Windkraft – Menschenrechte
Erstellt von Redaktion am 11. Juni 2022
Die Versprechen wirtschaftlicher Entwicklungen wurden nicht erfüllt
Von Alejandra Ancheita
Indigene Völker sollten beim Kampf gegen die Erderwärmung einbezogen werden. Stattdessen verlieren sie durch die Errichtung von Windparks Ländereien und Einnahmequellen.
Der Übergang zu Erneuerbaren Energien hat sich als zentraler Beitrag zur Begrenzung der Erderhitzung erwiesen – einer komplexen Krise in vielfältigen Formen und Dimensionen, die sich nicht nur auf den Alltag der Menschen auswirkt, sondern alles Leben auf unserem Planeten gefährdet. Der Wechsel zu nachhaltiger Energiegewinnung ist Teil der Lösung, wenn wir den Klimawandel stoppen wollen.
Auf dem Weg dahin sind indigene Bevölkerungsgruppen und ethnische Minderheiten wichtige Beteiligte, die nicht übersehen werden dürfen. Die Weltbank weist darauf hin, dass die traditionellen indigenen Gebiete, die nur gut 20 Prozent der Erdfläche ausmachen, 80 Prozent der verbliebenen Biodiversität unseres Planeten halten. Außerdem verfügen sie über ein in Jahrtausenden gewachsenes Wissen darüber, wie sie den durch den Klimawandel erzeugten Gefahren begegnen müssen, wie sie sie verringern oder sich an sie anpassen können. Obwohl diese Gruppen also bei der Verteidigung unseres Planeten in vorderster Linie stehen, wurden sie in der Regel von der öffentlichen Debatte über Lösungen ausgeschlossen. Man hat sie stattdessen verfolgt, bedroht und attackiert.
Indigene Gruppen und Ethnien werden insbesondere in Lateinamerika diskriminiert und sind strukturellem Rassismus ausgesetzt. Armut und Ausgrenzung treffen sie ebenso hart wie soziale Ungerechtigkeit. Nach Informationen der Weltbank machen indigene Gruppen nur 6 Prozent der Weltbevölkerung aus, aber 15 Prozent der Menschen, die in extremer Armut leben. Ihre Lebenserwartung liegt um 20 Jahre niedriger als die der nicht-indigenen Bevölkerung, und ihr Zugang zur Justiz und anderen Entscheidungsträgern ist sehr erschwert. Diese Nachteile machen es für sie mühsam, die negativen Auswirkungen des Klimawandels abzuwehren. Sie sind ihnen deshalb stärker ausgesetzt.
Wir konnten diese Trends selbst in der agrarischen und indigenen zapotekischen Gemeinschaft in der Gemeinde Unión Hidalgo (15.000 Einwohner*innen) am Isthmus von Tehuantepec im Süden Mexikos beobachten. Der Isthmus ist der wichtigste Standort für die Windenergiegewinnung in ganz Mexiko. Dutzende großer Windenergiefarmen sind bereits aktiv vor Ort. In Unión Hidalgo ist ein Windpark namens „Piedra Larga“ errichtet worden, seine 114 Windturbinen ragen in kaum 500 Meter Abstand von der Gemeinde in den Himmel.
Die Windparks werden als Beitrag zur Energietransformation und als ökonomische Alternative vorgestellt, um die Armut in der Region zu beenden. Tatsächlich wurden sie aber auf sehr fruchtbaren Böden errichtet, was das auf Landwirtschaft und Viehzucht basierende Entwicklungsmodell der zapotekischen Gemeinden zerstörte. Die Windkraftbetreiber behaupten, dass nur 2 Prozent der Gesamtfläche für die Stromgewinnung benötigt werden und die übrigen Flächen anderweitig genutzt werden können. In Wirklichkeit werden beim Bau dieser Anlagen große Gebiete eingezäunt und bewacht. Zutritt ist nicht mehr erlaubt. Die Windparks verletzten die Menschenrechte der indigenen Bevölkerung, darunter ihr Recht auf Selbstbestimmung. Ebenso wenig wurde beachtet, dass indigene Gemeinschaften laut mexikanischem Recht solchen Vorhaben auf ihrem Land vorab, ungehindert und auf der Grundlage vollständiger Informationen auch über die Umwelt folgen zustimmen müssen.
In Unión Hidalgo haben sich elf Jahre nach dem Bau des ersten Windparks die Versprechen wirtschaftlicher Entwicklung nicht erfüllt. Vielmehr hat sich ein Gefühl der Unsicherheit und der Gewalt entwickelt. Offizielle Daten zeigen, dass 57,6 Prozent der Bevölkerung weiterhin in Armut leben, 35,1 Prozent haben in ihren Häusern keinen Zugang zu grundlegender öffentlicher Versorgung, 37,1 Prozent leben in Ernährungsunsicherheit und 21,4 Prozent haben keinen Zugang zur Gesundheitsversorgung. Außerdem hat sich die Gewalt innerhalb der indigenen Bevölkerung verschärft, weil Leute mit einem Interesse am Zustandekommen der Projekte die Gemeinden gespalten und deren sozialen Zusammenhalt zerstört haben. Vertreter der Windkraftbetreiber locken mit Stipendien, Jobs oder Aufträgen, wenn sie ihre Anlagen bauen wollen. Die Unternehmen machen solche Versprechungen in der bewussten Absicht, bestimmte Gruppen in der Region des Isthmus gegeneinander auszuspielen. Dabei zeigen die bisherigen Erfahrungen, dass die Unternehmen ihre Zusagen nicht einhalten, wenn sie die Baugenehmigung erhalten haben.
Nachdem die Kommune Unión Hidalgo 2015 erfahren hatte, dass ein neuer Windpark auf ihrem Territorium errichtet werden sollte, suchte sie die Unterstützung von ProDesc, um den Bau dieses Projekts zu verhindern. Nach monatelangen Recherchen wurde bekannt, dass hinter dem geplanten Windpark eine mexikanische Tochtergesellschaft von Électricité de France (EDF) stand, dem französischen Staatsunternehmen und einem der weltweit größten Energieproduzenten. Dieser große Windpark namens „Gunaa Sicarú“ hätte sich über eine Fläche von mehr als 47 Quadratkilometern erstreckt. Es wäre das größte Windprojekt in Lateinamerika gewesen und hätte den Ort vollständig mit Windturbinen umgeben. Das Unternehmen informierte die Gemeinde jedoch nicht über alle Einzelheiten und den Umfang des Projekts, geschweige denn über dessen ökologische und soziale Auswirkungen.
Quelle : TAZ-online >>>>> weiterlesen
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Grafikquellen :
Oben — Ein lokaler Landbesitzer errichtete dieses Schild, um gegen den Bau eines Windparks im Wolverine Canyon im Bingham County Idaho zu protestieren
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