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RENTENANGST

„Ehrlich, die machen mir auch Angst!“

Erstellt von Redaktion am Samstag 6. Februar 2016

„Wir sind‚ fundamentalistische Islamisten‘“

2015-12 Aydan Özoğuzl SPD Bundesparteitag by Olaf Kosinsky-140.jpg

Yavuz Özoguz verteidigt die islamische Revolution im Iran und das antikapitalistische Potenzial des Islam. Mit Salafisten will er trotzdem nichts zu tun haben

taz: Herr Özoguz, eigentlich boykottieren Sie die taz. Warum?

Yavuz Özoguz: In der Medienlandschaft haben wir nur zwei Boykottaufrufe, der eine gegen die Springer-Presse, ich glaube, das brauche ich nicht zu erklären. Der andere geht gegen die taz.

Das ist ein ungleiches Paar.

Der gegen die taz geht zurück aufs Jahr 2005. Und ich sage Ihnen mal das Zitat, was damals erschienen ist: „Allah ist groß, Allah ist mächtig, hat einen …“ und diesen Begriff rufe ich jetzt nicht auf. Es war ein unflätiger Ausdruck für das Hinterteil, dessen Größe war mit drei Meter sechzig angegeben.

Ein dummer Witz.

Ich fand das extrem beleidigend für Muslime: Anlass war, dass irgendein durchgeknallter Gelehrter dazu aufgerufen hatte, nicht mehr fernzusehen, und irgendjemand daraufhin seinen Fernseher aus dem Fenster geworfen hatte. Darauf kam dann dieser Kommentar. Da haben wir dann gesagt: Das geht zu weit.

Aber jetzt sprechen Sie mit mir?

Wir sind ja nicht Leute, die ewig auf einem einmal gefällten Urteil beharren. Und so wie Sie mich angerufen haben, das war schon ungewöhnlich.

Ich habe bei unserem Telefonat gesagt: Bei dem Gespräch soll es um die grassierende Islam-Angst gehen, und erzählt, dass mich das Buch, das Sie und Ihr Bruder geschrieben haben, beeindruckt: Sie stellen darin dar, wie diese Angst zu beruflichen Nachteilen für Sie geführt hat, zugleich haben Sie sich nicht als Opfer inszeniert, sondern schon im Titel „Wir sind ‚fundamentalistische Islamisten‘ in Deutschland“ die Angst ironisiert. Was hat dazu geführt, dass Sie, in Bremen und Delmenhorst einst gern gesehene Muster-Muslime, in diese Rolle gedrängt wurden?

Entscheidend ist, dass wir Anti-Zionisten sind. Dieser Anti-Zionismus ist für bestimmte Kreise in dieser Gesellschaft deswegen so gefährlich, weil wir definitiv keine Antisemiten sind. Wir haben etliche Juden für „Muslim-Markt“ interviewt, auch die Mutter eines Anschlagopfers in Jerusalem, die sich für Frieden einsetzt. Trotzdem sagen wir klipp und klar, dass Israel ein Apartheidsregime ist, wie Südafrika. Das ist der Knackpunkt.

Ich fürchte schon, dass dieser Anti-Zionismus, der sich scheinbar nur auf eine Abstraktion, einen Staat bezieht, eben doch einer Position gegen die Menschen Vorschub leistet, die den Staat bilden.

Das halte ich für falsch. Für mich ist das heutige Israel genauso wie das damalige Südafrika. Wenn ich damals gesagt hätte, ich erkenne das heutige Südafrika nicht an – wäre niemand auf die Idee gekommen, zu sagen, ich hätte die Vernichtung aller Buren gefordert. Niemand! Es ging dabei um die Apartheid. Und seit die dort abgeschafft wurde – kann die Mehrheit bestimmen, wer den Staat regiert und wie er heißt. Wenn die den Staat weiterhin Südafrika nennen wollen – bitte, was habe ich damit zu tun? Genauso ist es mit Israel. Sobald die Homelands, die dort palästinensische Autonomiegebiete heißen, abgeschafft sind, und Juden, Christen und Muslime gleichwertige Staatsbürger sind, die ihren Staat Israel nennen wollen – welches Recht hätte ich, das zu kritisieren?

Ich halte es für unerträglich, die Existenz Israels infrage zu stellen von Deutschland aus. Wir gehören zu einem Volk der Täter. Wir dürfen diese Vergangenheit nicht ausblenden.

Ich bin dagegen, überhaupt irgendetwas auszublenden. Aber ich weigere mich zu sagen, Deutschland, heute, wir sind ein Volk der Täter. Jedes Volk dieser Erde ist ein Volk der Täter. Diese Kollektivbestrafung ist gegen jede menschliche Vernunft: Ich bin doch nicht verantwortlich, wenn mein Großvater jemanden ermordet hat! Das ist doch eine Manipulation: Wir sollen uns um die Vergangenheit kümmern, um die Verbrechen von heute zu übersehen.

Wobei das auch die Frage aufwirft, warum in unserem Gespräch über Angst vor dem Islam die Frage Zionismus–Anti-Zionismus so wichtig sein muss?

Das muss ich doch Sie fragen!

Mindestens hatten Sie diese Position schon vertreten, bevor Sie und Ihr Bruder zu gefährlichen Buhmännern aufgebaut wurden. Und da gab es noch keine Spur von Distanzierung: Sie waren ja Teil und Mitorganisator der ersten Bremer Islamwoche.

Das war die erste Islamwoche, die es je in einem Bundesland gab!

Ja eben: Und dann schlug die Bewertung Ihrer Aktivitäten so um. Lag das an 9/11?

Diese Sachen, die uns jeden Tag erreichen, Charlie Hebdo oder die Anschläge im November, das sind Einzelereignisse, die uns kurzzeitig erschlagen. Ich sehe das in einem größeren Zusammenhang: Wir haben seit Kain und Abel einen Kampf des unersättlichen Reichtums gegen die Menschheit. Dass 62 Menschen so viel Reichtum besitzen wie die Hälfte der Menschheit, stand in allen deutschen Zeitungen, vergangene Woche. Diese 62 bräuchten nur die Hälfte ihres Vermögens abzugeben, sie blieben die reichsten Menschen der Welt – und die gesamte Menschheit könnte im Wohlstand leben. Das tun sie aber nicht. Also bedarf es Methoden, um die Milliarden in Schach zu halten, gegen deren Übermacht sie keine Chance hätten.

Was für Methoden?

Quelle: TAZ >>>>> weiterlesen

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Grafikquelle    :  Aydan Özoğuz in 2015 auf dem SPD Bundesparteitag Berlin, 10.-12. Dezember 2015, CityCube, Messe Berlin

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