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RENTENANGST

Archiv für Februar 27th, 2023

Afrika im Afrobeat

Erstellt von DL-Redaktion am 27. Februar 2023

Nie mehr Eintagsfliege sein

Ein Debattenbeitrag von Dominic Johnson

In immer mehr Ländern Afrikas bringt der Unmut der Menschen Außenseiter an die Macht, die zumindest für einen kurzen Moment Veränderung verheißen.

Als Kind hatte Sodea So Ne Kpekase große Pläne. Der kleine Kameruner machte gerne Musik, er bastelte mit Elektrogeräten und er wollte Wasserminister werden. Aber sein Vater hatte andere Ideen. Sein Sohn sollte das Vieh hüten, damit seine fünf Brüder und die große Schwester zur Schule gehen können.

Sodea sagte Nein und wurde von der Familie verstoßen, im Alter von 13 Jahren. Er biss sich alleine durch und landete doch noch auf der Hochschule. „Ich erlebte Fehlschläge, aber ich legte die Hände nicht in den Schoß,“ beschreibt er seinen Lebensweg im Informationsbrief seiner kamerunischen Jugendaktivistengruppe, der unter dem Motto „Gemeinsam die Welt verändern“ erscheint. Mittlerweile sitzt Sodea So Ne Kpekase im Jugendparlament von Kamerun, eine Plattform, in der Jugendliche so tun können, als seien sie Abgeordnete, sich als „Honorable“ bezeichnen, eine Amtsschärpe umlegen und diversen nützlichen Aktivitäten nachgehen, die Kameruns Staat vernachlässigt. Sodea zum Beispiel hilft Familien in seiner Heimatregionen, Geburtsurkunden für ihre Kinder ausgestellt zu bekommen – ein für viele Menschen mit hohen Hürden verbundener bürokratischer Prozess, ohne den aber keine Teilhabe am staatsbürgerlichen Leben möglich ist.

Sodeas Geschichte ist typisch in Ländern wie Kamerun, wo die meisten Menschen in Armut leben, Kinder die Hälfte der Bevölkerung ausmachen, restriktive familiäre Vorgaben das Erwachsenwerden prägen und Aufstieg das Privileg weniger darstellt. Ökonomen zufolge haben nur 10 Prozent der kamerunischen Bevölkerung im arbeitsfähigen Alter überhaupt eine bezahlte Arbeit im formellen Sektor, der Rest überlebte informell als Prekariat. Anderswo sieht es nicht viel besser aus. Die meisten Menschen sehen das Leben der Reichen und Schönen an sich vorbeiziehen, während sie selbst nicht wissen, was ihre Kinder am nächsten Tag essen sollen.

In der Demokratischen Republik Kongo sagt das Sprichwort, der Durchschnittskongolese habe eine Lebenserwartung von täglich verlängerbaren 24 Stunden („24 heures renouvelables“). Ein politisches System, das dem Rechnung tragen könnte, muss erst noch erfunden werden. Demokratische Institutionen mit freien Wahlen bringen wenig, wenn die meisten Menschen den Status von Eintagsfliegen haben, die sich von Scheiße ernähren müssen und sich an der Wahlurne bloß zwischen unterschiedlichen Haufen entscheiden sollen. Hoffnung bestünde darin, gar keine Eintagsfliege mehr zu sein, aber diese Option steht nicht zur Wahl.

So haben regelmäßige demokratische Machtwechsel in Afrika ihren Glanz verloren. In Ghana oder Sambia, wo der Regierungswechsel zwischen etablierten politischen Kräften inzwischen Routine ist, hat sich das Leben dadurch nicht verbessert. Eher erscheinen solche Länder noch anfälliger für Wirtschaftskrisen, weil die neuen Regierungen immer vor allem die Hinterlassenschaften ihrer Vorgänger ausmisten müssen.

Immer öfter punkten daher politische Außenseiter, die gegen das System an sich antreten, als selbst ernannte Quereinsteiger und Heilsbringer, die der verelendeten Masse die Tore zum Paradies öffnen sollen. Wo 90 Prozent der Bevölkerung Außenseiter sind, kann echte Demokratie eigentlich gar nicht anders funktionieren. In Nigeria muss Peter Obi, der als Spitzenkandidat einer Minipartei antritt, die Wahlen gar nicht gewinnen, um Nigerias Wahljahr 2023 zu prägen: Er sagt dem Politestablishment den Kampf an, predigt in einem der korruptesten Länder der Welt Genügsamkeit und Einfachheit und landet damit an der Spitze mancher Umfragen. Obi ist in Wirklichkeit selbst längst Teil der Elite, aber er wirkt glaubwürdiger als seine Kollegen, weil er die Werte dieser Elite kritisiert.

William Ruto in Kenia gewann vergangenes Jahr die Präsidentschaftswahl mit der Selbstbezeichnung „hustler“ – jemand, der ständig irgendwelche Geschäfte am Laufen hat und sich durchboxt. Rutos Lebensgeschichte vom Armenjungen zum Millionär war überzeugender als die seines Konkurrenten Raila Odinga, der zwar für eine inklusivere Politik antrat, aber als Sohn eines Unabhängigkeitshelden den Makel des Dynastiezöglings nicht ablegen konnte. Von Exfußballstar George Weah in Liberia bis zum Millionär Sam Matekane in Lesotho reicht die Liste weiterer Außenseiter, die Wahlen gewinnen und an die sich immense Hoffnungen auf Veränderung knüpfen.

Quelle        :           TAZ-online          >>>>>       weiterlesen

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Grafikquellen        :

Oben      —     „802727AI (R02109) 11-00.“ Available also through the Library of Congress Web site as a raster image.

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Eine Kriegs-Erklärung

Erstellt von DL-Redaktion am 27. Februar 2023

Abweichende Bemerkungen zur Weltlage

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So –  wie die Alten sungen, so zwitschern auch die Jungen

Quelle     :     Untergrundblättle – CH

Von      : Renate Dillmann

Seit dem 24.2.2022 führt Russland Krieg in der Ukraine. Seitdem sind viele Menschen ums Leben gekommen – Menschen mit russischer oder mit ukrainischer Staatsangehörigkeit, Zivilisten und vor allem Soldaten. Warum gibt es diesen Krieg? Wofür sind diese Menschen gestorben?

Vermutlich wird am Jahrestag des Kriegsbeginns in den Mainstream-Medien erneut mit ausgestrecktem Zeigefinger auf „Putin“ als den alleinigen Verantwortlichen gedeutet. Einen Schuldigen zu benennen ist allerdings alles andere als eine Erklärung zu liefern.Das soll im Folgenden versucht werden. Dazu sind einige grundsätzliche Überlegungen zur modernen Staatenkonkurrenz nötig – ebenso wie eine Betrachtung des konkreten Falls.

Kapitalismus, Staatenkonkurrenz und Krieg

Moderne Staaten leben nicht davon, fremde Territorien zu erobern, sondern davon, ein möglichst grosses Wirtschaftswachstum zustande zu bringen. Ihre Aussen- und Geopolitik bezieht sich deshalb im Prinzip gleich auf die gesamte Welt. Insbesondere für die erfolgreichen und wichtigen Staaten gilt: Kein Stückchen Erde ist für sie uninteressant, keine Insel, keine Schifffahrtspassage, kein Punkt im erdnahen Weltraum wird ausser Acht gelassen – einen Standpunkt des „Geht uns nichts an“ gibt es in ihrer Aussenpolitik einfach nicht.

Seit 1990 kann man von einer weltweit gültigen Geschäftsordnung sprechen: Im Prinzip herrscht freier Austausch von Waren und Kapital auf dem gesamten Globus und in ihrer Souveränität anerkannte Nationalstaaten konkurrieren untereinander um den Nutzen aus diesem globalen Geschäft. Im Völkerrecht haben sie sich dazu verpflichtet, ihre „internationalen Streitigkeiten“ (von deren Fortexistenz also ausgegangen wird) nach Möglichkeit friedlich auszutragen bzw. die Vereinten Nationen über die erforderlichen Massnahmen entscheiden zu lassen. Diese „Ordnung“ der Welt im Geist weltweit freier kapitalistischer Konkurrenz ist einerseits das Resultat der Entkolonialisierung, die die USA noch zusammen mit der Sowjetunion gegenüber den ehemaligen Kolonialstaaten, insbesondere England und Frankreich, durchgesetzt haben. Und sie ist das Resultat des Kalten Kriegs, an dessen Ende sich der „totgerüstete“ kommunistische Ostblock selbst aufgelöst hat.

Das Ende des Kalten Kriegs – den westlichen Bevölkerungen wurde stets die Existenz des kommunistischen Störenfrieds als Grund für den Unfrieden auf der Welt genannt – hat allerdings nicht für ein Ende des weltweiten Aufrüstens gesorgt, schon gar nicht bei den Nato-Staaten, die ihr Militärbündnis nach der Auflösung des Warschauer Pakts keineswegs ad acta gelegt haben. Das ist auch kein Wunder. Die nun „endlich“ weltweit geltende Geschäftsordnung, die ihrerseits Resultat gewaltsamer Auseinandersetzungen ist, bringt aus sich heraus permanent harte Gegensätze zwischen den Staaten zustande und ist kein Verhältnis wechselseitigen Vorteils, keine win-win-Situation, wie gerne behauptet wird. Handel und Kapitalverkehr zwischen kapitalistischen Nationen dienen schliesslich dazu, dass sich aneinander bereichert wird. Auch wenn es Phasen gibt, in denen davon geschwärmt wird, dass Handels- und Investitionsverträge allen Beteiligten von Nutzen sind und es für alle aufwärts geht – letztendlich werden die Erfolge eines Landes auf Kosten eines anderen errungen; das zeigt sich spätestens auf der Ebene der Konkurrenz der Währungen.

Die Klagen westlicher Politiker und Journalisten darüber, dass China einen ungeheuren Aufstieg als Wirtschaftsnation hinlegt, bieten übrigens ein gutes Beispiel. Während ja ansonsten gerne lauthals betont wird, dass die Entwicklungsländer sich durch Teilnahme am Weltmarkt aus ihrer Lage herausarbeiten sollen, um so Hunger und Unterentwicklung hinter sich zu lassen, ist de facto kein westliches Land froh darüber, dass China – früher einmal das „grösste Entwicklungsland der Welt“ – genau das geschafft hat und zu den führenden Staaten dieser Erde aufsteigt. Die Befürchtungen über die weiteren Konsequenzen von Chinas neuen Fähigkeiten, die jede Woche lauter werden, zeigen ziemlich deutlich: Deren Erfolg nimmt „uns“ (der BRD, den USA usw.) etwas weg, geht auf „unsere“ Kosten.

Geostrategische Konkurrenz: ohne absichernde Gewalt kein erfolgreiches Geschäft

Schon an den internationalen Absprachen, die dem Handeln der Unternehmer vorausgehen, ist ersichtlich, dass das länderübergreifende und weltumspannende Geschäft nicht ohne Gewalt auskommt. Staatliche Souveräne zwingen sich wechselweise zur Anerkennung ihrer Existenz und handeln – unter Einsatz aller ihnen zur Verfügung stehenden Erpressungsmittel – die Bedingungen des globalen Geldverdienens aus: Das ist die schöne „regelbasierte Weltordnung“, die nach Ansicht der USA unbedingt gegen Angriffe geschützt werden muss, so der US-Verteidigungsminister Esper auf der Münchner Sicherheitskonferenz 2020. Wenn auf dieser Basis „friedlich“ gehandelt wird, macht das das Schiessen natürlich keineswegs überflüssig. Der ehemalige Bundespräsident Horst Köhler hat diesen Zusammenhang im Mai 2010 in einem Interview mit dem Deutschlandradio ausgesprochen:

„Meine Einschätzung ist aber, dass wir auf dem Wege sind, doch auch in der Breite der Gesellschaft zu verstehen, dass ein Land unserer Grösse mit dieser Aussenhandelsorientierung und damit auch Aussenhandelsabhängigkeit wissen muss, dass im Zweifel, im Notfall auch militärischer Einsatz notwendig ist, um unsere Interessen zu wahren, zum Beispiel freie Handelswege, zum Beispiel ganze regionale Instabilitäten zu verhindern, die mit Sicherheit dann auch auf unsere Chancen zurückschlagen negativ durch Handel, Arbeitsplätze und Einkommen. Alles das soll diskutiert werden und ich glaube, wir sind auf einem nicht so schlechten Weg. […] Es wird wieder Todesfälle geben. […] Man muss auch um diesen Preis am Ende seine Interessen wahren. […]“

Während Horst Köhler für seine Bemerkungen im Jahr 2010 als Bundespräsident noch zurücktreten musste, sind seine Gedanken inzwischen (wenn vielleicht auch noch nicht ganz in „der Breite der Gesellschaft“, so doch) an ihrer Spitze angekommen. Die Verantwortlichen für die deutsche Sicherheitspolitik sprachen die Verknüpfung von aussenwirtschaftlichen Interessen der Nation und militärischen Sicherheitsfragen schon lange vor der „Zeitenwende“ von Olaf Scholz offen aus. „Wohlstand und Volkseinkommen sind in Deutschland in hohem Masse abhängig von funktionierenden Rahmenbedingungen – in Europa und in der Welt. Deutschland ist eng in internationale Handels- und Investitionsströme eingebunden. Unser Land ist in besonderem Masse auf gesicherte Versorgungswege, stabile Märkte sowie funktionierende Informations- und Kommunikationssysteme angewiesen. Diese Abhängigkeit wird weiter zunehmen.“ („Weissbuch zur Sicherheitspolitik und zur Zukunft der Bundeswehr“ 2016)

Das deutsche Staatswesen und seine wirtschaftlichen Interessen brauchen eine Armee, die überall auf der Welt die „Verantwortung“ für funktionierende Rahmenbedingungen übernehmen muss. Dass das „Weissbuch“ Deutschlands weltweite Gewinninteressen dabei als „Abhängigkeiten“ fasst, mag logisch etwas zweifelhaft sein, ist aber die durchaus übliche Selbstdarstellung auf dem Feld der internationalen Politik. Die hat gleichzeitig den überaus schönen Effekt, dass die „Abhängigkeiten“ eines Landes und damit die Notwendigkeiten, zu intervenieren und zu „verteidigen“ umso mehr wachsen, je erfolgreicher seine Wirtschaftsunternehmen auf dieser Erde tätig sind und andere Nationen von sich abhängig gemacht. Kein Wunder also, dass sich die USA, die wirtschaftsmächtigste Nation der heutigen Welt, die mit Abstand teuerste Armee leisten, überall Stützpunkte (an die 1000 weltweit) unterhalten und meist mehrere Kriege gleichzeitig führen, während andere „Fälle“ schon (bzw. noch) mit Wirtschaftskriegen, in denen man sämtliche Wirtschaftsbeziehungen nun als Waffen nutzen kann, zur „Vernunft“ gebracht werden.

Die ganze Gewalttätigkeit und Aggressivität der heutigen Weltordnung ist eben nicht – wie es in der Presse oft dargestellt wird – Ausdruck egomanischer, durchgeknallter Politiker. Sie ist vielmehr Ausdruck dessen, in welchem Umfang unversöhnliche Gegensätze die Wirtschaftsinteressen kapitalistischer Staaten bestimmen – also von Akteuren, die alle dasselbe wollen, nämlich Geld aneinander verdienen und sich dabei mit ihren Interessen unvermeidlich in die Quere kommen.

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Die „regelbasierte Weltordnung“ und ihre Störenfriede Dass eine solche Welt ständig „geordnet“ werden muss, ist also kein Wunder. Und ebenso wenig, dass die ständige (Wieder-)Herstellung dieser Ordnung das Werk der Macht ist, die erstens von der weltweiten Konkurrenz ökonomisch am meisten profitiert, weil sie mit ihrem Dollar bei fast jedem Geschäft mit-verdient und die zweitens dank ihrer überlegenen Militärmacht in der Lage ist, die Durchsetzung der Gleichung von Recht und US-amerikanischem Nutzen zu erzwingen. Für die USA, die sich diese globale Geschäftsordnung in zwei Weltkriegen und einem Kalten Krieg erkämpft hat, stellen Störungen der für sie sinnreich eingerichteten Ordnung ein absolutes Ärgernis dar.

  • Ein solcher Störfall liegt vor, wenn ein Rohstoff-reiches Land seine Bodenschätze dem Zugriff us-amerikanischer kapitalkräftiger Konzerne entreisst und unter nationale Regie stellt, um mehr beim Verkauf zu verdienen und davon nationale Entwicklungsprojekte zu fördern. Die Liste der deshalb von Wirtschaftskriegen, Putschs oder regelrechten Kriegen betroffenen Länder ist lang (Iran 1953, Guatemala 1954, Chile 1973, Irak 2003, Libyen 2011); dazu kommen einige gescheiterte oder noch nicht beendete Versuche in Venezuela, Bolivien, schon wieder der Iran …
  • Dass Staaten der Konkurrenz auf dem Weltmarkt nicht gewachsen sind und darüber ruiniert werden, kann vom Standpunkt der Weltmacht weitere Eingriffe nötig machen. Negative, zerstörerische Resultate – das Verhungern des Volks, seine massenhafte Flucht, der Zusammenbruch von Währung und Staatsgewalt – sind vor Ort hinzunehmen, ohne dass sich dagegen gewehrt werden soll. Das zu erzwingen, gehört zur „Verantwortung“, die die führenden kapitalistischen Nationen für die Geschäftsordnung übernehmen, die ihnen nutzt.
  • In Afghanistan, einem für das weltweite Geschäft eher unbedeutenden Land, haben die USA mit ihrem „war on terror“ exemplarisch gezeigt, was passiert, wenn man Feinde der USA und ihrer Weltordnung unterstützt (Feinde, die sie übrigens selbst als Mittel im Kampf gegen die Sowjetunion ausgerüstet hatten).

Die wichtigste Art von Störfällen, zumindest aus us-amerikanischer Sicht, ist allerdings anderer Natur. Es sind selbstverständlich die Staaten, denen es als Teilnehmer in dieser Weltordnung gelungen ist, zu ernsthaften Konkurrenten der amerikanischen Hegemonie zu werden.

Deutscheuropa, Russland und China

Da ist erstens das EU-Projekt. Dessen ökonomische Führungsmacht Deutschland hat ihren wirtschaftlichen (Wieder-)Aufstieg nach dem 2. Weltkrieg zwar bisher im Bündnis mit und untergeordnet unter die USA vollzogen. Für die USA waren die europäischen Nato-Partner und die BRD als Frontstaat unverzichtbar beim Niederringen der UdSSR, von dem Deutschland mit dem Zugewinn an Volk, Territorium und Macht in besonderer Weise profitiert hat. Mit ihrem Binnenmarkt, einer Gemeinschaftswährung, die dem Dollar Konkurrenz macht, und ihrer Ausdehnung ist die EU allerdings inzwischen zu einem Staatenbündnis geworden, dessen Entwicklung in Washington mit wachsendem Misstrauen betrachtet wird. Die amerikanischen Think-tanks haben praktisch in den letzten Jahren einiges initiiert, um das Euro/EU-Projekt zu stören – von den US-hörigen Osteuropäern bis zur Förderung des englischen Brexits.

Da ist zweitens Russland, dessen aus westlicher Sicht wunderbarer ökonomischer Ausverkauf und staatlicher Zerfallsprozess unter Jelzin von seinem Nachfolger Putin gestoppt wurde. Unter dessen Präsidentschaft hat sich das Land ökonomisch und politisch konsolidiert – wenn es im Aussenhandel auch vor allem vom Verkauf seiner Rohstoffe und Waffen lebt. Auch wenn Russland damit kein ernsthafter ökonomischer Konkurrent der USA ist, betreibt es heute (erneut) eine aktive Aussenpolitik, die den westlichen Interessen an einigen Stellen der Welt in die Quere kommt – in Zentralasien (den Ex-Sowjetrepubliken), in Syrien, in Libyen, in Mali. Vor allem aber stösst den USA unangenehm auf, dass das Land aus Sowjetzeiten über eine Atomstreitmacht verfügt, die ihrer eigenen gewachsen ist, und das in diesem Sinne tatsächlich souverän (= militärisch nicht ohne weiteres erpressbar) ist.

Da ist drittens und vor allem das kapitalistisch gewendete China als neu aufsteigende ökonomische wie politische Grossmacht. Dieses Land wird aufgrund von Grösse und Bevölkerungszahl die USA in absehbarer Zeit als wichtigste kapitalistische Macht auf dem Globus ablösen. Und es bezieht mit seinen aussenwirtschaftlichen Initiativen in Asien, Afrika und Südamerika, inzwischen auch in Zentralasien und Südeuropa (Stichwort: Neue Seidenstrasse), viele Staaten mit Geschäfts- und Kreditangeboten auf sich und arbeitet damit aktiv an einer „multipolaren Weltordnung“. Das setzt allerdings voraus, dass seine Entwicklung zur kapitalistischen Grossmacht ungestört weiter verläuft, was die USA deshalb mit allen ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln bekämpfen, ökonomisch wie politisch. Gegen diese Rivalen verteidigen die USA zurzeit ihre bisherige Sonderstellung als Welt- und Weltordnungsmacht: Eine zweite Macht auf Augenhöhe dulden sie in ihrer Weltordnung, die sie schliesslich zu ihrem Nutzen eingerichtet haben, erklärtermassen schlicht nicht. Nebenbemerkung: Man kann hier erneut sehen, ein wie anspruchsvolles (um nicht zu sagen „aggressives“) Ziel „Verteidigung“ ist… Die Mittel, die sie dafür einsetzen, reichen von ökonomischen bis zu politisch-militärischen. Sie greifen zentrale Momente an, aus denen diesen Staaten ihre Macht beziehen: den chinesischen Warenhandel, den russischen Rohstoffexport, die deutsch-russischen Energie- und sonstigen Geschäfte – und sie zögern nicht, dafür wesentliche Momente ihres „freien Welthandels“ zu instrumentalisieren oder ausser Kraft zu setzen (aggressive Schutzzollpolitik, Kampf gegen wichtige ausländische Unternehmen wie VW und Huawei). Sie bedrohen Russland und China mit ihren Allianzen (Nato, Aukus) und sie versuchen, sich das deutsche Europa dauerhaft unterzuordnen bzw. es durch die neuen Nato- und EU-Staaten Osteuropas zu spalten. Kein Wunder, dass sie dabei auf Widerstand treffen – auch ihre Konkurrenten „verteidigen“ sich dabei selbstverständlich nur: ihre besonderen ökonomischen Interessen wie ihren Willen zum Aufstieg nämlich.

Nicht nur Russland will den Ukraine-Krieg

Russland wehrt sich mit dem Krieg in der Ukraine, der übrigens ebenso völkerrechtswidrig ist wie der Nato-Krieg in Jugoslawien, der Afghanistan- und der Irak-Krieg, gegen eine weitere Ost-Ausdehnung der Nato. Putin hatte zuvor in unzähligen diplomatischen Initiativen Respekt für die russischen Sicherheitsinteressen verlangt, die ein weiteres Heranrücken westlicher Armeen und Raketenbasen und ein Infragestellung der russischen Schwarzmeer-Flotte nicht erlauben – ein Verlangen, dessen Berechtigung von einigen westlichen Militärs durchaus begriffen wird, wie die Stellungnahmen von Harald Kujat, Erich Vad und Jacques Baud belegen. Nachdem die westlichen Staaten darauf nicht eingegangen sind und eine Nato-Mitgliedschaft der seit 2014 massiv mit westlichen Waffen aufgerüsteten Ukraine kurz bevorstand, hat Putin den laufenden Krieg begonnen – als „militärische Spezialoperation“, d.h. mit angekündigt begrenzter Reichweite und Dauer. Heute besteht das unmittelbare russische Kriegsziel wohl in der Sicherung der Donbass-Republiken sowie der Krim und der dort stationierten Schwarzmeer-Flotte.

Wenn Russland sich damit durchsetzen könnte, wäre das allerdings – auf einer höheren Ebene – gleichzeitig ein Durchbrechen des Weltgewaltmonopols, wie es die USA für sich in Anspruch nehmen: Nur sie dürfen ungestraft Krieg führen auf der Welt und nur sie erlauben anderen Staaten, so etwas ungestraft zu tun. Nur sie dürfen Grenzen verschieben, Separatisten ins Recht setzen oder verbieten.

Insofern stellt dieser Krieg in der Tat einen Anschlag auf die geltende unipolare Weltordnung dar – ein Grund dafür, dass ihn viele Länder insbesondere aus dem globalen Süden keineswegs verurteilen und sich auch nicht an den geforderten Wirtschaftssanktionen beteiligen, die ihre miserable Lage in der Weltmarktkonkurrenz noch weiter verschlechtern würden.

Die USA nutzen diesen Krieg gleich mehrfach. Sie schädigen Russland durch einen Stellvertreterkrieg auf dem Territorium der Ukraine und „bis zum letzten Ukrainer“ militärisch massiv. Durch den parallel geführten (und ebenfalls völkerrechtswidrigen) Wirtschaftskrieg versuchen sie, die ökonomischen Grundlagen Russlands zu attackieren – den Handel mit Öl, Gas und Waffen.

Sie schlagen ihrem guten „Freund und Alliierten“ Deutschland seine bislang vorteilhafte Energie-Versorgung mittels russischem Öl und Gas aus der Hand, schrecken dabei auch vor staatsterroristischen Akten nicht zurück und verderben ihm – aus ihrer Sicht möglichst dauerhaft – sein Russland-Geschäft sowie seine (zeitweise) guten diplomatischen Beziehungen zu Moskau, die ihm auch eine gewisse Distanz zur verlangten Unterordnung unter die US-Politik erlaubt haben. Sie stellen ihren Hauptrivalen China vor die Gretchenfrage, ob es dem neuen „Paria“ der Weltordnung weiter die Stange halten will und dafür erneut ökonomische Boykott-Massnahmen riskiert. Das in den letzten Jahren zustande gekommene Bündnis zwischen China, dem wichtigsten ökonomischen Rivalen, und Russland, dem wichtigsten militärischen, war nämlich aus US-Sicht untragbar – ebenso übrigens, wie es ein „eurasischer Wirtschaftsraum“ gewesen wäre, in dem die EU und Russland friedlich-produktive Beziehungen entwickelt hätten.

Die einzige Einschränkung dieser Kriegspolitik, die zurzeit scheinbar ohne jede Furcht vor einer nuklearen Eskalation eine „rote Linie“ nach der anderen überschreitet, stellt bei US-Militärs und -Medien die Frage dar, ob die an und für sich nützliche Schädigung Russlands nicht zu viele Mittel bindet. Eigentlich werden die ja für Wichtigeres gebraucht und China soll nicht schon wieder Nutzniesser einer weiteren Krise sein.

Grossbritannien nimmt den Ukraine-Krieg als Chance, sich durch seine forsche militärische Unterstützung der Kiewer Regierung (die auch die Verhinderung eines „zu frühen“ Friedensschlusses mit den Russen durch Boris Johnson einschloss) als die wirkliche europäische Führungsmacht jenseits der EU in Szene zu setzen – so etwa nach dem Motto: Ein potentes Militär hat das alte Empire immer noch und kann durch diese Machtentfaltung das „deutsche Europa“, mit dem London seit dem Brexit in einer neuen Konkurrenz steht, möglicherweise im seinem Sinne neu ordnen. Kein Wunder, dass dabei erneut die alten Bündnislinien (mit Polen gegen Deutschland) zum Zug kommen.

Die aufstrebende Grossmacht EU und ihre deutsche Führungsmacht wollen nicht hinnehmen, dass Russland sich seiner weiteren Einkreisung entgegenstellt und sich herausnimmt, dafür Gewaltmittel einzusetzen. Das ist der Kern von Baerbocks Behauptung, man sei in einer „neuen Welt“ aufgewacht, in der wieder Krieg in Europa geführt werde. „Krieg in Europa“ gab es selbstverständlich auch schon vorher wieder – ob in Nordirland oder Jugoslawien, nur wurde er da von den „richtigen“ Mächten geführt. Russland dagegen soll das nicht erlaubt sein; ihm steht das Recht auf Kriegführen auf diesem Kontinent nicht zu. Deshalb „muss“ das Land in seine Schranken gewiesen werden.

Insofern will die EU, will Deutschland diesen Krieg – als erfolgreiche Verteidigung der Ukraine gegen Russland, an deren Ende ein russisches Staatswesen stehen soll, das nicht mehr in der Lage ist, Krieg zu führen und das dann idealiter in seine Einzelteile zerfällt. Zugleich ist das ein – weiterer – Versuch der EU wie Deutschlands, sich im Rahmen der Kriegsbeteiligung zu profilieren und von den USA zu emanzipieren.

Gleichzeitig wird innerhalb der EU die sowieso schon immer vorhandene Konkurrenz darum, wer in ihr das Sagen hat, an einem neuen Gegenstand ausgetragen: Wer macht Russland am entschiedensten, forschesten und rücksichtslosesten fertig? lautet der neue innereuropäische Wettbewerb. (Nebenbemerkung: Es ist doch aufschlussreich, was eine „Führungsmacht“ in der mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichneten EU ausmacht!)

Das hat Folgen. Wie schon gesagt, schaden die Wirtschaftssanktionen Deutschland am meisten, weil es die profitabelsten Beziehungen zu Russland unterhielt (s.o.). Es musste im Zuge der westlichen Wirtschaftssanktionen den Zugriff auf die günstigen russischen Energielieferungen ebenso aufgeben wie einen Grossteil seines Russland-Geschäfts. Dass es sich die Sprengung der Nordstream-Pipeline durch seine Verbündeten bieten lassen muss, sorgt sicher nicht nur in Washington für Freude, sondern auch bei den EU-Partnern, vor allem in Warschau, das diese Pipeline immer aufs Schärfste bekämpft hatte. Militärisch liefert Deutschland massiv – und gleichzeitig steht die deutsche Regierung angesichts der stetigen Forderungen der osteuropäischen Staaten als ewiger „Zauderer“ da, der an „Führungskraft“ verliert. Aktuell versucht die deutsche Politik zwar, diesen Eindruck wieder umzudrehen angesichts dessen, dass nach dem vorherigen lauten Getöse inzwischen nur noch Deutschland Panzer zu liefern scheint. Es scheint allerdings fraglich, was damit aus der deutschen Kalkulation, sich keineswegs auf „gefährliche Alleingänge“ einzulassen, geworden ist.

Polen jedenfalls sieht sich, wie die Tagesschau bestürzt feststellt, inzwischen als das neue „Gravitationszentrum“ Europas, das gemeinsam mit den Balten die Eskalation gegen Russland vorantreibt. Und selbstverständlich ist sich auch Frankreich wieder schuldig, als stärkste Militärmacht der EU aufzutreten, an die eigene atomare Streitmacht zu erinnern und Selensky mit französischem Militärgerät zu beliefern…

Nicht zuletzt will die Ukraine selbst diesen Krieg. Zwar wird von diesem Land und seinen Bewohnern vermutlich nicht viel übrig bleiben, wenn es so weitergeht. Das hindert seine politische Führung allerdings überhaupt nicht, immer weitere „schwere Waffen“ zu fordern und Verhandlungen vor einem „Siegfrieden“ auszuschliessen, der, Stand heute, auch die Rückeroberung der Krim beinhalten soll (womit Russlands Schwarzmeerflotte und sein Zugang zum Mittelmeer attackiert wird).

Dieses Land führt hier eine Art verspäteten Staatsgründungskrieg gegen Russland – und dafür ist offenbar kein Opfer zu hoch. Das Leben der eigenen Bevölkerung ist jedenfalls nicht der Massstab, an dem Selensky seine Kriegsstrategie ausrichtet – und das russischer Soldaten und Bürger sowieso nicht, denn Russen hat „unser Held“ in Kiew längst zu einer Art von Untermenschen erklärt. Natürlich ist damit auch ein hartes Ausgrenzungs- oder Unterordnungsprogramm gegenüber den 30 Prozent ethnischer Russen in der ukrainischen Bevölkerung auf der Tagesordnung. Russische Sprache, russische Literatur und Musik wurden im letzten Jahr als kulturelle Waffen des Feindes ebenso verboten wie elf Oppositionsparteien (die Kommunistische Partei hatte es schon 2015 erwischt). Die Medien sind gleichgeschaltet; viele Kritiker der Regierung und des Maidan-Putsches von 2014 verhaftet. Dass fast die Hälfte der Bevölkerung die „ukrainische Heimat“ inzwischen verlassen hat, stört nicht, auch wenn nach der inzwischen siebten Mobilisierung (Männer bis 60 Jahre) das menschliche Material knapp wird. Denn die Mittel für diesen Krieg bezieht das ukrainische Militär aus der westlichen Waffenhilfe. Die eigene Bevölkerung und die eigene Wirtschaft sind als Basis der staatlichen Ansprüche wesentlich weniger ertragreich. Also muss sich die Ukraine mit ihrem Krieg vor allem weiterhin für die westlichen Staaten interessant machen: So viel Milliarden Dollar und so viel weltweite Aufmerksamkeit würde sie ohne den Gegner Russland jedenfalls nie bekommen.

Fazit

Der jetzt seit einem Jahr laufende Krieg in der Ukraine ist kein singulärer russischer Verstoss gegen das Völkerrecht, wie er von Seiten westlicher Regierungen und der Mainstream-Medien behauptet wird. Völkerrechtsverstösse dieser Art haben „westliche Staaten“ und ihre Verbündeten in den letzten dreissig Jahren in grosser Zahl begangen. Er ist auch kein Anschlag auf ein Prinzip namens Weltfrieden, das angeblich allen Staaten dieser Welt am Herzen liegt. Und er ist, wenn es noch zur Eskalation oder gar zum Nuklearkrieg kommt, auch kein tragischer Prozess, in den die Beteiligten wieder einmal „schlafgewandelt“ sind.

Nein, die Gründe für diesen Krieg, die beteiligten Staaten und die Strategien ihrer Regierungen liegen in der von den USA nach dem 2. Weltkrieg durchgesetzten „regelbasierten Weltordnung“ selbst.

Die Regel dieser Ordnung besteht darin, dass auf der ganzen Welt freier Handel und Kapitalverkehr zwischen souveränen Staaten stattfindet. Diese Konkurrenz um den Nutzen aus dem weltweit stattfindenden Geschäft enthält in sich notwendig die harten Gegensätze, die sämtliche Staaten dazu veranlassen, ihre ökonomische Konkurrenz bereits im Frieden (!) durch eine geostrategische zu ergänzen und dafür prophylaktisch nach Kräften aufzurüsten.

Im laufenden Krieg kämpfen Russland, die USA, Grossbritannien, das deutsche Europa mit all seinen inneren Widersprüchen und die Ukraine selbst um ihre Stellung in der internationalen Konkurrenz der Staaten – so etwas geht letzten Endes nicht anders als mit Krieg.

Dafür sterben die ukrainischen Soldaten, die russischen Soldaten und die betroffenen Zivilisten in der Ukraine. Und dafür werden die Menschen in allen beteiligten Kriegsparteien in Haftung genommen.

Soweit nicht anders angegeben und keine Quellenangabe (Name einer Organisation oder Internet-Adresse) vorhanden ist, gilt für die Texte auf dieser Webseite eine Copyleft (Public Domain) Lizenz.

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Grafikquellen          :

Oben        —   Erklärung des Kriegszustandes des Deutschen Kaiserreiches am 31 Juli 1914, der Beginn des Ersten Weltkrieges. Unterzeichnet von Kaiser Wilhelm II. im Neuen Palais in Potsdam. Gegengezeichnet vom Reichkanzler Bethmann-Hollweg.

Emblem of the Ministry of Defence of Ukraine.svg
This file comes from the website of the news agency of the Ministry of Defense of Ukraine and is licensed under the Creative Commons Attribution 4.0 International License. In short: you are free to distribute and modify the file as long as you attribute armyinform.com.ua.

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Unten        —      Авдеевка после обстрелов. Фото: ФБ Вячеслав Аброськин

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Irgendwas mit Internet:

Erstellt von DL-Redaktion am 27. Februar 2023

Die Akte Pegasus – Das Buch zum Staatstrojaner-Skandal

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Selbst wenn die Erde unten bebt – der Politiker dort oben schwebt

Quelle          :        Netzpolitik ORG.

Kolumne von 

Das Buch „Die Akte Pegasus“ der beiden Journalist:innen Laurent Richard und Sandrine Rigaud beschreibt eindrucksvoll und anschaulich die Recherchen rund um die Staatstrojaner des israelischen Unternehmens NSO. Es ist ein Plädoyer für kollaborativen investigativen Journalismus, für Pressefreiheit und gegen Überwachung.

Es beginnt mit einer Liste mit 50.000 Telefonnummern, die Laurent Richard und Sandrine Rigaud vom kollaborativen Recherchenetzwerk Forbidden Stories von einer Quelle zugespielt wurden. Die Telefonnummern sollen alle Ziele der Staatstrojaner der israelischen Digitalwaffen-Firma NSO sein.

Mit der Liste fliegen sie nach Berlin, um mit Claudio Guarnieri und Donncha Ó Cearbhaill von Amnesty Tech das Pegasus-Projekt zu starten. Die Auswirkungen der Recherche sind heute, nach zwei Jahren immer noch zu spüren.

Die Akte Pegasus“ der beiden Forbidden-Stories-Journalist:innen ist spannend wie ein Krimi. Und zugleich ein großartiges Plädoyer für die Kraft des investigativen Journalismus. Detailliert beschreiben sie ihre Herangehensweise an eine Recherche, die zum Schluss dutzende Medien in zahlreichen Staaten zusammenschließt und viele Opfer unter den Telefonnummern identifiziert.

Dabei ist das keine herkömmliche Recherche. Es gibt am Anfang nur Telefonnummern aus vielen Staaten und die Personen dahinter müssen identifiziert werden. Gleichzeitig ist stets zu befürchten, dass die Opfer immer noch über ihre Kommunikationswege überwacht werden. Zum Schluss decken sie auf, dass zahlreiche Politiker:innen unter den Opfern sind, aber noch viel mehr Journalist:innen.

Die beiden Autor:innen geben eindrucksvolle Einblicke in die Schicksale vieler betroffener Medienschaffender und ihre jeweiligen individuellen Situationen in ihren Ländern, wo sie wegen ihrer Arbeit mit Repression zu kämpfen haben und gleichzeitig totalüberwacht werden.

In Berlin setzen sich Claudio und Donncha daran, die Spuren der Staatstrojaner forensisch zu finden und Werkzeuge zu bauen, mit den sich (frühere) Infektionen identifizieren lassen. Diese Einblicke in die Entwicklung der Forensik durch Amnesty Tech und die niedrigschwelligen Erklärungen, wie die Trojaner-Mechanismen funktionieren, machen das Buch zusätzlich interessant. Die Leser:innen werden auf die Reise mitgenommen und lernen ebenso die Hintergründe, wie die beiden Journalist:innen sie auch erst verstehen lernen.

In diesem Fenster soll ein YouTube-Video wiedergegeben werden. Hierbei fließen personenbezogene Daten von Dir an YouTube. Wir verhindern mit dem WordPress-Plugin „Embed Privacy“ einen Datenabfluss an YouTube solange, bis ein aktiver Klick auf diesen Hinweis erfolgt. Technisch gesehen wird das Video von YouTube erst nach dem Klick eingebunden. YouTube betrachtet Deinen Klick als Einwilligung, dass das Unternehmen auf dem von Dir verwendeten Endgerät Cookies setzt und andere Tracking-Technologien anwendet, die auch einer Analyse des Nutzungsverhaltens zu Marktforschungs- und Marketing-Zwecken dienen.

Gleichzeitig wird die Geschichte der Staatstrojaner-Industrie beschrieben und wie diese ihre Produkte im vergangenen Jahrzehnt vor allem an Staaten verkauft, die diese Waffen gegen Oppositionelle und Journalist:innen einsetzen. Denn die Nachfrage ist groß und es gibt viel Geld zu verdienen.

„Die Akte Pegasus“ ist eine lesenswerte Heldengeschichte einer kollaborativen globalen Recherche, deren Auswirkungen heute immer noch spürbar sind. Es ist zugleich das beste Buch zum Thema Staatstrojaner. Das Buch endet mit der ersten Welle der Enthüllungen im Sommer 2021. Die Enthüllungen lösten unter anderem einen Pegasus-Untersuchungsausschuss im Europäischen Parlament aus, über den wir seitdem sehr detailliert auf netzpolitik.org berichten.

„Die Akte Pegasus“ hat die ISBN-Nimmer 978-3-426-27890-1, ist 416 Seiten lang und ist im Droemer-HC-Verlag erschienen. Das Buch kostet 22 Euro im Hardcover.

Lizenz: Die von uns verfassten Inhalte stehen, soweit nicht anders vermerkt, unter der Lizenz Creative Commons BY-NC-SA 4.0.

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Grafikquelle :

Oben       —   Deutsch: Serigrafie «Das Wichtige ist nicht immer wichtig» von Adi Holzer aus dem Jahr 1976 (Werksverzeichnis 269).

© The copyright holder of this file, Adi Holzer, allows anyone to use it for any purpose, provided that the copyright holder is properly attributed. Redistribution, derivative work, commercial use, and all other use is permitted.
Attribution:

Adi Holzer

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DIE * WOCHE

Erstellt von DL-Redaktion am 27. Februar 2023

Wie geht es uns, Herr Küppersbusch?

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Kolumne von Friedrich Küppersbusch

Chinesischer Elefant im Raum, Überfall und Händeschütteln. Der Plan aus Peking, in dem Waffenstillstand und Friedensverhandlungen im Krieg gegen die Ukraine gefordert werden, könnte mehr gewürdigt werden. Frauen auf dem Kriegsfad und schöner Rücken kann auch entzücken.

taz: Herr Küppersbusch, was war schlecht vergangene Woche?

Friedrich Küppersbusch: Friedenskundgebung kommt mit den geforderten Distanzierungen nicht nach.

Und was wird besser in dieser?

Corona-Abstandsregeln übertragen.

China präsentiert einen 12-Punkte-Plan, in dem Waffenstillstand und Friedensverhandlungen im Krieg gegen die Ukraine gefordert werden. Gleichzeitig soll China Waffen an Russland liefern. Wie glaubwürdig ist die Initiative aus Peking?

Dies Junktim zwischen den zwei Meldungen fällt auf. Deutlich etwa im Interview des ukrainischen Botschafters beim RBB-„Info-Radio“: „Ich habe das Papier noch nicht gelesen, aber …“ Spiegel online schlagzeilt „China veröffentlicht 12– Punkte-Plan“, um nachfolgend prominent über Indizien zu spekulieren, China wolle Drohnen an Russland liefern. Das überspringt, dass der windige Vermittler Türkei durchaus auch Waffen in den Konflikt liefert, Drohnen an die Ukraine. Dann folgen viele Artikel längs der Melodie „Chinas prekäre Doppelstrategie“, auch in der taz. Die klare Absage an Nuklearwaffen wird gelobt, Chinas Kritik an Sanktionen verurteilt. Meist sind die stark kommentierenden Meldungen dann zu Ende, und der Elefant im Raum trötet ungehört: „Die Sicherheit einer Region sollte nicht durch die Stärkung oder Ausweitung von Militärblöcken erreicht werden.“ Da legt China ein Kernthema auf den Tisch, doch auf dem lagen gerade so viele andere interessante Meldungen herum.

Am 1. März präsentiert Außenministerin Annalena Baer­bock die Leitlinien für feministische Außenpolitik. Was sollte da Ihrer Meinung nach drinstehen?

„Jungs, macht euch keine Flausen.“ Es war so verführerisch, zu glauben, Frauen führten keine Kriege, setzten der toxischen Gewaltbereitschaft Verständigung und Ausgleich entgegen. Dann die Ernüchterung: Deutschland war noch nie an so vielen Kriegen beteiligt wie unter Merkel, Kramp-Karrenbauer, von der Leyen, Lamprecht, Baerbock. Die feministischste Partei ist derzeit auch die bellizistischste. Zum Trost sind die toxischen Männer alle noch da und allesamt nochmal deutlich schlimmer. Solange also Krieg und Frieden nicht am Chromosomensatz festzumachen sind, sehe ich feministische Außenpolitik als Zwischenschritt zu dem, um das es wirklich geht: humanistische.

Das Gesundheitsministerium setzt in einem neuen Gesetz statt eines Kommas einen Bindestrich und soll so LSD-ähnliche Substanzen legalisiert haben. Das war doch Absicht, oder?

Gesetzgeber und Drogenchemiker sind im Wettrennen: Kaum ist eine neue LSD-Variante verboten, kommt die nächste. Deshalb wird die Liste im Anhang des Verbotsgesetzes stetig ergänzt. Dabei muss der wunderwirkende Tippfehler unterlaufen sein. Wie genau, ist noch drogenumnebelt. Komma Komma-Koma gucken: Der enthüllende Aufsatz erscheint im März im Fachblatt Strafverteidiger, das so auch mal zu Ehren kommt. Erwachte ich aus tiefem Rausch mit dem Erinnerungsfetzen, ein Komma und ein Bindestrich hätten mit dämonischer Wucht gerungen, ob ich drei Jahre in den Knast muss, würde ich auch eher mal das Stöffchen wechseln. Mal so laienhaft: Kann man nicht einfach „LSD und alle Derivate“ verbieten?

Das Bundesverfassungsgericht kommt zu dem Schluss, dass die Einstellungen der Ermittlung zum Tod von Oury Jalloh nicht verfassungswidrig sind. Der Verdacht auf vorsätzliche Tötung steht aber weiterhin im Raum. Bringt jetzt der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte doch noch Klarheit?

Quelle        :           TAZ-online            >>>>>         weiterlesen

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DL – Tagesticker 27.02.2023

Erstellt von DL-Redaktion am 27. Februar 2023

Direkt eingeflogen mit unseren Hubschrappschrap

Heute in der Leseauswahl des „Bengels“:  – . –  1.) Die Welt hat zu lange weggeschaut  – . –  2.) Auf dem Weg zum Hoffnungsland  – . –  3.) Waffen liefern und verhandeln ist kein Widerspruch  – . –   4.) Benjamin Netanjahus legislativer Putsch gegen die Gewaltenteilung kommt voran  – . –  5.) Wen der „Aufstand für den Frieden“ tatsächlich anzog  – . –   DL wünscht allen Leser-Innen einen schönen Tag und gute Unterhaltung.

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Haben die Politiker-innen vielleicht den Unterricht der Schule versäumt als J.W.G. wie folgt erwähnt wurde: „Über allen Gipfeln ist Ruh‘, In allen (G)Wipfeln – Spürtest Du. – Kaum einen Hauch; Die Vöglein schweigen im Walde. – Warte nur! Balde – Ruhest du auch.“ Stattdessen haben sie auf ihren Gipfel nicht nur Putin immer in blöde, grinsenden  Eitelkeit angesehen und Ihnen ihren Applaus dargebracht, in der Hoffnung auf wirtschaftlich lohnende Pfründe. Heute sehen wir den Scherbenhaufen welche Nachtkriegspolitiker-innen ihrem Volk hinterlassen haben.

Die freie Welt hat den Aufstieg Chinas ermöglicht, weil sie glaubte, Handel führe zur Demokratisierung. Doch das war ein Fehler. Deshalb trägt der Westen die Verantwortung, Pekings Machtstreben entgegenzutreten. Und zwar jetzt.

1.) Die Welt hat zu lange weggeschaut

Ich hätte nie geglaubt, einmal einen Brexit-Gegner und eine Befürworterin in einem Raum zu erleben, die sich komplett einig sind. Vergangene Woche nahmen die britische Ex-Premierministerin Liz Truss und der frühere belgische Ministerpräsident und EU-Abgeordnete Guy Verhofstadt an einem Symposium in Japan teil. Veranstalter war eine Institution, für die ich arbeite: die Interparlamentarische Allianz zu China (IPAC). Der Brexit hat einen Spalt zwischen das Vereinigte Königreich und den Rest Europas getrieben. Im Konferenzraum war offensichtlich, dass beide auf entgegengesetzten Seiten stehen. Doch Verhofstadt sagte: „Was auch immer Ihre Ansichten zum Brexit sein mögen – ich habe auch einige –, lassen Sie nicht zu, dass sie unsere gemeinsamen Interessen untergraben: In der heutigen Welt müssen Demokratien vereint sein, über jeden Zweifel erhaben und bedingungslos.“ Ich habe sehr gelacht, als ich das hörte. Truss kritisierte die Menschenrechtssituation in China und schlug eine engere Zusammenarbeit zwischen der Nato und den Verteidigungsbündnissen im pazifischen Raum vor. Sie rief dazu auf, eine Wirtschafts-Nato in der Region zu schaffen, an der Transparenz der Lieferketten zu arbeiten und Abhängigkeiten zu verringern – um unsere gemeinsamen Werte zu verteidigen. „Vorbeugen ist besser als heilen“, sagte sie.

Welt-online

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Erst wird die EU eingezäunt um nur noch die persönlich eingekauften Sklaven in die Käfige einzulassen, welche den ehemalig, gegen viel Geld verkauften Wissensstand, für ein Butterbrot zurück bringen sollen?  Die Auswahl liegt dieses mal in Händen der Einkäufer! Es müssen geistige Krüppel sein, welche sich so in ihrer Armseligkeit zeigen.

Scholz wirbt in Indien um Fachkräfte. – Bundeskanzler Scholz macht in Indien Werbung für das „Hoffnungsland“ Deutschland. IT-Fachkräfte sollen in großem Umfang angeworben werden. Warum schnelle Erfolge nicht zu erwarten sind, Scholz Reise aber trotzdem sinnvoll war.

2.) Auf dem Weg zum Hoffnungsland

RP-online

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Aber könnten alle heutigen Pläne nicht vielleicht  mehr bewirken als das Versagen, was Nachkriegs -Alliierte je zu Papier gebracht haben? Zeigt diese Welt heute nicht ein Gesicht, wie es schlechter nicht sein könnte? Was sind alle die Papiere denn Wert, wenn es die Uniformierten der Staaten nach den abwischen ihrer erbärmlichen Überbleibsel in ihren Toiletten entsorgen ? Mörderhände beschmieren immer Land und Länder !

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