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Archiv für Mai 4th, 2023

Ein Fall von Klassenverrat

Erstellt von DL-Redaktion am 4. Mai 2023

Giffey verwahrt sich hartnäckig gegen ein ursozialdemokratisches Politikprojekt

Ein Debattenbeitrag von Ingo Arend

Franziska Giffeys Berliner SPD macht sich gerade jene Klientel zum Partner für Wohnungsneubau, die eine Volksentscheids-Mehrheit enteignen wollte.

Man kann einen Menschen mit einer Wohnung erschlagen wie mit einer Axt“. Das hat nicht August Bebel gesagt, sondern sein Zeitgenosse Henrich Zille. Das Mietskasernenelend des proletarischen „Milljöhs“ am Ende des 19. Jahrhunderts, das der legendäre Künstler mit dem Spruch anprangerte, existiert zumindest im Berlin des 21. Jahrhunderts so nicht mehr.

An Cholera, Typhus und den Blattern, wie es Friedrich Engels in seinen Schriften zur Wohnungsfrage beklagte, sterben Mie­te­r:in­nen der deutschen Hauptstadt nicht mehr.

Aber die „Wohnungsfrage“ unserer Tage ist zu einer ähnlichen sozialen Zeitbombe geworden. Was sich nicht nur an den rasant steigenden Obdachlosenzahlen und den Zeltlagern des Lumpenproletariats unter Brücken und S-Bahn-Bögen, vor Supermärkten und Sparkassen ablesen lässt.

Berlin hat seit den 2000er Jahren einen ebenso rabiaten wie konzertierten Angriff des internationalen Investmentkapitals auf einen, infolge von 40 Mauerjahren relativ günstigen Wohnungsmarkt erlebt. Die Äxte, mit der die anonymen Pensionsfonds, Anlagefonds und Briefkastenfirmen, die dieses lukrative Terrain planmäßig aufrollten und dessen Nutznießer bis heute erschlagen, heißen Mietsteigerung und Umwandlung in Eigentumswohnungen.

„Diese Stadt lässt Dich machen“ – in ihrem neuesten Werbefilm beutet eine Berliner Biermarke einmal mehr den Mythos von der Stadt der unbegrenzten Möglichkeiten aus. Derweil flüchtet sich das unbotmäßige Kreativvölkchen auf das der Spot zielt, ins Umland, weil es die lustigen Orte, an denen er gedreht wurde, nicht mehr bezahlen kann oder diese von der öden Investarchitektur a la Mercedes-Benz-Arena am Spreeufer plattgemacht wird.

Es ist diese kaum verhüllte Gier, die zum Volksentscheid am 26. September 2021 geführt hat. Dabei hatten sich bekanntlich 59,1 Prozent der Abstimmenden dafür ausgesprochen, profitorientierte Wohnungsunternehmen wie die Deutsche Wohnen oder Vonovia in Gemeineigentum zu überführen.

Es gehörte also schon einige Chuzpe von SPD-Spitzenfrau Franziska Giffey dazu, ausgerechnet diese Klientel zu Partnern für ein „Bündnis für Wohnungsneubau und bezahlbares Wohnen“ auszurufen. Die ideologische Augenwischerei bestand darin, eine sozialpartnerschaftliche Symmetrie zu suggerieren, die nicht existiert. Der Fall des Milliardärs Nicolas Berggruen steht dabei pars pro toto. Kaum hatte er sich in der Stadt mit ein paar Vorzeigeprojekten das Image des Kulturfreunds zugelegt, warf er seine Mie­te­r:in­nen reihenweise aus ihren Wohnungen und Ateliers.

Es steht paradigmatisch für die Lage der linken Volkspartei, dass sie die „Expropriation der Expropriateure“ scheut, die die Theoretiker der Arbeiterbewegung von Karl Marx über August Bebel bis Otto Bauer propagierten. Ja selbst Kevin Kühnert wollte mal BMW kollektivieren. Stattdessen bemüht Giffey das Gewissen, das schwieg, als sie bei ihrer Doktorarbeit schummelte, um diese Ini­tiative zu verhindern.

Lassen wir das Moralargument einmal beiseite, hinter dem sich eine ähnliche Entideologisierung von Politik verbirgt wie hinter der stereotyp wiederholten Formel „Das Beste für Berlin“ – als ob es nicht um die soziale Gestaltung der Stadt ginge. Lassen wir auch die Ablehnung eines demokratischen Mehrheitsvotums für eine in der Verfassung vorgesehene Maßnahme beiseite. Den Verursachern des größten anzunehmenden Wohnungsproblems seit dem 2. Weltkrieg will Giffey nun gar noch Steuererleichterungen gewähren, um den Wohnungsbau anzukurbeln.

So hartnäckig, wie sich Giffey gegen ein ursozialdemokratisches Politikprojekt verwahrt, fragt man sich langsam: Von wem wird diese Frau bezahlt? Von der SPD? Den Steuerzahler:innen? Oder der Immobilienwirtschaft? Primus – dem „Immobilienentwickler im Luxussegment“, der die SPD mit einer Spende von 9.999 Euro bedachte, dankte sie mit den Worten: „Sie können mich bei Fragen oder Anregungen gerne direkt ansprechen“.

Auch nach der Wahl bleibt die Rhetorik auffällig: Kein Tag vergeht ohne neue Beispiele von Verdrängung und Entmietung – einer anderen Form von Enteignung. Doch der jetzt vorgestellte Koalitionsvertrag mit der CDU sorgt sich um die „schwierige und krisenhafte Rahmenbedingungen in der Bauwirtschaft“ – kein Wort über die existenzielle Gefährdung tausender Mieter:innen.

Quelle      :        TAZ-online        >>>>>       weiterlesen

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Grafikquellen     :

Oben       —     29th plenary session of the 19th legislative period of the Abgeordnetenhauses of Berlin: Election of the Governing Mayor

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Unten        —     Karl Marx, The Prophet

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Die Feuer der Zukunft

Erstellt von DL-Redaktion am 4. Mai 2023

 In den Öfen der Vergangenheit:
Aufbau von sozial-ökologischen Allianzen in Südosteuropa

Quelle        :     Berliner Gazette

Von        :     

In Bosnien und Herzegowina sind die Bergarbeiter*innen von zentraler Bedeutung für jeden Versuch, den marktorientierten “grünen” Wandel herauszufordern. Darüber hinaus sind sie der Eckpfeiler einer potenziellen Konvergenz zwischen antikapitalistischen und ökologischen Kämpfen, wie die Wissenschaftlerin und Aktivistin Svjetlana Nedimović in ihrem Beitrag zu der Textreihe “Allied Grounds” zeigt, indem sie untersucht, wie die heutigen Umweltbewegungen eine einzigartige Gelegenheit haben, die “traditionelle” Energie der Arbeiter*innen zu nutzen, um eine noch nicht vorgestellte Zukunft aufzubauen

Im Herbst 2021 rebellierten Bergarbeiter*innen aus den alten Kohlebergwerken von Bosnien und Herzegowina und fielen über Sarajevo her, ein Strom von lauten und widerspenstigen Arbeiter*innen, die sich über die üblichen Regeln des Bürger*innenprotests hinwegsetzten, die durch laue Slogans, witzige Transparente, Modenschauen und unerbittliche Gesetzestreue gekennzeichnet sind.

Der Protest der Bergarbeiter*innen erschütterte die deindustrialisierte Hauptstadt, oder zumindest einige Teile von ihr. Der bläuliche, bedrohliche Schein ihrer Feuer erhellte die Nacht rund um den dunklen Turm, der jetzt die Regierung beherbergt, aber einst der Hauptsitz von Energoinvest war, Bosnien und Herzegowinas größtem Unternehmen, das alles von Stromkabeln bis hin zu Computerhardware und -software herstellte – bis es durch die Privatisierung auseinandergerissen wurde.

Die giftigen Dämpfe der brennenden Bierdosen und Plastikflaschen erstickten die unerfahrenen Unterstützer*innen und Aktivist*innen der Stadt. Nicht so die Bergleute, die lachten und sangen. Ihre dunklen, leicht gebeugten Gestalten, die in bunte, von den Bürger*innen zur Verfügung gestellte Decken gehüllt waren, wiegten sich um die Feuer herum und verwandelten das glatte Bild der Innenstadt in ein Bild aus einer postapokalyptischen Fantasie. Eine Fantasie, die zweifellos düster ist, in der sich aber auch ein Funken ernsthafter Unruhe verbirgt.

Eine Gruppe von Umweltaktivist*innen schloss sich dem Protest an und skandierte bald im Gleichklang mit den heiseren Stimmen der Bergleute den Slogan des Protests: “WIR GEBEN EUCH KEINE KOHLE!” Dies war eine ernsthafte Bedrohung für die Regierung: Wenn diese großen Bergwerke, die sich einst im Staatsbesitz befanden und nun in den Händen des staatlichen Energieversorgungsunternehmens sind, dem Land die Kohle entziehen würden, würde die Energieversorgung stark darunter leiden.

Aber warum haben sich Umweltschützer*innen bei dieser Drohung auf die Seite der Bergleute gestellt? Warnen sie nicht schon seit Jahren vor der Nutzung von Kohle wegen der lokalen Luftverschmutzung und der globalen Kohlenstoffemissionen?

Die Bergleute aufgeben, aber nicht Kohle

Wie viele Länder des Globalen Südens trägt auch Bosnien und Herzegowina nur minimal zu den historischen globalen Kohlenstoffemissionen bei: 0,06 %. Allerdings steht das Land unter (zunehmendem) Druck, seine Kohlekraftwerke zu schließen und auf weniger umweltschädliche Energiequellen umzusteigen. Dieser “grüne” Übergang hat das Land fast alle seine wilden Gebirgsflüsse gekostet, da es den Wettlauf zwischen einheimischen und ausländischen (hauptsächlich in der EU ansässigen) Kapitalist*innen um kleine Wasserkraftwerke auslöste. Kraftwerke, die übrigens immer noch als erneuerbare Energien eingestuft werden, obwohl sie den Flüssen irreparablen Schaden zufügen.

Heute wendet sich einheimisches und ausländisches Kapital der Solar- und Windenergieproduktion zu, die den “grünen” Übergang vorantreiben soll. Fast alles ist dabei auf die Interessen der Privatwirtschaft ausgerichtet. Der Staat greift nur wenig oder gar nicht ein, um “den Umweltschutz zu gewährleisten oder die Nutzung eines im Wesentlichen öffentlichen Gutes für den Energiebedarf der Gesellschaft zu steuern”. Der gesamte auf diese Weise erzeugte Strom landet auf ausländischen Märkten und bringt Bosnien und Herzegowina wenig oder gar keinen Nutzen.

Die Kohleverstromung ist jedoch nicht verschwunden. Die alten Kraftwerke, einst Symbole des Triumphs eines jungen sozialistischen Staates über die Armut und Motoren seiner Modernisierung, sind noch voll in Betrieb, haben aber nicht von den EU-Fördermitteln für die Entschwefelung profitiert, wie die Anlagen im benachbarten Serbien. Kürzlich unternommene Versuche Chinas, eine dieser Anlagen wieder aufzubauen, scheiterten an der Inkompetenz der lokalen Regierung und dem starken Druck der EU, die sich gegen jegliche Investitionen in alte Industriezweige, aber noch mehr gegen Chinas Einfluss auf dem Balkan aussprach.

Was jedoch geschieht, ist, dass die staatlichen Elektrizitätsunternehmen den alten staatlichen Bergwerken langsam die finanziellen Mittel entziehen, indem sie ihre Käufe auf die neuen privaten Kohlebergwerke umlenken. Wie bei anderen Privatisierungswellen der letzten drei Jahrzehnte erweist sich auch diese Bewegung als äußerst lukrativ für die Geldgeber*innen der politischen Parteien.

Es liegt auf der Hand, dass die Zerstörung und eventuelle Schließung der alten Bergwerke, um den neuen privaten Bergwerken einen noch größeren Marktanteil zu verschaffen, nicht zu einem Ausstieg aus der Kohle führen wird. Weniger offensichtlich, aber vielleicht noch problematischer ist das vermeintliche “Nebenprodukt” dieses Prozesses: Die Gesellschaft wird ihrer letzten großen Gruppe gewerkschaftlich organisierter Arbeiter*innen beraubt.

Wir haben dies beim Übergang zum Kapitalismus in Bosnien und Herzegowina nach dem Krieg gesehen. Die Industrie war durch den Krieg zwar beschädigt, aber nicht ruiniert, und viele der alten Staatsbetriebe hatten gute Chancen, sich zu erholen. Am Ende wurden sie mit dem Segen von Berater*innen internationaler Finanzinstitutionen wie der Weltbank und des Internationalen Währungsfonds verkauft. So wurden die sozialistischen Giganten fast ausnahmslos zerschlagen, um dann billig an Kriegsgewinnler*innen verkauft, dann in den Konkurs getrieben und schließlich als Immobilien an Bauträger*innen weiterverkauft zu werden, was ihren Nachkriegseigentümer*innen satte Gewinne einbrachte. Die Arbeiter*innen landeten auf der Straße, arbeitslos, mit miserablen Sozialleistungen, wenn überhaupt. Und dort sollten sie jahrzehntelang bleiben, während ihre Proteste immer weniger sichtbar wurden, ihre Stimmen schwächer und ihre Macht schwächer, bis die organisierte Arbeiter*innenschaft als Idee und Praxis in Vergessenheit geriet.

Auf diese Weise wurde nicht nur die bosnisch-herzegowinische Industrie, sondern auch die organisierte Arbeiter*innenschaft außerhalb der staatlichen Institutionen ausgelöscht. Dadurch wurde nicht nur die Verhandlungsmacht der Arbeiter*innen im Allgemeinen stark geschwächt, sondern auch der Zusammenhalt und das Transformationspotenzial der Gesellschaft als Ganzes eingeschränkt.

Die Bergleute sind zwar ebenfalls geschwächt aus dieser Umwälzung hervorgegangen, haben aber überlebt, weil die nationale Energieproduktion im Wesentlichen von der Kohle abhängig ist. Sie werden zwar unweigerlich vom “grünen” Wandel betroffen sein, aber sie sind auch die einzige organisierte soziale Kraft, die in der Lage ist, ihn in Richtung sozialer und ökologischer Gerechtigkeit zu lenken, weg von der Kosmetik pseudo-ökologischer Bedenken, die einen Großteil der westlichen Mainstream-Umweltbewegung weltweit kennzeichnen. Nicht zuletzt sind die Bergleute eine ausreichend große gesellschaftliche Gruppe, die es vermag, ihren Einfluss geltend zu machen. Dies haben die Proteste im Jahr 2021 gezeigt: Die Unternehmensleitung und die Regierung wurden durch die Drohung der Gewerkschaften, die Kohlelieferungen an die wichtigsten Kraftwerke zurückzuhalten, zu einer Einigung gezwungen. Dieses Potenzial kann jedoch nur erhalten werden, wenn die öffentlichen Bergwerke weiter betrieben werden.

Im Kontrast dazu stellen die privaten Kohlebergwerke, ebenfalls ein Produkt der Nachkriegsprivatisierung, kein Hindernis für den “grünen” Übergang dar. Ihre Bergleute sind meist nicht gewerkschaftlich abgesichert. Ihre Verträge sind unbeständig. Sobald der “grüne” Übergang an Schwung gewinnt, und das wird er früher oder später, wird der Staat nicht mehr für sie und ihre Gemeinden verantwortlich sein; er wird sie wie eine unnötige Last loswerden können. Doch solange der Bedarf an Kohle noch besteht, sind die privaten Bergwerke hochprofitabel, da sie Umwelt- und Arbeitnehmer*innenschutzbestimmungen sowie Arbeitsrechte bequem umgehen können.

Zwischenzeitig wurden die staatlichen Bergwerke von der Elektrizitätsgesellschaft Elektroprivreda BiH übernommen, einem der drei Unternehmen in Bosnien und Herzegowina, in dem aufgrund der ethnischen Teilung des Staates alles dreifach vorhanden ist. Diese Übernahme ist öffentlich als Rettung für die maroden Bergwerke dargestellt worden. In Wirklichkeit aber entzieht das Unternehmen den alten Bergwerken Arbeitskräfte und Investitionen und kauft gleichzeitig Kohle von den privaten Bergwerken.

In dem Bewusstsein, dass ein offenes Vorgehen gegen die staatlichen Bergwerke und die Bergleute auf den erbitterten Widerstand der direkt betroffenen Gemeinden und der Bevölkerung stoßen würde, gehen die Regierung und die Unternehmensleitung vorsichtig und hinterhältig, aber mit wachsender Entschlossenheit vor. Während die Gewerkschaften lauter werden, aber durch ihre dezimierten Mitgliederzahlen deutlich geschwächt sind (Kreka, eine der größten Minen, beschäftigt nur noch etwa ein Drittel der früheren Belegschaft), geht das Unternehmen aggressiver vor und erpresst die Minen, entweder ihre schlechtere Position innerhalb des Unternehmens zu akzeptieren oder es aufzugeben und sich dem Wettbewerb des freien Marktes zu stellen. In der gegenwärtigen Situation der Bergwerke ist der Wettbewerb auf dem freien Markt nicht nur ein schlechter Scherz, sondern der reinste Zynismus. Er zeigt, dass der Kampf des 21. Jahrhunderts für die Menschen in Bosnien und Herzegowina nicht “grüne Arbeitsplätze gegen braune Arbeitsplätze” heißen wird, sondern “neue prekäre braune Arbeitsplätze gegen alte (ehemals stabile) braune Arbeitsplätze”.

Die alte Gewerkschaftsmacht würde die finanziellen, sozialen und kulturellen Kosten des “grünen” Übergangs erhöhen, ihn verlangsamen und möglicherweise auf Lösungen umlenken, die den Kern des Systems zerstören, das die Klimakrise überhaupt erst verursacht hat. Das wissen auch die EU-Förderer des “grünen” Übergangs. Daher ist es nicht verwunderlich, dass sie auf einen eher selektiven Ausstieg aus der Kohle drängen, vorausgesetzt, die alte Gewerkschaftsmacht kann hinter den Kulissen abgebaut werden.

Kraft und Vision vereinen

Das langsame und schmerzhafte Sterben der alten Bergwerke untergräbt die letzte Festung der organisierten Arbeiter*innenschaft. Eine Gesellschaft wie Bosnien und Herzegowina wird dadurch des letzten Reservoirs an – zumindest potenziell – radikal umgestaltender Energie beraubt, die in einer Gruppe mit sehr hohem, wenn nicht gar höchstem Einsatz für einen gerechten Übergang steckt. Dies ist ein oft vernachlässigter Preis für den “grünen” Übergang, wenn er de facto privaten Investor*innen und Interessen überlassen wird. Doch was wie eine Sackgasse aussieht, könnte der Anfang einer unerwarteten Geschichte sein.

Überall im Land entstehen neue Umweltgruppen. Sie bündeln ihre Kräfte in einem gemeinsamen Kampf, und sie haben das Ohr der Öffentlichkeit. Sie haben begonnen, weit über die kurzfristigen Ziele hinauszugehen, die in der gebergesteuerten Zivilgesellschaft angestrebt werden, und scheuen sich nicht, in den Bereich der Politik als weltverändernde Arbeit vorzustoßen. Aber dieser im Entstehen begriffenen Bewegung fehlt noch eine starke Infrastruktur der Solidarität. Ein anderes Problem: Der Ansatz der Umweltgruppen ist oft legalistisch und unzureichend, um einen starken direkten Widerstand zu erzeugen. Die Grenzen solcher Strategien, die für eine wohl traumatisierte Nachkriegsgesellschaft (oder eine durch internationale Demokratisierung von oben befriedete Gesellschaft) geeignet sind, zeigen sich am deutlichsten im Fall der neuen Bergbauunternehmen, die die Region überschwemmen.

Multinationale Unternehmen dringen schnell und reibungslos ein, oft unter dem Deckmantel der Forschung oder mit dem Versprechen eines Goldrausches, und die Gemeinden werden der letzten Reste von Kontrolle über ihr Leben und ihre Entwicklung beraubt. Verarmt und entvölkert, auf der verzweifelten Suche nach wenigstens einer relativ stabilen Einkommensquelle, fällt es den Gemeinden schwer, den Widerstand, der sich trotz aller Widrigkeiten regt, aufrechtzuerhalten und zu nähren. Erschwert wird dies noch durch die gerissene PR der multinationalen Konzerne. Diese modernen Kolonisator*innen greifen in die Struktur des täglichen Lebens ein. Sie organisieren und sponsern Kultur- und Sportveranstaltungen, Kinder und Jugendliche. Sie spenden für Schulen und gemeinnützige Organisationen. Sie schneidern den Lehrplan auf ihre Bedürfnisse zu und unterdrücken die ehrgeizigeren Bestrebungen der örtlichen Jugend. Sie organisieren sogar “umweltfreundliche Aktivitäten”. Sie infiltrieren öffentliche Einrichtungen und machen ihre Präsenz im gesellschaftlichen Leben zur Selbstverständlichkeit, um den Weg für ihre gewinnbringenden Projekte zu ebnen. Ihre juristische und administrative Maschinerie sorgt dafür, dass all der Schaden, den sie anrichten, mit allen offiziellen Papieren abgewickelt wird.

Obwohl das Kapital begonnen hat, die “grüne” Wende zu forcieren, ist es nicht bereit, dafür zu bezahlen, und natürlich noch weniger bereit, den strukturellen Kern seines eigenen Geschäftsmodells zu verändern, was der einzige Weg ist, um die Energiewende nachhaltig und gerecht zu gestalten. Deshalb braucht die Umweltbewegung Verbündete, die ihr in diesem Kampf eine wildere, rauere Kante geben. Damit der Widerstand funktioniert, muss er das “Business as usual” effektiv stoppen. Dies zu bewirken ist das Potenzial der (Bergarbeiter*innen-)Gewerkschaft: die Wirtschaft und das ganze Land zum Stillstand zu bringen, indem sie die Kohleversorgung verweigert.

Ein Teil dieses Potenzials kann sogar auf die neuen Bergwerke übertragen werden, allerdings in viel bescheidenerem Umfang. Die jungen Bergleute werden den neuen, härteren Formen der Ausbeutung ausgesetzt – dieses Mal mit wenig oder gar keinem gewerkschaftlichen Rückhalt. Aber manche von ihnen bringen vielleicht die Saat der gewerkschaftlichen Kultur und des Kampfes aus den alten Bergwerken mit. Oder sie werden ihre eigene Saat der Solidarität und Kameradschaft in ihrem gemeinsamen täglichen Kampf um ihr eigenes Überleben und das der anderen pflanzen. Eine ungewisse und unsichere Ausgangssituation, aber immerhin eine Ausgangssituation.

So oder so, die Bergarbeiter*innen werden Verbündete außerhalb ihrer verarmten und verletzlichen Gemeinschaften brauchen. Sie werden Verbündete mit Visionen brauchen, die über den Kapitalismus in all seinen Formen hinausgehen. Die emergierende Umweltbewegung in Bosnien und Herzegowina könnte diese Rolle erfüllen. Sie hat bereits einen wichtigen Schritt getan, der über den Naturschutz hinausgeht und die gegenwärtige Ordnung der Dinge, die Unantastbarkeit von Privateigentum und -interessen und die Ausbeutung der natürlichen Welt zu Profitzwecken in Frage stellt. Die Bewegung spricht die Sprache des Gemeinwohls, der Selbstverwaltung und der Autonomie des Kollektivs über seine Ressourcen und Entwicklungswege. Und damit macht sie deutlich, dass sie nicht nur die Stimme der Naturschützer*innen sein wird, sondern die aller Ausgegrenzten, Verarmten und Ausgebeuteten, die zu Akteur*innen der Veränderungen werden müssen, die zur Rettung des Planeten und seiner Lebenswelt notwendig sind.

Auf diese Weise hat die Umweltbewegung tatsächlich die Arena der antikapitalistischen Kämpfe betreten. Und das ist der Boden, auf dem sich die beiden Bewegungen, die der Arbeiter*innen – wohlgemerkt nicht nur die der Bergarbeiter*innen – und die der Umweltschützer*innen, gemeinsam bewegen können, indem sie die Kraft der Organisation mit der Kraft der Vision verbinden. Wird die Umweltbewegung, die von der Mehrheit der Gesellschaft unterstützt wird, den bahnbrechenden Sprung zu kühneren Visionen wagen und sich an die Bergarbeiter*innengemeinschaften und im weiteren Sinne an die Arbeiter*innen im Allgemeinen wenden? Die Arbeiter*innen müssen den “grünen” Übergang tragen, sollten sie ihn nicht also auch anführen und gestalten? Die Energieerzeugung ist ein guter Ansatzpunkt. Neben den Umweltbelangen geht es auch darum, die Arbeiter*innen und ihre Haushalte mit sauberer und erschwinglicher Energie zu versorgen. Oder sogar kostenlose Energie, wenn wir sie als lebenswichtiges menschliches Bedürfnis und nicht als lukrative Handelsware anerkennen. Hier kann ein guter Kampf geführt werden, dessen Keimzelle wir im Manifest der Naturschützer*innen für die Zukunft der Energie in BiH sehen.

Es gibt viele Schlachtfelder. Die alten Methoden der Energieerzeugung mögen aussterben, aber die Arbeiter*innen und ihre Gemeinden werden die Folgen jahrzehntelang spüren. Wenn die Umweltbewegung also für saubere Luft kämpfen will, muss sie bei den Gemeinden beginnen, die für die Entwicklung aller geopfert werden: Sie brauchen in erster Linie eine gute, zuverlässige, fortschrittliche öffentliche und allgemeine Gesundheitsversorgung.

Und dann ist da noch das neue Wurmloch des “grünen Extraktivismus”, der sich immer deutlicher im Abbau so genannter “Übergangsmineralien” zeigt, der nicht nur Anlass zu großer Sorge um die Umwelt ist. Die “grünen” Minen vernichten menschliche Körper und Leben, um den Kapitalist*innen maximale Profite zu sichern. Während sich die Menschen im ganzen Land dagegen auflehnen, muss die Umweltbewegung laut und deutlich über die verschiedenen Dimensionen dieses Widerstands sprechen: es geht um die Natur und die Gemeinden, aber auch um die Arbeiter*innen. Die “grünen” Minen bieten magere Löhne und wenig Schutz; sie sind keine Grundlage für die sozioökonomische Entwicklung und können nicht die Lebensgrundlage für die Gemeinschaften sein, die sie ausbeuten. Sie sind Quellen des schnellen Profits für (hauptsächlich) ausländische Kapitalist*innen und Pfeiler des Neokolonialismus. Der Kampf gegen sie ist also ein Kampf für die Gesellschaft und für die Natur.

Die Dialektik der Kohle

Ich schreibe diesen Text dank des zuverlässigen Feuers des alten Kohlekraftwerks, dessen Schornstein über die Täler Zentralbosniens ragt. Das schwarze Gold dieses Landes wird zuverlässig mit alten, schmutzigen Zügen zum Kraftwerk transportiert. Genauso zuverlässig lagern sich Kohlestaubpartikel in den Lungen der Bergleute und der Bevölkerung rund um die Minen ab.

Diese Zuverlässigkeit ist jedoch anfällig und hängt vom Willen der Bergleute ab. Wind- und Solarenergie mögen auf dem Vormarsch sein, aber die grundlegende Energiequelle für Bosnien und Herzegowina ist die Kohle. Zumindest vorläufig, in dieser unserer Gegenwart, für die die Bergleute mehr geopfert haben als die meisten von uns. Ihr Opfer ist glücklicherweise und wiederum vorläufig nicht nur moralisch, sondern auch materiell und existenziell bindend, solange es Kohlekraftwerke gibt, und die wird es noch eine Weile geben. Der Ruf “WIR GEBEN EUCH KEINE KOHLE!” ist ein Schlachtruf der Stunde. Umweltaktivist*innen in Bosnien und Herzegowina müssen diesen Moment gemeinsam mit den Bergarbeiter*innen nutzen. Und dann zu anderen Bereichen übergehen, in denen nur die Arbeiter*innen das “business as usual” effektiv stoppen und einen radikalen Wandel herbeiführen können.

In einer ironischen Wendung der Dialektik des Übergangs kann die eine Tätigkeit, die unter anderem das Leben auf diesem Planeten bedroht, nämlich der Abbau und die Verbrennung von Kohle, gleichzeitig ein Leuchtfeuer der Hoffnung sein: unsere Waffe im Kampf darum, die Dinge anders zu machen. Dabei geht es nicht nur darum, Technologien umzuwandeln, sondern auch die Wirtschaft unserer Gesellschaften zu revolutionieren, damit sie den Bedürfnissen der gesamten lebendigen Welt dient.

Anmerkung der Redaktion: Dieser Artikel ist ein Beitrag zur Textreihe “Allied Grounds” der Berliner Gazette; die englische Fassung finden Sie hier. Weitere Inhalte finden Sie auf der englischsprachigen “Allied Grounds”-Website. Werfen Sie einen Blick darauf: https://allied-grounds.berlinergazette.de

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Linkes – Anti-Bündnis ?

Erstellt von DL-Redaktion am 4. Mai 2023

Anti-Fortschrittsbündnis in der Bundestagsfraktion

Quelle       :        Scharf  —  Links

Von     :    Edith Bartelmus-Scholich

Ausgerechnet im neurechten Magazin Cicero veröffentlichten heute die beiden Referenten der Linksfraktion im Bundestag Malte Heidorn und Jan Marose eine Polemik gegen das Heizungsgesetz der Bundesregierung.(1) Ihre größte Sorge gilt dabei dem deutschen Mittelstand und dem Industriestandort Deutschland. Die Wärmewende halten sie für übertrieben und moralisch motiviert. Wenn überhaupt, wollen sie zur Erreichung von Klimazielen die Atomkraft weiter nutzen. Den Forderungen ihrer Partei (2) widerspricht fast alles, was sie schreiben.

Gegen die Wärmewende – mit dem Wording der AfD

Die Autoren reihen in ihrem Artikel Halbwahrheiten und fragwürdige politische Einschätzungen aneinander. Sie fragen sich, ob eine Reduzierung von klimaschädlichen Emissionen in Deutschland überhaupt Sinn mache, da andere Staaten keine entsprechenden Anstrengungen unternehmen würden. Sie vermitteln den Eindruck, Deutschland, welches bekanntlich jedes Jahr seine Klimaziele verfehlt, sei Vorreiter in der Klimapolitik zu Lasten seines Mittelstands und seiner Industrie. Zynisch stellen sie fest: Wir können gegen den horrenden Zuwachs der weltweiten Emissionen nicht als klimapolitische Insel ansparen. Das ist Klimanationalismus aus dem Hause Habeck. Selbst wenn Deutschland morgen klimaneutral wäre, würde dies global nichts ändern. Und in Spanien würde es in diesen Tagen trotzdem nicht regnen.“

Sie schreiben weiter: Während die „Letzte Generation“ mit gezielten Aktionen gegen Normalbürger versucht, den Alltag lahmzulegen, peitscht die Bundesregierung ihr Heizungsgesetz in den Bundestag. Der Klimaeffekt der Habeck-Ideologie ist aber maximal dürftig. Das Wirtschaftsministerium hat in einer Antwort auf eine parlamentarische Anfrage Auskunft gegeben: Sagenhafte 1,4 Prozent CO2-Emissionen werden durch das Heizdiktat der Ampel und die geplante Installation von sechs Millionen Wärmepumpen eingespart. Nicht etwa Ende 2024, wenn Habecks Harakiri Fahrt aufnehmen soll, sondern im Jahr 2030 – im Vergleich zu heute.

Angesichts der Debatte könnte man den Eindruck haben, es ginge nicht um 1,4 Prozent, sondern um alles oder nichts – Höllenfeuer oder grünes Paradies. In einer wieder einmal moralisch überfrachteten Debatte spielen weder Fakten noch die finanziellen Möglichkeiten der Bürger eine besondere Rolle.“

Heidorn und Marose rechnen hier die klimapolitischen Effekte des Heizungsgesetzes künstlich klein. Ihre Behauptung es würden lediglich 1,4 Prozent der Emissionen eingespart, ist falsch. Sie täuschen, indem sie nur die Einsparung im Gebäudesektor für das Jahr 2030 nennen. Diese Einsparungen im Jahr 2030 setzen sie dann ins Verhältnis zu den gesamten Emissionen des Jahres 2022. Dadurch entsteht der Eindruck, die Wärmewende würde keine realen Einsparungen bringen. Das Gegenteil ist jedoch der Fall, mit den Maßnahmen werden 10 % an den Gesamtemissionen und damit 39 Prozent der Emissionen des Gebäudesektors eingespart.

Bemerkenswert ist zusätzlich, dass Heidorn und Marose in ihrem Artikel nicht nur rechte Narrative aufgreifen und unterstützen, sondern zudem mit „Heizdiktat“ und „Harakiri“ exakt das AfD-Wording zu diesem Thema benutzen. Und natürlich erhält dieser Artikel in den sozialen Medien viel Zuspruch von ganz rechts.

Nicht etwa Mitarbeiter von Klaus Ernst

Bei derartigen Positionen zur Klimapolitik denken auch Mitglieder und Sympathisant*innen der Partei DIE LINKE zuerst an den Flügel um Sahra Wagenknecht und Klaus Ernst. Dort sind Heidorn und Marose allerdings nicht zu verorten. Beide gehören zum engsten Umfeld von Dietmar Bartsch. Jan Marose ist Ostkoordinator der Bundestagsfraktion, Malte Heidorn persönlicher Mitarbeiter von Dietmar Bartsch. Es ist schwer vorstellbar, dass die beiden ohne Rückendeckung von Bartsch diesen Artikel veröffentlicht haben. Viel eher ist es anzunehmen, dass hier Positionen geäußert werden, die im Flügel um Dietmar Bartsch geteilt werden.

Offenbar haben der Flügel um Wagenknecht und der Flügel um Bartsch weit mehr politische Positionen gemeinsam, als oft angenommen wird. Es ist ein Irrtum zu meinen, dass das Bündnis von Wagenknecht und Bartsch auf nichts anderem beruht, als auf reinem Machtkalkül. Vielmehr wird sichtbar, dass es in der Bundestagsfraktion ein Bündnis unterschiedlicher Ewig-Gestriger gibt: Ein Anti-Fortschrittsbündnis.

Edith Bartelmus-Scholich, 3.5.2023

(1) https://www.cicero.de/innenpolitik/mittelschicht-ampelkoalition-wohlstand-industrie-habeck

(2) https://www.die-linke.de/start/nachrichten/detail/sofortpaket-waerme/

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Oben       —   Foto: DIE LINKE NRW / Irina Neszeri

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Kolumne * FERNSICHT-China

Erstellt von DL-Redaktion am 4. Mai 2023

Warnung an den Westen

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Kolumne Fernsicht von  :  Shi Ming

Xi Jinping hegt unverhohlene Abneigung gegen den Westen und seine Werte. Chinas Demütigungen in der Vergangenheit liefern den Treibstoff für die Politik.

Im Bezug auf den Sturz des Kommunismus hat sich der Glaube an dessen friedlichen Charakter in unseren Köpfen verfestigt. Natürlich war es in Rumänien anders, wo die Agonie der UdSSR mit einem Putsch endete, aber im Allgemeinen waren die Veränderungen in Mittel- und Osteuropa sanft. Oder?

Die Erinnerung spielt uns einen Streich. Vor drei Jahrzehnten stürmten sowjetische Truppen den Fernsehturm in Vilnius. Die Litauer wollten ihre Souveränität verteidigen, was die Russen verhindern wollten. 14 Menschen wurden getötet.

All dies wurde in den letzten Tagen in Erinnerung gerufen, als ein Interview des chinesischen Botschafters in Frankreich, Lu Shaye, durch die Medien ging. Darin deutete er an, dass die Krimfrage nicht so einfach ist, wie die Ukraine und ihre Verbündeten es gerne hätten. Nach internationalem Recht, so der Diplomat, verfügen die Länder der ehemaligen Sowjet­union nicht über die volle Souveränität.

In Mittel- und Osteuropa nehmen wir die Wiedererlangung der Souveränität vor 30 Jahren todernst. Wenn jemand die Existenz der Staaten unserer Region untergräbt, laufen nicht nur den Balten, sondern auch den Polen unangenehme Schauer über den Rücken. Vor allem, wenn solche Äußerungen aus einem der mächtigsten Länder der Welt kommen – China. Peking hat relativ schnell ein Dementi abgegeben. Dennoch wird der Vorfall in den Ländern unserer Region nicht so schnell vergessen werden.

Erstens, weil chinesische Diplomaten nicht für zufällige „Zungenspritzer“ bekannt sind. Außerdem hat hier keine zufällige Figur gesprochen. Der Botschafter in Frankreich gehört zur ersten Liga der chinesischen Diplomatie, und außerdem kam die Erklärung kurz nach dem Freundschaftsbesuch von Emmanuel ­Macron und Ursula von der Leyen in Peking. Diese Erklärung zeigt, dass all die Bemühungen der Verteidiger demokratischer Werte, China auf ihre Seite zu ziehen, dort abprallen.

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Zweitens, weil die Erklärung des chinesischen Botschafters eindeutig näher an der Linie Wladimir Putins liegt als an der irgendeines europäischen Politikers. Allzu oft betrachten demokratische Politiker die Despoten zu ähnlich wie sich selbst. Spätestens aber seit der „Appeasement“-Politik Chamberlains gegenüber Hitler sollten wir uns dessen bewusst sein.

Drittens: Die Untergrabung der litauischen, lettischen und estnischen Souveränität durch den chinesischen Botschafter ist eine Politik des Achselzuckens vor der bestehenden internationalen Ordnung. Deshalb sollte man sich von dem anschließenden Dementi nicht täuschen lassen. Auch hier wurde ein Versuchsballon losgelassen – genau wie bei den chinesischen Ballons, die vor Kurzem „versehentlich“ über Nordamerika flogen.

Quelle      :        TAZ-online         >>>>>         weiterlesen

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Oben     —     Vogelbeobachtung in Panama

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DL – Tagesticker 04.05.2023

Erstellt von DL-Redaktion am 4. Mai 2023

Direkt eingeflogen mit unseren Hubschrappschrap

Heute in der Leseauswahl des „Bengels“:  – . –  1.) Der Bruch mit einem großen EU-Trug  – . –  2. ) Gerhard Schröder: Verhandlung um seine Sonderrechte  – . –  3.) Klüngel im Bundeswirtschafts- Ministerium  – . –  4.) Danke, ich verzichte  – . –  5.) Linke – Vor dem nächsten Absturz  – . –   DL wünscht allen Leser-Innen einen schönen Tag und gute Unterhaltung.

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Schaffte es die Macht in den den meisten Ländern dieser Welt nicht immer schon genau das zu machen, was sie wollte. Über alle die verschiedenen Systeme hinweg ! Wurde nicht viele Jahre Kurt Tucholsky folgender Spruch zugesagt : “Wenn Wahlen etwas ändern würden, wären sie lange verboten”.

In der Europäischen Union muss aufgeräumt werden mit einer Irreführung der Wähler: Es gibt keine Spitzenkandidaten für die Präsidentschaft der EU-Kommission, auch wenn Parteien etwas anderes suggerieren. Bei der nächsten Europawahl sollte diese Farce nicht mehr stattfinden.

1.) Der Bruch mit einem großen EU-Trug

Ein Jahr vor der Europawahl beginnt in der CDU/CSU eine Debatte darüber, ob wieder ein Spitzenkandidat gekürt werden soll oder nicht. Alexander Dobrindt, der Vorsitzende der CSU-Landesgruppe im Bundestag, ist dagegen. Nicht noch einmal will er die Farce mitmachen, die sich vor vier Jahren abspielte: Damals war sein Parteifreund Manfred Weber Spitzenkandidat der Europäischen Volkspartei (EVP), der Niederländer Frans Timmermans war der erste Mann der europäischen Sozialdemokratie. Bekanntlich ist keiner von ihnen Präsident der Europäischen Kommission geworden, sondern Ursula von der Leyen. Die CDU-Politikerin möchte nun für weitere fünf Jahre im Amt bleiben. Dagegen hat Dobrindt nichts einzuwenden. Nur: Spitzenkandidatin der EVP soll sie nicht werden, ginge es nach Dobrindt. Recht hat er. Denn die Idee, der EU-Kommissionspräsident oder die Präsidentin müsse der Sieger der Europawahl sein, war von Anfang an ein großer Trug. Er wurde maßgeblich von dem Sozialdemokraten Martin Schulz und dem Luxemburger Christdemokraten Jean-Claude Juncker ausgeheckt, um dem EU-Kommissionspräsidenten mehr Legitimation und den Europäern den Eindruck zu verschaffen, sie lebten in einem europäischen Bundesstaat, in dem sie ihren Präsidenten wählten. Nichts davon entsprach der Vertragslage und der Wirklichkeit.

Welt-online

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Warum sonst wäre das Gedränge in den Clans der Parteien nach Oben zu kommen so groß ? Kann irgend Jemand, irgendwo sein Geld leichter verdienen ? Ohne Politik wären die meisten dieser Damen und Herren, nicht auf Kosten der Steuerzahler in dieser Welt herum gekommen.

Gericht prüft Klage von Altkanzler Schröder gegen Bundestag. Ehemalige Kanzler und Bundespräsidenten erhalten nach Ende ihrer Amtszeit ein Büro. Gerhard Schröder, der wegen enger Verbindungen nach Russland in der Kritik steht, sind solche Privilegien entzogen worden.

2. ) Gerhard Schröder: Verhandlung um seine Sonderrechte

RP-online

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Seit wann ist ein von Hass erfüllter „Pascha-Jäger“ anders zu beurteilen? Hier sehen wir den einzigen Unterschied zwischen Regierung und Opposition. Wenn mehrere das gleiche machen ist es noch lange nicht dasselbe.

Chefsuche beginnt von vorn.  Die Energieagentur Dena startet ein neues Chef-Findungsverfahren. Nach der Affäre um Staatssekretär Graichen erhebt die CDU weitere Vorwürfe. 

3.) Klüngel im Bundeswirtschaftsministerium

Die Deutsche Energieagentur (Dena) wird das Verfahren zur Einsetzung eines neuen Geschäftsführers neu auflegen. Nach Informationen der taz geht davon Dena-Aufsichtsratschef Stefan Wenzel (Grüne) aus, der parlamentarischer Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium von Robert Habeck ist. Das ist der Versuch, einen Schlussstrich unter die Trauzeugen-Affäre um den designierten neuen Dena-Geschäftsführer Michael Schäfer zu ziehen.In der vergangenen Woche war bekannt geworden, dass Schäfer von einer Kommission für die letzte Bewerbungsrunde des Co-Chefpostens bei der bundeseigenen Agentur vorgeschlagen worden ist, der auch der Staatssekretär im Wirtschaftsministerium Patrick Graichen angehörte. Schäfer war Graichens Trauzeuge. Die endgültige Personalentscheidung hat der Aufsichtsrat der Dena getroffen, dem Graichen nicht angehört. Mit der Suche nach geeigneten Kan­di­da­t:in­nen war ein externer Personaldienstleister beauftragt worden. Nach Angaben des Wirtschaftsministeriums führte die Kommission Gespräche mit sechs Kan­di­da­t:in­nen und befand Schäfer einstimmig als denjenigen mit der besten Qualifikation. Ursprünglich sollte Schäfer seinen Posten am 15. Juni antreten. Der Verwaltungswissenschaftler war bis 2016 energiepolitischer Sprecher der Grünen im Berliner Abgeordnetenhaus, danach beim von Graichen mitgegründeten Thinkthank Agora Energiewende und dann Leiter der Abteilung Klimapolitik bei den Naturschutzorganisationen WWF sowie Nabu. Beim Nabu kündigte er im vorigen Jahr, weil er dessen Kritik an der Windkraft falsch findet.

TAZ-online

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Da weden sich noch viele Bürger-innen die Augen reiben wenn sie auf den Umgang in der CDU blicke, in der Merz wohl das Sagen behalten wird ? Wird Kai Wegener wohl einen anderen Ton mit seinen Welten – Wanderern anschlagen ?

Diversity-Marketing des neuen Berliner Senats: Der vielfältigste Senat Berlins eignet sich höchstens als Witz auf Kosten linksliberaler Bessermenschen. Echte Antidiskriminierung geht anders.

4.) Danke, ich verzichte

Jetzt also Kai Wegner. Während ich noch damit beschäftigt war, die Annahme des Koalitionsvertrags von SPD und CDU durch sagenhafte 54 Prozent der Berliner Sozialdemokraten kognitiv und emotional zu verarbeiten, stellten die Koalitionäre schon den zukünftigen Senat vor. Unter der Führung des Christdemokraten Kai Wegner, der nicht nur wie ein Versicherungskaufmann aussieht, sondern sogar einer ist, wird der 19. Berliner Senat schon bald die Arbeit aufnehmen. Und was für ein Senat das ist! Sieben der zehn Verwaltungen werden von Frauen geführt, davon stammen vier aus Ostdeutschland, zwei Senatorinnen und ein Senator haben Migrationshintergrund. Die berühmten alten weißen Männer machen gerade einmal 30 Prozent der neuen Landesregierung aus. Mehr Vielfalt, Verzeihung, Diversity, gab es im Senat noch nie. Hier sei die „vermeintliche Rückschrittkoalition deutlich fortschrittlicher als ihre Vorgänger“, freut sich Tagesspiegel-Redakteurin Ann-Kathrin Hipp in einem Kommentar vom Dienstag vergangener Woche. Ausländer in Machtpositionen, das ist bekanntlich gleichbedeutend mit Fortschritt. Und dass mit Felor Badenberg eine gebürtige Iranerin die Justizverwaltung übernimmt, ist für sie „eine ganz klare Ansage an all jene, die Kai Wegner und der Partei in den vergangenen Wochen ‚rechte Tendenzen‘ vorgeworfen haben.“ Richtig gelesen, rechte Tendenzen in Anführungsstrichen.

Freitag-online

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Was sind die Ergebnisse aus vorherigen Wahlen noch Wert, wenn nicht für eine Verbesserung gearbeitet wird ? Alter Lorbeer lässt keine neuen Blüten sprießen.

WAHL IN BREMEN – Linkspartei geht in Umfragen in den Sinkflug. Rechte Kleinpartei »Bürger in Wut« dürfte von Nichtzulassung der AfD profitieren

5.) Linke – Vor dem nächsten Absturz

In Bremen geht der Wahlkampf auf die Zielgerade. Die Bürgerschaftswahl steht am 14. Mai an, und aktuell versuchen die Parteien besonders mit Prominenz von auswärts zu punkten. Am Dienstag waren Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD), Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Bündnis 90/Die Grünen) und Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Die Linke) im kleinsten Bundesland unterwegs, um Werbung für ihre jeweilige Partei zu machen. Laut den jüngsten Umfragen könnte es für die seit vier Jahren regierende »rot-grün-rote« Koalition erneut reichen. Allerdings nur dank einer erstarkten SPD – die Grünen bröckeln ab, und die Umfragewerte der Linkspartei sind deutlich im Sinkflug: Für sie könnte, wenn sich dieser Trend fortsetzt, im ungünstigsten Fall sogar die Fünfprozenthürde zum Problem werden. Damit hatte vor ein paar Wochen, als man in Umfragen noch auf acht oder neun Prozent kam, vermutlich niemand in der regierungslinken Führung des Landesverbandes gerechnet. In der neuesten Erhebung des Instituts INSA vom 29. April liegen Union und Sozialdemokraten deutlich vorn und mit 30 Prozent gleichauf. Anders als noch vor einigen Wochen fallen die Grünen in dieser Umfrage mit 15 Prozent relativ deutlich hinter ihr Wahlergebnis von 2019 (17,4 Prozent) zurück. Die FDP kann darauf hoffen, wieder in die Bürgerschaft einzuziehen, sie wird mit sieben Prozent notiert. Die Linkspartei wurde in dieser Umfrage nur noch mit sechs Prozent gemessen – womit sie ihr Ergebnis von 11,3 Prozent von 2019 nahezu halbieren würde.

junge.Welt-online

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Den Morgengruß an gleicher Stelle – schreibt jeden Tag
„Der freche Bengel“

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