DEMOKRATISCH – LINKS

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RENTENANGST

Archiv für August 26th, 2020

Forum für einen Faschisten

Erstellt von Redaktion am 26. August 2020

Björn Höcke im Sommerinterview

Von Andreas Speit

Der MDR lädt den AfD-Politiker Höcke zum Sommerinterview. Was zeigt das? Die fehlende Lernfähigkeit im Sender.

Die rechtsextremen Positionen Björn Höckes zeigen Wis­sen­schaftler:innen schon seit Jahren auf. Im September 2019 ließ das Verwaltungsgericht Meiningen die Bezeichnung „Faschist“ für den Thüringischen AfD-Landtagsfraktions- und Landesvorsitzenden im Rahmen der Meinungsfreiheit zu. Im März 2020 sah das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) in Höcke eine der „rechtsextremen Führungspersonen“ im ehemaligen „Flügel“.

Keine dieser Bewertungen konnte den Mitteldeutschen Rundfunk (MDR) mit seiner Intendantin Karola Wille beeindrucken. Am Dienstag um 11 Uhr lud der Sender den Rechtsextremisten zum „Sommerinterview“, das live über Youtube und Facebook verfolgt werden konnte. In der gut eine halbe Stunde langen Sendung fragte Lars Sänger durchaus nach.

Der Journalist wollte von Höcke wissen: Ob er sich im Bundesvorstand der Partei vor der Verantwortung drücke, da er nicht kandidiert hatte. Ob der „Flügel“ wirklich aufgelöst sei. Ob es nicht unpassend sei, zu einer Querdenker-Demo aufzurufen wenn NPD und Der Dritte Weg mitaufriefen. Ob er unter einem Pseudonym für rechtsextreme Zeitungen geschrieben habe oder ob ihn die AfD noch lange halten könne?

Fragen, die Höcke nicht verlegen machten, zum Teil weil er sie schlicht nicht beantwortete. In weißem Hemd und blauer Hose antwortete er meist gelassen, betonte, dass der Landesverband durch seine Politik die AfD-Bundespolitik vorantreibe. Erklärte, dass die „Gesinnungsgemeinschaft“ des Flügels keine Organisation sei, aber die Personen noch immer in der Partei seien – sowie dass bei Demonstrationen alle sich gemein machen könnten, nur bei Verstoß gegen Auflagen könne eingeschritten werden.

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Kritik im Vorfeld der Sendung

Bei dem Gespräch aus dem Foyer des Funkhauses in Erfurt gerieten Sänger und Höcke nur aneinander, wenn Sänger nachfasste oder Höcke ausholen wollte. Bei Fragen zu Parteikonflikten wiegelte Höcke ab, Parteien seien eben leider Parteien. Nicht die AfD-Querelen seien das Problem in Deutschland, sondern die „Gott-Kanzlerin Merkel“, die auch mit der Rückabwicklung der Wahl von Thomas Kemmerich zum Ministerpräsidenten der Demokratie schweren Schaden zugefügt habe.

Bei fast jeder Frage zur AfD oder zur Causa Andreas Kalbitz erklärte Höcke, dass die AfD aus der Selbstbeschäftigung herausfinden müsse. Um erst auf Nachfrage zu betonen, dass der Rauswurf von Kalbitz, seines engen Mitstreiters, ein Fehler sei und die Parteibasis die Verantwortlichen zur Rechenschaft ziehen würde.

Quelle       :        TAZ       >>>>>       weiterlesen

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Grafikquellen       :

Oben          —      MDR headquarters in Leipzig

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Unten     —         Election night Thuringia 2019: Björn Höcke (AfD)

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Die Arbeit der Erinnerung

Erstellt von Redaktion am 26. August 2020

Form des Widerstands und der Befreiung

File:Dokuzentrum KZ Belsen Innen.jpg

Quelle      :    untergrundblättle ch.

Von Hans Christoph Stoodt

Vom 11. bis 17. August bereiteten sich etwa 100 Angehörige der Gruppe „Lebenslaute“ eine knappe Woche lang und unter strikter Beachtung der Corona-Hygieneregeln mit Chor- und Orchesterproben, Diskussionen und Aktionstrainings auf das Ziel ihrer diesjährigen Aktion vor: „Mit Klang und Schall – entwaffnet Rheinmetall!“

Nach der gelungenen mehrstündigen Blockade der Zufahrten des Rüstungsunternehmens in Unterlüss / Südheide und einer öffentlichen Abschlussdiskussion im Bürgerpark des Ortes machten sich etwa 30 Aktivist:innen noch einmal auf den Weg. Ihr Ziel waren die heute kaum noch zu findenden Reste des ehemaligen Aussenlagers des KZ Bergen-Belsen, Tannenberg. Der Ort liegt heute mitten im Wald in unmittelbarer Nähe der Siedlung Altensothrieht an der L280.

 Im vergangenen Jahr hatten dort Mitstreiter:innen von „Rheinmetall Entwaffnen Rhein-Main“ einen Weg der Erinnerung zwischen Tannenberg und dem 4 km entfernt liegenden Rüstungsbetrieb Rheinmetall markiert und mit Aufschriften „Nie wieder Faschismus – nie wieder Krieg! versehen, einen Gedenkstein in Tannenberg gesetzt, Erinnerungstafeln aufgestellt, Stoffstreifen an Bäumen mit den Namen von Häftlingen an den Bäumen entlang des Wegs angebracht.

 Dies alles sollte daran erinnern: im KZ-Aussenlager Tannenberg waren während des Faschismus etwa 900 jüdische Frauen aus Osteuropa inhaftiert. Sie wurden zur Zwangsarbeit bei Rheinmetall eingesetzt. Viele starben an den Haft- und Arbeitsbedingungen. Die Überlebenden wurden, nachdem die SS im April 1945 vor der herannahenden britischen Armee geflohen war, von der ortsansässigen Bevölkerung auf eigene Faust ins nahe Bergen-Belsen transportiert, um mit ihnen lästige Zeuginnen der Behandlung von Zwangsarbeiterinnen loszuwerden.

 Jahrzehntelang war von diesen Ereignissen nirgends etwas zu hören. Edith Balas, eine der Inhaftierten, berichtet in ihrer 2013 erschienen Autobiographie „Vogel im Flug“ von „Leben“ und Ende des Lagers Tannenberg, sie berichtet von ihrem Versuch, Jahrzehnte später mit der Gemeinde Unterlüss Kontakt aufzunehmen und wie dieser Versuch scheiterte.

 In dieses Bild passt der Umgang vor Ort mit dem Beginn eines Gedenkorts in Tannenberg durch die Arbeit der Aktivist:innen von „Rheinmetall entwaffnen Rhein-Main“ im Sommer 2019: es vergingen nur 24 Stunden, bis der Gedenkstein zertrümmert, die Stoffstreifen abgerissen, die Markierungen des Gedenkwegs mit schwarzer Farbe übermalt waren. Dokumentationszentrum KZ Bergen-Belsen Innenansicht Aktives Zerstören der Erinnerung war das Ziel dieses Vandalismus. Angesichts dessen war es etlichen Musiker:innen von „Lebenslaute“ in diesem Jahr wichtig, zum Schluss der Blockade gegen Rheinmetall auch nach Tannenberg zu gehen. Wir sangen und spielten die zwei jiddischen Lieder „Dos Kelbl“ und „Mir lebn eibik!“ hörten den Bericht eines Vertreters der Antikriegsbewegung und VVN der Lüneburger Heide, der die Wichtigkeit der Verteidigung dieses Gedenkorts betonte sowie zwei weitere kurze inhaltliche statements.

Eines davon folgt hier in einer überarbeiteten Fassung. Es bezieht sich auf die Bedeutung der Erinnerung als aktive Widerstandsform.

„Vergessen zu wollen verlängert das Exil, aber das Geheimnis der Erlösung heisst Erinnerung“

Dieser Satz des jüdischen Mystikers Baal Shem Tov (1698 – 1760) wurde und wird in den letzten Jahren immer wieder bei Gelegenheiten feierlichen Gedenkens zitiert, nachdem Bundespräsident Richard von Weizsäcker ihn in seiner historischen Rede zum 40. Jahrestag der Befreiung Europas von Faschismus und Krieg am 8. Mai 1985 vor dem Bundestag aussprach.

 Jüdischer und christlicher Impuls in der Bibel versteht unter „Erlösung“ etwas umfassendes, konkretes, sowohl individuelles als auch gesellschaftliches. Heute wirkt dieser Begriff fremdartig, wie aus einer Art religiöser Sondersprache entnommen. Was bedeutete er ursprünglich? Sowohl im Alten als auch im Neuen Testament steht das ursprachliche Wort anstelle der deutschen Übersetzung „Erlösung“ für den Vorgang des Loskaufs aus der Schuldsklaverei. Wenn jemand die Schulden bezahlt, die ich selber nicht zurückzahlen kann und deshalb nach damaligem Recht mitsamt meiner Familie Sklave werde, bis ich meine Schulden abgearbeitet habe, dann bezeichnet das die Bibel mit einem hebräischen oder griechischen Wort als „Erlösung“.

Wir würden das heute deshalb anders ausdrücken: gemeint ist Befreiung – rechtlich, persönlich, umfassend. Ich bin befreit von den Lasten meiner Vergangenheit. Ich kann als freier Mensch wieder gleichberechtigt unter anderen freien Menschen leben, kann mitdenken, mitfühlen, mitentscheiden wie wir leben wollen – zum Beispiel in einer geschwisterlichen Republik der Freien und Gleichen, in der Arbeit, Frieden und Liebe strukturell für alle möglich und gemeinsame Grundlage des Lebens sind.

 Wenn ich dagegen als Sklave lebe und mich daran gewöhne, wenn ich mich einrichte in meiner Sklaverei, wenn ich das Risiko der Freiheit scheue, dann vergesse ich, was Freiheit war. Diesen Zustand der schläfrigen Zufriedenheit mit unmenschlichen Zuständen nannte Baal Shem Tov „Exil“. Sie aufrecht zu erhalten bedarf der Freiheitsvergessenheit. Das ist nur möglich, wenn ich mich nicht erinnere, wer ich eigentlich war und bin.

Datei:Memorial place - Nazi labour camp Walldorf - Airport Frankfurt - Züblin - KZ-Außenlager Walldorf - Flughafen Frankfurt - 01.jpg

 Sich zu erinnern, gewiss auch unter Scham, Wut und Schmerz, sicher oft im unvermeidlichen Konflikt um den richtigen Weg, das ist der Anfang des Exodus aus der Sklaverei, des Wegs in die Freiheit. Erinnerung: das ist das liebevolle und zugleich unnachsichtige Achten der Wunden, der unwiderbringlichen Verluste, auch der eigenen Verantwortung und Anteile an Sklaverei, Unrecht und Lebensfeindlichkeit. Sie darf nicht als individuelle wellness verharmlost werden. Dokumentationszentrum KZ Bergen-Belsen Innenansicht Sie ist für alle da oder für niemanden: ein Unrecht gegen eine/n ist ein Unrecht gegen alle. Erinnerung – das ist die manchmal mühsame Arbeit, erneut im Rück- und Vorblick auszufechten: wie wollen wir leben? Wo kamen wir her – und wo wollen wir hin? Die Alternativen Sklaverei oder Freiheit sind der Kompass auf diesem Weg.

 Das Geheimnis der Befreiung ist Erinnerung. Erinnerung ist eine unentbehrliche Form des Widerstands.

Soweit nicht anders angegeben und keine Quellenangabe (Name einer Organisation oder Internet-Adresse) vorhanden ist, gilt für die Texte auf dieser Webseite eine Copyleft (Public Domain) Lizenz.

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Grafikquellen      :

Oben         —        Dokumentationszentrum KZ Bergen-Belsen Innenansicht

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Attribution: Hajotthu

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Unten      —         Denkmal – Arbeitslager Walldorf / Flughafen Frankfurt – Außenstelle des KZ Natzweiler-Struthof. In Betrieb von August bis Dezember 1944. Im Lager waren bis zu 1700 ungarische Jüdinnen interniert, die Zwangsarbeit auf einer Baustelle der Firma Züblin zum Bau einer Rollbahn am Flughafen Frankfurt verrichten mussten. Etwa 50 Frauen überlebten die 4-monatige Lagerzeit nicht. Von den restlichen Frauen überlebten nur etwa 300 die weitere Deportation und das dritte Reich.

Urheber Norbert Nagel

Diese Datei ist unter der Creative-Commons-Lizenz „Namensnennung – Weitergabe unter gleichen Bedingungen 3.0 nicht portiert“ lizenziert.

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Für neuen Schwung und

Erstellt von Redaktion am 26. August 2020

einen Aufbruch der LINKEN in NRW

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Quelle       :      AKL

Von – Antrag der AKL NRW zum Landesparteitag in NRW am 26./27.09.2020.

DAS KAPITALISTISCHE SYSTEM STELLT SICH IN FRAGE –

WIR SOLLTEN ES AUCH TUN

Am 26. Und 27. September 2020 wird der Landesparteitag der LINKEN-NRW stattfinden. Er wird sich mit der politischen Lage in der „Corona-Krise“, mit den Ergebnissen der zwei Wochen zuvor stattfindenden Kommunalwahlen in NRW sowie mit der Wahl eines neuen Landesvorstandes beschäftigen. Sicher werden die kommenden Bundestagswahlen ein Jahr später auch schon eine Rolle spielen.

Der Landesvorstand der LINKEN-NRW hat mehrheitlich beschlossen, dass er zu diesem Parteitag keinen politischen Leitantrag zur Beratung und Abstimmung vorlegen wird. Wir halten diese Entscheidung für falsch und schlecht. In den letzten Monaten, und auch in den zwei Jahren Amtszeit des jetzigen Landesvorstands, ist sehr viel passiert, angesichts dessen sich die LINKE-NRW in vielen Fragen neu oder deutlicher positionieren sollte.

Wir stellen unsere Vorschläge dazu hier vor und rufen zu Unterstützung dieses Antrages (oder eines auf dieser Grundlage aktualisierten Antrags) auf dem Landesparteitag auf.

1.

Zum zweiten Mal in der jungen Geschichte der Partei DIE LINKE ist das kapitalistische Wirtschaftssystem weltweit in eine tiefe, alle Bereiche der Gesellschaft erfassende Krise geraten. Wie bereits in der sogenannten Finanzkrise von 2008/2009 zeigen alle üblichen Parameter des Zustands der kapitalistischen Gesellschaft in den Minusbereich: Das  „Wirtschaftswachstum“, das heißt Umsatz und Profite, internationale Märkte, Aktienkurse, Währungsstabilität, staatliche und private Verschuldung, Beschäftigung und soziale Sicherungssysteme sowie diverse weitere Kennzeichen mehr, rutscht in einen seit 1930 noch nie da gewesenen Abgrund.

Auslöserin der aktuellen Krise ist eine von einem neuartigen Virus verursachte Pandemie. Dass solche Viren vom Wildtier auf den Mensch überspringen und sich explosionsartig ausbreiten können, hat ebenfalls viel mit der kapitalistischen Wirtschaftsweise zu tun.

Aber die Auslöserin ist nicht die Ursache. Die heute vorherrschende weltweite Wirtschaftsweise steht schon lange unter dem Druck einer dreifachen Krise: Die Übersättigung der Märkte und eine daraus folgende übliche Konjunkturkrise bei Absatz und Profit; eine technologische Krise im Zuge des Einzugs der Informationstechnologien in alle Bereiche der gesellschaftlichen Produktion und eine Strukturkrise der kapitalistischen Produktionsweise generell, die Klima und Biosphäre nachhaltig bedroht und zerstört, Rohstoffe bis zur Erschöpfung ausbeutet und durch Urbanisierung und Zurichtung der gesamten Umwelt im Interesse einer privatisierten Profitmaximierung die Grundlagen jeglichen Lebens von Menschen und Natur untergräbt.

Die herrschende Politik hat auch in dieser neuen Krise ihre Ideologie von Neoliberalismus, Schuldenbremse, Privat vor Staat und ähnliche Kampfparolen scheinbar vergessen.

Der Staat soll es plötzlich wieder richten. Selbst von Verstaatlichung ist die Rede, wenn auch in einer Weise, wie am Beispiel der Lufthansa zu sehen, in der dem privaten Unternehmen Staatshilfe in einer Höhe zugeschoben wird, die mehr als das Doppelte des aktuelle Börsenwerts des Unternehmens ist, ohne weitere Einmischung der „Politik“ in den Geschäftsbetrieb.

Die Umstellung ganzer Produktionslinien zu sinnvollen und notwendigen Produkten scheint plötzlich in Zeiträumen möglich, die sich selbst Umweltschützerinnen und Umweltschützer nicht im Traum vorstellen konnten.

Gemeinsinn, Solidarität, breitestes Mitmachen aller Menschen bei gesellschaftlichen Lösungen sind in aller Munde und stehen im Kontrast zu den bisher üblichen Individualismus und Egoismus

Wir wissen heute nicht, wie weit sich diese krisenhafte Entwicklung noch zuspitzen wird. Aber wir stellen fest, dass sich das kapitalistische System selber in einem Umfang in Frage stellt, wie es lange nicht mehr geschehen ist. Das bietet für die politische Linke und für die Partei DIE LINKE insbesondere, große Chancen, sich als politische Gesamtalternative zu allen anderen, den Kapitalismus liebenden und pflegenden Parteien einzubringen. Chancen und Herausforderungen, die aber – so ist auch die Erfahrung der letzten großen Krise von 2008 – nur kurze Zeit vorhanden sein werden.

2.

Die „Corona-Krise“ im engeren Sinne ist noch nicht vorbei. Die Aufhebung der Maßnahmen zur Pandemie-Bekämpfung bleibt ein Risiko.

Es war und ist richtig, dass die LINKE sich angesichts der Krise nicht in eine „Allparteienregierung“ und Notstands-Allianz hat einbinden lassen.

Sämtliche Maßnahmen der Regierung haben den Klassencharakter der kapitalistischen Gesellschaft nicht nur offenbart, sondern meistens auch vertieft.

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– Die ökonomischen Rettungspakete waren und sind ungerecht. Den privaten Unternehmen werden Subventionen und Kredite gewährt, ohne irgendeine Gegenleistung in Form von mehr politischem Einfluss der Beschäftigten und des Staates. Die Lohnempfängerinnen und Lohnempfänger sind millionenfach in Kurzarbeit geschickt worden und bezahlen dies mit hohen Einkommensverlusten, anstatt einen Ausgleich von nahezu 100 Prozent zu erhalten. Die Beschäftigten in „gesellschaftlich relevanten“ Dienstleistungen in Pflege, Einzelhandel und Logistik werden verschärft ausgebeutet, anstatt eine sofortige und dauerhaft Erhöhung ihrer Löhne zu erhalten.

– Die Mütter und Väter müssen fast in Eigenregie die Betreuung ihrer Kinder sicherstellen, auch dann, wenn sie zu den „relevanten“ Beschäftigten zählen. An eine bezahlte Freistellung für die gesamte Dauer der Sondermaßnahmen wird nicht gedacht. Die Hauptlasten der Krise im Alltagsleben tragen dabei Frauen, nicht nur als Beschäftigte in „relevanten“ Berufen, sondern auch in den Familien, wo sie in die traditionelle Frauenrolle zurückgezwungen werden.

– Nur ein kleiner Teil der prekär Beschäftigten und der Soloselbstständigen erhält Ausgleichzahlungen für die entgangenen Aufträge und die nur in nicht ausreichendem Umfang. Studierende, Minijobber, Hartz-IV- und Arbeitslosengeld-Beziehende gucken fast völlig in die Röhre – anstatt auch ihre Transferzahlungen zu erhöhen und die Bezugsdauer zu verlängern.

– Räumungsverbote bei Mietschulden; Strom- und Gassperren werden nur sehr geringfügig umgesetzt, in vielen Städten laufen die ausgrenzenden Maßnahmen ungehindert weiter. Wohnungslose werden mit allen neuen medizinischen Problemen alleingelassen, ihre Anlaufpunkte in der Stadt oft geschlossen. Die LINKE fordert zurecht gerade für diese Menschen sofortige Sonderprogramme, um die katastrophalen Folgen der Pandemie in diesen Sektoren zu verhindern.

–  Die Pandemie-Eindämmungsmaßnahmen treffen die Ärmsten weiterhin am schlimmsten. Die Behandlung der geflüchteten Menschen, insbesondere in den Lagern an den EU-Außengrenzen, ist ein Skandal. Die LINKE besteht auf der sofortigen Auflösung der Lager und Sammelunterkünfte und die Unterbringung der Geflüchteten in gesunden und menschenwürdigen Wohnungen. Ebenso krass sind die Auswirkungen der Pandemie-Politik der Regierungen in den armen Ländern. Die weltweite Ungerechtigkeit des kapitalistischen Systems, das auch im „Normalzustand“ und täglich in unerträglicher Weise tötet, wird in der Pandemie noch einmal verschärft.

Der verordnete Stillstand hat zu einer Ausweitung der Einschränkungen der demokratischen Rechte für alle Menschen, aber vor allem für die politische Opposition geführt.

Die LINKE hat zurecht kritisiert, dass dies nicht immer begründet war und auf jeden Fall nur zeitlich befristet gelten darf.

Insbesondere in den Betrieben müssen die Belegschaften in die Entscheidungen mehr einbezogen werden. Das in Fragen des Gesundheitsschutzes bereits bestehende faktische Veto-Recht muss umfassend ausgebaut werden. Die LINKE steht auf der Seite der Belegschaften, wenn diese notfalls mit Streik für die Einhaltung der Gesundheitsvorschriften kämpfen.

3.

Jetzt stehen wir mitten in der Auseinandersetzung darüber, wer die Kosten für die tiefe Krise des Kapitalismus zahlen soll. Die Haltung der LINKEN muss kompromisslos auf den Seiten der Beschäftigten und Erwerbslosen, der Prekarisierten, der Kinder und Alten und der armen Menschen in aller Welt sein.

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– Kein Wiederanfahren der Produktion und keine Wiedereröffnung von öffentlichen Einrichtungen ohne dauerhaften besseren Gesundheitsschutz und verbesserte Kontrollmöglichkeiten durch die Betroffenen.

– Mehr Geld in den Gesundheits- und Pflegesektor und weitere Verstaatlichungen und Rekommunalisierung der Einrichtungen. Dauerhafte Arbeitszeitverkürzungen und ausreichende Mindestpersonalschlüssel.

– Keine Subventionen und Rettungspakete für die privaten Unternehmen ohne Ausbau der Mitbestimmung und öffentlichen Kontrolle, was mit dem Geld passiert.

– Verstaatlichung und zügige Vergesellschaftung der gesamten Daseinsvorsorge, von der Gesundheitsversorgung, über die Erziehung und Bildung, Wohnen, Mobilität, Energieversorgung, Müllentsorgung bis zur Kultur und Sport.

– Dauerhafte Umstellung von klima- und gesundheitsschädlichen Produktionen auf gesellschaftlich nützliche Produkte. Investitionskontrolle von Beschäftigten und Verbraucherinnen und Verbrauchern und ihren Verbänden.

– Das Recht auf eine menschenwürdige Wohnung muss gerade in der Krise durchgesetzt werden. Verbot von Zwangsräumungen sowie Sperrungen von Gas, Strom und Wasser.

– Kinderbetreuung und Schulen müssen auch im Krisenmodus funktionsfähig bleiben. Wir fordern kleine Gruppen und Klassen sowie Lernmittelfreiheit für alle Kinder, dazu gehört auch die Ausstattung mit digitalen Endgeräten.

– Auch in der Gesundheitskrise keine personifizierte Kontrolle und Überwachung. Mehr demokratische Rechte und Transparenz sind auch jetzt erforderlich und machbar.

Die Pandemie-Krise hat in aller Deutlichkeit aufgezeigt, dass das zentrale Projekt des europäischen Kapitals, die Europäische Union, noch einmal an seine Grenzen gestoßen ist. Ein gemeinsames Europa aller Völker ist ohne eine grundlegende Solidarität mit sozialen Rechten für alle, mit gemeinsamer Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik nicht zu haben. Die real existierende EU ist nicht zu retten. Die LINKE wird sich weiterhin für eine grundlegende Änderung, mit neuen Verträgen und einem neuen Grundverständnis der EU einsetzen.

4.

Die Umverteilung des Reichtums ist in der Krise nötiger denn je.

Die „Schwarze Null-Politik“ und die Schuldenbremse müssen endgültig vom Tisch.

Wir wollen eine einmalige Sofortumlage für große Vermögen. Für wollen eine dauerhafte Reichensteuer und eine gerechtere Einkommensbesteuerung, die untere und mittlere Einkommen entlastet, die oberen Einkommen mehr zur Finanzierung des Öffentlichen heranzieht. Das Wahlprogramm der LINKEN ist in dieser Hinsicht eine Anleitung für Sofortpolitik.

Die LINKE steht für Haushaltsumverteilungen. Es ist ein Skandal, dass auch heute noch große Rüstungsgeschäfte stattfinden und an der Zielsetzung von 2 Prozent des Bruttoinlandsproduktes für Rüstung festgehalten wird. Stattdessen ist ein umfassendes Investitionsprogramm für gesellschaftliche notwendige Dinge aufzulegen: Für die Schulen und Universitäten, die Krankenhäuser, den Verkehrssektor und zur beschleunigten Fortsetzung des Klimaschutzes.  Auch muss die Produktion von Lebensmitteln auf eine nachhaltige, wasser-, boden- und klimaschonende Basis gestellt werden.

Die LINKE setzt sich gerade in der Krise für eine gerechtere Verteilung der Arbeit ein. Wir sind für deutliche Arbeitszeitverkürzung für Alle ohne Einkommensverluste. Wir sind für Mindestpersonalschlüssel in allen Bereichen der Pflege und Erziehung.

Auch die Umwelt und das Klima dürfen nicht für die neue Krise bezahlen. Umwelt- und Klimaschutz dürfen nicht gestoppt, sondern müssen beschleunigt werden. Die gerade wieder ansteigenden Versuche der Unternehmen und ihrer Lobby, die Klimaschutzvereinbarungen aufzukündigen und zu minimieren, müssen mit aller Macht und von den Gewerkschaften und der Umweltbewegung gemeinsam zurückgewiesen werden.

5.

In Nordrhein-Westfalen haben gerade Kommunalwahlen stattgefunden.

Die LINKE hat gezeigt und wird es immer wieder zeigen, dass es auch auf kommunaler Ebene unerlässlich ist, die „Systemfrage“ zu stellen.

Die kommunale Selbstverwaltung leidet unter einer gravierenden Unterfinanzierung. Sie muss sofort durch eine bessere Finanzausstattung und Befreiung von Altschulden für eine Politik im Interesse der Bürgerinnen und Bürger in die Lage versetzt werden.

Die Handlungsfähigkeit der Kommunen ist zudem durch das Übergewicht der Verwaltungen und die Einschnürung durch Europa-, Bundes- und Landesgesetze fast komplett beschnitten.

Die politische Arbeit in der Kommune ist die wichtigste Aufgabe der LINKEN, die in der Vergangenheit manchmal vergessen wurde. Aber diese Aufgabe darf nicht verwechselt werden mit Versinken in kommunal-parlamentarischen Strukturen, Räten, Ausschüssen und Delegationen. Gerade in der Zeit der Corona-Krise erlebten wir, wie wichtig die Eroberung von autonomer politischer Handlungsfähigkeit an der Basis der Gesellschaft ist. Die LINKE muss sich als gesellschaftliche, nicht nur als parlamentarische Alternative aufbauen. Unsere Bündnispartnerinnen sind dabei die sozialen Bewegungen – Frauen-, Klima-, Umwelt- und Mieter*innenbewegung, die Solidaritätsstrukturen mit Geflüchteten und Benachteiligten und allen voran die älteste soziale Bewegung, die Gewerkschaften.

6.

Eine wirklich systemkritische und oppositionelle linke Partei erfordert Mitgliederstrukturen, die mehr Teilhabe ermöglichen als die der gegenwärtigen LINKE-NRW. Die Wahlumfragen für die LINKE schwanken stark. Momentan sind die Parteien der Regierung als verantwortliche Krisen-Managerinnen in aller Munde, die Opposition, und natürlich eine nicht im Landtag vertretene Partei wie die LINKE besonders, ist kaum zu sehen und zu hören. Gleichzeitig wird die LINKE als grundsätzliche politische Alternative im hohen Maße durch ihre bundesweite Aufstellung wahrgenommen – und auch die ist von sehr unterschiedlicher Attraktivität und Ausstrahlung.

Die 15 Jahre erst WASG und PDS und später DIE LINKE haben eine Erfahrung bestätigt: Eine linke systemoppositionelle Partei lässt sich nicht allein mit Wahlkämpfen aufbauen. Damit können ein in realen gesellschaftlichen Auseinandersetzungen erworbenes Ansehen und soziale Verankerung nur verstärkt und bestätigt werden.

File:Berlin, May-2020 (49904903223).jpg

Die tägliche Arbeit im Stadtteil, als Aktivist oder Aktivistin in Schulen und Universitäten, als Belegschaftsvertreter und -vertreterin, als kämpferisches Mitglied in den Gewerkschaften und als Mitstreiter und Mitstreiterin in Frauen-, Friedens-, Klima- oder der Bewegung für Bürgerrechte verblasst heute in der LINKEN leider gegenüber der parlamentarischen Arbeit, selbst noch auf der untersten bezirklichen Ebene. Letztere scheint das politisch Erstrebenswerteste zu sein, und wird oft genug durch beachtliche materielle Privilegien noch aufgewertet. Das muss sich umkehren, wenn die LINKE zu einer attraktiven Partei werden will, auf die sich die gesamte linke kritische Opposition beziehen kann und bezieht.

Seit Jahrzehnten spricht die politische Linke zurecht von einem außerparlamentarischen Stand- und einem parlamentarischen Spielbein. Auch in NRW war das lange Zeit die Basis für die politische Anerkennung als linke, umfassende Opposition zum Kapitalismus.

Wir müssen dieses Verhältnis wiederherrichten, und das gelingt nur durch bewusstes Handeln. Deshalb treten wir für eine Befristung der parlamentarischen Mandate für LINKE-Mitglieder ein. Die in der Satzung der LINKEN für Parteiämter vorgesehenen acht Jahre sollten auch als Höchstgrenze für parlamentarische Mandate oder kommunale Wahlämter eingeführt werden.

Wir glauben auch, dass sich die in der LINKEN-NRW praktizierte Trennung von Parteiamt und Parlamentsmandat bewährt hat und keinesfalls aufgeweicht werden sollte, sondern auch auf der kommunalen Ebene Anwendung finden muss. Auch die Ämterhäufung ist ein Kennzeichen der Parteien, die politisch das Gegenteil der LINKEN wollen, und sollte in allen Landesverbänden und auf allen Ebenen der LINKEN geächtet werden.

Eine linke Partei lebt von einer Basisdemokratie von Unten nach Oben. Auch da ist in den letzten 15 Jahren viel ins Negative verschoben worden. In unserem Erfurter Grundsatzprogramm wird zu Beginn zurecht das berühmte Gedicht von Bert Brecht über „Fragen eines lesenden Arbeiters“ zitiert. Wir wollen damit ausdrücken, dass eine linke Partei keine geborenen Autoritäten und ewige Prominenz verträgt. Unsere Heldinnen und Helden sind die Aktiven in den Stadtteilen und den sozialen Bewegungen, die Belegschaftsvertreterinnen und -vertreter in den Betrieben – und nicht die von der bürgerlichen Presse gehypten Promi-Personen aus dem Bundestag, den Talkshows und Quizsendungen. Und auch nicht die Professoren*innen und selbst ernannten Expert*innen.

Wir müssen auch hier eine bewusste Anstrengung unternehmen, dass die Mitgliederdemokratie belebt wird, mit Mitgliedern, die einsatzbereit und nicht scharf auf Privilegien sind; mit Parteigremien, die mutig und risikobereit sind; mit Parteitagen, die keine Akklamationsveranstaltungen, sondern diskutierende, demokratische Versammlungen sind. 

UnterzeichnerInnen:

akl - Antikapitalistische Linke

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Grafikquellen        :

Oben         —      Cologne, Germany: Participants of Cologne Pride Parade 2016

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2.) von Oben        —      Coughs and Sneezes    –    Husten und Nießen (Ministerium für Gesundheit (Spahn)    —   Erziehung in der Öffentlichkeit

Central Council for Health Education (publisher/sponsor), Ministry of Health (publisher/sponsor), Bateman, Henry Mayo (artist), Chromoworks Ltd, Willesden, London (printer), Her Majesty’s Stationery Office (publisher/sponsor)http://media.iwm.org.uk/iwm/mediaLib//138/media-138605/large.jpg This is photograph Art.IWM PST 14158 from the collections of the Imperial War Museums.

  • Gemeinfrei
  • File:Coughs and Sneezes Spread Diseases Art.IWMPST14158.jpg
  • Erstellt: zwischen 1939 und 1945 date

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3.) von Oben       —     Büro des LINKE-Kreisverbandes an der August-Bebel-Straße in Bielefeld

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Rassis- und Faschis- mus

Erstellt von Redaktion am 26. August 2020

Mentale Defizite –
notwendige Bedingung für den Faschismus?

Carriers of the New Black Plague.jpg

Quelle       :        Scharf  —  Links

Von Franz Witsch

(…) während es bei seelischen Krankheiten auch und gerade darauf ankommt, das Kranke im sogenannten normalen Menschen (…) freizulegen (DP3, S. 90).

1. Die Tatsachen werden immer gegen uns sprechen

Entfremdung, also Menschen, die mit sich selbst nicht im Reinen, ist notwendige Bedingung menschlicher Entwicklung; sie verweist auf mentale Defizite im Innenleben; die wiederum von negativen Gefühlen aufgrund unvermeidlicher Differenzen von Innen und Außen zeugen, die das Subjekt als fremd in sich selbst erlebt (vgl. T01, S. 2-5); verbunden mit einer fragile Identität, durch die das Subjekt frei nach Adorno mit sich selbst nicht identisch ist. Das gilt es – in gewisser Weise methodisch – zu verhehlen oder zu verstecken vor anderen wie vor sich selbst, vor allem vor Öffentlichkeit. Dort sehen Menschen schnell ihre Persönlichkeitsrechte in Gefahr, um zu verhehlen, dass sie nicht in der Lage sind, Konflikte und daraus erwachsende negative Gefühle zureichend zu kommunizieren. Verständlich, kommen mit negativen Gefühlen doch Intimitäten zur Sprache, die das Innenleben allzu peinlich tangieren, enthalten in Texten oder Äußerungen, die Subtexte mit sich führen, die oftmals mehr verraten als es einem Autor von Texten oder Sprecher von Äußerungen lieb ist. Das trifft nicht weniger auf so manchen E-Mail-Verkehr zu oder darauf, wie Begriffe in Texten, Äußerungen oder E-Mails verwendet werden.

Das nicht zu reflektieren, ob nun mehr oder weniger bewusst, oder es einfach nur nicht zu können, wie dies im “Modus psychischer Äquivalenz” (T01, S. 2f) in einer Borderline-Persönlichkeitsstörung, aber auch bei Menschen, die nicht als psychisch krank gelten, zum Ausdruck kommen kann, könnte wesentliche Bedingung sein, dass faschistische Strukturen entstehen [2], geht der Faschismus doch schwanger mit einer ganz bestimmten Art zu mentalisieren bzw. das Innenleben zu gestalten (ebd.), die – moralisch motiviert – darin besteht, im Gute-Böse-Schema zu fühlen, denken und sprechen (handeln), wobei die Bestrafung als solche sekundär ist; primär ist, negative Gefühle abzureagieren oder in anderen Menschen zu entsorgen. Das passiert aus sozialen Strukturen heraus, die weitgehend als “normal” wahrgenommen werden. So wird es als “normal” angesehen, Menschen Gewalt anzutun, so wenn der Staat ihnen mit Hilfe der Hartz-IV-Gesetze eine Arbeit aufnötigt, die sie sich nicht selbst ausgesucht haben.

In diesem Zusammenhang spreche ich von einer “Normalisierung der Störung” (DPB, S. 18). Sie maskiert a-moralische Anwandlungen (Nötigung, Gewaltanwendung) moralisch im Gut-Böse-Schema (aaO, S. 76), zumal vulgärphilosophisch: gute und böse Macht im fortwährenden Kampf gegeneinander, findet sich in diesem machtanalytisch legitimiert; uneingestanden und unbeabsichtigt in Texten, z.B. in einem Text von Klaus-Jürgen Bruder, für den der Machtbegriff (“Diskurs der Macht”) eine zentrale Rolle zur Beschreibung und Analyse sozialer Strukturen spielt (vgl. BruKj). Dass und warum er nicht weit trägt, ist an anderer Stelle ausführlicher erörtert worden.

Nicht hinreichend zu analysieren mag auf bestimmte mentale Defizite verweisen, schließt allerdings keineswegs ein, gegen rechtspopulistische oder rechtsradikale Anwandlungen nicht immun zu sein. Ich kenne Klaus-Jürgen Bruder gut genug, um sicher zu sein: er neigt nicht die Spur zum Rechtspopulismus, vom Rechtsradikalismus ganz zu schweigen. Es geht freilich nicht nur darum, was man selbst ist und wie man sich selbst versteht; was man wird oder geworden ist – dazu gehören immer mindestens zwei Personen, sodass es darum gehen muss, ob und wie Texte dazu beitragen (können), Leser vor rechtspopulistischen Anwandlungen zu immunisieren. Eine offene Frage. Aus meiner Sicht könnte es aber sein, dass Klaus-Jürgen Bruders Texte nicht ausreichend immunisieren; dafür spielt das Gut-Böse-Schema in seinen Analysen eine zu zentrale Rolle, mithin das Bedürfnis, erfolgsorientiert auf der richtigen Seite zu stehen: zu den Guten zu gehören, im übertragenen Sinne: zu den Gewinnern (der Geschichte). Eine mentale Disposition, die gerade unter Linken verbreitet, tief verinnerlicht ist: Wahr ist im positiven Sinne das, was Erfolg, mithin Macht verspricht und damit aus (positiven) Tatsachen abgeleitet werden kann, an denen das, was man in und für soziale Strukturen ist oder nicht ist, zu messen ist.

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Nur dass sich soziale Strukturen aus Tatsachen zusammensetzen, sie in diesen ihre Existenz – wenn man so will: positivistisch – legitimiert sehen. Um nicht zu sagen: das unangepasste Subjekt hat immer die Arschkarte. Seriöser formuliert: die soziale Struktur, in die der politische Aktivist involviert ist, bemisst sich positivistisch an sich selbst und nicht an dem, was man will und aus den bestehenden sozialen Strukturen heraus nicht rationalisierbar ist, ihnen also nicht inhärent ist und deshalb in der Lage, das bestehende soziale Strukturen zu transzendieren: Ich will soziale Strukturen, die die Welt noch nicht gesehen hat, in der die Würde des Menschen unteilbar, uneingeschränkt und unmittelbar einklagbar gilt; das sind Grundrechte, die für die körperlich Unversehrt der Person bürgen: keine Todesstrafe, keine Armut und kein Arbeitszwang. All das will ich, selbst wenn alle Tatsachen dieser Welt dagegen sprechen.

Der Bürger ist allerdings immer weiter davon entfernt, sich so zu verstehen, bzw. so weit, dass er für seine eigene Unterdrückung auf die Straße geht, um nicht zu sagen: er ist frei nach Max Horkheimer Täter (Nötiger) und Opfer (Genötigter) zugleich. Im 19. Jahrhundert waren die Arbeiter noch nicht so weit; erst als sie ab dem 20. Jahrhundert etwas zu verlieren hatten, nach und nach zu Bürgern mutierten und damit immer anfälliger für den Faschismus wurden. Heute wieder. Der folgende E-Mail-Verkehr und Texte möchte ein Licht werfen auf diesen trüben sozialen Sachverhalt, der natürlich in Verbindung steht zu einer mehr oder weniger sozialverträglichen mentalen Disposition.

2. E-Mail-Verkehr (anonymisiert), der nachdenklich stimmt

Am 04.08.2020 leitete Klaus-Jürgen Bruder den Bürgerbrief (BB183) in einer E-Mail weiter an den Verteiler der “Neuen Gesellschaft für Psychologie” (ngfp.de), in dem der Text (12.1 “Demokratie war, wenn überhaupt, gestern”, T10, S. 143) vorgestellt wird, und erhielt darauf die folgende Antwort von Dr. EKW:

“Lieber Klaus-Jürgen, da ich die Covid-19 Situation anders sehe, bitte ich Dich, mir dazu keine Stellungnahmen mehr zu schicken. Mit herzlichen Grüßen EKW.”.

Zuvor erhielt er am 13.07.2020 eine E-Mail, diesmal vom Vorsitzenden der “Fachschaft Psychologie der Uni Lübeck” (FaPsyL), also von einem Repräsentanten eines Wissenschaftsbetriebs. In dieser heißt es etwas ausführlicher:

“Sehr geehrter Herr Bruder, wir, die Fachschaft Psychologie der Uni Lübeck, bitten darum, keine weiteren E-Mails über Ihren Mailverteiler zu erhalten. Wir teilen Ihre Ansichten nicht und möchten darüber hinaus hiermit entschieden ein Zeichen gegen die Verbreitung von unwissenschaftlichen und unfundierten Behauptungen setzen. Dass Sie diese Behauptungen verbreiten, ist besonders während Krisenzeiten wie der Corona-Pandemie eine Gefahr für unsere Demokratie, Solidarität und Gesellschaft. Bitte reflektieren Sie die negativen Konsequenzen, die Sie durch Ihr Verhalten hervorrufen. Mit freundlichen Grüßen, die Fachschaft Psychologie der Universität zu Lübeck.”

Die zweite E-Mail zeichnet sich dadurch aus, dass sie Behauptungen mit Gegenbehauptungen widerlegt, also genau das betreibt, was sie Klaus-Jürgen Bruder vorwirft. Ferner verwendet sie Begriffe wie Solidarität, Demokratie etc., ohne sie hinreichend auf Substanz, d.h. in einem umfassenderen Kontext zu spezifizieren und einzubinden. Dadurch gerät der Vorwurf, Klaus-Jürgen Bruder setze mit seinen Behauptungen Solidarität und Demokratie aufs Spiel (“negativen Konsequenzen” seines Verhaltens), unangemessen vage; sodass auch hier die Kritik über den Status einer bloßen Behauptung nicht hinausgelangt.

Man könnte auch sagen, Klaus-Jürgen Bruder setze etwas aufs Spiel, von dem die Kritik bestenfalls eine Vorstellung transportiert, die mit der Realität solange nichts zu tun hat wie nicht konkret spezifiziert wird, was in einem umfassenderen Zusammenhang oder Innen-Außen-Kontext es bedeutet, in einer Demokratie zu leben oder solidarische Zugehörigkeitsbedürfnisse auszuleben. Die Kritik zieht z.B. nicht in Erwägung, dass im Kapitalismus Zugehörigkeitsbedürfnisse nur sehr begrenzt, bzw. verlogen, jedenfalls nicht nachhaltig ausgelebt werden können. Das anhand von Beispielen zu reflektieren würde einem Sozialwissenschaftler gut zu Gesicht stehen.

Vergleichbare Erfahrungen machte auch ich mit dem bekannten Journalisten ML, seit Jahren im Bürgerbrief-Verteiler präsent, mit dem ich in wesentlichen politischen Fragen übereinstimme. In seiner E-Mail reagierte er am 02.08.2020 auf den Bürgerbrief (BB183) kurz und knapp:

“Keine weiteren Mails von Ihnen!! ML.”

Kann es sein, dass ML sich aufregt, weil ich der Meinung bin, dass unsere “Demokratie”, in der er keine ganz unerhebliche Rolle spielt, also Zugehörigkeitsbedürfnisse ausleben kann, genauso wenig sattelfest ist wie die in der Weimarer Republik, aus der bekanntlich der Nationalsozialismus hervorgegangen ist? Und muss er, dachte ich, den Satz mit zwei Ausrufezeichen beenden und betonen, dass er von mir keine Post mehr erhalten möchte? So etwas kann schon mal enttäuschen, eine Gefühlslage, die ich mit der folgenden Antwort zum Ausdruck brachte:

Felipe Ice Cream Street Vendor Traditional Workers May Day Rally and March Chicago Illinois 5-1-18 1332 (40052213180).jpg

“Lieber ML, bei Ihnen finde ich es richtig schade, dass Sie raus möchten. Nicht nur weil Sie schon so lange im Verteiler sind. Gibt es einen Grund für die zwei Ausrufezeichen? Wie auch immer. Ich möchte mich bedanken, dass Sie mich über Jahre ertragen haben. Alles Gute und herzliche Grüße Franz Witsch.”

Für ML scheint es wohl selbstverständlich zu sein, wenn Menschen ihr soziales und politisches Engagement unentgeltlich über soziale Medien zum Ausdruck bringen. Solche Menschen machen sich wichtig, mag er denken, und sind deshalb mit strengeren Maßstäben zu messen als Menschen wie er, die sich professionell engagieren und dafür bezahlt werden. Dadurch dass sie bezahlt werden, kommt ihnen allerdings eine andere Realitätswahrnehmung als die von Menschen, deren soziales Engagement sich nicht vergolden lässt. Wobei eine Äußerung nicht deshalb wertvoller ist, weil man sie nicht bezahlt.

3. Zwei Leserbriefe (von UrM und HkM), die Mut machen

Von erheblicher Bedeutung ist, dass Differenzen in der Wahrnehmung auf der Grundlage unterschiedlicher Lebensweisen sich ausbilden, die eine Diskussion bereichern können, ein Aspekt, der in zwei anderen Leserbriefen zum Ausdruck kommt. In dem von UrM heißt es:

Lieber Herr Witsch, danke für Ihren neuen Bürgerbrief. Gestern Abend habe ich den Film von Michael Moore “Fahrenheit 11/9” gesehen, in dem auch der amerikanische Historiker und Politikwissenschaftler Thimothy Snyder zu Wort kommt und die Frage nach der Demokratie aufwirft. Diese Frage ist strukturell Thema des Filmes von Moore. Heute auch Thema Ihres Bürgerbriefes. Snyder hat ein Buch angesichts der Bedrohung der US-Demokratie durch Trumps Regierung und gegen Tyrannei geschrieben. Wahrscheinlich kennen Sie es, aber ich wollte auf jeden Fall darauf hinweisen. Es ist sehr interessant, insbesondere weil es auf das Europa der 30er Jahre und den Beginn des Faschismus referenziert. Mit Grüßen UrM

Der Leserbrief von HkM lautet wie folgt:

Lieber Herr Witsch, heute will ich doch mal realisieren, was ich schon lange tun wollte, nämlich Ihnen antworten auf den Satz, den Sie immer – gleich nach dem Datenschutzhinweis – an den Anfang Ihrer Bürgerbriefe stellen: “Falls keine Bürgerbriefe mehr erwünscht sind, bitte ich darum, mir dies in einer Mail kurz mitzuteilen.”

Dazu kann ich nur sagen: Ich “erwünsche” mir, dass ich noch recht lange Ihre Bürgerbriefe bekomme. Ich kriege sie ja schon seit vielen Jahren. Irgendwann kamen die ersten, ohne dass ich bis heute weiß, was mir die Ehre verschafft. Und ich räume ein, dass ich diese ersten Bürgerbriefe ignoriert habe angesichts der Fülle des Materials, das einem langjährigen “Freund des politischen Engagements” täglich auf den Desktop flatterte und flattert. Ignoriert nicht zuletzt wohl auch deshalb, weil mir die optische Aufbereitung signalisierte, dass es sich um weniger bedeutsames Material handeln müsse oder aber um sehr komplexe Ausführungen, deren Lektüre einen hohen Zeitaufwand erfordern würde, und das, wo ich ein sehr langsamer Leser bin, der ständig das Gelesene – im “Hinterkopf” und zum Teil klugscheißerisch – noch redigieren will.

Dann habe ich mich irgendwann aber doch einmal an mehrere Ihrer Bürgerbriefe herangemacht und festgestellt, dass sie – erstens – doch gar nicht so lang wie befürchtet waren und es sich – zweitens – um lesbare, lesenswerte und lebensnahe Analysen handelte und handelt. Ich habe Ihre Briefe nicht immer oder nicht immer ganz gelesen. Dennoch haben sie mir im Laufe der Jahre immer wieder Erkenntnisse verschafft, die meine Sicht auf das Leben und die Politik geschärft, verändert, bestätigt, manchmal auch verworfen haben. Heute gehören Sie für mich zu den wenigen politischen Denkern und Sprechern, denen die zunehmende Komplexität des Lebens und des Zusammenlebens nicht den klugen Verstand geraubt hat (…) In diesem Sinne sendet Ihnen verbindliche Grüße HkM

4. Regressive Mentalität – ein schichtübergreifendes Massenphänomen?

Positive Antworten sind wichtig. Sie machen Hoffnung freilich im Wesentlichen für den, auf den sie gemünzt sind. Während sich die soziale und ökonomischen Strukturen vom Geist nicht ankränkeln lassen, und wenn, gelang es den herrschenden Strukturen bislang immer, diese dem Mentalen in ihrem Sinne sozialunverträglich zu assimilieren, sodass Menschen es schwer haben, ihre Zugehörigkeitsbedürfnisse sozialverträglich auszuleben.

Viele Linke zeigen ganz offen, auf welche Weise das Sein das Bewusstsein bestimmt: sie sind den herrschenden sozial-ökonomischen Strukturen mental komplett assimiliert (vgl. KeiJo). Sehen konnte ich das vor vierzehn Jahren, als die Partei “Die Linke” sich bildete aus dem Zusammenschluss von WASG und PDS (ehemals SED). Heute ist dieser betrübliche Sachverhalt auch bei Menschen wie Gellermann angekommen, auch bei Klaus-Jürgen-Bruder nicht mehr nur hinter vorgehaltener Hand. Möglicherweise sehen sie aber immer noch nicht, dass “Die Linke” unwiderruflich zur ganz normalen Partei geworden ist. Mit ein wenig Menschenkenntnis hätte man das früher erkennen können. Bei einigen dauert es halt ein bisschen länger, bis der Groschen fällt. Nun fällt er dann – ich fürchte einmal mehr – zu spät. Möglicherweise nur, um sich zu profilieren. So hält Joachim Keiser (in KeiJo) dem linken Publizisten Gerhard Hanloser zu Recht vor, er sei ein dem Herrschaftssystem angepasster Salonlinker. Woher will er aber wissen, dass er selbst nicht auch einer ist? Könnte es sein, dass er neidisch ist, dass seine öffentliche Präsenz an die von Hanloser nicht ganz heranreicht?

Deshalb muss seine Kritik nicht unwichtig sein. Kritiker entpuppen sich freilich oftmals erst später als offen assimiliert, und zwar wenn sie Macht und öffentliche Aufmerksamkeit schnuppern, sie also etwas zu verlieren haben oder es etwas zu entsorgen gibt: den Verlierer (negative Gefühle), den sie in sich heraufziehen fühlen. Bis dahin kommen Regressionen nicht offen oder nur “normalisiert” zum Ausdruck, wie es bei Hanloser jetzt aber offen der Fall ist, der indes gar nicht begreifen muss und sehr wahrscheinlich auch nicht begreift, dass er mit möglicherweise nicht mehr ganz so harmlosen Regressionen geschlagen ist oder solchen nicht merkbaren, weil “normalisierten” Regressionen, die indes sehr schnell in merkbare, dann nicht mehr harmlose Regressionen umschlagen könnten.

Eine solche Entwicklung kann uns alle, also auch dem Kritiker Joachim Keiser (KeiJo) blühen, ohne dass wir es beizeiten merken, eben weil wir dazu neigen, Gemeinheiten, die wir anderen zufügen, als “normal” zu empfinden, etwa indem wir das Hartz-IV-Sanktionsregime akzeptieren, weil Menschen ihren Arsch nun mal nicht hochkriegen, wenn in denselben nicht getreten wird. Hält er eine solche Entwicklung bei sich für möglich? Ich fürchte kaum.

Man muss wissen, dass in jedem von uns Regressionen zumindest schlummern, ohne dass sie sich unmittelbar zu erkennen geben; frei nach Nietzsche, der von Ressentiments spricht: heimliche Rachegefühle, die ausgelebt werden wollen. Werden sie gewohnheitsmäßig (normalisiert) ausgelebt, sind sie bald allerdings kaum noch (reflexiv) oder immer nur zu spät kontrollierbar. Dann könnten sie wie beim Kriegshetzer Joschka Fischer ins Kraut schießen, sich verselbständigen, zur unumstößlichen Lebensform gerinnen, moralisch maskiert, so beim ehemaligen Ministerpräsidenten Roland Koch (CDU) beschrieben, der damals die Auffassung vertrat, jugendlichen Gewalttätern müsse man einen Denkzettel verpassen. Deshalb bräuchte man ein verschärftes Jugendstrafrecht (vgl. DPB, S. 47-51).

Ist Joachim Keiser vor so einer unerfreulichen mentalen Entwicklung gefeit? Ich weiß es nicht. Rubikon.de-Herausgeber Jens Wernicke, bei dem der Text von Keiser erschien, macht auf mich schon mal nicht den besten Eindruck. Anders lässt sich seine Hass-Mail kaum deuten. Sie lässt ganz unverblümt eine regressive Mentalität erkennen (vgl. BB169), die er in der Realität, von den Tatsachen her, für begründet erachtet und deshalb als regressiv nicht zu erkennen vermag.

Man darf in diesem Zusammenhang zu Recht fragen, ob Keisers oder Wernickes Verhältnis zu den unterprivilegierten Schichten anders ist als das von Wernicke zu mir, wenn er sich mit den unterprivilegierten Schichten denn genauso unmittelbar konfrontiert sehen würde wie mit mir? Ich weiß es nicht. Befürchten kann man es schon; gibt es, um es gleich zu sagen, doch Indizien, die im Subtext von Texten verborgen sind, die auf Regressionen schließen lassen könnten und sich vielleicht irgendwann nicht mehr als harmlos entpuppen, es sei denn, der Autor vermag sie in seinem Text zu reflektieren als offene diskussionswürdige Frage, um die man sich nicht unbedingt im selbigen Text bemühen muss; die aber beständig im Hinterkopf eines Autors präsent sein sollte, nicht zuletzt um sich gegen systemaffirmative Analysen bis hin zu rechtsradikalen Anwandlungen zu immunisieren. Das geschieht nicht in einem wortwörtlichen Kontext von “wahr” oder “falsch”, in dem man sich gesinnungstechnisch auf der wahren Seite wähnt, um darüber die Wahrheitssuche im intersubjektiven Kontext zu verfehlen. Wozu noch Wahrheitssuche, wenn man sich in der Wahrheit wähnt, um aus dieser heraus jede Schweinerei an Menschen zu rechtfertigen.

Wahr ist allein das in einem absoluten Sinne, was wir wollen, dass es wahr ist, was sich freilich einer Rationalisierung entzieht, nämlich dass die Würde des Menschen nicht angetastet werden darf: körperliche Unversehrtheit (keine Folter, keine Todesstrafe), keine Armut, keinen gesetzlichen Arbeitszwang. Wir wollen keinen Arbeitszwang, weil wir ihn nicht wollen. Einfach so.[4] Nur an einer solchen Wahrheit können soziale Strukturen gemessen werden. Sie dürfen gewiss nicht gemessen werden an dem, was ich, Keiser, Hanloser oder Wernicke mit noch so guten Gründen für wahr erachten. Weil Gründe sich mit den sozialen Strukturen, aus denen heraus sie entwickelt werden, unmerklich mitändern, sodass sie ein Maß, an dem jene Strukturen zu messen sind, zuverlässig nicht mehr abgeben können.

Ich sehe weit und breit niemanden, der einen solchen sozialtheoretischen Ansatz offen – oder nur hinter vorgehaltener Hand – vertritt (vgl. T07, S. 92-99), vielleicht ja aus Angst, Zugehörigkeiten zu wem und was auch immer aufs Spiel zu setzen. Es könnten negative Gefühle drohen, die dann nicht mehr kommunizierbar sind oder die man nicht kommunizieren möchte oder wieder nur hinter vorgehaltener Hand. Vielleicht mochte Klaus-Jürgen Bruder ja deshalb nicht mit mir telefonieren, weil er sich von mir Wahrheiten nicht entlocken lassen möchte, die öffentlich zu vertreten er nicht genügend Mut aufbringt; man könnte sich bei den eigenen Gesinnungsgenossen unmöglich zu machen, plötzlich, im Kontext von “wahr” oder “falsch”, nicht mehr auf der richtigen Seite zu stehen kommen. Das würde dann von einer mentalen Disposition zeugen, die sich in seinen Texten zu erkennen geben kann, wenn diese nicht nur im wortwörtlichen oder positivistischen Sinne verstanden werden. Werden sie aber; sodass man mögliche Botschaften in eigenen Texten nicht wahrnehmen muss, bzw. jederzeit dementieren kann, die sich dann natürlich auch einer Reflektion entziehen. Seine sogenannten Gegner (siehe oben 2. Kap.) spüren solche Unstimmigkeiten, freilich nur in Gestalt eines unschönen Gefühls, das sie in den Text eines ungeliebten Autors projizieren. Derart machen seine Gegner es dem Autor gleich, ohne es zu ahnen; worüber der Autor sich wiederum aufregt. Ein ewiges Hin und Her, das zu keiner Annäherung oder Versöhnung führt.

Ich sage das auf die Gefahr hin, dass ich mich hernach mit Klaus-Jürgen Bruder nicht mehr gut verstehe könnte. In dieser verrückten Zeit darf man getrost mit allem rechnen, in einer Zeit, in der sich Menschen sehr wahrscheinlich mental zurückentwickeln, nichts mehr dazulernen (wollen). Das schließt nicht aus, in naturwissenschaftlichen Fächern bestens Bescheid zu wissen, weil es dort im Wesentlichen um einfache Wahr-Falsch-Fragen geht, die mental nicht überfordern. Kommen soziale Fragen ins Spiel, regressieren Menschen schnell in fruchtlosen Streitereien, immer dann, wenn sie mit Differenzen oder Kritik konfrontiert werden, die ihr Innenleben in einem Kontext tangieren, in dem es mental erholsame eindeutige Wahr-Falsch-Positionen nicht gibt.

Dies alles, weil Menschen einschließlich Naturwissenschaftler mit negativen Gefühlen oder Verletzungen, Enttäuschungen nicht gern umgehen, um sie stattdessen nach Außen im Anderen regressiv (im Sündenbock) zu entsorgen und damit un-fühlbar zu machen. Passiert das massenhaft, bringen soziale Strukturen faschistischen Anwandlungen keinen hinreichenden Widerstand entgegen. Anzeichen gibt es dafür schon heute. Ich fürchte, wir befinden uns schon auf dem Weg in eine Meinungsdiktatur, eine wesentliche Voraussetzung für den Weg in einen Faschismus, wie immer dieser auch konkret aussehen mag.

Und das, obwohl Menschen sich – absurd, aber wahr – nach Teilhabe und Zugehörigkeiten sehnen. Bleiben sie aus, was in einer vorfaschistischen Entwicklungsphase immer mehr geschieht, neigen sie dazu, ihr Bedürfnis nach Zugehörigkeit und Solidarität gegen Sündenböcke oder Minderheiten auszuleben; das könnte uns in der Corona-Krise tatsächlich blühen: ein human motiviertes Denunziantentum, von oben nach unten durchgereicht, dem sich die Menschen dann immer weniger entziehen können; von Max Horkheimer differenziert beleuchtet; er zeigt, was es bedeuten kann, zu regressieren, um sich vor isolationistischen Zumutungen und inneren Selbstzweifeln zu schützen, aber dadurch auch “Persönlichkeit” im Erwachsenenleben vermissen lässt:

“Die überwältigende Mehrheit der Menschen hat keine Persönlichkeit. Appelle an ihre innere Würde würden ihr Mißtrauen erwecken. Aber ihre berechtigte Skepsis geht mit einer tief verwurzelten Tendenz einher, ihre eigene innere Natur brutal und gehässig zu behandeln, sie zu beherrschen, wie sie durch erbarmungslose Herren beherrscht wurden. Wenn sie ihr freien Lauf lassen, sind ihre Handlungen so verzerrt und schrecklich wie die Exzesse von Sklaven, die zu Tyrannen geworden sind. Macht ist das einzige, was sie wirklich respektieren” (HoKri, S. 137).

Heute gibt sich der Geldadel human, der Volksgesundheit verpflichtet; sodass er sich gar nicht als “erbarmungslos” zu erkennen geben muss. Eine erbarmungslose Realität tut’s auch, etwa die wachsende soziale und ökonomische Unsicherheit, in der immer mehr Menschen leben und ein Gefühl der Deklassierung aufkommen lässt. So etwas hetzt Menschen aufeinander. In einer solchen sozialen und politischen Gemengelage haben Menschen immer weniger Sinn, Differenzen und Kontroversen auszutragen, mithin negative Gefühle zu kommunizieren.

Man kann es wenden wie man will – der E-Mail-Verkehr (vgl. 2. Kap.) ist nur auf den ersten Blick harmlos, wenn ihre Autoren meinen, der Bürgerbrief (BB183, S. 234) und der Aufsatz “Demokratie war, wenn überhaupt, gestern” (T10 [12.1], S. 143-148) verdienten nicht, diskutiert oder ernst genommen zu werden. Eine derart herablassende Sicht, die von einer schleichenden regressiven Mentalität zeugt, die sich in der Herablassung versteckt und besonders unangemessen für Menschen sind, die sich als Wissenschaftler verstehen.

Regressionen greifen nicht nur unter sogenannten “normalen” Bürgern um sich; dort indes weniger herablassend, zumal sich viele Bürger nicht selten von der Politik einfach nur angewidert abwenden. Es sind dies Regressionen, für die Max Horkheimer im obigen Zitat Verständnis aufbringt, da sie “berechtigte Skepsis” zum Ausdruck bringen.

Es stellt sich freilich die Frage, ob eine solche mentale Disposition auch bei Menschen angemessen ist, die sich berufsmäßig mit Politik beschäftigen? Also bei Wissenschaftlern und Journalisten. Die transportieren, so steht zu befürchten, eine solche defizitäre mentale Disposition völlig ungeniert, als sei sie tatsächlich für ihren Berufsstand ganz normal. Ist sie vielleicht vor dem Hintergrund einer “normalisierten Störung” und mag dann von einer besonderen Art von struktureller Verblödung zeugen. Sie besteht darin, dass man meint, sich auf seinem Fachgebiet einer Auseinandersetzung ganz unverblümt verweigern zu können; zuweilen begleitet von einer Spur herablassender Verachtung, wie sich aus der E-Mail von ML unschwer herauslesen lässt, zeichnet sie sich doch dadurch aus, jede Begründung vermissen zu lassen; als wolle er sich tatsächlich einfach nur abreagieren. Ich finde, wenn schon ernst zu nehmende Journalisten so etwas nötig haben, wirft das ein kein gutes Licht auf die veröffentlichte Meinung.

5. Innen-Außen-Verbindungen spezifizieren, nicht nur postulieren

Fragt sich, wie mit Regressionen umgehen? Indem man auf sie in einer Art Retourkutsche regressiv reagiert? Ich neige immer weniger dazu, auch wenn ich nicht behaupten möchte, von Regressionen frei zu sein. Entscheidend ist, sie nicht nur bei anderen, sondern auch bei und in sich selbst wahrzunehmen: wir alle tragen nicht gute Kindheits- oder Jugenderinnerungen mit uns herum, die Regressionen in dem Maße generieren, wie sie bis ins Erwachsenendasein unverarbeitet geblieben sind bzw. sich einer Versprachlichung entziehen. Die wollen noch heute abreagiert werden. Bisweilen ohne jede Analyse. Auch bei Menschen, die es besser wissen. Klaus-Jürgen Bruder reagierte auf die E-Mail von EKW (siehe 2. Kap.) in einer Nachricht an mich enttäuscht und verärgert: die Antwort von EKW sei idiotisch. Nicht weniger ungehalten machte er in einer Rundmail an den NGfP-Verteiler seinen Ärger über die FaPsyL (siehe 2. Kap.) wie folgt Luft:

“Schaut mal diese kleinen Staatstrojaner an: so jung und schon so verdorben! KJ.”

Solche Reaktionen überzeugen von vornherein nicht. Wollen sie vielleicht auch nicht. Warum sie dann verschicken? Das hätte nur Sinn, wenn zum Ausdruck gebrachte Verletzungen oder Verärgerung von analytischen Bemühungen unterfüttert wären und damit zu erkennen geben, dass und auf welche Weise Regressionen den Diskurs belasten können, eben wenn sie durch analytische Bemühungen nicht unterfüttert sind und damit die Wahrheitssuche belasten, die sich nur in einer ausführlichen Austragung von Differenzen kollektiv – wenn man so will: solidarisch – auszuleben vermag. Allein nur Gesinnungen zu teilen hat mit Solidarität oder kollektiver Wahrheitssuche nichts zu tun. Es reicht nicht, auf der richtigen Seite zu stehen, ohne ein gemeinsames Interesse zu transportieren, das, moralisch motiviert, mit sich selbst nicht identisch (vgl. T08), eingelassen sein muss in analytische Bemühungen als “Momentum soziale Integration” (vgl. T06, S. 56-59).

Besonders mag Klaus-Jürgen Bruder geärgert haben, dass er hinsichtlich der E-Mail der FaPsyL sich nicht von einer einzelnen Person, sondern gleich von einer ganzen Gruppe von zum Teil angehenden Wissenschaftlern abgelehnt fühlte. Auf beide E-Mails und Klaus-Jürgen Bruders mir zur Kenntnis gebrachten Reaktion darauf schrieb ich ihm die folgenden Zeilen; zunächst zur E-Mail von EKW:

“In der Tat ärgerlich (…). Mittlerweile möchte ich den Leuten ihre Idiotien nicht mehr übel nehmen. Sie reagieren wie kleine Kinder; zeugen von Regressionen. Diese haben längst Eingang gefunden in den Wissenschaftsbetrieb. Ich spreche von fehlenden mentalen Voraussetzungen wissenschaftlichen Arbeitens oder Denkens. Dass wir beide uns wieder sehr gut verstehen, zeugt davon, dass wir vermutlich etwas davon besitzen und in (unsere) soziale Praxis eingehen lassen. Darüber freue ich mich sehr. Darauf möchte ich im nächsten Text näher eingehen. Ich hoffe, Du hast nichts dagegen, wenn ich Dich dabei namentlich erwähne, was ich verstehen würde. LG Franz.”

Klaus-Jürgen Bruders Reaktion auf die E-Mail der FaPsyL kommentierte ich wie folgt:

“Lieber Klaus-Jürgen, die wissen einfach nicht, auf welchem Fundament sie ihr Wissen erzeugen. Die handeln im guten Glauben verantwortlich (ausgrenzend). Umso schlimmer. Deshalb sind sie nicht mehr erreichbar. Dasselbe Problem erlebe ich mit Hanna Thiele. Eine großartige Essayistin, die sich an unerreichbaren Menschen abarbeitet, natürlich vergeblich, der ich diese Mail hoffentlich mit Deiner Zustimmung zur Kenntnis gebe. Ich würde an Deiner Stelle kühler analysieren und dann vielleicht ausführlicher antworten. Vielleicht dann in einem offenen Brief oder einem Essay. Ich bin sehr glücklich, dass wir uns wieder vertragen. Ganz liebe Grüße Franz.”

er E-Mail-Verkehr löst in mir Assoziationen aus, die es – trotz ihres spekulativen Charakters – wert sind, eingebracht zu werden. Um plausibel zu machen, wie man mit Konfliktsituationen umgehen, “mentalisieren”, mithin das Innenleben gestalten kann (vgl. T01, S. 2); vor dem Hintergrund, dass die Art und Weise der Gestaltung des Innenlebens die Wahrheitssuche – und damit das wissenschaftliche Arbeiten und Denken – beeinflussen könnte. Um das plausibel zu machen, müssen wir das Innenleben, auch das eigene, einbeziehen. Nur so lassen sich Innen-Außen-Verbindungen nachvollziehbar beschreiben. Allein nur zu postulieren, dass es Verbindungen gibt, ist zu vage, allenfalls von heuristischem Wert. Man weiß um Verbindungen (zwischen Innen und Außen), vermag sie freilich nicht hinreichend zu spezifizieren, bzw. zu sagen, wo sie sich ausbilden und auf welche Weise. Sie werden dadurch generiert, dass Menschen mentalisieren bzw. ihr Innenleben gestalten (vgl. T01, S. 2f), d.h. bilden sich im Innenleben aus, gleichwohl im intersubjektiven Kontext: Wir haben es hier mit einem kollektiven Vorgang zu tun, an dem mindestens zwei Menschen beteiligt sein müssen. Verweigert sich der eine dem anderen (nie Zeit zum Telefonieren), sind sie nicht mehr hinreichend spezifizierbar und können sich dann nur noch vage ausbilden, etwa in Gestalt einer Vision resp. von Verbindungen, nach der wir uns dann nur noch sehnen können, eine Lebensform, die wir uns zumuten, um unser Innenleben – wie es leibt und lebt – vor anderen abzuschirmen, sodass eine gegenständliche Untersuchung nicht möglich ist. Das ist dann ein einsamer Vorgang, wo der eine für den anderen nicht da ist; verschiedene Welten für sich existieren, ohne sich zu berühren, ein Zustand, den Luhmann übrigens für “normal” und unausweichlich hält, wiewohl er sagt, der Beobachter vermag sich selbst nicht zu beobachten. Im Hinblick darauf sei er das ausgeschlossene Dritte, bzw. auf einen weiteren Beobachter angewiesen, der ihn beobachtet (vgl. T01, S. 4f).

Wie aber die Welt eines Menschen beobachten (also spezifizieren), ohne von seinem Innenleben berührt zu sein, ohne Einblick ins (eigene) Innenleben? Und natürlich werden sie auch unter den Teilnehmern wissenschaftlicher Diskurse generiert; vor diesem Hintergrund ist es geboten, in der Lage zu sein, sie – metatheoretisch motiviert – zu spezifizieren. Dies geschieht hinter dem Rücken der Diskursteilnehmer auf der Grundlage intuitiven Hintergrundwissens, auch wenn Diskursteilnehmer über Verbindungen nur vage sprechen können, vielleicht weil sie denken, mein Innenleben gehe keinen etwas an. Trotzdem lassen sie sie dadurch, dass sie sich äußern, in den Diskurs einfließen, zumindest unbewusst, durch den Subtext, den sie in ihren Äußerungen transportieren, der sie einer Interpretation zugänglich macht, die im Wortwörtlichen einer Äußerung nicht aufgeht, gleichwohl darüber Auskunft gibt, wie es im Sprecher einer Äußerung aussieht.

Warum aber dann das, was ganz unvermeidlich Gegenstand der Interpretation ist, nicht offen einer metatheoretisch motivierten Analyse öffnen? Warum muss alles nur hinter dem Rücken der Diskursteilnehmer gleichsam wie Klatsch hinter vorgehaltener Hand abgehandelt werden? Weil man sich hin und wieder einfach nur abreagieren möchte, so EKW in seiner E-Mail an Klaus-Jürgen Bruder, ohne dass EKW dies ahnt. Er weiß vermutlich nicht, dass er sich dadurch (als Wissenschaftler) “unmöglich” macht. Zuweilen machen sich ganze Gruppen unmöglich, so der Deutsche Bundestag, als er, “wie aus einer Drucksache des Bundestages vom 08.09.2010 hervorgeht”, “die Tötung ‚feindlicher Kämpfer‘ auch außerhalb von Kampfhandlungen ausdrücklich für zulässig” erklärte (vgl. WMvS, S. 1).

Wissen die Abgeordneten, was sie hier beschlossen haben; dass sie mit dieser Drucksache den Rechtsstaat mit Füßen treten? Weil sie sich abreagieren wollen, freilich an bösen Menschen, die es verdienen. So bekommt der Tag Struktur (Volker Pispers). Doch kommt ihr Beschluss einem kollektiven Aufruf zur Lynchjustiz gleich. Was geht in solchen Menschen vor, die sich zu solchen Beschlüssen hinreißen lassen? Die Hartz-IV-Gesetze zeugen von nichts anderem. Vermutlich geht in solchen Menschen auch nicht viel mehr vor als in Eichmann. Pure Gedankenlosigkeit. Sie merken nichts. Also wird man ihnen helfen müssen. Man wird sie sehr wahrscheinlich nicht erreichen, so wie man EKW, ML und die FaPsyL nicht erreichen wird. Dennoch ist es wichtig, Kritik so zu formulieren, als könne man sie erreichen. Enttäuschung und Verärgerung zum Ausdruck bringen – ja. Aber im Kontext analytischer Bemühungen.

Anmerkungen:

[1] Vgl. (T08, S. 121, Anmerkung). Der soziale Sachverhalt eines mit sich selbst nicht identischen Subjekts taucht an anderen Stellen immer wieder in bestimmten Formulierungen zutage, so in (DP2, S. 189). Dort heißt es, Narziss sei “nicht mit sich selbst im reinen, vor Regelverstößen gegen sich selbst (…) nicht gefeit. Er wird sich irgendwann äußern müssen, wenn er nicht krepieren will, und sei es, dass er in Schulen wild um sich schießt.” Eben weil in jeder Äußerung eine Äußerung für sich selbst schlummert, die einer Interpretation zugänglich ist, die dem Selbst möglicherweise nicht gut zu Gesicht steht, bzw. sein Selbstwertgefühl verletzen könnte, das differenziell – den Verlierer in sich freilegend – zu kommunizieren Narziss nicht gelernt hat.
Dass mentale Defizite die Entstehung faschistischer Strukturen als notwendige Bedingung begleiten, heißt nicht, dass sie deshalb wesentliche oder tiefergehende Ursache ihrer Entstehung sind, was sie tatsächlich nicht sind. Das sollte aber keineswegs beruhigen.

[2] Dass mentale Defizite die Entstehung faschistischer Strukturen als notwendige Bedingung begleiten, heißt nicht, dass sie deshalb wesentliche oder tiefergehende Ursache ihrer Entstehung sind, was sie tatsächlich nicht sind. Das sollte aber keineswegs beruhigen.

Ffm-gegen2007.jpg

[3] Vgl. (DP2, S. 60f, 73 , 109f, DP4, S. 39f, 89ff. Auf S. 73 heißt es, der Machtbegriff spiele “zur Legitimierung von Bevormundung” eine erhebliche Rolle. Vgl. ferner DP4, S. 39f, 89ff, auf S. 176 heißt es eingehender, Zitat: “Heute definiert man sich als Etatist und Institutionalist seinen an Institutionen gebundenen Machtbegriff zurecht in der Hoffnung, die (soziale Praxis der) Macht wird es gut mit uns meinen und sich der Definition problemlos annähern, wenn sie nur von jemandem mit untadeligem Ruf repräsentiert und vorgetragen werde, als würden Ruf und Definition die soziale Praxis buchstäblich anziehen und transformieren (… ), frei nach Hegel gleichsam verzaubern: man phantasiert sich eine menschliche, nichtrepressive Macht zurecht (den preußischen Staat als idealen Staat, wie Hegel es tat), eine Macht, die ggf. auf sich selbst verzichtet (…), weil Definitionen es so vorsehen; eine solche Macht nennt Detel (…) transformativ.” Die transformative Macht strebt ihm zufolge “nach ihrer eigenen Aufhebung” (DeGK5, S. 71). “In Ergänzung dazu heißt es ein paar Seiten weiter, ’dass menschliche Subjekte (=Personen) nicht nur im Besitz von Produktionsmitteln sind, sondern prinzipiell auch im Besitz der Mittel zur Transformation sozialer Realität.‘(aaO, S. 75) Na, und wenn Definitionen halten, was sie versprechen, kann nichts mehr schief gehen. Schließlich gibt es sie, also muss es auch etwas geben in der realen Welt, was sich auf sie bezieht. Am Ende ist – frei nach Hegel – alles, was vernünftig ist (sich in Begriffe kleiden lässt), auch irgendwie wirklich (real) und alles, was wirklich ist, auch vernünftig. So wie die Tatsache vernünftig ist, weil sie wirklich ist, und weil sie ist, ist sie auch vernünftig, letztlich, weil alles Soziale irgendwie aus dem Normativen geboren ist.” (zum Normativen siehe DP4, S. 136: “Im Anfang war die Norm”)

[4] In (T07, S. 94f) spreche ich von einer “Sinnvollen Tautologie”, “die in einer mehr archaisch geprägten sozialen Struktur nicht akzeptiert würde, in der Subjekte unentwegt ihr konkretes Leben rationalisieren, auch wenn dies, wie Kant vernunftkritisch anmerkte, gewohnheitsmäßig tautologisch passieren mag, ohne aber dass Subjekte gewahren, dass im Hinblick auf alle Menschen, aufs Ganze gesehen, Lebensweltrationalisierung zu nichts führt, wenn sie sich nicht an etwas bemisst, was aus der sozialen Struktur heraus – ihr fremd, das Fremde verdrängend – sich nicht rationalisieren lässt: wir wollen Grundrechte für alle, auch für Straftäter, weil wir sie wollen; wir wollen keine Todesstrafe, weil wir sie nicht wollen, und nicht weil sie einen unschuldig verurteilten Menschen betreffen könnte.”

Quellen:

BB169: Franz Witsch. Nicht gut gelitten: Die Politisierung des Privaten

http://film-und-politik.de/BB-bis200.pdf (S. 177)

BB183: Franz Witsch. Demokratie war, wenn überhaupt, gestern.

http://film-und-politik.de/BB-bis200.pdf (S. 234)

BruKj: Klaus-Jürgen Bruder. Der Diskurs der Macht hat das Virus okkupiert – nicht umgekehrt: NGfP.de im Monat März / 2020.

https://www.ngfp.de/2020/03/der-diskurs-der-macht-hat-das-corona-virus-okkupiert-dazu-einige-widerstaendige-wortmeldungen-aus-dem-kreis-der-freunde-der-neuen-gesellschaft-fuer-psychologie/

ergänzend: Das Gehorsamkeits-Experiment – Ein Interview mit dem Psychoanalytiker Prof. Dr. Klaus-Jürgen Bruder.

https://www.youtube.com/watch?v=emd691bPDGM&feature=youtu.be

DeGK5: Wolfgang Detel. Grundkurs Philosophie, Bd. 5: Philosophie des Sozialen, Stuttgart 2009 (Reclam-Verlag).

DPB: Franz Witsch. Die Politisierung des Bürgers, 1. Teil: Zum Begriff der Teilhabe. Norderstedt 2015 (1. Auflage 2009).

DP2: Franz Witsch. Die Politisierung des Bürgers, 2. Teil: Mehrwert und Moral. Norderstedt 2017 (1. Auflage 2012).

DP3: Franz Witsch. Die Politisierung des Bürgers, 3. Teil: Vom Gefühl zur Moral. Norderstedt 2017 (1. Auflage 2013).

DP4: Franz Witsch. Die Politisierung des Bürgers, 4. Teil: Theorie der Gefühle. Norderstedt 2015 (1. Auflage 2013).

HoKri: Max Horkheimer, “Eclipse of Reason”, ins Deutsche übersetzt von Alfred Schmidt unter dem Titel “Zur Kritik der instrumentellen Vernunft”.

Frankfurt / Main 2007. Erstmals im Englischen erschienen 1947.

KeiJo: Joachim Keiser. Die Salonlinken. Die deutsche Intelligenzia versagt großenteils als kritische Instanz und zeigt unverblümt ihre Verachtung für Corona-Skeptiker, die sie als ästhetisches Ärgernis empfindet. Rubikon.de vom 15.08.2020

https://www.rubikon.news/artikel/die-salonlinken

T01: Franz Witsch, Störfall oder das Zeichen will nichts mehr bedeuten.

http://film-und-politik.de/K14.pdf (S. 2-7)

T06: Franz Witsch. Psychopathologisierung sozialer Strukturen

http://film-und-politik.de/K14 (S. 56-81)

T07: Franz Witsch. Die herrschende Sozialtheorie: nicht gesellschaftsfähig

http://film-und-politik.de/K14 (S. 85-97)

T08: Franz Witsch. Verlogen auf der Basis einer mit sich selbst identischen Moral

http://film-und-politik.de/K14 (S. 100 – 125)

T10: Sind wir auf dem Weg in einen neuen Faschismus?

http://film-und-politik.de/K14 (S. 143-148)

WMvS: Franz Witsch. Mentale Voraussetzungen einer Militarisierung sozial-ökonomischer Strukturen. http://film-und-politik.de/Politik/NGFP-MVS.pdf

Urheberrecht
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Grafikquellen        :

Oben       —         Carriers of the New Black Plague

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2.) von Oben      —       Caricature de R. Fuzier sur le congrès international fasciste de Montreux. Outre les fascistes italiens en chemise noire, on reconnaît un franciste français et un nazi allemand (en réalité, le parti d‘Hitler n’était pas représenté au congrès).

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Unten       —       Kundgebung gegen die NPD-Demo in Frankfurt (Main) am 7. Juli 2007. Menschen auf dem Frankfurter Römerberg

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Wesen der Zeitungskolumne

Erstellt von Redaktion am 26. August 2020

Es lebe der Kolumnismus !

Ein Schlagloch von Georg Seeßlen

Liebe, Verantwortung und Anmaßung: Vom Wesen der Zeitungskolumne.

Als ich heute Morgen aus unruhigen Träumen erwachte, fand ich mich in einen deutschen Zeitungskolumnisten verwandelt. Jemand musste mich verleumdet haben, denn ohne dass ich etwas Böses getan hätte, wurde ich haftbar gemacht für das seelische und soziale Wohlergehen von Redakteuren, Kolleginnen, Leser*Innen, Kommentatoren und Kommentatorinnen, Juristen und Polizistinnen. „Wir sind angekommen“, sagte Frau N. gerade in einem meiner verlorensten Momente.

Der Text also ward gefordert, in den wesentlichen Kategorien „deutsch“, „Zeitung“ und „Kolumne“. Und beim Deutsch, da stock’ ich schon. Einerseits bilde ich mir ein, diese Sprache, die Worte wie „obzwar“ oder „Rentenfeststellungsbescheid“ hervorgebracht hat, vielleicht zu einem Viertel so zu beherrschen, wie der Wahnsinnige, der sie erfunden hat. Andererseits aber ist gerade dies ein Hindernis für soziale Akzeptanz. Denn in diesem Lande ist eine Liebe zur Sprache höchst verdächtig. Besonders natürlich von rechts. Einen Menschen, der vor allem stolz darauf ist, Deutscher zu sein und „Kanaken“ deshalb in höflichem SA-Stil bittet: „Sprich erst mal deutsch, wenn du mit mir reden tust“, erkennt man an seinem offenkundigen Hass auf die eigene Sprache.

Pauschalurteil mit leicht narzisstischer Tendenz? Ich darf das, ich bin Kolumnist

Ich will gar nicht darauf hinaus, dass Nazis in der Regel mit Orthografie und Grammatik, wie man so sagt, auf Kriegsfuß stehen, sondern es geht vielmehr um die Art, wie sie dieser Sprache alles auszutreiben versuchen, was nicht Befehl, Drohung, Waffe, Häme, Propaganda und Niedertracht ist. Aber noch weiter verbreitet ist das Misstrauen gegenüber den Möglichkeiten der eigenen Sprache. Sprachliebe gilt hierzulande als elitär, untüchtig, klassistisch oder abgehoben. Pauschalurteil mit leicht narzisstischer Tendenz? Ich darf das, ich bin Kolumnist.

Bevor sie von irgendwas anderem handeln, handeln Kolumnen von der Mühe, die sich Autorinnen und Autoren mit der Sprache machen, und bestenfalls auch von der Freude, die dabei für sie und die Leser*innen abfällt. Dabei gibt es offenbar zwei literarische Hauptstrategien. Die eine lädt die Adressaten zu einem Spiel der Assoziationen, Mehrdeutigkeiten oder Engführungen ein (Letzteres natürlich vor allem in politisch-moralischer Hinsicht), die andere nutzt ein Rollenspiel. Das schreibende Ich als Zeitgenosse, Kumpel, Mensch wie du und ich, Kind, Vater, Mutter, Arzt oder auch mal Stammtischbruder/-schwester, jedenfalls, um mit Markus Söder zu sprechen: audendisch. Wie auch immer, eine Kolumne ist keine Information, keine Analyse und keine Kritik. Aber wenn sie nicht auf diese drei Bausteine der Kommunikation aufbaut, dann bleibt sie eine ziemlich leere Angelegenheit, vielleicht sogar der Missbrauch einer in der Tat privilegierten Position. Weil Kolumnistinnen und Kolumnisten mehr dürfen als wirkliche Journalisten, haben sie auch eine besondere Verantwortung. Auch und gerade der Sprache gegenüber.

Bildergebnis für Wikimedia Commons Bilder Bundeswehr in Schulen Lupus in Saxonia / Wikimedia Commons (CC BY-SA 4.0)

Die zweite Kategorie ist „Zeitung“. Gedruckte, klassisch gegliederte Zeitungen sind ja ein sogenanntes Auslaufmodell. In der traditionellen Form war die Kolumne eine Methode, dem starren semantischen und methodischen Regelwerk – Nachricht, Kommentar, Glosse; Politik, Kultur, Sport etc. – zu entkommen. Eine Kolumnistin, ein Kolumnist darf sich nicht nur was die persönliche Einstellung anbelangt etwas mehr an Freiheit herausnehmen als die Redaktion. Dafür ist er oder sie eben auch nur ein Gast und bleibt für sein Schreiben am Ende selbst verantwortlich. Eine Insel der Subjektivität im Meer der, nun ja, objektiven oder wenigstens argumentierenden Informationen. In der Kolumne darf auch von Gefühlen die Rede sein. In der elektronischen Form der Informations- und Meinungsverbreitung gibt es keine Kolumnen mehr – oder es gibt sozusagen nur noch Kolumnen, was in etwa auf dasselbe hinausläuft.

Quelle      :          TAZ         >>>>>         weiterlesen

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Grafikquellen         :

Oben       —       alice_d25 – Eigenes Werk

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DL – Tagesticker 26.08.2020

Erstellt von Redaktion am 26. August 2020

Direkt eingeflogen mit unseren Hubschrappschrap

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Wollte denn Politik mit Aufkommen der „Corona-Krise jemals etwas anderes als eine Spaltung der Gesellschaft um von den großen Themen derselben abzulenken ? Wer sich in den Sesseln mit der Regierung setzte war gut und auf den Stühlen jeglicher Opposition zählte man die Bösen. Die Kleriker wider den Eiferern. Anders würde Politik nicht funktionieren, da nur so der gesunde Menschenverstand mit allen seinen Problemen an die Wände gedrückt werden kann. Ganz besonders dann wenn die Weichen für den Zug lange Zeit vorher bereits auf Einheitsbrei kurz vor Wahlen  gestellt wurden. Kam Corona etwa nicht wie gerufen ??

„Die Kommunikation zu den Risikogruppen war Mist“

1.) Coronavirus

Trotz Neuinfektionen wirkt die Lage entspannt. Die Zahlen würden aber falsch erklärt, sagt der Forscher Reinhard Busse. Und keiner verstehe uneinheitliche Corona-Regeln. Was kann Deutschland an Neuinfektionen noch bewältigen? Um diese Frage dreht sich gerade vieles, während Bund und Länder weiter über einheitlichere Regeln in der Pandemie streiten. Bußgelder, Vorgaben für Feierlichkeiten und Maskenpflicht: Je nach Bundesland gibt es andere Vorgaben. Wie sinnvoll ist das und worauf kommt es jetzt an? Reinhard Busse erforscht Gesundheitssysteme. Er erklärt, was sich in unserem Verhalten ändern muss und wo es gerade eng wird.

ZEIT ONLINE: Derzeit werden wohl noch bis zum Ende des Sommers verstärkt Urlauberinnen und Reiserückkehrer aus Risikogebieten getestet. Stimmt es, dass wir bloß mehr Corona-Fälle haben, weil wir mehr testen, und dass deshalb alle noch recht gelassen sind?

Reinhard Busse: Es ist nicht so, dass wir mehr positive Fälle haben, weil wir mehr testen.

ZEIT ONLINE: Was ist der Fehler in dieser Interpretation der Zahlen?

Busse: Mehr Tests sind nicht der einzige Grund dafür, dass wir mehr positive Corona-Fälle finden. Auch am Anfang der Pandemie haben wir bereits relativ breit getestet. Es gibt da einen kritischen Wert, der meines Erachtens in den letzten Monaten zu wenig Aufmerksamkeit bekommen hat: Das ist der Anteil der positiven Tests an allen Tests. Da waren wir schon mal viel besser.

ZEIT ONLINE: Was meinen Sie damit?

Busse: Man muss immer schauen, wie viele Tests man braucht, bis man einen positiven gefunden hat. Auf dem Höhepunkt der Infektionszahlen Ende März, Anfang April musste man zwölf Tests machen, um einen positiven zu finden. Mitte Juli brauchten wir schon fast 200 Tests. Im Moment ist etwa jeder hunderte Corona-Test positiv – nur mehr Tests erklären das nicht. Selbst wenn wir jetzt die Testanzahl verdoppeln würden und einfach drauf los testen würden oder beispielsweise alle Lehrerinnen und Lehrer, dann müsste die Rate der positiven Tests runtergehen, weil sie etwa weniger Rückkehrer aus Risikoländern dabei hätten. Bei Tests in der Breite sinkt die Prozentzahl der Positiven. Aber aktuell geht sie hoch! Das heißt, wir haben zwar eine höhere Anzahl an Tests, aber wir haben auch einen höheren Anteil an Menschen, bei denen die Tests positiv sind! Der Zuwachs ist real.

Zeit-online 

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Aber seien doch wenigstens wir, die an dieser stümperhaften Diktatur der Selbstermächtigten Spinner aus der Berliner-Fäkaliengrube, am meisten leiden müssen, die Bevölkerung, selbst wenn wir sie, schändlicher Weise so auf die Parteien gemünzt, gewählt haben und die meisten werden es wieder machen – einmal ehrlich: „Wer bitte, hatte etwas anderes erwartet ? Die Hoffnungslos in ihrer Materie verliebten Hofschreiber?  Bei soviel an ungebildeten „Volkstretern“, hofft doch jeder dieser Typen auf das Glück der Widerwahl. Was anderes bleibt diesen Hochstablern, da sie nichts gelernt haben, doch gar nicht übrig, wollen sie nicht verhungern!

Der Beschluss von Union und SPD zum Wahlrecht

2.) So macht sich der Bundestag zur Lachnummer

Was der Koalitionsausschuss zum Wahlrecht vorlegt, bringt wenig. Das Ergebnis ist peinlich und unwürdig. Es ist peinlich. Es ist jämmerlich. Es ist grotesk. Anders lässt sich nicht kommentieren, was die Koalitionsspitzen in der Nacht zum Mittwoch zur Reform des Wahlrechts beschlossen haben. Die schlimmsten Befürchtungen sind noch unterboten worden. Wie kann man mit einem solchen Murks vor die Bürger treten? Wenn dieses Minimalergebnis tatsächlich umgesetzt wird, macht sich der Deutsche Bundestag zur Lachnummer. Angetreten waren sie vor drei Jahren mit dem Anspruch, das Parlament müsse nach der Vergrößerung auf 709 Sitze durch Überhänge und Ausgleichsmandate wieder kleiner werden. Zur Erinnerung: 598 Sitze ist die Ausgangsgröße. Das Ziel änderte sich im Verlauf der Debatte: Nun sollte das Parlament zumindest nicht noch größer werden. Mit dem Beschluss aus der Nacht ist aber nicht einmal mehr das gesichert. Die Koalitionsspitzen konnten nicht erklären, wo man mit diesem Beschluss landen wird.

Tagesspiegel

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Mit so vielen Luschen auf Deutscher-Hand kann beim Skat kein Spieler einen Grand gewinnen ! Das wird ein jeder der Mitspieler schon beim ersten Aufspielen bemerken.

Streit zwischen Türkei und Griechenland

3.) Europas Verantwortung

Mit Griechenland und der Türkei streiten sich Nato-Partner um Gas im Mittelmeer. Die USA halten sich raus. Nun versucht es der Bundesaußenminister. Entspannung und Dialog war das Motto, unter dem Außenminister Heiko Maas am Dienstag sowohl Athen als auch Ankara besuchte. Die Bundesregierung ist zu Recht besorgt über das Säbelrasseln zwischen der Türkei und Griechenland, das bereits zum Zusammenstoß zweier Kriegsschiffe geführt hatte und jederzeit in einen bewaffneten Konflikt ausarten kann. Im Streit um die Ausbeutung der Öl- und Gasvorkommen im östlichen Mittelmeer hatte Maas sich vorgenommen, beide Seiten an den Verhandlungstisch zu bringen. Das ist eine schwierige Mission. Beide Länder sehen sich voll im Recht, niemand will Kompromisse machen. Mehrmals hat bereits Bundeskanzlerin Merkel mit dem griechischen Premier Mitsotakis und dem türkischen Präsidenten Erdoğan telefoniert, bislang ohne Erfolg. Mitsotakis brüskierte sie, indem er einen Tag nach dem Gespräch einen Vertrag mit Ägypten unterzeichnete, der die Türkei zusätzlich provozierte; und Erdoğan schickt statt Friedensangeboten immer neue Kriegsschiffe in Richtung Griechenland.

TAZ

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Warum sollte das System der Politik in der Schule besser arbeiten als in den anderen Behörden dieses Staates ? Die ungelehrten Staatssekretär-Innen welche nach dem Parteienproporz in die Schulaufsichtsbehörde berufen werden, diktieren den Lehrkörpern was Sache ist ! So arbeiten die  Systeme – über die der Staat seine schmutzigen Hände schützend  ausbreitet !

Schulstart in Nordhein-Westfalen :

4.) Umsicht nur „vorgegaukelt“

Masken, Mindestabstände und regelmäßiges Lüften: Für das neue Schuljahr hat NRW-Bildungsministerin Yvonne Gebauer viele Regeln aufgestellt. Doch nun kommt massive Kritik von den Schulleitern. Der Brief an Landesvater Armin Laschet liest sich wie ein Notruf. „Völlig unreflektiert und oberflächlich“ seien die Standards, die Nordrhein-Westfalens Bildungsministerium in Corona-Zeiten verordne. Eine jüngste Anweisung von Schulministerin Yvonne Gebauer (FDP) zu Abstandspflicht und Belüftung von Klassenräumen, so heißt es weiter, „ignoriert vielerorts“ die Zustände der maroden Schulgebäude. Das Ministerium in Düsseldorf, so der nächste Vorwurf, suche in der Krise keinen Rat, sondern wolle allenfalls „eine Scheinbeteiligung“. Weshalb die Absender schlussfolgern: Der Öffentlichkeit werde von der Ministerin Umsicht nur „vorgegaukelt“ – tatsächlich habe man den Eindruck, ihr seien „die Arbeitsbedingungen vor Ort in den Schulen nicht bekannt“. Ein vernichtendes Urteil. Und eines von Gewicht: Verfasst hat die herbe Kritik die „Schulleitungs-Vereinigung NRW“. Der Protest der Rektoren zwang das Ministerium am Dienstagnachmittag zu einer Replik: Weil 99 Prozent aller Schüler in NRW wieder brav zur Schule gingen, sei „der Schulstart gut gelungen“. Das Ministerium verweist auf allerlei Pläne und auf eine „Ausstattungsoffensive“, die besseres Internet und Tausende Tablets in die Schulen bringen soll. Will sagen: Alles ist gut – oder es wird besser. Der Staatssekretär bringt Schuldirektoren landesweit auf die Palme Lehrergewerkschaften und Elternverbände sehen das anders. Seit Ausbruch der Pandemie im bevölkerungsreichsten Bundesland beklagen sie, die Düsseldorfer Ministerialbürokratie verkenne die Not an der Schul-Front. Mal verheddert sich die oft überfordert wirkende Ministerin Gebauer in organisatorischen Details (oder sie wird, wie Ende April, vom Ministerpräsidenten öffentlich korrigiert). Und dann wieder ist es ihr Staatssekretär Mathias Richter, der die 5500 Leiter von Grund- und Gesamtschulen, von Gymnasien oder Berufskollegs auf die Palme bringt. Richter gilt als eigentlicher Kopf im Ministerium, er unterschrieb die meisten jener „Schulmails“ oder „Faktenblätter“, die auf mehr als zwanzig Seiten oft kurzfristig detaillierte Vorgaben aus Düsseldorf über die Lehranstalten brachten.

Sueddeutsche-Zeitung

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Wir leben in einer Gesellschaft in der eine jede Gruppierung nur an sich selber denkt. Natürlich denkt ein Politiker in erster Stelle an sich selber, hat er doch, aus der niedersten Gosse kommend, in den meisten Fällen am wenigsten für sein Alter sorgen müssen, da er selber als Gesetzgeber mitbeteiligt in den tiefsten Sesseln saß. Gerade aber die Linke hat bislang, außer leere Versprechungen, keine zählbaren Leistungen erbracht.

Linkspartei wirbt in Sachsen für Stärkung der gesetzlichen Altersversorgung

5.) Gähnende Leere im Rententopf

Der Topf, den die Linkspartei auf den Chemnitzer Wochenmarkt gewuchtet hat, besteht aus rot lackiertem Aluminium, ist brusthoch und fasst gut 1200 Liter. Zwischen Bratwurstbuden und Ständen mit Fischbrötchen wirkt er so, als könne man unter dem Deckel Erbsensuppe erwarten. Tatsächlich aber ist das Gefäß, das als »riesiger Rententopf« angekündigt wurde, gähnend leer. Ganz so schlecht ist es um die gesetzliche Rente, die der Topf symbolisieren soll, nicht bestellt. Dennoch sind deren Erträge so mager, dass viele Ruheständler keine auskömmlichen Altersbezüge erhalten. 2,4 Millionen Rentner bekämen weniger als 1000 Euro im Monat aus den Rentenkassen, obwohl sie 40 Jahre eingezahlt hätten, ist in einer kleinen Informationsausstellung zu erfahren, die den Topf rahmt. Bundesweit ist das jeder Dritte; in Sachsen und Brandenburg sei der Anteil noch höher. »Den Osten«, sagt Linke-Bundeschefin Katja Kipping, »trifft es mit besonderer Härte.« Mit dem knallroten Rententopf im Gepäck tourt Kippings Partei bis Mitte Oktober durch 33 Orte in Sachsen, um auf die Missstände in der gesetzlichen Rente aufmerksam zu machen und über Gründe dafür aufzuklären. Einen symbolisiert ein zweiter, kleinerer, goldener Topf, der laut Aufschrift »Extrawürste« enthält: Pensionsregelungen für Beamte oder Politiker oder Beitragsbegrenzungen für Gutverdiener etwa. Diese kritisiert die Linke. »Wir wollen keinen Zaubertrank à la Asterix«, sagt Kipping. Die gesetzliche Rente könne aber beispielsweise gestärkt werden, wenn mehr Menschen als bisher einzahlen müssten.

ND

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Heißt es nicht im Volksmund : „Für jeden Topf findet sich auch der passende Deckel? Da hat sich die „Augustus Intelligence wohl genau die richtigen Berater ausgesucht ? Beiden Aspiranten sind schon bei Ansicht lesbar ?

Der Verkehrsminister und Augustus Intelligence 

6.) Amthors Werk und Scheuers Beitrag

In der Affäre um Augustus Intelligence legt das Ministerium erstmals die Kommunikation mit der Firma offen. t-online.de liegen die Dokumente vor. Sie werfen mehr Fragen auf, als dass sie Antworten geben.  Das von CDU-Politiker Philipp Amthor in der Bundesregierung beworbene Unternehmen Augustus Intelligence hat sich vor einem Expertengespräch im Bundesverkehrsministerium Einfluss auf die Tagesordnung versprochen. Das geht aus Emails zwischen dem Ministerium und dem Unternehmen hervor, die t-online.de vorliegen. Ziel des Treffens am 26. September 2018 war laut Ministerium „der Aufbau eines eigenen, hochrangigen Expertennetzwerks rund um die Einsatzmöglichkeiten von [Künstlicher Intelligenz] im Mobilitätsbereich“.
Schriftverkehr und Protokoll
Die Einladung dazu ging beiden Unternehmensvertretern am 4. September 2018 persönlich zu. In seiner Antwort schrieb der Mitgründer des Unternehmens, Pascal Weinberger, daraufhin: „Für weitere Details und Fragen sowie die Agenda Feinabstimmung wird Herr (…) mit Ihnen den Kontakt halten.“ Ob und inwiefern es daraufhin Absprachen hinsichtlich der Tagesordnung gab, geht aus dem Mail-Wechsel allerdings nicht hervor.

T-online

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TITANIC Service:

7.) Woran merke ich, ob mein Tier Corona hat?

Hund: Trägt freiwillig einen Maulkorb, um seine Umgebung zu schützen.

Katze: Frisst ausnahmsweise auch das billige Futter, leidet mithin unter Geschmacksverlust.

Fledermaus: Hat schon auf dem Wet Market in Saarbrücken einen kränklichen Eindruck gemacht und hängt seitdem apathisch an der Decke.

Gans: War auf einem potentiellen Superspreading-Event: Hat im Stall fünf Stunden lang im Gänsechor geschnattert und geschnattert und geschnattert – ohne den vorgeschriebenen Schnabelschutz und Mindestabstand! Seitdem trockener Husten und Halsweh.

Affe: Klagt über Atemnot, hat sogar mit dem Rauchen aufgehört.

Schildkröte: Wirkt sehr geschwächt, kann sich nur äußerst langsam fortbewegen.

Papagei: Spricht im Fieberwahn mit seinem Hausarzt.

Titanic

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Anregungen nehmen wir gerne entgegen

Treu unserem Motto: Es gibt keine schlechte Presse, sondern nur unkritische Leser

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Grafikquellen          :        DL / privat – Wikimedia

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