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Zur Hölle mit Italien

Erstellt von Redaktion am Montag 31. Dezember 2018

Italien kann zur Hölle fahren

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Ein in die Hölle fliegendes Skelett

Von Fabio Ghelli

Wie viele seiner akademisch gebildeten Landsleute hat unser Autor sein Heimatland verlassen. Was nun dort vorgeht, macht ihn fassungslos.

Zwischen 2011 und 2014 habe ich für deutsche Medien über italienische Politik berichtet. Es war eine aufregende Zeit: Ich schrieb über Berlusconis Abgang, Montis Sparpolitik und den Aufstieg der Fünf-Sterne-Bewegung.

Als Italiener, der erst vor Kurzem nach Deutschland übergesiedelt war, versuchte ich so gut wie möglich den deutschen Lesern zu erklären, dass hinter der wirtschaftlichen und politischen Krise viel mehr als die sagenhafte Leichtsinnigkeit von Bella Italia steckte. Ich versuchte zu erklären, dass die „vita“ in Italien seit Langem nicht mehr so „dolce“ ist und dass nach fünf Jahren dauerhafter Wirtschafts- und Beschäftigungskrise meine Mitbürger – genau so wie ich – frustriert und verzweifelt waren.

Obwohl ich seitdem nur selten über Italien schrieb, verfolgte ich weiterhin die Entwicklungen südlich der Alpen – in den Medien und in Gesprächen mit italienischen Kollegen. Und kann jetzt mit absoluter Sicherheit sagen: Ich will meine Landsleute nicht mehr in Schutz nehmen – nicht wenn die Mehrheit von ihnen eine unmenschliche und verantwortungslose Politik befürwortet. Und ich würde nicht mit der Wimper zucken, wenn sie aus dem Euroraum oder gar aus der EU fliegen würden. Denn es wäre ihre eigene Schuld.

Fremd im eigenen Land

Selbst zum Höhepunkt der Krise, als die Arbeitslosigkeit über 13 Prozent lag, hatte ich das Gefühl, dass es Grundlagen gab, die nie in Frage stehen würden: eine verbreitete Weltoffenheit und Solidarität, eine weitgehend wachsame und politisch aktive Zivilgesellschaft und eine gesunde (Selbst-)Ironie.

Als ich vor wenigen Tagen meine Heimatstadt Carrara im Norden der Toskana besuchte – zum ersten Mal seitdem die Regierung aus Lega und Fünf-Sterne-Bewegung an der Macht ist – fühlte ich mich zum ersten Mal als Fremder im eigenen Land. Im Café des Flughafens Pisa hörte ich zufällig, wie ein Kellner sich im Gespräch mit einem Polizisten darüber beschwerte, dass „die da“ jetzt sogar vor dem Flughafen ihren Unfug treiben. Eine ältere Dame mischte sich ein: „Wen meinen Sie, die N****?“ Na klar – sagte der Kellner – wen sonst? Und deutete zum Eingang hin, wo ein Paar dunkelhäutiger Touristen mit ihren Trolleys standen.

Ein Zufall – denke ich. Um mich aufzumuntern, will ich im Zentrum von Pisa ein Stück Pizza im Schatten der Bäume vor der Jura-Fakultät essen – wie ich es schon tausend Mal als Student gemacht habe. Ich habe es mir gerade gemütlich gemacht, als ein junger Student, der aus der Fakultät kommt, mich mit finsterer Miene auf ein Schild aufmerksam macht: „Es ist strengstens untersagt, sich auf den Boden zu setzen und im öffentlichen Raum Nahrung oder Getränke zu verzehren.“ Diese Stadt, in der seit den 1970ern fast alle Bürgermeister aus den Reihen der Kommunisten kamen, wird jetzt von Lega und den rechtsextremen „Brüder Italiens“ regiert. Und das merkt man.

Carrara.PNG

Im Zug nach Carrara spricht mich ein älterer Mann an, der Die Zeit in meinem Gepäck gesehen hat: „Tedesco?“, fragt er. Nein, antworte ich. „Ah! Du bist also einer von denen?“ Er meint die „cervelli in fuga“, die „Gehirne auf der Flucht“. Ja, sage ich. Dann solle ich bitte Merkel ausrichten, dass jetzt Schluss damit ist, die Italiener zu schikanieren. Das „Volk“ hat sein Schicksal in die Hand genommen und „die da“ in Brüssel und Berlin sollen aufhören, uns rumzukommandieren, kapiert? Ich zucke mit den Achseln: Ich kann gerne die Botschaft übermitteln, aber ich befürchte, dass Merkel gerade andere Gedanken hat.

Wo war ich, als Presse und Politik anfingen, Seenotretter zu kriminalisieren?

Quelle         :        TAZ          >>>>>          weiterlesen

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Grafikquellen    :

Oben    —       Flying Skeleton. Large with aspect ratio of 4:3

Urheber Nevit Dilmen  /    Eigenes Werk
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Unten        —          Carrara…     –       Stadt des Marmor in der Toskana

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