Lügner oder Versager ?
Erstellt von Redaktion am 16. November 2020
Die Methode Caffier
Wann erfolgt die Färbung des Oberlippenbart ?
Von Christina Schmidt und Sebastian Erb
Mecklenburg-Vorpommerns Innenminister Caffier sagt, er habe „arglos“ eine Waffe bei einem Nordkreuz-Mann gekauft. Das weckt Zweifel.
Lange wollte Lorenz Caffier, der CDU-Innenminister von Mecklenburg-Vorpommern, eine einfache Frage nicht beantworten: Hat er bei einem ehemaligen Mitglied der rechten Preppergruppe Nordkreuz eine Waffe gekauft? Monatelang beantwortete seine Pressestelle der taz die Frage mal gar nicht, mal teilweise, offenbar gegenüber der New York Times sogar falsch. Am Donnerstag dann hat Caffier persönlich diese Frage der taz auf einer Pressekonferenz zur Privatangelegenheit erklärt. Das rief bundesweit heftige Kritik hervor. Also entschloss sich Caffier zu einem Interview und sagte dem Spiegel auf die Frage, ob er diese Waffe gekauft habe: „Ja, habe ich.“
Caffiers Antwort wirft nun noch mehr Fragen auf. Darüber, ob er, der Chef der Landespolizei und des Verfassungsschutzes, versucht hat, die Verstrickungen Rechtsextremer in die Sicherheitsbehörden des Landes, aufzuklären. Wie erpressbar es ihn machte, jahrelang diesen Kauf geheimhalten zu wollen.
Am Ende zeigt eine private Pistole, wie fehlende Aufklärung, Halb- und Unwahrheiten dazu führen, dass der Nordkreuz-Komplex bis heute nicht aufgeklärt ist. Sie zeigt auch: Die Politik Caffiers in dieser Sache ist ein einziges Ausweichmanöver. Drei Methoden:
1. Halbwahrheiten verbreiten
Caffier sagt im Spiegel-Interview, er habe „Anfang 2018“ eine Kurzwaffe bei Frank T. gekauft, einem Waffenhändler und Betreiber eines Schießplatzes in Güstrow, auf dem jahrelang Spezialeinheiten der Polizei trainierten. Er habe das „arglos“ getan, denn: „Meinen Behörden und mir lagen Anfang 2018 keine Verdachtsmomente zu der Firma vor.“ Erst 2019 habe das Bundeskriminalamt (BKA) erste Unterlagen zum Nordkreuz-Komplex übermittelt.
An dieser Darstellung gibt es erhebliche Zweifel. Laut Bundesregierung wurde das LKA Mecklenburg-Vorpommern bereits 2017 über die Nordkreuz-Chats informiert, BKA-Unterlagen wurden dann im März 2018 an den Landesverfassungsschutz übermittelt, eine Abteilung im Innenministerium. So steht es in der Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Linken.
Das BKA hatte unter anderem ein Nordkreuz-Mitglied befragt, das von einem ehemaligen Gruppenmitglied namens „baltic shooter“ sprach. Das ist der Name der Firma von Frank T. Auch die taz hatte im November 2018 mit Verweis auf diese Zeugenaussage über Frank T.s Nordkreuz-Mitgliedschaft berichtet.
Auch eine andere Aussage Caffiers im Spiegel-Interview verwundert: Er sagt, er habe 2019 andere Sorgen gehabt, als die Herkunft seiner Waffe. Schließlich sei ein federführendes Nordkreuz-Mitglied jahrelang beim SEK gewesen, Marko G.. Gerade diese Personalie aber führt ganz unmittelbar zu Waffenhändler T. nach Güstrow: Er betreibt einen Schießstand und beschäftigte Marko G. dort zeitweise als Trainer. Bei G. wiederum fanden Ermittler neben einer gestohlenen Bundeswehr-Maschinenpistole tausende Schuss Munition, die aus Polizei und Bundeswehrbeständen entwendet wurden.
Allein im August 2017 waren das mehr als 2.000 Schuss Polizeimunition aus Mecklenburg-Vorpommern und Nordrhein-Westfalen. Mutmaßlich sind diese Patronen bei Schießtrainings in Güstrow abgezweigt worden. Die Ermittlungen dazu führte das Landeskriminalamt. Spätestens diese Nachforschungen wären ein Anlass gewesen, von der Privatpistole zu erzählen.
Die Bereitschaft Caffiers, die Waffenaffäre aufzuklären, dauerte nur kurz an: Nach seinem Interview am Freitag wollte die taz von ihm wissen, wann genau er die Glock gekauft hat; und auch, ob er auf dem Schießplatz in Güstrow Trainings absolvierte – noch eine Frage, die seit Monaten unbeantwortet bleibt. Wir fragen am Freitag nach und noch einmal am Sonntag, per Mail, Telefon und Twitter. Eine Antwort kam erst nach Fristablauf und Redaktionsschluss um 17.40 Uhr: Lorenz Caffier soll demnach die Waffe am 04. Januar 2018 gekauft und am selben Tag auf T.s Schießplatz eingeschossen haben.
Wenn Caffiers Innenministerium und seine Sicherheitsbehörden von den Verquickungen von Frank T. ein halbes Jahr nach den Durchsuchungen nichts mitbekommen haben sollten, haben sie ihren Job nicht gemacht. Schon eine externe Kommission, die von Caffier eingesetzt worden war, stellte fest, dass der Landesverfassungsschutz „offensichtlich über wenig eigene Erkenntnisse verfügt“.
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Lorenz Caffiers Nordkreuz-Verstrickungen:
Sinnbild für Kontrollverlust
Ob die daneben sitzende Clan-Dame wohl heute auch lacht ?
Ein Kommentar von Ulrike Winkelmann
Mecklenburg-Vorpommerns Innenminister ist politisch untragbar. Die demokratische Kontrolle über den Sicherheitsapparat ist ihm entglitten.
Richtung Landtagswahlen im kommenden Jahr hat Lorenz Caffier, Innenminister von Mecklenburg-Vorpommern seit 2006, jüngst seinen politischen Rückzug in Aussicht gestellt. Doch sollten die Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) ebenso wie sein CDU-Landesverband ihm nun besser nahelegen, diesen Abgang schleunigst vorzuziehen. Caffier kann nicht mehr glaubwürdig gegen das schlammbraune Milieu im Polizeiapparat vorgehen. Dummerweise steht er mit einem Fuß sogar selbst drin.
Denn der Schießplatzbetreiber, bei dem Caffier seine Waffe, wie er meinte, „privat“ gekauft hat, ist einerseits in Sicherheitskreisen prominent und rühmt sich selbst bester Beziehungen zum Minister. Auf seinem Schießplatz in Güstrow trainierten Landesbeamte; der Minister stand bei Schießwettkämpfen Pate.
Andererseits lagen Caffiers Ministerium zum Zeitpunkt des Kaufs ja schon Hinweise vor, dass ebendieser Schießplatz Knotenpunkt des „Nordkreuz“-Netzwerks war, in dem man sich darauf vorbereitete, nach einem Umsturz die Bundesrepublik von MigrantInnen und Linken zu säubern. Munition war schon reichlich gestohlen, Leichensäcke waren gestapelt worden.
Deutsche Sicherheitskräfte waren in diesem Klub gut vertreten. Caffier ließ die staatlichen Eliteschützen also an einem Ort ausbilden, wo auch einige seiner Männer sich in groteske Endzeit- und Vernichtungsfantasien hineinballerten und das Grundgesetz als irgendeine Fabel aus dem Abendland galt. Dass der Schießplatzbetreiber auf diese Weise über Jahre viel zu tiefen Einblick in den Sicherheitsapparat erhalten konnte, rügte vergangenes Jahr eine Kommission, die Innenminister Caffier selbst eingesetzt hatte.
Quelle : TAZ >>>>> weiterlesen
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Grafikquellen :
Oben — Lorenz Caffier im Plenum des Landtages Mecklenburg-Vorpommern im März 2019.
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Unten — Plenarsitzung des Bundesrates am 12. April 2019 in Berlin.
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- File:2019-04-12 Sitzung des Bundesrates by Olaf Kosinsky-0066.jpg
- Created: 12 April 2019
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