Linker-Pluralismus-gekündigt
Erstellt von DL-Redaktion am 30. Oktober 2022
Linken-Parteitag in NRW
Von : Andreas Wyputta
Im NRW-Landesverband der Linken stehen sich Wagenknecht-Fans und ihre Gegner:innen unversöhnlich gegenüber. Die Wahl neuer Vorsitzender gelingt nur knapp.
Die Linkspartei ringt auch in Nordrhein-Westfalen um ihre Zukunft. Beim noch bis Sonntagabend laufenden Parteitag in Kamen im östlichen Ruhrgebiet präsentiert sich der größte Landesverband der Linken wieder einmal zerstritten: Zwar gelang am Samstagabend die Wahl von zwei neuen Landessprecher:innen – doch ob sich neben dem dem hauptamtlichen Fraktionssprecher der Linken im Stadtrat von Oberhausen, Sascha H. Wagner, überhaupt eine Frau zur Wahl stellen würde, war bis zum späten Nachmittag unsicher.
Um die Blamage zu vermeiden, erbarmte sich am Ende die Bundestagsabgeordnete Kathrin Vogler. Doch auch ohne Gegenkandidatin stimmten nur 68 Prozent der Delegierten für die 59-Jährige aus dem Kreis Steinfurt im nördlichen Münsterland. Für Wagner, der lediglich gegen den bei vielen als Enfant Terrible der Partei geltenden Mehmet Sencan antreten musste, entschieden sich nur 54 Prozent.
Die Wahl einer stellvertretenden Landesparteichefin scheiterte am Samstagabend dann gegen 20:00 Uhr. Weder die aus Dortmund stammende Aie Al Khaiat-Gornig noch Sefika Minte, Sprecherin des Kreisverbands Oberhausen, erhielten mehr als die nötige Hälfte der Delegierten-Stimmen – Al Khaiat-Gornig kam auf 48,7, Minte auf 42,8 Prozent. Wie es weitergeht, soll am Sonntag nach einem überraschend einberufenen „Frauenplenum“ beschlossen werden.
Deutlich wurde in den Abstimmungen einmal mehr die tiefe Spaltung der Linkspartei in Traditionalist:innen und Erneuer:innen, in selbsternannte „Linkskonservative“ und „Progressive“ – und in Anhänger:innen und Gegner:innen der einstigen Galionsfigur der Linken, Sahra Wagenknecht.
„Selbstzerstörerische Streitkultur“
Wie tief der Riss zwischen den Genoss:innen mittlerweile auch in NRW ist, hatte zuvor eine Erklärung von 13 der 22 Mitglieder des bisherigen Landesvorstands, darunter alle vier bisherigen Vize-Landessprecher:innen und der Landesgeschäftsführer, deutlich gemacht. Sie gehören mehrheitlich der Parteiströmung der Sozialistischen Linken (SL) an und erklärten rigoros, nicht wieder kandieren zu wollen.
Eine „selbstzerstörerische Streitkultur“ herrsche in der Linkspartei, so die Begründung. „Mediale Denunziation und öffentliche Vorverurteilung“ seien „Instrument der innerparteilichen Auseinandersetzung“, heißt es in dem Papier, das nur etwa eine halbe Stunde nach Veröffentlichung in parteiinternen Verteilern prompt die Nachrichtenagentur dpa erreichte. Davor hatte bereits der bisherige Landessprecher Jules El-Khatib nach nicht einmal einjähriger Amtszeit erklärt, nicht erneut zur Verfügung zu stehen. Die Co-Landessprecherin Nina Eumann folgte.
Wie ihre parteiinternen Gegner-innen von der Antikapitalistischen Linken (AKL) auf dem Parteitag warnen die 13, die im Landesvorstand eine Mehrheit besaßen, aber in dem Papier ihre eigene mangelnde Durchsetzungsfähigkeit beklagen, vor einer Teilung der Partei in Wagenknecht-Fans und -Gegner:innen. Der „Pluralismus“ in der Partei sei „aufgekündigt worden“, lautet die Chiffre dafür.
Aktueller Auslöser dafür war die Bundestagsrede Wagenknechts vom 8. September, in der sie der Bundesregierung mit Blick auf Putins Angriffskrieg in der Ukraine vorgeworfen hatte, „einen beispiellosen Wirtschaftskrieg gegen unseren wichtigsten Energielieferanten vom Zaun“ gebrochen zu haben. Entgegen geltenden Parteibeschlüssen forderte die Bundestagsabgeordnete ein Ende der „fatalen Wirtschaftssanktionen“ gegen Russland – und erntete massiven Protest: Landtags- und Bundestagsabgeordnete der Linken machten sich für einen Ausschluss Wagenknechts aus der Bundestagsfraktion stark.
Appelle nach Inhalten hatten nur wenig Erfolg
In Folge mobilisieren „Progressive“ für ein Vernetzungstreffen am 3. Dezember in Berlin. Ziel sei, die „Koexistenz mit dem Linkskonservatismus in der Partei zu beenden“, heißt es in ihrem Aufruf – also Wagenknecht und ihre Anhänger:innen rauszuwerfen. Wagenknecht selbst konterte bei Bild TV, sie wünsche sich, „dass in Deutschland eine Partei entsteht, die die Politik der Regierung verändern kann.“ Allerdings sei eine solche Neugründung „nicht so einfach“.
Beim NRW-Landesparteitag in Kamen hatten Appelle des Bundesvorsitzenden der Linken, Martin Schirdewan, „Selbstbeschäftigung“ und „Besserwisserei“ zu beenden und sich auf politische Inhalte wie die Soziale Frage oder Klimaschutz zu konzentrieren, deshalb nur begrenzten Erfolg. Bei den Kandidaturen setzt die Parteiströmung der Sozialistischen Linken weiter auf eine Verweigerungshaltung.
Quelle : TAZ-online >>>>> weiterlesen
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Grafikquellen :
Oben — Kathrin Vogler. Foto: Niels Holger Schmidt
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