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Archiv für März 12th, 2023

Disziplin und Süßes

Erstellt von DL-Redaktion am 12. März 2023

Eine polnische Mutter in Berlin

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Von Karolina Wigura

Als polnische Mutter in Berlin habe ich viel über die Deutschen gelernt. Vor allem über Gemeinsamkeiten jenseits der Grenzen und Mentalitäten.

Die „polnische Mutter“ ist ein Begriff, der die traditionelle Rolle der Frau in Polen als Beschützerin ihrer Kinder beschreibt: fürsorglich, geduldig und mit ganzem Herzen bei der Sache. Der Begriff wird sogar über die Grenzen hinweg verwendet. Meine israelischen Freundinnen sagen: „Sei nicht so eine polnische Mutter“, und meinen damit: „Sei keine Helikoptermutter.“

Ich selbst bin weit davon entfernt, eine überbehütende Mutter zu sein. Ich habe mein Berufsleben nie für meine Kinder geopfert, was nicht heißt, dass ich mich nicht um sie kümmere. Es ist jetzt 12 Jahre her, dass ich meine beiden Söhne zur Welt gebracht habe. Es war sowohl eine Zeit, in der ich mich sehr intensiv um die Kinder gekümmert habe, als auch die meiner größten beruflichen Erfolge. Ob es eine „Work-Life-Balance“ gibt, bezweifle ich – aber das hält mich nicht davon ab, eine Art Gleichgewicht zu suchen. Und da es schwierig ist, alles richtig zu machen, ­gehen meine Kinder oft ohne Mütze oder mit offener Jacke aus dem Haus, was sie aber nicht daran hindert, glücklich zu sein.

Auch wenn ich das Klischee der „polnischen Mutter“ nicht mag, bin ich sowohl Polin als auch Mutter. Deshalb ist es für mich sehr interessant, Deutsche – deutsche Mütter – zu treffen und zu erfahren, wie sie die Rolle der Frau und die Kindererziehung verstehen. Das Nachdenken über Fragen der Kindererziehung, über Elternrollen ist ein Schlüssel dafür, zu erkennen, was uns auf beiden Seiten der Oder und Neiße verbindet und was uns trennt.

Die besten Soziologen sind Fremde, sagte der Berliner Soziologe Georg Simmel. Ständiges Reisen, die Präsenz in verschiedenen kulturellen und geografischen Ordnungen, ein Lebensstil, der durch die Anzahl der Reisen etwas nomadisch ist – all das charakterisiert den Fremden aus dem berühmten gleichnamigen Aufsatz Simmels. Wenn das der Fall ist, spiele ich schon lange eine solche Fremden-Rolle.

Seit 2021 lebe ich in Berlin, vorübergehend mit nur einem Sohn. Mit dem anderen lebt sein Vater in Warschau, also bauen wir beide sozusagen zwei Denkmäler der selbstständigen oder manchmal auch alleinerziehenden Elternschaft. Durch die ständigen Reisen nach Berlin und Warschau fühlen wir uns als Bür­ge­r*in­nen zweier Städte, und diese Erfahrungen bilden unsere Identität als Familie.

Meine erste Erfahrung, wenn es um deutsche Kinder und ihre Erziehung ging, war … Stille. Polnische Kinder, so hat man den Eindruck, sind sehr laut, und sie sind überall. In den Kindergärten werden sie ausgiebig betreut, sodass sie, wenn sie in die Schule kommen, noch nicht so weit sind, ihr eigenes Verhalten und ihre Gefühle zu regulieren. Die Erfahrung der deutschen Einschulung war für mich in dieser Hinsicht äußerst lehrreich. All die Sechsjährigen, die entschlossen ihre Rucksäcke nehmen und ins Klassenzimmer marschieren, waren ziemlich beeindruckend. Die meisten Kinder, die in Polen aufgewachsen sind – unsere Schule ist deutsch-polnisch –, hatten ein kleines Problem mit dieser Selbstständigkeit. Sie mussten sie erst noch lernen.

Schwer zu sagen, welcher dieser Ansätze besser ist. In Polen, vor allem in Großstädten und an privaten Schulen, haben wir eine Entwicklung durchgemacht, die in Deutschland gerade erst ankommt und über die Der Spiegel kürzlich ausführlich geschrieben hat. Es ist eine Verschiebung weg von der Disziplin, hin zu einer demokratischeren Erziehung. In der Praxis bedeutet das oft mehr Chaos, aber die Kinder haben mehr Freiheit.

Eltern aus Polen finden es oft schwierig, sich im Berliner Schulsystem zurechtzufinden. All die Gymnasien ab der fünften oder ab der siebten Klasse und der Lateinunterricht ab 11 Jahren, oder auch nicht – all das kann sehr undurchsichtig erscheinen. Dazu der Zweifel, ob ein Schulwechsel nach der vierten Klasse nicht zu anstrengend ist für die Kinder. Aber als Mutter habe ich auch viel Hilfe von den Schulen erfahren, an denen ich meine Kinder anmelden wollte.

Antiautoritäres Polen? Nun ja: Die polnische Stiftung Dajemy Dzieciom Siłę (Wir geben Kindern Macht) hat vor Kurzem eine Studie veröffentlicht, aus der hervorgeht, dass mehr als 40 Prozent der polnischen Kinder zu Hause Gewalt ausgesetzt sind und 57 Prozent Gewalt durch Gleichaltrige erfahren. Dazu kommt sexuelle Gewalt, die in Polen in Form von Skandalen nach und nach ans Licht der Öffentlichkeit kommt. Auch in Deutschland werden regelmäßig alarmierende Studien und Polizeistatistiken zu diesem Problem veröffentlicht.

Wir haben noch weitere gemeinsame Probleme auf beiden Seiten der Grenze. Depressionen und Suizide unter Kindern und Jugendlichen sind heute eine echte Zivilisationskrankheit. Ob das nun eine Auswirkung der sozialen Medien ist oder der Klimakrise oder letztendlich die verzögerte Wirkung der Pandemie – schwer zu sagen, aber es hilft, zu erkennen, dass dies in Polen und Deutschland gleichermaßen schlimm ist. So können wir Erfahrungen austauschen und uns gegenseitig helfen.

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Meine zweite grundlegende Erfahrung war die Art, in der hier die Kinder angesprochen werden. Die Deutschen sind dafür bekannt, dass sie sich gegenseitig auf die Finger schauen und schonungslos kritisieren. Das passiert einer Mutter mit einem Kind oft, auch in der Öffentlichkeit, und für mich war es schwer, mich daran zu gewöhnen. Doch während mich in Polen die Passanten auf der Straße ansprechen („Bitte sagen Sie Ihrem Kind, dass es beim Fahrradfahren vorsichtig sein soll!“), ist das in Deutschland anders: Die Passanten sprechen das Kind meist direkt an – Kinder werden hier also als eigenverantwortliche Subjekte betrachtet.

Meine dritte wichtige Erfahrung war die Art, wie ich als Mutter behandelt wurde. Hier habe ich zwei Arten von Erfahrungen gemacht, und paradoxerweise sind dabei „Polentum“ und „Mutter sein“ getrennt. Einerseits sind Klischees und Vorurteile gegenüber Polen weit verbreitet, die oft aus einem völligen Mangel an Wissen resultieren. Ich begegne diesen Stereotypen oft, zum Beispiel wenn jemand, der von meiner Nationalität gerade erfahren hat, den unbändigen Drang verspürt, mir einen Witz über polnische Autodiebe zu erzählen. Auf der anderen Seite kann aber eine alleinerziehende Mutter hier auf viel menschliches Mitgefühl und Hilfe zählen. Auch wenn ich noch nicht lange genug hier bin, um zu wissen, ob dies das Ergebnis der deutschen „Willkommenskultur“ ist, die sich über Jahrzehnte entwickelt hat, oder etwas anderes – erwähnenswert ist es allemal.

Ein Vorurteil über die Deutschen dagegen stimmt: Sie mögen keinen Lärm. Dafür sind sie berüchtigt, und Kinder stören sie oft. Von allen Erfahrungen, die ich in den letzten zwei Jahren gemacht habe, war jedoch nur eine wirklich negativ. Es war eine Nachbarin, die an meine Wohnung klopfte, mich regelmäßig ermahnte, dass mein Sechsjähriger zu laut sei, und einmal, als er in Quarantäne war, drohte, deswegen die Polizei zu rufen.

Ex­per­t*in­nen für das menschliche Gehirn sagen, dass wir uns aus evolutionären Gründen besser an negative Erfahrungen erinnern, und sicherlich hat mich diese unangenehme Begegnung monatelang gestresst. Aber die Summe meiner positiven Erfahrungen übersteigt die negativen bei Weitem. Lasst uns also der Gerechtigkeit Genüge tun und über eine andere Nachbarin schrei­ben, die gerne Überraschungen macht, indem sie kleine süße Geschenke für meinen Sohn an die Klinke meiner Haustür hängt (zusammen mit Blättern, zum Beispiel: „Pass auf deine Zähne auf! Bitte iss nur eine Schokolade pro Tag“).

Oder die Frau, die mich vermeintlich auf der Straße anpöbelte, als mein Sohn hysterisch wurde. Sie fragte erst, ob ich Deutsch spreche, und sagte dann: „Tut mir leid, dass ich Sie störe, ich wollte Ihnen nur sagen, dass meine Tochter sich auch so benahm als Kind und es wirklich vorbeigehen wird, bitte halten Sie durch.“ Für jemanden, der ein sechsjähriges Kind als wichtigsten täglichen Begleiter hat, allein am Anfang seines Aufenthalts in einem fremden Land, bedeutet ein solches Zeichen von Empathie sehr viel. Die Frau blieb mir monatelang in Erinnerung.

Polen und Deutsche haben mehr gemeinsam, als man denkt – auch politisch stehen wir vor einer Reihe gleicher Probleme: Beides sind große Länder in der Mitte Europas, die viele gemeinsame Interessen und eine gemeinsame Grenze haben. Und doch sind unsere Beziehungen in der letzten Zeit eher unbefriedigend. Wir haben einen langen Prozess der Versöhnung hinter uns – und seit einem Jahr haben wir außenpolitisch das gemeinsame Ziel, der Ukraine zu helfen. Und trotzdem sah es, was unser Verhältnis angeht, lange nicht mehr so schlecht aus, und das ist nicht nur eine Frage der populistischen Propaganda der polnischen Regierung.

Quelle         :        TAZ-online          >>>>>         weiterlesen

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Denn wem gehört die Erde?

Erstellt von DL-Redaktion am 12. März 2023

Friedensstiftung durch Landverzicht wie einst bei Altbundeskanzler und Friedensnobelpreisträger Willy Brandt

Brandt with Richard Nixon, 1971

Von Dr. Nikolaus Götz

„Die Krim gehöre den Ukrainern!“, wird gerade von vielen Diskutanten behauptet, wenn es darum geht, uns Deutschen den aktuellen „Landraub“ der ’Russen’ unter Präsident Wladimir Wladimirowitsch Putin gegenüber dem vom Präsidenten der Ukraine Wolodymyr Selenskyj beanspruchten Staatsterritorium zu erklären.

Dass bei dieser schnell vorgenommenen, imperativen Aussage jedoch nicht die völkerrechtliche Dimension einer Territorialzuschreibung überprüft wurde oder eine genauere Betrachtung der historischen Entwicklung der territorialen Besitzverhältnisse mit der dazu gehörenden machtpolitischen Staatsbildung berücksichtigt ist und auch erst recht nicht die grundsätzliche Frage nach den dem Menschen zugeschrieben Besitzverhältnissen erörtert wurde, wird bei der getätigten Aussage der Schnelle halber einfach komplett ausgeblendet. „Denn es ist doch wie es ist; und wen interessiert am nächsten Tag noch das Geschwätz vom Vortag!“

Berichtende Journalisten verfügen überwiegend nicht über das angefragte Hintergrundwissen, da sie kaum Jura, Politikwissenschaft oder Geschichte studiert haben, sondern eine Ausbildung in vielleicht Medienwissenschaft, Kommunikation, Journalismus oder gar innerhalb der Zeitungsverlage oder Fernsehanstalten mit einer Ausbildung zum Job (?) absolviert haben. Zudem stehen sie bei ihrer Berichterstattung unter extremen Zeitdruck. So beten sie überwiegend die Meinung deren nach, dessen Brot sie gerade essen oder sie unterwerfen sich dem angenommenen Meinungsbild ihrer Rezipienten. Der seit der bösen, weltweit wütenden Corona-Pandemie offen gelieferte ’Erregungsjournalismus’ funktioniert genau so in Wort und Bild (1). Er soll zudem Akzeptanz wie Meinungsübernahme beim „unwissenden Volk“ herbei manipulieren. Obwohl dreiviertel die Deutschen „Krieg als Mittel der Politik“ ablehnen, versucht dieser aktuelle ’Fake-News’-Journalismus die „breite Masse“ bewusst manipulierend „auf Krieg“ einzustimmen. Und erneut ist Ruhe die erste preußische Bürgerpflicht! Doch gehört die Krim den ’Ukrainern’, sei gefragt oder gehört sie nicht eher den Taurern, den Kimmerern oder vielleicht gar den Skyten? (2)

Schon bei dem im ’Wilden Westen’ der Neuen Welt geführten Eroberungskrieg von Land durch die nordamerikanischen Staaten fragten die langjährig als „Indianer“ bezeichneten Ureinwohner die in langen Trecks westwärts ziehenden Siedler aus Europa: „Kann der Mensch überhaupt Land besitzen?“ An solchen eher philosophischen Fragen scherte sich der ’Weiße Mann’ in Washington wenig, denn die Herrschenden dort verteilten einfach Besitz in Form von Landgutscheinen und entsandten bei Problemen ihre Armee. „Ein guter Indianer war nämlich ein toter Indianer!“, wie es der Geist der amerikanischen Pionierzeit verkündete. Dieses Konzept der Konfliktlösung von Landverteilung war ’klassisch’ und entsprach dem typischen Vorgehen und den Verhaltensweisen der diktatorisch Herrschenden durch die gesamte Geschichte der menschlichen Zivilisation hindurch. Mit ’Recht’ kann so rekapituliert werden, dass Florida eben den spanischen Konquistadoren gehört, eigentlich Alaska den Russen, dass das amerikanische New York, eigentlich als Neu-Amsterdam den Niederländern zu eigen ist, während die Krim ’antikes’ griechisch-römisches, dann gotisches, sarmatisches, byzantinisches, hunnisches, chasarisches, kyptschakisches, mongolisch-tatarisches, venezianisches, genuesisches Siedlungs- und Herrschaftsgebiet war (3). Es ’gehörte’ alsbald aber Jahrhunderte lang zum Osmanischen Reich und wurde 1783 durch Katharina die Große ’klassisch’ ins Russische Reich eingegliedert (4). ’Zar’ Putins gerade laufende ’Reconquista’ mit der Wiederherstellung seines ’Heiligen eurasischen Reiches russischer Nation’ ist ebenso ’klassisch’ wie das Anspruchsrecht der römisch-republikanischen Senatoren auf das einst keltische Gallien.

Und welcher Mensch und Herrscher beanspruchte dieses Waldgebiet in der Mitte des eurasischen Kontinentes von Europa, das heute so benannte „Deutschland“? Über dieses Territorium weis die Geschichte wenig, da erst mit den Römern und ihrer ’Pax romania’ das so bezeichnete ’Germanien’ erstmals überhaupt in Erscheinung trat. Die ansässigen keltischen Völker mit ihren Städten im nordalpinen Raum wurden jedoch alsbald von der römischen Kultur und Herrschaft liquidiert, wobei die Römer an den nachrückenden ’Barbaren’ scheiterten. Unter Attila erwarben endlich die Hunnen alles Land ’klassisch’, stiften ’klassisch’ ihren Frieden und wurden ebenso ’klassisch’ entsorgt. So bekamen denn die ’Teutschen’ oder die Alemannen (5) eine Chance auf Territorialbesitz auf diesem Kontinent der Erde. Die verbrannte Erde im beispielsweise rekonstruierten Ort ’Schwarzenacker’ (6) zeugt vom Vorgang des damaligen Grundbesitzerwerbes, der den Vorbesitzern ’klassisch’ hinweg genommen wurde. Dabei verbrannten die ur-ansässigen Bewohner mit ihren ’Grundbucheintragungen des Besitzes’ im Freudenfeuer der neuen ’Friedensstifter’.

In der menschlichen Urzeit, der Antike wie bei Karl dem Großen kam das territoriale Besitzrecht stets mit dem Schwert. Technisch modernisiert kam es alsbald aus den Gewehrläufen der Soldaten und heute kommt es ebenso ’klassisch’ mit Panzern, Kanonen und Drohnen, wie es schon die neuzeitliche Aktion ’Friedensstiftung’ der Garantiemacht USA im Golfkrieg II. bewiesen hat. Das ’Recht oder Unrecht’ des Stärkeren und auch das Leid der Zivilbevölkerung sind so ewig wie die angewendete Methode, die seit dem Ausgang des Homo sapiens aus seiner menschlichen Affenzeit, den Weg zum deklarierten Humanismus immer noch nicht gefunden hat. Da bildet der Landbefrieder Putin ebenso wenig eine Ausnahme wie die gerade festzustellenden kriegslustigen Hetzer und sogenannte Sach-Kommentatoren von ARD, ZDF bis RTL.

Statt dem Geist des tiefen Mittelalters mit dem „Deus volit“/„Gott will es“ während der Kreuzzüge als Rechtfertigung für „Landraub“ nachzueifern, gilt es deshalb erneut das Denken der Aufklärung aus den inzwischen zugestaubten Bücherregalen der deutschen Bourgeoisie auszupacken. Und hier ist es erneut der Textband von Jean Jacques Rousseau, der schon 1755 mit seinem „Diskurs über die Ungleichheit“ die Menschen zum Thema ’Landerwerb’ anschaulich informierte:

Der erste, der ein Stück Land eingezäunt hatte und es sich einfallen ließ zu sagen: dies ist mein und der Leute fand, die einfältig genug waren ihm zu glauben, war der wahre Gründer der bürgerlichen Gesellschaft.

Wie viele Verbrechen, Kriege, Morde, wie viel Not und Elend und wie viele Schrecken hätte derjenige dem Menschengeschlecht erspart, der die Pfähle herausgerissen oder die Graben zugeschüttet und seinen Mitmenschen zugerufen hätte: „Hütet euch, auf diesen Betrüger zu hören; ihr seid verloren, wenn ihr vergesst, dass die Früchte allen gehören und die Erde niemandem.“ (7)

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Viele seiner Nachfolger-innen hätten nach einen Kniefall wohl komplett den Boden unter ihren Füßen verloren?

Doch was sind die Konsequenzen der vielen philosophischen Belehrungen bei den aktuell lebenden Menschen? Bildungsfern, im Job verschlissen und verführt von Fake-News-Reportern fristen die deutschen Konsumbürger ihr Leben auf der Suche nach individuellem Glück. Durch den medialen Druck der Kriegstreiber der ARD- und ZDF-Nachrichtenteams zu Waffenlieferungen, zu Munitionslieferungen, zu Panzerlieferungen und jetzt, um den ukrainischen ’Himmel’ zu beschützen, alsbald auch noch zu Lieferungen von Kampfjets, sehen sich auch die Deutschen mehr und mehr einem drohenden Atomkrieg gegenüber. Seit einem Jahr schon bezahlen die BRD-Bürger diesen Krieg mit unverschämten Preiserhöhungen, mit dem Diebstahl ihrer Staatsgelder durch einen Zeit wendenden (?) Bundeskanzler und eine feministische Politik (?) betreibende Außenministerin, während die Großunternehmen Gewinne in Milliardenhöhe schreiben. Korrumpiert im Amt haben solche deutsche Politiker ebenso wie solche multinationalen Großmanager vergessen, dass die Erde niemandem gehört, dass Territorialzuschreibungen überwiegend auf staatsterroristischer Willkür beruhen, dass die Einhaltung des Friedens das wichtigste politische Ziel ist und die gerechte „Verteilung der Früchte“ der Erde unter allen Menschen ihre einzigste Pflicht!

Gewaltverzicht auf ’deutsche’ Territorien war das Politikkonzept des Friedensnobelpreisträgers und Altbundeskanzler Willy Brandt, dessen auf die Zukunft gerichtetes politisches Weiterdenken für ein friedliches Europa erst die Wiedervereinigung Deutschlands und die Rückgewinnung verlorenen Terrains ermöglichte. Dieses vorbildliche Denken der Gewaltlosigkeit von Willy Brandt (SPD), sein „Kniefall von Warschau“ und seine bedingungslose Kapitulation vor der damaligen wie heutigen Atommacht Russland ist jetzt auch den Ukrainern als Lösungsweg aus der kriegerischen Eskalationsspirale anzuraten. Die Fortführung der aktuellen Kriegsstrategie schreibt nur den Tod der Soldaten weiter, ebenso wie die Vertreibung und das Leid der Zivilbevölkerung bis zur völligen Zerstörung ihres doch geliebten Heimatlandes.

Anmerkungen:

1 Vgl.: Rainer Mausfeld: Warum schweigen die Lämmer? Wie Elitendemokratie und Neoliberalismus unsere Gesellschaft und unsere Lebensgrundlagen zerstören, Frankfurt/M. 2018

2 Siehe die historischen Erklärungen zur Abfolge der Besiedlung der Halbinsel Krim auf: wikipedia.org/wiki/krim

3 ebda: wikipedia.org/wiki/krim

4 Zu Katharina der Großen und dem Krimkrieg siehe beispielsweise: KRAUS, Gina: Katharina die Große, Esslingen 1972, S.336; OLDENBOURG, Zoé: Catherine de Russie, Paris 1966; oder vgl.: wikipedia.org/wiki/Katharina_II.

5 Wer oder was sind ’die Deutschen’? „Das Ethnonym Deutsche wird in vielfältiger Weise verwendet.,“ist der erste Satz bei WIKIPEDIA (sieh: wikipedia.org/wiki/Deutsche), wobei unsere französische Nachbarn die Deutschen als ’Allemands’ bezeichnen, was auf nur einen der vielen germanischen Stämme, die Alemannen zurück geht. Unter der Fülle diesbezüglicher Sekundärliteratur siehe beispielsweise nur: FISCHER-FABIAN, S. Die ersten Deutschen, Freiburg 1975

6 Den ansässigen Bauern fiel bei der Feldarbeit nicht nur die schwarzverbrannte Bodenschicht auf, sondern sie fanden immer wieder auf dem Gelände dieser ’Wüstung’ Tonscherben, bis der ehemalige Friedhof und damit alsbald der Ort „Schwarzenacker“ entdeckt und ausgegraben wurde. Bei der heutigen Stadt Homburg/Saar gelegen ist der rekonstruierte Stadtteil aus der Römerzeit eine Touristenattraktion. Die Besiedlung dieser Gegend reicht bis in die vorrömische Zeit zurück (ca. 1100 vor Christus) und war Siedlungsgebiet der Mediomatriker’. Beim Einfall der barbarischen ’Germanen’ zerstörten die Alemannen etwa um 275/276 n.Chr. die blühende römische Stadt „Schwarzenacker“ komplett und töteten alle Einwohner auf grausame Weise. 1915 wurde zufällig ein Münzdepot mit nahezu 5000 Silbermünzen entdeckt. Siehe auch: KOLLING, Alfons: Führer durch das Freilichtmuseum Römerhaus Schwarzenacker, Homburg 1974.

7 Rousseau, Jean Jacques: Diskurs über die Ungleichheit [Edition UTB 725, Kritische Ausgabe des integralen Textes …ediert, übersetzt und kommentiert von Heinrich Meier, Paderborn 1984], Zweiter Teil, Abschnittsbeginn, S 173.

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Ulrike im Wunderland

Erstellt von DL-Redaktion am 12. März 2023

Die Gesinnungswende fordert ihren Tribut

Quelle       :        Scharf  —  Links

Von   :   Johannes Schillo

Die Politikprofessorin Ulrike Guérot ist zur Zielscheibe einer Kampagne geworden – und auch das Ethos der Wissenschaft sieht sich seit der deutschen „Zeitenwende“ vor neuen Herausforderungen. Dazu hier eine Randnotiz.

Seit ihrem Auftritt bei Markus Lanz am 4. Juni 2022 ist die Bonner Politikprofessorin Guérot – milde ausgedrückt – persona non grata im öffentlichen Leben. Hatte sie mit ihrem Essay „Wer schweigt, stimmt zu“, der Kritik an den staatlichen Maßnahmen zur Pandemie-Bekämpfung vorbrachte, schon Anstoß erregt, so war mit ihrem im November 2022 erschienenen Buch „Endspiel Europa“ für den Mainstream der deutschen Medienlandschaft endgültig klar: Diese Frau hat im Wissenschaftsbetrieb und im öffentlichen Diskurs, wie er hierzulande geführt wird, nichts verloren. Mittlerweile hat auch der Arbeitgeber Guérots reagiert, was noch einmal für Wirbel sorgte.

Eine Exkommunikation – oder doch nicht?

Der Eindruck liegt nahe und die begründete These steht ja auch im Raum, dass es hier um die Exkommunikation einer unbequemen Autorin aus der scientific community geht. Guérot hat zusammen mit dem Wissenschaftler Hauke Ritz in ihrem Endspiel-Buch, das sich bewusst als Essay vom üblichen Publikationswesen des akademischen Betriebs absetzt, den Weg des Westens hin zum Ukrainekrieg analysiert und dabei den Anteil der NATO an der Eskalation deutlich zur Sprache gebracht. Und sie hat, als Fazit, die Europäische Union dazu aufgefordert, „nicht als Stellvertreter der USA zu fungieren“, wie es bei Krass & Konkret in einem Resümee des Autorenduos hieß. Dabei beriefen sich die beiden – unter Rückgriff auf die kulturelle Tradition des Abendlands – auf eine „EUtopie, die humanistisch, antifaschistisch, antimilitärisch, inter-nationalistisch und antikapitalistisch ist“, und schlossen mit der Forderung: „Deswegen muss Europa alles tun, um diesen Krieg sofort zu beenden.“

Von der Universität, von Kollegen, aber auch von Medien wie der FAZ, die sich auf eine regelrechte Kampagne gegen die zur Außenseiterin erklärte Politologin verlegten, gab es Einspruch gegen einen solchen europäischen Friedensidealismus, der bis zur „Zeitenwende“ – und der damit verbundenen Gesinnungswende – hierzulande als Selbstverständlichkeit galt. Unisono wurde die Unwissenschaftlichkeit von Guérots Positionen festgestellt, die – so kann man die Vorwürfe auf den Punkt bringen – nicht dem NATO-Narrativ folgen. Das Bonner Uni-Rektorat verabschiedete 2022 eine Erklärung, die sich zur Parteinahme für den Westen und gegen Russland bekannte und noch ohne Nennung Guérots den Rahmen setzte, in dem der wissenschaftliche Diskurs stattzufinden habe; womit auch klargestellt war, dass weitergehende juristische Möglichkeiten zum Ausschluss dissidenter Meinungen geprüft werden sollten.

Das ist mittlerweile geschehen. Der bekannte Plagiatsforscher Stefan Weber hat in Telepolis darüber berichtet: Die Uni Bonn hat der Wissenschaftlerin, so weit bekannt, gekündigt, und nun „tobt die Debatte: Waren Plagiate Auslöser oder politisches Engagement? Der Fall geht wohl vor Gericht.“ Weber eiert in seinem Text etwas herum, um den offenkundigen Zusammenhang der Kündigung mit der Äußerung abweichender politischer Meinungen in den Hintergrund zu rücken. Natürlich sind auch schon andere Wissenschaftler (oder Politiker!) über Plagiate in ihren akademischen Arbeiten gestolpert, aber es „ist in den seltensten Fällen so, dass Wissenschaftler genuin wegen wissenschaftlichen Fehlverhaltens berufliche Nachteile haben“. Das hält Weber fest und man merkt ihm die Bauchschmerzen an, mit denen er die politische Einflussnahme auf diese – angeblich – rein innerwissenschaftliche Kontroverse konstatiert.

Das ist übrigens auch der Presseberichterstattung zu entnehmen – und sei es in der Form des entschiedenen Dementis wie in der FAZ (25.2.2023). Die Bonner Lokalpresse (siehe General-Anzeiger, 4./5.3.2023) hat den Fall groß gewürdigt und sich Sorgen gemacht, es könnte „ein zäh erkämpftes Grundrecht“, nämlich die Wissenschaftsfreiheit, Schaden nehmen. Genauer gesagt: Das könnte geschehen, wenn nicht konsequent dem Eindruck entgegengearbeitet wird, bei der Einleitung von „arbeitsrechtlichen Schritten“ hätten politische Überlegungen, vulgo: Zensur, eine Rolle gespielt. Und die Sorge betrifft natürlich das Ansehen des Hochschulbetriebs, wie von einem Kommentator gleich bemerkt wurde: „Wenn sich die Vorwürfe gegen Guérot auf die Zeit vor ihrer Berufung beziehen, dann wirft das auch ein schlechtes Licht auf die Bonner Uni. Hätten die Defizite in Sachen wissenschaftlichen Arbeitens dann nicht früher auffallen müssen?“ (G.-A., 25./26.2.2023) Ja, das hätte in der Tat besser ausgesehen.

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Je größer die Häuser – je mehr an Wissen passt hinein ?

Nun geht es wahrscheinlich so weiter, wie der Arbeitsrechtler Volker Rieble ganz gelassen mitteilt (G.-A., 6.3.2023). Nach den Angriffen auf die Professorin werde sich das Gerichtsverfahren erst einmal Jahre hinziehen. „Wenn dann ein Vergleich mit einer kleinen Abfindung herauskommt, hat die liebe Seele eine Ruh’. Die Öffentlichkeit kriegt das ohnehin nicht mehr mit.“ Solche abgebrühten Stellungnahmen gehen in der Öffentlichkeit, der hier ein Fachmann erzählt, wie sie funktioniert, ohne Weiteres durch: Öffentlich ist die Frau diffamiert, sachlich ist wohl weniger dran, was sich nach Jahren herausstellen dürfte, doch erst einmal hat die Kampagne ihre Funktion erfüllt

Möglicher Weise geht es jetzt aber auch schneller, wenn die geschasste Professorin klein beigibt und sich auf einem demnächst anstehenden „Gütetermin“ mit einer „kleineren Abfindung“ (G.-A., 10.3.2023) abfinden lässt.

Im Reich der exakten Wissenschaft, oh Gott!

Tja, die Koinzidenz von Einspruch gegen das NATO-Narrativ und Aufdeckung wissenschaftlichen Fehlverhaltens ist wirklich unschön. Plagiatsforscher Weber macht sich auch ein Gewissen daraus, aber dann findet er einen festen Halt. Arbeitsrechtlich verzwickt, politisch unschön, Konsequenzen unklar – das muss man konzedieren (und sich auch fragen, ob das „für einen Rauswurf“ genügt). Nur eins soll definitiv feststehen: Die Autorin hat „in zumindest zwei Büchern plagiiert, die sie als Wissenschaftlerin verfasst hat und die sicher nicht der Nicht-Wissenschaft, also etwa der Kunst zuzuordnen sind“.

Und jetzt kommt endlich mal Butter bei die Fische, die Vorwürfe werden von Weber substantiiert. Er bringt nämlich ein Beispiel – eine einzige Textstelle aus Guérots Essay „Wer schweigt, stimmt zu“ –, und von diesem Beleg versichert er nur noch, dass er weitere, ähnliche Fälle anführen könnte (und dass er auch schon Einschlägiges bei den Kritikern Guérots gelesen habe). Worin besteht nun der Beweis, das einzige Argument für Guérots Verstoß gegen wissenschaftliche Standards, das geliefert wird?

Was da geboten wird, ist ein erstaunlicher Beleg für den Geisteszustand des Wissenschaftsbetriebs. Aber im Einzelnen! Weber bringt ein Zitat aus dem Buch Wie wirklich ist die Wirklichkeit? des Kommunikationsforschers Paul Watzlawick (1976, S. 101):

Wir alle, jeder von uns auf seine Weise, befinden uns auf einer unablässigen, wenn auch oft ganz unbewußten Suche nach dem Sinn der uns umgebenden Geschehnisse, und wir alle neigen dazu, selbst hinter den verhältnismäßig unbedeutenden Vorfällen unseres täglichen Lebens das Wirken einer höheren Macht, sozusagen ,eines metaphysischen Versuchsleiters’ zu sehen. Es gibt wohl nicht viele Menschen, die den Gleichmut des Königs in »Alice im Wunderland« besitzen, der es ihm ermöglicht, das unsinnige Gedicht des Weißen Kaninchens mit der philosophischen Bemerkung abzutun: »Wenn kein Sinn darin ist, so erspart uns das eine Menge Arbeit, denn dann brauchen wir auch keinen zu suchen.« Zum Beispiel: Es gibt wahrscheinlich eine recht große Zahl von Personen, die eine private Mythologie über Verkehrsampeln haben…

Guérot hat auf Watzlawick, den sie als wissenschaftliche Autorität schätzt, in ihrem Buch mehrfach Bezug genommen. Sie knüpft explizit an seine Aussagen an, beansprucht also in keiner Weise, hier eine eigenständige wissenschaftliche Leistung zu präsentieren, sondern, im Gegenteil, einem Konsens zu folgen. Dann bringt sie auf Seite 101 ihres Buchs – ohne nochmals auf Watzlawick eigens als Urheber zu verweisen – zwei Sätze, die Weber als Plagiat beanstandet. Guérot übernimmt den Satz: „Es gibt wohl nicht viele Menschen … abzutun“ und schließt das Zitat von Lewis Carroll aus dem 12. Kapitel seines berühmten Buchs (mit kleinen Änderungen) an. Der Spruch findet sich übrigens in vielen populären Sammlungen mit den besten Zitaten aus „Alice im Wunderland“.

Alice in Wonderland 

Diese Übernahme soll ein Verstoß gegen wissenschaftliche Standards sein, der die Autorin eindeutig als Wissenschaftlerin disqualifiziert. Der Sache nach ist es eine absolute Lappalie. Nur würde Webers Einwand lauten: So kleinkariert muss der akademische Betrieb vorgehen, damit sich keiner mit fremden Federn schmückt; exakte Benennung der Quelle muss sein, weil alle Theoriebildung darauf aufbaut. Aber wenn das so ist, dann müsste diese Exaktheitsforderung auch für Watzlawick gelten, dessen wissenschaftliche Leistung hier angeblich entwendet und vom Werk einer Nachfolgerin usurpiert wurde. Schauen wir uns daher einmal den Passus aus Watzlawicks Opus genauer an.

Als Erstes fällt auf, dass der Autor mit einer erstaunlichen Allaussage startet, die er in keiner Weise belegt. Alle Menschen sollen auf Sinnsuche sein – eine unhaltbare Behauptung, die man auch blitzschnell, z.B. mit einem Klick, widerlegen kann, wenn man sich etwa die Kritik der Sinnfrage von Jürgen Hoßdorf ansieht, die ebenfalls bei Telepolis vorgestellt wurde: Das Sinnbedürfnis treibt zwar viele Menschen um, genau so liegen aber seit den Zeiten der Aufklärung viele stichhaltige Einwände gegen das Aufspüren geheimnisvoller Kräfte in einer Hinterwelt vor. Zweitens, um zum Ende, zur Schlussfolgerung aus dem Zitat zu gehen: Wer „Alice im Wunderland“ gelesen hat, weiß, dass der König kein gleichmütiger Mensch ist (wie Watzlawick behauptet), sondern ein gefährlicher Irrer, der sich mit seinen absurden Vorwürfen gegenüber Zeugen und Angeklagten ständig ereifert, mit Hinrichtung droht etc. Der zitierte Satz geht dann auch so weiter: „And yet I don’t know… I seem to see some meaning in them, after all.“ Wieso er bei Watzlawick zu einer Marotte, einem etwas gesuchten Beispiel von „Alltagsmythologie“ (den Sinn der Ampeln betreffend), überleiten soll, ist dann kaum ersichtlich; anscheinend sollte nur ein kleines Bonmot den Text auflockern…

Man kann natürlich einwenden: Weber als Plagiatsforscher hat mit dem Inhalt, mit dem Gang der Argumentation oder dem Versuch, sie zu veranschaulichen etc., nichts zu tun. Das heißt aber, die Frage, ob hier kommunikationstheoretisches Geschwurbel vorliegt oder wissenschaftliche Erkenntnis, interessiert ihn und die von ihm betrieben Forschung kategorisch nicht. Weber kümmert sich bloß um die Basics. Aber wenn das so wäre, dann müsste sich doch als nächste Frage anschließen: Wie steht es denn eigentlich mit der Exaktheit in Watzlawicks Text?

Er zitiert einen Satz von Carroll. Woher stammt er? Wo ist die Quellenangabe? Welche Ausgabe wurde zugrundegelegt? Hat er etwa aus eine populäre Sammlung zitiert (was Guérot übrigens von Kritikern bei Einstein- oder Hume-Zitaten zur Last gelegt wird, da sie, möglicher Weise, auf Internet-Seiten zurückgegriffen hat statt auf die Originalausgaben von Anno Toback)? Weiter gefragt: Bekanntlich hat Carroll nicht in Deutsch geschrieben – woher stammt die Übersetzung? Carroll wurde x-fach übersetzt, auch ad usum delphini. Wer hat diese Übersetzung angefertigt?

Klar, das sind kleinkarierte Fragen. Aber wenn schon kleinkariert, dann immer! Und Frau Guérot kann man nur wünschen, dass sie sich wie Alice im Gerichtskapitel über die absurden Vorwürfe des Kartenkönigs und seiner Königin erhebt – und am Schluss aus dem Alptraum aufwacht.

Zuerst bei Telepolis erschienen.

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Oben       —     Ulrike Guérot (Senior Research Fellow und Leiterin des Berliner Büros, European Council on Foreign Relations, Berlin) Foto: CC-BY-SA Stephan Röhl / www.boell.de

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KOLUMNE * Red Flag

Erstellt von DL-Redaktion am 12. März 2023

Die Fesseln des undemokratischen Sreikrechts

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Von Elisa Aseva

Es gibt Dinge, die in Deutschland nicht zum intuitiven Allgemeinwissen gehören. Zum Beispiel der Fakt, dass Menschen mehr Geld verdienen sollten.

Seit Kurzem verfolgt mich ein kleiner, unscheinbarer Satz. Eigentlich war es bei dem Telefonat um ein konkretes Anliegen gegangen, doch meine Bekannte und ich hatten uns zuletzt zu Beginn der Pandemie gesprochen, und so verfielen wir bald in eines dieser gegenwärtig so typischen Blitz-Aufholgespräche.

In unter zehn Minuten tauschten wir Trennungen, Todesfälle und andere Alltagsumbrüche, als seien es Panini-Karten. „Ach so, ich wusste nicht, dass du da nicht mehr bist. Und ist der neue Job denn okay?“, fragte meine Bekannte. „Ja schon. Aber eben wieder nur Mindestlohn, es bleibt also stressig.“ – „Was, echt? Soll jetzt nicht blöd klingen, aber du könntest doch mehr verdienen.“ Es soll hier nicht um meine individuellen Chancen und Hinde­rungen gehen, der Satz hallt anders nach. Morgens, während ich beim Warten am überfüllten U-Bahnhof dabei zusehe, wie ein junger, nicht-weißer Typ mit der Reinigungsmaschine Muster auf den Boden zeichnet.

Als ich in der U-Bahn dann Zeugin werde, wie eine unübersichtlich wackelnde Kleinkindbande von einer Erzieherin und einem Praktikanten auf die freien Sitze verteilt und bei Anfahrt des Zuges bereits mit Apfelschnitzen versorgt wird. Und auch, als ich nach Feierabend in den Supermarkt springe und der Kassierer die Waren roboterschnell über den Scanner zieht, als wolle er ein sagenhaftes nächstes Level freispielen.

IHR MÜSSTET ALLE MEHR VERDIENEN. Es gibt statistische Wahrheiten, die in diesem Land nicht in das intuitive Allgemeinwissen einfließen. Mit der neoliberalen Umstrukturierung des Arbeitsmarktes und der massiven Privatisierung von staatlicher Infrastruktur wurde die soziale Landschaft Deutschlands grundlegend umgegraben. Viele einst gut bezahlte Mittelstandsjobs wie etwa bei der Deutschen Post wurden so in den Niedriglohnsektor geschoben, der folgende allgemeine Lohnverfall lässt sich durchaus als kalkuliert beschreiben.

Das Bekenntnis zum aggressiven Lohndumping verschaffte Deutschland ohne Zweifel einen klaren Wettbewerbsvorteil innerhalb des europäischen Staatengefüges. Erarbeitet wird er vor allem von Frauen, Mi­gran­t*in­nen und ostdeutschen Arbeiter*innen. Sind also diese Gruppen gemeint, wenn Bundesfinanzminister Christian Lindner mal wieder von den Leistungsträgern spricht, für die er Politik machen will?

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Tatsächlich arbeitet in Deutschland je­de*r Fünfte für einen Stundenlohn, der unter 12,50 liegt. Ein Aufstieg in höhere Gehaltsklassen gelingt nicht zufällig selten, er gibt schlicht kein wirtschaftliches Interesse. Nur in Lettland, Litauen, Estland, Polen und Bulgarien ist die Lohn­ungerechtigkeit ausgeprägter.

Lohnbeschäftigte werden oft zu individueller Anstrengung zur Verbesserung ihrer Lage ermutigt, dabei läge ihre tatsächliche Macht im kollektiven Zusammenschluss. Doch auch die Arbeitnehmerrechte sind in Deutschland stärker beschnitten als beispielsweise in Ländern wie Frankreich oder Italien. Gerade anlässlich der aktuellen Entscheidung der Post-Beschäftigten zum Streik sollte an die reaktio­näre Schlagseite des deutschen Streikrechts erinnert werden. Streikformen, die anderswo als selbstverständlich gelten und wichtige demokratische Mittel von Ar­beit­neh­me­r*in­nen darstellen, sind im Land der strukturellen Ungleichheit verboten.

Quelle        :     TAZ-online            >>>>>         weiterlesen

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Oben     —   Eine wehende rote Fahne

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Unten      —   Kita-Warnstreik der Sozial- und Erziehungsdienste am 13. Mai 2022 in Hamburg

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DL – Tagesticker 12.03.2023

Erstellt von DL-Redaktion am 12. März 2023

Direkt eingeflogen mit unseren Hubschrappschrap

Heute in der Leseauswahl des „Bengels“:  – . –  1.) FDP und Union kritisieren Aus für nationalen Sicherheitsrat  – . –  2.) Wissenschaftler fordern Stopp gefährlicher Experimente mit Viren  – . –   3.) Stramm­stehen im Ferienlager  – . –   4.) Neoliberalismus: Spartipps für die Armen, Bewunderung für die Reichen  – . –    5.)  Überraschung im Roten Rathaus Berlins  – . –   DL wünscht allen Leser-Innen einen schönen Tag und gute Unterhaltung.

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Gäbe es vielleicht noch mehr Interessenten für einen neuen Deppenrat der politischen Hinterbänkler ? Die Internationalen Rater reichen doch vollkommen aus, um das Nationale Durcheinander an den politischen Basen zu erhöhen. Der Graf beginnt vielleicht bald an zu singen: „Wir wollen unsern alten Kaiser Wilhelm wiederhaben…….!“

»Überfällig« und »lebenswichtig« – Scholz und Baerbock rangen um die Zuständigkeit für ein neues außenpolitisches Gremium – mit dem Ergebnis, dass es gar nicht kommt. FDP-Politiker Lambsdorff zeigt sich enttäuscht, die Union spricht von einem Offenbarungseid.

1.) FDP und Union kritisieren Aus für nationalen Sicherheitsrat

Die Entscheidung der Ampelregierung, doch keinen nationalen Sicherheitsrat einzurichten , stößt auf scharfe Kritik – auch in den eigenen Reihen. »Die Blockade des nationalen Sicherheitsrats durch Kanzleramt und Auswärtiges Amt ist aus Sicht der FDP  enttäuschend, weil alle Beteiligten wissen, dass eine Verbesserung der Abläufe in der Außen- und Sicherheitspolitik überfällig ist«, sagte FDP-Fraktionsvize Alexander Graf Lambsdorff am Samstag dem SPIEGEL. Für die FDP bleibe das Thema »definitiv« auf der Tagesordnung. Es waren vor allem die Liberalen, die in den Koalitionsverhandlungen mit SPD und Grünen für einen Sicherheitsrat geworben hatten, um damit die Strategiefähigkeit Deutschlands zu stärken. Kanzler Olaf Scholz (SPD) und Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) konnten sich nach monatelangen Verhandlungen zum Inhalt von Deutschlands erster »Nationaler Sicherheitsstrategie« nicht darauf einigen , wo das neue Gremium angesiedelt sein soll, wer es leitet und wie es besetzt wird. Kanzleramt und Außenressort beanspruchten die Zuständigkeit jeweils für sich. Der Kompromiss besteht nun darin, dass kein neuer sicherheitspolitischer Kreis eingerichtet wird, das Vorhaben soll in der »Nationalen Sicherheitsstrategie« keine Erwähnung finden. Das Grundsatzpapier soll demnächst in die Ressortabstimmung gehen.

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Hören wir dieses Geplärre nicht in der Hauptsache von Menschen welche für IHR-Land alles nur Erdenkliche machen würden ! Ja – sogar in den Krieg ziehen. Wo gibt das es Menschen welche zurück fragen, was denn der Staat für sie gemacht habe, um nun Dankbarkeit nun seine zeigen zu können-müssen? Kein Staat kann besser sein, als dass das Volk seine schlechten Politiker-innen wahrnimmt !!

Die Regeln zu lasch, die Leistungen zu großzügig, und muss es ein Buch für 15 Euro sein? Geht es ums Geld, neigen sich Kritik, ungebetene Ratschläge und neidische Blicke gern nach unten. Falsche Richtung, findet unsere Autorin

4.) Neoliberalismus: Spartipps für die Armen, Bewunderung für die Reichen

Ich bin armutsbetroffen und twittere über mein Leben in Armut unter dem Hashtag #IchbinArmutsbetroffen. Dafür werde ich auf verschiedenste Weise angefeindet. Ich solle mich schämen, als Bürgergeldbezieherin mehr Geld zu verlangen, weil der Regelsatz zu niedrig bemessen ist. Niemand schreibt einem Spitzenmanager, der ein paar Tausend Euro mehr verdient in der Krise, dass er sich schämen soll, so viel Gewinn zu machen. Der gesellschaftliche Blick geht nach unten, nicht nach oben. Maskendeals, Cum-Ex, Lobbyismus – irgendwie, so wirkt es, kommen Menschen mit viel Geld immer glimpflich davon. Geflüchtete, Niedriglöhner, die „arbeitende Mitte“, Bürgergeldempfänger, sie alle werden politisch gegeneinander instrumentalisiert. Die menschenverachtende „Bürgergelddebatte“ vor allem von Seiten der Union hat gezeigt, dass im Diskurs ein klassistisches Weltbild vorherrscht. Und das wird gut befeuert, denn wo wäre Deutschland ohne seine Armen, die immer dann wichtig sind, wenn es darum geht, PR-Fotos für Politiker zu machen? Söder bei der Tafel, Scholz bei der Tafel. Wieso ist Herr Linder da noch nicht gewesen? Oh, ich vergaß: falsches Klientel! Kein verwertbares Humankapital. Mit Armutsbetroffenen kann man kein Geld machen. Gerade in einer Gesellschaft, die auf Leistung aus ist, ist Erwerbslosigkeit oder Armut das absolute Versagen. Anstatt mit Verständnis, Solidarität und Mitgefühl zu reagieren, bekommen Armutsbetroffene Vorwürfe.

Freitag-online

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Hat die SPD nicht schon zu Weimar-Zeiten bewiesen , wie sehr sie sich von den herrschenden Winden anhängig macht? Das scheint im grünen bei allen Parteien Usus zu werden, welche sich im Dunstkreis eines Republikanischen Reichstag bewegen! Oder hat irgendwer den neu aufkommenden Gestank von Verwesung noch nicht wahrgenommen ? Heil !

Eine Fortsetzung der rot-grün-roten Koalition in Berlin wird es wohl nicht geben. Die SPD will stattdessen künftig mit der CDU regieren, bei der sie mehr inhaltliche Übereinstimmungen sieht.

5.)Überraschung im Roten Rathaus Berlins

Damit hatten nur wenige gerechnet: Berlins Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) will die derzeitige Regierungskoalition mit Grünen und Linkspartei beenden und stattdessen eine Koalition mit der CDU anstreben. Bei der Wiederholung der Wahl zum Berliner Landesparlament, dem Abgeordnetenhaus, vom 12. Februar hatte die CDU mit ihrem Spitzenkandidaten Kai Wegner 28,2 Prozent der Stimmen erhalten und die Wahl klar gewonnen. SPD und Grüne hatten jeweils 18,4 Prozent erreicht. Die SPD, die bei der Parlamentswahl 2021 noch knapp drei Prozentpunkte vor den Grünen lag, hatte nach der letzten Nachauszählung nur noch einen Vorsprung von 53 Stimmen. Die Linkspartei lag mit 12,2 Prozent knapp zwei Prozentpunkte unter ihrem Ergebnis von 2021. Das wurde intern angesichts der Lage der Partei erst einmal mit großer Erleichterung aufgenommen. Damit waren drei Koalitionen möglich: Die CDU käme zusammen mit der SPD oder mit den Grünen auf eine Mehrheit, aber auch die bisherige rot-grün-rote Koalition könnte weiterregieren. Auch wenn diese von Anfang an von enormen inneren Konflikten gekennzeichnet war, waren doch die meisten Beobachter:innen davon ausgegangen, dass die drei Parteien sie fortführen würden. Auch die Ergebnisse erster Sondierungsgespräche deuteten in diese Richtung. So gingen die Verhand­lungsführer:innen der drei Parteien noch am 27. Februar mit der Nachricht an die Öffentlichkeit, im Umgang mit dem Ergebnis des umstrittenen und insbesondere von Giffey abgelehnten Volksentscheids »Deutsche Wohnen und Co. enteignen« sei ein »gangbarer Weg« gefunden worden – auch wenn keine Details öffentlich wurden.

jungle.World-online

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Den Morgengruß an gleicher Stelle – schreibt jeden Tag
„Der freche Bengel“

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Wir erhalten in letzter Zeit viele Mails mit Texten zwecks Veröffentlichung – Um diese zu verbreiten  sollten Sie sich aber erst einmal vorstellen und zeigen mit wem wir es zu tun haben.  Danke !

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