam und Nationalismus, in dem diese AnhängerInnen voll aufgehen. Menschen, die ihr Selbstwertgefühl daraus beziehen, dass Er­doğan angeblich eine Türkei geschaffen hat, die sich vom Westen nicht mehr gängeln lässt, die militärisch stark ist, die ihre eigenen Regeln setzen kann. Das wird unterstützt durch eine zweite Komponente, die von vielen Beobachtern unterschätzt wurde. Er­do­ğan geriert sich als der wahre Führer des sunnitischen Islam, der dort wieder ansetzt, wo die Türkei mit dem Untergang des Osmanischen Reichs diesen Status verloren hat. Erdoğan hat Istanbul zum Zentrum der Muslimbruderschaft gemacht, die gerade jetzt, wo sich abzeichnet, dass der syrische Diktator Baschar al-Assad seine Macht wieder konsolidieren kann, für ihre Basis in Istanbul kämpfen. Aber nicht nur die Muslimbrüder haben für eine Wiederwahl Erdoğans getrommelt, von den Taliban im Osten bis zu diversen libyschen Scheichs im Westen haben alle zu Erdoğans Wahl aufgerufen. Für seine Anhänger in der Türkei ein klares Zeichen, dass ihr „Reis“ tatsächlich der Führer der islamischen Welt ist.

TAZ-online

******************************************************************

So ist das schon immer in der Weltpolitik gewesen, wenn das Geld nicht in den Taschen der Politiker-innen landen soll. Um diese Gelder auf die richtigen Wege zu lenken, reicht manchmal nicht eine Wahlzeit aus. 

Die Überschwemmungen sind lediglich die jüngste Wetterkatastrophe, die Italien heimgesucht hat. Die Regierung plant endlich Maßnahmen zur Anpassung an die Klimakrise, die längst in Europa angekommen ist.

4.) Naturkatastrophen in Italien:

In dieser Woche fiel in Teilen der norditalienischen Region Emilia-Romagna in nur 36 Stunden die Hälfte der durchschnittlichen jährlichen Niederschlagsmenge. Flüsse traten über die Ufer und Tausende Hektar Ackerland wurden überschwemmt. Bis Donnerstagabend waren schätzungsweise 20.000 Menschen obdachlos geworden und 13 Tote bestätigt. Dies ist nur die jüngste Wetterkatastrophe, die das Land heimgesucht hat. Vor sechs Monaten starben auf der südlichen Insel Ischia 12 Menschen bei einem durch sintflutartige Regenfälle ausgelösten Erdrutsch. Elf weitere kamen im vergangenen September bei Sturzfluten in der zentralen Region Marken ums Leben. Im Juli letzten Jahres, während einer Hitzewelle und der schlimmsten Dürre in Italien seit mindestens sieben Jahrzehnten, kamen bei einem Gletschersturz in den italienischen Alpen 11 Menschen ums Leben. Es ist noch zu früh für eine Studie, um festzustellen, wie viel schlimmer oder wahrscheinlicher die Überschwemmungen dieser Woche durch die vom Menschen verursachte globale Erwärmung verursacht wurden. Frontlinie der Klimakrise in Europa angekommen. Doch in ganz Europa nehmen mit dem Anstieg der Kohlendioxidkonzentration in der Atmosphäre auch die Wetterextreme zu: In Spanien und Südfrankreich wurden die Landwirte in den vergangenen Jahren von einer Dürre heimgesucht, und im vergangenen Jahr gab es auf dem gesamten Kontinent Hitzewellen von nie gekanntem Ausmaß. „Der Klimawandel ist da und wir erleben die Folgen. Er ist keine ferne Aussicht, sondern die neue Normalität“, sagte Paola Pino d’Astore, Expertin bei der Italienischen Gesellschaft für Umweltgeologie (SIGEA), gegenüber Reuters.

Freitag-online

******************************************************************

In der Politik oder durch sie wird sich auch in Zukunft nichts mehr verändern. Selbst der letzte Cent wird noch herausgequetscht. Da kann das Soziale für Menschen nur am Wegesrand als Staub liegen bleiben.

PRIVATE-EQUITY-FONDS – Studie zum Vormarsch von Finanzinvestoren im Gesundheitswesen warnt vor »dramatischen Auswirkungen« für die Versorgungslandschaft

5.) Doktor Heuschrecke

Auf der Webseite von »Zahneins« menschelt es bis zur Schmerzgrenze. Man wolle die Patienten »begeistern« in einer »harmonischen« Umgebung, »die ihnen Freundlichkeit, Sicherheit, Geborgenheit und Verständnis vermittelt – und mit perfekten Behandlungsergebnissen, die ihnen ein Lächeln ins Gesicht zaubern«. Das Versprechen: »Zahnmedizin mit Herz.« Womit die Macher nicht hausieren gehen: »Zahneins« ist ein riesiger Zahnarztverbund mit bundesweit über 80 Partnerpraxen und Beute des französischen Beteiligungsunternehmens PAI Partners. Im Klartext: Der nette Onkel Doktor von nebenan arbeitet für einen Private-Equity-Fonds (PEF), eine »Heuschrecke«. Der Griff zum Bohrer begeistert vor allem gierige Investoren. Autsch!Wie eine diese Woche veröffentlichte Fallstudie der Bürgerbewegung Finanzwende offenbart, hat PAI seine Finger auch bei der »Ober-Scharrer-Gruppe« im Spiel, einem »Kompetenznetzwerk für Augenheilkunde«, das über ganz Deutschland verteilt fast 130 Arztsitze, medizinische Versorgungszentren (MVZ) und Kliniken betreibt. Gemäß der Analyse ist der Konzern ein Paradebeispiel dafür, wie Finanzinvestoren mit der sogenannten Buy-and-Build-Strategie den Gesundheitssektor kapern. Dabei kaufen sie reihenweise Praxen auf, bündeln diese zu MVZ, trimmen die Geschäftspolitik auf Profitmaximierung und veräußern das Paket nach kurzer Zeit gewinnbringend weiter. Der ganze Prozess dauere im Schnitt fünf Jahre, schreiben die Autoren. »Ober-Scharrer« gehörte vor der PAI-Übernahme sogar für nur vier Jahre der schwedischen PEF-Firma Nordic Capital, die hierzulande hinter der Pflegekette Alloheim steht und auf der Kanalinsel Jersey sitzt, einer Steueroase.

junge.Welt-online

*****************************************************************

Den Morgengruß an gleicher Stelle – schreibt jeden Tag
„Der freche Bengel“

*********************************************************

Anregungen nehmen wir gerne entgegen

Wir erhalten in letzter Zeit viele Mails mit Texten zwecks Veröffentlichung – Um diese zu verbreiten  sollten Sie sich aber erst einmal vorstellen und zeigen mit wem wir es zu tun haben.  Danke !

Treu unserem Motto: Es gibt keine schlechte Presse, sondern nur unkritische Leser

*********************************************************

Grafikquellen          :

Oben     —   DL / privat – Wikimedia

****************************

Unten   —     Aufkleber eines Impfkritikers an einer Müllbox in Heikendorf.

Abgelegt unter Allgemein | Keine Kommentare »