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Archiv für August 10th, 2021

Umgang – Erinnerungskultur

Erstellt von Redaktion am 10. August 2021

Eine Utopie der Erinnerung

File:Berlin Holocaust memorial, 21 May 2005.jpg

Kalter Schrott und Stein reichte den Politiker-Innen schon immer als Erinnerung

Von Hannah Peaceman

Das Gedenken an die Shoah ist oft ritualisiertes Gedächtnistheater. Es sollte jedoch ein verbundenes Erinnern unterschiedlicher Ereignisse sein.

Am 10. Juli 2021 ist Esther Bejarano im Alter von 96 Jahren verstorben. Sie überlebte das Vernichtungslager ­Auschwitz als junge Frau und kämpfte seitdem gegen Faschismus und Rassismus – stets an der Seite von Betroffenen rechter und neonazistischer Gewalt in der Bundesrepublik Deutschland.

Sie verstand es, die Kontinuitäten und Nachwirkungen des Nationalsozialismus und der Shoah in der Gegenwart immer wieder hervorzuheben, zu kritisieren und zu bekämpfen. Dabei zögerte sie nicht, ihre Geschichte als Überlebende von ­Auschwitz mit den Perspektiven von Überlebenden von neonazistischer Gewalt der Gegenwart zu verbinden.

Die gesellschaftliche Erinnerung an die Shoah geht auf diese jahrzehntelangen Kämpfe von Überlebenden, ehemaligen Exi­lan­t:in­nen und Ak­ti­vis­t:in­nen zurück. Zugleich haben diese Kämpfe stets über eine staatlich-offizielle Erinnerungskultur hinausgewiesen.

Denn in jedem Konflikt um eine Gedenktafel, um einen Gedenkkranz, einen Gedenktag oder um eine Straßenumbenennung ging (und geht) es immer auch darum, den gesellschaftlichen Status quo der postnationalsozialistischen Gegenwart zu kritisieren. Überlebende waren nie die passiven Opfer, zu denen sie in manch einer Gedenkstunde gemacht werden. Sie waren und sind die Zeu­g:in­nen des Geschehenen, handelnde Akteure der Gesellschaft und Kämp­fe­r:in­nen um Gerechtigkeit und um eine bessere Welt, wie man an Bejarano und vielen anderen Überlebenden immer sehen konnte.

In den letzten Jahren hat sich auch die Erinnerung an die rassistische und antisemitische Gewalt nach 1945 in diese Erinnerungskultur eingeschrieben. Die Verbindung von Nationalsozialismus und postnazistischer Gewalt ist dabei nicht bloß eine rhetorische Bezugnahme, sondern zugleich politische Analyse der historischen Kontinuitäten. Die Erinnerungen daran gehören zusammen, weil auch die Taten in einem historischen Zusammenhang stehen.

Diese Erinnerungspraxis verweist auf die Diskrepanz zwischen dem staatlich gepflegten Selbstbild der geläuterten Nation und der gesellschaftlichen Realität der kontinuierlichen Gewalt gegen die „anderen“. Sie setzt die konkrete Benennung von Taten, Tä­te­r:in­nen und Strukturen gegen das Erstaunen nach neonazistischen Anschlägen, dass „so etwas in Deutschland nochmal möglich ist“.

Keine Statistenrolle

Diese Praxis setzt die Forderung nach konkreter Aufarbeitung gegen das abstrakte „Nie wieder“. Sie setzt Empathie mit den Opfern gegen die Selbstvergewisserungen der Tä­te­r:in­nen und ihrer Nachfahren. Sie setzt Erinnerung als eingreifende Praxis gegen eine ritualisierte, abgeschlossene Erinnerungskultur. Sie schafft Orte der Solidarität zwischen Betroffenen. Überlebende finden darin Kraft und Stärke, weil sie ihre Geschichten selbst erzählen, anstatt zu Statisten im Gedächtnistheater gemacht zu werden.

Das Tribunal „NSU-Komplex auflösen“ war ein solcher Ort selbstbestimmten Gedenkens zwischen Überlebenden des NSU sowie anderer neonazistischer Anschläge, politischen Initiativen – und eben auch Bejarano als Überlebende der Shoah.

Kriegsgräberfriedhof Berlin Moabit Gedenktafel.jpg

In diesem Land werden immer noch Verstorbene als Helde geehrt welche für zwei Kriege Mitverantwortlich zeichneten !

Es war von einem breiten Bündnis antirassistischer und antifaschistischer Initiativen organisiert worden, um den Überlebenden und Angehörigen der rechtsterroristischen Mordserie Raum zum Sprechen zu geben, um anzuklagen, um zu beklagen und um einzuklagen. Bejarano sagte dort: „Wir alle haben die Pflicht, Verantwortung zu übernehmen, solidarisch mit den Opfern rassistischer Gewalt zu sein und ihnen zur Seite zu stehen, zuzuhören und ihnen das Gefühl zu geben, dass sie nie wieder alleine sein werden. Auch das Tribunal ist jetzt ein Teil einer Rache an den Nazis!“

Empathie und Solidarität

Die Verbindung zwischen dem Nationalsozialismus und der neonazistischen Gewalt der Gegenwart nahm Ibrahim Arslan, Überlebender des Brandanschlags von Mölln 1992, in der Abschlussrede des Tribunals auf. Er kritisierte Gedenkpolitiken, die ohne Berücksichtigung der Wünsche der Überlebenden stattfinden: „72 Jahre nach dem Holocaust steht immer noch die Frage, wie man mit Opfern und Betroffenen und deren Gedenken umgehen soll.“ Er plädierte dafür, dass die Perspektiven der Überlebenden im Zentrum stehen. Nur so seien Empathie und Solidarität möglich.

Auch die „Möllner Rede im Exil“ ist Teil eines solchen Kampfes. Sie entstand, weil Verantwortliche der Stadt Mölln der hinterbliebenen Familie ein selbstbestimmtes Gedenken an den Brandanschlag, an Yeliz Arslan, Ayşe Yılmaz sowie Bahide Arslan verweigerten und sie in Ibrahim Arslans Worten zu „Statisten“ machte. Die Möllner Rede im Exil wird seit 2013 durch die hinterbliebene Familie sowie durch einen solidarischen Freundeskreis an wechselnden Orten und mit unterschiedlichen Red­ne­r:in­nen organisiert.

Arslan und Bejarano (vertreten durch ihren Sohn Yoram) begegneten sich erneut während der Möllner Rede im Exil 2017. „Um es klar auszusprechen, ohne das Wegschauen und das Decken nach 1945 hätte es das Oktoberfestattentat, Rostock-Lichtenhagen, Hoyerswerda, Solingen und Mölln und den NSU so nicht geben können. Es hätten aus den Erfahrungen und Ereignissen des Nationalsozialismus die richtigen Konsequenzen gegen den Hass gezogen werden müssen“, so Bejarano.

Die eigene Geschichte

Arslan und Bejarano fanden Worte, um ihre eigenen Geschichten für die Geschichten anderer zu öffnen und sich selbst in der Geschichte der anderen zu verorten. Natürlich waren ihre Erfahrungen nicht die gleichen; aber sie teilten eine gemeinsame Haltung, die sie aus ihren Erfahrungen heraus entwickelt hatten. Arslan versprach Bejarano, die Erinnerung fortzuführen, was jetzt – im Angesicht ihres Todes – eine neue Bedeutung bekommt.

Quelle         :           TAZ-online         >>>>>        weiterlesen

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Grafikquellen     :

Oben          —       Berlin: Holocaust-Denkmal

Source: taken by myself on May 21, 2005

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Unten      —     Der Kriegsgräberfriedhof befindet sich in Berlin-Moabit in der Wilsackerstraße. Die Gedenktafel befindet sich rechts vom Eingang außen an der Freidhofsmauer.

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Der Arbeiter – Innenkampf,

Erstellt von Redaktion am 10. August 2021

Wie in Bosnien der Aufstand gegen Ausverkauf geführt wurde

Bosnia and Herzegovina. LOC 2002620326.jpg

Quelle        :     Berliner Gazette

Von  Anna Calori 10.08.21

Die Massenproteste, die im Februar 2014 in Bosnien und Herzegowina stattfanden, sind in vielerlei Hinsicht ein Lehrstück des Widerstands gegen Privatisierungen. Basisdemokratische Prinzipien kamen zum Einsatz, Gemeinschaften entstanden über die künstlichen Grenzen der ethnischen Identität hinweg und – last but not least – Arbeiter*innenorganisationen sowie unabhängige Gewerkschaften avancierten zu den treibenden Kräften. Doch wie genau kamen die Proteste zustande und wie ging es danach weiter? Die Historikerin Anna Calori hat mit Beteiligten und Zeitzeugen gesprochen. Ein Streifzug.

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Das Ausmaß der Proteste von 2014 war beispiellos, doch die Arbeiter*innenschaft protestierte bereits in den zwei Jahrzehnten zuvor auf verschiedene Weisen gegen die Zerschlagung der Industrieriesen des Landes und die betrügerischen Umstrukturierungen von ehemals sozialistischen Unternehmen.

Dieser Beitrag beruht auf Berichten von Arbeiter*innen und Gewerkschafter*innen. Er soll zeigen, wie die enttäuschte Erwartung eines arbeiter*innenorientierten Privatisierungsprozesses und der Unmut über die Marginalisierung überall im Land Ausdruck fanden. Weiter wird gezeigt, wie eine Kombination aus alter Solidarität und neuen Mobilisierungsstrategien eine ungekannte Bewegung hervorgebracht hat, und wie es um die Arbeiter*innenmobilisierungen heute steht.

Bosnien und Herzegowina liegt im Herzen des Westbalkans und zählt rund 3,5 Millionen Einwohner*innen. Als historischer Knotenpunkt verschiedener kultureller Einflüsse (aus dem Slawischen, Osmanischen und aus Österreich-Ungarn) ist es ein multiethnischer und multireligiöser Staat, in dem etwa 50% der Bevölkerung sich als Bosniak*innen (größtenteils muslimisch) identifizieren, 31% als Serb*innen (größtenteils orthodox), 15% als Kroat*innen (größtenteils katholisch), und 3% als “sonstige” (Al Jazeera Balkans 2016).

Bosniens jüngste Geschichte und Wirtschaftsentwicklung

Um die Ursachen des sozialen Aufstandes von 2014 besser zu verstehen, bedarf es des Blicks auf die Geschichte der Industrialisierung Bosniens während der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Unter den sechs ehemaligen sozialistischen Republiken der Föderation Jugoslawien nahm Bosnien auf der Entwicklungsskala zwischen Slowenien und Kroatien an der Spitze und Mazedonien und dem Kosovo im unteren Bereich eine mittlere Position ein.

Nach dem Zweiten Weltkrieg beruhte Bosniens Wirtschaft auf den großen Schwerindustriekomplexen (Rohstoffgewinnung, Bergbau, Stahlwerke und Wasserkraft). Parallel zum Industriesektor entstand im Jugoslawien der 1950er-Jahre das System der Arbeiter*innenselbstverwaltung. Fabriken wurden zu Arbeiter*innenorganisationen (radne organizacije) umgewandelt und in Absprache mit den Arbeiter*innenräten selbstverwaltet. Vorstände wurden jedes Jahr demokratisch gewählt, und der komplette Gewinn sowie die Produktionserlöse galten als “gesellschaftliches Eigentum” (Eigentum des Arbeiter*innenkollektivs). Sie wurden innerhalb des Unternehmens im Verhältnis zur geleisteten Arbeit als Bonus ausbezahlt.

Die bosnische Arbeiter*innenschaft fühlte sich zunehmend kollektiv zugehörig zu einer jugoslawistischen, arbeiter*innengeführten und selbstverwalteten Nation, die mit ihrem erfolgreichen Industriesektor den Aufbau globaler Handelspartnerschaften anstrebte. Die Selbstverwaltung führte zu einer “mikrokorporatistischen” Allianz zwischen Betriebsleitung und Arbeiterschaft, Grdešić ausarbeitet. Diese Allianz bewirkte eine starke innerbetriebliche Loyalität und bewog die Arbeiter*innenschaft dazu, sich mit ihrem Unternehmen zu identifizieren.

In den 1980er-Jahren ging es aufgrund der Auslandsschuldenkrise und Hyperinflation mit der Wirtschaft Jugoslawiens bergab. Die ökonomische Lage der Arbeiter*innen verschlechterte sich ebenfalls. In vielen der jugoslawischen Republiken, von Serbien über Bosnien bis in den Kosovo, fanden Massenproteste und Streiks statt, die später, in den Jahren vor dem Zerfall Jugoslawiens teilweise von nationalistischer Führung vereinnahmt wurden.

Während des Kriegs kämpften verfeindete Lager und paramilitärische Kräfte, die die verschiedenen Landesteile kontrollierten, um das Land und seine Unternehmen – die ArBiH (Armija Bosne i Hercegovine, Armee der Republik Bosnien und Herzegowina), der HVO (Hrvatsko Vijece Obrane, Kroatischer Verteidigungsrat) und die VRS (Vojska Republike Srpske,Armee der Republika Srpska). Die Arbeiter*innen wurden in die verschiedenen Gruppierungen einberufen, ihre Unternehmen zersplittert und unter die Zuständigkeit der jeweiligen Einheiten gestellt. Obwohl viele Fabriken und Arbeitsstätten zerstört wurden, hofften die Arbeiter*innen, bald an ihre Arbeit zurückzukehren. Auch wurde ihnen Entschädigung für die Kriegszeit in Form von Wiedereinstellung und/oder Unternehmensanteilen versprochen.

Die Privatisierungswellen, die Wut der Arbeiter*innen und die Proteste von 2014

Der im November 1995 in Dayton (Ohio) unterzeichnete Friedensvertrag unterteilte das Territorium Bosniens in zwei Entitäten: die Republik Srpska (RS), die mit dem größten Teil des serbisch dominierten Territoriums und dem Ostteil von Sarajevo 49% der Gesamtfläche umfasst, und die Föderation von Bosnien und Herzegowina (FBiH) mit den 51% umfassenden, mehrheitlich bosniakisch-muslimischen bzw. kroatischen Gebieten. Jede Entität hat ihr eigenes Parlament mit gewissen legislativen and exekutiven Kompetenzen. Für Angelegenheiten nationalen Interesses ist das nach ethnischen Quoten zusammengesetzte Nationalparlament zuständig. Die faktische politische und ethnische Teilung des Landes hatte deutliche wirtschaftliche Folgen, besonders im Industriesektor, der während des Krieges unter schweren Bombardierungen und Plünderungen gelitten hatte.

Nach anfänglichen Initiativen der Friedensstiftung und des Wiederaufbaus der Infrastruktur leiteten der Friedensimplementierungsrat (das für die Koordination der Umsetzung des Friedensvertrags zuständige internationale Organ) und weitere internationale Akteure wie Weltbank, USAID und die Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung ein Programm zur zügigen Massenprivatisierung ein. Marktorientierung, Liberalisierung und Massenprivatisierung sollten so schnell und umfassend wie möglich erfolgen.

Ehemaliges gesellschaftliches Eigentum wurde gemäß der Zuständigkeit der beiden Entitäten verstaatlicht. Und die Massenprivatisierung wurde mittels eines Anteilssystems in die Wege geleitet, bei dem die Arbeiter:innen (die ehemaligen “gesellschaftlichen Eigentümer”) Anteile am gesamten Staatskapital erhielten, nicht jedoch an den Firmen, für die sie gearbeitet hatten.

Der Gewerkschafter M.J. aus einem großen Industriestandort in Sarajevo erinnert sich: “[…] kurz nach dem Krieg war die Gewerkschaft nicht sonderlich gut organisiert. Die Regierung nutzte das aus, um gesellschaftliches Eigentum zu verstaatlichen und sich so einmischen zu können. (…) Unsere Arbeiter wollten nicht, dass ihre Fabriken privatisiert oder verkauft werden, aber die Regierung sah das anders und saß rechtlich am längeren Hebel.”(Interview der Autorin Sarajevo, 23.06.2016)

Eine Reihe von Reformen zur Massenprivatisierung führte Ende der 1990er- und Anfang der 2000er-Jahre zur Aufspaltung ehemaliger großer Konglomerate und Exportunternehmen in kleinere Einzelfirmen, die oft weit unter Wert und mit nur wenig Aussicht auf Investitionen, Wiederinbetriebnahme oder Wiedereinstellung der Entlassenen verkauft wurden. Die Privatisierung brachte eine Kombination aus Misswirtschaft, korrupten Geschäften und mangelnden Investitionen. Die meisten betroffenen Unternehmen gingen bankrott und tausende Arbeiter:innen verloren ihre Jobs.

Die feste Verbundenheit mit dem eigenen Arbeitsplatz und die Zugehörigkeit zu einem von unfairer Übernahme bedrohten Kollektiv brachte Industriearbeiter*innen im ganzen Land dazu, ihre Teilhabe an der Privatisierung stattdessen durch Firmenanteile einzufordern. Sie hofften auf einen Übergang, der es ihnen ermöglichen würde, an ihre Arbeitsstätten zurückzukehren, die sich nach ihrer Umstrukturierung neu auf dem Weltmarkt positionieren würden.

Ein Vertreter der Savez samostalnih sindikata (Rat der unabhängigen Gewerkschaften) merkte dazu an: “Wir waren generell für die Privatisierung – aber nicht so, wie die herrschende Politikeroligarchie sie plante und umsetzte. Wir waren überzeugt, dass es nicht möglich war, sich dieser ganzen neuen gesellschaftlichen Ordnung und der Marktwirtschaft usw. zu entziehen, aber wir wollten, dass das den Bürgern gegenüber so transparent, praktikabel und fair abläuft wie möglich. Wir wussten, das wird nicht ideal, aber wir kämpften darum, dass es fair wird, damit sich so wenig Leute wie möglich so ungerecht behandelt fühlen, wie es bei der Privatisierung letztlich gelaufen ist.” ((Interview der Autorin Sarajevo, 13.06.2016)

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Dass die Arbeiter*innen die Fabriken als “ihre eigenen” ansahen, mobilisierte sie zu Protesten gegen eine Privatisierung, die sie nicht nur um ihre Arbeitsplätze, sondern auch um ihr Recht, Eigentümer*innen ihrer Arbeitsstätten zu sein, brachte. Viele berichteten von einem zunehmenden Gefühl von Enteignung angesichts des Verlusts von Eigentum und von Verwaltungsbefugnis durch die Privatisierung. E.B., Fabrikarbeiter und Streikorganisator in der Reinigungsmittelfabrik DITA in Tuzla erklärt: “Das war nur am Anfang meine Firma, in den 1970er- und 1980er-Jahren. Es war meine Firma, als ich dort alles mitentscheiden konnte. Als dann der ganze Zirkus mit Firmenanteilen, Versammlungen und Parteien losging, da ging das alles irgendwie … Ich habe kein Recht mehr darüber abzustimmen, mir gehört also gar nichts mehr.” (Interview der Autorin, DITA Tuzla, 04.05.2016.)

Die Arbeiter*innen organisierten Streiks und Proteste gegen eine spezielle Art der Privatisierung, eine die ihre Arbeitsstätten zerschlug und sie an private Investor*innen vor Ort ausverkaufte, die Kapital und Anteile durch den Erwerb von Anteilsscheinen auf dem illegalen Markt angehäuft hatten. Statt die Produktion wieder aufzunehmen, verkauften die neuen Privateigentümer*innen die Vermögenswerte der Firma, meldeten Konkurs an und entließen die Arbeiter*innen, ohne die seit Monaten fälligen Löhne auszubezahlen.

Die Arbeiter*innen forderten ihr Recht auf “Leben, Gesundheit und Arbeit” und machten deutlich, dass sie dafür waren, strategische Partner für die Privatisierung zu finden, aber gegen den Verkauf ihrer Fabriken an Kriegsgewinnler*innen und dubiose Investor*innen. Konkurs und Schließung großer Industriestandorte im ganzen Land, besonders in industriellen Ballungsräumen wie Tuzla, Zenica, Sarajevo, und Zvornik, führten zu einem Anstieg der ohnehin schwindelerregenden Arbeitslosenquote (27,5% im Jahr 2014, zuzüglich weiterer 20% der Bevölkerung in der informellen oder Schattenwirtschaft) (Eurostat). Im Juni 2008 protestierten etwa 8.000 Arbeiter*innen gegen die prekären Lebensbedingungen, die die Privatisierung und der Konkurs ihrer Firmen nach sich zogen.

Proteste gegen Privatisierung und Massenentlassungen prägten die zehn Jahre von 2003 bis 2013 und mündeten im Februar 2014 in den bislang größten Massenprotest der Region. Die Unruhen begannen in Tuzla, einst das industrielle Herz Bosniens, wo eine Reihe großer staatlicher Firmen im Zuge der Privatisierung pleitegegangen waren. Arbeiter:innen und Demonstrant:innen machten die Stadtverwaltung für das Scheitern der Privatisierung und mangelnde soziale und wirtschaftliche Unterstützung für entlassene Arbeiter:innen verantwortlich. Eine friedliche Arbeiterversammlung schlug schnell in gewaltsame Zusammenstöße mit der Polizei um, als Protestierende versuchten, in das Rathaus zu gelangen, um dort ihre Forderungen nach einem Ausgleich für Gesundheitsversorgung, Renten und überfällige Löhne nach dem Konkurs ihrer Firmen vorzubringen.

Polizeigewalt und ausbleibende Vermittlungsangebote durch lokale oder nationale Behörden sorgten für Empörung unter den Bürger*innen, die sich zu Massenprotesten in Tuzla (zwischen 1.000 and 7.000 Menschen) und im ganzen Land zusammenfanden. In Tuzla und der Hauptstadt Sarajevo wurden dabei Teile von Regierungsgebäuden in Brand gesteckt, die Aufstände griffen auf weitere Industriezentren im ganzen Land über.

Die Proteste förderten eine breite zivilgesellschaftliche Dynamik, die dank der Bemühungen zahlreicher Aktivist*innen in die Bildung von Plena mündete: Bürger*innenversammlungen, die mit Basisdemokratie experimentierten. Die Aktivist*innen “entwarfen eine unabhängige, alternative Vision eines Staates, der den sozioökonomischen Bedürfnissen dient und die sozialen Rechte aller Beteiligten unabhängig von ihrer ethnischen Zugehörigkeit garantiert, und forderten eine Reform des Privatisierungsprozesses zugunsten der Handlungsmacht der Arbeiter:innen.”, so die Autoren Puljek-Shank/Fritsch.

Die Erfahrungen aus den Plena schufen ein erneuertes Bewusstsein für die Möglichkeit einer Politik von unten und von “Local First”-Initiativen und sorgten innerhalb der Communities für ein neues Gefühl von Selbstermächtigung, einige sprachen sogar von einer “postethnischen Identität”.

Die Organisation und der Kampf der Arbeiter*innenschaft nahm unterschiedliche Formen an – von Hungerstreiks über Solidaritätskundgebungen bis hin zur Besetzung und Wiederaneignung von Fabriken. Bis auf die Zusammenstöße im Februar 2014 verliefen die Proteste weitgehend friedlich. Sie verzeichneten häufig eine übergreifende Beteiligung, fanden gemeinsam mit Studierendenbewegungen oder lokalen Aktivist*innen statt – ein gemeinsames Merkmal vieler neuer sozialer Bewegungen überall in Ex-Jugoslawien.

Die überwältigende Schlagkraft dieser neuen Bewegungen lag gerade in ihrem generationenübergreifenden und interethnischen Charakter. Im Kampf gegen ein politisches System, das ethnische und religiöse Unterschiede unter den Bosnier*innen zementiert, betonten Arbeiter*innen und Aktivist*innen, dass es vielmehr die sozioökonomischen Ungleichheiten sind, die die Menschen unabhängig von ihrem ethnischen oder religiösen Hintergrund am stärksten beeinträchtigten. Der berühmte Slogan “Wir sind hungrig in drei Sprachen!” (bezogen auf die drei offiziellen Landessprachen) ist eine deutliche Absage an ein politisches System ethnisch-nationaler Spaltung.

Die interviewten Arbeiter*innen und Gewerkschafter*innen waren jedoch leicht desillusioniert bezüglich des Potenzials der Proteste, konkrete Veränderungen ihrer unmittelbaren sozioökonomischen Lage herbeizuführen. Angesichts einer wirtschaftlich extrem prekären Situation und eines weitverbreiteten politischen Klientelismus befürchteten einige Arbeiter*innen, dass eine weitere Protestteilnahme ihre Chancen mindern könnte, in Zukunft Arbeit zu finden. Ein an der Organisation der Proteste in Sarajevo beteiligter Arbeiter erinnert sich: “Ich habe es den Menschen tausend Mal gesagt: Wenn wir für unsere Rechte kämpfen, muss die Mehrheit von uns da sein, 80 bis 90%. Aber die Menschen hier haben Angst, vielleicht ist diese noch aus dem vergangenen System geblieben. Die Menschen haben Angst davor, dass sie jemand feuert, sie haben Angst davor, protestieren zu gehen, dass man sie im Fernsehen sehen könnte.” (Interview der Autorin, Sarajevo, 24.02.2016)

Mostar Old Town Panorama 2007.jpg

Während die Plena einen Raum für zivilgesellschaftliches Engagement von unten und jenseits ethnischer Unterschiede schufen, nahm die Beteiligung der Arbeiterschaft in vielen Fällen sukzessive ab. In Tuzla, Zentrum der Proteste und auf eine lange Tradition von Bürger- und Arbeitsrechtsbewegungen zurückblickend, wurde im Zuge des Plenums die unabhängige Gewerkschaft Sindikat Solidarnosti (Gewerkschaft Solidarität) gegründet. Damit wurde einmal mehr die ablehnende Haltung gegenüber etablierten Parteien und ihrem Einfluss auf offizielle Gewerkschaften signalisiert.

Einige Fälle von Arbeiter*innen, die versuchen, die Kontrolle über ihre Fabriken zurückzugewinnen, ihre Anteile zurückzukaufen und ihre Unternehmen tatsächlich selbstverwaltet zu betreiben, zeugen ebenfalls von dieser Widerständigkeit. Besondere Erwähnung verdient die Waschmittelfabrik DITA in Tuzla, die zum Symbol für einen generationen- und ethnienübergreifenden Kampf um die Besetzung und Rückeroberung von Arbeitsstätten und die Wiederherstellung der Kontrolle von unten wurde.

Fazit

Das hochgradig bürokratisierte politische System Bosniens nach dem Friedensabkommen führte zur Privatisierung und Ausschlachtung von Unternehmen durch einige wenige Akteure mit gemeinsamen politischen und ökonomischen Interessen. Der Wandel, der sich mit der Ablösung von der sozialistischen Tradition der Arbeiterstaaten vollzog, bedeutete die Zerschlagung und Privatisierung großer Firmenkonglomerate sowie Deindustrialisierung und Bankrott.

Die Arbeiter*innenschaft fühlte sich durch ein System wirtschaftlicher Gewalt an den Rand gedrängt, das ihnen Wirtschafts- und Eigentumsrechte aberkannte. Sie erwartete eine “Just Transition”, die ihr über die Jahre der Selbstverwaltung gewachsenes Gefühl von Eigentum an und Verbundenheit mit den Unternehmen respektierte. Genau diese kollektive Erinnerung an die Selbstverwaltung brachte die Arbeiter*innen verschiedener Generationen zusammen – die gemeinsame Erinnerung an eine Alternative, die zwar ihre Schwächen hatte, der Arbeiterschaft jedoch das Gefühl vermittelte, eine Stimme zu haben, die Gehör fand.

Die Proteste von 2014 waren aber nicht nur ein kathartischer Ausbruch jahrzehntelanger Marginalisierung und Unzufriedenheit, sondern auch eine entscheidende Kraft für die Entstehung neuer Organisationsformen von Arbeiter*innen sowie neuer lokaler Gewerkschaften. Plena und Bürger*innenversammlungen beförderten breitere Bündnisse zwischen Arbeiter*innenschaft, Studierenden und Bürgerrechtler*innen. Im Kampf gegen ein spalterisches System, das Bürger*innen und Arbeiter*innen ethnische Trennungen aufoktroyiert, haben diese neuen Organisationen eine integrative Plattform für sozioökonomische Forderungen geschaffen.

Anm. d. Red.: Dieser Beitrag liegt in gedruckter Fassung in dem kürzlich erschienenen Sammelband Mehr als Arbeitskampf! (2021) vor. Weiterführende Literatur findet sich hier.

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Grafikquellen     :

Oben          —„Base 802729AI (R00389) 2-02.“ Also shows „Inter-Entity Boundary Line“. Also separately issued with shaded relief. Available also through the Library of Congress Web site as a raster image. Includes note.

2. von Oben       —     Die Baščaršija (osmanische Altstadt) von Sarajevo vom Berg Trebević aus gesehen. Während der Belagerung von Sarajevo wurde der Berg von Heckenschützen und Artillerie der Armee der bosnischen Serben als Stellung genutzt.

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Unten          —   Mostar – Old Town panorama. The picture was taken from the minaret of Koski Mehmed Pasha Mosque , which is just opposite Stari Most („The Old Bridge“) looking on the same part of the Neretva river.

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Der befleckte Spiegel

Erstellt von Redaktion am 10. August 2021

Armut in einem reichen Land

Quelle:    Scharf  —  Links

Von René Lindenau, Cottbus

Eingangs ist festzustellen: Was die Überschrift beschreibt ist ein gesellschaftlicher Skandal. Aber man kann, ja man muss hier ins Detail gehen und den Verantwortlichen für diese deutschen Zustände ihren neoliberalen Spiegel vorhalten. Er ist befleckt mit sozialer Ungleichheit, unterschiedlichen Bildungschancen, Zwei-Klassen-Medizin und vielen andern mehr. Womit wir es hier zu tun haben ist klar: Kapitalismus. Rosa Luxemburg definierte ihn so: „Der Kapitalismus ist ein schleichender Krebs, eine würgende Schlingpflanze(…)“.

Im Wahlprogramm der LINKEN zum Bundestag (September 2021) ist zu lesen: „Noch nie waren Einkommen und Vermögen so ungleich verteilt. Immer größere Vermögen haben sich in immer weniger Händen konzentriert: Zwei Drittel aller Vermögen sind in der Hand der oberen 10 Prozent der Bevölkerung. Allein die 45 reichsten Haushalte besitzen so viel wie die gesamte ärmere Hälfte der Bevölkerung zusammengenommen. Das reichste Prozent der Bevölkerung vereint rund 35 Prozent des Vermögens auf sich, also mehr als ein Drittel. Die reichsten 5 Prozent haben mehr als die »restlichen« 95 Prozent“. Dem gewachsenen Reichtum steht eine verarmte Infrastruktur entgegen. Da läuft doch mächtig was schief! Als Partei mit einem unknackbaren sozialen Markenkern steht sie für einen starken, demokratischen Sozialstaat, was sie auch mit konkreten Forderungen im schon zitierten Wahlprogramm untermauert. Die Bekämpfung von Armut in ihren verschiedenen Erscheinungsformen müssen zentrales Anliegen der Sozialpolitik sein, sonst ist es keine. Unabhängig von Wahlkämpfen benennt DIE LINKE nicht nur Ursachen und Folgen der Armut, sie fordert Lösungen ein, sie bietet Alternativen an. In Regierungsverantwortung (z.B.Brandenburg) hat sie konkrete Schritte unternommen, um Armut und Armutsrisiken zu mindern. Nicht ohne Erfolg; 10 Millionen Euro gingen in den Start der gebührenfreien KiTa, 23 Millionen Euro kamen dem studentischen Wohnen zugute, 20 Millionen Euro wurden in die Krankenhäuser investiert, letzteres sicher mit langfristiger Positivwirkung auf die laufende Corona Pandemie (Angaben aus Nachtragshaushalt von Rot-Rot, 2018). Für diese zukunftsfähige wie langfristig angedachte, investive Haushaltspolitik steht der damalige Finanzminister Christian Görke (2014 -2019). Heute ist er Spitzenkandidat seiner Partei bei den bevorstehenden Bundestagswahlen im Wahlkreis Cottbus/Spree/Neiße.

Was besonders wehtut ist die Zahl von schätzungsweise 2,5 Millionen Kindern und Jugendlichen, die schon heute in der Armutsfalle gefangen sind oder die, welche von ihr zusätzlich bedroht sind. Die Kleinsten und schwächsten Wesen in diese Lage zu bringen ist so was von widerlich. Geradezu pervers wird es, wenn andere Parteien das Armutsproblem als gar nicht existent leugnen und zwangsläufig entsprechend notwendige gegensteuernde Politik ausbleibt. Ganz anders DIE LINKE auch hier. Zahlreiche ihrer Politiker Dietmar Bartsch, Bundestag, Eva von Angern, Landtag Sachsen-Anhalt, Heike Werner, Ministerin Thüringen) bearbeiten in dem Netzwerk gegen Kinderarmut zahlreiche Baustellen, an denen bisherige Bundesregierungen schändlich vorbei regiert haben. Das Netzwerk will den politischen Druck auf die Entscheidungsträger erhöhen damit endlich gehandelt wird, nicht ohne eigene Ideen und Expertisen beizusteuern. Eine Maßnahme wäre laut Wahlprogramm eine Kindergrundsicherung

Zeichnung: Jens Spahn sagt "Hartz 4 bedeutet nicht Armut"; in seiner Hand ein Bündel Scheine (Monatsgehalt), im Hintergrund sind Dienstwagen und freies Zugfahren angedeutet.

Nur ein Häuschen in Dahlem – ich will noch mehrere haben !

Soziale und gesellschaftliche Teilhabe darf nie vom Geldbeutel abhängig sein. Erwerbsarbeit darf eben nicht nur dem Broterwerb dienen. Dafür ist das Leben zu kurz – ohne auch fein essen, reisen, zu können, ein Konzert zu besuchen oder ein Buch zu kaufen… Das sei den „Sozialpolitikern“ von Rot-Grün ins Stammbuch geschrieben. Mit den sogenannten HARTZ 4 Regelsätzen und den nachfolgenden Sanktionsregime kann man schwer mit den oben erwähnten belebenden Zusatzstoffen über den Monat kommen. Bei mehr Lebensnähe wäre das Gesetz (vielleicht) nicht passiert. So bleibt HARTZ 4 „Armut per Gesetz“ – PDS Plakat bei dessen Einführung. Als Sofortmaßnahme fordert DIE LINKE jetzt die Erhöhung der Regelsätze und die Abschaffung der Sanktionen. Anders als Rot-Grün, die damals in regierender Weise den Niedriglohnsektor und die Leiharbeit als weitere Quellen der Armut installiert haben. Dem entgegen steht die Linkspartei seit jeher für armutsfeste Löhne und Renten. Der – soziale Kern – der Parteienlandschaft fordert zudem von den Reichen, d.h. also nicht von Gering und Normalverdienern eine einmalige Vermögensabgabe, die es schon Adenauer gab und eine Vermögenssteuer, die es schon unter Kohl gab. Beide Kanzler waren bekanntlich keine Sozialisten, ist als kaum „sozialistisches Teufelszeug“. Nur, der in den letzten Jahrzehnten so ungleich von unten nach oben umverteilte Reichtum käme zu den wirklich Bedürftigen zurück. Damit könnten die so unverschämt zahlungskräftigen Mitglieder der Gesellschaft endlich ihrer Eigentumsverpflichtung laut Grundgesetz (Art.14) gerecht werden. Somit könnten erste Schritte zu einer effizienten Armutsbekämpfung gegangen werden. Längst überfällige Zukunftsinvestitionen in die Infrastruktur könnten in Angriff genommen werden. Warum sollen Beate Heister, Karl Albrecht jr. (ALDI) nicht von ihrem Vermögen von 30,7 Mrd. Euro etwas abgeben? Gleichfalls Dieter Schwarz (LIDL) von seinen 30,3 Mrd. Euro oder Hasso Plattner (SAP) von seinen 15 Mrd. Euro. Scherzfrage: Werden sie dadurch tatsächlich ärmer?

Der Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes, Ulrich Schneider sprach mal von nicht nur „armutspolitischer Ignoranz, sondern von bereits von bewusste Verweigerung der Bundesregierung.“ Welche Farbgebung der Wähler letztlich der neuen Bundesregierung gibt, möge diese armutspolitische Ignoranz endlich aufhören.

Urheberrecht
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Oben      —     Rasierspiegel eines kubanischen Bauern

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DER ROTE FADEN

Erstellt von Redaktion am 10. August 2021

Der Krieg gegen das Virus ist ein anderer geworden

Roter Faden Hannover rote Zusatzmarkierung.jpg

Durch die Woche führt Ulrich Gutmair

Das Spahn-Ministerium sagt, dass wir uns im Übergang von einer Pandemie zu einer Endemie befinden – und bald die Normalität zurückkehrt. Doch stimmt das?

Herdenschutz, besser bekannt als Herdenimmunität: Laut Robert Koch-Institut „der Effekt, dass ein gewisser Anteil immuner Individuen innerhalb einer Population (entstanden durch Impfung oder auskurierte Infektionen) auch nichtimmunen Personen einen relativen Schutz bietet“.

Herdenimmunität klang für den britischen Premier Boris Johnson im vergangenen Jahr paradoxerweise gerade angesichts fehlender Impfmöglichkeiten wie die beste Lösung, um der Sars-Cov-19-Epidemie Herr zu werden: Wenn sich ein signifikanter Teil der Bevölkerung angesteckt und die Krankheit überlebt haben würde, wäre das Problem gelöst.

Als das britische Gesundheitssystem bald darauf vor dem Kollaps stand, merkte Johnson, dass das Ziel nur durch eine schnelle Impfkampagne erreicht werden kann. Überall galt die Erreichung von Herdenschutz als das Mittel, um der Pandemie Herr zu werden. Man müsse nur 80 bis 90 Prozent der Bevölkerung impfen, und die Krise wäre gemeistert. Dachte man, bis eben.

Denn es kamen die neuen Virusvarianten – so ein Virus mutiert schneller, als ein Gesundheitsminister „Herdenimmunität“ sagen kann –, und immer mehr Hinweise darauf, dass auch Geimpfte das Virus weitergeben können. Was das für das Ziel des Herdenschutzes bedeutet, dringt aber erst so langsam durch.

Am Mittwoch kursierten Passagen aus einem Papier des Gesundheitsministeriums, das ein Szenario für die kommenden Monate entwirft. Die wichtigsten Punkte: Eine vierte Welle sei bereits zu spüren, wieder müsse es darum gehen, die Kurve möglichst flach zu halten. Verstärkte Anstrengungen zur weiteren Steigerung der Impfquote seien das Gebot der Stunde. Einen „so einschneidenden Lockdown“ wie in der zweiten und dritten Welle werde es wohl nicht mehr geben. Maskenpflicht werde bis Frühjahr 2022 besonders in öffentlichen Verkehrsmitteln und im Einzelhandel aber auch für Geimpfte und Genesene notwendig bleiben.

2G statt 3G

Lauten Widerspruch erntete eine andere Überlegung aus dem Hause Spahn: „Insbesondere für ungeimpfte Personen können erneut weitergehende Einschränkungen notwendig werden.“ Dazu zähle der „Ausschluss von der Teilnahme nicht geimpfter Personen an Veranstaltungen und in der Gastronomie (‚2G statt 3G‘)“. Heißt: Genesene und Geimpfte dürfen rein, Getestete nicht. Außerdem sei eine dauerhafte Übernahme der Kosten für alle Tests durch den Bund „nicht angezeigt“.

Schafherde mit Schäfer.jpg

Dem Rudel der politischen Räuber zur Beute – hier kommt die Beute

Dietmar Woidke, SPD-Ministerpräsident in Brandenburg, widersprach: „Niemand soll vom öffentlichen Leben ausgeschlossen werden.“ Linken-Vorsitzende Susanne Hennig-Wellsow bezeichnet den Vorschlag als „schlicht asozial“. Solange es eine Testpflicht gebe, müsse es auch kostenlose Tests geben. (Letzteres kann man fordern, aber als Linkenvorsitzende sollte man die politische Terminologie schon im Griff haben: Die Nazis steckten alleinerziehende Mütter, Obdachlose, Alkoholkranke und andere als „Asoziale“ in Konzentrationslager.)

Es ist richtig, dass über diese Fragen gestritten wird. Merkwürdig ist aber, dass diesem Satz im Spahn-Papier keine Aufmerksamkeit geschenkt wurde: „Deutschland befindet sich aktuell in der Übergangsphase vom pandemischen in ein endemisches Geschehen. Die Brücke raus aus der Pandemie zurück in die Normalität ist zwar beschritten, aber noch nicht ganz überquert.“ Endemie ist normal? Mit „Endemie“ wird laut RKI ein „ständiges (zeitlich unbegrenztes) Vorkommen einer Krankheit oder eines Erregers in einem bestimmten Gebiet oder einer bestimmten Bevölkerung“ bezeichnet.

Quelle         :         TAZ-online          >>>>>           weiterlesen

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Grafikquellen          :

Oben        —             Roter Faden in Hannover mit beschriftetem Aufkleber als Test für einen möglichen Ersatz des auf das Pflaster gemalten roten Strichs

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Unten         —     Eingezäunte Schafherde mit Schäfer auf der Dreiborner Hochfläche im Nationalpark Eifel.

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DL – Tagesticker 10.08.2021

Erstellt von Redaktion am 10. August 2021

Direkt eingeflogen mit unseren Hubschrappschrap

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Müssen dort nicht die richtigen Flachköpfe als Berater sitzen, wenn sie erst jetzt sehen, was ein jeder Normalo seit Jahren sehen kann, wenn er nur die Augen offen hält? Sollte sich dieses Gremium auf einen Wissensstand im Kindergarten-Alter befinden, wäre es eine Beleidigung für jedes Kind! Aber wie heißt es doch so schön: „Auch eine schlechte Beratung, könnte als ein Verrat an die Gesellschaft gewertet werden, sollte sie nur dem Commerz dienlich sein?“ Ein Skandal nur, das eine solche Laientruppe noch mit  Geldern der Steuerzahlen gefüttert wird, welches aber einen Riesenschatten auf die Qualität der ausführenden Politiker-Innen wirft. !

So düster ist die Uno-Prognose für den Mittelmeerraum

1.) Hitze, Dürre, Brände

Der Weltklimarat hat den ersten Teil seines neuen Berichts vorgelegt. Am zweiten arbeitet er noch, doch ein Entwurf zeigt dramatische Vorhersagen für die aktuell gebeutelte Region rund um das Mittelmeer. Die Vorhersagen sind dramatisch, doch wir werden uns wohl daran gewöhnen müssen. Für die kommende Woche sehen die Wetterdienste für Teile Süditaliens Temperaturen von bis zu 45 Grad Celsius voraus. »Die Temperaturen, die wir in den kommenden Tagen erwarten, erfordern unsere höchste Aufmerksamkeit«, warnt der italienische Zivilschutzchef Fabrizio Curcio. An der »Front der Waldbrandbekämpfung« habe man bereits »schwierige und dramatische Tage« hinter sich. Rund um das Mittelmeer brennt es gerade, neben Italien sind vor allem Teile Griechenlands und der Türkei massiv betroffen. Und ein Ende ist nicht in Sicht. Nun ist die aktuelle Hitzewelle in der Region allein kein stechender Beleg für die Klimakrise – Wetter ist eben nicht gleich Klima. Auch Hitze allein sorgt nicht unmittelbar für Brände und auch weitere menschliche Einflüsse spielen eine Rolle. So berichten griechische Ermittler von Festnahmen wegen vermuteter Brandstiftung. Klar ist unter Experten aber: Der Mittelmeerraum ist – neben anderen Weltregionen wie der Arktis – im wahrsten, traurigen Wortsinn ein Hotspot des Klimawandels.

Spiegel-online

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Dann käme das Nordafrikanische Land doch fast genau dort an, auf dessen Weg sich die Bananenrepublik vor fast genau sechszehn Jahren begeben hatte ? Im „Neuland des Dilettantismus?“

TUNESIEN AUF DEM WEG IN DIE DIKTATUR

2.) Arabischer Winter

Tunesien galt lange als demokratischer Hoffnungsträger in der arabischen Welt. Doch mit den jüngsten Ereignissen gerät das Land auf eine steil abschüssige Bahn. Die Gegenrevolutionen, die die arabischen Aufstände niedergeschlagen haben, sind nun auch in Tunesien angekommen. In der vorvergangenen Woche entließ der tunesische Präsident Kais Saied nach einem Tag regierungsfeindlicher Proteste sein Kabinett, setzte das Parlament aus und begann, per Dekret zu regieren. In einem Land, in dem der Präsident normalerweise eine zeremonielle Rolle spielt, übernahm Saied die volle Exekutivgewalt und nutzte Artikel 80 der Verfassung, um eine umfassende Säuberung der Regierung, einschließlich des Premierministers, durchzuführen. Er behauptete, dass diese Maßnahmen Tunesien auf den Weg zu einer echten Demokratie bringen würden, aber sie führen das Land eher in eine unsichere und instabile Zukunft. Nach der tunesischen Verfassung von 2014 hat der Präsident weder exekutive noch legislative Befugnisse. Während seiner Präsidentschaftskampagne 2019 hat Saied jedoch offen seinen Wunsch geäußert, die Verfassung zu ändern, um dem Präsidenten Exekutivbefugnisse zu übertragen oder sogar den Übergang von einem parlamentarischen zu einem präsidialen politischen System zu vollziehen. Saied, eine zwiespältige Persönlichkeit ohne bekannte politische Zugehörigkeit, machte auch keinen Hehl daraus, dass er den zahlreichen politischen Parteien in Tunesien misstraut und deren Einfluss auf die tunesische Politik verringern möchte. Wachsendes Misstrauen.

Cicero-online

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Entwicklungsgelder sperren ? Dann könnten diese Warlords ja gar keine Kriegsmaterialien von den Weißen im  Westen kaufen und ihre Wirtschaft würde in ein neues Koma-Tief fallen. Die Taliban im Jägerwahn? Auch sieht die Einheimische Bevölkerung hier erst jetzt , was zu den Fluchtgründen alles führt. Die Hammel in den Uniformen fliehen vor den Raubtieren, obwohl der Spahn des Corona-Wahn die eigenen Zähne nur zur Echtheitsprüfung der Münzen einsetzen muss. Auf der Bank.

Der Westen muss die Entwicklungsgelder sperren

3.) Demokratie hatte nie eine Chance

Die Taliban nehmen Stadt um Stadt ein. Die Politik des Westens ist gescheitert – erst ihr „Krieg gegen den Terror“, dann der vorschnelle Abzug. Es sieht nicht gut aus für Afghanistan. Provinzhauptstädte fallen schneller an die Taliban, als auch der Autor es für möglich gehalten hätte. Selbst Kabul ist in Gefahr. Ob die Regierung zu einer Verteidigung fähig ist, steht in den Sternen. Welchen Preis eine Gegenoffensive hätte, sieht man in Laschkargah in Südafghanistan. Um einen Angriff auf die Taliban starten zu können, forderte die Armee die Bevölkerung auf, die Stadt sofort zu verlassen. Bombardements im Stadtzentrum folgten; Basare, Schulen, Krankenhäuser brennen. Zi­vi­lis­t:in­nen werden getötet. Nach dem 11. September 2001 klammerten sich viele Af­gha­n:in­nen an die Hoffnung, dass die Anschläge von al-Qaida ihr verarmtes, von rückwärtsgewandten Islamisten regiertes Land wieder auf die weltpolitische Agenda gesetzt hatten. Dass der demokratische Westen ihnen helfen würde. Und er kam, versprach freie Wahlen und Frauenrechte. Allerdings wollte der Westen zugleich einen „Krieg gegen den Terror“ führen und brauchte dazu die Warlords mit ihren Milizen als Verbündet. Im Ergebnis entstand eine Fassadendemokratie mit einer korrupten Oligarchie als eigentlichen Machthabern. Der Westen akzeptierte, dass Wahlen gefälscht wurden und fälschte sogar mit. Das brachte den Taliban neuen Zulauf als Antiokku­pations- und Antikorruptionstruppe.

TAZ-online

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Auch wenn sie sich durch alle Clan-Institutionen ihrer Parteien durchsetzen konnten – wird aus einen Versager nie ein Macher werden. Diese sind aus Fleisch und Blut gemacht und machen nicht den Grinse-Kasper.

SPD erhebt schwere Vorwürfe gegen Armin Laschet

4.) Nach Flutkatastrophe: „UNGEREIMTHEITEN“

Nach der Flut im Westen Deutschlands erhebt die SPD Anschuldigungen gegen Armin Laschet (CDU). Er habe Wahlkampf gemacht, statt sich um die Krise zu kümmern. Bei der verheerenden Flutkatastrophe in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz waren mehr als 180 Menschen ums Leben gekommen, Hunderte wurden teils schwer verletzt. Schon kurz nach den Überschwemmungen wurde Kritik am Katastrophenschutz, den Behörden und der Politik laut. Die Sozialdemokraten in NRW erheben nun schwere Vorwürfe gegen die CDU-geführte Landesregierung und Ministerpräsident Armin Laschet. So wirft die SPD-Fraktion im Düsseldorfer Landtag der Landesregierung „Ungereimtheiten“ bei ihren Erklärungen zum Krisenmanagement in der Flutkatastrophe vor und hat sie in einem 24-seitigen Papier zusammengefasst. Die Opposition fragt darin unter anderem, warum die Regierung um Armin Laschet die Menschen nicht gewarnt hat und warum der Krisenstab des Landes nicht aktiviert wurde. Wahlkampftermine statt Krisenstab: Schwere Anschuldigungen gegen Armin Laschet (CDU)

FR-online

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So ist es! Das Wetter kann der Mensch noch nicht machen – aber in einer Demokratie sich seine Verursacher selbst wählen, oder eben nicht! Aber wählen nicht nur die dümmsten Kälber, ihre Metzger selber ? Heute Grün und Schwarz – ist Morgen schon Braun und und das Rot der SPD ist Heute schon Tot? 

Wetter ohne Maß und Mitte

5.) Klimakrise

Berlin und Brandenburg gehören zu den Hotspots der Klimakrise in Deutschland. Als Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz im vergangenen Monat vom Starkregen überflutet wurden, saß der Schock bei vielen Menschen tief. Die Klimakrise – das haben das Tief Bernd, aber auch schon die Hitzesommer seit 2018 deutlich gemacht – betrifft auch Deutschland. Wetterextreme wie anhaltende Starkregen und Hitzewellen werden zukünftig immer häufiger in vergleichbarer Intensität auch in Berlin und Brandenburg auftreten, sagt Peter Hoffmann, Wissenschaftler am Potsdam Institut für Klimafolgenforschung, der sich mit der Veränderung des Wetters in Europa im Kontext globaler klimatischer Veränderungen beschäftigt. »Der Klimawandel begünstigt die längere Andauer von Wetterlagen, die normalerweise schnell von West nach Ost ziehen würden«, erklärt er im Gespräch mit »nd«. Grund sei, dass sich die Arktis schneller erwärme als der Rest der Erde. Das schwäche den Jetstream, ein globales Starkwindband, das eigentlich für den Ausgleich von Hoch- und Tiefdruckgebieten sorgt. Mit abnehmender Windgeschwindigkeit würden Hochs und Tiefs länger an einem Ort verbleiben. Die Folge: lang anhaltende Hitze- und Dürreperioden einerseits und tagelange Starkregen andererseits.

ND-online

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Den Morgengruß an gleicher Stelle – schreibt jeden Tag
„Der freche Bengel“

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