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Archiv für Februar 11th, 2023

Die Sirenen von Mitrovica

Erstellt von Redaktion am 11. Februar 2023

Vor 15 Jahren erklärte sich das Kosovo für unabhängig.

File:Mitrovica Bridge 2.JPG

Die Brücke über den Ibar in Mitrovica verbindet den albanischen mit dem serbischen Teil der Stadt (Blick nach Norden).

Von Jean-Philipp Baeck

Doch der Konflikt mit Serbien blockiert den Fortschritt. Besuch in einer geteilten Stadt. „Die Löhne sind zu niedrig, Jobs werden noch zu oft über Beziehungen vergeben. Viele werden von Verwandten im Ausland unterstützt“

Wenn Hyrije Neziri von ihrem Alltag erzählt, fallen ihr sofort die Alarmsirenen ein. Noch vor ein paar Wochen heulten sie in ihrer Heimatstadt Mitrovica im Norden des Kosovo immer wieder auf. Sie spielt Handyaufnahmen davon ab. Das erste Video stammt aus dem Sommer, das letzte vom Dezember. Verwackelt zeigen sie einen verängstigen Straßenhund, Fußgänger, die verschüchtert stehenbleiben, den Fluss. Im Hintergrund ist ein ansteigender Ton zu hören, durchdringend, wie bei einem Luftalarm im Krieg.

Doch im Kosovo herrscht kein Krieg mehr. Die Sirenen waren Protestzeichen der serbischsprachigen Bevölkerung, die im nördlichen Teil der Stadt lebt. Bei Neziri wecken sie Erinnerungen. „Die Geräusche lösen eine Traurigkeit in mir aus, die ich nicht in Worte fassen kann“, sagt sie.

Neziri sitzt auf einer Bank auf der Brücke über den Fluss Ibar im Zentrum Mitrovicas. Die 37-Jährige gehört zur albanischsprachigen Mehrheit des Kosovo. Sie ist in Mitrovica geboren und arbeitet bei einer Nichtregierungsorganisation, die sich gegen häusliche und misogyne Gewalt engagiert. Während des Kosovokriegs 1999 floh sie nach Albanien, danach kam sie zurück. Wie Neziri können viele, die die Kriegszeit erlebt haben, die Angst nicht ablegen, dass sich die Gewalt im Kosovo wiederholen könnte.

Von der Brücke aus fällt ihr Blick auf die Hochhäuser im Norden, auf die Schornsteine der Giebeldächer, durch die in diesen Wintertagen der Rauch aus den Holzöfen aufsteigt und sich zu einer unsichtbaren Kuppel formt, die auf der gesamten Region liegt wie ein beißender Schleier.

Die Fahrbahn auf der Brücke wirkt wie ausgestorben. Nur eine ältere Frau schleppt ein paar Einkaufstüten über den Fluss. Für Autos ist die Überfahrt seit über zwei Jahrzehnten blockiert, lange Zeit durch Barrikaden und meterhohe Steinhaufen, mittlerweile durch Betonpoller. Anstatt zu verbinden, teilt die Brücke die Stadt in einen serbisch geprägten Norden und einen albanisch geprägten Süden. Im Süden ragen Minarette der Moscheen zwischen den Wohnhäusern empor, im Norden orthodoxe Kirchen. Hüben duftet es aus Grillstuben nach Qebapa aus Rindfleisch, die für ein paar Euro zu haben sind, drüben locken Cevapcici vom Schwein – die man mit serbischen Dinar bezahlt. Aber alle atmen die gleiche verqualmte Luft.

Immer wieder kam es in den letzten Jahren im Norden Kosovos zu Konflikten, zu Protestaktionen und Straßenblockaden. Manchmal fielen Schüsse. Zuletzt hatten serbisch-nationalistische Aufständische Anfang Januar mit verkeilten Lkws eine Landstraße in Richtung serbischer Grenze dicht gemacht. Auch an der Brücke im Stadtzentrum kommt es immer wieder zu Demonstrationen. Sie wird seit Jahrzehnten von italienischen Carabinieri bewacht, die als Teil der Nato-Friedensmission KFOR im Kosovo stationiert sind. Auch an diesem Tag stehen zwei blau-weiße Landrover-Geländewagen mitten auf der leeren Fahrbahn. „Alles entspannt“, sagt einer der Carabinieri. Er spielt kurz mit einem der Straßenhunde, die sich zu ihnen gesellt haben. „Ein Freund“, sagt er über den braunen Mischling, steigt wieder in den Geländewagen und wartet.

15 Jahre nach der Erklärung der Unabhängigkeit bleibt Kosovo ein geteiltes Land unter dem Schutz der Nato-Truppen. Die Nachwirkungen des Krieges sind noch nicht überwunden. Während in der Hauptstadt Prishtina schicke Cafés, Bars und Nachtclubs für Ablenkung sorgen, bremsen nationalistische Ideen auf allen Seiten weiterhin ein Fortkommen, das sich vor allem die jungen Menschen hier so wünschen.

Für Neziri ist die Begegnung mit den ausländischen Journalisten eine willkommene Abwechslung. Deutsche seien beliebt im Kosovo, „aber vor allem die Amerikaner“, sagt sie und lacht. Bei einem Rundgang durch ihre Stadt zeigt sie die neue Einkaufsmall, nur ein paar Schritte von der Brücke entfernt. Die Leuchtreklame wirbt für Kleidungsgeschäfte, Bowlingbahn und eine Rossmann-Filiale. Schon zwei Straßen weiter werden die Häuser einfacher und verbergen sich hinter hohen, unverputzten Mauern.

Vor einem mehrstöckigen Gebäude hantieren zwei Männer mit einer Pumpe. Aus einem Schlauch aus dem Erdgeschoss sprudelt Wasser auf die lehmige Straße. Tags zuvor war der Fluss nach heftigen Regenfällen über die Ufer getreten, überall kämpfen die Leute gegen die Schäden, schaufeln feuchten Schlamm aus den Kellern. In einer Parkgarage watet ein Mann noch knietief durchs Wasser. In den Tagen nach der Überschwemmung helfen sich hier alle gegenseitig und packen mit an: Serben, Roma, Albaner.

Doch was im Kleinen funktioniert, steht auf großer Bühne auf dem Spiel. Wenn die Idee einer multiethnischen Republik im Kosovo unter internationaler Begleitung nicht gelänge, wäre das ein schlechtes Signal für die Balkanregion, für Nordmazedonien und insbesondere Bosnien, wo es gleichfalls komplizierte ethnische Konstellationen gibt.

Auf dem Papier schützt die Verfassung des Kosovo die Rechte aller Minderheiten, die Sprachen, die Kultur. Auch im Parlament haben die ethnischen Minderheiten Plätze für VertreterInnen. Serbisch ist neben Albanisch zweite Amtssprache.

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15 Jahre Kosovo

Der Staat Am 17. Februar 2008 erklärte die Republik Kosovo ihre Unabhängigkeit – neun Jahre nach dem Ende des Kosovokriegs, bei dem die UÇK, die Befreiungsarmee des Kosovo, für den albanischen Teil der Bevölkerung gegen serbische Streitkräfte kämpfte, die von dem Präsidenten und Kriegsverbrecher Slobodan Milošević angeführt wurden.

Der Krieg Am 24. März 1999 war die Nato unter Führung der USA ohne UN-Mandat in den Krieg eingetreten, bombardierte Ziele in Serbien und unterstützte die UÇK mit der Begründung, weitere Menschenrechtsverletzungen verhindern zu wollen. Erstmals nach dem Zweiten Weltkrieg beteiligte sich die Bundeswehr an einem Kampfeinsatz im Ausland.

Die Gegenwart Heute sichern Nato-Soldaten den Frieden im Kosovo, aktuell noch 3.800, darunter 70 Soldaten der Bundeswehr.

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In der Praxis aber verstärkt sich das Nebeneinander: Gegen Roma etwa gehört Diskriminierung weiterhin zum Alltag. Die Mehrheit der Kosovo-Albaner dominiert die Institutionen, die serbische Bevölkerungsminderheit isoliert sich in ihren Enklaven. Nicht nur im Nordkosovo wachsen Kinder und Jugendliche auf, die sowohl zu Hause wie in den Schulen nur noch Serbisch lernen. Mit ihren kosovo-albanischen AltersgenossInnen fehlt ihnen die gemeinsame Sprache.

Neziri versteht Serbisch. In der Schulzeit habe sie serbische Freunde gehabt, erzählt sie. Heute nicht mehr. In den letzten Jahren war sie nur noch selten auf der nördlichen Seite. Manchmal spaziere sie den Berg hinauf zum Denkmal für die Arbeiter der Trepča-Mine. Das Monument aus den siebziger Jahren thront über der Stadt und soll daran erinnern, dass serbische und albanische Minenarbeiter während des Zweiten Weltkriegs gemeinsam gegen die deutschen Besatzer kämpften. Es stammt aus einer anderen Zeit, der eines geeinten Jugoslawiens.

Für die Regierung in Prishtina gehören heute auch die Gebiete nördlich des Ibar-Flusses und der Stadt Mitrovica selbstverständlich zum Staatsgebiet. So sehen das aktuell auch über 100 Staaten, die Kosovos Unabhängigkeit anerkennen. Für die Regierung in Belgrad dagegen gehört das Kosovo weiterhin selbstverständlich zu Serbien. Dies findet Unterstützung durch China und Russland. Aber auch die fünf EU-Mitgliedsländer Griechenland, Rumänien, Slowakei, Republik Zypern und Spanien erkennen die Unabhängigkeit des Staates nicht an.

Bei Diskussionen um das Kosovo geht es selten allein nur um die 1,9 Millionen EinwohnerInnen eines Fleckens der Größe Schleswig-Holsteins. Das Land ist Projektionsfläche für globale Konflikte: islamische gegen christliche Religion, Ost gegen West, Russland gegen die Nato.

Knapp 80 Kilometer weiter im Süden liegt das Camp Bondsteel der KFOR-Soldaten. Seit 1999 liegt die US-Militärbasis vor den Toren der Stadt Ferizaj. Hinter einer schwer bewachten Eingangsschleuse erstrecken sich Hangars mit Black-Hawk-Hubschraubern und Militärbaracken über eine Hügelgruppe, so weit das Auge reicht. Für die Soldaten gibt es ein Fitnessstudio, ein Kino und sogar Fastfood-Filialen von Burger King und Subway. Hier im Camp sorgt man sich um den zunehmenden russischen Einfluss in der Region, insbesondere nach dem Überfall auf die Ukraine.

KFOR-Soldaten der US-Armee haben an diesem Tag WissenschaftlerInnen der Universität Prishtina eingeladen. In einem Nebenraum der Kantine spricht einer der Kommunikationswissenschaftler über zunehmende Desinformation und die Schwierigkeit, russische Propaganda zu kontrollieren. Die WissenschaftlerInnen würden sich mehr Kontrolle der Onlinemedien wünschen, die ihrer Meinung nach die serbische Minderheit im Nordkosovo aufhetzten. Die US-Soldaten sind da sehr vorsichtig. Meinungsfreiheit gehöre zu Demokratie, ebenso der Protest, sofern er friedlich bleibe, betonen sie im Gespräch.

Doch immer mehr KosovarInnen sind der großen Politik und der noch größeren Ideologien überdrüssig. Fragt man Neziri, was sie bedrückt, erzählt sie von Alltagsproblemen. „Die Löhne sind zu niedrig, Jobs werden noch zu oft über Beziehungen vergeben.“ Nach wie vor herrscht eine hohe Jugendarbeitslosigkeit von über 50 Prozent im Land und Investoren scheuen unsichere Gegenden. „Viele werden von Verwandten im Ausland unterstützt“, sagt Neziri. Auch ihre Geschwister leben mittlerweile in der Schweiz, Kanada und Deutschland. Sie sehne sich danach, sie zu besuchen, sagt Neziri, und fühle sich im Kosovo eingeengt.

So geht es den meisten Menschen hier: Sie warten auf die Visa-Liberalisierung. Die soll nun spätestens Anfang 2024 kommen. KosovarInnen könnten sich dann ohne Visum 90 Tage pro Jahr in der EU aufhalten – so wie es für die BürgerInnen aller ihrer Nachbarländer seit Jahren möglich ist.

Neziri hat den Konflikt satt, der ihr täglich auf der Brücke ein paar Minuten von ihrer Wohnung entfernt ins Auge springt. „Ich verstehe nicht, warum wir nicht einfach friedlich zusammenleben können“, sagt sie.

Milica Andrić Rakić blickt von der anderen Seite des Flusses auf die Brücke, die Stadt und den Konflikt. „In den letzten zwei Jahren hat sich die Lage langsam verschlechtert und der Nationalismus hat zugenommen“, sagt Andrić Rakić. Die junge Frau hat als Journalistin gearbeitet und ist bei der NGO New Social Initiative, die sich für die Teilhabe der serbischen Community im Kosovo einsetzt. Andrić Rakić wohnt im Nordteil von Mitrovica. Der Weg zu ihr führt zu Fuß über die zentrale Brücke, vorbei an den Carabinieri, den Straßenhunden und den Blockadepollern.

Quelle          :         TAZ-online           >>>>>         weiterlesen

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Grafikquellen        :

Oben      —    Die Brücke über den Ibar in Mitrovica verbindet den albanischen mit dem serbischen Teil der Stadt (Blick nach Norden).

Author Julian Nyča            /       Source      :      Own work       /    Date       :    8 August 2013, 09:29:15

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Unten      —       Bridge over the Ibar, which divides the city in two. (2009)

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Eine Agenda der Radikalen

Erstellt von Redaktion am 11. Februar 2023

ISRAEL – DIE AGENDA DER RADIKALEN

Isaac Herzog in Beit HaNassi, December 2022 (ABG 0348).jpg

Von Charles Underlin

Während Zehntausende in Tel Aviv und Jerusalem gegen die geplante Abschaffung des Rechtsstaats auf die Straße gehen, eskaliert der Konflikt mit den Palästinensern. Ein Ende der Gewalt ist nicht in Sicht, solange in der Regierung Vertreter der radikalen Siedlerbewegung das Sagen haben.

Benjamin Netanjahu hat es geschafft. Seit dem 29. Dezember ist er wieder an der Macht. Der neue alte Pre­mier­minister, der das Amt bereits von März 2009 bis Juni 2021 innehatte, kann sich mit 64 von 120 Sitzen auf eine nationalistisch-ultraorthodoxe Mehrheit in der Knesset stützen. Endlich kann er sein großes Projekt verwirklichen: die Durchsetzung eines neuen Regimes, das auf einem autoritär-religiösen jüdischen Nationalismus beruht. Netanjahu bricht damit endgültig mit der Vision einer Demokratie, wie sie die zionistischen Gründerväter Theodor Herzl, Wladimir Zeev Jabotinsky und David Ben-Gurion vertraten.

Den ersten Schritt in diese Richtung vollzog Netanjahu bereits im Juli 2018 mit dem umstrittenen Nationalstaatsgesetz, das die arabischen und dru­sischen Minderheiten diskriminiert.1 Die neue Regierung will diesen Weg zu Ende gehen. Und das heißt: dem Rechtsstaat Fesseln anlegen; die „nationale Erziehung“ radikalisieren, die Führungskader im Sicherheitsapparat auf Linie bringen, die linke Opposition zerschlagen, die Annexion des Westjordanlands vorantreiben und die Palästinensische Autonomiebehörde (PA) kaltstellen.

Mit dem Umbau des Justizsystems hat Netanjahu den Knesset-Abgeordneten Jariv Levin betraut, der seit seiner Wahl auf der Likud-Liste im Jahr 2009 gegen zu unabhängige Richter hetzt. Kaum ernannt, präsentierte Levin am 4. Januar seinen Plan für eine „radikale Umgestaltung“ nach einem ganz neuen Prinzip: Das „Volk“ allein verleiht der gewählten Mehrheit die Legitimität, unbeschränkt zu regieren – ohne die Einmischung von Richtern, denen die Legitimation durch den Souverän abgeht. Konkret heißt das: Eine „Überwindungsklausel“ soll es einer Knesset-Mehrheit von 61 Abgeordneten ermöglichen, Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs aufzuheben, wenn der zum Beispiel ein Gesetz für verfassungswidrig befindet. Und diese Knesset-Entscheidung kann, so Levin, „von einem Richter nicht mehr aufgehoben werden“.

Justizminister gegen den Rechtsstaat

Damit nicht genug: Auch das neunköpfige Gremium, das die Richter des Obersten Gerichtshofs ernennt, soll der Kontrolle der Regierung unterworfen werden. Zu diesem Zweck sieht Levins Reform vor, die beiden von der Anwaltskammer bestellten Vertreter durch direkt vom Justizminister ernannte Mitglieder zu ersetzen.

Als weitere Maßnahmen plant der Justizminister die Neufassung einiger Artikel des Strafgesetzbuches, was dafür sorgen soll, dass dem Korruptionsverdacht gegen Politiker und Politikerinnen künftig seltener nachgegangen wird. Theoretisch könnte es dazu kommen, dass Netanjahu selbst die Richter ernennt, die über seinen Revisionsantrag befinden, falls er in dem laufenden Prozess wegen Betrugs, Veruntreuung und Korruption verurteilt werden sollte.

Die Präsidentin des Obersten Gerichtshofs, Esther Chajut, hat die Pläne des neuen Justizministers scharf verurteilt: „Dies ist eine Attacke auf das Rechtssystem, als wäre es ein Feind, den man angreifen und bezwingen muss. Diese Reform ist ein tödlicher Schlag für die Demokratie.“

Levins Reaktion erfolgte prompt. Der Justizminister hielt Chajut vor, dass sie einer Partei angehöre, die nicht zu den Wahlen angetreten sei, sich aber dennoch über die Knesset und die Entscheidungen des Volks erheben würde. Mit ihren Äußerungen wolle die Gerichtspräsidentin überdies dazu aufrufen, „die Straßen in Israel in Brand zu setzen“.

Auch der 86-jährige Aharon Barak, der von 1995 bis 2006 Präsident des Obersten Gerichtshofs war, warnte vor dem geplanten Justizumbau: „Diese Reform führt die Tyrannei durch die Mehrheit ein und ist eine Gefahr für die Demokratie. Wenn sie umgesetzt wird, wird es im ganzen Land nur noch eine einzige Autorität geben, nämlich die des Premierministers!“2

In einem Interview auf Channel 12 warnte Barak eindringlich vor politischer Gleichgültigkeit. Dabei zitierte er ausgerechnet den deutschen protes­tantischen Theologen Martin Niemöller, der sich von einem Anhänger der

Nazis zum Widerstandskämpfer gewandelt hatte und im KZ gelandet war: „Als die Nazis die Kommunisten holten, habe ich geschwiegen, ich war ja kein Kommunist … Als sie mich holten, gab es keinen mehr, der protestieren konnte.“

Auf die Frage der Moderatorin Dana Weiss, wie die Bevölkerung reagieren solle, antwortete Barak: „Wenn es zu keiner Einigung kommt, müssen wir den Kampf aufnehmen, natürlich im Rahmen des Gesetzes.“ Es könne durchaus dazu kommen, dass man in der Balfour Street demonstrieren müsse, denn „wir haben nun einmal kein anderes Land“. Mit der Balfour Street meinte Barak den Amtssitz des Pre­mier­ministers in Jerusalem.

Der Oberste Gerichtshof ist zugleich die einzige Institution in Israel, an die sich die Pa­läs­ti­nen­se­r:in­nen wenden können, um ihre Rechte einzufordern. Seine Schwächung würde bedeuten, auch noch die letzte juristische Instanz zu beseitigen, die den Ausbau der Siedlungen im Westjordanland bremsen könnte.

24 Stunden vor seiner Amtseinführung twitterte Netanjahu die ersten Zeilen des Koalitionsvertrags: „Das jüdische Volk hat ein exklusives und unanfechtbares Recht auf alle Gebiete des Landes Israel. Meine Regierung wird überall die Siedlungen ausbauen, auch in Judäa und Samaria.“3

Als im April 2020 die Regierungs­koa­lition Netanjahu/Gantz ihr Programm präsentierte, war noch nicht von „exklusivem Recht“ die Rede. Die neue Formulierung ist auch eine Botschaft an alle internationalen Partner, die Israel nach wie vor an die gemeinsamen „Werte“ erinnern und auf der Notwendigkeit einer Zweistaatenlösung bestehen.4 Zu denen etwa US-Präsident Joe Biden und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron gehören, aber auch die Europäische Union.

Demonstrativ hat Netanjahu bei der Regierungsbildung die Kontrolle über das Westjordanland und die innere Sicherheit den Vertretern der Liste „Religiöser Zionismus“ (HaTzionut HaDatit) überlassen, die sich aus den drei radikalsten Siedlerparteien zusammensetzt. So bekam Bezalel Smotrich, der in der Siedlung Kedumim bei Nablus lebt, das Finanzressort und den Posten eines Vizeverteidigungsministers. Als solcher kann er die Kommandeure von zwei wichtigen militärischen Instanzen in den besetzten Gebieten ernennen: der „Koordinierungsstelle der Regierungsaktivitäten in den Gebieten“ (Cogat) und der „ Zivilverwaltung im Westjordanland“, die der Cogat untersteht.

Berlin and Israel walls

Diese beiden Instanzen sind für die Verbindungen zur Palästinensischen Autonomiebehörde (PA) verantwortlich. Vor allem aber nehmen sie in den besetzten Gebieten zivile Verwaltungsaufgaben wahr, einschließlich der Kontrolle über alles, was in die Gebiete kommt und sie wieder verlässt. Die Ernennung von Smotrich löste heftige Proteste hoher israelischer Militärs aus, weil sie bedeutet, dass Rechtsextreme in die Befehlsketten der Armee integriert werden.

Für die palästinensische Bevölkerung bedeutet dies die Ablösung der militärischen Okkupation durch ein neues Regime, das von der radikalen Siedlerbewegung kontrolliert wird, stellt der Rechtsprofessor Mordechai Kremnitzer fest, was zwingend zu einer Verurteilung Israels durch den Internationalen Gerichtshof in Den Haag führen werde.

Smotrichs hat auch den Auftrag, das De-facto-Verbot neuer palästinensischer Bauten in der C-Zone – jenen 60 Prozent des Westjordanlandes, die vollständig unter israelischer Kontrolle stehen – konsequent durchzusetzen und dafür zu sorgen, dass Hunderte jüdische Siedlungen, die ohne staatliche Genehmigung errichtet wurden, legalisiert und an die Strom-, Wasser- und Telefonnetze angeschlossen werden. Was die Palästinensische Autonomiebehörde unter Mahmud Abbas betrifft, so betrachtet sie der neue Minister als ein „terroristisches Gebilde“, dem keinerlei Hilfe zukommen soll.

Die umstrittenste Ernennung Netanjahus ist die von Itamar Ben-Gvir zum Minister für nationale Sicherheit. Der Knesset-Abgeordnete wohnt in der Siedlung Kirjat Arba am Stadtrand von Hebron. Er ist Vorsitzender der rassistischen Partei „Jüdische Stärke“ (Otzma Jehudit), die auch die extremistischen Thesen des Rabbiners Meir Kahane vertritt.5

Ben-Gvir steht in seiner neuen Funktion der israelischen Polizei vor, die ihn noch vor einem Jahr als gefährlichen rassistischen Agitator eingestuft hat. Auch bei der Armeeführung galt er als gefährlicher Extremist, weshalb er vom Militärdienst ausgeschlossen wurde. Im 2022 Oktober wurde der heutige „Sicherheitsminister“ im Ostjerusalemer Stadtteil Scheich Dscharrah gefilmt, wie er bei Auseinandersetzungen zwischen arabischen und jüdischen Jugendlichen seine Pistole zückte und die israelischen Polizisten aufforderte, auf palästinensische Steinewerfer zu schießen.

Ministerium für nationale Missionen

Quelle       :        Le Monde diplomatique         >>>>>       weiterlesen

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Grafikquellen        :

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נשיא המדינה יצחק הרצוג, וראש הממשלה בנימין נתניהו, במרכז התמונה המסורתית במשכן הנשיא בירושלים לרגל השבעת ממשלת ישראל ה-37. יום חמישי, ה‘ טבת תשפ“ג, 29 בדצמבר 2022. קרדיט צילום: אבי אוחיון.

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Ein Leben nach Corona

Erstellt von Redaktion am 11. Februar 2023

Politikprofessor denunziert Kriegsangst als «Krankheit»

Die Institutionen der Politik werden alle nur von  kleinen Sekretären besetzt.

Quelle      :        INFO Sperber CH.

German Foreign Policy /   

Wer vor der Gefahr einer Ausweitung des Ukraine-Kriegs warnt, hat in Deutschland einen schweren Stand.

Der Direktor des Instituts für Sicherheitspolitik an der Universität Kiel, Joachim Krause, rechnet damit, dass NATO-Staaten in absehbarer Zeit Kampfjets an die Ukraine liefern. Mit Blick darauf sei «Eskalationsbereitschaft» angesagt, nicht «Eskalationsphobie», erklärt Krause, der auch dem Beirat der Bundesakademie für Sicherheitspolitik angehört, des militärpolitischen Strategiezentrums der Bundesregierung.

Seit dem russischen Überfall auf die Ukraine haben deutsche Politiker und Medien immer wieder Kriegsangst zu stigmatisieren versucht. In einem aktuellen Medienbeitrag heisst es über Furcht vor dem Übergreifen des Krieges auf die Bundesrepublik: «Panikmache müsste … strafbar sein.»

«90 Sekunden vor Mitternacht»

Unterdessen hat UN-Generalsekretär António Guterres vor einer Ausweitung des Ukraine-Kriegs zu einem «grösseren Krieg» gewarnt.  Vor der UN-Generalversammlung konstatierte er, die «Doomsday Clock» («Weltuntergangsuhr»), mit der Wissenschaftler die Nähe zu einer von Menschen herbeigeführten apokalyptischen Katastrophe darzustellen suchen, stehe seit kurzem auf 90 Sekunden vor Mitternacht – ein Punkt, den sie nicht einmal in den härtesten Phasen des Kalten Kriegs erreicht habe.

Ursache seien neben der drohenden Klimakatastrophe nukleare Gefahren und vor allem der Ukraine-Krieg.[1] «Die Aussichten auf Frieden verschlechtern sich weiter», warnte Guterres, «die Wahrscheinlichkeit weiterer Eskalation und Blutvergiessens steigt weiter.» Er fuhr ausdrücklich fort: «Ich fürchte, die Welt schlafwandelt nicht in einen grösseren Krieg, sie bewegt sich mit weit geöffneten Augen in ihn hinein.» Der UN-Generalsekretär forderte eindringlich zum Gegensteuern auf: «Wir müssen härter für den Frieden arbeiten – überall.»

«Der Dritte Weltkrieg»

Schon vor rund einem Monat hatte Papst Franziskus ebenfalls eindringlich vor einem grossen Krieg gewarnt. Franziskus äusserte sich in seiner traditionellen Neujahrsansprache, die er wie jedes Jahr vor den beim Vatikan akkreditierten Diplomaten aus aller Welt hielt und die als aussenpolitische Grundsatzrede des Papstes gilt, zu den zahlreichen aktuellen Konflikten – von Syrien über den israelisch-palästinensischen Konflikt, den Bürgerkrieg in Myanmar und die Spannungen und Unruhen etwa in Peru und Haiti bis zu den Kriegen in der Sahelzone sowie in weiteren Ländern Afrikas.

Für kleine Gäste – lange Tische ?

Zwar beträfen die zahlreichen Kriege und Konflikte jeweils «nur bestimmte Gebiete des Planeten unmittelbar»; doch bezögen sie, sei man ehrlich, «im Grunde genommen alle mit ein». «Das beste und jüngste Beispiel dafür» sei «der Krieg in der Ukraine mit seiner Spur von Tod und Zerstörung, mit den Angriffen auf die zivile Infrastruktur, bei denen Menschen nicht nur durch Bomben und Gewalt, sondern auch durch Hunger und Kälte ihr Leben verlieren.» Der Papst urteilte über die gegenwärtige Lage: «Heute ist der Dritte Weltkrieg in einer globalisierten Welt im Gang».[2]

«Panikmache müsste strafbar sein»

Während der UN-Generalsekretär und der Papst vor der Ausweitung des Ukraine-Kriegs bis hin zu einem Dritten Weltkrieg warnen, werden in Deutschland nun erneut Forderungen lauter, sich von der Kriegsgefahr nicht abschrecken zu lassen. Das ist nicht neu. Nur wenige Wochen nach Kriegsbeginn behauptete die damalige stellvertretende Leiterin des European Union Institute for Security Studies, Florence Gaub, die Furcht vor dem Weltkrieg sei «genau, was Putin erreichen will»: «Nicht die Bombe, sondern die Angst vor der Bombe ist die Waffe.» Daher dürfe man sie nicht zulassen.[3] Anfang Mai sagte der CDU-Vorsitzende Friedrich Merz, befragt, ob er nicht einen Atomkrieg fürchte: «Ich habe keine Angst.»[4] Ende vergangenen Jahres erklärte Carlo Masala, Professor an der Münchner Universität der Bundeswehr, in einer Talkshow, «Angst vor einer Eskalation» durch Russland zu haben sei «ein bisschen paradox»: «Da stehen wir mit unserer Angst auf der falschen Seite.»[5] Am Wochenende brüstete sich ein Autor im Springer-Blatt «Die Welt»: «Corona, Weltkriegsgefahr und Klimawandel machen mir keine Angst». «Vertreter aus SPD und Grünen» wollten der Bevölkerung jedoch Furcht einjagen: «Deren Panikmache müsste … strafbar sein.»[6]

Kriegsangst als «Krankheit»

In einem aktuellen Zeitungsbeitrag bezeichnet nun ein deutscher Politikprofessor die Angst vor einer unkontrollierten Eskalation des Ukraine-Kriegs als eine «deutsche Krankheit». Wie der Direktor des Instituts für Sicherheitspolitik an der Universität Kiel, Joachim Krause, in der «Frankfurter Allgemeinen Zeitung» erklärt, sei damit zu rechnen, dass es in absehbarer Zeit zur Gründung eines «westlichen Konsortium[s] zur Lieferung von Kampfjets» an die Ukraine komme – «denn ohne Luftunterstützung werden die Ukrainer nicht zu jener beweglichen Kriegführung in der Lage sein, die notwendig ist, um die russischen Truppen zu vertreiben».[7] Zur Lieferung von Kampfjets hat der Militärhistoriker Sönke Neitzel, eher als Hardliner bekannt, unlängst geurteilt, liefere der Westen sie, dann erreiche der Krieg «eine ganz neue Eskalationsstufe». Neitzel warnt offen, dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj gehe es bei der Forderung nach Kampfflugzeugen darum, «die Nato in diesen Krieg hineinzuziehen».[8]

«Eskalationsphobie»

Mit Blick auf Warnungen wie diese erklärt Krause, der dem Beirat der Bundesakademie für Sicherheitspolitik angehört, des militärpolitischen Strategiezentrums der Bundesregierung: «Die Deutschen leiden unter einer Krankheit, die man als Eskalationsphobie bezeichnen muss.»[9] «Eskalationsbereitschaft» habe sich immer wieder als «erfolgreich» erwiesen, so beispielsweise im Kalten Krieg. Deshalb müsse man auch heute «den Ukrainern neue Mittel der Kriegführung zur Verfügung» stellen. Weil Bundeskanzler Olaf Scholz sich kürzlich nicht für die rasche Lieferung von Kampfjets ausgesprochen hat, wirft Krause ihm vor, sich «in stiller Pflege der Eskalationsphobie» zu üben.

Furcht vor dem Weltkrieg

Die Furcht vor einer Eskalation des Ukraine-Kriegs, die Krause als «Eskalationsphobie» denunziert, ist in der deutschen Bevölkerung verbreitet. Im Oktober zeigte eine Umfrage, dass 59 Prozent der Bevölkerung Angst vor einem Dritten Weltkrieg haben. Am geringsten ausgeprägt ist die Weltkriegsangst mit jeweils 51 Prozent bei Menschen mit monatlichem Durchschnittseinkommen von 4000 Euro oder mehr und bei Wählern von Bündnis 90/Die Grünen.[10]

FUSSNOTEN:
[1] Secretary-General’s briefing to the General Assembly on Priorities for 2023. un.org, 06.02.2023.
[2] «Papst spricht vor Diplomaten vom dritten Weltkrieg». tagesspiegel.de, 09.01.2023.
[3] S. dazu Ukrainisch Roulette.
[4] «Merz: Habe keine Angst vor Atomkrieg». n-tv.de, 02.05.2022.
[5] Thomas Fritz: «Militärexperte Carlo Masala wundert sich bei «Maybrit Illner» über merkwürdige Angst im Westen». web.de, 09.12.2022.
[6] Harald Martenstein: «Wer wenig Angst hat, gilt in dieser Gesellschaft schnell als politischer Aussenseiter». welt.de, 05.02.2023.
[7] Joachim Krause: «Eskalationsphobie – eine deutsche Krankheit». «Frankfurter Allgemeine Zeitung», 07.02.2023.
[8] Dimitri Blinski: Sönke Neitzel: «Es geht Selenskyj darum, die Nato in diesen Krieg hineinzuziehen». stern.de, 27.01.2023.
[9] Joachim Krause: «Eskalationsphobie – eine deutsche Krankheit». «Frankfurter Allgemeine Zeitung», 07.02.2023.
[10] Oliver Stock: «Mehrheit der Deutschen hat Angst vor Drittem Weltkrieg». focus.de, 21.10.2022.

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Oben      —    (Nova York – EUA, 20/09/2022) Palavras do Secretário-Geral da Organização das Nações Unidas, Excelentíssimo Senhor Antônio Guterres. Foto: Isac Nóbrega/PR

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Kolumne-Fernsicht-Polen

Erstellt von Redaktion am 11. Februar 2023

Russlands Nachbarn spielen eine neue Rolle in Europa

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Von Karolina Wigura und Jaroslaw Kuisz

Gibt es ein „polnisches Moment“ in Europa? Bei der Debatte diese Woche in der Berliner Zentrale der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik ging es um diese Frage. Anlass war das neue Buch des langjährigen deutschen Botschafters in Warschau, Rolf Nikel. Dieses interessante Buch kommt genau zum richtigen Zeitpunkt.

Polen, als größtes Land unter den östlichen EU-Mitgliedern, als Land, das Hunderte von Waffen in die Ukraine schickt, könnte in der Tat eine neue Führungsrolle in Europa übernehmen. Wären da nicht die Probleme mit der Rechtsstaatlichkeit und der erbitterte Streit mit Brüssel.

Vielleicht wäre richtiger, nicht von der polnischen, sondern von der mitteleuropäischen Stunde zu sprechen. In wenigen Wochen jährt sich der Beginn des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine zum ersten Mal. 12 Monate schaffen eine gewisse Distanz – wenn man sie angesichts Tausender sterbender Soldaten und unschuldiger Zivilisten überhaupt haben kann.

Die letzten 12 Monate markieren auch eine Zeit, in der Mittel- und Osteuropa einen tiefgreifenden Wandel erlebt hat. Die Region, die früher als ein Monolith angesehen wurde, scheint jetzt geteilt zu sein, wobei andere Länder als in der Vergangenheit den Großteil der Aufmerksamkeit auf sich ziehen. So denkt beispielsweise heute kaum noch jemand an die ehemals modische Visegrád-Gruppe, sondern man guckt auf die unmittelbaren Nachbarn Russlands – Polen und die baltischen Staaten. Auf sie rückt die Hauptaufmerksamkeit der westlichen Welt.

Warum sind die unmittelbaren Nachbarn Russlands so wichtig? Die Antwort ist einfach: Wegen ihrer besonderen Herangehensweise an die Frage der Eskalation in der Ukraine. Die Nachbarn Russlands, die Ukraine inklusive, teilen die Haltung Moskau gegenüber. Dieser Ansatz ist von grundlegender Bedeutung für die Definition der Ziele der aktuellen Auseinandersetzung mit Präsident Wladimir Putin. Es ist auch ein Ansatz, der in der westlichen Welt nicht ausreichend anerkannt wird.

Bundeskanzler Olaf Scholz ist in den letzten Monaten wegen seiner Zurückhaltung bei Waffenlieferungen an die Ukraine kritisiert worden. Glaubt man jedoch den Umfragen, so ist seine Zurückhaltung nicht nur in der Bundesrepublik, sondern auch in weiten Teilen der westlichen Welt weit verbreitet. Der Grund dafür ist, dass der Westen die Sorge hat, ein falscher Schritt werde zu einer Eskalation des gegenwärtigen Konflikts und möglicherweise in einen Atomkrieg führen.

Die Eskalation des aktuellen Konflikts kann allein von Putin entschieden werden

Die Kölner Innenstadt nach einem Luftangriff 1942

Die Kölner Innenstadt nach einem Luftangriff 1942

Russlands unmittelbare Nachbarn vertreten hingegen eine völlig andere Auffassung. Nach Ansicht von Warschau, Riga und Kiew kann die Eskalation des aktuellen Konflikts allein von Wladimir Putin entschieden werden. Dieser Konflikt eskaliert von selbst, ohne dass die Länder westlich von Moskau dafür verantwortlich wären. Das Einzige, was wir entscheiden können, ist das Ausmaß der Entschlossenheit als Reaktion auf das Verhalten des Kremls. Die Nachbarn Russlands sind überzeugt, dass man entschlossener reagieren muss, weil man nur so gewinnen kann. Ziel ist es, Russland bis ins Jahr 1991 oder sogar bis zur völligen Niederlage und Zerstörung zurückzubefördern – ins Jahr Null, wie 1945 Deutschland.

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DL – Tagesticker 11.02.2023

Erstellt von Redaktion am 11. Februar 2023

Direkt eingeflogen mit unseren Hubschrappschrap

Heute in der Leseauswahl des „Bengels“:  – . –  1.) Weiter Rätsel um „Flugobjekt“ nach Abschuss durch US-Militär  – . –  2.) Die Bundeswehr hat ein Nachwuchsproblem  – . –  3.) Gift für die Beziehungen zu Afrika  – . –  4.) Erdbeben in der Türkei: Jagd auf vermeintliche Provokateure  – . – 5.) Wahlrechtsreform geht in die heiße Phase  – . –   DL wünscht allen Leser-Innen einen schönen Tag und gute Unterhaltung.

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Schieße – wem die Waffen gegeben.  Frieden liebende Menschen würden keine Waffen tragen. Auch Keine eines verrückt gewordenen Staates. Politiker fragen ja auch sonst, ihre Auftraggeber am aller wenigsten – das Volk. Dann sollten sie auch zeigen – wofür sie ihre hohlen Köpfe tragen.

Das Pentagon hat ein weiteres „Flugobjekt“ im US-Luftraum abgeschossen. Offenbar hatte es aber keine Überwachungsausrüstung.

1.) Weiter Rätsel um „Flugobjekt“ nach Abschuss durch US-Militär

Die US-Luftwaffe hat am Freitag ein weiteres „Flugobjekt“ über amerikanischem Territorium abgeschossen – doch viele Fragen zu dem Vorfall sind weiterhin offen. So blieb zunächst unklar, wo das Flugobjekt hergekommen war und welchem Zweck es diente. Es habe keine Überwachungsausrüstung gehabt, berichtete der Sender CNN am Abend (Ortszeit) unter Berufung auf einen US-Regierungsvertreter. Nach Angaben des Militärs stellte der Abschuss über dem US-Bundesstaat Alaska kein größeres Risiko für Menschen oder Gebäude am Boden dar. Ein F-22-Kampfjet habe das Flugobjekt am Freitag um 13.45 Uhr US-Ostküstenzeit in etwa zwölf Kilometern Höhe abgeschossen, sagte ein Pentagon-Sprecher. Zentraler Grund dafür sei die Gefährdung des zivilen Flugverkehrs gewesen, der in ähnlicher Flughöhe operiere. Chinesischer Ballon flog höher als „Flugobjekt“ über Alaska. Der chinesische Ballon war deutlich höher geflogen – gut 18 Kilometer über dem Boden und damit weit oberhalb der maximalen Höhe des zivilen Flugverkehrs. Nachdem sich der Pilot des Kampfjets davon überzeugt habe, dass das Flugobjekt unbemannt war, habe Präsident Joe Biden „als Vorsichtsmaßnahme“ den Abschuss empfohlen, sagte der Kommunikationsdirektor des Nationalen Sicherheitsrats, John Kirby. Ob es einen Zusammenhang zu dem mutmaßlich für Spionagezwecke eingesetzten chinesischen Ballon gibt, der vor einer Woche vom Himmel geholt worden war, blieb zunächst offen. Das US-Militär hatte ihn mehrere Tage über amerikanisches Festland schweben lassen und dann vor der Küste des Bundesstaates South Carolina über dem Atlantik abgeschossen.

KSTA-online

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Hat nicht ein jeder Mensch welcher für einen schmutzigen Staat die Uniform anzieht, entsprechend seiner Aufgabe – im Krieg die Mordaufträge der Poliker-innen zu erfüllen? Wenn alle Abgeordneten-innen welche in den entsprechenden Häusern der Staaten herumlungern – ihr Land auch selber verteidigen müssten, gäbe es keine Kriege mehr. 

Jede sechste Stelle unbesetzt. – Durch den russischen Angriff auf die Ukraine gerät auch Deutschlands Verteidigungsfähigkeit wieder in den Fokus der Öffentlichkeit. Nach Angaben des Verteidigungsministeriums blieben bei der Bundeswehr im vergangenen Jahr rund 27.000 Stellen unbesetzt.

2.) Die Bundeswehr hat ein Nachwuchsproblem

Jeder sechste Dienstposten bei der Bundeswehr konnte im vergangenen Jahr nicht besetzt werden. Das berichtet die „Neuen Osnabrücker Zeitung“ unter Berufung auf eine Antwort des Bundesverteidigungsministeriums auf eine Kleine Anfrage der AfD. Demnach blieben knapp 27.000 der mehr als 164.000 Stellen bei der Bundeswehr im vergangenen Jahr vakant. Prozentual sei das dennoch der beste Wert seit dem Aussetzen der Wehrpflicht 2011, hieß es weiter. Zeitgleich stagnierte den Angaben zufolge die Größe der Streitkräfte bei etwas mehr als 183.000 Soldaten. Bis 2031 sollen es nach dem Willen der Bundesregierung 203.000 Soldaten sein. Der verteidigungspolitische Sprecher der AfD, Rüdiger Lucassen, nannte diese Zahlen „desaströs“. Seine Partei bereite einen Antrag zur Reaktivierung der Wehrpflicht vor. Reservistenverband für Wehrpflicht. Die Diskussion um eine Wiedereinführung der Wehrpflicht hatte zuletzt wieder deutlich an Fahrt aufgenommen. Ausgelöst wurde die jüngste Debatte vom neuen Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius. Er bezeichnete Ende Januar in einem Interview mit der „Süddeutschen Zeitung“ die Aussetzung der Wehrpflicht 2011 als „Fehler“. Pistorius argumentierte, die Wehrpflicht sei unter anderem wichtig gewesen, um in der Gesellschaft einen stärkeren Bezug zur Bundeswehr zu haben.

NTV-online

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An und für sich, wurde gestern bereits alles zu diesen Thema geschrieben, was die Politiker-innen ehe nicht interessieren wird. Das ginge weit – viel zu weit über ihre Blickwinkel hinaus.  Innerhalb oder außerhalb eines Zaun, selbst der korrupten Bayer würde Zäune um seinen Freistaat bauen, denn wer lässt sich schon auf seine verschmierten Finger schauen ?. 

EU-Gipfel zu Migration. – Mit immer mehr Zäunen und Mauern will die EU Flüchtende abwehren. Die brutale Migrationspolitik kommt in Afrika nicht gut an.

3.) Gift für die Beziehungen zu Afrika

Wer den österreichischen Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) nach dem EU-Gipfel diese Woche reden gehört hat, musste sich fragen, wo der Mann die letzten Jahre war. Endlich, so resümierte er, „haben wir es geschafft, dass das Thema Migration wieder auf der Agenda stand“. Endlich gebe es eine „klare Sprache zur Asylbremse“, endlich das „Commitment, dass alle Außengrenzen im Fokus sind.“ Tatsächlich steht all das seit Jahren ununterbrochen bei den EU-Gipfeln auf der Agenda, und Nehammer weiß das ganz genau. Er und der deutsche EVP-Fraktionschef Manfred Weber (CSU) hatten vor dem Gipfel gefordert, dass die EU künftig Zäune an ihren Außengrenzen bezahlen soll, was andere Staaten und die Kommission ablehnen. Dieser Streit dominierte die Berichterstattung. Tatsächlich gibt es diese Zäune längst, etwa in Polen, Spanien und Bulgarien. Seit 2014 ist die Länge von Grenzmauern in der EU von 315 auf 2.048 Kilometer angestiegen, wie Lucas Rasche vom Delors-Institut vorrechnete. Sie wurden bezahlt aus den na­tio­na­len Haushalten, die gleichzeitig Mil­lio­nen­summen für andere Grenzschutzmaßnahmen aus Brüssel bekommen. Der Zaun-Streit ist künstlich aufgebauscht. Die Konservativen reagieren damit auf den Druck von der extrem rechten Konkurrenz. Und die, die dagegenhalten, wie Luxemburgs Ministerpräsident Xavier Bettel – der eine „Mauer mit den EU-Sternen drauf“ eine „Schande“ nannte – oder die deutsche Ampelregierung, tragen andere Maßnahmen, die mit Leid, Gewalt und Entrechtung verbunden sind, schlichtweg mit.

TAZ-online

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Europa zieht dort Zäune wo Erdogan verraucht seine eigenen Träume ? Nehmt allen Politiker-innen ihre Macht – dann wäre der Frieden geschafft? Leider zeigen sich die meisten Versäumnisse der Politik erst, nachdem die Denkmale von den Nachkommen lange erstellt wurden.

Social-Media-Sperre – Die Türkei sperrt verschiedene Social-Media-Plattformen und will so erreichen, dass der Unmut über die späte Hilfe des Staates nicht wächst. Die Notstandsregelung im Bebengebiet wäre der Regierung hierbei ein hilfreiches Werkzeug.

4.) Erdbeben in der Türkei: Jagd auf vermeintliche Provokateure

Knapp 36 Stunden sind seit dem Erdbeben in der Türkei vergangen, es ist kurz nach Mitternacht in der Nacht zu Mittwoch. Eine Reporterin, die für einen regierungsnahe privaten Fernsehsender arbeitet, ist live auf Sendung. Eine Frau, nicht im Bild, erzählt, dass sie unter den Trümmern hervorgezogen worden sei. Die Reporterin dreht sich aufgeregt um. Als sie jedoch hört, was die Frau sagt, dreht sie ihr wortlos den Rücken zu. „Ich bin aus den Schuttbergen herausgekommen, meine Eltern und mein Bruder liegen noch in den Trümmern. Wie viele Tage wir gewartet haben …“ Die Überlebende sieht man kurz noch mit offenem Mund dastehen, während die Reporterin in die Kamera spricht, dass die Rettungsteams der staatlichen Katastrophenbehörde AFAD bereits vor Ort seien und durch Kahramanmaraş fahren würden. Reporter von regierungsnahen Medien haben gerade ein Problem: Worte, wie die des Erdbebenopfers, würden den Staat in ein schlechtes Licht tauchen. Daher wird reflexartig wiederholt, was die regierungsnahe Propagandamaschinerie seit Tagen zeigt: Der Staat ist nicht hilflos. Auch wenn die Zahl der Todesopfer die Zehntausendergrenze bereits weit überschritten hat und viele Gebäude noch nicht von den Such- und Rettungsteams erreicht worden sind, ändert dies kaum etwas an der gegenwärtigen Lage. Obwohl fast alle staatlich kontrollierten Fernsehsender zögern, die Stimmen und Hilfegesuche aus den Trümmern zu veröffentlichen, werden die Rufe zumindest in den sozialen Medien verbreitet. Vor allem auf Twitter sind seit dem frühen Montagmorgen Tausende von Nachrichten über Such- und Rettungsaktionen an Orten, die die AFAD nicht erreichen konnte, zu lesen.

Freitag-online

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Haben sich nicht schon immer nur die dümmsten Kälber ihre eigenen Metzger ausgesucht? Wer würde nicht gerne selber entscheiden mögen wer für die nächste Zeit die Gesellschaft auspeitschen möchte und die typusch-deutsche, völkische Erziehung nicht den Parteien Clans überlasse? 

Die Ampel will eine reine Verhältniswahl. Kritiker sagen, dies erfülle der Reformvorschlag nicht – die Mehrheitswahl bleibe von Bedeutung. In Karlsruhe kann das entscheidend sein.

5.) Wahlrechtsreform geht in die heiße Phase

Die Wahlrechtsreform ist in ihrer „heißen Phase“ angelangt. Was auch bedeutet, dass die „stille Phase“ begonnen hat. Denn nach der ersten Lesung im Bundestag Ende Januar und der üblichen Anhörung der Experten am vergangenen Montag ist nun der Innenausschuss am Zug. Parallel dazu gibt es offenbar Gespräche der Fraktionsführungen. Die Beratungen in beiden Runden verlaufen eher diskret. Die entscheidenden Fragen der nächsten Wochen lauten: Zieht die Ampel-Koalition ihr Modell durch und verzichtet auf die Zustimmung der Unionsfraktion? Oder gibt es Möglichkeiten der Annäherung, um so eine möglichst breite Mehrheit für die Reform zusammenzubekommen? Gelingt das nicht, droht eine Klage der Unionsfraktion in Karlsruhe. Das Wahlgesetz kann mit einfacher Mehrheit geändert werden – SPD, Grüne und FDP müssen auf die Union keine Rücksicht nehmen. Die Ampel hat beschlossen, im bestehenden System der mit der Personenwahl verbundenen Verhältniswahl zu bleiben, aber Letztere gegenüber der Ersteren zu stärken. Das wichtigste Ergebnis: Überhang- und Ausgleichsmandate werden abgeschafft, weil damit der Bundestag unkalkulierbar über seine gesetzliche Größe von 598 Sitzen hinauswachsen kann. Das Problem der Überhänge.

Tagesspiegel-online

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Den Morgengruß an gleicher Stelle – schreibt jeden Tag
„Der freche Bengel“

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