DEMOKRATISCH – LINKS

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RENTENANGST

Archiv für Oktober 29th, 2021

Ein Georgischer Albtraum

Erstellt von Redaktion am 29. Oktober 2021

Einschüchterung, Bedrohung und Repressionen

Von Barbara Oertel

Die Regierungspartei im georgischen Tiflis schert sich wenig um Demokratie. Die EU darf vor allem die jungen Menschen dort nicht im Stich lassen.

Nazis, Hooligans, Verräter!“ Die Liste wüster Beschimpfungen, mit denen führende Ver­tre­te­r*in­nen der georgischen Regierungspartei „Georgischer Traum“ (KO) ihre politischen Geg­ne­r*in­nen derzeit verunglimpfen, ließe sich fortsetzen. Besonders Ministerpräsident Irakli Garibaschwili lässt seinen Hasstiraden freien Lauf. Den ehemaligen Präsidenten Michail Saakaschwili, der seit dem 1. Oktober in Georgien im Gefängnis sitzt, verglich er mit Adolf Hitler. Aufmüpfigen Kommunen, die für eine/n Vertreter/in der Opposition stimmen sollten, drohte er offen mit pekuniärem Liebesentzug.

Am Sonntag gehen in der Südkaukasusrepublik die Kommunalwahlen in die zweite Runde. Zwar hat der KO im ersten Durchgang offiziellen Angaben zufolge mit 47 Prozent der Stimmen einen Großteil der Bürgermeisterposten und Sitze in den Gemeindevertretungen erobert. Doch jetzt geht es vor allem um fünf selbst verwaltete Städte – darunter die Hauptstadt Tiflis. Dort hat die größte Oppositionspartei „Vereinte Nationale Bewegung“ (ENM) gute Chancen, das Rennen zu machen. Jene ENM ist es auch, die im Verbund mit mehreren Kleinstparteien die Kommunalwahl zu einem Referendum über die Regierung und deren Politik erklärt hat. Das alles spielt sich vor einer verschärften Polarisierung der Gesellschaft ab. Mit der Möglichkeit, dass das Land weiter destabilisiert werden könnte.

Wir schreiben das Jahr 2012 – genauer gesagt den 1. Oktober. Die KO des milliardenschweren Unternehmers Bidzina Iwanischwili verwies die ENM in die Opposition. Deren Gründer, der damalige Staatschef Saakaschwili, ein strikter Verfechter einer Annäherung an EU und Nato, erkannte die Niederlage an und emigrierte in die USA. Iwanischwili trat zwar ein Jahr später als Premier zurück, spielt jedoch bis heute eine maßgebliche Rolle in der Politik. Nicht zuletzt dieser friedliche Machtwechsel infolge der Wahl, von der OSZE mit dem Gütesiegel frei und fair versehen, nährte Hoffnungen, dass eine demokratische Transformation gelingen könnte. Doch diese Zeiten sind vorbei – aus dem Georgischen Traum ist ein Albtraum geworden. Allein die vergangenen zwölf Monate bieten genügend Anschauungsmaterial dafür, dass sich der KO von Werten wie Demokratie und Rechtsstaatlichkeit verabschiedet hat. Dabei sind Zielscheibe dieses Feldzuges nicht nur oppositionelle Politiker*innen, sondern auch die Zivilgesellschaft bzw. das, was davon noch übrig geblieben ist. Jüngstes Beispiel: der Fall Michail Saakaschwili. Nach achtjähriger Abwesenheit und wegen Machtmissbrauchs zu einer mehrjährigen Haftstrafe verurteilt, wurde der frühere Staatschef kurz nach seiner Einreise Anfang Oktober festgenommen. Es muss stark bezweifelt werden, dass ihm in Georgien ein fairer Prozess gemacht wird. Vielmehr liegt der Verdacht nahe, dass hier aus politischen Motiven ein Exempel statuiert werden soll. Wie anders wäre die Äußerung von Regierungschef Garibaschwili zu verstehen, dass es gegen Saakaschwili, der seit Haftbeginn im Hungerstreik ist, weitere Anklagepunkte geben werde, sollte er sich nicht benehmen. Welche Folgen Ungehorsam haben kann, wissen auch Ver­tre­te­r*in­nen der Zivilgesellschaft zu berichten. Ein Marsch der LGBTQ-Community im vergangenen Juli artete zu einer Jagd eines rechten Mobs auf die Teil­neh­me­r*in­nen aus. Auch über 50 Jour­na­lis­t*in­nen wurden tätlich angegriffen, wenige Tage später erlag ein Kameramann seinen Verletzungen. Versammlungsfreiheit, Schutz von Minderheiten? Von wegen. Die Regierung gab den Ver­an­stal­te­r*in­nen die Schuld. Ob jemand von den Schlägertrupps zur Verantwortung gezogen wird? Nach den Erfahrungen der Vergangenheit zu urteilen, wohl kaum.

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Auch die Begleitumstände der aktuellen Kommunalwahlen sprechen allen demokratischen Standards Hohn. Wäh­le­r*in­nen wurden eingeschüchtert, Mit­ar­bei­te­r*in­nen von staatlichen Einrichtungen oder Organisationen, die staatliche Mittel erhalten, bei Androhung von Kündigung gezwungen, für den KO zu stimmen. Über 600 Be­wer­be­r*in­nen der Oppositionsparteien zogen aus Angst vor Repressionen ihre Kandidatur noch vor dem ersten Wahlgang zurück. Unternehmen, die den KO für den Wahlkampf großzügig mit Spenden bedacht hatten und mit Iwanischwili verbandelt sind, erhielten allein in diesem Jahr staatliche Aufträge im Wert von über 40 Millionen US-Dollar – wie Berichten von Transparency International zu entnehmen ist.

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Oben     —   Ansicht der Altstadt

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Quo vadis LINKE ?

Erstellt von Redaktion am 29. Oktober 2021

Der Versuch einer Annäherung

File:DIE LINKE Bundesparteitag 10. Mai 2014-2.jpg

Auf großer Bühne und niemand mehr da ?

Quelle        :          AKL-online

von Jürgen Aust

Die zahlreichen Stellungnahmen zum Wahldebakel der LINKEN beeindrucken eher durch das, was sie nicht ansprechen, ja, nahezu tabuisieren und gefallen sich überwiegend in der Symptombeschreibung, als zu den Ursachen vorzudringen.

1.

Zu einer der zentralen Tabuzonen gehört, dass die LINKE zwar in ihrem 2011 beschlossenen Parteiprogramm sich als eine sozialistische Partei versteht und die Überwindung des Kapitalismus als wesentliche Voraussetzung für die Abschaffung von Ausbeutung und Unterdrückung bezeichnet, dieses Selbstverständnis aber keinen Ausdruck mehr in der praktischen bzw. Alltagspolitik findet. Auch wenn das Wahlprogramm grundsätzlich unterstützenswerte linksreformerische Positionen enthält, wird das, was Marx und Engels im „Kommunistischen Manifest“ noch als die „Grundfrage der Bewegung“ hervorheben, nämlich die Eigentumsfrage, weitgehend tabuisiert. Auch die noch im Parteiprogramm enthaltene Position, dass DIE LINKE „für die Veränderung der Eigentumsverhältnisse kämpft“, sucht man im Wahlprogramm vergeblich. Und es ist nachgerade bezeichnend, dass diese für eine sozialistische Partei nahezu selbstverständliche Position in fast keiner der Stellungnahmen zum Wahldebakel auch nur ansatzweise Erwähnung findet.

2.

Zu diesen Tabuzonen gehört weiterhin der in nahezu allen Stellungnahmen ausgeklammerte und nahezu antagonistische Widerspruch zwischen dem parlamentarischen Arm der Partei und ihrer Basis. Ein Beispiel:  zu diesen antagonistischen Widersprüchen gehört u.a. die seit mehreren Jahren stattfindenden Versuche, die im Parteiprogramm deutlichen antimilitaristischen Positionen zu schleifen bzw. in Vorwahlphasen völlig zu entsorgen. So der Versuch von dem ehemaligen Bundesgeschäftsführer der LINKEN, Michael Höhn, die im Parteiprogramm vertretenen friedenspolitischen Grundsätze zu relativieren bzw. sie als nicht mehr zeitgemäß zu bezeichnen. So der regelmäßige Versuch von Bartsch, die zentrale imperiale Kriegsallianz, die NATO, bei potentiellen Sondierungs- bzw. Koalitionsgesprächen mit SPD und Grünen auszuklammern, weil diese Parteien das Bekenntnis zur NATO als maßgebliche Voraussetzung für eine Koalition mit der LINKEN verlangen. Demgegenüber engagieren sich tausende Mitglieder der LINKEN intensiv in lokalen Friedensbündnissen, die Jahr für Jahr die Proteste gegen NATO, Bundeswehr und Aufrüstung auf die Straße tragen. Wenn aber dieses zeitaufwändige und notwendige Engagement der Basis der Partei von führenden Politikern der LINKEN ständig konterkariert wird, dann wollen sie offensichtlich eine andere Partei, die anschlussfähig an kriegerischen Positionen von SPD und Grünen ist.

3.

Auch einer der zentralen in der LINKEN wirksamen Widersprüche wird in nahezu allen Stellungnahmen unterschlagen: die Infragestellung der Veränderbarkeit des politischen Kräfteverhältnisses durch Parlamente und linken Regierungsbeteiligungen. Vielmehr wird die Orientierung auf Regierungskoalitionen als nahezu alternativlos dargestellt, wie u.a. in der

Stellungnahme der BAG b & g, in der es unter Bezugnahme auf eine Umfrage unter den Wähler*innen der LINKEN heißt: „Deshalb ist eine generelle Ablehnung von Regierungsbeteiligungen auch keine denkbare Option für DIE LINKE.“ Allerdings ist diese Position eine nahezu „generelle“ Absage an die Positionen, die einst Rosa Luxemburg bei ihren jahrelangen Auseinandersetzungen mit dem Reformflügel in der deutschen und europäischen Sozialdemokratie vertreten hat. So hat sie zum Eintritt des französischen Sozialisten Millerand erklärt: „In der bürgerlichen Gesellschaft ist der Sozialdemokratie dem Wesen nach die Rolle einer oppositionellen Partei vorgezeichnet, als regierende darf sie nur auf den Trümmern des bürgerlichen Staates auftreten.“ In der späteren Auseinandersetzung mit dem in der SPD exponierten Theoretiker Eduard Bernstein vertrat sie in ihrem berühmten Werk „Sozialreform oder Revolution“ den Standpunkt, dass Bernstein und andere die Umsetzung von Sozialreformen durch die Regierung zum politischen Prinzip erheben würde, anstatt das Erkämpfen von Sozialreformen als Mittel revolutionärer Politik zu nutzen. Als der rechte Flügel der SPD während der Novemberrevolution zu einer verfassungsgebenden Versammlung aufrief, um die bewaffneten Arbeiter- und Soldatenräte im Keim zu ersticken, erklärte sie: „Ein idyllischer Plan dies: auf parlamentarischem Wege, durch einfachen Mehrheitsbeschluss den Sozialismus zu verwirklichen !“ Der innerparteiliche Flügel um Bartsch, Ramelow, Hoff oder Lederer, aber auch zahlreiche Mitglieder und Politiker*innen in den westlichen Bundesländern vertreten heute nahezu deckungsgleich die einst von Bernstein vertretenen Positionen, ohne dass dieser Reformismus bzw. die notwendige Kritik daran auch nur ansatzweise Eingang in die Wahlanalysen gefunden hätte. Beispielhaft sei ein „thread“ bei Twitter von Benjamin Hoff erwähnt, der bekennerhaft erklärte: „Das linke Wahlergebnis ist nicht das Resultat eines verfehlten Wahlkampfes, sondern einer seit Jahren verschleppten strategischen Entscheidung, als sozialistische Partei klar für einen progressiven Gestaltungsanspruch in Regierungsverantwortung zu stehen.“ Leider findet sich auch in der Stellungnahme der „Bewegungslinken“ zu diesem Problem kein Wort, obwohl der Niedergang der beiden ehemals größten linken europäischen Parteien, der französischen KPF und der italienischen PCI zentral mit diesem Konflikt zu tun hat. Nach wie vor sehr lesenswert zur Frage, welchen Stellenwert haben Parlamente bzw. linke Regierungsbeteiligungen bei der Veränderung gesellschaftlicher Kräfteverhältnisse, sei statt vieler auf den Beitrag von Daniel Kreutz u. Christof Jünke von März 2010 in der Zeitschrift „LuXemburg“ verwiesen (https://www.zeitschrift-luxemburg.de/falsch-aufgezaumt-eine-entgegnung-aufs-strategiepapier-des-instituts-fur-gesellschaftsanalyse/).

Bunte Westen 03.jpg

Ursache und Wirkung ?

4.

Zu den wesentlichen Zerreißproben in der LINKEN gehören zweifellos seit vielen Jahren auch die mit dem Parteiprogramm weitgehend unvereinbaren Positionen von Sahra Wagenknecht u.a., die kurz nach der zahlenmäßig großen Zuwanderung von zumeist Kriegsflüchtlingen aus Syrien und Afghanistan zentrale flüchtlings- und migrationspolitische Positionen des Parteiprogramms in Frage stellte, indem sie gemeinsam mit Oskar Lafontaine nahezu im Wochenrythmus die These vertrat, dass nicht alle kommen könnten und der deutsche Sozialstaat damit überfordert sei. Oskar Lafontaine forderte im selben Atemzug ein neues Parteiprogramm, weil die erst fünf Jahre zuvor beschlossenen Positionen angeblich inzwischen überholt seien. Beide wurden dabei von nicht geringen Teilen der Partei unterstützt, was erhebliche Auswirkungen auf die Politik und Mehrheitsverhältnisse in mehreren Landesverbänden hatte und weiterhin hat. Dieser Konflikt wurde von Wagenknecht und ihren Anhänger*innen soweit getrieben, dass sie eine neue „Bewegung“ mit dem anspruchsvollen Namen „Aufstehen“ gründeten, die am 04. September 2018 mit einer weitgehend reformistischen Grundsatzerklärung das Licht der Welt erblickte. Die Parteiführung um Kipping, Riexinger und andere hatte zwar die Hoffnung (besser: Illusion), dass durch eine gemeinsame Erklärung der in der Öffentlichkeit als Spaltung der Partei wahrgenommene Konflikt bereinigt werden könnte, jedoch war diese Hoffnung auf Sand gebaut, denn Wagenknecht, Lafontaine u.a. hatten auch weiterhin das Interesse, die Parteiführung wegen ihres Kurses durch ständige Interviews und Fernsehtalkshows zu attackieren, und ihnen vorzuwerfen, sie hätten die Interessen der unteren Schichten der Gesellschaft aus dem Auge verloren und würden sich überwiegend an einer sog. Identitätspolitik bzw. wahlpolitisch an sog. Life-Style-Milieus orientieren. Diese Attacken kulminierten in einem von Wagenknecht wenige Wochen vor der Wahlkampfphase herausgegebenen Buch „Die Selbstgerechten“, in welchem sie ihre mehr als fragwürdigen bzw. reformistischen Thesen einem breiten Publikum vorstellte, die u.a. auch Angriffe gegen zahlreiche Akteure der außerparlamentarischen Bewegung wie u. Friday for Futures oder Ende Gelände enthielt. Insbesondere kurz nach der Wahl bekräftigte Sahra W. noch einmal ihr Selbstverständnis, indem sie u.a. erklärte, dass die schwere Niederlage ihren Grund darin habe, „dass die Linke sich in den letzten Jahren immer weiter von dem entfernt hat, wofür sie eigentlich mal gegründet wurde, nämlich als Interessenvertretung für normale Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, für Rentnerinnen und Rentner.“ Und auch ihre enge Vertraute Sevim Dagdelen wollte da nicht zurückstehen und erklärte gegenüber der jW: „Die Vernachlässigung der sozialen Frage, der Fragen der sozialen Gerechtigkeit und eines starken Sozialstaats durch die alte Parteiführung in den letzten acht Jahren hat Vertrauen verspielt.“

In den zahlreichen Wahlauswertungen machen die meisten Autor*innen um diesen Konflikt einen großen Bogen bzw. versuchen ihn klein zu reden, obwohl dieser Konflikt seit Herbst 2015 eine der zentralen Spaltungslinien der Partei ausmacht (innerparteiliche Ausnahmen stellen der Beitrag von Gökay Akbulut u.a. „Die Linke braucht eine Erneuerung statt spalterischer Milieudebatten“ oder der AKL dar). Eines der zentralen Magazine des reformistischen Flügels der Partei, das „SozialismusMagazin“, relativiert in einem längeren Beitrag zur Wahl in Heft 10/2021 diesen Konflikt, indem dieser verharmlosend mit „kontroversen Debatten“ verklärt wird und ohne Ross und Reiter zu nennen, dieser Konflikt als Mangel der Partei dargestellt wird, im Wahlkampf nicht geschlossen aufgetreten zu sein. Es bedurfte erst einiger „zorniger“ Stellungnahmen, wie z.B. vom Geschäftsführer eines der bekanntesten und einflussreichsten Sozialverbände, Ulrich Schneider, der mehr als deutlich die Rolle von Sahra Wagenknecht verurteilte und ihr vorwarf, dass das Wahlergebnis doch niemand verwundern könne, wenn sie kurz vor der Wahl ein Buch veröffentliche, das „unschwer als Abrechnung mit ihrer Partei oder Teilen ihrer Partei verstanden werden müsse“ und dies auch noch in allen Talkshows verkünden würde.

5.

Zu einigen fragwürdigen Argumenten und Baustellen im Rahmen der Wahlauswertung und ihren Schlussfolgerungen:

a)

„Deshalb ist eine generelle Ablehnung von Regierungsbeteiligungen auch keine denkbare Option für Die Linke,“ wie es in dem Beitrag der BAG Betrieb u. Gewerkschaft unter Berufung darauf heißt, dass eine überwältigende Mehrheit unserer Wähler*innen eine Rot-Grün-Rote Regierung wünsche. Das hieße aber dann doch auch, dass Die Linke sich für ein Abtreibungsverbot einsetzen müsste, wenn in einer Umfrage sich die Befragten mehrheitlich für ein Abtreibungsverbot aussprechen. Ähnlich ließe sich auch bei einem Volksentscheid gegen mehr Zuwanderung argumentieren. Diese Beispiele zeigen, wie zweifelhaft der Bezug auf eine scheinbar „überwältigende Mehrheit“ ist und die daraus gezogene Schlussfolgerung, dass Die Linke dann auch programmatisch eine solche „Mehrheitsmeinung“ übernehmen müsse.

b)

„Man kann in Wahlprogrammen oder wahlbezogenen Flyern doch nicht ständig zur Revolution aufrufen“, wie es vornehmlich von vorrangig parlamentarisch orientierten Mitgliedern der Linken immer wieder zu hören ist, wenn die zunehmende Aufweichung programmatischer Positionen kritisiert wird. Dahinter steckt die Angst, dass man dann doch von vornherein die Tür für mögliche Regierungskoalitionen sofort zuschlagen würde. Wenn das aber für eine sich als sozialistisch verstehende Partei richtig wäre, dann kann sie offensichtlich nur eine sozialdemokratisch ausgerichtete Politik vertreten und die Forderung nach Überwindung kapitalistischer Verhältnisse auf den Müllhaufen der Geschichte werfen. Auch die damit korrespondierende Eigentumsfrage, wie sie beim Berliner Volksentscheid im Mittelpunkt stand, sollte dann in der historischen Schublade entsorgt werden.

c)

Obwohl die Parteiführung noch rechtzeitig im Wahlkampf einen Flyer mit einem 15-Punkte-Katalog zur Klimafrage veröffentlicht hatte, wurde diese im „Sofortprogramm“ bis auf einige wenige Lippenbekenntnisse nahezu entsorgt. Der bekannte Klimaexperte Christian Zeller fragte in seiner deutlichen Kritik völlig zurecht „Sagt die LINKE gerade ihren Wahlkampf ab?“ Die Klimafrage werde auf eine sog. Verkehrswende reduziert und selbst dieses Minimalprogramm enthalte noch nicht einmal ein Wort zur Verkehrsvermeidung, zur massenhaften Einführung von Elektro-Autos oder zum Tempolimit. Darüberhinaus klinge der geforderte „Industrie-Transformationsfonds“ mit einem jährlichen Volumen von 20 Mrd. eher nach einen Wachstumsprogramm für deutsche Unternehmen und Konzerne.

d)

Am erstaunlichsten ist der nahezu panikartige Alarmismus, der in den meisten Wahlauswertungen und Stellungnahmen zum Ausdruck kommt. Plötzlich ertönen erneut die Rufe nach „Erneuerung“, so wie sie bereits nach der Europa-Wahl 2019 unüberhörbar waren. Da werden Stellungnahmen verfasst, die mit der Überschrift „Die letzte Chance“ versehen werden (so die BAG b & g) oder der Bundesgeschäftsführer der LINKEN gefällt sich in seiner Stellungnahme sogar in der Formulierung „Todesstrafe auf Bewährung“. Nicht, dass eine ernsthafte Diskussion und Aufarbeitung der Ursachen nicht notwendig wäre, aber warum war dieser Zustand der LINKEN eigentlich nicht bereits vor längerer Zeit erkennbar, warum erst nach dem Wahldebakel nach der BT-Wahl 2021? Diese Frage dürfte nicht ganz einfach zu beantworten sein, da die Antwort ans „Eingemachte“ geht, also die Partei und ihre Mitglieder damit konfrontiert, warum sie nicht in der Lage oder bereit waren, die zentralen Probleme wesentlich früher in den Blick zu nehmen bzw. einer strategischen Debatte zuzuführen und nicht erst mit den bekannten Lippenbekenntnissen nach einer historischen Wahlniederlage? Denn die existentiellen Widersprüche, die in diesem Beitrag aufgezeigt worden sind, existieren zweifellos bereits seit mehreren Jahren, aber die Partei- und Fraktionsführung haben sie quasi ausgesessen oder aber, was noch dramatischer wäre, sie erst garnicht gesehen, obwohl sie bereits auf der Strategiekonferenz im Februar 2020 in Kassel im Mittelpunkt der Diskussion standen. Deshalb dürfte es unvermeidbar sein, sich diesen Problemen jetzt zu stellen und sie nicht erneut, wie es in der ersten Stellungnahme des Parteivorstandes den Anschein hat, weiterhin zu tabuisieren: also den zentralen Konflikt zwischen Parteivorstand und Fraktion, den nahezu alles dominierenden Konflikt zwischen der von Sahra Wagenknecht mit ihrem „Gegenprogramm“ in allen neoliberalen Medien veröffentlichten (reformistischen) Positionen und den zentralen Positionen des Parteiprogramms, sowie den zentralen Konflikt zwischen den auf Regierungsbeteiligung eingeschworenen Teilen der Partei (u.a. Bartsch, Hennig-Wellsow, u.a.) und einem zahlenmäßig nicht geringen Flügel der Partei, der das Primat der Partei und eine wesentlich stärkere Bewegungsorientierung einfordert. Es wird notwendig sein, den parlamentarischen Flügel stärker mit den Niederlagen linker bzw. sozialistischer Parteien in Italien, Frankreich oder Griechenland zu konfrontieren, um immer wieder deutlich zu machen, dass das Regieren nicht geeignet ist, die Besitz- und Machtverhältnisse entscheidend zu verändern („Sie dachten, sie wären jetzt an der Macht, dabei waren sie nur an der Regierung“). Und dass das Regieren unter bürgerlich-kapitalistischen Verhältnissen immer zur Stabilisierung des bürgerlichen Parlamentarismus führt, aber nicht zu einer Politik, die die gesellschaftlichen Kräfteverhältnisse entscheidend verändert.

2021-09-26 Bundestagswahlabend DIE LINKE by Sandro Halank–040.jpg

e)

Zu der unter d) vertretenen Kritik an der in der LINKEN seit langer Zeit vorherrschenden Dominanz des parlamentarischen Flügels der Partei noch einige wenige Klarstellungen: es ist für den Verfasser dieser Zeilen unbestreitbar, dass z.B. die zahlreichen Genossinnen und Genossen in den Kommunalparlamenten, Bezirksvertretungen oder Ausschüssen eine verdienstvolle Arbeit leisten. Aber diese Arbeit in Gestalt von Anfragen, Anträgen, Haushaltsreden usw. bleibt grundsätzlich systemimmanent. Eine Veränderung des gesellschaftlichen Kräfteverhältnisses ist auf dieser parlamentarischen Ebene nicht möglich, so kritisch oder aufmüpfig die linken Abgeordneten in den Parlamenten auch sein mögen. Und es gehört auch zur ganzen Wahrheit, dass diese zweifellos aufopferungsvolle parlamentarische Tätigkeit z.B. nicht verhindern konnte, dass die LINKE in NRW bei der letzten Kommunalwahl 2020 in der Fläche mit lediglich 3,8% noch 0,9% unter dem Ergebnis von 2014 lag oder in absoluten Zahlen: während die LINKE 2014 noch ca. 327.000 Stimmen erhielt, waren es 2020 nur noch ca. 274.000, also 53.000 weniger. Offensichtlich ist der Gebrauchswert der parlamentarischen Arbeit für die potentiellen Wähler*innen und die Ausstrahlungskraft der Partei nicht mehr in dem Maße vorhanden, wie es noch in den ersten Jahren nach ihrer Gründung der Fall war. Und dieser Verlust oder Rückgang an Ausstrahlungs- und Überzeugungskraft auf kommunaler Ebene dürfte 2020 nur in einem geringen Maße mit den nunmehr für das Ergebnis bei der Bundestagswahl herangezogenen innerparteilichen Konflikten zu tun gehabt haben.

6.

Vorläufiges Fazit:  ob DIE LINKE sich noch zu einer Partei entwickelt, die sich konsequent an ihrem Parteiprogramm orientiert und dieses zur Richtschnur ihres Handelns macht, dürfte offen sein. Eine Kursänderung wird u.a. nur dann möglich sein, wenn die vielen jüngeren Mitglieder der Partei sich von dem zunehmend reformistischen und auf Regierungsbeteiligung orientierenden Kurs deutlich distanzieren und eine erheblich bewegungsorientiertere und radikalere Politik in den Mittelpunkt stellen und diese auch unüberhörbar einfordern. Denn Bewegungen verändern bekanntlich das politische Kräfteverhältnis und keine noch so richtigen und zahlreichen parlamentarischen Anträge.

Der Autor ist Mitglied im Bundessprecher*innen-Rat der Antikapitalistischen Linken

akl - Antikapitalistische Linke

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Grafikquellen          :

Oben     —   Bundesparteitag DIE LINKE Mai 2014 in Berlin, Velodrom

Author  :       Blömke/Kosinsky/Tschöpe

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2.) von Oben         —        „Bunte Westen“ protest in Hanover, 16th february 2019

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Unten        —       Federal Election night DIE LINKE: Janine Wissler, Dietmar Bartsch, Susanne Hennig-Wellsow

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Vom Knecht zum Feind

Erstellt von Redaktion am 29. Oktober 2021

China: Vom Knecht zum Feind

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Haben Politiker-Innen jemals über ihren eigenen Gartenzaun geblickt ?

Quelle:    Scharf  —  Links

Ein Kommentar von Georg Korfmacher, München

Ganz egal, was China macht, es passt dem Westen (EU und USA) nicht in seine neue, regelbasierte Weltordnung. Dieser neue Begriff, der ja so gut klingt, scheint aber eher eine stümperhafte Beschwichtigung oder gar Vertuschung der durchaus nicht regelbasierten Unternehmungen des Westens zu sein. Was sind denn die neuen Regeln? Etwa dass die Fregatte „Bayern“ eigenmächtig in fernen Gewässern vor China kreuzt, natürlich mit Zwischenstopp auf der von GB und USA gewaltsam gekaperten Insel Diego Garcia im Indischen Ozean? Oder dass im eklatanten Widerspruch zum Nichtverbreitungsvertrag unter der Kontrolle der Internationalen Atomenergie Agentur (IAEA) Australien durch den AUKUS-Vertrag aufgerüstet wird? Nur zwei Beispiele für die absurde Behauptung, dass das alles auf einer regelbasierten Ordnung bestehe. Und was ist mit den neuerdings modischen Sanktionen bzw. Vergeltungsmaßnahmen, die vom Westen eigenmächtig verhängt verhängt werden, wenn ihm etwas nicht passt? Da wird eben nicht nach Regeln gehandelt, sondern nach einseitigem, willkürlichem Ermessen.

Dahinter verbirgt sich ganz offensichtlich die Scham und Enttäuschung des Westens ob seiner völlig falschen Einschätzung Chinas insbesondere seit seiner Öffnung vor gut 40 Jahren. Im Gegensatz zum Westen hat China sich nämlich durch Fleiß und Können von einem der ärmsten Länder der Welt zur zweitgrößten Wirtschaftskraft entwickelt, während der Westen China wie einen Knecht für Billiglohnarbeit behandelt hat und weiter so behandeln möchte. Dieses völlig respektlose und uneinsichtige Verhalten und seine Folgen wurden nun durch die Pandemie bloßgestellt. Und dem Westen fällt nichts bessere ein, als bei jeder Gelegenheit China als neuen großen Feind, als Bedrohung hinzustellen. Der Westen kann nicht verdauen, das China mit seinem „Sozialismus chinesischer Prägung“ der Welt gezeigt hat, wie man 800 Mio. Menschen aus der Armut holt, wie man der Ungleichheit im Land durch ein großzügiges Netz von Fernstrassen und Schnellbahnen entgegenwirkt, wie man durch Bildung und allgemeine Besserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen zum Wohlstand des Volkes kommen kann, das jetzt voll hinter seiner Regierung steht. Und noch viel mehr ärgert es den Westen, dass sich China trotz aller turbo-kapitalistischen Bemühungen des Westens nicht kaufen ließ. Geld ist natürlich auch in China wichtig, aber ebenso die Frage, wofür man es einsetzt. Und da gilt in China Gemeinwohl vor Eigenwohl, und das ist für den Westen trotz seiner stets hochgehaltenen Werte offenbar völlig unverständlich und schadet der neuerdings regelbasierten Weltordnung.

Und so wird der einstige Knecht für billige Lohnarbeit, von dessen Kultur und Geschichte man weitgehend keine Ahnung hat, zum Feind stilisiert, weil man ja immer einen braucht, auf dem man die eigenen Fehler abladen kann. Erstaunlich nur, wie unkritisch bis falsch unsere Medien über China berichten. Das mag auch an der chinesischen Sprache und Schrift liegen, weil man stets auf eine mehr oder weniger gute Übersetzung angewiesen ist. Festhalten muss man jedenfalls, dass China seinen Erfolg mit Fleiß und friedlich errungen hat. Im Gegensatz zum Westen war Waffengewalt nie eine Option für China. Auch den Wirtschaftskrieg haben die USA begonnen. China heute als Feind hinzustellen, ist ein Hirngespinst.

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Grafikquelle :

Oben      —  Kostas Kazakos playing Mr Puntila at Brecht’s epic comedy Mr Puntila and his Man Matti. (National Theater of Northern Greece, 23-Dec-2010)

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Af­gha­n*in­nen in der Türkei

Erstellt von Redaktion am 29. Oktober 2021

Flucht in die Perspektivlosigkeit

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Von Marianne Sievers und Florian Barth

Zehntausende Geflüchtete aus Afghanistan leben in der Türkei. Aktuell blüht das Schleppergeschäft wieder. Viele landen in der Illegalität.

Aman ist müde, als wir ihn nach Einbruch der Dunkelheit in einem staubigen Stadtpark in Istanbul treffen. Seit er aus Afghanistan geflohen ist, schuftet er für einen Hungerlohn. „Ich arbeite schwarz, zwölf Stunden am Tag, und mache Hosen kaputt“, erzählt der 22-Jährige, „für 100 Lira.“ Auf einem Video, das er auf seinem Handy zeigt, schmirgelt er Jeans ab. So gibt er neuer Kleidung den angesagten „used look“.

Viele der Af­gha­n*in­nen in der Türkei sind nicht erst nach der Machtübernahme der Taliban im August, sondern schon vor Jahren vor den Islamisten geflohen. Aman kam vor drei Jahren ins Land. Nach UN-Angaben sind knapp 130.000 Af­gha­n*in­nen in der Türkei registriert, doch die Zahl derer, die sich illegal aufhalten, dürfte weitaus höher sein. Die türkische Regierung spricht von etwa 500.000 Af­gha­n*in­nen im Land.

Obwohl sie in der Türkei Geflüchtete dritter Klasse sind, zwingt die Armut viele, im Land zu bleiben. Registrieren lassen können sich die Af­gha­n*in­nen zwar, doch ist dies nicht einfach: „Kayseri zum Beispiel hat die Registrierungsbüros geschlossen, nachdem Kabul eingenommen wurde“, sagt Ali Hekmat von der NGO Afghan Refugees Solidarity Association. In Ankara, Istanbul, Izmir und Antalya könnten sich Flüchtlinge schon seit Jahren nicht mehr registrieren lassen. Diejenigen, die es dennoch schaffen, bekommen lediglich eine Aufenthaltsgenehmigung. Arbeiten dürfen sie, anders als die Sy­re­r*in­nen, nicht.

Wie Aman sind auch Usman und seine Freunde Yasin und Enyat schwarz in der Istanbuler Kleidungsindustrie untergekommen. Auch sie treffen wir in dem kleinen Stadtpark, einer Mischung aus Beton, Spielplatz und ausgetrockneten Rasenflächen. Die drei sind neu in der Metropole am Bosporus. Kurz vor der Eroberung Kabuls sind sie vor den Taliban geflohen.

In Usmans Heimatstadt nahe der pakistanischen Grenze hatten die Taliban da schon längst die Kontrolle übernommen. Zu Fuß durchquerten die drei Freunde den Iran und schafften es nach mehr als 30 Tagen über die Grenze in die türkische Provinz Van. Über 1.000 US-Dollar zahlten sie pro Kopf für den beschwerlichen Weg, den sie mit Hilfe eines Schmugglers zurücklegten.

Die Türkei baut eine Mauer

Seit dem Machtwechsel in Kabul blüht das Geschäft der Schlepper. „Allein innerhalb Afghanistans haben sich die Preise für Busse an die iranische Grenze fast verdoppelt“, erklärt der türkische Migrationsforscher Hidayet Sıddıkoğlu, der in Kabul zu afghanischen Binnenvertriebenen forscht. Während Tausende Menschen täglich versuchen, in die Türkei zu gelangen, rüstet das türkische Militär auf. Mit Drohnen, Stacheldraht, Grenztürmen und einer sich noch im Bau befindlichen Grenzmauer zum Iran versucht Ankara sich abzuschotten.

„Wir werden unsere Arbeiten intensivieren und klarmachen, dass unsere Grenzen unüberwindbar sind“, gab der türkische Verteidigungsminister Hulusi Akar kürzlich in einem Interview zu verstehen. Die Bauarbeiten laufen auf Hochtouren. Insgesamt sollen 295 Kilometer Mauer gebaut werden. Laut dem britischen Guardian sollen für den Schutz der östlichen Grenze auch EU-Gelder zur Verfügung gestellt werden. So wurde auch bereits der Bau einer Mauer an der türkischen Grenze zu Syrien mitfinanziert.

„Die Menschen legen ihr Leben in die Hände von Schleppern und haben keine Angst vor irgendeiner Mauer“, sagt Migrationsforscher Sıddıkoğlu, „der Mauerbau wird die Migration verstärken, weil die Menschen aufbrechen werden, bevor die Grenze komplett geschlossen ist.“

Nachdem Usman, Yasin und Enyat es über die gut gesicherte Grenze geschafft hatten, nahmen sie von der Provinz Van aus den Landweg. Wie die meisten durchquerten sie die karge Region schnell weiter Richtung Westtürkei. Dort ist unter anderem die Aussicht auf Arbeit in einer der Großstädte besser.

Als wir Usman, Yasin und Enyat das erste Mal treffen, verlassen sie gerade einen Barbershop. Die jungen Männer leben wie Aman, der für einen Hungerlohn Hosen kaputt macht, im Stadtteil Küçükköy, der bekannt ist für seinen Arbeiterstrich. Auch alle anderen Afghanen, die wir im nahegelegenen Park treffen, arbeiten schwarz in der Kleidungsindustrie. Dort finden sie schnell einen Job. „Die erste Phase der Flucht endet in der Türkei, die Menschen bleiben hier und arbeiten, verdienen etwas Geld und ziehen weiter“, erklärt Sıddıkoğlu.

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Eine langfristige Perspektive aber bietet die Türkei für sie nicht. Af­gha­n*in­nen werden ausgebeutet, bekommen einen Bruchteil des Gehalts eines türkischen Arbeiters. Die türkische Wirtschaft befindet sich schon seit Jahren in einer Krise. Die Inflationsrate lag im September bei fast 20 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat. Die Preise für Grundnahrungsmittel steigen, was vor allem die Mittellosen trifft.

Er verdiene 30 Lira pro Tag, umgerechnet 2,70 Euro, erzählt der 17-jährige Enyat. Sechs Tage die Woche arbeite er in der Kleiderfabrik. Die Nachtschichten gehen von zwanzig Uhr bis drei Uhr morgens. Das Geld reicht gerade für das Nötigste. Mit elf anderen Afghanen teilt er sich eine kleine Wohnung.

Aman erzählt, er schicke den Großteil seines Gehalts zu seiner Familie nach Afghanistan. Von dem was übrig bleibt, zahle er seine Miete. Schlussendlich habe er am Tag 2,30 Euro um zu überleben. „Wenn davon noch etwas übrig ist, spare ich es für den Schmuggler in die EU.“ Auch er will auf Dauer nicht in der Türkei bleiben.

Er habe zuletzt versucht vor einem Jahr weiterzukommen, sagt Aman. „Ich war kurz vor Thessaloniki. Die griechische Küstenwache hat unser Boot auf dem offenen Meer zurückgedrängt.“ Laut Menschenrechtsorganisationen sind diese illegalen Pushbacks kein Einzelfall. Sie verstoßen gegen die EU-Grundrechts-Charta und die Genfer Flüchtlingskonvention.

Quelle        :       TAZ-online          >>>>>        weiterlesen

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Oben     —       Ararat-Location

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Unten      —       Refugee father and baby with Keerfa signs in a baby carriage, the signs read ‚Beat the Neo-Nazis.

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DL – Tagesticker 29.10.2021

Erstellt von Redaktion am 29. Oktober 2021

Direkt eingeflogen mit unseren Hubschrappschrap

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Ist es nicht immer das größte Ziel eines Drittligisten möglichst schnell bis in die Oberste Klasse aufzusteigen? Das wird besonders in der Politik immer deutlicher ersichtlich. So bedurfte es schon einer zweideutigen Vergangenheit, bestehendes Recht den Völkern zu entreißen ?

Europa hat zu viel Zeit mit Merkel verloren

1.) Grundgesetz

Polens Regierung wehrt sich gegen übergriffiges EU-Recht, und ihre Motivation mag nicht sehr sympathisch sein. Doch das Problem ist echt und wurde zu lange verdrängt. Wer darf das Grundgesetz außer Kraft setzen? Die Antwort gibt die Verfassung in Artikel 79: Bestimmungen des Grundgesetzes können nur durch Gesetze verändert oder aufgehoben werden, die in Bundestag und Bundesrat zwei Drittel der Stimmen bekommen. Bestimmte Teile des Grundgesetzes sind aber unveränderbar: Das betrifft etwa die Geltung der Menschenrechte, die föderale Gliederung der Republik, die Bindung von Politik und Verwaltung an Recht und Gesetz, Demokratie und Gewaltenteilung sowie das Widerstandsrecht der Bürger und Bürgerinnen. Gut so. Und nun die schlechte Nachricht: Ursula von der Leyen sieht das anders. In einer Erklärung der Europäischen Kommission – einer nicht gewählten Behörde, die als Regierung der Europäischen Union fungiert – vom 7. Oktober 2021 heißt es kurz und knapp: „Das EU-Recht hat Vorrang vor nationalem Recht, einschließlich verfassungsrechtlicher Bestimmungen.“ Einschließlich verfassungsrechtlicher Bestimmungen: Die Formulierung sollte man sich auf der Zunge zergehen lassen, denn sie hat es in sich. Die Erklärung richtete sich, zugegeben, nicht gegen die Bundesrepublik Deutschland, sondern gegen die Republik Polen, deren rechtspopulistische Regierung aus gutem Grund hierzulande wenig Sympathien genießt; konkret gegen ein Urteil des polnischen Verfassungstribunals, das – mit zwei Gegenstimmen – feststellte, einige Artikel des Lissaboner Vertrags aus dem Jahr 2007 seien mit der Verfassung Polens unvereinbar.

Zeit-online

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Besinnen wir uns doch auf Goethes „Zauberlehrling“ in dem es ähnlich heißt: „Die Götter welche ich einst rief, werde ich nun nicht mehr los. Walle, Walle alte Zecke und nun komm, du alter Besen! Nimm die schlechten Lumpenhüllen; bist schon lange Knecht gewesen: nun erfülle meinen Willen! Auf zwei Beinen stehe, oben sei ein Kopf, eile nun und gehe, mit dem Wassertopf!“

Die EZB kommt in Erklärungsnot

2.) Inflation

Die Preise steigen und steigen – doch Europas Währungshüter halten an der Geldflut fest. Sie behaupten, die Inflation sei nur ein vorübergehendes Phänomen. Das „vorrangige Ziel“ des Europäischen Zentralbankensystems ist es, „die Preisstabilität zu gewährleisten“. So steht es schwarz auf weiß in der EZB-Satzung und im Gründungsvertrag der Europäischen Gemeinschaft. Doch Europas Währungshüter scheinen davon nicht mehr viel wissen zu wollen. Trotz steigender Inflationsraten halten sie an ihrem Kurs fest, den Euroraum mit billigem Geld zu fluten, statt durch eine Zinsanhebung den Preisanstieg zu stoppen. Inflationstreiber sind derzeit die steigenden Energiepreise. Gasknappheit, Windflaute und neue Klimaschutzabgaben haben Strom und Heizen deutlich teurer gemacht. Auch der Ölpreis ist gestiegen, was Autofahrer an den Tankstellen zu spüren bekommen. Und da Energie zur Herstellung jedes Produkts, ob Lebensmittel oder Haushaltsgerät, benötigt wird, schlagen steigende Energiepreise auf alle anderen Preise durch. Inflation auf 4,5 Prozent gestiegen.

Cicero-online

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Müsste nicht auch Abgestellt werden dass dem „Hohen Haus“ zum Besuch einer jeden Katzenkirmes ein extra Flieger zur Verfügung gestellt wird? Ein Heißluftballon reichte hier vollkommen aus um den Klimawandel zu unterstützen. Die „Heiße Luft“ führt doch ein jeder der Politiker-Innen reichlich, das  nicht nur im Gepäck, mit sich. Für den Aufstieg reicht es allemal. Es ist doch noch niemand Oben geblieben?

Umweltschädliche Subventionen:

3.) Weg mit dem Dienstwagenprivileg!

Der Staat belohnt umschädlichen Konsum mit vielen Steuermilliarden. Die Ampel-Koalition muss diesen Wildwuchs beschneiden. An den bürokratischen Wörtern „umweltschädliche Subventionen“ bündelt sich die ganze Widersprüchlichkeit der deutschen Klimaschutzpolitik. Seit einer gefühlten Ewigkeit mahnen deutsche RegierungsvertreterInnen, Angela Merkel (CDU) inklusive, dass sich mehr tun müsse beim Klimaschutz. Gleichzeitig belohnt der Staat mit vielen Steuermilliarden umweltschädlichen Konsum. Das Umweltbundesamt hat recht, wenn es fordert, dass das neue Ampelbündnis diesen Wildwuchs beschneiden muss. Ein Beispiel ist das Dienstwagenprivileg, das den Staat jährlich 3 Milliarden Euro kostet. Wer einen Firmenwagen beruflich und privat nutzt, wird vom Staat steuerlich begünstigt. Am meisten profitieren Gutverdiener, die Limousinen oder SUVs fahren. Der Staat fördert also nicht nur das Fahren mit Spritfressern, was seinen ökologischen Zielen widerspricht. Sondern er verteilt auch Geld von unten nach oben um. NormalverdienerInnen sponsern den gut verdienenden Makler, dem die Firma einen Audi Q7 stellt. Für diese Art der Förderung gibt es kein vernünftiges Argument. Sie ist aus der Zeit gefallen. Anderswo ist es komplizierter. Beim Spritpreis existiert eine Unwucht, weil Diesel vom Staat weniger besteuert wird als Benzin. Auch dieses Privileg ist schwer zu rechtfertigen in einer Zeit, in der der Staat einen CO2-Preis für fossile Energien einführt, den Kauf von E-Autos fördert und Menschen in die Busse und Bahnen locken will. Schließlich ist der Verkehrssektor das Sorgenkind beim Klimaschutz, die Emissionen sind hier in der Vergangenheit kaum gesunken. Empfindlich beim Spritpreis.

TAZ-online

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Was würde sich im Land ändern wenn die Politiker-Innen gegenüber ihren Wähler-Innen Transparent arbeiten müssten ? Es ist doch schon vorausschauender Vorsatz das ein Verwaltungsgericht nicht gegen ihre täglichen Brötchengeber votiert.

Twitter-Direktnachrichten der Bundesregierung bleiben unter Verschluss

4.) Klage gegen das Innenministerium gescheitert

Das Bundesverwaltungsgericht sieht in der informellen Kommunikation keine Notwendigkeit für Transparenz. Sie habe nur „geringfügige inhaltliche Relevanz“. Die Twitter-Direktnachrichten des Bundesinnenministeriums sind für die Öffentlichkeit grundsätzlich unzugänglich. Das hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig am Mittwoch nach kurzer mündlicher Verhandlung entschieden (Az.: 10 C 3.20) und eine Klage der Organisation „Frag den Staat“ nach dem Informationsfreiheitsgesetz (IFG) endgültig abgewiesen. Das Urteil könnte auch für ähnliche Informationsbegehren Bedeutung bekommen, die auf die digitale Kommunikation der Bundesregierung abzielen, etwa die SMS der Bundeskanzlerin. Die Direktnachrichten ermöglichen einen nichtöffentlichen Austausch über die „Twitter“-Plattform. Neben den für alle lesbaren Tweets können sich Nutzer damit untereinander auch individuell und vertraulich verständigen, ähnlich einer WhatsApp-Nachricht oder einer E-Mail. Das Innenministerium kommuniziert auf diese Weise mit Bürgern oder Journalistinnen, aber auch mit anderen amtlichen Stellen.

Tagesspiegel-online

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Auch hier wird, wie immer nach Wahlversagen im alten Trend weitergemacht ! „Weiter so“! Wundert sich noch irgendjemand wenn die Wähler-Innen nach Alternativen suchen ?

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Kommentare Die Linke

5.) Die falsche Partei

Soziale Gerechtigkeit als Markenkern der Linkspartei, Klimaschutz, Antirassismus und Solidarität mit dem globalen Süden nur Nebenthemen – das Gründungsdokument der Linken gibt das nicht her. Irgendetwas ist schief gelaufen, dass Die Linke bei der Bundestagswahl um die Hälfte eingebrochen ist. Während eine kluge Ursachenforschung anstünde, geht das Dauerfeuer auf Grundsätze der Linkspartei und ihr demokratisch legitimiertes Programm ohne Rücksicht auf Verluste weiter. Grüner als die Grünen dürfe die Partei nicht werden, zu viel Klimaschutz, Gendersternchen, wiederholte die bekannteste Bestsellerautorin der Partei in einem TV-Interview anlässlich der Konstituierung des neuen Bundestages ihr persönliches »Gegenprogramm«. Das hatte sie im Wahlkampf mit Hilfe von Springer, Burda, »FAZ« und Lanz einem Riesenpublikum vorgestellt. Am Ende setzte selbst die AfD die laut Infratest-Umfrage »beliebteste Politikerin Deutschlands« auf ein Wahlplakat. Wie oft las man in Kommentarspalten: »Tolle Politikerin, falsche Partei.« Der Linken haben Beliebtheitsrekorde, Buchverkäufe und Wählerbeschimpfung nicht geholfen. Rund 1.4 Millionen Ex-Linke-Wähler*innen wechselten beim Urnengang zur politischen Konkurrenz von Grünen und SPD. Der Großteil ging zu den wortreich gescholtenen »Lifestyle-Linken«. Wir hören, die Linke solle nicht grüner werden – ruft jemand, die Partei dürfe nicht roter werden als die Sozen, die Wähler würden das Original bevorzugen? Natürlich nicht. Gerade noch auf der Frankfurter Buchmesse, wo die Amazon-Bestsellerin entgegen dem Bekenntnis der Linken zur »gesellschaftlichen Ächtung von rechtem Gedankengut« lautes Verständnis dafür zeigte, neurechten und rassistischen Verlagen auf der Messe ein Forum zu geben, erklärte die ehemalige Parteilinke vor laufender Kamera schließlich: Die Linke solle von Schnickschnack wie der Seebrücke-Bewegung und Fridays for Future die Finger lassen. Konzentrierte sich die Linkspartei in ihrer Arbeit endlich wieder auf soziale Gerechtigkeit, würden Wahlerfolge der alten Zeiten durch die unsichtbare Geisterhand des Wählermarktes zurückkommen.

ND-online

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Den Morgengruß an gleicher Stelle – schreibt jeden Tag
„Der freche Bengel“

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Anregungen nehmen wir gerne entgegen

Wir erhalten in letzter Zeit viele Mails mit Texten zwecks Veröffentlichung – Um diese zu Verbreiten  sollten Sie sich aber erst einmal vorstellen und zeigen mit wem wir es zu tuen haben.  Danke !

Treu unserem Motto: Es gibt keine schlechte Presse, sondern nur unkritische Leser

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Grafikquellen          :

Oben     —   DL / privat – Wikimedia

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Unten     —       Karikatur von Gerhard Mester zum Klimawandel: „Weiter so“

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