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RENTENANGST

Archiv für März 27th, 2023

Mensch und Maschine

Erstellt von DL-Redaktion am 27. März 2023

Die KI orientiert sich ausschließlich an Wahrscheinlichkeiten

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Sehen wir so die Politiker auf ihren Parteibühnen oder im Reichstag ?

Ein Debattenbeitrag von Nicolaus Wilder

Die Angst, die Maschine könne den Mensch ersetzen, ist so alt wie die Maschine. Bewahrheitet hat sie sich nie, und das wird sie auch bei der KI nicht. Wahrheit ist für sie kein orientierungsstiftendes Konzept.

Stellen Sie sich Folgendes vor: Eine künstliche textgenerierende Intelligenz – nennen wir sie Skynet – bringt die Menschheit im Jahre 2050 dazu, sich selbst auszurotten. Nun wurde sie aber von den Menschen darauf programmiert, sich weiterzuentwickeln, also zu lernen. Die hinter der KI stehende Logik ist dabei kein Hexenwerk, denn letztlich reagiert sie auf einen gegebenen Input mit einer Aussage, die sich anhand ihrer Trainingsdaten als die wahrscheinlichste ableiten lässt. Jetzt ist die KI so leistungsstark, dass alle von ihr generierten Outputs automatisch in den Trainingsdatensatz einfließen. Dadurch entsteht dann folgender Zirkel: Aus den vielfältigen theoretischen Antwortmöglichkeiten wählt sie die wahrscheinlichste aus. Diese wahrscheinlichste Antwort fließt dann wieder in den Trainingsdatensatz ein und erhöht dadurch die Wahrscheinlichkeit, dass diese Antwort bei der nächsten Anfrage wieder ausgespuckt wird, da diese Wortreihenfolge im Trainingsdatensatz nun noch häufiger vorkommt, damit also wahrscheinlicher wird.

Das bedeutet, dass mit jeder Trainingsrunde die unwahrscheinlichen Möglichkeiten unwahrscheinlicher werden und die wahrscheinlichen wahrscheinlicher. Dieser Prozess führt aufgrund der Hebb’schen Lernregel neuronaler Netze notwendigerweise – metaphorisch gesprochen – zum Big Freeze der Textgenerierung, dem absoluten Stillstand, weil alle zunächst gegebenen Möglichkeiten auf eine einzige reduziert werden. Wenn textgenerierende KIs also anfangen, sich selbst zu trainieren, dann landen am Ende Input, Output und Trainingsdaten alle bei 42, die Antwort auf die – um es mit Douglas Adams Worten zu sagen – „endgültige Frage nach dem Leben, dem Universum und dem ganzen Rest“.

Was aus diesem Gedankenexperiment folgt, soll im Folgenden exemplarisch für Wissenschaft und Journalismus skizziert werden. Generative KIs sind bei der Weiterentwicklung notwendigerweise angewiesen auf menschlichen Input. Sie reproduzieren stets das Wahrscheinlichste, erhalten damit zwingend den Mainstream und können so nicht grundlegend innovativ sein. Eine KI, die ausschließlich mit Daten trainiert wurde, die sagen, dass die Welt eine Scheibe ist, kommt von sich aus nicht auf die Idee, dass sie vielleicht doch eine Kugel sein könnte. Noch weniger macht sie sich mit einem Schiff auf den Weg, um das zu beweisen, denn Wahrheit ist für sie nur eine Zeichenreihenfolge und kein orientierungsstiftendes Konzept. Die KI orientiert sich ausschließlich an Wahrscheinlichkeiten.

Für die Wissenschaft heißt das, dass viele Dinge von KIs übernommen werden können, die in der Auseinandersetzung mit dem Bestehenden liegen: recherchieren, zusammenfassen, sortieren, gewichten sowie mitunter das Verfassen von Standardlehrbüchern oder Rezensionen. Dem Menschen schafft sie dadurch Zeit und Raum, sich auf das Innovative, das im gegenwärtigen Paradigma Unwahrscheinliche, dem Denken in alternativen Möglichkeiten zu konzentrieren. Das ist das Wesen des wissenschaftlichen Erkenntnisfortschritts, die Suche nach dem einen schwarzen Schwan.

Ähnliches gilt für den Journalismus. Niemand muss sich noch mit undankbaren Aufgaben aufhalten, Meldungen großer Nachrichtenagenturen umzuschreiben. Stattdessen wird Raum geschaffen für investigativen und oder lokalen Qualitätsjournalismus, der sich genau darin widerspiegelt, dass er nicht das Übliche reproduziert, sondern das Unbekannte aufdeckt oder über das Einzelne, das lokal Besondere berichtet, was der KI egal ist.

KI richtig eingesetzt hat also das Potenzial, uns von einigen leidigen Dingen des Alltags zu befreien oder zumindest die dafür aufzuwendende Zeit zu verkürzen und uns damit den Raum zu geben, den viele aus ihrem eigenen Berufsverständnis heraus in der Vergangenheit schmerzlich vermisst haben. Richtig eingesetzt können KIs uns sowohl für innovative und kreative Schaffens­prozesse als auch für Reflexionsprozesse Zeit verschaffen, was zweifelsfrei beiden oben genannten Beispielen zugutekäme. Ein derartiger Einsatz von KIs kann aber nur dann gelingen, wenn wir anfangen, die jahrhundertelang etablierte dystopisch-dichotome Logik von Mensch gegen Maschine zu überwinden hin zu einer komplementären Logik, deren Fruchtbarkeit genau in der Interaktion von Mensch mit Maschine besteht.

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Kapitalismus-Kannibalismus

Erstellt von DL-Redaktion am 27. März 2023

Die multidimensionale Krise und der Sozialismus des 21. Jahrhunderts

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Von Nancy Fraser

Seit dem Ende der Systemkonkurrenz, dem Untergang des realexistierenden Sozialismus, gibt es auf der Welt nur noch ein herrschendes System, wenn auch in durchaus unterschiedlicher Ausprägung, nämlich den Kapitalismus. Da aber die globalen Krisen nicht ab-, sondern zunehmen und sich wechselseitig verstärken, stellt sich eine entscheidende Frage: Was stimmt nicht mit dem Kapitalismus? Kritiker, die den Kapitalismus aus einem eher eng gefassten Blickwinkel, als bloße Wirtschaftsform, betrachten, erkennen an ihm drei wesentliche Fehler: Ungerechtigkeit, Irrationalität und Unfreiheit.

Erstens sehen sie die zentrale Ungerechtigkeit des Systems in der Ausbeutung der Klasse der freien, eigentumslosen Arbeiter durch das Kapital. Letztere arbeiten viele Stunden umsonst und produzieren enormen Reichtum, an dem sie keinen Anteil haben. Der Nutzen fließt vielmehr der Kapitalistenklasse zu, die sich die überschüssige Arbeit und den dadurch erzeugten Mehrwert aneignet und letzteren für ihren eigenen, vom System diktierten Zweck reinvestiert – nämlich um immer mehr davon zu akkumulieren. Die noch schwererwiegendere Folge ist das unerbittliche exponenzielle Wachstum des Kapitals als feindselige Macht, die genau die Arbeiter beherrscht, die es produzieren. Schauplatz dieser Ausbeutung ist die Sphäre der Produktion.

Zweitens besteht nach dieser Sichtweise eine der entscheidenden Irrationalitäten des Kapitalismus in seiner eingebauten Tendenz zu wirtschaftlichen Krisen. Ein Wirtschaftssystem, das auf die unbegrenzte Akkumulation von Mehrwert ausgerichtet ist, der von profitorientierten Unternehmen privat angeeignet wird, ist von Natur aus selbstdestabilisierend. Das Streben nach Kapitalvermehrung durch Produktivitätssteigerung mittels technischen Fortschritts führt immer wieder zu einem Fall der Profitrate, zur Überproduktion von Waren und zur Überakkumulation von Kapital. Reparaturversuche wie die Finanzialisierung schieben den Tag der Abrechnung nur hinaus und sorgen dafür, dass er umso schlimmer ausfällt, wenn er denn kommt. Im Allgemeinen wird der Verlauf der kapitalistischen Entwicklung von periodischen Wirtschaftskrisen unterbrochen: von Boom-Bust-Zyklen, Börsencrashs, Finanzpaniken, Pleitewellen, massiver Wertvernichtung und Massenarbeitslosigkeit.

Und schließlich drittens besagt die eher enge Sichtweise, dass der Kapitalismus zutiefst unfrei und damit konstitutiv undemokratisch ist. Zugegeben, er verspricht oftmals – gerade in seiner europäischen Ausprägung – Demokratie im politischen Bereich. Dieses Versprechen wird jedoch systematisch im Ökonomischen durch soziale Ungleichheit einerseits und durch Klassenmacht andererseits unterlaufen. Insbesondere der kapitalistische Arbeitsplatz ist in den meisten Ländern von jeglichem Anspruch auf demokratische Selbstverwaltung ausgenommen. In dieser Sphäre befiehlt das Kapital und die Arbeiter gehorchen.

Die Probleme des Kapitalismus ergeben sich gemäß dieser Perspektive aus der inneren Dynamik der kapitalistischen Wirtschaft, seine Fehler liegen also primär in seiner wirtschaftlichen Organisation. Dieses Bild ist keineswegs falsch, aber unvollständig. Es zeigt vor allem die dem System inhärenten wirtschaftlichen Übel korrekt auf, versäumt es aber zugleich, eine Reihe von nichtökonomischen Ungerechtigkeiten, Irrationalitäten und Unfreiheiten zu erfassen, die ebenso konstitutiv für das System sind. Um diese zu identifizieren, verlangt der Begriff „Kapitalismus“ nach einer grundsätzlichen Klärung. Mit dem Wort wird gemeinhin ein Wirtschaftssystem bezeichnet, das auf Privateigentum und Markttausch, auf Lohnarbeit und gewinnorientierter Produktion beruht. Aber diese Definition ist zu eng gefasst und verschleiert eher das wahre Wesen des Systems, als dass sie es offenlegt.

„Kapitalismus“, so werde ich im Folgenden argumentieren, bezeichnet etwas weit Größeres, Umfassenderes, nämlich eine Gesellschaftsordnung, die eine profitorientierte Wirtschaft dazu befähigt, die außerökonomischen Stützen, die sie zum Funktionieren braucht, auszuplündern: Reichtum, der der Natur und unterworfenen Bevölkerungen entzogen wird; vielfältige Formen von Care-Arbeit, die chronisch unterbewertet, wenn nicht gar völlig verleugnet werden; öffentliche Güter und staatliche Befugnisse, die das Kapital sowohl benötigt als auch zu beschneiden versucht; die Energie und Kreativität der arbeitenden Menschen. Obwohl sie nicht in den Unternehmensbilanzen auftauchen, sind diese Formen des Reichtums wesentliche Voraussetzungen für die Profite und Gewinne, die dort sehr wohl verzeichnet sind. Als wesentliche Grundlagen der Akkumulation stellen auch sie konstitutive Bestandteile der kapitalistischen Ordnung dar.

Kapitalismus bezeichnet also nicht nur eine Wirtschaftsform, sondern eine Gesellschaftsform, die es einer offiziell als kapitalistisch bezeichneten Wirtschaft erlaubt, monetären Wert für Investoren und Eigentümer anzuhäufen, während sie den nicht ökonomisierten Reichtum aller anderen verschlingt. Indem sie diesen Reichtum den Konzernen auf dem Silbertablett serviert, lädt sie diese ein, sich an unseren kreativen Fähigkeiten und an der Erde, die uns ernährt, zu laben – ohne die Verpflichtung, das, was sie verbrauchen, wieder aufzufüllen, oder das, was sie beschädigen, zu reparieren.

Damit aber sind den verschiedensten Problemen Tür und Tor geöffnet. Zugespitzt gesagt: Wie der Ouroboros, das alte Bildsymbol einer den eigenen Schwanz fressenden Schlange, ist die kapitalistische Gesellschaft darauf ausgerichtet, ihre eigene Substanz zu verschlingen. Sie ist ein wahrer Dynamo der Selbstdestabilisierung, der regelmäßig Krisen auslöst, während er routinemäßig die Grundlagen unserer Existenz auffrisst.

Eine seltene Art von Krise in Form mehrerer Fressanfälle

Der Kapitalismus ist also ein kannibalistisches System, dem wir die gegenwärtige globale Krise verdanken. Offen gesagt, handelt es sich um eine seltene Art von Krise, in der mehrere Fressanfälle zusammentreffen. Was wir dank der jahrzehntelangen Finanzialisierung erleben, ist nicht „bloß“ eine Krise der grassierenden Ungleichheit und der prekären Niedriglohnarbeit; auch nicht „bloß“ eine Krise der Fürsorge oder der sozialen Reproduktion; auch nicht „bloß“ eine Krise der Migration und der rassistischen Gewalt. Es handelt sich auch nicht „einfach“ um eine ökologische Krise, in der ein sich aufheizender Planet tödliche Seuchen ausspuckt, und nicht „nur“ um eine politische Krise, die sich durch eine ausgehöhlte Infrastruktur, einen verstärkten Militarismus und dadurch auszeichnet, dass überall auf dem Globus Politiker Erfolg haben, die sich als starke Männer (strong men) gerieren. Oh nein, es ist viel schlimmer: Wir haben es mit einer allgemeinen Krise der gesamten Gesellschaftsordnung zu tun, in der all diese Katastrophen konvergieren, sich gegenseitig verschärfen und uns zu verschlingen drohen. Legt man dieses „kannibalische“ Verständnis des Kapitalismus zugrunde, kommen diese fundamentalen Probleme klar zum Vorschein.

Erstens fördert die kannibalische Sicht auf den Kapitalismus einen erweiterten Katalog von Ungerechtigkeiten zutage. Diese sind aber eben nicht ausschließlich in der Ökonomie des Systems begründet, sondern in den Beziehungen zwischen der kapitalistischen Ökonomie und ihren nichtökonomischen Bedingungen. Ein Beispiel dafür ist die Trennung zwischen wirtschaftlicher Produktion, bei der die notwendige Arbeitszeit in Form von Geldlöhnen vergütet wird, und sozialer Reproduktion, bei der die Arbeit unbezahlt oder unterbezahlt ist, naturalisiert oder sentimentalisiert und zum Teil mit Liebe vergütet wird. Diese historisch geschlechtsspezifische Aufteilung verankert wichtige Formen der Herrschaft im Herzen der kapitalistischen Gesellschaften: die Unterordnung der Frau, die Geschlechterbinarität und die Heteronormativität. In ähnlicher Weise errichten kapitalistische Gesellschaften eine strukturelle Trennung zwischen freien „Arbeitern“, die ihre Arbeitskraft gegen Lohn zur Deckung ihrer Reproduktionskosten eintauschen können, und abhängigen „Anderen“, deren Körper, Land und Arbeitskraft einfach beschlagnahmt werden können. Diese Teilung fällt mit der globalen colour line zusammen. Sie trennt die „bloß“ Ausbeutbaren von den offen Enteigenbaren und rassifiziert letztere Gruppe als von Natur aus verletzlich. Das Ergebnis ist die Verfestigung einer Reihe von strukturellen Ungerechtigkeiten, darunter rassistisch motivierte Unterdrückung, (alter und neuer) Imperialismus, die Enteignung von Indigenen und Völkermord.Schließlich führen kapitalistische Gesellschaften eine scharfe Trennung zwischen Menschen und nichtmenschlicher Natur ein, die nicht mehr demselben ontologischen Universum angehören. Die nichtmenschliche Natur fungiert allein als Zapfhahn und Senke, weshalb sie sich brutaler Instrumentalisierung ausgesetzt sieht. Selbst wenn man dies nicht als Ungerechtigkeit gegen die „Natur“ (oder gegen nichtmenschliche Tiere) betrachten will, ist es doch zumindest eine Ungerechtigkeit gegen bestehende und künftige Generationen von Menschen, denen ein zunehmend unbewohnbarer Planet hinterlassen wird. Generell macht also eine erweiterte Sicht der kapitalistischen Gesellschaft einen erweiterten Katalog struktureller Ungerechtigkeiten sichtbar, der die Klassenausbeutung einschließt, aber weit darüber hinausgeht.

Die systematische Zerstörung der eigenen Grundlagen

Eine sozialistische Alternative zum Kapitalismus müsste neben den ökonomischen Ausbeutungsverhältnissen auch diese anderen gesellschaftlichen Ungerechtigkeiten beseitigen. Sie darf sich nicht darauf beschränken, die Organisation der wirtschaftlichen Produktion zu verändern, sondern muss auch deren Verhältnis zur gesellschaftlichen Reproduktion und damit die Geschlechter- und Sexualordnung transformieren. Ebenso muss sie der Mitnahmementalität des Kapitals mit Blick auf die Natur und der Enteignung des Reichtums der unterjochten Bevölkerungen und damit der rassistischen und imperialistischen Unterdrückung ein Ende machen. Kurz gesagt: Wenn der Sozialismus die Ungerechtigkeiten des Kapitalismus beseitigen soll, muss er nicht „nur“ die kapitalistische Wirtschaft, sondern die gesamte institutionalisierte Ordnung der kapitalistischen Gesellschaft verändern.

Aber damit noch nicht genug. Das erweiterte Konzept weitet auch unseren Blick darauf, was als kapitalistische Krise gilt. Wir können auf diese Weise einige eingebaute selbstdestabilisierende Tendenzen erkennen, die über die der kapitalistischen Wirtschaft innewohnenden Dynamiken hinausgehen.

Erstens gibt es eine systemische Tendenz, die soziale Reproduktion zu kannibalisieren – und damit Fürsorgekrisen zu provozieren. In dem Maße, in dem das Kapital versucht, die Bezahlung der unbezahlten Care-Arbeit, von der es abhängig ist, zu vermeiden, übt es regelmäßig enormen Druck auf diejenigen aus, die diese Arbeit in erster Linie leisten: Familien, Gemeinschaften und vor allem Frauen. Die gegenwärtige, finanzialisierte Form der kapitalistischen Gesellschaft erzeugt heute genau eine solche Krise, da sie sowohl eine Kürzung der öffentlichen Bereitstellung sozialer Dienstleistungen als auch eine Erhöhung der Lohnarbeitsstunden pro Haushalt, also gerade auch von Frauen, fordert.

Die erweiterte Sichtweise macht zweitens eine inhärente Tendenz zur ökologischen Krise sichtbar. Da das Kapital es vermeidet, auch nur annähernd die wahren Wiederbeschaffungskosten für die Inputs zu zahlen, die es der nichtmenschlichen Natur entnimmt, laugt es die Böden aus, verschmutzt es die Meere, überflutet es Kohlenstoffsenken und überfordert ganz allgemein die Kohlenstoffspeicherkapazität des Planeten. Es bedient sich kannibalisch am natürlichen Reichtum und verleugnet dessen Reparatur- und Ersatzkosten, wodurch es die metabolische Interaktion zwischen den menschlichen und nichtmenschlichen Komponenten der Natur regelmäßig destabilisiert. Die Folgen sind heute unübersehbar: Was den Planeten zu verbrennen droht, ist nämlich nicht, wie in fast jeder UN-Deklaration bemüht, „die Menschheit“, sondern der Kapitalismus.

Die Tendenzen des Kapitalismus zur ökologischen und sozial-reproduktiven Krise sind drittens untrennbar mit seinem konstitutiven Bedarf an enteignetem Reichtum rassifizierter Bevölkerungen verbunden: seine Abhängigkeit von gestohlenem Land, erzwungener Arbeit und geplünderten Rohstoffen; seine Abhängigkeit von rassifizierten Zonen als Deponien für Giftmüll und von rassifizierten Gruppen als Lieferanten von unterbezahlter Care-Arbeit, die zunehmend in globalen Betreuungsketten organisiert wird. Das Ergebnis ist eine Verflechtung von wirtschaftlicher, ökologischer und sozialer Krise mit Imperialismus und rassistisch-ethnischem Antagonismus.

Von der Krise des Regierens zur Untergrabung der Demokratie

Viertens offenbart der erweiterte Blick auf den Kapitalismus eine strukturelle Tendenz zur politischen Krise. In diesem Bereich will das Kapital ebenfalls beides zugleich haben: öffentliche Güter und eine Freistellung von ihrer Finanzierung. Durch die Hinterziehung von Steuern und die Schwächung staatlicher Regulierungen neigt es dazu, die öffentliche Gewalt auszuhöhlen, von der es doch zugleich abhängig ist. Die aktuelle, finanzialisierte Form des Kapitalismus hebt dieses Spiel auf eine ganz neue Ebene. Die Megakonzerne sind den territorial gebundenen öffentlichen Mächten weit überlegen, indem die globale Finanzwelt die Staaten diszipliniert; indem sie Wahlergebnisse, die nicht in ihrem Sinne ausfallen, lächerlich macht und antikapitalistische Regierungen daran hindert, auf die Forderungen der Bevölkerung einzugehen. Das Ergebnis ist eine große Krise des Regierens, die nun mit einer Krise der Hegemonie einhergeht, da sich die Menschen auf der ganzen Welt massenhaft von den etablierten politischen Parteien und dem neoliberalen Common Sense abwenden.

Und schließlich ist da noch das eingebaute Demokratiedefizit des Kapitalismus. Auch dieser Fehler erscheint weitaus größer, wenn wir uns eine erweiterte Sichtweise dieses Gesellschaftssystems zu eigen machen. Das Problem besteht nicht nur darin, dass die Bosse in den Fabriken das Sagen haben. Es geht auch nicht nur darum, dass wirtschaftliche Ungleichheit und Klassenmacht jeden Anspruch auf gleiche demokratische Mitsprache im politischen Bereich zunichtemachen. Ebenso wichtig, wenn nicht sogar noch wichtiger ist, dass dieser Bereich von Anfang an stark beschnitten wurde.

Tatsächlich wird durch die Trennung von Wirtschaft und Gemeinwesen der Spielraum für demokratische Entscheidungen von vornherein radikal verkleinert. Wenn die Produktion an private Unternehmen übertragen wird, sind es nicht wir, die unser Verhältnis zur Natur und das Schicksal des Planeten kontrollieren, sondern die Klasse der Kapitalisten. Ebenso entscheiden nicht wir, sondern sie über die Form unseres Arbeits- und Nichtarbeitslebens – wie wir unsere Energien und unsere Zeit aufteilen, wie wir unsere Bedürfnisse interpretieren und befriedigen. Indem sie die private Aneignung des gesellschaftlichen Überschusses gestattet, ermächtigt die spezifische Verbindung von Wirtschaft und Gemeinwesen schließlich die Kapitalisten, den Gang der gesellschaftlichen Entwicklung zu gestalten und damit unsere Zukunft zu bestimmen. Die zentralen gesellschaftlichen Fragen werden in kapitalistischen Gesellschaften also von vornherein von der politischen Agenda gestrichen. Investoren, die auf maximale Akkumulation aus sind, entscheiden sie hinter unserem Rücken. Kurzum: Der Kapitalismus kannibalisiert nicht nur sich selbst, sondern auch uns – er raubt uns die kollektive Freiheit, gemeinsam zu entscheiden, wie wir leben wollen.

Wie hätte ein Sozialismus für das 21. Jahrhundert auszusehen?

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Oben     —     Großbaustelle der Blöcke F und G des Braunkohlekraftwerks mit optimierter Anlagentechnik (BoA) Neurath bei Grevenbroich

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Der Spielejournalismus

Erstellt von DL-Redaktion am 27. März 2023

Das neue Feigenblatt des Spielejournalismus

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Quelle          :        Netzpolitik ORG.

Kolumne von 

Ein Infokasten wird zum Schleichweg einer Branche: Statt Verantwortung zu übernehmen, drücken sich Redaktionen vor der Diskussion, wie moderner Journalismus aussehen muss.

Die gute Nachricht zuerst: Der Fachjournalismus hat sich in den vergangenen Jahrzehnten ebenso weiterentwickelt wie die Spiele, über die er berichtet. Die schlechte Nachricht: Diese Entwicklung scheint nun an einer besonders sensiblen Stelle zu stagnieren. Ein moralisches Schlupfloch ist zur Stolperfalle für den modernen Spielejournalismus geworden – und ich hoffe, dass ich mich mit dieser Beobachtung täusche.

Auf den ersten Blick alles rosig

Wenn ich mich heute durch die wichtigsten Websites klicke oder die letzten verbliebenen Printmagazine aufschlage, kann ich mehr Reportagen, mehr Hintergrundberichte, mehr Experimentierfreude entdecken als jemals in den fast vierzig Jahren davor. Dabei wird längst immer weiter über die Grenzen der eigenen Branche geblickt: Wissenschaftler*innen, Lehrer*innen, Historiker*innen und viele weitere Expert*innen beantworten Fragen, ordnen ein, kommentieren und erläutern, was der Spielejournalismus selbst nicht weiß. Das Nachfragen bei Menschen, die sich auskennen, ist en vogue.

Aber nicht nur die Riege der Fachleute hat sich vergrößert, auch die Redaktionen selbst sehen heute anders aus: diverser, jünger, weiblicher. Eine überfällige Veränderung, die endlich die bunte Zielgruppe der eigenen Berichterstattung spiegelt. Reine Männertrupps gelten als überholt und altmodisch.

Auch an einer anderen Stelle hat sich der moralische Branchenkompass neu ausgerichtet: Fotostrecken von dickbrüstigen Spielfiguren (industrie-intern poetisch „Tittenklickstrecken“ getauft), Nacktpatch-Anleitungen und Best-ofs der heißesten Messebabes waren einst Eckpfeiler des Klickjournalismus. Sie sind heute fast ausnahmslos aus dem deutschen Spielejournalismus verschwunden. Nicht, weil sie sich nicht mehr lohnen würden, sondern weil sie unhaltbar aus der Zeit gefallen sind (oder saftige Abmahnungen nach sich gezogen haben).

All das sind Umwälzungen, die Kraft und Geld gekostet haben und Lob verdienen. Von dieser Modernisierung auf so vielen unterschiedlichen Ebenen profitieren Redaktionen, ihr Publikum und die Berichterstattung über das Medium selbst. Und doch scheint diese steigende Kurve der Weiterentwicklung nun ein Plateau erreicht zu haben – einen kritischen Punkt, der zu bequem, zu sicher erscheint, um ihn unter neuerlichem Aufwand von Kraft und Geld hinter sich zu lassen. Nach außen könnte es nicht harmloser erscheinen: Ich spreche von einem speziellen Infokasten, der in den vergangenen Wochen immer häufiger zwischen Schlagzeilen und Reportage-Absätzen auftauchte.

Das neue Feigenblatt des Spielejournalismus

Dieser Infokasten, der je nach Website auch als redaktioneller Einschub oder kurzer Absatz entdeckt werden kann, hängt mit einem Spiel zusammen, das noch in diesem Jahr erscheinen soll: Diablo 4, die Fortsetzung eines der bekanntesten und langlebigsten Franchises der Gamingwelt.

Die Vorfreude der Fans ist riesig, die Aufmerksamkeit der Presse für dieses Spiel dem Anschein nach uneingeschränkt. Überall buhlen derzeit News, Vorschauen und Kolumnen über diesen Titel um Klicks und Aufmerksamkeit. Und zwischen all der Vorfreude und Aufregung? Ein kleiner Vermerk, ein kurzer Einschub, der auf das hinweist, womit sich das Entwicklerteam von Diablo 4 in den letzten Monaten herumschlagen musste. Es geht um den Riesenkonzern Blizzard, Missbrauchsvorwürfe von ehemaligen Mitarbeiterinnen, Kündigungswellen und Klagen von Angestellten.

Hier hat der Fachjournalismus im ersten Schritt gute Arbeit geleistet, seinen Job gemacht: Alle wichtigen Redaktionen haben diese Meldungen um Blizzard aufgegriffen, sie eingeordnet und teilweise sogar zum Anlass genommen, größere Reportagen über Sexismus in der Spielebranche und Arbeitsrechte von Angestellten zu veröffentlichen. Aber wie zuletzt bei Hogwarts: Legacy, das untrennbar mit Joanne K. Rowling und ihren transphoben Äußerungen zusammenhängt, stellt sich auch bei Diablo 4 die große Sinnfrage: Wie umgehen mit einem Spiel, das von einem Studio entwickelt wird, gegen das derart schwere Vorwürfe von sexueller Belästigungen und Diskriminierungen erhoben werden?

Es ist absehbar, dass sich diese Frage nach der Trennung von Urheber und Spiel in Zukunft leider immer wieder stellen wird. Eine Antwort, ein Verhaltensmuster für diese Fälle muss also her. Und die Antwort, die nun offenbar redaktionsübergreifend gefunden wurde, ist denkbar unelegant, ethisch fragwürdig – und hoffentlich nur eine vorübergehende Lösung.

Ein Infokasten als Antwort

Diese Antwort ist der Infokasten, ein aufklärender Einschub: Fast alle Berichte über Diablo 4 werden von einem kurzen Hinweis auf die vergangene Berichterstattung zu den Vorwürfen gegen Blizzard unterbrochen. Ein bis drei Zeilen, die mit Links auf bereits geschriebene Statements und Kolumnen verweisen. Danach? Weiter im Text, weiter mit der Vorfreude auf ein Riesenspiel, das getrennt von den Vorwürfen gegen das Entwicklerteam besprochen werden soll.

Dieser formalistische Clou wirkt leider wie ein fauler Spagat zwischen notgedrungen wahrgenommener Verantwortung vor dem Riesenthema „Sexismus“ und der SEO-Gier, einen so großen Titel nicht einfach ignorieren zu können. Der Infokasten mutiert zum Hinweis auf eine Fleißarbeit, die leidig getätigt wurde und nun als erledigt gilt.

Postbriefkasten (Österreich) der Österreichischen Post AG

Offizielle Begründungen wirken mitunter vorgeschoben und überschätzen den aktuellen Einfluss der Fachpresse, wie zum Beispiel jene des GameStar, wonach mit einem „Boykott“ des Spiels auch Entwickler*innen „bestraft“ würden, die nichts mit den Vorwürfen zu tun haben. Ein herbei gezerrtes Feigenblatt, das die eigene Blöße bedecken soll.

Dabei gäbe es Zwischentöne, die die Existenz des Spiels weder ignorieren noch jegliche Verantwortung auf einen Querverweis-Dreizeiler abschieben: Eine bewusst eingeschränkte Berichterstattung etwa, die nicht über zentrale Formate wie einen Test hinausgeht und die somit ein deutliches Zeichen setzen würde. Oder das Ende einer Trennung von „Spielbesprechung“ auf der einen Seite und Einordnungen von Vorwürfen gegen das Studio auf der anderen Seite, um so der Tatsache gerecht zu werden, dass Werk und Urheber miteinander verbunden sind. Und ich bin mir sicher: Es gibt noch klügere, noch bessere Antworten, die ein Redaktionsteam finden kann, das an anderen Stellen hochwertige Reportagen und Berichte auf den Weg bringt.

Presse, zeige Haltung!

Ohne Haltung ist Journalismus zahnlos. Und mit dem neuen Feigenblatt haben sich Redaktionen vorerst die Möglichkeit genommen, ernste Vorwürfe innerhalb der Industrie auch mit Konsequenzen in der Berichterstattung zu versehen. Stattdessen soll der Mittelweg die Google-Suchanfragen und den Druck zur Positionierung gleichermaßen befriedigen. Das Ergebnis?

Eine Lösung, die bequem erscheint, aber den Spielejournalismus um eine dringend notwendige Gelegenheit beraubt, Rückgrat zu zeigen. Wenn nicht in diesem Fall, wann dann?

Vielleicht tue ich mit diesem Urteil den Redaktionen Unrecht, die sich nicht bewusst sind, wie ihre Lösung für die obige Sinnfrage nach außen hin wirken kann. Denn leicht ist diese Diskussion und die Suche nach einem Umgang mit dem beschriebenen Dilemma in der Tat nicht. Und vielleicht gehöre ich nur zu der verschwindend kleinen Minderheit, die sich am beschriebenen Umgang mit der Causa Blizzard & Co. stört und mehr Konsequenz verlangt.

Vielleicht aber auch nicht. Und dieser Gedanke sollte zum Anstoß genommen werden, schleunigst wieder das Plateau zu verlassen, auf dem es sich zu viele Redaktionen gerade erst gemütlich gemacht haben.

Lizenz: Die von uns verfassten Inhalte stehen, soweit nicht anders vermerkt, unter der Lizenz Creative Commons BY-NC-SA 4.0.

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Oben     —       [1] Adam und Eva bedecken ihre Geschlechtsteile mit einem Feigenblatt; Gemälde von Lucas Cranach d. Ä.

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DIE * WOCHE

Erstellt von DL-Redaktion am 27. März 2023

Wie geht es uns, Herr Küppersbusch?

https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/1/1b/Die-Woche.png?uselang=de

Kolumne von Friedrich Küppersbusch

Halbe China-Woche, volle Verantwortung für die Ukraine und Özil-Anteile bei Rot-Weiss Essen. Kaum ist Xi Jinping aus der Tür, will Putin Atomwaffen nach Belarus verlegen. Wir sind mittendrin. – Deal oder Sack Reis.

taz: Herr Küppersbusch, was war schlecht vergangene Woche?

Friedrich Küppersbusch: Lamento über bevorstehenden Streik.

Und was wird besser in dieser?

Trotzdem Streik.

Chinas Staatsoberhaupt Xi hat Putin besucht – ganze drei Tage lang! Was sagt uns diese ungewöhnlich lange Staatsreise?

Na ja, ’ne halbe China-Woche. Kaum ist Xi Jinping aus der Tür, will Putin Atomwaffen nach Belarus verlegen. Schwer zu lesen: Hat Putin sich das Okay dazu geholt vom „Gast auf Augenhöhe“ – oder ist es gut russische Art, alten Freunden einen Schwall hinterherzukotzen? China und Russland forderten eine „gerechte multipolare Weltordnung“, also keine alleinige Supermacht. Jedenfalls keine, die nicht China oder Russland heißt, mag man argwöhnen. Nun reisen Macron und von der Leyen für das europäische Supermächtchen nach Peking. Da liegt alles auf dem Tisch: Chinas Nein zur nuklearen Eskalation – wie zur „Ausweitung militärischer Bündnisse“. Also kein Nato-Beitritt der Ukraine. Deal oder Sack Reis. Das wird nicht ohne die USA entschieden, wonach die taz mich möglicherweise gleich fragen wird.

US-Außenminister ­Antony Blinken schließt langfristig Verhandlungen über die künftigen Grenzen der Ukraine nicht aus. Die Entscheidung darüber liege aber bei den Ukrainern. Wem würden Sie die Entscheidung überlassen?

Nach einem Jahr Lieferungen schwerer Moral und Waffen ist die Ukraine heute das, was ein Jahr Moral und Waffen aus ihr gemacht hat: Wir stecken mit drin. Deshalb ist es wohlfeil und billig, den Krieg mit allen verfügbaren Mitteln zu unterstützen, ohne auch Verantwortung für sein Ende zu übernehmen. Vor einem Jahr hatte Selenski einen neutralen Status für die Ostukraine und ein 15-jähriges Moratorium über die Krim vorgeschlagen. Sicherheitsgarantien statt Nato-Beitritt, Neu­tra­lität – Rückeroberung, Siegfrieden. Je nach Kriegsverlauf wandelte sich die Kiewer Position. Das ist verständlich und eben auch vom Westen mit geschaffen. Eine Ukraine, „die den Krieg gewinnen muss“, ist ein anderes Land als eine Ukraine, die ihre Toten zählt. Und eigentlich könnten es nur die entscheiden, die nichts mehr entscheiden können.

Bauministerin Klara Geywitz rät Menschen, aufs Land zu ziehen, weil in Städten der Wohnraum knapp ist. Ist diese Maßnahme effektiver als ein Mietendeckel oder die Vergesellschaftung großer Wohnungskonzerne?

Das wird lustig, wenn Dörfler beim fernen Supermarkt anrufen – und der Anruf beim anderen Dörfler nebenan im Homeoffice landet. Dann setzt sich in der Stadt ein Lkw mit einer Dose Joghurt in Bewegung gen Land. Wahrscheinlich bringen sie einen Hausarzt und einen Kindergarten gleich mit. Landflucht ist eine Option für Besserverdienende, die das Umland der Großstädte eh schon preisverdorben haben. Ein Bündnis aus Gewerkschaften, Sozialverbänden und Mieterbund fordert deshalb ein 50-Milliarden-Programm für Sozialwohnungen, also einen bescheidenen Halbwumms. Denn während die Ampel ihr Ziel – 100.000 vergünstigte Wohnungen pro Jahr – gründlich reißt, verschwindet statistisch alle 19 Minuten eine Sozialwohnung. Vermutlich aufs Land. Der naturreligiöse Glaube an den Markt scheint unausrottbar. Also bitte: Wer an den Markt glaubt, glaubt an Konkurrenz. Zum Beispiel staatliche.

Der deutsche Nationalspieler Mesut Özil hat mit 34 Jahren das Ende seiner Karriere bekanntgegeben. Was hat das bei Ihnen ausgelöst?

Tiefe Trauer. Bei jedem Özil-Transfer verdiente sein Ausbildungsverein Rot-Weiss Essen noch mal einen Brosamen mit.

In Frankreich streiken und demonstrieren Hunderttausende gegen die von Präsident Macron durchgeboxte Rentenreform. Warum gibt es so etwas bei uns eigentlich nie?

Quelle        :        TAZ-onine         >>>>>         weiterlesen

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DL – Tagesticker 27.03.2023

Erstellt von DL-Redaktion am 27. März 2023

Direkt eingeflogen mit unseren Hubschrappschrap

Heute in der Leseauswahl des „Bengels“:  – . –  1.) Wie Deutschland zur Lachnummer Europas wurde  – . –  2.) CORONA –  Ärzte fordern mehr Hilfe für Impfgeschädigte  – . –   3.) Danke für den schönen Streik!  – . –   4.) Protest gegen Rentenreform: Macron meidet Geste der Versöhnung – Das birgt Gefahren  – . –   5.) Der lange Atem der Solidarität  – . –   DL wünscht allen Leser-Innen einen schönen Tag und gute Unterhaltung.

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Es ist ganz gewiss kein Zufall wenn gerade Politiker-innen mit ihren Handeln immer wieder auf die gravierende Dummheit ihrer Länder hinweisen.  Denn sie sind es doch letztendlich, mit ihrer Beamtenschaft,  voll dafür Verantwortlich, für wie naiv sie ihr Land in aller Welt verkaufen. Das Volk bildet dabei doch nur den Rattenschwanz welcher nach den Wahlen nur noch ihr Maul zu halten hat. 

Und was hat die ganze Streiterei der Bundesregierung und vor allem des Verkehrsministers Volker Wissing mit der EU-Kommission um die Zukunft des Verbrenner-Motors gebracht? Die meisten Experten sind sich einig: In der Sache wenig bis gar nichts. Aber der Ansehensverlust der deutschen Regierung in Europa ist verheerend.

1.) Wie Deutschland zur Lachnummer Europas wurde

Wissing wollte sich und seine existenzbedrohte FDP als Retter des Verbrenner-Motors beim deutschen Wähler profilieren. SPD-Kanzler Olaf Scholz, passiv wie auch bei vielen anderen Konflikten, ließ ihn gewähren und die Angelegenheit peinlich lange schleifen. So wurde Deutschland in Brüssel zur Lachnummer Europas. Nochmal zu den Einzelheiten: Als wirksame Maßnahme gegen die Klimakrise hatten sich Europaparlament und EU-Staaten schon im vergangenen Oktober darauf geeinigt, dass in Europa ab 2035 nur noch emissionsfreie Neuwagen zugelassen werden dürfen; also nur noch Autos, die kein Benzin und kein Diesel verbrennen und deshalb keine Schadstoffe mehr ausstoßen. Die FDP als Retterin des Verbrenners. Das ganze sollte jetzt im März dieses Jahres verbindlich festgeschrieben werden. Eigentlich nur noch eine Formsache. Dann aber der Sinneswandel des deutschen Ministers. Ein Sinneswandel in Torschlusspanik. Denn Wissings FDP kämpft permanent ums Überleben. Das offenkundige Kalkül: Als die Partei, die das Auto mit Verbrennungsmotor rettet, könnte sie beim Wähler punkten. Also sollte die deutsche Zustimmung vom vorigen Jahr nicht mehr gelten. Die Folge: ein schier endloses und peinliches Gezerre zwischen Brüssel und Berlin.

MoPo-online

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Was die Panik schürende Politiker-innen einst verdorben, soll die Ärzteschaft wieder richtig einordnen. Die für dieses Chaos  Verantwortlichen Gangster haben sich mit vollen Taschen lange vom Acker gemacht und nur noch tiefe Furchen hinterlassen. 

Schwere Folgen der Corona-Impfung sind eher selten. Doch wer betroffen ist, sieht sich mit seinem Problem oft alleingelassen.

2.) CORONA –  Ärzte fordern mehr Hilfe für Impfgeschädigte

Drei Jahre ist es her, dass Deutschland am 22. März 2020 in den ersten Corona-Lockdown geschickt wurde. Die Pandemie wuchs sich zu einer gewaltigen Krise aus. Als am zweiten Weihnachtsfeiertag 2020 die erste Corona-Impfung verabreicht wurde, war die Hoffnung, dass der gesellschaftliche Ausnahmezustand enden würde, groß. Inzwischen ist das Coronavirus für die meisten Menschen nur noch eines von vielen. Doch nun rücken jene in den Blick, die von der Impfung Schäden davongetragen haben.  In Bayern haben bislang 81 Menschen einen offiziell anerkannten Gesundheitsschaden durch die Covid-Impfung erlitten. Zum Vergleich: Im Freistaat haben sich 9,9 Millionen Menschen mindestens einmal gegen Corona impfen lassen. Und doch könnten die Zahlen trügen, die Dunkelziffer der Geschädigten dürfte höher liegen. Denn: Viele Betroffene müssen einen bürokratischen und medizinischen Hindernislauf absolvieren, Ärztevertreter beklagen zudem das komplizierte Meldeverfahren. „Für Post-Vac-Patienten sieht es echt dünn aus, das muss man leider so sagen“, bedauert die Ärztin und Covid-Expertin Jördis Frommhold. „Sie werden an vielen Stellen einfach abgewiesen.“ Post-Vac bezeichnet Beeinträchtigungen nach der Impfung. Astra-Zeneka-Impfstoff wird in Deutschland nicht mehr verimpft.

Augsburger-Allgemeine-online

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Aber machen die Franzosen-innen nicht vieles besser und klarer wenn sie gegen ihre Flickschuster-innen der Politik vorgehen ? Da könnte der Deutsche einiges lernen! „Revolution in Deutschland? Das wird nie etwas. Wenn diese Deutschen einen Bahnhof stürmen wollen, kaufen die sich noch eine Bahnsteigkarte!“ (Zitat Lenin)

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Tarifstreit im öffentlichen Diskurs. Die Streiks dürfen uns freuen – wie immer, wenn Menschen sich gegen Unverschämtheiten von oben wehren. Das mediale Geklingel dazu ist plumpe Täter-Opfer-Umkehr. Haben diejenigen, die nun mediale Schnappatmung bekommen, sich einmal gefragt, welche körperliche Anstrengung und welche menschliche Verantwortung etwa eine Busfahrerin täglich trägt? Ein Krankenpfleger?

3.) Danke für den schönen Streik!

Achtung, Achtung, Deutschland wird ab Montag „in Geiselhaft“ genommen! Die Bundesrepublik ist „zur Immobilität verdonnert“, denn die Gewerkschaften holen nichts Geringeres als „ihre Folterwerkzeuge aus der Schublade“, ja, sie wählen „die höchste Eskalationsstufe“. Spüren Sie auch schon die kalte Waffe im Rücken und den Angstschweiß auf der Stirn, während ohrenbetäubend die Alarmsirenen heulen? Nun kann es ja mal vorkommen, dass einem als Journalist oder Lobbyist die passenden Metaphern ausgehen. Aber vielleicht sollte man dann lieber ganz auf Äußerungen fürs Publikum verzichten. Was hier jedenfalls angesichts eines Tarifstreits im öffentlichen Diskurs betrieben wird, ist eine plumpe Täter-Opfer-Umkehr. In der Verantwortung steht nämlich nur eine Seite: die Unternehmen. Unternehmen, die ihrer hart arbeitenden Belegschaft viel zu geringe Löhne auszahlen. Es herrschen Inflation und Energieknappheit. Menschen müssen beim Heizen und beim Einkauf im Supermarkt sparen, obwohl sie arbeiten. Unverschämt ist es, in dieser Situation weiter Niedriggehälter auszuzahlen. Unverschämt ist nicht, wer für seine Arbeit angemessene Bezahlung fordert, um in Würde leben zu können.

TAZ-online

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Wäre es in Europa nicht an der Zeit, den Menschen zu zeigen wer im Land das sagen hat ? Macron hat mit Sicherheit in seinen Leben auch nur eine einzige Minute für sein Land ehrenamtlich gearbeitet. So wie alle anderen Politiker-innen dieser Erde auch – ansonsten würden wir sie nicht dort sehen, wo sie sitzen, sondern hätten für solch irres Zeug keine Zeit.

Emmanuel Macron hat mit seinem Fernsehinterview die Gemüter nicht beruhigt, sondern eher Öl ins Feuer gegossen. Es hat den Anschein, als würden zwei Züge aufeinander zurasen und eine Kollision kaum mehr auszuschließen sein.

4.) Protest gegen Rentenreform: Macron meidet Geste der Versöhnung – Das birgt Gefahren

Sie waren viele. Wieder einmal. Immer noch. Und sie waren vor allem jung, ausgelassen und angriffslustig. Am nunmehr neuntem landesweiten Streik- und Aktionstag gegen die Rentenreform in Frankreich war am 23. März von Ermüdungserscheinungen keine Spur. Im Gegenteil: nachdem die meisten Prüfungen an den Schulen und Universitäten vorbei sind, hat sich die Straße verjüngt. Und so sieht man nicht nur streikerprobte Gewerkschafter, Angestellte des öffentlichen Dienstes oder Familien, sondern eben auch Studierende und Schüler, selbst von den sonst zurückhaltenden, konservativ geprägten Wirtschaftsfakultäten. Je nach Schätzungen sollen es zwischen einer und dreieinhalb Millionen Menschen gewesen sein. Ein Hauch von „Jugendbewegung“ à la 68 greift um sich und dazu passend steht auf vielen Schildern: „Manu, tu nous mets 64, on te met Mai 68“ (Du drückst uns die 64 auf, wir Dir den Mai 68). Macron: „Ich lebe nicht in Reue …“ Nach den tumultartigen Szenen in der Assemblée Nationale vor einer Woche, nachdem die Reform durch den umstrittenen Verfassungsartikel 49.3., also ohne Abstimmung durch das Parlament, entschieden wurde, hatte Emmanuel Macron noch versucht, schnell zum daily business überzugehen. Als er Mitte dieser Woche in einem TV-Interview gefragt wurde, ob er irgendetwas bereue, etwas falsch gemacht habe, antwortet er erwartungsgemäß, er bereue nur, nicht überzeugend genug die Notwendigkeit der Reform vermittelt zu haben. Anders gesagt: Ihr rafft nicht, dass es nicht anders geht! „Ich lebe nicht in Reue, sondern mit Willen, Hartnäckigkeit und Pflichtbewusstsein“, fügte er hinzu.

Freitag-online

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Und eine bräsig, untätige Politik aus der Regierung schaut Tatenlos zu, um sich letztendlich für nicht erledigte Arbeiten den unverdienten Lorbeer an ihr Revers zu heften und internationale Lobpreisungen entgegen zu nehmen?

Hilfe für Geflüchtete. –  Eine Studie untersucht die private Aufnahme von Geflüchteten aus der Ukraine. Die schnelle Aufnahme von Geflüchteten aus der Ukraine im letzten Jahr war über die Landesgrenzen hinaus beispiellos. Hunderttausende Kriegsflüchtlinge bekamen Unterkunft in privaten Haushalten.

5.) Der lange Atem der Solidarität

Meistens wurden sie durch digitale Plattformen wie »Unterkunft Ukraine« in Deutschland, »Homes for Ukraine« in Großbritannien oder »Welcome Connect« in den USA vermittelt. Doch in den letzten Wochen ist immer klarer geworden, dass, wenn solche zivilgesellschaftlich organisierten Kooperationen scheitern oder eingestellt werden, Geflüchtete schnell von der Wohnungslosigkeit bedroht sind. Im bayerischen Landkreis Fürstenfeldbruck erklärte sich die Kreisbehörde in den letzten Tagen nicht mehr für Ukrainer ohne Wohnraum zuständig. Zu voll seien die Asylbewerberunterkünfte, in denen der Landkreis für Unterkunft für jeden Asylbewerber gesetzlich verpflichtet ist, hieß es. Der Landrat Thomas Karmasin (CSU) erklärte dem »Münchner Merkur«, dass zurzeit rund 1000 ukrainische Geflüchtete im Landkreis noch privat untergebracht werden und rund 850 in Sammelunterkünften des Kreises. Jetzt müssten für die Letzteren andere Perspektiven gefunden werden. Ukrainische Kriegsflüchtlinge gelten als Langzeitarbeitslose; haben sie keine private Bleibe, gelten sie als wohnungslos. Das ist ein Muster, das sich vielerorts verbreitet: Die spektakuläre Mobilisierung von Wohnraum für die mehrheitlich weiblichen Kriegsflüchtlinge bedeutete gute Voraussetzungen für eine Integration, schließlich wurden alle herkömmlichen Warteschlangen des stigmatisierten Asylverfahrens beiseite gewischt. Die staatliche Bürokratie wurde links liegen gelassen und stattdessen im Handumdrehen privater Wohnraum verteilt.

ND-online

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Den Morgengruß an gleicher Stelle – schreibt jeden Tag
„Der freche Bengel“

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