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Archiv für November 15th, 2019

Kurden im Krieg

Erstellt von Redaktion am 15. November 2019

Zwischen Erdoğan und Assad

VOA in Al-Hol Camp, Syria, 17 October 2019.jpg

Ein Artikel von Cedric Rehman

Über 12.000 Menschen sind aus den kurdisch kontrollierten Teilen Syriens in den Nordirak geflohen. Ein Besuch im Lager Bardarasch.

Tamara Badran ist nur zwei Tage älter als der Krieg. Sie schläft den Schlaf der Neugeborenen in einem rosa Kuschelkissen unter einer Zeltplane im Flüchtlingslager Bardarasch in der autonomen Kurdenregion im Nord­irak. Das Baby wird nicht einmal wach, als ihre Mutter Gulbin sie auf ihre Schulter legt. Die Kurdin will sich nicht fotografieren lassen. Eine Mutter ohne Ehemann habe es in einem Flüchtlingslager nicht leicht, da sei es besser, keine Aufmerksamkeit zu erregen, murmelt der Übersetzer.

Die Flucht der Mutter und ihres Babys aus Rojava endete auf schwarzem Stein. Aus dem Kurdischen übersetzt lautet so der Name des nordirakischen Flüchtlingslagers Bardarasch. Die Berge zwischen Syrien und Irak haben dem Lager seinen Namen gegeben. Sie erheben sich hinter dem Lager in der gleißenden Sonne schwarz vor dem blauen Horizont. Der „schwarze Stein“ liegt wie ein Riegel zwischen der Heimat, der im Kurdischen Rojava genannten nordsyrischen Föderation, und dem Camp in der autonomen Kurdenregion im Nordirak. Hinter den Bergen schlängelt sich der Tigris durch ein Tal. Mitten im Fluss endet der Irak und Syrien beginnt.

Seitdem Anfang Oktober türkische Bomben auf Orte wie Kobani oder Kamischli fielen, machen sich syrische Kurden auf, um bei den irakischen Kurden Schutz zu suchen. Es sind laut Angaben des UN-Flüchtlingswerks rund 12.000 Menschen, die aus Rojava in den Irak geflohen. Über 11.000 sind im Lager Bardarasch interniert. Sie überqueren aber nicht den Fluss Tigris, sondern nutzen Schleichwege. Es heißt, die Rojava kontrollierenden Syrisch-Demokratischen Kräfte (SDF) wollten eine Massenflucht in den Irak verhindern. Sie ließen niemanden ausreisen aus Angst vor leeren Ortschaften. Sie könnten von ihren Feinden mit neuen Bewohnern gefüllt werden. Der türkische Präsident Erdoğan nannte als ein Ziel seiner Offensive die Ansiedlung von syrischen Flüchtlingen aus der Türkei.

Der Tigris macht südlich des offiziellen Grenzübergangs in Fisch Chabur eine Biegung. Dann verläuft eine grüne und schwer zu überwachende Grenze über Land. Die Schmuggler kennen die Schleichwege. Sie zeigen sie den Flüchtenden aus Rojava für Hunderte von Dollar. Das ist viel Geld für die Menschen aus dem verarmten Nordosten Syriens. Meist gehen sie nachts den Weg in den Irak zusammen mit ihren Schmugglern. Tamara Badran überquerte die Grenze im Dunkeln in den Armen ihrer Mutter Gulbin. Die Schmuggler sagten Gulbin immer wieder, sie solle das weinende Baby zum Schweigen bringen. Die Gruppe würde wegen ihr und ihrem schreienden Neugeboren noch von einer Patrouille der SDF oder der nordirakischen Peschmerga erwischt werden. Aber am Ende erreichten die Flüchtenden den irakischen Boden, ohne jemandem mit der Waffe in der Hand in die Arme zu laufen.

Patrouille turque Kobané 5 novembre 2019.jpg

Die Schleuser zeigten nach stundenlangem Fußmarsch auf Lichter, erzählt Gulbin: „Geht da lang, da ist Kurdistan“, sagen sie. Dann verschwanden sie wieder nach Rojava und ließen die Geflüchteten allein weitermarschieren. Ihr Kind war gerade zwei Tage alt, als die ersten Bomben auf Kamischli fielen. Eine Rakete habe gleich am ersten Tag des Krieges, am 9. Oktober, ein Haus in der Nachbarschaft getroffen. „Unser Haus hat gebebt während der Explosion“, erinnert sich Gulbin. Der Familienrat traf eine rasche Entscheidung: Die Mutter, ihr Kind und die übrigen Frauen der Familie sollten mit einem älteren Onkel in den Irak aufbrechen. Die Männer sollten in Kamischli bleiben und die Stellung halten. „Wir hatten Angst, dass Flüchtlinge unser Haus besetzen, wenn wir alle gehen. Vielleicht ist der Krieg ja auch bald vorbei und wir können zurück“, meint die Mutter.

Alle Geflüchteten werden erst einmal vom Asayis, dem Geheimdienst der autonomen Kurdenregion, überprüft

Schon 2012 sei die Familie aus Syrien in den Irak geflohen, erzählt sie. Nach einer Zeit in einem Flüchtlingslager haben die Männer in der nordirakischen Stadt Sulaimanija Arbeit gefunden. Die Familie zog in ein eigenes Haus. Ob es dieses Mal nicht besser wäre, das endlos umkämpfte Syrien für immer zu verlassen? Gulbin zögert mit einer Antwort. Ihr sei es egal, wo Tamara aufwachse, solange dort Frieden herrsche, sagt sie. „Ich wünsche mir, dass meine Tochter studieren kann. Ich konnte nicht einmal einen Schulabschluss machen wegen der Kämpfe“, sagt sie.

Eine Traube von Geflüchteten folgt einem Manager des Camps. Er sieht die Reporter mit gezücktem Notizblock, die ihm Fragen stellen wollen. Aber er ist umringt von Campbewohnern. Sie lassen nicht von ihm ab. Die Menge folgt ihm von einer Lagerhalle, in der Männer auf Matratzen auf dem Boden liegen und an die Decke starren, durch die staubigen Pfade des Camps bis zu einem Container auf dem Gelände des Lagers. Es dient der Lagerverwaltung als Büro. Anstatt den Container zu betreten, dreht er im Schritt um, als hätte er etwas Wichtiges vergessen. Die Reporter laufen ihm und der Menschentraube hinterher wie ein Gefolge seinem König.

Alle wollen das „Papier“

Sie rufen ihm ihre Fragen zu. Wie viele könnten noch über die Grenze kommen? Wo bleibe die internationale Hilfe? Der Manager antwortet in zwei Sätzen, während er weiter seinen Weg geht. Wie viele noch in den Irak flüchten werden, könne niemand sagen. Und nein, bis auf das UNHCR gebe es derzeit keine internationale Hilfe, ruft der Manager. Dann ignoriert er die Journalisten und wendet sich Camp-Bewohnern zu, die ihm weiter folgen.

VOA in Al-Hol Camp, Syria, 16 October 2019 02.jpg

Vielleicht wollten die Männer und Frauen von dem Manager Auskunft über eine Frage, die alle Geflüchteten in Bardarasch umzutreiben scheint. In ihren Gesprächen geht es immer wieder um „das Papier“. Damit meinen sie den Schein, der zum Aufenthalt im Nordirak berechtigt. Er gestattet es auch, sich eine Arbeit außerhalb des Lagers zu suchen oder zu Verwandten zu ziehen, die bereits in der autonomen Kurdenregion leben.

Quelle         :          TAZ        >>>>>          weiterlesen

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Grafikquellen         :

Oben      —      We are the first reporters inside the al-Hol Camp since Turkish military operations began in northeastern Syria last week. Officials say since the conflict began, the camp, which houses 71,000 people, has become „out of control.“ Camp officials say in the past week there have been attacks, escape attempts and open calls for a violent uprising in al-Hol Camp in Syria, Oct. 16, 2019. (Y. Boechat/VOA)

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2.) von Oben        —       Véhicules de l’armée turque en patrouille caillassés par des habitants de Kobané, le 5 novembre 2019.

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UNO-Sitz in New York

Erstellt von Redaktion am 15. November 2019

UNO soll globale Bürgerinitiativen auf die Tagesordnung setzen

FN i New York.jpg

Quelle        :          INFOsperber CH.

Von Andreas Zumach. Genf

Zivilgesellschaftliche Gruppen starten globale Kampagne zur Einführung einer WeltbürgerInnen-Initiative.

Genf/New York: Über hundert zivilgesellschaftliche Gruppen, zusammengeschlossen in einer neuen globalen Kampagne «Wir die Völker», haben die Vereinten Nationen (UNO) gestern Donnerstag aufgefordert, eine Weltbürgerinitiative einzuführen. Das Instrument soll es «der Weltbevölkerung ermöglichen», unabhängig von den Regierungen und DiplomatInnen der 193 UN-Mitgliedsstaaten «Vorschläge auf die Tagesordnung der UN-Generalversammlung zu setzen», heisst es in einer gemeinsamen Erklärung, die Mitgliedsgruppen der Kampagne bei einer Versammlung vor der New Yorker UN-Zentrale jetzt veröffentlichten. (Für die Schweizer Leserinnen und Leser: «Auf die Tagesordnung setzen» bedeutet in der deutschsprachigen Schweiz «Auf die Traktandenliste der Generalversammlung setzen».)

Initiatoren der Kampagne zur Einführung einer WeltbürgerInnen-Initiative sind die Nichtregierungsorganisationen «Demokratie ohne Grenzen» / Democracy Without Borders, «Democracy International» und das globale zivilgesellschaftliche Bündnis CIVICUS «Wir die Völker» – mit diesen drei Worten beginnt die Präambel der UNO-Charta von 1945. Die Kampagne zielt darauf ab, «die Anliegen der Bürgerinnen und Bürger näher an die UNO heranzuführen», denn «die Legitimität, Relevanz und Fähigkeit der UNO, sich den aktuellen Herausforderungen zu stellen», könne «verbessert werden, indem sie offener und zugänglicher für die Bevölkerung wird».

Eine von den Initiatoren vorgestellte rechtliche Studie kommt zu dem Schluss, dass die Einführung einer WeltbürgerInneninitiative nach den Regeln der Vereinten Nationen «machbar» ist und von der UN-Generalversammlung beschlossen werden könnte. Die Studie schlägt vor, dass Initiativen, die von mehr als fünf Millionen Bürgerinnen und Bürgern aus einer bestimmten Anzahl von Staaten in allen Weltregionen unterstützt werden, «automatisch auf die Tagesordnung der Generalversammlung oder des Sicherheitsrates gesetzt werden sollten». Diese müssten dann «eine Resolution als Reaktion auf den Vorschlag entwerfen und dann über diese Resolution abstimmen».

«Ähnliche partizipative Instrumente gibt es bereits in vielen Städten, Regionen und Ländern auf der ganzen Welt», unterstrich Caroline Vernaillen, die bei Democracy International für globale Gemeinschaftsbildung verantwortlich ist. Ein «wichtiges Beispiel und Vorbild» sei die in der EU-Verfassung vorgesehene «Europäische Bürgerinitiative». Dieses Instrument ermöglicht es UnionsbürgerInnen, die für ihr Anliegen mindestens eine Million Unterschriften aus mindestens sieben Mitgliedstaaten der EU gesammelt haben, der Europäischen Kommission Rechtsvorschriften vorzuschlagen.

Andreas Bummel, Geschäftsführer der in Deutschland, Österreich und der Schweiz aktiven Nichtregierungsorganisation «Demokratie ohne Grenzen» sagte: «Das 75-jährige Bestehen der UNO im Jahr 2020 ist für die internationale Gemeinschaft eine passende Gelegenheit, eine Weltbürgerinitiative zu etablieren, um so das demokratische Defizit der Global Governance zu mindern».

Der globale Programmleiter von CIVICUS, Mandeep Tiwana, betonte: «Es ist an der Zeit, den Bürgerinnen und Bürgern bei der UNO eine direkte Stimme zu geben, um das Versprechen der UN-Charta zu erfüllen, die mit den Worten ‹Wir, die Völker der Vereinten Nationen› beginnt.»

Die Kampagne sammelt weitere Unterstützung von zivilgesellschaftlichen Gruppen und Einzelpersonen und will ihren Vorschlag Anfang nächsten Jahres offiziell den Vereinten Nationen vorstellen.

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Siehe dazu

FREIE NUTZUNGSRECHTE

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Grafikquelle       :          FN i New York

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Alkoholverbot an Bahnhöfen

Erstellt von Redaktion am 15. November 2019

Zweifel an Wirksamkeit eines Alkoholverbots am Bahnhof

Ravensburg Bahnhof 2011.jpg

Von Ben Heisch

In der Diskussion über ein Alkoholverbot am Ravensburger Bahnhof häufen sich Beschwerden der Passanten bei der Stadtverwaltung. Auch die Polizei berichtet immer wieder von Konflikten der Betrunkenen und Drogenkonsumenten. SZ-Mitarbeiter Ben Heisch hat sich am Bahnhof bei Passanten umgehört. Zwar sprechen sich viele Bahnreisende für ein Alkoholverbot am Bahnhof aus, bezweifeln aber, dass ein Verbot durchzusetzen wäre.

Ein älteres Ehepaar, das für eine Zugfahrt an den Ravensburger Bahnhof gekommen ist, findet es in Ordnung, Alkohol am Bahnhof zu trinken – solange die Trinker niemanden stören. Außerdem waren sich die Ehepartner einig, dass die Idee, mutmaßlich alkoholabhängigen Menschen das Trinken in der Öffentlichkeit zu verbieten, nicht umsetzbar wäre.

Junge Frau stört sich abends an Betrunkenen

Quelle     :       schwäbische-Ravensbur           >>>>>         weiterlesen

Zu Obigen Artikel erhielten wir folgende Zuschrift

Kommentar von Stefan Weinert zum Bericht der „Schwäbischen“ :

da muss ich doch erst einmal an die Diskussion um ein mögliches Verbot von alkoholischen Getränken an der „blauen Tanke“ (Südstadt) nach 22 Uhr erinnern … Daraus wurde nichts. Wie hat sich die Situation da eigentlich entwickelt? Bitte liebe SZ, berichte mal. – 

Was den Bahnhof anbetrifft, bin ich wohl immer zur falschen Zeit mit der BOB nach FN gefahren. Habe nie irgendwelche Promille-Sünder gesehen … aber selbst wenn: Ein Verbot verlagert das Problem lediglich, löst es aber nicht. (Alte Stadtindianer-Weisheit) Eine andere Weisheit besagt: Was Akademiker, Stadträte, Großkopferte und Honorige und andere Krawattenhalter hinter verschlossenen Türen und opaken, getönten Scheiben saufen, tun die „Penner“ und „Nichtsnutze“ öffentlich. Und das weiß auch (fast) jeder. Abgesehen natürlich vom „Rutenfest“, wo das „öffentliche Besäufnis für alle“ von oben abgesegnet ist und diese Tradition dem „Narrensamen“ mit der Muttermilch eingeflößt wird. 

Das alles ist eine ziemliche Heuchelei. Ein „Nichtsnutz“ kann sich nun mal ein Kneipenbier (die Halbe für 3,30 €; auch in der „Räuberhöhle“) und einen Schnaps (2 cl = 2,50 €) nicht leisten. Für den Preis (plus Trinkgeld) bekommt er im Supermarkt eine ganze Kiste „Oettinger“ oder 1 Liter Wodka. Und da nun auch mal der „Nichtsnutz“ ein soziales Wesen ist (!!), sucht er sich seine „Kneipe“, wo er nicht alleine ist und alleine trinken muss. Erfährt man alles, wenn man sich mit den „Pennern“ auf  Augenhöhe unterhält.#

Ravensburg Rutenfest 2005 Festzug Burg Ravensburg.jpg

Die verlorene Ehre des  Landraubenden Adel wurde doch lange von  Hochstapelnden Politikern – Innen übernommen !

Bereits vor 15 Jahren schrieb ich in einem Leserbrief zum Thema „Säufer am Grünen Turm“, dass jene, die wir gerne „Penner“ nennen, das Spiegelbild unserer angeblich „heilen“ Gesellschaft sind. Weder Streetworker noch das Verbot helfen wirklich, sondern die Veränderung der Gesellschaft insgesamt ist die beste und auch kostengünstigste Lösung. Dazu gehört an erster Stelle, endlich damit aufzuhören, pharisäerhaft auf die öffentlichen Trinker einzuschlagen. Denn wer mit einem Finger auf den „Sünder zeigt“, zeigt gleichzeitig mit den restlichen Fingern auf sich selbst. Und welche die nächsten Schritte sein sollten/könnten … dürfte jedem klar sein.

Ach ja – als Theologe erlaube ich mir, einen der wichtigsten Sätze aus der Bibel in den Kontext der Moderne und in das Ravensburg im 21. Jahrhundert  zu übertragen: WER VON EUCH OHNE BIER IST, DER WERFE DIE ERSTE FLASCHE. Blasphemie? Mitnichten! Bevor Jesus auf der berühmt gewordenen Hochzeit zu Kana 600 Liter (!) Quellwasser in den besten Wein verwandelte, waren die Hochzeitsgäste bereits „trunken“ (nachzulesen in Johannes Kapitel 2 ab Vers 1 und folgende). Selbst wenn diese Geschichte nur eine symbolische Geschichte a la Bultmann sein sollte – wer wir sie heute wohl wie interpretieren ..?

MfG, Stefan Weinert, Ravensburg

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Grafikquellen        :

Oben       —      Ravensburg, Bahnhof (westliche Seite)

 

 

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Thüringer Regierung

Erstellt von Redaktion am 15. November 2019

Thüringen – Minderheitsregierung

2019-10-27 Wahlabend Thüringen by Sandro Halank–09.jpg

Von Tom Strohschneider

Minderheitsregierung, das klingt erst mal doof. Dabei bietet sie viele Chancen.

Vor ein paar Tagen sorgte eine Meldung auf Twitter für Aufsehen: „CDU führte konkrete Gespräche mit der AfD“, so die Schlagzeile. Und das, so las man weiter, obwohl CDU-Fraktionschef Mike Mohring „zuvor jede Kooperation ausgeschlossen hatte“. Passiert da etwas Heimliches, Ungeheuerliches hinter den Kulissen der Erfurter Nachwahlpolitik? Eine Kooperation mit den Rechtsradikalen gegen Rot-Rot-Grün? Einige Politiker und Journalisten verbreiteten die irritierende Kunde weiter. Bis es jemandem auffiel: Die Meldung ist von 2014. Ein Kollege schrieb: „Geschichte wiederholt sich hoffentlich nicht.“

Was hätte sein können

Es gibt das berühmte Diktum von Karl Marx, dass so etwas eben doch passiert, „das eine Mal als Tragödie, das andere Mal als Farce“. Aber was, wenn es nach der Landtagswahl anders gekommen wäre, nur ein kleines bisschen anders, aber mit großen Wirkungen?

Vielleicht so: Es ist der 28. Oktober 2019, Mike Mohring macht sich am frühen Montagmorgen auf den Weg ins Fernsehstudio, eine schwere CDU-Klatsche im Nacken, unklare Mehrheitsverhältnisse, die Frage einer Kooperation mit der Linkspartei liegt wie ein zwei Tonnen schwerer Stein auf dem Tisch, man kann ihn nicht mal eben mit dem Handrücken wegfegen. „Die CDU in Thüringen ist bereit für Verantwortung, wie auch immer die aussehen kann und sollte“, sagt Mohring. „Deswegen muss man bereit sein, nach diesem Wahlergebnis auch Gespräche zu führen. Ohne was auszuschließen.“ Im Übrigen liege die Hoheit für den weiteren Erfurter Weg „alleine in Thüringen“.

Danach fährt Mohring in die CDU-Bundeszentrale, die Gremien tagen, zerknirschte Gesichter ob des Wahlausgangs – aber der Geist von Altmeister Bernhard Vogel ist in allen Köpfen: Man könne sich doch „Gesprächen nicht versagen“, keine Koalition mit der Linkspartei, das ist klar, aber daneben geht ja auch was. Auch die Thüringer Wirtschaft sieht das so: „Neue Situationen erfordern neue Maßnahmen“, heißt es vom Unternehmensverband. In der CDU-Bundeszentrale stimmt man zu, es wird eine Sprachregelung gesucht, Mohring bekommt sein Mandat. Nur eines nicht: irgendwelche Offenheit zur AfD zeigen. Und Mohring weiß auch: Selbst wenn er so denken würde, sollte er in dieser Runde nie und nimmer Sätze sagen wie: „Ramelow ist inhaltlich leer. Und wir werden als Union alles mit ihm machen können.“

Denn natürlich haben auch die Gegner der „neuen Maßnahmen“ Ohren, SMS-fähige Telefone und sie wissen, an wen sie sich wenden müssen. In der Bild-Zeitung wetzen sie ohnehin schon die Tastaturen, ein Gespräch mit Mohring wird als „Verhör“ verkauft, die alte Leier: Eine Zusammenarbeit mit der Linkspartei sei Verrat der CDU an einem „ihrer letzten heiligen Werte“, der „Markenkern der Partei der Wiedervereinigung“ sei bedroht. Doch Mohring bleibt aufrecht, die CDU bleibt es fast ausnahmslos auch, keine Heckenschützen, kein verbales Störfeuer.

Eine neue Situation erfordert auch neues Verhalten. Hier wird es geliefert. Zumal alle wissen: Wer jetzt gegen Gespräche mit der Linkspartei auftritt, macht jene lauten Minderheiten stark, die am liebsten über die Brandmauer zur AfD hinüberklettern wollten. Ortsfunktionäre aus der vierten Reihe. Ein paar Anhänger der Werte-Union, die von der Frankfurter Allgemeinen Zeitung als „eine kleine Gruppe am rechten Rand der CDU“ beschrieben wird. Auch ein früherer Verfassungsschutzpräsident treibt dort gern sein Wesen.

Aber die CDU im ganzen bleibt stabil. Der Generalsekretär der CDU wehrt einen Vorstoß von der Vorgestern-Fraktion ab, die ihn zu einem Gastbeitrag gegen die Linkspartei drängen wollen. Stattdessen gibt Paul Ziemiak einen Text heraus, in dem er CDU und AfD „wie Feuer und Wasser“ nennt, eine Zusammenarbeit wäre „Verrat an der Christdemokratie“. Mohring sieht sich bestätigt und unterstützt, er nimmt das vertrauliche Angebot von Bodo Ramelow ganz vertraulich an. SMS werden ausgetauscht, aber nicht weitererzählt. Es wird jetzt eine Weile dauern, das wissen alle Beteiligten. Und es wird kompliziert. Der Erfurter Weg ist eine ziemlich steinige und steile Straße.

Mohring wird tags darauf natürlich auf seine Kanäle zu Ramelow angesprochen. Er reißt sich am Riemen: „Private Kommunikation ist aus gutem Grund vertraulich.“ Als sich der Moderator einer Talkshow später nachfragend an ihn heranlanzt, lächelt der CDU-Politiker bloß. Er denkt an das Bild-Interview, Schweigen ist in dieser Situation eine „Frage des Anstands“.

2019-10-27 Wahlabend Thüringen by Sandro Halank–83.jpg

Apropos Anstand, dass das Blatt das Gespräch zum „Verhör“ erklärt hat, wurmt Mohring. Ein Bonmot von Max Goldt kommt ihm in den Sinn: „Diese Zeitung ist ein Organ der Niedertracht.“ Auch dagegen muss man nun aufrecht bleiben. Drei Tage ist die Wahl erst her, der junge CDU-Fraktionschef blickt in eine ungewisse aber auch spannende Zukunft. Ja, eine neue Situation ist das. Thüringen, die politische Landschaft, CDU und Linkspartei – er erinnert sich an den Morgan am Tag nach der Wahl, an seine Worte: „Ruhe und Besonnenheit“.

Was wirklich war

Hätte, hätte, Fahrradkette – die ersten drei Tage nach der Wahl sind in Wahrheit anders verlaufen. Die Lage ist dadurch nicht einfacher geworden, sondern komplizierter. Mike Mohring hat daran großen Anteil, taktisch unsicher, strategisch unvorbereitet, machtpolitisch ungeschickt. Hat er mit dieser Lage etwa nicht gerechnet? In der Talkshow, in der er in Wahrheit auch die Vertraulichkeit Ramelows herumplappernd brach, sagt Mohring: Es sei ein Wahlergebnis „mit dem man nicht rechnen konnte. Vielleicht wollte ich auch nicht damit rechnen.“ Markus Lanz darauf: „Aber damit musste man doch rechnen.“ Mohring: „Klar, konnte man.“

Konnte? Und doch lässt sich die verfahrene Kiste nicht allein auf Mohring schieben. Sein Versuch, unmittelbar nach der Wahl die Tür zur Linken entgegen vorheriger Absagen ein kleines bisschen offenzuhalten, ist vor allem von Politikern der Union vereitelt worden, die Thüringen nur zum Spielball ihrer eigenen Machtlogiken gemacht haben.

Die Mohring-Debatte in der CDU war nicht zuletzt eine um den Kopf der Vorsitzenden Annegret Kramp-Karrenbauer und gegen den Einfluss Angela Merkels. Nicht wenige haben nach dem Motto „Mohring schlagen, AKK und Merkel treffen“ agiert und dabei, man musste das ahnen können, jene angefeuert, die tatsächlich mit Rechtsradikalen reden wollen. Wie ein ausgerollter brauner Teppich für die, die glauben, man müsse die CDU noch weiter nach rechts abbiegen lassen.

Quelle         :     Der Freitag          >>>>>         weiterlesen

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Grafikquellen              :

Oben       —           Election night Thuringia 2019: Bodo Ramelow (Die Linke)

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Stadtgespräch aus Venedig

Erstellt von Redaktion am 15. November 2019

Venedig unter Wasser – Schöne Katastrophe

Chilone-San Marco Flooded.jpg

Kommt alle her, welche vom Mühsal überlastet sind, hier könnt ihr mir folgen und lernen über das Wasser zu gehen.

Von Petra Reski

Die Hochwasser in Venedig sind längst zur medialen Kulisse geworden. Die Stadt leidet derweil an ihrer touristischen Übernutzung.

Schon komisch, wenn man von der größten Hochwasserkatas­trophe in Venedig seit 53 Jahren nichts anderes sieht als das schöne Spiegelbild der Goldmosaiken des Markusdoms und tapfere Touristen in Wegwerfstiefeln, die den Gezeiten die Stirn bieten. Keine Spur von der zerstörten Uferbefestigung an der Riva dei Sette Martiri, wo ein 40 Tonnen schweres Vaporetto auf das Ufer gespült wurde, nichts von den Marmorsäulen, die kreuz und quer herumliegen, als hätte ein Riese kegeln gespielt. Nichts vom Zeitungskiosk, den das Hochwasser in den Giudecca-Kanal geschwemmt hat. Nichts von den venezianischen Kindern, die nicht zur Schule gehen können, nichts vom venezianischen Alltag.

Acqua alta a Venezia nel settembre 2009.jpg

Nichts davon, dass die Menschen in den wenigen verbliebenen Werkstätten (und ja, es gibt in Venedig noch Handwerker und Unternehmer, die Arbeitsplätze geschaffen haben, die nichts mit dem Tourismus zu tun haben!) zu retten versuchen, was noch zu retten ist, Arbeitsmaterial, Lagerbestände. Nichts davon, dass in den Restaurants die Kühlzellen überflutet und Tonnen von Lebensmitteln vernichtet wurden. Alles muss mühevoll mit Süßwasser abgewaschen werden. Auf Knien rutschend versuchen die Venezianer ihre Existenz zu retten.

Dass nur der schöne Schein zählt, wissen die Venezianer seit jener Zeit, als ihre Stadt von einer geschäftstüchtigen Unternehmerclique im Faschismus zur Museumsstadt erklärt wurde. Mit dem Hafen von Marghera wurde der Großraum Venedig geschaffen: das Festland als Schlafstadt für die Arbeiter des Hafens, der Schiffswerften und der Petrochemie­anlage von Marghera. Heute leben in Venedig noch 52.000 Venezianer – der Großraum hingegen zählt knapp 260.000 Einwohner. Auch Luigi Brugnaro, Unternehmer und Bürgermeister Venedigs, wohnt auf dem Festland, wo die überwältigende Mehrheit der Stadträte lebt, die Hochwasser offenbar nur aus dem Fernsehen kennen.

In seiner Rede gegen die Venezianer, jene „glücklich in ihrem Wasser faulenden Dummköpfe“, beschied der Futurist Marinetti, dass es besser sei, Venedig zu zerstören, als zuzusehen, wie es zu einer mumifizierten Museumsstadt zum ausschließlich touristischen Gebrauch verkomme. Sein aus Florenz stammender Schriftstellerkollege Giovanni Papini schrieb: „Wir sind Hausmeister in Leichenhallen und Dienstboten exotischer Vagabunden.“

Quelle       :           TAZ       >>>>>        weiterlesen

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Grafikquellen         :

Oben        —         Chilone-San Marco Flooded

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2.) von Oben      —     Flood in Venice in september 2009: On the way to Saint Mark’s Square

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Unten       —         1913

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DL – Tagesticker 15.11.2019

Erstellt von Redaktion am 15. November 2019

Direkt eingeflogen mit unseren Hubschrappschrap

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Die schmutzige Macht behält für gewöhnlich die Oberhand, das haben wir in Schland oft genug erlebt !

USA

1.) Im Streit über seine Steuererklärung zieht Trump vor den Obersten Gerichtshof

US-Präsident Donald Trump will mit allen Mitteln verhindern, dass er seine Steuererklärung veröffentlichen muss. Dabei geht es um eine Schweigegeldzahlung an die Porno-Darstellerin Stormy Daniels.

Welt

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Der Süden Deutschlands hat Bielefeld wieder entdeckt. Dann kann Habeck auch Kanzler. Die Uckermark war schwerer zu finden.

Parteitag in Bielefeld:

2.) Grüne zwischen Triumph und Trauma

Selbstverständlich soll es kein Jubelparteitag werden, eher ein außerordentlich ernsthaftes Arbeitstreffen, bei dem neben der grünen Weltanschauung auch allerlei Zahlen zu erörtern sind. Was darf der ökologische Umbau Deutschlands kosten? Wie kann der Staat den Wohnungsbau voranbringen? Und wie will eine künftige grüne Bundesregierung eigentlich eine Kehrtwende bei Klima, Mobilität, Konsumverhalten einleiten, ohne sich dabei heillos zu verschulden?

Sueddeutsche-Zeitung

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Sollte der EX-Bürgermeister Schlonz zeigen wollen, dass er auch sozial und somit eine Partei führen kann ?

Bundeshaushalt 2020

3.) Regierung plant mehr Geld für Soziales ein

Der Bundeshaushalt für 2020 steht. Auch im kommenden Jahr soll der Bund ohne Neuverschuldung auskommen. Dafür will er deutlich mehr Geld für Arbeit und Soziales, Klimaschutz und Familien ausgeben. Mit diesem Ergebnis schloss der Haushaltsausschuss des Bundestages am Morgen seine 17-stündige sogenannte Bereinigungssitzung ab, bei der alljährlich die Verabschiedung des Bundesetats vorbereitet wird. „Es bleibt dabei: keine neuen Schulden“, sagte der haushaltspolitische Sprecher der Unions-Fraktion, Eckhardt Rehberg (CDU).

Spiegel-online

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Die Bahn sollte sich als erstes von ihren Eleven aus den Parteien trennen, welche ihr wegen Mangel an politischen Fähigkeiten, auf die Augen gedrückt wurden. Die gleichen Probleme welche die Bahn heute vor sich her schiebt, wurden schon in den 1960-ger Jahren bemängelt. Das Ganze ist folgerichtig ein politisches Führungs – Problem.

Die Deutsche Bahn :

4.) „Viele Beschäftigte schämen sich“

Die Gewerkschaft EVG wirft Konzernspitze und Verkehrsminister Versagen vor. Bahnchef Lutz schreibt an Verkehrsminister Scheuer. Mit scharfer Kritik an der Bundesregierung hat der neue Vorsitzende der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG), Torsten Westphal, sein Amt angetreten. Viele Beschäftigte der Deutsche Bahn AG schämten sich für die vielen Mängel im Schienenverkehr, sagte der bisherige EVG-Bundesgeschäftsführer am Donnerstag in Berlin. Die Mitarbeiter hätten „die Nase bis obenhin voll“. Die Regierung und besonders Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) müssten endlich Verantwortung für die Schiene und die DB AG übernehmen, fordert Westphal. Der Bund als Eigentümer sei gefordert. „Wir brauchen dringend ein Gesamtkonzept, das den Schienenverkehr nach vorne bringt.“

Tagesspiegel

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Wer nicht wahrgenommen wird, muss sich auf den Stuhl stellen um gehört zu werden !

Deutscher Arbeitgebertag 2019

5.) Kuriose Szene: Angela Merkel stoppt während Rede abrupt – und fordert Applaus

Das hatte sich Angela Merkel anders vorgestellt: Bei einer Rede in Berlin auf dem Deutschen Arbeitgebertag spricht die Bundeskanzlerin über die Entwicklung Deutschlands. Dann kommt es zu einer kuriosen Szene.

Die Bundeskanzlerin machte während ihrer Rede extra eine Pause, weil sie Applaus erwartete. Doch dieser blieb aus. Nur ein paar Zuhörer im vollbesetzten Saal klatschten. Also reagierte Merkel schmunzelnd: „Zwei Menschen, die klatschen. Schauen Sie, das geht doch nicht.“ Erst danach folgte Applaus von allen Anwesenden. Die Reaktion der Kanzlerin gibt es auch im Video bei Focus zu sehen.

Neue Fr. . Presse

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Politiker zeigen immer nur ihre eigenen Vorbilder ?

Nordsyrien:

6.) Erdoğan führte Trump kurdenfeindliches Video vor

Mit einem Video hat der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan bei seinem Besuch im Weißen Haus versucht, die USA von ihrem Bündnis mit der Kurdenmiliz YPG in Nordsyrien abzubringen. Erdoğans Kommunikationsdirektor Fahrettin Altun veröffentlichte den viereinhalbminütigen Film, der US-Präsident Donald Trump und fünf Erdoğan-kritischen Senatoren vorgeführt wurde, am Donnerstag auf Twitter. Darin wird der Kommandeur der von der YPG dominierten Syrischen Demokratischen Kräfte (SDF), Maslum Abdi, für schwere Terroranschläge in der Türkei verantwortlich gebracht.

Zeit-online

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Kleine Momente des Schreckens beim öffentlichen

7.) Bundeswehr-Gelöbnis in Berlin

  • Als kurz vor Beginn des Zeremoniells bekannt wird, dass die Bundeswehr nur noch über knapp ein Dutzend heiler Gala-Uniformen verfügt
  • Als Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble den Befehl „Achtung, stillgestanden!“ verweigert
  • Als der Stabsmusikkorps „Imagine“ von John Lennon anspielt
  • Als Verteidigungsministerin und designierte CDU-Kanzlerkandidatin Annegret Kramp-Karrenbauer während der Nationalhymne anfängt zu zittern

Titanic

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Hinweise und Anregungen nehmen wir gerne entgegen

Treu unserem Motto: Es gibt keine schlechte Presse, sondern nur unkritische Leser

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Grafikquellen      :     DL / privat – Wikimedia  Commons – cc-by-sa-3-0 

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