Standards für Baumwolle
Erstellt von Redaktion am 29. November 2022
Ein Alibi Gesetz zur Vertuschung einer modernen Sklavenhaltung ?
Ein Debattenbeitrag von Roger Peltzer
Mit „Cotton Made in Africa“ sollen die Bauern in Subsahara-Afrika gestärkt werden. Fortschritte gibt es – der Pestizid-Einsatz ist aber noch ein Problem. Die Einzelhändler zahlen bisher pro Kleidungsstück eine Lizenzgebühr von gerade einmal 0,4 Cent.
Im Jahre 2005 lud der Referatsleiter für Landwirtschaft im Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit, Christoph Kohlmeyer, Vertreter des Otto-Konzerns, der Deutschen Investitions- und Entwicklungsgesellschaft (DEG) und der Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) zu sich nach Bonn ins Ministerium ein. Thema war, wie man die afrikanischen Baumwollbauern unterstützen kann, damit sie im unfairen Wettbewerb mit den durch massive Subventionen unterstützten Großgrundbesitzern in den USA bestehen können.
Das Ergebnis war, dass man in einer gemeinsamen Kraftanstrengung die Marke „Cotton Made in Africa“ (CMIA) im Markt etablieren wollte. Das Konzept war einfach: Der textile Einzelhandel sollte gegen eine Lizenzgebühr das Recht erwerben, CMIA-Baumwoll-Textilien zu verkaufen. Die Baumwollproduzenten – Baumwollgesellschaften und Kleinbauern aus Afrika – sollten auf der anderen Seite sicherstellen, dass in der Produktion dieser CMIA-Baumwolle ökologische und soziale Mindeststandards eingehalten werden. Gleichzeitig erklärten sich zunächst das Entwicklungshilfeministerium und später die Bill-&-Melinda-Gates-Stiftung für eine Anschubfinanzierung bereit, um die Mindeststandards in der Breite zu ermöglichen.
So wurde sichergestellt, dass bestimmte giftige Pestizide nicht mehr verwendet werden, dass Kinder von Baumwollbauern verstärkt die Schule besuchen und in den Baumwoll-Entkörnungsanlagen internationale Arbeitsnormen eingehalten werden. Insbesondere aber wurden mit den Baumwollgesellschaften – diese kaufen von den Bauern die Saatbaumwolle auf und stellen im Gegenzug Saatgut, Dünge- und Pflanzenschutzmittel zur Verfügung – Ausbildungsprogramme aufgelegt. Dort werden die Bauern systematisch in Techniken unterwiesen, die die Bodenfruchtbarkeit steigern, den Einsatz von Pestiziden verringern und die Qualität der geernteten Baumwolle steigern.
Die Gates-Stiftung, das Ministerium und andere haben dafür insgesamt 57 Millionen Euro zur Verfügung gestellt. Heute sind eine Million BäuerInnen in elf afrikanischen Ländern nach CMIA-Standards zertifiziert. Mit Familienangehörigen ergibt das rund 8 bis 10 Mio Menschen, die von CMIA profitieren. Diese BäuerInnen produzieren 690.000 Tonnen Saatbaumwolle, was 40 Prozent der gesamten Baumwollproduktion Subsahara-Afrikas ausmacht.
Andererseits galt es, den textilen Einzelhandel in Europa und Nordamerika von der Marke CMIA zu überzeugen. Das war zunächst ausgesprochen schwierig. Es dauerte fast 15 Jahre, bis sich das CMIA-Konzept im deutschen Massenmarkt durchgesetzt hat. Heute handeln nicht nur Otto, Tchibo und Rewe mit CMIA, sondern auch Lidl, Aldi und Kaufland. Im Jahr 2022 wird CMIA rund eine Milliarde Textilien umgesetzt haben. Und die „Aid By Trade“-Stiftung, die die Marke CMIA verwaltet, konnte 2021 Lizenzeinnahmen von 4,5 Millionen Euro erzielen. Diese Lizenzeinnahmen werden für die Zertifizierung des Standards und für Projekte mit Kleinbauern in Afrika eingesetzt. Wenn man diese Lizenzeinnahmen auf den ursprünglichen Einsatz von 57 Millionen Euro bezieht, ergibt das eine Verzinsung von 8 Prozent.
Befördert worden ist der Durchbruch von CMIA durch das Lieferkettengesetz, das Textilbündnis des Entwicklungshilfeministeriums und die verstärkte öffentliche Aufmerksamkeit für nachhaltige Produkte. Wichtig ist jetzt, dass die CMIA-Akteure nicht stehen bleiben. Ökologische und soziale Mindeststandards sind ein wichtiger Schritt vorwärts, sichern aber vielen Baumwollbauern noch kein Einkommen über der Armutsgrenze. Es kommt jetzt darauf an, dass das System CMIA so viele Lizenzgebühren erzielt, dass auf Dauer ein solches Einkommen sichergestellt werden kann. Dabei geht es unter anderem um verbessertes Saatgut, die Förderung von Frauenkooperativen der Baumwollbäuerinnen und eine bessere betriebswirtschaftliche Ausbildung der Farmer.
In allen diesen Bereichen ist CMIA schon aktiv – es handelt sich aber bisher eher um Tropfen auf den heißen Stein. Statt 2 Millionen Euro jährlich wie zurzeit müsste CMIA jährlich das Zehnfache investieren, um nachhaltig Wirkung zu erzielen. Das sollte auch erreichbar sein, zahlen die textilen Einzelhändler doch bisher pro Kleidungsstück eine Lizenzgebühr von gerade einmal 0,4 Cent. Wenn man diesen Betrag auf 2 Cent pro Kleidungsstück verfünffachen würde, könnte mehr bei den Bauern investiert werden.
Quelle : TAZ-online >>>>> weiterlesen
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Grafikquellen :
Oben — Baumwoll-Pflanzen auf einem Feld.
Foto von David Nance.
Quelle [1]
Dieses Bild istgemeinfrei, weil es Materialien enthält, die ursprünglich vomAgricultural Research Service, der Forschungsagentur desUS-Landwirtschaftsministeriums, stammen. |
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Unten — Subsahara-Afrika nach Staaten; Sudan ist per UNO-Definition Nordafrika
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