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RENTENANGST

Archiv für Oktober 8th, 2022

Die neue Revolution

Erstellt von Redaktion am 8. Oktober 2022

Im Iran ist niemand frei
– deswegen protestieren jetzt alle auf der Straße

Aufstand der Amir-Kabir-Universität September 2022 (3).jpg

VON AVIN KHODAKARIM

Weg mit dem Diktator!“, rufe ich. Damit ist Ajatollah Chamenei gemeint. Ich will den Menschen im Iran heute zeigen, dass ich sie in ihrem Kampf gegen die Unterdrückung der iranischen Regierung unterstütze. Auch für mich ist das gefährlich. Als iranische Staatsangehörige kann ich dafür schon am Flughafen im Iran verhaftet werden, wenn ich das nächste Mal meine Familie besuchen will.

Das ist aber nichts gegen das Risiko, das die Menschen vor Ort, auf den Protesten eingehen. Die riskieren ihr Leben. Ich frage mich: Hätte ich mein Gesicht mit einer OP-Maske verdecken sollen? Es gab bereits einige deutsche Städte, in denen Spitzel der iranischen Regierung auf Demos gesichtet wurden. „Niemand trägt hier Maske, es wird schon nichts passieren“, beruhige ich mich. Sicher einreisen kann ich jetzt wahrscheinlich sowieso nicht mehr.

In den letzten Wochen habe ich in den sozialen Netzwerken mehrfach Fotos und Videos geteilt, die das brutale Vorgehen der Regierung gegen die Protestierenden im Iran dokumentieren. Zuletzt hatte ich einen Text über Iran für die Süddeutsche Zeitung geschrieben. Auf meinem Handy erscheint plötzlich eine Nachricht von meinem Vater: „Dein Artikel ist jetzt auf einer iranischen Internetseite, natürlich von Regimegegnern. Mach dir keine Sorgen, ich kann auch nicht mehr dahin fliegen, weil ich dein Vater bin.“ Mir gefriert das Blut in den Adern beim Lesen dieser Zeilen.

Ich klicke auf den Link, den er mir geschickt hat. Die iranische Seite hat Passagen aus meinem ­Artikel auf Farsi übersetzt. Glückwunsch, könnte man meinen. Doch ich schaue mich jetzt auf der Demo genauer um: Wer ist eigentlich der Mann dahinten, der uns filmt? Wo ist eigentlich die Polizei?

Wann wird es sich gelohnt haben, meine Familie zu gefährden? Wenn das Regime gestürzt ist? Hat es sich jetzt schon gelohnt? Durch Beiträge, Artikel und Demos hier in Deutschland trage ich, tragen wir doch dazu bei, dass die Proteste im Iran groß werden. Die Aufmerksamkeit hierzulande nutzt ihnen. Es sind die größten Proteste seit der Grünen Bewegung 2009.

Ja viele sagen sogar: „Das sind keine Proteste, das ist eine Revolution!“ So rufen es die Menschen auf den Straßen Irans. Sie haben recht. Was aber macht diese Proteste anders als alle zuvor?

Im Iran ist niemand frei – deswegen protestieren jetzt alle auf der Straße. Alle, das heißt: alle ökonomischen Schichten, alle Geschlechter, alle ethnischen und religiösen Gruppen, Menschen jeden Alters.

Außerdem neu ist, dass die Proteste zum ersten Mal landesweit in dieser Dimension stattfinden und nicht mehr nur in einzelnen Provinzen. Die vielen Menschengruppen im Iran gehen zwar alle aus individuell unterschiedlichen Gründen – aber alle mit dem gleichen Ziel – protestieren: Sie wollen das Ende der Islamischen Republik.

Proteste sind im Iran nichts Neues. Im ersten Halbjahr 2022 gab es bereits über 2.000 Proteste. Ja, man könnte sagen, Proteste sind im Iran Dauerzustand. Einige haben es geschafft, sich in der Geschichte einen Namen zu machen. Im Jahr 1999 waren es hauptsächlich die Studierenden, die auf der Straße waren. Sie protestierten damals gegen die Abschaffung einer regimekritischen Zeitung. Rückblickend werden diese Proteste deswegen „Studentenproteste“ genannt.

Als Ahmadinedschad 2009 wieder Präsident wurde, ging hauptsächlich die intellektuelle Mittelschicht gegen seine Wiederwahl auf die Straße. „Where is my vote?“, war das Motto, Wahlbetrug der Vorwurf, der im Raum stand. Die Ira­ne­r:in­nen wollten keinen Hardliner mehr an der Spitze des Landes, sie wollten einen Reformer. Diese Entscheidung obliegt im Iran allerdings nicht dem Volk, der Souverän ist der religiöse Führer Ajatollah Chamenei. Die Wirtschaftssanktionen gegen Iran trafen 2019 nicht wie geplant die iranische Führungselite, sondern die Zivilbevölkerung. Ich habe das gesehen, als ich im August 2019 im Iran war. Gelegentlich gab es keine Kartoffeln mehr. Meine Tante ärgerte sich dann beim Einkaufen darüber, entschied sich dann dazu, etwas anderes zu kochen. Die Wirtschaftssanktionen trafen sie nicht so hart, denn sie hatte Geld. Aber was war mit den Menschen, die nicht so wohlhabend waren? Schon damals musste man jahrelang auf ein neues Auto warten, wie zu DDR-Zeiten in Ostdeutschland. Was war mit den Menschen, die nicht einmal von Luxusgütern zu träumen wagten, ja die nicht einmal mehr die medizinische Versorgung ihrer Familienmitglieder finanzieren konnten? Die gingen im November 2019 auf die Straße. Und heute?

Wer damals noch um Reformen gebeten hat, schreit heute: „Wir wollen die Islamische Republik nicht mehr!“ Es geht längst nicht mehr um Wahlbetrug, längst nicht mehr um eine wirtschaftliche Misslage, auch nicht um die Abschaffung der Sittenpolizei oder die Kopftuchpflicht. Die Menschen im Iran stellen die Systemfrage.

Und das Regime antwortet – mit weitaus stärkerer Aggression als je zuvor. Diese Aggression ist aber Ausdruck wachsender Angst. Die Protestierenden werden mit Tränengas befeuert und erschossen, sie werden getasert und verprügelt. Damit diese Bilder nicht an die Öffentlichkeit gelangen können und sich die Protestierenden schwieriger organisieren können, hat die iranische Regierung das Internet landesweit gedrosselt. Das letzte Mal hat sie das bei den Novemberprotesten 2019 gemacht. In dieser Zeit haben Menschenrechtsorganisationen über 1.500 Tote verzeichnet, die Dunkelziffer liegt natürlich weitaus höher. Da die Proteste mittlerweile schon seit fast drei Wochen andauern und die Intensität kein Ende zu nehmen scheint, werden diese Zahlen wohl diesmal übertroffen werden. Die Gewaltbereitschaft des Regimes nimmt zu.

In Zahedan, in der Provinz Sistan und Belutschistan, hat die iranische Revolutionsgarde am 30. September von oben aus Hubschraubern auf die Menschen geschossen. Auch das: ein Novum. Bis dahin wurde nur vom Boden aus geschossen. Auch die Hauptquartiere der kurdischen Parteien Irans sind im Irak von Drohnen und Raketen der iranischen Regierung angegriffen worden. Hunderte Tote, unzählige Verletzte. Die Bilder zeigen kriegsähnliche Zustände. Es ist ein Krieg gegen die eigene Bevölkerung.

Was wird passieren, wenn die iranische Regierung das Militär gegen die eigene Bevölkerung einsetzt? In einem Video, das ein persischsprachiger Fernsehsender aus London (Manoto) auf Instagram gepostet hat, wendet sich ein hochranginger Marineoffizier direkt an Hossein Ashtari – jenen Kommandeur der Polizei, der vor einigen Tagen die Sicherheitskräfte gegen die protestierenden Menschen aufgehetzt hatte. Der Marineoffizier zeigt dabei sein Gesicht und trägt seine Uniform. Und er stellt klar: Wenn das Militär zu den Protesten hinzugezogen werden sollte, dann stünde er auf Seiten der Bevölkerung. Er werde nicht auf unschuldige Menschen schießen.

Auch das ist neu, sehr beeindruckend und zeigt, dass es derzeit um mehr, viel mehr geht als bei den vorherigen Protesten. Wenn sogar ein ranghoher Offizier des iranischen Militärs seine persönlichen Überzeugungen offenlegt, in einem diktatorischen System, das ihn dafür sofort hinrichten lassen könnte, dann hat das alles eine neue Qualität.

Und was hat sich hier in Deutschland verändert im Vergleich zu den Protesten davor? Auf jeden Fall die Tatsache, dass wir darüber sprechen. Die 2.000 Proteste, die dieses Jahr bereits im Iran stattgefunden haben, haben bei Weitem nicht die mediale Aufmerksamkeit gefunden wie die Proteste jetzt.

Quelle        :           TAZ-online          >>>>>        weiterlesen

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Grafikquellen          :

Oben     —     Studenten der Amir Kabir Universität protestieren gegen den Hijab und die Islamische Republik

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Zukunft des Internets

Erstellt von Redaktion am 8. Oktober 2022

Was dem Metaverse zum Durchbruch verhelfen wird

Eine Kolumne von Sascha Lobo

Es sind Visionen von Brillen und 3D-Welten: Über das Metaverse wird viel geredet – und gespottet. Unser Kolumnist aber glaubt, dass sich die Technologie durchsetzen wird, so wie schon das Smartphone.

»Wir überschätzen die kurzfristigen Folgen von Technologien, aber wir unterschätzen die langfristigen«, sagte der Futurologe Roy Amara , und natürlich hatte er damit recht. Eine wichtige Facette muss man aber hinzufügen: Ganz zu Beginn, gewissermaßen noch kurz vor dem Anfang, sehen Technologien oft komplett lächerlich aus. Und zwar insbesondere für Leute, die sich in angrenzenden Bereichen auskennen.

Was direkt zum Metaverse führt, was nicht nur die Zukunftstechnologie ist, auf die Mark Zuckerberg aberwitzig viel Geld sowie den Namen seines Digitalkonzerns gesetzt hat, sondern auch etwas, das häufig verspottet wird . Zuletzt, als Zuckerberg Ende August den Fortschritt seiner Arbeiten am Metaverse präsentieren wollte  – mit einem Avatar, der wirkte wie aus einem schlechten Manga rausgerendert, mit einer Grafikkarte von 1997.

Das Metaverse existiert bisher nicht, jedenfalls nicht so richtig, weshalb die meisten Menschen sich darunter wenig vorstellen können. Wikipedia hilft hier nur eingeschränkt weiter , die Rede ist dort von einem »digitalen Raum, der durch das Zusammenwirken von virtueller, erweiterter und physischer Realität entsteht« und einer »zukünftigen Iteration des Internets, in Form von persistenten, gemeinsam genutzten, virtuellen 3D-Räumen«. Beschrieben wird zudem ein »erhöhter Bedarf an Immersion«.

Ich persönlich halte das Metaverse für eine sehr wesentliche Zukunft des Internets. »Eine« und nicht »die Zukunft«, weil das Netz sich und seine Funktionslandschaften weit aufspreizt und manche Bereiche des Internets eben wenig oder auch nichts mit dem Metaverse zu tun haben werden. Aber viele andere Bereiche eben doch, auch solche, von denen man das heute vielleicht nicht glauben würde.

Umso wichtiger ist es, sich dem Metaverse so verständlich und nachvollziehbar wie möglich zu nähern, ohne mit Persistenzen oder Immersionen um sich zu werfen. Dafür kann man sich dem Metaverse nicht rein technisch, ökonomisch oder gar philosophisch nähern, sondern mithilfe der wichtigsten Gestaltungsmaxime des Internets, nämlich »user centric«, also von den Nutzenden aus gesehen.

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Opportunismus in der Krise

Erstellt von Redaktion am 8. Oktober 2022

Linker Opportunismus, Querfront und Neue Rechte

Quelle       :        Scharf  —  Links

Von Tomasz Konicz

Wie die Linkspartei mittels sozialer Demagogie den gegenwärtigen Krisenschub als Karrieresprungbrett nutzen will.

Falls in den kommenden Dekaden noch Geschichtsschreibung betrieben werden sollte, dürfte 2022 als das Jahr in die Annalen der Menschheitsgeschichte eingehen, in dem die kapitalistische Klimakrise in eine globale Klimakatastrophe umzuschlagen begann. In Europa, den USA und China trocknen die Flüsse oder Süßwasserseen aus, während die Laubbäume, die nicht in Flammen aufgehen, im Hochsommer sich braun färben.1 Die Zahl der Hitzetoten2 dürfte in die Zehntausende gehen. In Pakistan hat eine verheerende Flut rund ein Drittel der Landesfläche erfasst, 30 Millionen Menschen sind betroffen. Weite Teile des Landes, große Anbauflächen, sind zerstört.3 In vielen Ländern kann die Stromversorgung kaum mehr dauerhaft aufrechterhalten werden, es droht eine De-Elektrifizierung in Hitzeperioden.4 In etlichen Regionen der USA könnte die Wasserversorgung kollabieren.5

Die Auswirkungen auf die Lebensmittelpreise, die die diesjährige – früher als „Sommer“ bezeichnete – Hitze- und Feuersaison auf der Nordhalbkugel nach sich ziehen wird, dürften viele Millionen Menschen, nicht nur im globalen Süden, in existenzielle Not geraten lassen. Und es liegt offen auf der Hand, dass es sich um eine kapitalistische Klimakrise handelt,6 da das Kapital in seinem Verwertungszwang außerstande ist, den weltweiten CO2-Ausstoß zu senken – dies geschah im 21. Jahrhundert immer nur um den Preis einer Weltwirtschaftskrise. Die globalen Emissionen von Treibhausgasen werden, nach dem Rückgang während der Pandemie, laut der Internationalen Energieagentur IEA 2023 einen neuen historischen Höchststand erreichen – und es sei keine Trendwende absehbar.7 Schon in diesem Jahr soll das Vorkrisenniveau erreicht werden.

Es ist somit eine simple, offen zutage liegende Wahrheit, dass das Kapitalverhältnis schnellstens in Geschichte überführt werden muss, soll die Klimakrise nicht in Barbarei und sozialen Kollaps münden. Die fetischistische Eigendynamik des Kapitals als des uferlos sich verwertenden Werts vernichtet die Welt.8 Und diese Wahrheit liegt faktisch offen auf der Hand. Es ist kein Geheimwissen. Inzwischen verstehen viele Menschen, dass endloses Wirtschaftswachstum in einer endlichen Welt Irrsinn ist. Die überwältigende Mehrheit der Bevölkerung spürt zumindest, dass es so nicht weitergehen kann, dass die spätkapitalistische Gesellschaft auf einen Abgrund zusteuert – nur nicht die Linkspartei samt den inzwischen offen reaktionären Teilen dessen, was sich deutsche Linke nennt.

Soziale Demagogie in der Krise

Was brauchen wir somit nach dem diesjährigen Horrorsommer? Wenn es nach der Linkspartei geht, einen „heißen Herbst“ der Sozialproteste. Wir brauchen also mehr Kapitalismus, nur sozial soll er sein. Von den unzähligen Möglichkeiten, auf die manifeste Systemkrise, auf Klimakollaps, Inflation, Verelendung, soziale Erosion, Faschisierung, Krieg und Rezession zu reagieren, wählten die stockkonservativen Entscheider im Karl-Liebknecht-Haus die anachronistische und opportunistische Variante, die letztendlich sozialer Demagogie gleichkommt. Es gibt angesichts der sich entfaltenden Krise kein Zurück zum rheinischen Kapitalismus und der sozialen Marktwirtschaft. Die Krisenideologie eines „grünen Kapitalismus“, wie sie die Grünen erfolgreich popularisierten, will die „Linke“ – auf Koalitionsoptionen schielend – mit einer sozialen Komponente anreichern.

Soziale Demagogie bedeutet, den Menschen süße, bequeme Lügen aufzutischen, um daraus politisches Kapital zu schlagen. Das macht die Linkspartei – fraktionsübergreifend – gerade: Unter Marginalisierung radikaler Krisentheorie und Systemkritik innerhalb der Linken wird den verängstigten Menschen implizit vorgemacht, die ökologische und ökonomische Systemkrise ließe sich durch Umverteilung und Sozialstaat schon noch meistern, um durch dieses Bewegungsmanagement, durch die Entradikalisierung potenziellen Widerstands Stimmen und Pöstchen bei der anstehenden Krisenverwaltung zu ergattern. Die Linkspartei will faktisch bei den Funktionseliten Nachfrage nach sich selbst, also nach Oppositionsmanagement schaffen. Es ist sozusagen die letzte opportunistische Chance der Linkspartei. Es geht nicht um die vom Absturz bedrohten Menschen bei dieser Kampagne, es geht um die Linkspartei, die sie mit dem bequemen Gefasel vom sozialen Kapitalismus faktisch belügt, während unsere Flüsse austrocknen, das System in den sozioökologischen Kollaps treibt.

Sozialproteste in der eskalierenden Systemkrise, bei denen die nur zu berechtigte Existenzangst der Menschen parteipolitisch instrumentalisiert wird, um die manifeste Systemfrage zu einer bloßen Umverteilungsfrage zu verzerren – diese Demagogie ist nicht nur ein karikaturhaftes Paradebeispiel für falsche Unmittelbarkeit,9 sondern auch Ausfluss einer auf bloßes Klassenkampf- und Umverteilungsdenken verkürzten Kapitalismuskritik. Es ist ein reaktionäres Festhalten am kollabierenden Alten, das Räume für die Querfront10 aus alten Linken und neuen Rechten eröffnet, wie sie in der ostdeutschen Provinz, etwa in Brandenburg an der Havel, wo am 17. September Linkspartei, Wagenknechts „Aufstehen“, Friedensbewegung, Querdenker, AfD und Nazis gemeinsam für Frieden und russisches Erdgas demonstrierten, schon Realität ist. Die Linkspartei konkurriert nun in Sachen sozialer Demagogie mit der AfD. Buchstäblich auf denselben Demos.11 Die Querfront – wie sie etwa in Querfrontorganen wie Telepolis12 propagiert wird – ist Realität, und es ist Ausdruck der allgemeinen krisenbedingten Verrohung, der Regression der deutschen Linken, dass dies kaum noch einen Aufschrei, kaum noch einen Skandal auslöst.

Und was macht konsequenterweise die national-soziale Prominenz der opportunistischen Zumutung namens Linkspartei in dieser existenziellen Krise? Sie fordert mehr fossile Energieträger, selbstverständlich. Sahra Wagenknecht, die über alle Parteiausschlussverfahren erhabene Lieblingslinke der deutschen Rechten, forderte schon Mitte August gemeinsam mit dem FDP-Rechtsausleger Kubicki die Inbetriebnahme der inzwischen sabotierten Nord Stream 2 Gaspipeline, da dies „Menschen und Industrie in Deutschland“ mehr nütze als Putin.13 Die offen reaktionären Teile einer „Linken“, die schon buchstäblich mit Nazis marschiert, fordern somit in Reaktion auf die eskalierende Systemkrise des Kapitals eine Verfestigung des fossilen Kapitalismus. Doch er hat sozial zu sein!

Die Linksparteiführung redet den Menschen tatsächlich ein, in der einsetzenden Klimakatastrophe, in der manifesten Agonie des Kapitals brauche es nichts weiter, als einen sozial gerechten Kapitalismus. Das ist keine polemische Übertreibung. Da musste mensch nur dem derzeitigen Kovorsitzenden, Martin Schirdewan, bei seinem ARD-Sommerinterview zuhören, der eine „gerechte Verteilung der Lasten der zu erwartenden Krise“ forderte und das als Ziel des „heißen Herbstes“ ausgab, „die Bundesregierung unter Druck zu setzen und zum Handeln zu bewegen“, um einen „Gaspreisdeckel“ und eine „Übergewinnsteuer“ für krisenbedingte Extraprofite einzuführen.14

Selbst wenn diese duckmäuserisch vorgetragenen Auslassungen, die in einem grotesken Missverhältnis zur Krisenentfaltung stehen, ernst genommen und umgesetzt würden, wären sie einfach nur ineffektiv. Beschneidung von Profiten, staatliche Preiskontrollen, Verstaatlichung – die staatsgläubigen Forderungen erinnern frappierend an die gescheiterten Krisenmaßnahmen, die in der Peripherie des Weltsystems, etwa in der Türkei oder Venezuela, implementiert wurden (Und dies ist eben Folge des Voranschreitens des Krisenprozesses, der sich von der Peripherie in die Zentren frisst, sodass die sozialen Verheerungen im globalen Süden einen Blick in die Zukunft der Krisenentfaltung in den Zentren ermöglichen). Die Linkspartei samt ihrem keynesianischen Anhang wandelt faktisch auf den Spuren des Zinskritikers Erdogans15 – ohne es zu merken.

Linker Opportunismus, Querfront und Neue Rechte

Mitunter wird bei der Formulierung dieser anachronistischen, sozialdemokratischen Forderungen die Kausalität der Krise den Kopf gestellt (etwa, wenn Inflation auf Extraprofite reduziert wird). Die neokeynesianische Realsatire Namens „Neue Monetäre Theorie“, die noch vor wenigen Monaten unbegrenzte Gelddruckerei predigte,16 flieht angesichts einer zweistelligen Inflation vor ihrem intellektuellen Bankrott in simple Verschwörungstheorien, bei denen der gegenwärtige Preisauftrieb, in dem sich die Entwertung des Werts ankündigt,17 aus der Gier der Konzerne resultieren soll. Als ob das Kapital vor der Inflation – die durch Geldschwemme, Pandemie, Klimakrise und die geplatzte Liquiditätsblase auf den Finanzmärkten angeheizt wird18 – nicht bemüht gewesen wäre, Höchstprofite zu erzielen. Die Folgen der Weltkrise des an seinen inneren Widersprüchen zugrunde gehenden Kapitals, das in seiner Agonie Ökosysteme und Gesellschaft verheert, werden durch die Konstruktion von Ober-Bösewichten (etwa ausländische Energiekonzerne), die dafür verantwortlich sein sollen, zu deren Ursache verklärt, um dann höhere Steuern oder Umverteilung als Lösung anzubieten.

Die Systemkrise wird durch die Produktion von Sündenböcken personifiziert, was letztendlich der Neuen Rechten zugutekommen wird, die faktisch auf der opportunistischen „Vorarbeit“ der Linkspartei aufbauen wird. Die Neue Rechte muss nur noch das Feindbild des bösen Bonzen, das derzeit von der Linken als Krisenverursacher aufgebaut wird, mit dem in der Bundesrepublik mit ihrer furchtbaren autoritären Tradition ungleich wirkmächtigeren Feindbild der ausländischen Verschwörung und des ausländischen Parasiten ersetzen. Personifizierung der Krisenursachen in einer Systemkrise führt zwangsläufig in Krisenideologie. Die Linkspartei – und nicht nur Wagenknecht – leistet somit der Faschisierung Vorschub.

Beide – Linke und Rechte – setzen somit im „heißen Herbst“ auf soziale Demagogie. Die Linke spielt der Neuen Rechten in die Hand (nicht nur in Ostdeutschland).19 Wer wird wohl von den auf falschen Grundannahmen beruhenden, da an der Krisenrealität zwangsläufig scheiternden, Sozialprotesten profitieren? Die reaktionäre, rechtsoffene, national-soziale, in falscher Unmittelbarkeit und verkürztem Klassenkampf-Denken festsitzende Linke, die schon mit den Mahnwachen für den Frieden,20 mit Wagenknechts Werbekampagnen für die AfD während der Flüchtlingskrise,21 mit „Aufstehen“ und mit der Kollaboration mit der Rechten in der Corona-Querfront22 den Aufstieg von AfD und Pegida beförderte? Oder eher die Rechte, die ihre zweistelligen Wahlergebnisse in der BRD der bloßen Krisenangst und der extremistischen Zuspitzung der verwildernden neoliberalen Ideologie (vom Sozialdarwinismus bis zum Wirtschaftsstandortnationalismus)23 verdankt?

Es ist somit offensichtlich: Was die Linkspartei derzeit betreibt, ist opportunistische Augenwischerei, die der Rechten den Boden bereitet. Damit werden die vom Absturz bedrohten Menschen, deren aufkommende Angst nur zu berechtigt ist, letztendlich irregeführt – und das dürfte den Machern der Sozialkampagne im Karl-Liebknecht-Haus durchaus klar sein. Mitunter sprechen es Parteimitglieder im direkten Meinungsaustausch offen aus, dass es ihnen schlicht nichts bringe, den „Leuten einfach zu sagen“, was Sache sei – Manipulation ist hier schlicht Programm.

Die als blinder Weltprozess ablaufende Systemkrise des Kapitals manifestiert sich nicht nur in der einsetzenden Klimakatastrophe, sondern auch in der Großkriegsgefahr in Europa, in der Ressourcen- und Energiekrise, in der globalen Schuldenkrise, in der anstehenden Rezession, in der vermittels Inflation sich vollziehenden Entwertung des Werts – während die Führung der Linkspartei, in Anlehnung an Wagenknechts rechtsoffenen Linkskonservatismus,24 eine anachronistische Rückkehr zur „soziale Marktwirtschaft“ predigen will. Die Systemkrise hat einen Reifegrad erreicht, bei dem tatsächlich die Lichter auszugehen drohen, wie der Wertkritiker Robert Kurz 2011 prognostizierte25 – und die krisenblinde Linke will nur die „soziale Frage“ sehen, als ob der Kapitalismus vor einer neuen Boomphase wie in den 50ern und 60ern stünde, die ja das ökonomische Fundament der historisch betrachtet kurzen Zeitspanne der „sozialem Marktwirtschaft“ war.

Die Krise als Karrieresprungbrett

Die Krisenideologie von einer grünen Transformation des Kapitalismus, von einem Green New Deal,26 die den Wahlerfolg der Grünen begründet, will die Linkspartei also tatsächlich schlicht um eine soziale Komponente erweitern. Es ist simples Koalitionsdenken, das sich genötigt sieht, aus Karrieregründen auf die Straße zu gehen und krisenbedingt aufkommendes Protestpotenzial zu entschärfen: Der grünen Schimäre vom Ökokapitalismus, die der Öffentlichkeit ermöglicht, an dem Kapitalismus trotz fortgeschrittener Klimakrise festzuhalten, wird der sozialdemokratische Unsinn der „Klimagerechtigkeit“ beigemengt. Die Krise als Karrieresprungbrett – das ist die Strategie der „Linkspartei“.

Somit ist es evident, dass es der Linkspartei – wie eingangs erwähnt – bei ihrem „heißen Herbst“ vor allem um sich selbst geht, da diese Zusammenrottung opportunistischer Beutegemeinschaften und Rackets hierin ihre wohl letzte Chance auf Karriere und Pöstchen, auf voll klimatisierte Dienstwagen und Büros im Rahmen der kommenden Krisenverwaltung wittert. Die Sozialkampagne soll aber auch dafür sorgen, dass die Skandale der letzten Jahre – von Wagenknechts rechter Rhetorik, über Porsche-Klaus im Klimaausschuss des Bundestages, bis zu den sexuellen Übergriffen – vergessen werden und die Partei bei den nächsten Wahlen über der Fünf-Prozent-Hürde bleibt, um sich Koalitionsoptionen bei der anstehenden Krisenverwaltung zu sichern. Deswegen fokussieren sich die sozialpolitischen Attacken der Linken nicht auf Scholz, oder die SPD, sondern auf die FDP, deren Platz die Linkspartei beerben möchte – als ob Lindner Kanzler wäre.

Was die Multiplikatoren dieser Partei derzeit absondern, ist ein pseudo-radikales Klassenkampfgerede, das zugleich jeglichen grundsätzlichen Konflikt scheut in seiner Sorge um die eigene Anschlussfähigkeit und den „Zusammenhalt“ der Gesellschaft. Offensichtlich wird dies immer dann, wenn es darum gehen müsste, angesichts der Systemkrise die Systemfrage zu stellen, was die gesamte Linkspartei-Prominenz tunlichst vermeidet. Diesen bitter notwendigen, konfliktträchtigen Ausbruch aus dem kapitalistischen Gedankengefängnis, der Grundvoraussetzung emanzipatorischer Praxis wäre, vermeidet die Partei tunlichst, weil dies tatsächlich ernsthafte Konflikte nach sich zöge, wie isolierte, zaghafte Versuche in diese Richtung zeigten.27 Im Gegenteil: Es wird im Apparat und Umfeld dieser Partei gewordenen Zumutung mit aller Kraft daran gearbeitet, dass die Linke selbst in der manifesten Systemkrise in der falschen kapitalistischen Unmittelbarkeit verharrt.

Regression und Bewegungsmanagement

Es war die SPD als die Partei des „kleinen Mannes“, die mit der Agenda 2010 und Hartz IV das größte Entrechtungsprogramm Lohnabhängiger in der Nachkriegsgeschichte der BRD durchsetzte, es war die pazifistisch gesinnte Partei der Grünen, die den völkerrechtswidrigen Angriffskrieg gegen die Bundesrepublik Jugoslawien führen konnte – formell linke Parteien sind im Spätkapitalismus dafür prädestiniert, reaktionäre Politik zu implementieren, da sie durch die enge Verflechtung mit den dadurch betroffenen Schichten, Bewegungen oder Organisationen oppositionelles Potenzial besonders gut paralysieren können. Dies geschieht zuerst durch die Marginalisierung radikaler, kategorialer Kritik innerhalb der Linken, was die übliche Vorbedingung einer Regierungsbeteiligung ist. Um „regierungsfähig“ zu werden, mussten etwa die Grünen in den 90ern ihre „Fundis“ kaltstellen. Ein ähnlicher Prozess läuft in der gegenwärtigen Krise der Linken ab, da die Linkspartei ihre angestrebte Position als kapitalistischer Krisenverwalter nur erreichen kann, indem sie radikale Krisentheorie und Kritik in der deutschsprachigen Linken marginalisiert.

Die Linkspartei übt sich bei der Sozialkampagne somit schlicht in Bewegungsmanagement, um, wie bereits angedeutet, die Nachfrage nach sich selbst im Politbetrieb zu erhöhen, indem die aufsteigende Krisenangst und Protestbereitschaft in der Bevölkerung abgefangen und der Unmut in eine reformistische Sackgasse umgelenkt wird. Der mit Maulheldentum und rhetorischer Militanz einhergehende Fokus auf Umverteilung und Klassenkampf wird eine ideologische Personifizierung der Krisenfolgen betreiben, während die radikale Kritik und Krisentheorie marginalisiert wird, um die blanke Überlebensnotwendigkeit einer Überwindung des Kapitals zu verdrängen. Der Opportunismus muss also die theoretische Regression innerhalb der Linken forcieren, er muss das zuvor erreichte Reflexionsniveau der Krise zurückdrängen, um mit seiner opportunistischen Umverteilungs-Demagogie „erfolgreich“ zu sein.

Wie dieses Bewegungsmanagement samt opportunistisch motivierter Regression in verkürzte, rechtsoffene Pseudokritik sich konkret vollzieht, kann etwa an dem Querfrontmedium Telepolis studiert werden, das von einer rotbraunen Linkspartei-Beutegemeinschaft aus dem Umfeld der Bundestagsfraktion der „Linken“ gekapert worden ist28 – um hiernach die zuvor mögliche, radikale Kritik an der kapitalistischen Klimakrise gerade deswegen auf Verlagswunsch zu verdrängen, weil die Krise manifest wird, weil etwa die Unvereinbarkeit von Klimaschutz und Kapital inzwischen evident ist. Die bei Telepolis zuvor – allen Beschränkungen des bürgerlichen Medienbetriebs zum Trotz – übliche Thematisierung der Systemkrise, das Insistieren auf der Überlebensnotwendigkeit der Systemtransformation ist von der Linkspartei verdrängt worden, die radikale Kritik wich dem bloßen Gemaule über soziale Ungleichheit, der rechtsoffenen Querfrontpropaganda und der rein deskriptiven Beschreibung des Krisengeschehens. Und eben diese theoretische Regression, diese umgekehrte Psychoanalyse, bildet das oftmals unbewusste Fundament des opportunistischen Programms der Linkspartei in der Krise – und auch sie liefert der Neuen Rechten ideologische Munition.

Im schmierigen Kleinen wird so Regierungsfähigkeit für das große Ganze eingeübt. Diejenigen Kräfte, die den aktuellen Krisenschub als ein Karriereticket für Rot-Rot-Grün betrachten, die eigentlich schon jetzt sich darin üben, Staatsräson durchzusetzen, müssen das ganze „Krisengerede“ marginalisieren oder domestizieren, weil es – im Gensatz zur Verteilungsdebatte – schlicht nicht kompatibel ist zum Politbetrieb, in dem man was werden will. Und diese Neutralisierung radikaler Kritik und Praxis in der Systemkrise ist tatsächlich eine praktische Fähigkeit, die eine rechtsoffene Linkspartei für kapitalistische Funktionseliten attraktiv machen könnte.

Bewegungskonkurrenz

Dies gilt vor allem bei der Formung des innerlinken Krisendiskurses vermittels Multiplikatoren. Das pausenlose Gerede über Steuerpolitik, Umverteilung, soziale Leistungen, Verstaatlichung lässt die Diskussion über Alternativen in der manifesten Systemkrise verstummen, da diese inkompatibel ist mit Talkshowrunden und Koalitionsverhandlungen. Die Betonung der hohl gewordenen „Interessenpolitik“ verdeckt somit den autodestruktiven Fetischismus des Kapitals in all seinen Aggregatszuständen. Aus dieser opportunistischen Ausblendung kategorialer Kritik samt der notwendigen Systemtransformation resultiert auch die sich immer deutlicher abzeichnende innerlinke Bewegungskonkurrenz in der Krise, die nicht zufällig die Klimabewegung trifft.29

Die Klimakrise, die im „Heißen Herbst“ kaum eine Rolle spielen soll, lässt sich partout nicht in das grobe Raster von Klasseninteressen pressen, da hier auch die destruktive Eigendynamik des Kapitals wie auch die Ohnmacht der kapitalistischen Funktionseliten offenbar wird. Durchaus problematische Gruppen wie „Die letzte Generation“ werden folglich von reaktionären Linken aufgrund ihrer mutigen Straßenblockaden kritisiert, weil hierdurch Lohnabhängige von Arbeit abgehalten würden – also der Verwertungsprozess des Kapitals unterbrochen ist. Dies sind mitunter dieselben potenziellen Krisenverwalter, die nichts dabei finden, wenn Linkspartei und Nazis in Sachen sozialer Demagogie in Konkurrenz treten, wie am 5. September ganz konkret in Leipzig. Oder wenn sie gemeinsam auf Demos marschieren, wie in Brandenburg an der Havel.

Doch die Spannungen und Reibereien zwischen verschiedenen Bewegungsansätzen in der Linken verweisen nur auf die sehr reellen gesellschaftlichen Widersprüche im Spätkapitalismus: Diese Bewegungskonkurrenz, bei der das Klasseninteresse des variablen Kapitals – im linken Szenesumpf gerne als „revolutionäres Subjekt“ halluziniert – ganz konkret in Widerspruch zum Klimaschutz steht, erwächst nicht nur aus opportunistischem Kalkül der national-sozialen, gewerkschafts- und wagenknechtnahen Strömungen der Linkspartei, die mit der Sozialkampagne auch ein parteiinternes Versöhnungsangebot erhalten haben, um die Grabenkämpfe der Vergangenheit in strömungsübergreifender Demagogie und Karrieregeilheit zu überwinden.

Zweierlei Opportunismus

Von den Mahnwachen für den Frieden des Jahres 2014, über die jahrelangen Werbekampagnen Wagenkenchts für AfD und Neue Rechte, bis zu den Querdenker-Protesten während der Pandemie: In der Linken bildete sich in den letzten Jahren eine große, rechtsoffene Querfrontszene aus, die auch bei den anstehenden Sozialprotesten kaum Berührungsängste zur Rechten haben dürfte. Wie weit die diesbezügliche Abstumpfung und die Gewöhnungseffekte schon gediegen sind, wurde nicht nur in Brandenburg an der Havel,30 sondern schon bei den Paralleldemos in Leipzig Anfang September offensichtlich, wo Zeitungsverteiler der „junge Welt“ ganz selbstverständlich in der Nazi-Kundgebung ihre Waren an den deutschen Mann brachten und Mitglieder der Querfronttruppe „Freie Linke“ gut sichtbar an der Kundgebung der brav sozialdemokratischen Linkspartei teilnehmen konnten.

Selbstverständlich gibt es unterschiedliche Strömungen in der Linkspartei, doch spielen kapitalismuskritische Kräfte in der Partei längst keine Rolle mehr. Es handelt sich eher um verschiedene Ansätze opportunistischer Politik, die derzeit um die Dominanz in der Partei ringen. Die nach Ausbruch des Ukraine-Kriegs sich beschleunigende Erosion der deutschen Linken,31 die in linksliberale und grünennahe Kräfte, sowie in die rechtsoffene Querfront übergeht, ist auch in der Linkspartei wirksam. Dies wurde gerade bei den Querelen im Vorfeld der ersten Linkspartei-Montagsdemo in Leipzig anfang September offensichtlich, als das national-soziale Lager um Wagenknecht in Konflikt geriet mit der linksliberalen Strömung.32

Die Angriffe Wagenknechts in den sozialen Netzwerken gegen Ministerpräsident Bodo Ramelow,33 der den Auftritt der Querfronttante der Linkspartei in Leipzig verhindert haben soll, geben somit keinen Anlass zur Hoffnung auf ein zivilisatorisches Mindestniveau in der Linkspartei. Herr Ramelow ist derjenige deutsche Ministerpräsident, der 2020 ganz bewusst einen AfD-Politiker zum Landtagsvizepräsidenten wählte, um der AfD die „parlamentarische Teilhabe“ zu ermöglichen.34 Letztendlich sind dies nur interne Reibereien zwischen verschiedenen opportunistischen Strömungen in der Partei: zwischen den linksliberalen Strömungen, die auf Rot-Rot-Grün setzen, und schlicht reaktionären Kräften, bei denen das Klassenkampfdenken zum rechtsoffenen Populismus degenerierte, bei dem das „Volk“ und sein Wille, das an die Stelle des Proletariats trat, als Code für den Halbnazi dient, der sich bei Querdenkern & Co. herumtreibt – und dessen Wahn bedient werden soll.35

Ignoranz und Karrieredenken

Es ist aber nicht alles Intention beim Krisenopportunismus der Linkspartei. Es ist auch ideologische Verblendung, schlichte linke Szeneblödheit,36 die hier zum Tragen kommt. Der wichtigste Verbündete des linken Opportunismus ist die linke Ignoranz, die Unwilligkeit, von anachronistischer Ideologie Abschied zu nehmen, die zumeist mit einem ziellosen Aktivismus gekoppelt ist: „Nicht labern, machen.“ Mit solchen Transparenten liefen linke Szenegruppen auf der Sozialdemo in Leipzig anfang September auf, um sich bei der blinden Praxis, die in falscher Unmittelbarkeit verharrt, von keiner Theorie stören zu lassen. Mitunter wird in Gesprächen generell jegliche Kritik an der opportunistischen Praxis Linkspartei zurückgewiesen, sofern sie nicht selber mit Praxis einhergeht („Was machst du konkret“?). Die soziale Demagogie der Linkspartei darf somit laut dieser Logik dann kritisiert werden,wenn man sich selber in sozialer Demagogie übt, womit selbst grundlegende Einsichten in die Funktion von Theoriebildung der allgemeinen linken Regression zum Opfer fallen.

Dieser blinde Praxiskult geht einher mit einer zunehmenden Theoriefeindlichkeit und einem regelrechten Intellektuellenhass, wie er charakteristisch für den Präfaschismus ist. Die rechtskompatiblen Ideologeme der „simplen Wahrheit“, und des „gesunden Menschenverstands“ feiern Triumphe, Texte müssen simpel gehalten und im Hauptsatzstil verfasst sein, um ja nicht zum Nachdenken zu nötigen – was eigentlich nur Ausdruck der warenförmigen Erwartungshaltung dieses regressiven Milieus ist, das auch schlicht denkfaul ist und die Mühen des Denkens, der geistigen Auseinandersetzung mit komplexen Themen scheut. Der dumpfe, bei Querdenkern mitlaufende Halbnazi bildet die Messlatte, die es hier zu unterschreiten gilt, was eigentlich schon eine implizite Beleidigung des tollen „Volkes“ ist, vom dem diese Kreise so viel Aufhebens machen.

Die allgemeine Regression äußert sich auch in einem konservativen Wunsch nach einer Rückkehr der alten, revolutionären Zeiten, sodass inzwischen von dem traditionsmarxistischen Anhang im Fahrwasser der Sozialkampagne der Linkspartei schlicht Parolen der Bolschewiki aus der Revolutionszeit reanimiert werden, man plötzlich für „Heizung, Brot und Frieden“ demonstriert und sich als kleiner Nachwuchs-Lenin imaginiert, während man tatsächlich nur Wasserträger des Opportunismus der Linkspartei ist. Rockin‘ like it’s 1917 – was nur ideologisches Beiprodukt der opportunistischen Verzerrung der Systemkrise zu Klassenkampf und sozialer Frage möglich ist. Krisenignoranz und ideologische Verblendung bilden somit eine gute Grundlage für die einzige innerlinke Bewegung, die ein wirkliches Interesse an der Marginalisierung von Krisentheorie hat: für den Opportunismus.

Eine Prise Klassenanalyse: Die Mittelschichts-Linke

Ein weiteres Moment, dass unbewusst der sozialem Demagogie vorarbeitet, bildet ironischerweise die soziale Herkunft, die Klassenzusammensetzung der Posten- und Funktionsträger in Stiftungen, Parteiapparat und Medien im Umfeld der Linkspartei. Hierbei handelt es sich zumeist um Mitglieder der Mittelklasse, die nun ganz konkret schlicht Angst haben um ihre weißen, deutschen Mittelklasse-Ärsche, die ihnen im gegenwärtigen Krisenschub auf Grundeis gehen. Im Parteiapparat und im Fahrwasser der „Linkspartei“, im gesamten „linksliberalen“ Spektrum im linken Umfeld der „Grünen“ ist diese Schicht dominant. Die deutschsprachige Linke ist weitestgehend eine Mittelklassen-Linke, was gerade an ihrem unverwüstlichen Proletenkult evident wird, der ja alles mit Wunschdenken und nichts mit der spätkapitalistischen Realität zu tun hat.

Und, sobald sich der deutsche Mittelklasse-Schnösel mit einem Krisenschub konfrontiert sieht, der seinen bisherigen Lebenswandel ganz konkret infrage stellt, entdeckt er plötzlich, wie schön das Leben sein kann – in der Mittelschicht der Zentren des spätkapitalistischen Weltsystems. Der konservative Wunsch, das es so bleibt, wie es ist, manifestiert sich in „linkskompatiblen“ Formen: in Krisenblindheit und Sozialnostalgie. Die Sozialkampagne ist somit auch ein zum Scheitern verurteilter Versuch, inmitten der Systemkrise die eigene soziale Stellung zu halten. Der Kampf der linksliberalen Mittelklasse um den Sozialstaat kommt in seiner falschen Unmittelbarkeit dem Kampf um die Beibehaltung des an seinen Widersprüchen kollabierenden Systems bei, das in den Zentren eine global betrachtet schmale, privilegierte Schicht hervorgebracht hatte, die vor allem eins will: weiterhin Mittelklasse bleiben, als Teil der „ersten Welt“, versteht sich.

Zusammenfassung: linker Krisenopportunismus

Es gibt somit eine Reihe von Faktoren, die dazu führen, dass dieser zumeist absurd staatsgläubige, anachronistische Zug so erfolgreich ist, obwohl die Krise inzwischen einen derartigen Reifegrad erreicht hat, dass selbst ihre früheren linken Leugner nicht mehr umhinkommen, Fragmente von Krisentheorie in ihre linksliberalen, sozialdemokratischen oder leninistischen Ideologien einzubauen, um so regelrechte Frankenstein-Konstrukte zu formen. Linke Szenedummheit, Narzissmus und ideologische Verblendung bilden eine gute Grundlage für die einzige innerlinke Bewegung, die ein wirkliches Interesse an der Marginalisierung von Krisentheorie hat: für den Opportunismus.

Was resultiert aus konsequenter Krisentheorie? Die Überwindung des Kapitals als einer autodestruktiven Totalität ist schlicht überlebensnotwendig. Seiner fetischistischen Eingendynamik überlassen, wird das amoklaufende automatische Subjekt die bereits in Gang gesetzte Weltzerstörung vollenden. Diese Maxime linker Krisenpraxis ist folglich nicht verhandelbar. Es gibt keine Alternative zum Versuch einer emanzipatorischen Systemtransformation. Wie soll man das aber im spätkapitalistischen Medien- oder Politikbetrieb verkaufen können, bei Koalitionsverhandlungen oder in der Talkshow? Bei Marginalisierung des radikalen Krisenbewusstseins kann der Opportunismus aber immerhin noch darauf hoffen, sich als Arzt am Krankenbett des Kapitals zu versuchen, was in letzter Konsequenz darauf hinausläuft, zum Subjekt der kommenden Krisenverwaltung zu werden. Es ist eine panische Logik des „Rette-sich-wer-kann“, die dem Opportunismus bei seinem letzten großen Run auf Posten und Pöstchen seine besondere Brutalität verleiht. Da Bunker oder Privatinseln nicht zur Disposition stehen, sucht man Zuflucht in den erodierenden und verwildernden Staatsapparaten, was auch die Basis der zunehmenden Staatsgläubigkeit in Teilen der Linken bildet – lieber im Apparat austeilen, als außerhalb einstecken zu müssen.

Der linke Opportunismus in der Systemkrise des Kapitals, der faktisch zur kapitalistischen Krisenverwaltung verkommt, kann somit auf breite ideologische und identitäre Tendenzen aufbauen, die oftmals unreflektiert in der erodierenden deutschen Linken krisenbedingt wirken. Die theoretische Regression, das Verdrängen kategorialer Kritik und bereits erreichter theoretischer Einsichten, wird ja nicht nur vom linken Opportunismus befeuert, sie ist auch Teilmoment der allgemeinen Verrohung der spätkapitalistischen Gesellschaften in der Krise, die ja ebenfalls ihre Gewöhnungseffekte zeitigt, zur Abstumpfung führt. Der linke Konservatismus, der in seinem Proletenkult an den anachronistischen Teilen der marxschen Theorie festhält und selbst der manifesten Klimakrise nur mit dem verkürzten Klassenkampfdenken begegnen kann, fördert ebenfalls objektiv den linken Opportunismus, der die Systemkrise zu einer Umverteilungsfrage verzerrt. Und schließlich ist es die damit einhergehende Personifizierung der Krise, die Suche nach Bösewichten hinter den Kulissen, die für die Inflation oder die Klimakrise verantwortlich gemacht werden, die auch der Neuen Rechten ideologische Munition liefert – und die sich ganz konkret in der nun offen marschierenden Querfront manifestiert.37 Die Rechte in Deutschland scheint sich jetzt schon als Profiteur der Krise abzuzeichnen.

Gegengift zum Krisenopportunismus: Sagen, was Sache ist!

Doch das alles muss nicht sein – selbst in Deutschland mit seiner furchtbaren nationalsozialistischen Tradition. Regression, Faschisierung, der Absturz in die Barbarei sind nicht zwangsläufig. Wie wäre es mit einem neuen Praxisansatz, anstatt die ollen, braun anlaufenden Kamellen der vergangenen Dekaden ein letztes Mal abzuspulen? Etwa dem Versuch, den Menschen angesichts der Krise zu sagen, was Sache ist? Es ist inzwischen offensichtlich, dass das kapitalistische Weltsystem sich in Agonie befindet und an seinen inneren und äußeren, ökologischen Widersprüchen zu zerbrechen droht – selbst in der deutschen Linken hat sich dies inzwischen herumgesprochen. Das in der Bevölkerung weitverbreitete dumpfe Gefühl, dass es „so nicht weitergehen kann“, muss in konkreter Praxis aufgegriffen und konkretisiert werden. Die letzte Aufgabe der Linken besteht darin, das wachsende Unbehagen am Kapitalismus zu radikalisieren, also an dessen Wurzel zu gehen, um klar zu machen, dass eine Überwindung des Kapitals im Rahmen einer Systemtransformation überlebensnotwendig ist. Die Überführung des Kapitalverhältnisses in Geschichte ist somit der letzte kapitalistische Sachzwang.

Entweder wird das Kapital von einer emanzipatorischen Bewegung bewusst in Geschichte überführt, oder es zerstört die ökologischen und sozialen Grundlagen des Zivilisationsprozesses. So einfach ist das. Und dies kann den Menschen, die es ja längst ahnen, auch verständlich erklärt werden, indem etwa auf die Absurdität uferlosen Wirtschaftswachstums in einer endlichen Welt verwiesen wird – es ist aber ein Karrierekiller für all die linken Opportunisten, die noch was werden wollen bei der kommenden Krisenverwaltung im Politik- und Medienbetrieb. Deswegen ist die Frage der offensiven Verbreitung eines radikalen Krisenbewusstseins bei linken Praxisbemühungen entscheidend. Sie bildet einerseits die Trennlinie zum Opportunismus, doch bildet ein klares Verständnis des Krisencharakters vor allem die Grundvoraussetzung einer emanzipatorischen Transformationsbewegung. Da es kein „revolutionäres Subjekt“ gibt, da kein Weltgeist im Verborgenen der „List der Geschichte“ zum Durchbruch verhilft, ist die Frage des Krisenbewusstseins entscheidend.

Deswegen muss die Frage der Systemtransformation bei aller Praxis offensiv thematisiert werden – nicht, weil mensch es in radikaler Attitüde will, sondern weil sie unausweichlich auf uns alle zukommt. Die von der verkürzten Kapitalismuskritik ignorierte Selbstbewegung des Kapitals, der durch die inneren Widersprüche des Kapitalverhältnisses angetriebene Fetischismus tritt angesichts des drohenden sozioökologischen Kollapses, an dem sich ja auch alle leninistische Interessenlogik blamiert, deutlich hervor. Die Menschheit ist der destruktiven Dynamik des Kapitals, die sie unbewusst, marktvermittelt hervorbringt, auch in dessen Agonie ohnmächtig ausgeliefert. Die Hoffnung, an der unbedingt, aller Evidenz zum Trotz, festzuhalten ist, besteht darin, dass im Verlauf des ergebnisoffenen Transformationsprozesses dieser Fetischismus überwunden und von einer emanzipatorischen Bewegung in die bewusste Gestaltung der gesellschaftlichen Reproduktion überführt werden kann.

Es existiert somit ein ganz einfaches Mittel, um im kommenden Krisenchaos den Opportunismus der Linkspartei von klarer, radikaler Opposition zu unterscheiden. Eine emanzipatorische Überwindung des Kapitals ist nur bei Ausbildung eines radikalen, kritischen Krisenbewustseins innerhalb der Bevölkerung möglich, was derzeit vor allem durch die soziale Demagogie der Linkspartei sabotiert wird. Es ist die offensive Thematisierung dieser schlichten, evidenten Wahrheit, dass der Kapitalismus am Ende ist, dass eine Systemtransformation unausweichlich ist und es eine Frage des kollektiven Überlebens ist, den unausweichlichen Transformationsprozess in eine fortschrittliche Richtung zu lenken. Daran, an dem anstehenden Kampf um die Systemtransformation, hätte sich auch alle konkrete linke Politik zu orientieren, anstatt krampfhaft an den gerade in Auflösung befindlichen Kategorien festzuhalten, um noch ein Plätzchen im Regierungsbunker bei der drohenden Krisenverwaltung zu ergattern.

Eine Revolution, wen hierunter die Errichtung der berüchtigten leninischen „Diktatur des Proletariats“ zu verstehen wäre, ist streng genommen nicht mehr nötig, und auch nicht mehr möglich, da das Proletariat selber in Auflösung übergeht. Was aber zwangsläufig ansteht, ist ein Transformationskampf, also ein Kampf um den Verlauf der unausweichlichen Systemtransformation. Und hier können durchaus, vor allem in dessen Anfangsphase, Momente des alten Klassenkampfes aufscheinen. Alle konkreten Kämpfe – von Sozialprotesten, über Klimastreiks, bis hin zu Antifa-Demos oder Bürgerrechtsbewegungen – müssten bewusst als Kämpfe um eine postkapitalistische Zukunft geführt und offensiv propagiert werden. Es gilt, in Prozessen, Widersprüchen zu denken, um diejenigen Kräfte und Konstellationen zu identifizieren, die einen emanzipatorischen Transformationsverlauf begünstigen. Und dieser bewusst geführte Kampf um die postkapitalistische Zukunft wäre auch der sehr reale gemeinsame Nenner konkreter sozialer Bewegungen, der Bewegungskonkurrenz – etwa zwischen Sozial- und Klimabewegung – verhindern würde.

Es stellt sich schlicht die Frage, welche spätkapitalistische Gesellschaft in den unausweichlichen Transformationsprozess eintreten soll: ein oligarchischer, hochgerüsteter Polizeistaat, oder eine relativ offene bürgerliche Demokratie, etc.. Die Kämpfe gegen spätkapitalistische Krisentendenzen wie Pauperisierung, Entdemokratisierung, Faschisierung, etc. müssen aber – wie gesagt – offensiv als Teilmomente des Transformationskampfes geführt werden. Dieses radikale Krisenbewusstsein kann sich anfangs auch in Parolen und Forderungen artikulieren: Sozialproteste und Umverteilungsforderungen würden beispielsweise darauf abzielen, dass die Reichen für die anstehende Transformation zahlen – solange Geld noch Wert hat. Denn letztendlich muss auch im konkreten sozialen Kampf schon der Ausbruch aus dem kapitalistischen Gedankengefängnis gewagt werden, anstatt sich an den erodierenden Kategorien wie Sozialstaat, etc., festzuhalten.

Deswegen sind auch bürgerliche Derivate der Klassenkampflogik, wie die ökologisch motivierte Konsumkritik und das entsprechende Verzichtsdenken, kontraproduktiv. Es geht nicht darum, den Warenkonsum, der nur Moment des Verwertungsprozesses ist, einzuschränken, sondern die menschliche Bedürfnisbefriedigung aus dem Zwangskorsett der Warenform zu befreien. Nochmals: Die Krise wird mit der Warenform auch den Konsum (auch den Staat!) zerstören, wie es für viele am Rande des Hungertodes vegetierende Menschen in den Zusammenbruchsgebieten und „Failed States“ der Peripherie schon der Fall ist. Die Frage ist, ob eine bewusste Bedürfnisbefriedigung jenseits der Warenform im Rahmen eines gesamtgesellschaftlichen Verständigungsprozesses noch beim anstehenden Transformationskampf erkämpft werden kann.

Antifaschismus als Kampf gegen drohende Barbarei

Progressive, fortschrittliche Praxis ist somit nur noch als Teilmoment des Kampfes um einen emanzipatorischen Transformationsverlauf möglich – alles andere ist Opportunismus, es führt in Krisenideologie und letztendlich Barbarei. Die Ausgangsfrontstellung des Transformationskampfes verläuft auch zwischen den krisenbedingt in Erosion übergehenden politischen Lagern, zwischen links und rechts. Die Rechte (samt der ihr objektiv zuarbeitenden Querfront), die durch ein reaktionäres Festhalten am kollabierenden Bestehenden den Extremismus der Mitte38 forciert, treibt den ins Anomische taumelnden Faschismus als offen terroristische Krisenform kapitalistischer Herrschaft voran, die Restlinke könnte immer noch als eine emanzipatorische Kraft dem entgegenwirken, sollte sich in ihr ein radikales Krisenbewusstsein durchsetzen, das Grundlage eines bewusst geführten Transformationsprozesses würde. Insofern scheint sich gerade der Antifaschismus – ähnlich der letzten Systemkrise der 30er – als das erste zentrale Kampffeld des Transformationskampfes abzuzeichnen.

Im Gegensatz zum Klassenkampf, wo die Arbeiterschaft als „variables Kapital“ Teil des Verwertungsprozesses bleibt, kann der Transformationskampf im Krisenverlauf schnell von einer eliminatorischen Logik erfasst werden, da mit dem Verwertungsprozess die gemeinsame ökonomische Basis der in Auflösung übergehenden Klassen kollabiert. Der Feind wird nicht mehr ökonomisch „benötigt“, er ist nur noch überflüssiger Konkurrent. Die Bereitschaft der EU, etwa das Mittelmeer zu einem Massengrab für Krisenflüchtlinge umzufunktionieren, bietet einen Ausblick auf das barbarische Potenzial des Krisenprozesses. Letztlich geht es um die Frage, ob die subjektlose Herrschaft des Kapitals im Verlauf der anstehenden Transformation überwunden werden kann, oder ob es der extremen Rechten, die in ihren Netzwerken im tiefen Staat schon mit den Hufen scharrt, ein letztes Mal gelingt, das dem Kapitalverhältnis innewohnende barbarische Potenzial manifest zu machen.

Auch deswegen sind beispielsweise Protestbewegungen gegen Entdemokratisierung, Polizeistaat und autoritäre Bestrebungen als Teilmomente des Transformationskampfs essenziell, da dies helfen kann, den Transformationsprozess möglichst lange in zivilisierten Bahnen ablaufen zu lassen, bevor die militärische Logik greift. Die Überreste der bürgerlichen Demokratie sind somit im vollen Bewusstsein ihrer unausweichlichen Erosion mit Zähnen und Klauen zu verteidigen, um Freiräume für die postkapitalistische Emanzipation zu erhalten, bei der die Freiheit von ihrer Deformierung und Pervertierung durch das Kapital befreit würde.

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1 https://www.spiegel.de/wissenschaft/natur/austrocknende-fluesse-in-europa-wir-sind-erst-am-beginn-dessen-was-wir-an-extremen-sehen-werden-a-c40327e2-9e94-44af-be7c-45d1777ecb47

2 https://berlinergazette.de/hitzewelle-toedliche-logik-des-kapitals/

3 https://www.zdf.de/nachrichten/politik/pakistan-flut-seuchen-kinder-malaria-100.html

4 https://www.npr.org/2022/09/07/1121427449/an-intense-heat-wave-in-california-is-stressing-the-states-power-grid

5 https://www.theguardian.com/us-news/2022/sep/10/running-water-returns-in-mississippi-capital-but-its-still-undrinkable

6 https://www.konicz.info/2018/06/06/kapital-als-klimakiller/

7 https://www.cnbc.com/2021/07/20/co2-emissions-will-hit-record-levels-in-2023-iea-says.html

8 https://www.konicz.info/2022/10/02/die-subjektlose-herrschaft-des-kapitals-2/

9 Unter falscher Unmittelbarkeit ist hier die Tendenz sozialer Bewegungen zu verstehen, unbewusst in Denkformen zu verharren, die den sozialen Zuständen und Widersprüchen entsprechen, gegen die sie sich eigentlich richten.

10 https://www.konicz.info/2018/01/28/querfront-als-symptom/

11 https://www.flickr.com/photos/195176309@N02/albums/72177720302173237

12 https://www.konicz.info/2021/09/20/telepolis-eine-rotbraune-inside-story/

13 https://twitter.com/SWagenknecht/status/1560591239233253378

14 https://www.tagesschau.de/inland/innenpolitik/sommerinterview-schirdewan-linkspartei-101.html

15 https://www.konicz.info/2022/01/31/werteverfall/

16 https://www.nd-aktuell.de/artikel/1146327.modernen-monetaeren-theorie-gelddrucken-bis-zur-vollbeschaeftigung.html

17 https://www.konicz.info/2021/08/08/dreierlei-inflation/

18 https://www.konicz.info/2021/08/08/dreierlei-inflation/

19 https://www.rbb24.de/politik/beitrag/2022/09/brandenburg-havel-demonstration-linke-rechte-energie-lachmann-kritik.html

20 https://www.heise.de/tp/features/Gemeinsam-gegen-Rothschild-3365791.html?seite=all

21 https://www.heise.de/tp/features/Nationalsozial-in-den-Wahlkampf-3580672.html?seite=all

22 https://www.konicz.info/2022/02/01/wahn-wenn-nicht-jetzt/

23 https://www.kontextwochenzeitung.de/politik/376/neo-aus-liberal-wird-national-5145.html

24 https://www.konicz.info/2021/06/29/schreiben-wie-ein-internettroll/

25 https://www.exit-online.org/textanz1.php?tabelle=aktuelles&index=1&posnr=556

26 https://www.streifzuege.org/2011/die-oekologischen-grenzen-des-kapitals/

27 https://twitter.com/b_riexinger/status/1455615222098563072

28 https://www.konicz.info/2021/09/20/telepolis-eine-rotbraune-inside-story/

29 https://twitter.com/tkonicz/status/1577331336829870081

30 https://www.rbb24.de/politik/beitrag/2022/09/brandenburg-havel-demonstration-linke-rechte-energie-lachmann-kritik.html

31 https://www.konicz.info/2022/04/26/krisenimperialismus-und-krisenideologie/

32 https://www.spiegel.de/politik/leipzig-sahra-wagenknecht-als-rednerin-bei-linke-montagsdemo-ausgeladen-a-e84ae5ef-89e9-436f-8202-0241fe83175a

33 https://www.t-online.de/nachrichten/deutschland/parteien/id_100045786/sahra-wagenknecht-beschwert-sich-in-wut-sms-ueber-bodo-ramelow.html

34 https://www.sueddeutsche.de/politik/ramelow-afd-thueringen-1.4834648

35 https://www.heise.de/tp/features/Haben-die-Querdenker-mitgeschossen-6199358.html

36 https://www.konicz.info/2020/12/09/der-linke-bloedheitskoeffizient/

37 https://www.rbb24.de/politik/beitrag/2022/09/brandenburg-havel-demonstration-linke-rechte-energie-lachmann-kritik.html

38 https://www.konicz.info/2021/08/17/von-gruenen-und-braunen-faschisten-2/

https://www.konicz.info/2022/10/06/opportunismus-in-der-krise/

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Oben      —     Karikatur, die die Labour Party dafür züchtigt, wie sie sich verändert hat, als sie anfing, etwas Macht in der britischen Regierung zu bekommen… Miss LIBERALE PARTEI: „Diese raue Person scheint zu denken, dass sie dich kennt.“ LABOUR STATESMAN „Oh, kein Zweifel, M’lady, bevor man Mitglied der herrschenden Klassen war, konnte man alle möglichen queeren Menschen kennen, aber jetzt, wie Sie wissen, muss man vorsichtig sein.“

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2.) von Oben       —     Dieses Bild zeigt, wie Hyperinflation als Folge eines starken Rückgangs des Gesamtangebots auftritt.

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KOLUMNE-Fernsicht-China

Erstellt von Redaktion am 8. Oktober 2022

Viel Protokoll und geheime Pläne in Taschkent

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Von    : Shi Ming

In Taschkent, der Hauptstadt Usbekistans, trafen sich Xi Jinping und Wladimir Putin Mitte September. Diesmal war von der Theatralik wenig zu spüren, die sie Anfang Februar in Peking aufgeführt hatten: eine gemeinsame politische Erklärung, in der Xi Putins vorgeplanten Aggressionskrieg gegen die Ukraine unterstützte, indem er Putins Argumentation gegen die Nato-Osterweiterung eins zu eins übernahm. Diesmal hingegen war Delikates anzumerken.

Putin zeigte, sichtlich zähneknirschend, „Verständnis für die balancierende Außenpolitik seines Freundes Xi“. Xi, offensichtlich peinlich berührt, blieb in der Öffentlichkeit einsilbig, und was die offiziellen Protokolle anging: Letztes Mal in Peking war es Putin gewesen, der noch in derselben Nacht, in der die Olympischen Winterspiele feierlich von beiden Staatsoberhäuptern eröffnet wurden, nach Moskau zurückeilte, um, das wissen wir inzwischen, seinen Krieg vorzubereiten, der am 24. Februar begann – zu dieser Zeit hieß es noch die „Sondermilitäraktion“.

Diesmal, in Taschkent, war Xi an der Reihe. Auch er verlor keine Zeit, wartete nicht einmal mehr das Abendessen ab mit allen teilnehmenden Staatsoberhäuptern aus Zentralasien, Iran und Indien. Xi eilte sofort nach Peking zurück. Was dann an weltverändernden Ereignissen in Peking passiert, müssen wir noch abwarten. Drei Tage später gab Putin jedenfalls bekannt, in den besetzten ukrainischen Gebieten Donbass, Luhansk, Cherson und Saporischschja Scheinreferenden zu deren Annexion in die Russische Föderation abzuhalten, gepaart mit einer Teilmobilmachung, um aus einer halbverschämten Sondermilitäraktion endgültig einen unverschämten Krieg zu machen.

Die Fragen liegen auf der Hand: Hatten sich Putin und Xi wie schon im Februar abgesprochen, war Peking auch diesmal Teil des Plans, zumindest für Insider? Wenn ja, was steht Xis China zur Verfügung, um Putins Russland zur Hilfe zu eilen?

Roemerberggespraeche-oktober-2012-shi-ming-ffm-590.jpg

Die letzte Frage ist heikel, wenn man sich Putins säuerliche Akzeptanz der „balancierenden Diplomatie“ Chinas ins Gedächtnis ruft: Offene militärische Unterstützung blieb, soweit man es beurteilen kann, aus. Finanzpolitische Schützenhilfe wie Bankgeschäfte um den Swift-Rauswurf russischer Staatsbanken herum, blieb sporadisch. Das bisschen mehr Öl und Gas, das China aus Russland bezog, um Moskaus Devisenmangel auszugleichen, fiel kaum ins Gewicht. Und Pekings Verzicht, Moskau auf internationalen Bühnen zu tadeln, entpuppt sich aus Sicht Putins als ebenfalls nicht der Rede wert: Wenn der Kremlchef schon einen offenen Krieg wagt, gar poten­ziell mit Atomwaffen, kommt es ihm dann darauf an, einen Kritiker mehr oder weniger bei den Vereinten Nationen in Kauf zu nehmen?

Quelle        :          TAZ-online         >>>>>        weiterlesen

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Grafikquellen          :

Oben     —     Vogelbeobachtung in Panama

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DL – Tagesticker 08.10.2022

Erstellt von Redaktion am 8. Oktober 2022

Direkt eingeflogen mit unseren Hubschrappschrap

Heute in der Auswahl des „Bengels“:  – . –  1.) US-Präsident Joe Biden warnt vor atomarer „Apokalypse“  – . –  2.) Gerichtsentscheidung wenige Stunden nach Bekanntgabe des Nobelpreises  – . –   3.) Ein Preis als Kommentar zur Zeit  – . –  4.) Liebe Protestierende im Iran  – . –   5.) »Vorstand wollte den Profit«  – . –   DL wünscht allen Leser-Innen eine  gute Unterhaltung.

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Als Warnsignal im Land sieht er die eigene Schade. Wer hat die Vorwürfe zu tragen dass die Demokratien in der ganzen Welt sich vor anderen System-Formen fürchten müssen : Das jahrelange Versagen dieser demokratischen Scheinpolitiker-innen  welche es nur darauf absehen haben, sich die eigenen Taschen zu füllen. Diese haben Putin erst stark gemacht.  Bist du selber zu schwach – werden alle Anderen zu stark !!!

Angesichts der russischen Drohungen mit einem möglichen Einsatz von Atomwaffen im Ukraine-Konflikt hat US-Präsident Joe Biden vor der Gefahr einer „Apokalypse“ gewarnt.

1.) US-Präsident Joe Biden warnt vor atomarer „Apokalypse“

US-Präsident Joe Biden sieht die Gefahr einer atomaren Konfrontation mit katastrophalen Folgen nach Drohungen aus dem Kreml so groß wie seit 60 Jahren nicht mehr. Die Welt habe seit der Kuba-Krise im Jahr 1962 nicht vor der Aussicht auf ein „Armageddon“ gestanden, sagte Biden am Donnerstagabend (Ortszeit) laut mitreisenden Journalisten bei einem Auftritt in New York. Moskau warf der Ukraine derweil den „Aufruf zum Beginn eines neuen Weltkriegs“ vor. Russlands Präsident Wladimir Putin hatte in einer Fernsehansprache am 21. September mit dem Einsatz von Atomwaffen gedroht. Fachleuten zufolge würde es sich dabei höchstwahrscheinlich um Angriffe mit taktischen Atomwaffen handeln. Deren Sprengkraft ist kleiner als die von strategischen Atomwaffen. Biden warnte jedoch, ein taktischer Atomangriff berge dennoch das Risiko großflächiger Auswirkungen. Biden: Putin macht keine Witze Putin mache „keine Witze“, wenn er mit dem Einsatz von taktischen Atomwaffen, biologischen oder chemischen Waffen drohe, sagte Biden. Seine Drohungen seien eine Folge der Niederlagen der russischen Armee auf den Schlachtfeldern in der Ukraine.

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Wer hätte etwas Anderes erwartet ? Fühlen sich politische Systeme mit den Rücken an die Wände gedrückt, regieren sie alle in gleicher Art und Weise. Wer ließe sich auch gerne ob seiner Unfähigkeit beschuldigen ?

Rache für Nobelpreis: Russische Justiz ordnet Beschlagnahmung von Memorial-Büros in Moskau an – Kult-Rapper zu „ausländischem Agenten“ erklärt.

2.) Gerichtsentscheidung wenige Stunden nach Bekanntgabe des Nobelpreises

Nur wenige Staatschefs gratulierten Russlands Präsident Wladimir Putin am Donnerstag zum 70. Geburtstag: Nordkoreas Diktator Kim Jong-Un, der Tyrann aus Belarus, Lukaschenko – doch aus dem Westen kam eine Ohrfeige in Gestalt des diesjährigen Friedensnobelpreises, der unter anderem an die wichtigste Menschenrechtsorganisation Russlands ging: Seit 2021 ist Memorial verboten, existiert jedoch weiter durch das Engagement mutiger Mitstreiter.  Wenige Stunden nach Bekanntgabe des diesjährigen Friedensnobelpreises für Memorial hat ein russisches Gericht die Beschlagnahmung der Moskauer Büros der Menschenrechtsorganisation angeordnet. Die Büros seien in „öffentliches Eigentum“ umgewandelt worden, zitierte die russische Nachrichtenagentur Interfax die am Freitag ergangene Gerichtsentscheidung. Die Büros bilden die Zentrale der Menschenrechtsorganisation, in der sie regelmäßig Ausstellungen veranstaltet hatte. Moskauer Gericht ordnete Auflösung von Memorial an, doch die Organisation kämpft weiter Memorial wurde 1989 gegründet und ist die älteste und wichtigste Menschenrechtsorganisation in Russland. Ende 2021 verfügte zunächst das Oberste Gericht Russlands ein Verbot von Memorial, später ordnete ein Moskauer Gericht die Auflösung der Organisation an. Trotz des Verbots wird die Arbeit von Memorial fortgesetzt, unter anderem erhalt die Organisation Unterstützung aus dem Exil.

Berliner-Kurier-online

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Ging es vielleicht auch nur darum, einmal mehr, den absolut Unfähigen, Weltweiten, politischen Versagen eine Faust so richtig in die dimmen Fressen zu schlagen.? So hatte wohl 2014 eine der Saatkrähen darauf gehofft diesen Preis zu erhalten und sah sich dann darin gebunden, die eigene Saat selber zu fressen. 

Die Friedensnobelpreis-Ehrungen für Ales Bjaljazki, Memorial und das Civil Liberties Comittee sind nachvollziehbar und richtig, werden realpolitisch aber leider folgenlos bleiben.

3.) Ein Preis als Kommentar zur Zeit

Der Friedensnobelpreis 2022 zeichnet einen Dreiklang aus: Personen und Organisationen der Zivilgesellschaft in Russland, Belarus und der Ukraine werden geehrt. „Wenn die Zivilgesellschaft Autokratie und Diktatur weichen muss, dann ist Frieden oft das nächste Opfer“, heißt es in der Begründung. Dass das keine steile These ist, sondern eine schlichte Wirklichkeitsbeschreibung, zeigt der seit Februar andauernde Angriff Russlands auf die Ukraine – unter belarussischer Beteiligung. Wäre Belarus so strukturiert, wie es dem Menschenrechtsverteidiger Ales Bjaljazki vorschwebt oder Russland so, wie es die inzwischen in Russland verbotene Organisation Memorial anstrebt, dann müsste das Civil Liberties Comittee in der Ukraine heute nicht Tausende von Kriegsverbrechen dokumentieren. Insofern hat das Nobelkomittee eine gute Entscheidung getroffen. Der Nobelpreis 2022 ist ganz sicher kein Fauxpas wie die Auswahl der Europäischen Union 2012 oder Barack Obamas 2009 – von der skandalösen Vergabe an Henry Kissinger 1973 ganz zu schweigen. Aber wie eigentlich immer nach der Bekanntgabe des Nobelpreises stellen sich Fragen. Da ist die grundsätzliche: Können fünf vom norwegischen Parlament bestimmte Kommitteemitglieder wirklich so etwas wie ein Weltgewissen des Friedens für sich beanspruchen? Aber auch: Steht die Aufmerksamkeit, die die Preisvergabe jedes Jahr erzeugt, wirklich in einem leidlich gesunden Verhältnis zum Frieden, der damit geschaffen wird? In den 2000er Jahren stellte der damalige US-Präsident George W. Bush mit seinem „Krieg gegen den Terror“, dem völkerrechtswidrigen Angriffskrieg auf den Irak und seiner Abscheu vor multilateralen Institutionen die Grundlagen internationaler Friedensordnung in Frage. Das Nobelkomittee reagierte mit einer ganzen Reihe von Preisvergaben: Die Uno wurde 2001 ausgezeichnet, Jimmy Carter 2002, die Internationale Atomenergieorganisation 2005, Al Gore 2007 und als Höhepunkt dann eben auch noch Barack Obama 2009.

TAZ-online

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Vielleicht könnte ein solchen Brief dennoch von einigen Politiker-innen gelesen werden, da wohl nicht nur Analphabeten-innen in besagter Branche tätig sind und sogar noch vor Angst erwachen, wenn harmlose Spaziergänger um ihre Paläste umherschleichen.  

Wir bewundern euren Widerstand und Mut – Über 650 Kulturschaffende aus Deutschland solidarisieren sich mit den kämpfenden Frauen im Iran. Den Brief unterschrieben haben unter anderem Iris Berben, Jasmin Tabatabai, Enissa Amani, Mohamed Amjahid und Fatma Aydemir. – Offener Brief 

4.) Liebe Protestierende im Iran

Aus Solidarität mit den Protestierenden im Iran haben sich über 650 Schriftsteller*innen, Filmschaffende und Künstler*innen mit einem Offenen Brief an die Frauen, Mädchen und queeren Menschen im Iran gewandt. „Der Ruf nach einer feministischen Revolution im Iran ist laut und deutlich. Wir sehen euren couragierten Widerstand, wir hören eure entschlossenen Stimmen. Wir bewundern euren Mut und euren Widerstand.“ Im Iran gehen Sicherheitskräfte massiv gegen Demonstrantinnen und Demonstranten vor, es gab zuletzt viele Tote. Seit dem Tod der 22-jährigen Jina Amini am 16. September demonstrieren im Iran landesweit Tausende Menschen gegen den repressiven Kurs des islamistischen Regimes und gegen die brutale Übermacht der Sittenpolizei. Aufgrund der aggressiven Niederschlagungsaktionen wie am vergangenen Wochenende an der Elite Universität Sharif in Teheran, wo rund 2000 Student*innen von den Sicherheitskräften eingeschlossen und mit Tränengas beschossen wurden, löste die Gewalt Bestürzung unter den „Exil-Iraner*innen“ aus der ganzen Welt in einem Twitter-Space aus, schreibt Gilda Sahebi in der taz. Dass nicht nur Exil-Iraner*innen die Proteste mit Sorge betrachten, macht dieser Offene Brief der Kulturschaffenden deutlich: „Voller Anteilnahme und Bewunderung verfolgen wir, wie diese historischen Proteste der 43 Jahre währenden Diktatur der ,Islamischen Republik‘ ein Ende setzen möchten. Die Restriktionen sind massiv, die Gewalt bedrohlich. Dennoch sind alle Altersgruppen, alle Klassen, alle Geschlechter vereint in diesem Befreiungskampf. Wir sehen, was ihr riskiert. Wir sehen die Opfer, die ihr bringt.“ Zu den Unterzeichner*innen gehören Enissa Amani, Mohamed Amjahid, Fatma Aydemir, Meret Becker, Iris Berben, Jagoda Marinić und Elfride Jelinek.

Freitag-online

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Versorgen nicht Politiker-innen auf dieser Erde ihre Länder mit Gesetzen, und Treffen gleichzeitig  Vorsorge um sich, vor ihren eigenen Kreationen auch wieder zu schützen? 

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STEUERGESCHÄFTE : – Zwei Bankspezialisten, die das »Cum-Ex«-System durchführten, geben sich vor Gericht als ahnungslose Helfer aus.

5.) »Vorstand wollte den Profit«

Es war Tag der Diadochen, der Männer, die in zweiter Reihe dafür sorgten, dass das »Cum-Ex«-System über Jahrzehnte funktionierte. Dabei ließen sich Unternehmen vom Staat die Kapitalertragssteuer mehrfach zurückerstatten, obwohl sie nur einmal oder gar nicht bezahlt worden war. Der entstandene Schaden wird auf mindestens 31,8 Milliarden Euro geschätzt. Zwei der Männer, beide Spezialisten einer großen deutschen Bank, müssen sich vor dem Landgericht Wiesbaden verantworten. Die Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt am Main wirft ihnen Beihilfe zur Steuerhinterziehung im erheblichen Umfang vor. Fast sechs Stunden dauerte das Ringen am Donnerstag an. Eigentlich wollte das Gericht nach anderthalb Jahren Hauptverhandlung die Beweisaufnahme schließen, die Staatsanwaltschaft kündigte ein dreistündiges Plädoyer an. Doch die Verteidigung überraschte mit vier umfangreichen Beweisanträgen, deren Verlesung allein über eine Stunde dauerte. Das Ziel: die beiden Banker als ahnungslose Helfer ohne Vorsatz zu charakterisieren. Zahlreiche Zeugen sollten neu geladen werden, darunter auch Hanno Berger, Erfinder des »Cum-Ex«-Systems, seit Februar in Untersuchungshaft und ebenfalls in Wiesbaden angeklagt. Die unzähligen von den Verteidigern verlesenen Mails und Briefe enthüllten aber vor allem eines: Der Vorstand der Bank war schon 2006/2007 über »Cum-Ex« informiert. Er wusste, dass es sich um »unrechtmäßige Steuerumgehung« handelte, dass »große Risiken« drohten, wenn die Steuerbehörden von der Sache Wind bekämen. Immer wieder warnte insbesondere die Steuerabteilung den Vorstand. »Ich will nicht auf der Anklagebank landen«, hieß es in einer Mail. Doch die Spitzenmanager griffen nicht ein. »Der Vorstand wollte den Profit«, so die Schlussfolgerung eines Angeklagten. Als der Leiter der Steuerabteilung auf seiner Kritik bestand, drohte ihm der Vorstand sogar mit Abmahnung.

junge-welt-online

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Den Morgengruß an gleicher Stelle – schreibt jeden Tag
„Der freche Bengel“

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Anregungen nehmen wir gerne entgegen

Wir erhalten in letzter Zeit viele Mails mit Texten zwecks Veröffentlichung – Um diese zu verbreiten  sollten Sie sich aber erst einmal vorstellen und zeigen mit wem wir es zu tun haben.  Danke !

Treu unserem Motto: Es gibt keine schlechte Presse, sondern nur unkritische Leser

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